1907 / 56 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 02 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

eignete Beamte für diese Zwecke zu finden, habe aber auf der anderen Seite darauf aufmerksam gemacht, daß es in dem daran sich an⸗ schließenden Beschlußverfahren dem Kreigausschusse freisteht, unter Zuziehung von landwirtschaftlichen Sachverständigen zu be— schließen. Das werden sie vor allem in denjenigen Fällen tun, in denen die Interessenten, von denen ich annehme, daß sie zur Wahrung ihrer Interessen Widerspruch erheben, derartige Sachverständige vorgeschlagen und deren Vernehmung bean⸗ tragt haben. Ich habe mich auch bereit erklärt, auf eine ausgiebigere Heranziehung landwirtschaftlicher Sachverständiger für diese Fälle hin⸗ zuwirken. Das sind rein Fragen der praktischen Erwägung.

Die zweite Frage und da habe ich mich vielleicht in meinen ersten Ausführungen nicht präzise genug ausgedrückt liegt etwas andert. Es entscheidet jetzt der Minister für Handel und Gewerbe in diesen Fällen judikatorisch, und da besteht der. Grundsatz, daß der Ressortminister in solchen Fällen allein auf seine Verantwortung hin entscheidet. Er ist aber selbstverständlich gehalten, in wichtigen Fragen die anderen Ressorts zu hören. Anders liegen die Dinge, wenn die Herern lediglich wünschen, daß dem Landwirtschaftsminister in Fällen, in denen die landwirtschaftlichen Interessen in Frage kommen, die Möglichkeit einer gutachtlichen Mitwirkung gesichert wird. Diese Mitwirkung besteht schon jetzt, und sie wird auch von meiner Seite fernerhin rückhaltslos in Anspruch genommen werden. Wenn die Herren weiter nichts wünschen, als daß in Dingen, in denen land⸗ wirtschaftliche Sachen in Frage kommen, der Herr Landwirtschafts⸗ minister die Möglichkeit hat, ehe ich entscheide, sich zur Sache zu äußern, dann wünschen Sie etwas, was tatsächlich besteht und toto die geübt wird, und ich bin bereit, Ihnen auf diesem Gebiete noch so welt entgegen zukommen, als ich versuchen werde, in die Technische Deputation einen besonderen Sachberständigen zu berufen, der Sachkunde auf landwirt⸗ schaftlichem Gebiete, auch in Fragen der Technik Quallftkation besitzt, wodurch natürlich die Sicherheit des Urteils der Deputation nur er⸗ höht und verbessert werden kann. So liegen die Dinge. Wir sind, glaube ich, nicht so weit auseinander, wie Herr von Pappenheim glaubt. In der Sache wird das, was er wünscht, von mir jetzt schon geübt, und ich werde dafür sorgen, daß es noch mit größerer Sorg⸗ samkeit und Aufmerksamkeit geübt wird.

Wenn die Herren dann noch auf Einzelheiten gekommen sind, wenn beispielsweise darauf aufmerksam gemacht worden ist, daß die Innerste durch die Pochwerke des Staats nicht in dem Maße ver— unreinigt worden wäre, wenn bei dem Verfahren ein landwirtschaft⸗ licher Sachverständiger zugezogen worden wäre, so möchte ich demgegen⸗ über zunächst darauf aufmerksam machen, daß es sich hier doch um uralte Anlagen handelt. Diese Bergbetriebe mit Wascheinrichtung sind uralt, sie sind zu einer Zeit eingerichtet worden, als wir ein derartiges Ver⸗ fahren noch nicht kannten. Wenn aber in neuester Zeit eine derartige Einrichtung getroffen sein sollte, welche die Innerste verunreinigt, und wenn gegen diese Verunreinigungen nicht genügend polizeilich eingeschritten sein sollte, so wären die Beschwerden nicht bei mir anzubringen, sondern in erster Linie bei dem Herrn Landwirtschaftsminister, denn es handelt sich hier um einen nicht schiffbaren Fluß, und auf einem solchen nicht schiffbaren Flusse hat jener Herr Minister, nicht ich die Wasserpolizei auszuüben. Dann gehören die Anlagen, um die es sich hier handelt, garnicht unter 5 16 der Gewerbeordnung, sie können also niemals auf Grund eines solchen Verfahrens konzessioniert werden. Dasselbe trifft für die von einem der Herren angeführten Färbereien zu. Die Färbereien gehören nicht zu den auf Grund des § 16 kon- jessionspflichtigen Anlagen, und wenn Färbereien ihre Abwässer in Privatflüsse entleeren, so handelt es sich um Fragen, in denen der Herr Landwirtschaftsminister schon auf Grund der bestehenden Be—= stimmungen zu entscheiden in der Lage ist. Daß eine nachträgliche Forde⸗ rung von Vorkehrungen zur Verhütung von Schädigungen landwirtschaft⸗ licher Betriebe immerhin nicht so wirksam ist, als wenn von vornherein die erforderlichen Anordnungen getroffen werden, gebe ich dem Herrn von Pappenheim ohne weiteres zu. Ich möchte nur bemerken, daß das, was ich ausgeführt habe, im Zusammenhang steht mit dem Beispiel des Herrn Grafen Spee. Es passiert uns häufig, daß wir in der Lage sind, in einem solchen Falle etwas vorzuschreiben, was nach der Lage der Technik das Vollkommenste ist. Beschränke ich mich in der Konzession auf die speniellen Anordnungen, dann kann sich die Fabrik, wie Herr Graf Spee das ausgeführt hat, jederzeit darauf berufen, daß sie die Konzessiongbedingungen erfüllt; behalte ich mir aber eine spätere Ab⸗ änderung vor, dann bin ich in der Lage, bessere und wirksamere Ein⸗ richtungen nachträglich fordern zu können. Und Herr Abg. von Pappenheim wird mir zugeben, daß unter diesem Gesichtapunkt die bigherige Praxis im Interesse der Landwirtschaft liegt, weil sie die Möglichkeit gibt, späterhin das Vollkommenere und Bessere zu fordern, sobald es sich als durchführbar herausgestellt hat.

Abg. Dr. von Boettinger (ul.) widerspricht der Diskreditierung der Kreisausschüsse durch den Abg. Kirsch. Die Kreisausschüsse erfüllten objektiv hre Pflicht. Gebäude führe in solchen Fällen jeder . seine eigene Gefahr auf; bestimmend für den Kreisausschuß sei es auf keinen Fall, daß bereits Gebäude für einen industriellen Betrieb aufgeführt seien. as Haus möge den Antrag ablehnen oder wenigstens an die Kommission für Handel und Gewerbe überweisen.

Abg. Graf H on Spee Zentr.) andert seinen Antrag dahin, daß die landwirtschaftlichen Sachverstandigen wenigstens angehört“ und die Anhörung des Landwirtschaftzminifters bewsrkt werden soll, und bittet,

daß der Antrag in dieser Form ohne Kommissionsberatung an⸗ genommen werde.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Nach den letzten Ausführungen bleibt ja eigentlich verhältnismäßig wenig Differenz zwischen den Herren Antragstellern und mir bestehen. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, daß es sich bei dem vorbereltenden Verfahren um die Anhörung der berufenen Beamten handelt, und daß mir landwirtschaftliche Beamte nicht zur Verfügung stehen, nämlich Staatabeamte, Herr Graf von Spee! Daß die Landwirtschaftskammer Beamte hat, die ich eventuell vernehmen kann, liegt ja in der Natur der Dinge. Es würde aber und darin liegt dag prinziell Schwierige in der Sache eine Abweichung sein, die speyiell zu Gunsten der Landwirtschaft getroffen würde, wenn zu diesem lediglich im Kreise der Beamten vorzunehmenden Vor— bereitungsverfahren ein nicht als Beamter angestellter Sachverständiger zugezogen würde.

Herr Graf von Spee hat gesagt: es genügt uns ja schon, wenn der Meliorationgbaubeamte zugezogen wird, wenn die Landwirtschaftt= kammer diesen vorschlägt. Ja, meine Herren, den Melioration baubeamten ziehe ich jetzt schon u, und ich wäre gern bereit, ihn auch in weiterem Umfange juzuziehen, wenn ich nur die Ueberzeugung hätte, daß er den

Wünschen und den Anforderungen entspricht, die die Herren in dem speziellen Falle stellen. Der Meliorationsbaubeamte ist Wasserbau⸗ techniker, er wird in speziellen Fällen Wiesenbautechniker sein. Es gibt auch vorzügliche Meliorationsbaubeamte, die von Hause aus Landwirte sind und die in solchem Falle ein absolut zutreffendes Gut- achten werden abgeben können. Es gibt aber auch Meliorationg⸗ baubeamte, die ihrer Ausbildung nach mehr Techniker sind. (Zuruf des Abg. von Pappenheim) Herr von Pappenheim, ich habe so viel mit Meliorationsbaubeamten gearbeitet, daß ich weiß, was sie für eine Vorbildung haben. Ich glaube, sie werden vielfach den An— forderungen nicht entsprechen, die die Herren an solche Sachverständigen stellen.

Wenn Herr Graf von Spee meint, ich hatte gesagt, es gebe nicht genug landwirtschaftliche Sachverständige, und wenn er hierln ein Mißtrauensvotum erblicken will, so hat er da einen Satz überhört. Ich habe gesagt, es handelt sich in einem solchen Verfahren um Sachverständige, die nicht bloß landwirtschaftlich, sondern technisch qualifintert sein müssen, und solche Sachverständigen werde ich nicht überall finden können. Das hat also mit der Qualiffkatlon der land⸗ wirtschaftlichen Sachverständigen an sich gar nichts zu tun, sondern ich habe nur gesagt, landwirtschaftliche Sachverständige, die gleichzeitig gewerbetechnisch qualifiziert sind diese beiden Eigenschaften müssen vorhanden sein werde ich nicht überall finden, und die werden auch die Landwirtschaftskammern nicht haben.

In dem jweiten Punkt haben die Herren ihren Antrag modi⸗ fijlert, und sie wünschen nunmehr eine Aenderung des Zuständigkeitz⸗ gesetzes dahin, daß der Minister für Handel und Gewerbe wenn auch nicht in Gemeinschaft mit dem Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, so doch nach Anhörung des Ministert für Landwirtschaft, Domänen und Forsten zu entscheiden hat. Ja, meine Herren, ich kann doch nicht in das Gesetz eine derartige Vorschrift für den Minister bringen. Soll die Nicht⸗ anhörung eine Ungültigkeit des Verfahren zur Folge haben, soll das eine Formvorschrift sein? (3ustimmung) Meine Herren, wenn ich sage: ich ziehe in all den Fällen, wo die Interessen der Landwirtschaft in Betracht kommen, den Landwirtschastsminister hinzu, so ist das doch hinreichend.

Ich möchte aber noch auf folgendes hinweisen: Die Herren tun immer so, als wenn in melnem Ministerium niemals Ent— scheidungen zu Gunsten der Landwirtschaft getroffen werden. Wir versagen aber eine ganze Reihe von Konzessionen, wo wir uns von vornherein klar sind, daß die Interessen der Land wirtschaft so prävalieren, daß die Konzesston nicht erteilt werden kann. Soll ich in solchen Fällen den Herrn Minister für Landwirtschaft auch hören? (Jawohl! rechts.) Wenn ich versagen will? (Zuruf rechts: Schadet ja nichts) Meine Herren, wir haben wirklich mehr zu tun, als überflüssige Anfragen zu stellen. Der Herr Landwirtschaftsminister könnte in einem solchen Falle doch nichts anderes vorschlagen, als was ich selbst schon zu tun entschlossen war. Also, meine Herren, ich bitte Sie, von der Verfolgung Ihres Antrages abzusehen. Ich werde versuchen, die Ausführungsbestimmungen für das Genehmigungsverfahren zu ändern, werde versuchen, eine stärkere Heranziehung landwirtschaftlicher Sachverständiger in der ersten Instanz herbeizuführen, werde versuchen, vom Herrn Finanzminister die Mittel zu bekommen, um in der technischen Deputation eine Stelle für einen landwirtschaftlichen Sachverständigen einzurichten; ich werde versuchen in Zukunft, wie es bisher geschehen ist, in allen zwelfel⸗ haften Fällen, wo erhebliche Interessen der Landwirtschaft in Betracht kommen, den Herrn Landwirtschaftsminister zu hören. Im übrigen sprechen gegen den Vorschlag, hier zu sagen nach Anhörung“, auch die allgemeinen Bedenken, die ich schon früher geäußert habe; es müßte nämlich dann bestimmt werden: ‚und in Fällen, wo kom— munale Fragen in Betracht kommen, des Ministers des Innern, in Fällen, wo Frage der öffentlichen Gesundheit in Betracht kommen, des Herrn Kultusministers usw.“ .

Meine Herren, das ist ein ungangbarer Weg. 9 Nachdem noch Abg. Kirsch sich kurz gegen die letzten Be⸗ merkungen des Abg. Dr. von Boettinger ausgesprochen hat, wird der Antrag, den Antrag des Grafen von Spee der Kom⸗ mission für Handel und Gewerbe zu überweisen, abgelehnt, der abgeänderte Antrag Spee⸗Pappenheim gegen die Stimmen der Linken angenommen. ;

Bei den Ausgaben für die Handels- und Ge— werbeverwaltung wünscht

Abg. Dr. Brandt (nl) eine Besserstellung der Hafenpolizei⸗ bean ge; e hatter Abg. Beuchelt teilt mit, daß die Regierung den Wünschen des Hauses Rechnung getragen und datz Gehalt der See— lotsen, früher 1200 his 1800 M, auf 1200 bis 2100 M erhöht habe;

außerdem seien die Seelotsen in die Klasse der mittleren Beamten versetzt worden und erhielten dadurch einen erhöhten Wohnungsgeld— uschuß. ̃ ch Mün sterberg (fr. Vgg.) ist der Meinung, daß diese Auf⸗ besserung der Seelotsen noch lange nicht genüge, Es sei ihm keine Beamtenkategorie bekannt, die unter so schwierigen Verhältnissen arbeite, wie diese. ;

Abg. Kr au se⸗Dawillen (kons.) spricht der Regierung Dank für die Versetzung der Seelotsen in die mittlere Beamtenklasse aus und bittet weiter, daß auch die Seeoberlotsen eine weitere Aufbesserung ihrer Verhältnisse erfahren möchten.

Abg. Dr. Pieper (Zentr.) : Die Berichte der Gewerbeaufsichts⸗ beamten zeigen ein erfreuliches Wachsen des Vertrauens der Arbeiter- organisationen zu den. Gewerbeaufsichtsbeamten. In steigendem Maße nehmen die Arbeiterorganisationen die Vermittlung der Be— amten in Anspruch, um drohende Streitigkeiten mit den Arbeitgehern zu vermeiden. Weniger erfreulich sind die Berichte über die Ein führung des Kinderschutzgesetzes. Leider werden in kleineren Betrieben die re, f nnn, noch nicht genügend durchgeführt. Den wissenschaftlich gebildeten Gewerbeinspektoren sollten noch technisch ausgebildete Assistenten und Assistentinnen beigegeben werden. In Württemberg, Baden und Bayern haben sich ö. Gehilfen voll⸗ lommen bewährt. Preußen hat bisher nur vier solche Afsistenten, die sich die volle Anerkennung der Gewerbeinspektoren erworben haben. Diese Forderung nach Assistenten ist wohl zu unterscheiden von unferer Forderung der Anstellung von Arbeiterkontrolleuren im Baugewerbe. Die Hinzuziehung von Arbeitervertretern bei der Aufsicht ware sicherlich ein Fortschritt. Die Assistenten der Gewerbeinspektoren könnten nament- lich die Beaufsichtigung der kleineren Betriebe, die Kontrolierung der Lohnbücher, des Nachtbetrlebs uw. Übernehmen. Die Polizeibeamten, welche die Kontrolle ausführen, sind bei den kleinen Gewerbetreibenden meist sehr unbeliebt, eine ganz andere Stelle hätte aber ein Beamter der Gewerbegufsicht. Ganz unentbehrlich würden die Assistenten sein, wenn wir erst an die Regelung der Hauszindustrie gehen. Die Heim⸗ arbeltsausstellung hat uns die Notwendigkeit der Gewerbeaufsicht deutlich gezeigt. Der Ausdehnung der Arberterschutzbestimmungen auf

die kleineren Betriebe müssen wir auch die Gewerbeaufsicht über diese Betriebe folgen lassen. Die Gewerbeinspektoren werden vlel⸗

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fach mit Untersuchungen zur Vorbereitung der Gesetzgebung betraut; gergde deshaib, ist es erwänscht, daß ihnen die Än“ tellung von Assistenten die nötige Zeit für diese wichtige Sache übrig läßt; Ferner möchte ich die Hinzuzlehung von Aerzten zur Gewerbe⸗ aussicht empfehlen. Aut den Berichten geht hervor, daß die Gewerbe— inspektoren vielfach über hygienifche Fragen, die nur eln Arzt heurteilen kann nichts ju sagen haben. Allerbings sollen die Kreis. ärzte zur Mithilfe für die Gewerbeinspektion hinzugezogen werden können, aber die Krelsärzte sind bereits so überbürdet, daß sie diese Aufgabe nicht erfüllen können. In Württemberg hat man bereits Aerzte dafür angestellt, und in Baden foll es jetzt auch geschehen. Diese Aerzte müßen in der Gewerbehyglene befonderg ausgebildet sein. Zu diesem Zwecke . wir in Preußen, wie es in Bayern bereits geschehen ist, einen Lehrstuhl fuͤr Gewerbehygiene errichten. Die Gewerbeaufsicht hat bisher nicht gleichen Schritt ehalten mit der Ausdehnung der Arbeiterschutzgesetz' und der Zunahme der Ge— werbekrankheiten. Die Aerzte werden namentlich auch mit ihren Ratschlägen vorbeugend wirken können. Wir därfen in reußen nicht allzulange auf . Gebiete hinter den kleineren Bundesstaaten zurückbleiben.

ö Goldschmidt (frs. Vollep): Die Ausdehnung der Ge—= werbegufsicht liegt auch meinen Freunden am Herzen. Ich stimme mit dem Vorredner vollständig überein, die Beteiligung der Aerzte habe ich bereits im vorigen Jahre angeregt. Der Minister wird diese Frage sorgfältig prüfen muͤssen und hoffentlich dazu kommen, daß die Be⸗ teiligung der Aerzte nicht ferner auggeschlossen bleiben kann. Die Berichte der i ,, sind vielfach ju knapp gehalten, da⸗ gegen muß ich dankbar anerkennen, daß im letzten Jahre die Be— richte schon um Ostern erschlenen, während wir sonst bis zu ie n damit warten mußten. Ich spreche dafür meinen be— onderen Dank aus. Je früher die Berichte erscheinen, desto mehr werden sie beachtet werden. Die Zahl der Unfälle in der deutschen Industrie ist leider welter im Wachsen. Im Jahre 19065 stieg die Zahl der Unfälle, für welche eine erste Unfallrenie gewährt wurde, auf 141 128, die Zabl der tödlich verlaufenen Unfälle stieg auf 3928 gegen 8752 im Jahre 1904. Oh die Zahlen auch prozentual gestiegen sind, kann ich im Augenblick nicht sagen. Jedenfalls müssen wir alles aufbieten, Arbeitgeber und Arbeiter gemeinsam, um die Zahl der Ünfälle ju ver- ringern. Die Zahl der Unfälle tn damit zusammen, daß die Gewerbeaufsicht noch nicht ausreicht. ir müßten wenigstens dahin kommen, daß jeder Betrieb einmal im Jahre repidiert wird. Das ist aber nicht möglich, wenn die Zahl Der Gewerbeinspektoren nicht erheblich vermehrt wird. Eg ist die Zeit gekommen, die Sozialpolitik energischer als bisher zu betreiben. Sie Re ierung und die bürger⸗ lichen Parteien haben das im Reichstag erklärt. Zu diesem Zwecke müssen wir aber auch die Arbeiter überall beteiligen. Die Arbeiter haben den Wunsch, an der Fabrikaussicht teilnehmen zu Tonnen, wess sie manches sehen, was der wissenschaftlich ausgebildete Beamte nicht sehen kann, und weil sie selbst den Belrieb am besten kennen. Es ist auch die n eln fg Wirkung in Betracht zu ziehen, daß die Arbeiter, welche ihre Haut zu Markte tragen bei Unfällen, sich sagen können, daß ihrs Vertrauengmänner die Aufsicht führen, denen sie ihre Wünsche unterbreiten können. Bei der Verwendung von Assistentinnen sind wir in Preußen noch immer nicht über den Versuch hinausgekommen; nach allem, was man darüber hört, haben die Assistentinnen sich wohl bewährt.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Die beiden Herren Vorredner haben sich sehr eingehend mit der Gewerbeinspektion und ihrer weiteren Entwicklung beschäftigt. Ich danke ihnen für ihr Interesse für diesen wichtigen Zweig meines Ressorts und für die vielerlei Anregungen, die sie gegeben haben. Ich bin mit ihnen darin einig, daß die Zahl unserer Gewerbeaufsichtg⸗ beamten noch nicht ausreicht, und daß wir dahin streben müssen, zu

einer stärkeren Revision der gewerblichen Betriebe zu kommen als wir

mit dem augenblicklich zur Verfügung stehenden Personal leisten können. Ich möchte aber die Herren bitten, zu berücksichtigen, daß gerade der laufende Etat eine nicht unerhebliche Vermehrung der Zahl der Gewerbeaufsichtbeamten bringt. Die Herren sehen daraus, daß der gute Wille vorhanden ist, nach dieser Richtung bessernd zu wirken.

Die beiden Herren Vorredner haben dann elne Reihe Fragen zur Sprache gebracht, die meines Wissens alle bei den vorjährigen Verhandlungen zu diesem Etat bereits eingehend erörtert und nicht, wie der Herr Abg. Goldschmidt meinte, meinerseits nur mit einigen freundlichen Worten abgetan worden sind. Ich habe dabei im Auge die Frage der Einstellung von weiblichen Personen in die Gewerbe— aufsicht, die Frage der Anstellung von Gewerbeaufsichtsbeamten aut den Kreisen der Arbeiter und die Frage der Anstellung von Gewerbe⸗ inspektoren aus den Kreisen der Aerjte. Alle diese Fragen habe ich im vergangenen Jahre hier eingehend erörtert, und ich kann dem Herrn Abg. Goldschmidt heute nur versichern, daß ich bei einem ein⸗ gehenden Studium dieser Frage, zu dem mir das letzte Jahr reichlich Anlaß geboten hat, vorläufig keinen Grund gefunden habe, meine damals hier ausgesprochene Auffassung zu ändern. Mit Rücksicht auf die vorgerückte Stunde halte ich es nicht für zweck mäßig, Fragen, die im vergangenen Jahre Gegenstand eingehender Erörterung gewesen sind, meinerseits erneut zu behandeln, lediglich um nochmals dasselbe ju sagen wie im vorigen Jahre. Wir werden die Einrichtungen unserer Gewerbeinspektionen erneut zu prüfen haben, wenn wir zu einer eingehenden Ueberwachung der Haugindustrle kommen. Ich bitte deshalb, mich für heute auf das, was ich eben gesagt habe, beschränken zu dürfen. (Abg. Freiherr von Zedlitz: Sehr richtig!)

z ens ky (nl) bedauert, daß von den 11 Eilchungs⸗ we e n, 106 kd ag seien ni enß der Eichung i e fe- in Stettin nur eine Remuneration beziehe. In Kiel und Hannover seien die Inspeklionen vor einigen Jahren etatsmäßig gemacht worden, die Inspektion in Stettin sei aber ebenso bedeutend.

Abg. Tournea , . eine Aufbesserung der Bureau⸗

e .

bean . ri e fra e n schließt sich diesen Ausführungen an und empfiehlt insbesondere eine Aufbesserung der Eichmeister.

Bei den Ausgaben für die 6e gn weist

Abg., von Hennigs ⸗Techlin, (kons.) auf eine , der Revierlotsen aus Neuvorpommern hin und bittet, die Wünsche der⸗ selben zu erfüllen.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Die Schwierigkeit, die eben vorgetragenen Wünsche nach etats⸗ mäßiger Anstellung zu erfüllen, liegt darin, daß die Revierlotsen im Bezirk Stralsund nicht voll beschäftigt sind. Ich bin nicht wohl in der Lage, Jemanden auf Lebenszeit mit Pensionsberechtigung an— zustellen, wenn seine Arbeitskraft nicht voll für den Staat ausgenützt wird. In dieser nicht vollen Beschäftigung liegt natürlich auch eine Jewisse Beschränkung hinsichtlich der den betreffenden Beamten zu⸗ zubilligenden Bezüge. Die Beschäftigung ist der Art, daß ein großer Teil der Lotsen nur so wenig Gebühren bezieht, daß diese zu ihrem Lebentunterhait nicht ausreichen. Der Staat wendet daher jetzt schon, wenn mein Gedächtnis mich nicht täuscht, allein für den Benirk Stalsund etwa 18 000 M jährlich auf, um die einzelnen Lotsen auf ein Einkommen von 1200 Æ ju bringen. Das ist immerhin doch schon etwas mehr als das Gehalt eines Unterbeamten.

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Ich möchte dann nur im Anschluß an die Ausführungen bemerken, daß jn beinahe zu jedem Titel des Etats Wuünsche vorgetragen werden zu Gunsten irgend einer ungünstiger, als eine andere, behandelten Beamtenklasse. Meine Herren, ich versichere hier generell, daß ich für alle meinem Ressort angehörenden Beamten das gleiche warme Interesse habe (Bravo) und daß ich in der Tat bestrebt sein werde, die Lage dieser Beamten zu verbessern, obwohl ich die feste Ueberzeugung habe, daß ich mit allem, was ich tue, weder die Fürsprecher, noch die Be⸗ amten selbst befriedigen werde. (Sehr richtig! rechts)

Abg. von Riepenhausen (kons): Ich will das Wohlwollen des Ministers nicht bezweifeln, die Lage dleser Lotfen ist aber fo, daß ihre

Wünsche auch außerhalb der Regelung der übrigen Beamtenbesoldungen erfüllt werden könnten.

2 Beim Kapitel des gewerblichen Unterrichtswesens i

Abg. von Hagen (Sentr.) für eine Aufbesserung der Lehrer der Navigatlonsschulen ein; es werde e,. daß der Unterschied der Vorꝛschullehrer und Lehrer fortfalle und nur eine Klasse gebildet werde, deren Gehalt mit 2300 MS anfange.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Das ist auch einer der typischen Fälle! Im vergangenen Jahre sind die Verhaͤltnisse der Navigationsschullehrer hier Gegenstand einer Besprechung gewesen, und es ist von meinem Herrn Kommissar darauf hingewiesen worden, daß die Gehälter aller⸗ dings verhältnismäßig niedrig seien, daß es aber nicht wohl tunlich wäre, sie weiter in die Höhe zu bringen als bis auf den Stand der Lehrer ohne volle Hochschulbildung an unseren anderen Fachschulen. Das hat, wenn der stenographische Bericht nicht täuscht, die Zustim⸗ mung dieses hohen Hauseg gefunden. Daraufhin habe ich es nun trotz der Schwierigkeiten, die alle diese Erhöhungen mit sich bringen, durchgesetzt, daß die Navigationsschullehrer im Gehalt genau so ge⸗ stellt werden wie die Lehrer ohne volle Hochschulbildung an den anderen Fachschulen. Sofort erheben sich schon wieder aus diesem hohen Hause Stimmen, daß diese Beamten nicht hinreichend berück= sichtigt worden sind.

Nun, meine Herren, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß es an sich schon bedenklich ist, wenn immerfort von einer Stelle auf die andere exemplifiziert wird. Wenn aber Beispiele gesucht werden, müssen Sie doch innerhalb unserer eigenen Behördenorgani⸗ sation suchen, wir dürfen doch nicht nach Bremen und Hamburg gehen; und ich bin fest davon überzeugt, daß, wenn wir die wissen⸗ schaftlich nicht voll vorgebildeten Navigationsschullehrer anders stellen würden als die gleichen Lehrerkategorien an den anderen Fachschulen, dann sofort Berufungen kommen und ung nachgewiesen werden würde, daß ein zukünftiger Mauermeister viel mehr Gesetzeskunde haben muß, als ein Schiffgkapitän und dergleichen mehr, kurz, wir würden er— fahren, daß diese andere Beamtenkategorie zweifellos einer höheren Besoldung bedürftiger ist als speziell die Navigationsschullehrer.

Meine Herren, ich habe getan, was ich nach Lage der Verhält⸗ nisse tun konnte und verantworten konnte. Die Lehrer stehen jetzt so wie die gleichen Lehrerkategorien an anderen Fachschulen, allerdings mit einem einzigen Unterschied, der in der historischen Entwicklung der Dinge liegt. Die Navigations vor schullehrer waren früher melstens Lehrer ohne seemännische Vorbildung, sie hatten nur die Vorbildung wie sie der Volksschullehrer auf dem Seminar erhält. Dement⸗ sprechend waren die Gehälter der Navigations vorschullehrer besonderz bemessen ohne Rücksicht auf die Gehälter, welche die eigentlichen Navigationsschullehrer bekamen. Nun hat sich im Laufe der Zeit die Sache so entwickelt, daß auch in den Stellen der Navigatlonsvorschul— lehrer nicht mehr seminaristisch gebildete Lehrer sind. Ich glaube, es sind nur noch zwei solcher vorhanden, während die übrigen sich alle aus seemännischen Kreisen rekrutieren, übrigens ein Beweis, daß doch immer noch ein reichliches Angebot von Kräften für diese Stellen vor- handen sein muß.

Nun ist es richtig, daß die Beamten, die als Navigationsvorschul⸗ lehrer angestellt sind, keineswegs unbedingte Anwartschaft haben, zu bestimmter Zeit in die Stelle eines ordentlichen Navigations— schullehrers zu gelangen, und daß sie demgemäß unter Umständen lange auf dem niedrigen Gehaltssatz der Vorschullehrer bleiben. Ich gebe daher ju, daß man die Frage prüfen kann, ob man beide Lehrerkategorien zusammenwerfen und ein allgemeines Aufsteigen von dem Minimalgehalt der Navigationgborschullehrer bis jum Maximal- gehalt der ordentlichen Navigationsschullehrer eintreten lassen soll. Die Sache hat aber immer die Bedenken, daß wir dann Beamte für Dienstleistungen remunerieren, die sie tatsächlich nicht voll erfüllen. Denn die Herren dieser Lehrerkategorie, die an den Vorschulen be— schästigt sind, haben in elementaren Fächern zu unterrichten und können, streng genommen, keinen Anspruch erheben auf ein Gehalt, das für eine Lehrerkategorie mit anderen unterrichtlichen Aufgaben ausge— worfen ist.

Wenn dann endlich dem Wunsche Ausdruck gegeben worden ist, es möchten die Beträge, die zu besonderen Remunerationen verwandt werden, eingejogen und zu Gunsten einer allgemeinen Gehalts—⸗ aufbesserung verwandt werden, so ist das wohl nicht angängig. Diese besonderen Remunerationen werden bejahlt für besondere unterricht; liche Leistungen, die von den Lehrern ohne weiteres nicht verlangt werden können, und die aus diesem Grunde besonders honoriert werden müssen. Ich glaube nicht, daß wir unter diesen Umständen auf diese Remunerationen werden verzichten können.

; tger (nl. tritt gleichfalls für die Wünsche der Navi—⸗ 3. 1 . 16 hit n,. bei der demnächstigen all⸗

. Gehaltsregelung diejenige Stelle gegeben werde, die ihnen gebũhre. .

Abg. Dr. von Boettinger (nl) schildert eingehend die Fort⸗ bildungs. und Fachschuleinrichtungen in Göttingen, die mustergůltig selen und weit über Göttingen hinaus Bedeutun ewonnen hätten. * r empfiehlt noch die Einrichtung eines Unterrichts in Fein⸗ mechanik.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Die Frage, ob ein Bedürfnis für die Einrichtung ciner Fachschule für Feinmechanik vorliegt, und ob Göttingen der ge⸗ eignete Ort für die Errichtung einer solchen Schule ist, ist dem Landesgewerbeamt unterbreitet worden. Das Gutachten des Landes- gewerbeamtz geht dahin, daß im Interesse unserer Feinmechanik die Errichtung einer derartigen Schule dringend zu empfehlen ist, und daß, wenn eine solche Fachschule für Feinmechanik eingerichtet werden sollte, Göttingen zweifellos der geeignete Platz dafür ist. (Abg. Dr. von Böttinger: Bravo!) Ich werde über die weitere Ausführung dieses Projekt, zunächst an Ort und Stelle mit dem Magistrat in

Göttingen verhandeln lassen und dann sehen, inwleweit sich das Pro⸗ jekt realisieren läßt. Voraussetzung ist natürlich, daß der Herr Finanz⸗ minister bereit ist, die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. (Abg. Dr. von Böttinger: Bravo h

Abg. Dr. Schroeder · Cassel (nl. spricht dafür, daß an die Bau⸗ gewerkeschule in Cassel eine Tiefbauabteilung angegliedert werden möchte. Das Fehlen der Tiefbauabteilung bel den einzelnen Bau— gewerksschulen werde deshalb unangenehm empfunden, weil die Eisen⸗ bahnperwaltungen von den Anwärtern für den technischen Subaltern⸗ dienst . * eine Tiefbauabteilung absolpiert haben. Der Minister habe das Bedürfnis der Errichtung anerkannt, seine Be⸗ friedigung aber von der Beschaffung der Räumlichkeiten abhängig gemacht, und diese Frage werde in Cassel genügend gelöst werden.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Ein Antrag auf die Einrichtung einer Tiefbau⸗ abteilung an der Baugewerksschule in Cassel liegt mir nicht vor. Daß Räume vorhanden sind, ist ein Nobum. Wenn das zutrifft und mir ein entsprechender Antrag zugeht, bin ich bereit, die Sache zu prüfen.

Abg. Oeser (fr. Volksp.) regt die Errichtung einer Maschinen⸗ bauschule neben der Baugewerksschule in Frankfurt a. M. an.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Ich erkenne an, daß neben der Baugewerkschule, die für Frankfurt a. M. jetzt in Aussicht gestellt worden ist, dort auch die Einrichtung einer Maschinenbauschule wünschengwert ist. Die gleichen Verhältnisse liegen aber auch für die Stadt Essen vor. Es ist mir nicht möglich gewesen, in diesen Etat für beide Städte Doppel⸗ anstalten hineinzubringen, sondern ich habe tellen müssen und Frank⸗ furt a. M. vorläufig nur die Baugewerkschule, der Stadt Essen nur die Maschinenbauschule geben können. Ich hoffe aber auf Grund der bisherigen Verhandlungen mit dem Herrn Finanjminister, daß es mir gelingen wird, Mittel für die sonst noch gewünschten Anstalten für beide Städte, für Essen sowohl wie für Frankfurt a. M., zu be⸗ schaffen.

Abg. von Christen (freikons) wünscht eine Aufbesserung der Werk⸗ meister an den Fachschulen für die Kleineisenindustrie, insbesondere in Schmalkalden, und an den Maschinenbauschulen schon vor der demnächstigen allgemeinen Gehaltregelung, weil diese 1897 vergessen worden seien.

Abg. von Schencken dorff (nl): In der Generaldebatte ist des öfteren auf die hohe Bedeutung der Fortbildungsschule hingewiesen worden, und der Herr Minister hat die Fortbädungsschule als die breiteste Grundlage für praktische Sozialpolltit bezeichnet; es erscheint daher am Schluß der Etatsverhandlungen wohl angezeigt, auch die Frage zu erörtern, ob denn die , . nach ihrer ganzen Organisation auch das halten dürfte, waz hier von ihr versprochen ist. Zunächst muß man anerkennen, daß, nachdem 1964 ein stärkerer staatlicher Zuschuß, 1906 ein geringerer, geleistet wurde, das Jahr 1906 aber ganz leer ausging, jetzt wieder ein Zuschuß von mehr als 4 Million Mark für die Fortbildungsschulen verwendet werden soll. Wenn in früheren Zeiten die Regierung das Ziel der obligatorischen Fortbildungsschulen aufstellte, ö ist das jetzt kaum noch notwendig, da das Ziel im ganzen erreicht ist. Nach dem amtlichen Statistischen Jahrbuch von 19066 bestehen in Preußen 1361 obligatorische gewerbliche und kaufmännische Fortbildungsschulen und nur noch 4 fakultative. Es ist zu erwarten, daß auch der Rest dieser Schulen aus freien Stücken das rechte Einsehen bekommen wird. Unsere heutigen Fortbildungsschulen, über deren Notwendigkeit hier kein Wort zu verlieren ist, geben dem Lehrling in sehr vervollkommneter Mefßode ein allgemeines gewerbliches und weitgehend auch ein berufliches Wissen. Auch hat sich gleichmäßig der Zeichenunterricht entwickelt, aber nach einer Richtung hin fehlt in Deutschland heute noch so gut wie ganz die praktische Unterweisung in einer Lehrwerk stätte. Der Lehrling kann in der Lehre des Meisteis nur unvollkommen praktisch , . werden, es fehlt dem Meister ebenfo an den notwendigen Einrichtungen, an Gelegenheit, wie an Zeit. Durch den Werkstattunterricht wird der Lehrling aber planmäßig in die Elemente des beruflichen technischen Betriebes eingeführt; er wird bekannt gemacht mit den gebraͤuchlichsten Werkzeugen, ebenso mit den wichtigsten Rohmaterialien, deren Eigenschaften und ihrer Verarheitung. Auch wird dadurch ein großer Teil des theoreti—⸗ schen Unterrichts der Fortbildungsschule wesentlich ergänzt und ver⸗— anschaulicht. Ein so ausgebildeter Lehrling wird in seinem Fortkommen jedenfalls wesentlich gesicherter sein. Der Grundgedanke des Werkstatt⸗ unterrichts an sich ist kein neuer. Wir haben ihn in den Maschinen⸗ bau, Textil. Handwerker und Kunstgewerbeschulen in Preußen schon weit verwirklicht. Die hier erzielten Vorteile sind durchautz nach der erziehlichen Richtung hin anerkannt. Aber hier handelt es sich meist nur um Schüler, die die Lehre des Meisters schon hinter sich haben. 6 die Fortbildungsschule besitzen wir heute mit einer einzigen Ausnahme noch keinerlei Lehrwerkstätte. Da hat der vor— jährige deutsche Fortbildungsschultag in München diesen Ideen einen starken Anstoß gegeben. Ich habe der Versammlung selbst beigewohnt, die so zahlreich nur des halb besucht war, weil in München bie Idee des Werkstattunterrichtes in der Fortbildungsschule durch alle Berufe hindurch durchgebildet ist. Der Eindruck war ein ganz gewaltiger, er gründete sich auf die schon seit Jahren festste henden Erfolge, auf die

roße Opferwillgkeit der Gemeinde, die Uebereinstimmung des gesfamten gene aer Handwerltz mit dieser Einrichtung, den gesicherten Betrieb in der Werkstätte, den eiprobten Lehrplan und bor allem auf das organisatorische Genie des Stadtschulrates Kerschensteiner. Trotzdem wird niemand daran denken können, solche Einrichtungen zu verallgemeinern, dazu gehören ganz besonders günstige Ver⸗ hältnisse und besonders befähigte Personen. Aber die Frage ilt mit dem Münchener Kongreß aufgestellt. Kann man“ die Idee des Werkstattunterrichts nicht auch mst einfacheren Mitteln, nicht auch, in mittleren und kleinen Fortbildungsschulen verwirklichen“ Zweierlei wäre allerdings Voraussetzung solcher allmählichen Ver— wirklichung: die Lehrwerkstätte darf niemals die Meisterlebre ersetzen, sondern nur ergänjen, und die in solchen Lehrwerkstaͤtten gefertigten Arbeiten dürfen dem Handwerker keine Konkurrenz machen. Dann möchte ich den Herrn Minister bitten, solchen freien Verfuchen von Gemeinden oder Vereinen die Unterstützung auf der bewährten Grund= lage zu bewilligen, daß die Gemeinde dag Lokal freigibt, und daß die übrigen Ausgaben von Gemeinde und Staat zu gleichen Teilen' be— willigt werden. Dann möchte der Beirat des Landesgewerbeamtz auch hierüber befragt werden. Der Redner schließt mit der dringenden Mahnung, daß, wenn wir wirtschaftlich leistungsfähig werden und im Kampfe mit anderen Völkern bestehen sollen, es nichk genügt, nur die

alten Bahnen weiter zu betreten oder auch auszubauen, sondern man?

muß auch neue Wege ermitteln und fördern. Hier ist uns ein geradezu ideales Vorbild von München vor Augen geführt. Streben wir dahin, daß wir wenigstens allmählich ung .. nähern! Darauf ing der Redner zu dem Landeggewerbegmt über und stellte im Auftrage . Freunde die Anfrage an den Minister, inwieweit sich dasselbe nach jetzt zweijähriger Tätigkeit bewährt habe, begründete diese irg. näher und gab auch weitere Erläuterungen zu derselben, die die gũnstige Nlus u seiner Parteifreunde i diese neue Institution erkennen ließen. Es geschah dies insbesondere aus Rücksicht darauf, daß in der Heneraldebatte einige Angriffe auf das Landesgewerbeamt erfolgt waren, und schloß etwa mit den folgenden Worten: Dle Dauptsache ist, ob sich die geschaffene Organlsakion sowohl in ihrer Tätigkeit, als auch innerhalb des Ministerlums selbst bewährt hat, und ob die daran vor einigen Jahren geknüpften Erwartungen sich erfüllt haben. Man wird ja nach so kurzer Jet der Tatigkeit, die der Redner durch Hinweis auf seine eigene nn mn im Beirat des Landeggewerbeamtes im vorigen Jahre erläuterte, nicht erwarten können, daß schon jetzt große Refultate vorliegen, oder daß alle

Friktionen innerhalb des Ministeriums, die etwa entstehen können, beseitigt sind. Wir wären dem Herrin Minister aber dankbar, wenn er uns über seine Beobachtungen über diese Institution, die er schon antraf, als er das Ministeramt übernahm, Auskunft geben wollte.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine sehr verehrten Herren! Der Herr Abg. Schenckendorff hat sich wie jeder, der der Frage näher getreten ist, begeistern und hinreißen lassen durch die Erfolge des Stadtschulrats Dr. Kerschen⸗ steiner in München. Er hat uns in warmen Worten ans Herz gelegt, die Münchener Erfahrungen auch unsererseits wohlwollend zu prüfen und ihrer Durchführung Schwierigkeiten nicht in den Weg legen zu wollen. Ich kann dem Herrn Abg. von Schenckendorff versichern, daß die Münchener Organisation bei mir von Anfang an mit dem leb⸗ haftesten Interesse verfolgt ist, daß mehrere meiner Herren Referenten im vorigen Herbst in München gewesen sind, um sich selbst über den Stand der Dinge dort zu informieren. Ich kann hinzufügen, daß auch meine Referenten mit derselben Begeisterung für die Sache zurückgekommen sind, wie der Herr Abg. von Schenckendorff selbst.

Aber, was die Durchführbarkeit der Sache anbetrifft, so komme ich mit einigen Einschränkungen zu demselben Ergebnis, wie der

Abg. von Schenckendorff. Meine Herren, man wird bei den Fort-

bildungsschulen drei Möglichkeiten ju scheiden haben: die Fort— bildungeschule ohne jede praktische Anweisung, die Fortbildungsschule mit Angliederung von Lehrwerkstätten und Gewerbeschulen, in denen unter Ausschaltung der Meisterlehre eine vollständige Ausbildung auf praktischem und theoretischem Gebiete erfolgt.

Die letztere Einrichtung besteht meines Wissens in Holland. Ich habe nicht den Eindruck gewonnen nach den mir vorliegenden Reise⸗ berichten, daß es sich empfehlen würde, sie bei uns einzuführen. Dle Norm für uns ist die Fortbildungsschule ohne angegliederte Lehrwerk— stätte. Aber wir sind uns darüber einig, daß es Fälle geben kann, in denen die Angliederung von Lehrwerkstätten wünschenswert ist, und zwar in allen denjenigen Fällen, in denen in der Lehrwerkstatt etwas gelehrt werden soll, was die Meisterlehre im einzelnen Falle praktisch nicht lehren kann, oder was wenigstens nicht die Mehrzahl der Meister ihren Schülern beibringt. (Sehr richtig! links.)

Meine Herren, dieser Standpunkt ist nach meiner Grinnerung identisch mit den Auffassungen des ständigen Beirats des Landes— gewerbeamts. Bei seiner letzten Tagung hat er diese Auffassung jum Ausdruck gebracht, und mit deser allgemeinen Auffassung über die Zukunft unserer Organisationen deckt sich der Wunsch des Herrn Abg. von Schenckendorff, daß meinerseits keine Schwierigkeiten gemacht werden möchten, wenn einzelne Kommunen etwa auf den Gedanken kommen sollten, ihrerselts nach Kerschensteinerschem Muster zu arbeiten. Ich kann versichern, daß ich, wenn immer es notwendig sein wird, mehr und mehr feste Gründsätze für unsere Organisationen ju ge— winnen, niemals bureaukratisch und aͤngstlich sein werde, wenn es sich darum handelt, der Initiative der einjelnen Gemeinden frelen Lauf zu lassen, und ich werde selbstverständlich auch niemals Schwierigkeiten machen, wenn eine unserer großen Kommunen da, wo die ganzen äußeren Verhältnisse dazu geeignet sind, den Versuch machen wollte, das Kerschensteinersche System einzuführen, und wenn sie diesen Versuch macht im Einvernehmen mit den betelligten gewerbe⸗ treibenden Kreisen. Ich werde gern bereit sein, in einem solchen Falle nicht nur nicht Schwierigkeiten zu machen, sondern auch zu fördern. Darüber hinaus ist aber nach meiner Ansicht das Münchener System für uns ohne Wert. Die Mehrjahl unserer Fortbildungsschulen wird in dem bisherigen Rahmen entwickelt werden müssen, und ich bin der Ansicht, wir wollen froh sein, wenn wir die Fortbildungsschule so, wie sie sich bei uns jetzt entwickelt hat, nur im Laufe der nächsten Jahrzehnte in hinreichendem Umfange ver⸗ breiten können.

Der Herr Abg. von Schenckendorff ist dann eingegangen auf die Frage der Bewährung des Landes gewerbeamts. Der Herr Abgeordnete ist mit Rücksicht auf die vorgerückte Stunde so gütig gewesen, in seiner Erläuterung eigentlich alle die Fragen selbst zu beantworten, die er gestellt hat (Heiterkeit), und ich kann ihm nur sagen, daß ich mit der Entwicklung des Landesgewerbeamts genau so zufrieden bin wie er. Aber, meine Herren, trotz der vorgerückten Stunde bin ich doch genötigt, an diese Anfrage des Herrn Abg. von Schenckendorff noch einige Bemerkungen zu knüpfen, die sich an das anschließen, was von einigen der Herren Redner ich glaube, es sind die Herren Abgg. Hammer und Oeser gewesen gestern gesagt worden ist. Diese beiden Herren wünschten darüber unterrichtet ju sein, ob das Landesgewerbeamt nicht etwas langsam in seiner Entwicklung sei, ob es nicht eine bedenklich bureau⸗ kratische Behörde zu werden drohe, und ob es nicht auf dem Gebiete der unmittelbaren Gewerbeförderung in etwas umfassenderem und energischerem Maße nutzbar gemacht werden könnte, als das bisher der Fall gewesen ist.

Demgegenüber möchte ich zunächst einmal darauf hinweisen, meine Herren, daß der Tätigkeit des Landesgewerbeamts, so wie ich es vor⸗ gefunden habe, gewisse Grenzen in seiner Organisation gezogen sind. Das Landesgewerbeamt ist seitens meines Herrn Amtevorgängers als eine beratende Behörde für den Minister organisiert, und es ist ihm in allererster Linie die Lösung der Fragen auf dem Gebiete des gewerb⸗ lichen Schulwesens aufgegeben worden. Ich bin der Ansicht gewesen, daß die Tätigkeit des Landes gewerbeamts junächst einmal mit aller Energie auf diesen Gebieten einzusetzen hätte, und jwar namentlich aus folgenden Gründen.

Wir haben uns jahrzehntelang auf dem Gebiete der unterricht⸗ lichen Gewerbeförderung in dem Zustande des Versuchs und der Experimente befunden. Ich bin der Ansicht, daß wir allmahlich not⸗ wendig zu bestimmten Grundsãätzen über die Weiterführung des ganzen Gebäudes des gewerblichen Unterrichts kommen müssen, und ich kann konstatieren, daß wir auf diesem Gebiete durch die Mitwirkung des dandetgewerbeamts bereit einen erheblichen Schritt weiter gekommen sind. Denn die Herren, die dem ständigen Beirat des Landeggewerbe⸗ amts angehören, werden mir bestätigen, daß beinahe Einstimmigkeit herrschte über die Ziele, die sich allmählich in meinem Ministerlum als die zweckmäßigen herauggestellt haben bei der Organisation unseres gewerblichen Unterrlchtz.

Es ist dann auch im vorigen Jahre der Fachausschuß zur Begut⸗ achtung und Bearbeitung eines neuen Lehrplanes für die Baugewerkg. schule zusammengetreten. Ich möchte hinzufügen, daß auch auf diesen Gebieten beinahe Einslimmigkeit über alle gemachten Vorschlãge geherrscht hat und daß anerkannt worden ist, daß die in Augt— sicht genommenen neuen Lehrpläne eine wesentliche Verbesserung

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