den Appell richten müssen, daß sie mit größerer Schärfe dieser Aggressive entgegentreten möchte. ir wifsen auch ganz genau, daß der Streit, den Fürst Radziwill zweifellos meinte, der Streit auf dem Schulgebiet, eine . ist, die nicht aus religiösen Empfindungen heraus, aus den Angelegenheiten des Schulwesent hervorgegangen ist, sondern einfach eine Fortsetzung der Wellenlinie jenseits unserer Grenzen ist. Es ist die Folge des Uebermuts von senseits der preußischen Grenze, hervorgerufen durch die russische Revo⸗ lution. So ein bißchen russische Revolution will man auch in Preußen spielen. Cin anderer Grund ist leider Gottes die große Langmut, die unsere preußische Regierung diesen Aspirationen gegenüber hatte. Vor zwei Jahren habe ich im preußischen Abgeordnetenhause die Regierung gemahnt, daß sie der doppelten Gefahr, der wir in unseren Ostprobinzen ins Auge sehen müssen, der polnischen und der sonial⸗ demokratischen, mit größerer Tatkraft entgegentreten möchte. — Der Reicht kanzler hat uns die Gründe vorgeführt, welche, nach seiner PVieinung hauptsächlich die Niederlage der Sozialdemokratie herbeigeführt haben, er hat aber mit der ernsten Mahnun , daß die, Gefahr nur suspendiert eil wir ihr auch ferner ins Auge sehen müßten. Der Kampf gegen die Sozialdemokratie muß fortgeführt werden und die Wählerschaft würde nicht verstehen, wenn auf diesem Gebiete nichts geschaffen würde. Daß wir in der Sozialdemokratie einen Staat im Staate haben, steht fest; in denjenigen Gegenden, aus denen ich stamme, ist aber doch die erfreuliche Tatsache zu konstatieren, daß eins der Sozialdemokratie Abbruch getan hat, nämlich ihre stete Bekämpfung des kirchlichen Sinnes. Der Abg, Singer wieder holt heute, daß die armen Streikenden gegen die Arbeitswilligen geschützt werden müssen. Wir beklagen, daß noch immer kein neuer gesetzgeberischer Versuch zum Schutze der Arbeitswilligen unter⸗ nommen sst. Ver Reichstag hat jetzt eine andere Mehrheit als früher; das sollte der Regierung in dieser Hinsicht das Gewissen schärfen. Es ist hier an die Kanalvorlage erinnert worden durch den Abg. Gröber. Nach der Auffassung der meisten Leute im Lande ist doch wohl die Frage, ob die Sozialdemokratie dauernd als Staat im Staate bestehen bleiben soll, wichtiger als die Frage, auf welchem Wege die Kohlen befördert werden sollen. Das Volk erwartet jetzt eine Antwort auf die Wahl von der Regierung; der Reichstag ist doch nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck. Dem Vorwurf gegen die Betätigung der Regierung an den Wahlen können wir uns nicht anschließen. Wir haben ihre frühere Untätigkeit auf diesem Gebiete beklagt. Wenn Unporsichtig⸗ keiten hier und da vorgekommen sind, so läßt sich, jedenfalls in der Allgemeinheit kein Vorwurf erheben. Der Abg. Singer äußerte sich absprechend über unsere Beamten. Wir haben einen recht unabhängigen Beamtenstand, aber wir haben auch politische Beamte, welche innerhalb des Rahmens ihres Amtes Organe der Regierung zu sein haben. Wir haben weiter Vorwürfe gehört gegen einige Perfonen, die in hohen Stellungen im Flottenverein Wahlagltation getrieben haben sollen. Sind hier Ungeschlcklichkeiten vorgekommen, so müssen sie bedauert werden. Wenn jetzt in Bayern h in manchen Kreisen des Vereins darüber eine Mißstimmung kundgibt, so wird man das erklärlich finden. Aber mit demselben Nachdruck, wie es von anderer Seite ge⸗ schehen ist, möchte ich verurteilen die Art und Weise, wie die er— wähnten Schriftstücke an die Oeffentlichkeit gebracht worden sind. Unsere Fraktion ist es gewesen, die in früheren Jahren schon An⸗ träge gestellt, die durch kriminelle Verfolgungen solche Vorkomm⸗ nisse verhindern wollten. Wenn in der Thronrede für den Reichstag der Wunsch ausgesprochen ist, daß er den Willen zur Tat bekunden möge, so ist der Sturm von Anträgen aus allen Parteien ein ge— nügender Bewels von der Arbeitswilligkeit im Reichstage. Die Deutschkonservativen legen ganz besonders Gewicht auf die Besser⸗ stellung der Kriegginbaliden, auf Ausgestaltung der sozialpolitischen Gesetze. Die Wohltaten der Gesetzgebung für die Arbeiter zu ver—⸗ mindern, fällt uns nicht ein; die gerechtere Verteilung der Lasten, die wir fordern, soll keine Schmälerung der Leistungen be—= deuten. Wir legen den größten Wert auf die Anträge, die sich auf Handwerk und Mittelstand beziehen; die hierher gehörigen Wünsche sind uns im ganzen Lande von allen Seiten entgegengetragen worden. Wir billigen auch vieles in den Anträgen der anderen Parteien, so den Antrag Arendt, betreffend den Bankdiskont. Nach dieser Richtung hatte schon der Abg. von Richthofen eine Bitte an die Regierung gerichtet. Eine Antwort ist bisher darauf noch nicht ergangen. Auch vielen Ausführungen des Abg. Gamp kann ich zu— stimmen. Den Wünschen, welche auf agrarischem Gebiete gemacht werden, so besonders der Frage des Gerstenzolles, wolle die Regierung tunlichft entgegenkommen. Daß die Agrarpolitik an der Lebensmittel⸗ verteuerung nicht schuld ist, wird von uns noch genauer dargelegt und bewiesen werden. Die Ansicht meiner Freunde geht dahin, daß der Wille zur Tat noch in anderer Weise betätigt werden möchte, nämlich daß die erste Session deöz Reichstags recht nutzbar . werden möchte. In der letzten Session sind zahlreiche orlagen unerledigt geblieben; wir hoffen, die jetzige Session wird damit bedacht werden. Wenn das nicht geschieht, wenn man sich auf die Beratung des Etats beschränkt, dann kommt in der ersten Session von den fünf nichts zustande. Das halten wir nicht für richtig, wir bitten also, die Session möglichst zu belasten mit allem gesetzgeberischen Material und den Reichstag, der so spät zusammen⸗ getreten ist, entsprechend länger zusammenzubehalten. Der neue Reichs⸗ tag soll nutzbar gemacht werden für produktive Arbeiten, aber die Re⸗ gierung muß dabei vorangehen, das entspricht den monarchischen Grundsätzen, auf denen wir stehen, und den monarchisch - konstitutio⸗ nellen Regierungsformen, die wir haben. Abg. Eick hoff (frs. Vollsp.): Ich habe nicht die Absicht, auf die langatmigen Ausführungen, die der Abg. Gröber gestern und der Abg. Singer heute gemacht haben, einzugehen. Eg wäre an der Zeit, sich fruchtbareren Arbeiten juzuwenden. Aber ich muß die schweren Angriffe deß Abg. Dr. Spahn gegen mich zurückweisen. Der Bayerische Kurier hat auch zwei an mich gerichtete Briefe des Generals Keim veröffentlicht und ich bin deshalb in der sonialistischen Presse aufs heftigste angegriffen worden. Namentlich hat mich der Vorwärts mit Ausdrücken belegt, die alles hinter sich lassen, was einst die edlen sechs oder, wie der Reichskanzler sagte, die armen sechs Vorwärtt-Redakteure geleistet haben. Ich kann selbstverständlich den Zorn oder die Wut der sozialistischen Presse gegen mich einigermaßen verstehen, nachdem es mir ge⸗ lungen ist, der Sozialdemokratie meinen heimatlichen Wahlkeeis zu entreißen, den sie als eine ihrer Hochburgen pries. Das kann mich aber nicht abhalten, gerade von dieser Stelle aus klar zu legen, wat es mit der Behauptung des Vorwärts auf sich hat, ich hätte in der schamlosesten Weise um die Gunst der Konservativen, das heißt des Generals Keim und der Regierung gebuhlt. Ich habe Briese, die der Dieb jwar auch gestohlen hat, denn sie sind aus dem Bureau des Flottenvereins verschwunden, dle aher nicht veröffentlicht sind, wie ich annehme, aus guten Gründen. Am 22. Dezember 1906 erhielt ich folgenden Brief des Generals Keim: „Selbstverständlich wird sich der Flottenverein, soweit ihm dies das Vereinegesetz gestattet, durch selne Mitglieder an der Wahlagitation beteiligen. Ich bin mit Herrn Dr. Flatau — einem freisinnigen Rechtsanwalt — in Verbindung getreten, um die Liste der Kandidaten der beiden Volksparteien zu erhalten und sie dann unseren Kreisen — nämlich denen, wo die Sozial⸗ demokratie zu belämpfen war — mit entsprechender Information zu überweisen. Da ich mich speziell für Ihre Wiederwahl interesstere, möchte ich Sie bitten, mir eine kurze Orlentlerung über die Sachlage in Ihrem Wahlkreise zu schicken, um dann ganz besonders werktätig eingreifen zu können. — Sie werden mich vielleicht fragen, wie kemmt der General Keim dazu, überbaupt an Sie einen Brief ju schreiben? Ich habe vor etwa Jahresfrist den General Keim per sönlich kennen gelernt. Als ich Ende 1905 in der Deffentlichkeit mich prinzipiell zu Gunsten der damaligen Flottenvorlage aussprach — ich folgte nur den Traditionen dez alten westfälischen Fortschritizmanneß Fritz Harkort — ließ der General Keim mir hier in Berlin durch den genannten r. Flatau erklären, daß es ihm erwünscht sei, meine persönliche Bekanntschaft zu machen. Ginige Wochen später wurde ich durch Zufall auf einer Soiree,
die ein Großindustrieller 9 und zu der er mich 3 hatte, dem General Keim vorgestellt. Ich habe damals mit diesem eine langere Unterredung über die Flottenvorlage gehabt und ihn dringend gebeten, er möge seine Agitation kurz vor a n der Flotten⸗ vorlage vorläufig einstellen, weil er seiner Sache dadurch mehr schade als nütze. Aber er war anderer Ansicht und erkannte meine Argu— mente nicht als richtig an. Wir trennten uns gleichwohl in der höflichsten Weise, wie es unseren gesellschaftlichen Gewohnheiten entsprach. Ich habe dann von dem General Keim nichts wieder gesehen und gehört bis zu dem Augenblick, wo ich den eben verlesenen Brief erhielt. Aus diesem Brief ersehen Sie, daß der General Keim nicht namens des Flottenvereing, sondern als Mitglied desselben sich verpflichtet fühlte, diejenigen Kandidaten zu unterstützen, die am 15. Dejember auf seiten der Regierung gestanden 1 Das ist sein gutes Recht. Im übrigen enthalte ich mich selbst— verständlich jeder Kritik des Flottenvereins und seines Voistandeg. Nur bin ich nicht so unhöflich gewesen, um einem Manne, den ich persönlich kenne und der, wie ich mit aller Deutlichkeit hinzufügen möchte, nicht nur ein braver Soldat, sondern auch ein Chrenmann ist, auf eine Anfrage keine Antwort zu erteilen. Ich würde eine solche Antwort auch dem Abg Singer erteilt haben, wenn er sich für meine Wahl interessiert hätte. Ich habe dem General Keim unter dem 25. Dejember einen vertraulichen Brief zugehen lassen, in dem ich ihm mitteilte, daß ich nicht nur in meinem bisherigen Wahlkreise Mühlhausen⸗Langensalza⸗Weißensee kandidiere, sondern auch in meinem heimatlichen Wahlkreise Lennep Mettmann und ihm die Sachlage, meine Gegner und das Stimm⸗ verhältnis bei den Wahlen von 1963 usw. genau darlegte. Darauf erhielt ich einen weiteren Brief vom General Keim. Dieser Brief enthält die bekannte Aeußerung des Reichskanzlers über mich, der Schluß ist aber nicht veröffentlicht: „Ich bitte, Spezial- wünsche, die die Wahlen betreffen, direkt an mich zu richten. Ich habe dem General Keim nicht erwidert, da ich keinerlei Wünsche an ihn zu richten hatte. Auch das dritte Schreiben des Generals Keim ist nicht vollständig veröffentlicht, so fehlten in der Ver— öffentlichung des Bayerischen Kuriers die Sätze: „Wir haben hier sehr zugkräftige Wahlflugblätter gegen die Sozialdemokratie, ebenso Broschüren, die auf amtlichen Quellen beruhen. Das ist Material für Wahlredner und es wäre mir erwünscht, wenn Sie uns Avressen, nach Wahlkreisen geordnet, mitteilten. Ich habe dem General Keim darauf einige wenige Zeilen ciwidert, indem ich ihm ein paar Tat, sachen angeben konnte. Ich habe es nicht einmal der Mühe für wert erachtet, diesen Brief zu kopieren. Darin schrieb ich, daß ich in Mühlhausen infolge der Wahlenthaltung des Zentrums voraus— sichtlich nicht in die Stichwahl kommen würde. Die Auffassung, daß die Sozialdemokratie event. in der Stichwahl siegen würde, ist mir mehrfach schriftlich und mündlich kundgegeben worden. Ich stelle hler ausdrücklich fest, daß die Parole der Wahlenthaltung, die dem Wunsche meiner katholischen alten Wähler direkt entgegenljef, von Fulda auß gekommen ist, wie ein Flugblatt, beweist, das mir vorllegt. Das ist die ganze Korrespondenz, die ich mit dem General Keim gepflogen habe. Von sozialdemokrgtischer Seite ist behauptet worden, ich hätte in der schamlosesten Weise um die Gunst der Konservativen gebuhlt. Ich habe meine Freunde in beiden Wahlkrelsen dringend gewarnt, Flugblätter des Flotten vereins ohne meine Zusfimmung zu verbreiten. Nicht ein einziges Flugblatt des Flottenvereins ist meines Wissens dort verbreitet worden. Von einer Unterstützung des Flottenvereins habe ich nicht das mindeste gemerkt. Daß meine frelsinnigen oder nationalliberalen Freunde als Mitglieder bes Flottenvereins meine Wahl sehr kräftig unterstützt baben, werden ani Ende auch die Sozialdemokraten begreiflich finden. Ich soll in schamlosester Weise auch um die Gunst der Regierung gehuhlt haben und die Sozialdemokraten haben einen Wahlprotest eingelegt, der in erster Linie mit der amtlichen Unterstützung begründet ist. Ueber diesen Wahl protest freue ich mich ganz außerordentlich. Seine Begründung wird im bergischen Lande einen Sturm der Helterkeit erregen. Die freien Söhne der bergischen Lande wissen sich ihrer Gegner selber zu erwehren, und sie bedürfen keinerlei amtlicher Unterstützung. Ich stelle hiermit fest, was jeder ehrliche Gegner anerkennen muß: Ich habe niemals, wie der Vorwärts“ behauptet hat, die Reglerung um Unterstützung bei den Wahlen ersucht und von einem amklichen Einfluß ju Gunsten meiner Wahl nicht das allermindeste gemerkt. Eine ungesetzliche amtliche Beeinflussung hat nicht statt⸗ gefunden, wie auch seitens der Regierung amtlich verkündet worden ist. Ebensowenig sind amtliche Gelder zu Gunsten meiner Wahl ver—⸗ wendet worden, auch nicht ein einziger Pfennig aus dem Fonds, der in Berlin gesammelt ist, ist für meine Wahl ausgegeben worden. Ich verstehe den Zorn der Sonaldemokratie, daß ihr zwei ihrer Hochburgen im bergischen Lande verloren gegangen sind. Daß ihr Standpunkt des entschiedenen Liberalißmus auch den Dr. Spahn und seinen Freunden um Aergernis gereicht, wird man vielleicht verständlich finden. Aber ich kat doch niemals geglaubt, daß ein Mann von der parla⸗ mentarischen Vergangenheit und prominenten Stellung des Dr. Spahn sich die Logik der Sozialdemokratie zu eigen gemacht hätte. Er hat neulich gesagt: Wäre der Abg. Richter . an dieser Stelle, dann würde er auf Grund dieses dem Abg. Eickhoff zugestellten Schreibens, in dem ihm amtliche Unterstützung zugesagt wird, verhindert haben, daß er seinen Platz hier einnimmt. ch kann mir nicht helfen, aber diese Logik des Dr. Spahn wirkt im Grunde doch nur komisch, denn diese Logik besagt, weil der Abg. Eickhoff ohne sein Zutun einen Brief erhalten hat, in dem ihm durch einen Privatmann die amt⸗ liche Unterstützung der Regierung zugesagt wird, die er weder begehrt, noch von der er irgend etwas verspürt hat, darum verdient er nicht mehr auf diesen Bänken zu sitzen. Wenn der Abg. Richter noch auf diesem Platze säße, niemand würde sich aufrichtiger als er freuen, daß es den ernsten Kräften der Bürger unseres bergischen Landes gelungen ist, dessen Sohn er selber war, diesen Sitz wieder der Sozialdemokratie zu entreißen. Er hat mich herzlich be= glückwünscht, daß ich 1895 das gleiche Ziel habe erreichen können, denn es handelt sich hier um einen sehr gefährdeten Wahlkreis. Wenn es gelungen ist, diesen Wahlkreis zurückzjuerobern, so ist das sicherlich nicht das Verdienst der Leitung der Rheinischen Zentrums⸗ partet in Cöln, die noch am Vorabend der Stichwahl durch die Kölnische Volkszeitung die Parole der Wahlenthaltung auggab, in demselben Augenblick, als ich mich nach meinen bescheidenen Kräften redlich bemühte, die Wabl des verehrten Kollegen Trimborn in Cöln sichern ju helfen, aber diese Parole ist gescheitert an dem gesunden Sinn der katholischen Wähler. Ich bin gewiß ein freisinniger Protestant, aber ich habe von Jugend auf meinen höchsten Stolj in der Toleranz, in der Duldung Anders⸗ gläubigen gegenüber betrachtet, was auch die verehrten Herren von der Zentrumspartei anerkennen werden. Wenn es so den vereinten Kräften des Bürgertums gelungen ist, auch im bergischen Lande den Terrorismus der Sozialdemokratie zu brechen, so sollten sich am letzten Ende auch der Abg. Dr. Spahn und seine Freunde darüber freuen, denn nach meiner Meinung wird unser Sieg dazu beitragen, zahlreiche katholische Wähler im bürgerlichen Lager zu halten und so die Reihen der bürgerlichen Kämpfer gegen die Sozialdemokraten zu verstärken. Das deutsche Bürgertum, und nicht zuletzt das freisinnige Bürger⸗ tum, wird siegen, wenn es nur einig ist. In diesem Zeichen, aber auch nur in dlesem Zeichen wird es auch in Zukunft Siege erringen. Abg. Hilpert (wild, mittel fränkischer Bauernverein): Ich be⸗ dauere mit dem Reichsschatzsekretär, daß er die 48 Millionen aus den Zolleinnahmen reservieren muß, aber die Witwen⸗ und Waisen⸗ versorgung ist ja im Zolltarif schon festgelegt und wir können nichts dagegen machen. Ich bin auch durchaus damit einverstanden, daß den Witwen und Waisen der Arbeiter geholfen wird. Um neue Steuern werden wir leider nicht herumkommen können. Der nationale Gedanke hat, wie bei den Wahlen von 1887 und 1893, auch jetzt gesiegt, aber vom patriotischen Gefühl allein können die taatsbürger nicht leben. Beschließt der Reichstag nicht Reformen, so möchte leicht ein Rückgang dieses Patriotismus
eintreten. Für die Gisenbahn Kubub — Keetmanshoop, die die Thron⸗ rede auch erwähnt, haben wir schon im Mat 1906 gestimmt. Es war
ein großer Fehler, daß der Reichstag damals die Mittel nicht be⸗ willigte, ein Fehler, der uns schwere Menschen⸗ und Geldopfer gekostet hat. Auch jetzt wird die Bahn für den Transport der Vorräte und Truppen ihre Schuldigkeit tun und sogar zu Ersparnissen verhelfen. Neben dem Arbeiter leiden auch zahlreiche kleine Leute, leidet der gesamte Mittelstand heutzutage sehr schwer. In zahlreichen An⸗ trägen ist ihm ja Hilfe versprochen. Hoffen wir, daß dabel etwas Positipves herauskommt. Vielfach steht der kleine Mann als Arbelt⸗ . schlechter da als der Arbeiter, denn für diesen ist gesorgt, jener st seinem Schicksal überlassen. In der Agrarpolitik und in der Zoll- und Handelsvertragspolitik wird hoffentlich in den alten Bahnen fortgegangen werden. Diese Politik hat sich schon bewährt, in allen Schichten der Bevölkerung macht sich ein wirtschaftlicher Aufschwun bemerkbar, nicht zuletzt auch in den Arbeiterkreisen, die Industrie i vollauf beschäftigt. Namentlich befriedigt uns der Abschluß der Seuchenkonvention. Auch wir werden bei der Arbeit zum Wohl des Reichs unsere Mitwirkung nicht versagen.
Abg, von Liebert (Rp.): Den Abgg. Bebel und Singer, die den Reichsverband mit so schönen Worten bedacht haben, . ich i kurz erwidern, da viele Mitglieder des Verbandes hier im Hause
tzen, und der Abg. Hagemann und ich Vorsitzende des Verbandes sind. Der Kollege Hagemann wird bei dem Etat des Reichsamtes des Innern auf die Sache zurückkommen. Ich möchte schon heute ein Wort der Entgegnung sagen. Der Reichsverband hat sich gebildet infolge des traurigen Ausfalles der Wahlen von 1903. Er hat dem , ,, was der Reichskanzler forderte, er hat eine Bewegung aus dem Volke heraus gegen die Sozialdemokratie hervorgerufen. Der Reichsverband hat ge⸗ arbeitet, er hat eine große Or . geschaffen, er hat Redner ausgebildet und hat die Wahlen vorbereitet. Dabei ist er absolut unabhängig von der Regierung; der an melne bescheidene Person gerichtete o enannte Silvesterbrief des Reichskanzlers war das erste , welches wir von der Regierung in drei Jahren erhalten haben. Die Sozialdemokratie hat uns bekämpft, das war ihr gutes Recht, aber das Wie, wie sie uns bekämpft bat, das war nicht schön. Wir hatten früher eine bescheidene anständige Presse mit schlichtem Ton. In letzter Zelt aber hat dieser sich leider zum Sauherdenton umgewandelt; dafür nur einige Bei⸗ spiele. In Oldenburg erscheint ein Norddeutsches Volksblatt, in dem wir als die deutschen Progromisten Holigans, die Bandlten des weißen Schreckens, Konter Revolutionäre usw. betitelt werden, wo von Mordbrennereien, Stinkbomben usw. usw. die Rede ist. Ich habe daraufhin Klage erhoben. Der Staatsanwalt hat mich aber beschieden, daß die Beschuldigten die Gefahr erkennen, die der Sonal⸗ demokratie aus dieser neuen Bewegung droht, und daß sie suchten, sich ihrer auf ihre Weise und mit ihren Mitteln zu erwehren. Sle schreien über n, , Sie sehen, ich kriege auch kein Recht. Ich bin hinaufgegangen bis zum Justizminister; alles hat mich beschieden: Bedauere sehr! — Aber ich appelliere an das „l Y a des juges Berlin“, und so hoffe ich, daß diese Angelegenheit 6 wohl später noch das hohe Haut , e. wird. In einem sächsischen Volks⸗ blatt wurden unsere Angestellten als skrupellose Zeilenreißer, unechte Doktoren usw. bezeichnet. Wir wollen doch mal feststellen, was die Abgeordneten und Redakteure der Sozialdemokratie früher gewesen sind. Der Herr, den ich zu bekämpfen hatte und den ich drüben nicht mehr sehe, wie ich überhaupt viele dort nicht mehr sehe, die früher da waren, der Herr Schöpflin, hat damit renommiert, daß er früher Hirten ⸗ knabe gewesen sei. Es ist das ja eine sehr sinnige und gemütvolle Be⸗ schäftigung; ob es aber gerade die vorbereltende Stufe für den Volksvertreter bildet, ist mir zweifelhaft. Der „Han noversche Volkswille! hat uns die Menschenfreundlichkeit des Henkers vorgeworfen, die „Erfurter Tribüne“ sprach davon, daß dite Kettenhunde des Reichsverbandes die Hundepeitsche bekommen. Die bekannte Sektgeschichte, die den Abg. Bebel so aufregte und die wir erfunden haben sollen, daß die drei Genossen Singer, Bebel und noch ein anderer Herr an Kaisers Geburtstage sich umarmt und Sekt getrunken hätten, hat in der „Information“ ge⸗ standen, einem Blatt, das ich nicht kenne; das sind ja alles nur Aeußerlichkelten, aber ich habe im Wahlkampf sehen müssen, daß der Herr Schöpflin in feinem Muldethalblatt nicht meine Person, wohl aber unsere heilige nationale schwarz weiß⸗rote Flagge den Schmutz⸗ lappen des Hottentottenblocks genannt hat. Für diese Handlung, habe ich Herrn Schöpflin gesagt, fehle leider im Strafgesetzbuch ein Paragraph. Da bleibe eigentlich nur übrig, nach dem Beispiele von England und Amerika, die Lynchjustiz. (Andauernder Lärm links. — Präͤsident Giaf Stolberg bittet wiederholt um Ruhe) Wir werden weiterkämpfen, volle fünf Jahre liegen vor uns und wir haben zwei Bundeggenossen: einmal den Erfolg und dann den erbitterten 86 und Ingrimm, der sich der besseren Kreise des deutschen Volkes . die Sozialdemokratie bemächtigt hat, vor allem unseres Müttelstandes, der Kleingewerbetreibenden, Handwerker und Geschäftsleute, die heute alle bitter unter dem Boykott der Sozialdemokratie leiden. Es ist eine jammervolle Rache, die Sie gegenüber dem Mittelstande üben. Aber das wird sich furchtbar an ö rächen. Wir speziell in Sachsen erfahren tagtäglich durch zabllose Briefe, wie alles unter diesem Boykott zu leiden hat. Wir müssen unsere Wähler und Freunde vorläufig freilich noch mit Geduld trösten. Wir werden sür den Mittelstand kämpfen nach jeder Richtung, bis er aufkommt und . seinen Mann steht. Was von den Arbeitern abbröckelt, das haben wir schon in diesem Wahlkampfe gesehen, und das wird noch ganz anders kommen, was wir von Arbeitervereinen Ihnen entgegenstellen werden. Der Wahl⸗ kampf war nicht bloß ein Volksgericht, er war auch ein Gottesgericht = am dritten Tage stieß der Herr den Drachen vom güldenen Thron“. Jetzt sind Sie nur zur Halfte besiegt, in fünf Jahren wird
ch der Rüter Georg, das deutsche Volk, noch einmal erheben und
hnen den Rest geben. Heute rufe ich Ihnen für 1912 zu: „Vas victis!“, und dafür wird der Reichsverband sorgen.
Hierauf wird Vertagung beschlossen.
Persönlich bemerkt der
Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Der Abg. Eickboff bat allo den Brief tatsächlich erbalten, worin ihm die amtliche Unterstützung seiner Wahl zugesichert wird. Nach meiner Auffassung erheischt es die Ehre des Reichstags, daß ein solches Mitglied sich vor völliger Aufklärung der Sache der Teilnahme an unseren Sitzungen enthält. Ich kann mich dafür auf Stimmen aug seiner eigenen Partei berufen. Die Beurteilung der Frage, ob eine ungesetzliche Wahlbeeinflussung vorliegt, ist Sache der Wahl- prüfungskommission, aber bit jetzt ist im Reichttage noch kein Fall gewesen. (präsident: Viese Ausführungen gehen über den Rahmen einer persönlichen Bemerkung hinaus.) Der Redner wendet sich dann gegen eine Bemerkung des Abg. Semler und legt . lich die Vorgänge in der Budgetkommission bei der Beratung über die Eisenbahnvorlage Kubub — Keetmanshoop dar.
Abg. Eickhoff (frs. Vpt.): Daß ein Abgeordneter, dessen Wahl angefochten ist, hier nicht anwesend sein darf, ist mir neu.
Abg. Semler (untl): Es ist mir unmöglich, im Rahmen einer wirklichen persönlichen Bemerkung zu widerlegen, was der Abg. Spahn soeben zur Sache gesagt hat.
Abg. Spahn (Zentr.: Der Abg. Eickhoff soll sich nur die Frage vorlegen, ob er, nachdem diese Frage aufgerollt ist, sich hier an , . beteiligen kann.
Abg. Eickhoff (frs. Vpt.): Die Logik des Abg. Spahn wider- spricht der Verfassung.
Schluß 6 Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr. (Fortsetzung der Generaldiskussion des Etats.)
derartigen Betriebes bestimmte Sorten von Pflanzen in ihrer Vege⸗ unserer Praxis die Einrichtung von Schiedegerichten jetzt schon mög⸗
lich ist, und daß wir wiederholt in die Konjessteneurkunden die aut
zum Deutschen Reichsan
M 56.
Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 23. Sitzung vom 1. März 1907, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Das Haus setzt die , . Beratung des Staatshaus⸗
haltsetats für das Rechnungsjahr 1907 im Etat der i, und Gewerbeverwaltung bei den dauernden usgaben fort. . Jun wird der dazu gestellte Antrag der Abgg. Graf von Spee (Zentr.) und von Pappenheim eg
erörtert, die Königliche Staatsregierung zu ersuchen,
1) die Anweisung zur In ihr usr! der Reichsgewerbeordnung dahin jzu erweitern, daß bei der Prüfung der Vorlagen zu gewerb⸗ lichen Anlagen nach 5 16 der Reichsgewerbeordnung außer den Bau, Gewerbeaufsichtg⸗ und Medizinalbeamten in gleicher Weise durch die Landwirtschaftskammern zu bezeichnende landwirt schaftliche Sachverständige beteiligt werden, sofern landwirt- schaftliche Interessen durch die Genehmigung der Anlage berührt
werden; 2) einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den dem 5 113 Satz?
. 5 ht hefe vom JI. August 1883 folgende Fassung ge⸗
eben wird:
) Sofern landwirtschaftliche Interessen in Betracht kommen, entscheidet der Minister für Handel und Gewerbe in Gemeinschaft mit dem Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.“
Ueber den ersten Teil der Debatte hierüber ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:
Meine Herren! Die Herren Antragsteller sind von einer Reihe von Fällen ausgegangen, in denen konzessionepflichtigen Anlagen, die auf Grund des § 16 der Gewerbeordnung genehmigt waren, nicht mit den nötigen Einrichtungen versehen waren, um die benachbarten landwirtschaftlichen Betriebe vor den schädlichen Folgen ihres Be⸗ triebes zu schützen. Ich zweifle nicht, daß solche Fälle vorkommen, und ich will den Herren Antragstellern gern glauben, daß sie die Zahl der hier angeführten Fälle noch um einige vermehren könnten. Ich bin auch mit den Herren Antragstellern darin vollständig einig, daß es Pflicht der Königlichen Staatsregierung ist, bei der Genehmigung von Anlagen auf Grund des § 16 der Gewerbeordnung ein Verfahren zu finden, das die Interessen aller Beteiligten, selbstverständlich auch die der Landwirtschaft, voll berücksichtigt. Ich darf dem hinzufügen, daß die Organe, die jetzt mit der Vorbereitung und Begutachtung von Genehmigungsanträgen befaßt sind, peinlich danach streben, in jedem einzelnen Falle ju ergründen, inwieweit die Anlage die benachbarten landwirtschaftlichen Betriebe schädigen kann, und welche Mittel etwa geeignet sind, diese schädlichen Wirkungen zu beseitigen.
Im Anschluß daran bemerke ich noch augdrücklich, daß schon jetzt in meinem Ministerium die Gepflogenheit besteht, Konzessions⸗ gesuche um Anlagen, die erhebliche Schädigungen für die Landwirt- schaft mit sich bringen können, nachdem sie in der Technischen Depu— tation geprüft sind, dem Herrn Landwirtschaftsminister zur Aeußerung zugehen zu lassen. (Hört, hört! links.)
Es wird also tatsächlich in solchen Fällen dem in erster Linie zur Vertretung der Landwirtschaft berufenen Minister ermöglicht, die Sache zu prüfen und die nach seiner Auffassung etwa erforderlichen Maßnahmen zum Schutze der Landwirtschaft zu fordern. Ich meine aber auch, daß der Antrag des Herrin Grafen Spee in der vorliegenden Form gar nicht geeignet ist, die bestehenden Verhältnisse erheblich oder überhaupt zu Gunsten der Landwirtschaft zu verbessern, und ich habe auch eine Reihe grundsätzlicher Bedenken gegen diesen Antrag zu erheben. Die Herren werden mir gestatten, daß ich zunächst einmal den Gang eines Konzessiongverfahrens nach Maßgabe des 5 16 der Gewerbe⸗ ordnung und der dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen erläutere. Der Antrag geht bei der gesetzlich dazu bestimmten Verwaltungt⸗ behörde ein; in der Regel ist es der Landrat, wenn die Stadt in Frage kommt, der Magistrat. Diese Amtsstelle läßt nun die Sache begutachten durch einen Baubeamten, durch den Gewerbeaussichts⸗ beamten und in der Regel auch durch den Medizinalbeamten. Das entspricht den ausdrücklichen Bestimmungen der Ausführungsanweisung zur Gewerbeordnung.
Nun wird gewünscht, daß außer den hier genannten Sachver- ständigen auch noch landwirtschaftliche Sachverständige zugezogen werden. Dagegen spricht jweierlei; einmal haben wir keine beamteten landwirtschaftlichen Sachverständigen, die in der Lage wären, derartige Fragen zu begutachten, und ich muß sagen, ich teile die Bedenken, zu Gunsten eines einzelnen Beruftstandes eine Ausnahme zu machen und hier im Vorverfahren Sachverständige zu⸗ zuziehen, die nicht Beamtencharakter haben. Ich bin auch sehr im Zweifel, ob die Zuziehung eines landwirtschaftlichen Sachverständigen in diesem Stadium des Verfahrens ju dem erwünschten Ziele führen wird. Es handelt sich jetzt — dieses Verfahren findet statt vor der
Publikation und dem Präͤklusionsverfahren — darum, festzustellen, welche schädlichen Folgen für die Nachbarschaft kann die Anlage haben? welche Dämpfe werden entwickelt? welche Staubentwicklung tritt ein? welcher Lärm wird verursacht? welche schädlichen Einwirkungen auf Wasserläufe und Teiche können eintreten? Das alles sind technische Fragen, die wohl der mit den technischen Einrichtungen der Betriebe vertraute Gewerbeaufsichtsbeamte, nicht aber ein landwirtschaft⸗ licher Sachverständiger beurteilen kann. In welchem Umfange z. B. Zinkdämpfe entwickelt werden, kann der landwirtschaft⸗ liche Sachverständige nicht beurteilen. (Sehr richtig) Ob eine bestimmte Vorschrift zur Beseitigung des Staubes *hin⸗ reichend ist, kann nicht ein landwirtschaftlicher Sachverständiger, das kann nur ein Techniker beurteilen. Für den landwirtschaftlichen Sach⸗ verständigen kann nur die Frage von Bedeutung sein, in welchem Umfange Staub, Rauch oder sonstige schädliche Konsequenzen eines
Zweite Beilage
Berlin, Sonnahend, den 2. März
Richtung wissenschaftlich festgestellt ist, sorgsam gesammelt und dem begutachtenden Beamten zur Verfügung gestellt.
Nun geht das Verfahren weiter. Vie brei Beamten haben sich geäußert; ingbesondere hat ber Gewerbeaufsschtskeamte sich eingehend über alle Konsequenjen des vorgeschlagenen Hetriebes ausgelassen, und es erfolgt nunmehr die öffentliche Bekanntmachung. Jetzt sind alle Interessenten in ber Lage, ihre Einwendungen geltend zu machen, und auf Grund dieser Einwendungen tritt eine mündliche Erörterung der Sache unter Zustebung der Hetelligten ein, sodaß also die etwa der Gefahr einer Schädigung autgesetzten land⸗ wirtschaftlichen Nachbarn in der Lage sind, vor dem betreffenden Beamten ganz genau ihre Bedenken gegen dle zu ertellende Konzession geltend zu machen und ebenfalls die Bewelgmittel anzugeben, die sie an der Hand haben jur Begründung ihrer Auffassung. Darauf gibt die Behörde den drei sachverständigen Beamten noch einmal Gelegen helt, sich unter Berücksichtigung dieser Ginwendungen gutachtlich zur Sache zu äußern.
Nunmehr geht die Sache in das Beschlußverfahren, bezw. es
findet eine mündliche Verhandlung statt, wenn Einsprüche erhoben sind, und die Beschlußbehörde hat die Möglichkeit, durch Zeugen und Sachverständigenvernehmungen, durch Inaugenscheinnahme usw. Beweis ju erheben. Eg ist also — in der Regel wird ja der Kreizausschuß, in dem ohnehin die Landwirtschaft vertreten ist, jzuständig sein — dle in erster Instanz entscheidende Behörde auf Grund der von ihr aug den Vorverhandlungen gewonnenen Anschauungen jederzeit in der Lage, die Vernehmung landwirtschaftlicher Sachverständiger an⸗ zuordnen. Und in diesem Stadium des Verfahrens ist auch die Wahl der Sachverständigen völlig frei; der Kreigausschuß kann beschließen, die Sachverständigen zu vernehmen, die die Interessenten angegeben haben, der Kreigausschuß hat auch das Recht, andere Sach— verständige zu vernehmen, er hat das Recht, das Gutachten einer land—⸗ wirtschaftlichen Akademie einjuholen. Kurzum, es ist die Möglichkeit einer sorgfältigen landwirtschaftlichen Begutachtung im weitesten Um- fange gegeben.
Nun, meine Herren, kommt das Verfahren vor der Rekurgzinstanz, das ist das Ministerium für Handel und Gewerbe. Hler wird dat Verfahren der technischen Deputation vorgelegt, einer Deputation, die aus den hervorragendsten Autoritäten des Landes auf den in Betracht kommenden Gebieten besteht. Kommen landwirtschaftliche Interessen von nennengwertem Umfange in Frage, so wird, wie ich vorhin schon auszuführen die Ehre hatte, der Herr Landwirtschaftsminister gehört. Meine Herren, ich sollte meinen, daß ein derartiges Verfahren hin⸗ reichende Garantien bietet, um die landwirtschaftlichen Interessen zu wahren, ebenso wie die Interessen anderer Beruftzstände gewahrt werden. (Sehr richtig! rechts und links.)
Wenn nun von seiten der Herren für die Rekurginstanz dem Wunsche Augzdruck gegeben wird, daß hier der Handelgminister nicht allein, sondern der Landwirtschaftsminister mitentscheiden soll, so muß ich trotz des Spezialfalles, der bezüglich der Konzessionierung von Stauwerken besteht, grundsätzliche Erwägungen ernstester Natur gegen eine derartige Bestimmung vorbringen.
Meine Herren, es entspricht der bestehenden Behördenorganisation, auf der auch das Zuständigkeitsgesetz aufgebaut ist, daß Entscheidungen in solchen Fällen der Ressortminister allein trifft, und daß er erfor— derlichenfalls — wie ich schon angedeutet habe — die anderen be⸗— teiligten Ressortchefs hört. Wollen Sie welter gehen und es zur Regel machen, daß neben dem Ressortminister andere Minister gehört werden — — (Zuruf des Abg. von Pappenheim) — Ja, Sie wollen nur den Landwirtschaftsminister gehört haben. (Erneuter Zuruf des Abg. von Pappenheim) — Jawohl, meine Herren, ich habe mich viel⸗ leicht nicht ganz richtig ausgedrückt. Wenn die Herren verlangen, daß in Sachen, wo die Landwiüttschaft interessiert ist, der Landwirtschafts—⸗ minister mitentscheidet, dann könnten mit Recht beispielsweise die großen Städte kommen, deren Verhaͤltnisse durch derartige Anlagen unter Umständen auf das schwerste beeinflußt werden, und können verlangen, daß der Minister des Innern mit entscheidet. (Abg. Eckert: Sehr richtig Es könnte in Fällen, in denen Krankenhaäͤuser beeinträchtigt werden, in denen allgemeine hygienische Fragen in Betracht kommen, verlangt werden, daß der Kultugminister mit ent⸗ scheidet. (Sehr richtig) Es könnte in denjenigen Fällen, die dag Strombauwesen betreffen oder die speziell die baupolijeilichen Fragen berühren, mit Recht verlangt werden, daß auch der Minister der öffentlichen Arbeiten mit entscheidet. Meine Herren, dat würde zu einer Komplikation des Verfahrens führen, die außer- ordentlich groß ist (sehr richtig ), und müßte — darauf möchte ich nicht unterlassen hinzuweisen — dahin führen, daß wir schließlich in allen ähnlich liegenden Fällen ebenfalls eine ent⸗ scheidende Mitwirkung der anderen Ressorts eintreten ließen. Wenn die Herren demgegenüber spejiell auf die Stauanlagen Bezug genommen haben, so möchte ich bemerken, daß hier die entscheidende Mitwirkung des Landwirtschaftsministers um deswillen gerechtfertigt erscheint, well es sich hierbei in allererster Linie um eine wasserpolijeiliche Entscheidung handelt. Im andern Falle handelt es sich aber ausschlleßlich um eine gewerbepolizeiliche Entscheidung (Abg. von Pappenheim: Landwirtschaftliche Interessen) und die landwirtschaftlichen Fragen kommen dabei in gleicher Weise in Betracht, wie Fragen der öffentlichen Sicherheit, öffentliche Gesund⸗ heltgfragen, bautechnische Fragen und dergleichen mehr in Betracht kommen können.
Meine Herren, ich will nur auf einige von den Einzelheiten, die die Herren hier vorgebracht haben, eingehen. Herr Graf Spee hat es als einen Mangel des bestehenden Verfahrens hingestellt, daß etwaige Schadentersatzansprüche nur im Wege des gerichtlichen Verfahrens geltend gemacht werden können, und er hat den Wunsch ausgesprochen, daß man die Einrichtung
tatlongzentwicklung schädigen können oder nicht. Das ist aber im allgemeinen völlig bekannt. Uebrigens wird auch alles, was nach dieser
von Schiedsgerichten zulassen möchte. Ich bemerke, daß nach
zeiger und Königlich Preußischen Staatzanze ger.
1907.
drückliche Bestimmung aufgenommen haben, daß der Unternehmer sich im Falle von Streitigkeiten einer schiedrichterlichen Entscheidung unterwerfen muß; und ich gebe den Herren anheim, wenn Sie in einem ähnlichen Falle Widerspruch erheben sollten, gleichzeitig auch den Antrag zu stellen, daß die Schledsgerichtsklausel in die Ge⸗ nehmigungtzurkunde aufgenommen wird.
Nun möchte ich nochmals zurückkommen auf den Fall, den Herr Graf Spee angeführt hat. Er hat einen Fall mitgeteilt, in dem eine Fabrik angelegt ist, die nachher für die Umgebung eine Staubbelästi= gung gebracht hat, die zweifellos schädlich ist und bei der Konzessio—⸗ nierung nicht vorhergesehen werden konnte. Auch gegen solche Falle sind wir bestrebt, Schutz zu gewähren. Wir haben einmal die Mög⸗ lichkeit, in die Konzessiongurkunde die Bestimmung aufzunehmen, daß der Unternehmer verpflichtet sein soll, die jederzeit vollendetsten Einrichtungen zur Verhütung derartiger Schädigungen einzuführen (Abg. Krawinkel: Geschieht überall!); ich könnte aus meiner Praxitz eine ganze Reihe von Fällen anführen, wo wir nach träglich verbesserte und andere Konftruktionen verlangt haben. Wir behalten uns auch in geeigneten Fällen die Befugnis vor, die Ge⸗— nehmigungobedingungen nachträglich abjuändern und zu ergänzen, fall sich ein Bedürfnis hierzu herausstellen sollte (Abg. Dr. von Böttinger: Sehr richtig), und auf Grund dieser Vorbehaltgzklausel werden nicht selten umfassende Verbesserungen gefordert und durchgeführt. (Abg. von Pappenheim: Dann kostet es das Dreifache) — Ja, Herr Abgeordneter, das ist Sache des Unternehmerg. — Ich bin nur der Ansicht, daß der landwirtschaftliche Sachverständige nicht in der Lage sein wird, derartige Anlagen speziell zu empfehlen und ju begut— achten. (Sehr richtig! bel den Freikonservativen und den National- liberalen.
Aber, meine Herren, ich bin bereit, mir die Ausführung bestimmungen noch einmal daraufhin anzusehen, ob man vielleicht die Beschlußbehörden in der ersten Instanz auf die Möglichkeit der Zu— ziehung von Sachverständigen, wie ich es hier eben erörtert habe noch besonders hinweisen kann; und ich bin ferner bereit, mit dem Herrn Landwirtschaftsminister darüber in Verbindung zu treten, ob es sich vielleicht empfiehlt, der Technischen Deputation speziell landwirt⸗ schaftliche Sachverständige zuzugesellen. Denn ich bin der Ansicht, daß man wohl in Berlin einen oder den andern Sachverständigen finden kann, der neben der landwirtschaftlichen auch die technische Seite der Sache zu prüfen in der Lage ist; ich bin aber der Ansicht, daß derartige Sachverständige für die Lokal- und Propinzialinstanzen nicht werden gefunden werden können. (Widerspruch rechts und im Zentrum.) Also, meine Herren, in dem Punkte bin ich gern bereit, Ihren Wünschen entgegenzukommen. Ich kann aber meinerseits den Antrag nicht jur Annahme empfehlen und glaube auch, obwohl die Sache ja im Staatsministerium noch nicht Gegenstand einer Be— sprechung gewesen ist, nicht in Autsicht stellen zu können, daß die Königliche Staatsregierung den gewünschten gesetzlichen Aenderungen unserer Behördenorganisatton wird justimmen können. (Bravo! bei
machen, daß die Frage in zwei Teile zer nr sich darum, ob in dem vorberriter der Seeder der Seren. verfahrens landwirtschaftlike Satrteer ? ẽrdage
den Nationalliberalen und Frelkonservativen.)
Abg. Kirsch (Zentr.): Damit stellt e. der Minister etwas freund⸗ licher dem Antrag gegenüber als zu Anfang. Der Antrag will ja wesentlich nur eine Anhörung von landwirtschaftlichen Sachver⸗ ständigen. Die Entscheidung soll nach wie vor nicht diesen, sondern dem Kreigausschuß bleiben. Unsere Kreise sind aber nach und nach, namentlich im Westen, industrialisiert worden, daher sind auch Kreig⸗ ausschuß und Yezirkgausschuß zum größten Teil gar nicht mehr aug Vertretern der Landwirtschaft zusammengesetzt⸗ (Widerspruch des Abg. von Boettinger Gewiß kommt es darauf an, wie die r ae eh f- und Bezirksautzschüsse zusammengesetzt sind. Wenn sie wesentlich aus Industrsellen bestehen, so haben wsr um so mehr die Verpflichtung, landwirtschaftliche Sachyerstãndige hinjujuziehen. Ich bitte, den An. trag nicht einer Kommission zu Üüberweisen, sondern sofort im Plenum darüber zu entscheiden, denn die Sache ist aufgeklärt genug. Der Minister meint, die Propinzialbehörden hätten keine landwirtschaftlichen Sachverständigen, die dazu geeignet wären, aber selbst in dem industriell so entwickelten Westfalen und Rheinland sowie Schlesien find e, me,. genug für die landwirtschaftlichen Interessen borhanden. Es kommt hier auch die Verunreinigung der Flußläufe durch die industriellen Anlagen in Betracht, z. B. bei Düssseldorf. Diese Schäden für die Landwirtschaft können die gewerblichen Sach— verständigen nicht übersehen. So ist J. B. eine Obstkultur durch eine industrielle Anlage absolut unmöglich gemacht worden. Dasselb⸗ gilt für die Weinberge. Glauben Sie, daß z. B. chemische Sach⸗ verständige solche Schäden beurteilen können? Es ist vorgekommen, daß *. kgebäude gebaut sind, ohne daß jzunächst gesagt wurke, wel Se industrlellen Betriebe darin stattfinden sollen. Gs läßt sich alf das Konzessionsverfahren für die Gebäude nicht von dem ubrigen Verfabren trennen. Durch die Genehmigung der Gebäude wird zugleich der Genehmigung der Industriebetriebe präjudiziert. Ich bitie alf der Antrag anzunehmen. .
Abg. von Pappenheim (lons.): Es wird in den Anefübrange= bestimmungen verlangt, daß die Vorlagen geprüft werden von Baubeamten, Gewerbeaufsichtebeamten und Medijzinalbeamten. Von landæirti ett. lichen Prüfungen ist keine Rede, das versteben ja die anderen Herren
Warum wird uns nicht konzessioniert, daß die Ausführungen dabte geändert werden, daß, soweit landwirtschaftliche Inter en berbrt werden, der Landwirtschaftsminister mitzusprechen bat? Dir wver⸗ langen nur eine gemeinschaftliche Vorprüfung mit den landwirt haft. lichen Sachverständigen, vor allem eine Vorprüfung, damit der Kreis- ausschuß richtig informiert wird. Schon bei der Vorprüfung maß die Kollision der Interessen vermieden werden. Wenn der Mirsfter sagt, es seien keine landwirtschaftlichen Sachverständigen bei den Behörden vorhanden, wozu hat man denn die Landwirtschafte kammer
ebildet? Das gehört doch zu ihren Aufgaben. An der JIrnerste at sich gezeigt, wie Quadratmeilen Landes geschädigt sind hätte
man damals in einer Vorprüfung die landwirtschaftlicchen Jrtere f en geprüft, so hätte man mit einer Kleinigkeit Abbiülfe schefen Eren.
Minister für Handel und Gewerbe Delbräck:
Meine Herren! Ich glaube, ich bin in einem Teile Teer e- führungen nicht ganz klar gewesen; denn die Arefẽ
von Pappenheim lassen darauf schließen.
Meine Herren, zunächst möchte ich nockenes6 derer mr, meren,
a rn, n warn ö — Dir ere Tenge der en
benangememner werde
sollen.
Ich habe darauf bingewie sjen. de er imer en wien, me