1907 / 57 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 04 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

gestern, der Bundesrat müsse dem Reichskanzler folgen, wenn dieser die Auflösung des Reichstags, wünsche. Ich glaube, der Staats; sekretär verwechselt da englische und französische Verhältnisse mit deutschen. Der Bundesrat ist doch ein ganz anderes Organ, als in England oder Frankreich ein Ministerlum. Es hieße dem Bundesrat und seiner Bedeutung zu nahe treten, wenn man diese Behauptung gelten lafsen wollte. Es wäre das auch nicht geeignet, bei den anderen Staaten Sympathien für Preußen zu erwegken. Der Staatssekretãr meinte gestern auch, England erhebe weniger. Zölle als Deutschland. Diese Behauptung ist nicht neu. Der Minister von Rheinbaben hat sie berelts im Abgeordnetenhause aufgestellt. Ist es dem Staatssekretär, der diese schönen Ausführungen aufgenommen hat, nicht bekannt, daß wir Schutzzölle haben mit dem Zweck, den Preis der Waren im Inland wesentlich über den des Auslands zu heben? Was an Fleisch und Vieh nach Deutschland ist natürlich minimal, aber die Verteuerung, die dadurch bewirkt wird, ist koloffal. Diese Verteuerung hat in drei Jahren nicht weniger als 1365 Mill. Mark betragen. (Zuruf rechts: Nicht durch die Zölle) Nicht allein durch die Zölle, aber heute ist es beinahe unmöglich geworden, i ne, Fleisch einzuführen. Dem Staatssekretär ist es auch nicht zum Bewußtsein gelommen, daß der Branntwein bei uns einen Riesenzoll trägt und daß die Preise durch die Spirituszentrale vollständig beeinflußt sind. Da behauptete der Staatssekretär, England trage höhere indirekte Steuern, und nannte auch den Alkohol als besonders belasteten Artikel mit dem besonderen Hinzufügen, daß er bei dem Klima in England ein unbedingt notwendiges Lebensmittel sei. Es gibt in England gerade unter den englischen Arbeitern eine Antialkoholbewegung, die unendlich viel größer ist, als die bei uns, und alle diese Arbeiter er ; klären, daß der Alkobolgenuß absolut nicht notwendig ist. Was die Polenpolitik betrifft, so ist durch sie das Polentum nicht etwa zurüg⸗ gegangen, sondern gestärkt. Wir machen diese Politik nicht mit. Herr Winckler verlangte eine neue Zuchthausvorlage. Meine ge⸗ samten Freunde aus allen drei Fraktionen werden einstimmig dagegen sein; das Zentrum auch, und, wie ich annehme, auch die Nationalliberalen werden nichts davon wissen wollen. Damit wäre es also nichts. Der Abg. Winckler sprach auch von einem Staat im Staate usp. Dieser Staat im Staate sind die reaktionären Junker. In welchem Konnex übrigens die Kanalvorlage mit dem Schutz der Arbeltswilligen steht, habe ich aus der Rede des Kanalrebellen Winckler wirklich nicht entnehmen können. Der Abg. von Liebert, der sich sehr darüber entrüstete, daß der Abg. Schöpflin in seiner Jugend Hirtenknabe gewesen, muß ich darauf aufmerksam machen, daß aus den Hirten doch ganz bedeutende Leute, heivorgegangen sind. Ich nenne nur Defregger und Rosegger. Wir werden genau wie bisher die Reichsregierung bekämpfen, wenn sie sich reaktionaͤr gebärdet. Ich fürchte nur, daß dann das Zentrum seinerselts dem Reichskanzler hilfreiche Hand leisten wird.

Staatsminister, Staatssekretär des Innern Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Es ist beute behauptet worden, die bürger⸗ lichen Parteien, die bei den Wahlen sich bis zu einem gewissen Grade unterstützt haben, wären nicht ganz „hasenreinꝰ in bezug auf die Aufrechterhaltung des allgemeinen direkten geheimen Wahlrechts. Es ist nicht meine Sache, die Parteien zu ver— teidigen. Aber worauf wird dieser Verdacht gegründet? Er wird darauf gegründet, daß ein angesehener Schiffzreeder seine Ansicht über das allgemeine Wahlrecht ausgesprochen hat, ein Mann, der, was ich fast bedauern möchte im Hinblick auf seine weittragenden wirtschaftlichen Erfahrungen, gar nicht Mitglied des hohen Hauset ist, also für uns ein Privatmann. Der Verdacht wird ferner darauf gegründet, daß in dem Memoirenwerk des verstorbenen Herrn Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe eine Unterhaltung wiedergegeben ist mit dem ebenfalls verstorbenen Herrn Minister von Miquel, in der Herr von Miquel einige allgemeine Gedanken über eine Aenderung des allgemeinen Wahlrechts ausgesprochen haben soll. Meine Herren, ich will niemand zu nahe treten, aber nehmen Sie mir nicht übel, für geschworen nehme ich nicht alles an, was in Memoirenwerken steht. (Heiterkeit Memoirenwerke sind propria seripta, und pro— pria seripta sind bekanntlich im Prozeßverfahren nicht beweis kräftig. Und dann babe ich immer bei den vielen Memoirenwerken, die ich durchgeblättert, nicht durchgelesen habe, den Eindruck gehabt, daß der Schriftsteller selbst stets recht gehabt hat, immer alles vorausgesehen, immer richtig geurteilt hat, während der andere, mit dem er gesprochen, immer der Mann war, der das falsche Urteil jur Sache hatte. Also sehr viel bewiesen wird im allgemeinen durch Memoiren objektiv nicht; das sind persönliche Eindrücke, die unter Umständen auch irrtümliche Eindrücke sind. Insbesondere der Herr Minister von Miquel, den wir ja alle noch das Glück und die Ehre hatten, gekannt zu haben, war ein Mann von seltener Versalität des Geistes, und, wie alle geistreichen Männer, liebte er es, einzelnen politischen Ideen nachzugehen und das Für und Wider derselben zu erörtern. Aber daraus folgt noch lange nicht, daß Derr Minister von Miquel jemals dazu bereit gewesen wäre, eine Vorlage zu vertreten auf Abänderung des allgemeinen Wahl⸗ rechtz; wenigstens aus den erwäbnten Memoiren und aus dieser Unterhaltung kann das nicht geschlossen werden. Aber im übrigen seien wir nicht zu nervös wegen akademischer Aeußerungen über das allgemeine Wahlrecht. Es wird ja in dem Zeitalter der Zeitungen über alles diskutiert in der Welt, besonders aber über politische Fragen, und da werden Sie immer Männer der Wissenschaft und der Praxis finden, die sich auch über das allgemeine Wahlrecht theoretisch ergehen, eine Institution, die eine so ungeheure Bedeutung im deut⸗ schen Volksleben hat; das ist ganz selbstverständlich. Wie aber der Herr Reichskanzler dazu stebt, das, glaube ich, hat er in unwiderlegbar klarer Weise bei seinen Reden hier im Reichstag wiederholt dargelegt; da kann kein Zweifel sein, ebensowenig bei den verbündeten Regie rungen. Ferner hat der Herr Abg. Gothein meine Ausführungen von gestern über das Verfahren bei Auflösung des Reichstags kritisiert. Herr Abg. Gothein, die Reichs verfassung kenne ich wirklich sehr genau, und darüber werden Sie sich deshalb nicht zweifelhaft sein, daß ich weiß, daß der Bundesrat die Instanz ist, die allein zuständig ist, über die Auflösung zu beschließen. Aber alle Auflösungen, die bis jetzt stattgefunden haben, und das liegt in der Natur der Sache, sind erfolgt nicht auf Grund eines Antrag eines einzelnen Bundesstaates, sondern auf Grund eines Antrags des Reichskanzlers mit Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers, und ich habe hierzu ausgeführt, daß ein Reichskanzler, der ein Haus auflöst, damit in einen seine ganze politische Stellung beeinflussenden Kampf eintritt und daß der Bundesrat, wenn für eine solche Auflösung nationale Gründe geltend gemacht werden, die der Reichskanzler, der verantwortliche Leiter der Politit des Reichs, für so schwerwiegend hält, der Bunderat einen solchen Antrag nicht ablehnen wird, wenn selnerseits nicht sehr schwerwiegende Gründe dagegen sprechen sollten. Das ist das einfache tatsächliche Sachverhältnit. Daraus folgt aber keineswegs, daß der Bundetzrat nur deshalb, weil der Reichskanzler

hereinkommt,

ein Auflösungtgesetz vorlegt, seinerseits irgendwelche auch nur moꝛalische

Verpflichtung hätte, einer solchen Aufloͤsungsorder zuzustimmen, oder daß er einem solchen Auflösungsgesetz zuftimmen würde, wenn er nicht auch selbst von der Notwendigkeit der Auflösung staatsrechtlich über⸗ zeugt wäre. Der Herr Abg. Gothein hat ferner meine Aeußerung bemängelt, die ich gestern in bezug auf die Belastung des groß⸗ britannischen Volkes mit Zöllen gemacht habe. Er hat bemerkt, einen Zoll hätte ich ausgelassen, das wäre der Zoll auf Silberwaren. Ich kann diesen Zoll auf Silberwaren hier in dem Werk über englische Statistik nicht finden, es müßte dieser Zoll denn unter anderen Zöllen einbegriffen sein, aber die englischen Zölle bringen 700 Mill. Mark ein und die gesamten anderen“ Artikel bringen im ganzen über⸗ haupt nur? Mill. Mark ein. Selbst wenn ein solcher Silberzoll in dieser allgemeinen Position inbegriffen, würde er für die Gesamtbeurteilung der englischen Zölle nicht ins Gewicht fallen. Ferner, ich bin der eifrigste Anhänger der Temperenzbewegung, ich halte es für das größte Glück eines Volke, wenn es im Alkohol genuß mäßig ist und wenn wir den Alkoholgenuß noch mehr zurück— drängen könnten, würde ich das für einen großen wirtschaftlichen und sittlichen Fortschritt für das deutsche Volk halten, vor allen Dingen für die arbeitenden Klassen. (Sehr richtig! rechts) Aber ich habe gestern nicht eine hygienische Vorlesung halten wollen, sondern ich habe Tatsachen festgestellt und es ist eine Tatsache, daß weite Kreise des englischen Volles und namentlich der unteren Volksklassen den Alkoholgenuß bei dem feuchten englischen Klima noch für unbedingt notwendig halten, daß starker Alkoholgenuß in England zum schwersten Schaden des englischen Volkes noch weit verbreitet ist und daß infolgedessen, weil in England ein hoher Zoll auf dem Alkohol liegt, unzweifelhaft die unteren Klassen dort mit diesem Zoll belastet sind. Der Herr Abg. Gothein hat mir auch indirekt angedeutet, ich hätte die Aus- führungen des Herrn Ministers von Rheinbaben über diese Frage, die ich, wie ich bemerke, vorher nicht gekannt habe, zu den meinigen gemacht. Ich bin vielmehr zu meinen Ausführungen gekommen durch eine Rede, die von Mr. Hills bei Gelegenheit der letzten Adreßdebatte im englischen Unterhause gehalten worden ist. Der Herr Abg. Gothein hat nun offenbar aus meinen Anführungen deshalb einen Feblschluß ableiten wollen, weil ich übersehen hätte, daß die englischen Zölle Finanzzölle sind, während die deutschen Zölle überwiegend Schutzzölle sind was ich übrigens auch in meiner Rede ausgeführt habe —; Schutz zöͤlle aber wirkten ganz anders wie Finanzzölle, weil sie den Preis der Waren, die geschützt werden sollen, im Inlande verteuerten. Meine Herren, ich halte auch noch heute der Herr Abg. Gothein möge mir das nicht übel nehmen diese Theorie, in dieser Allgemeinheit ausgesprochen, für unbedingt uniichtig. GSustimmung rechts.) Die Verteuerung hängt vielmehr wesentlich ab von dem Prozentsatz an Waren, der eingeführt wird, im Verhältnis zu dem Prozent⸗ satz, der im Lande selbst erzeugt wird; das ist ein ent— scheidender Faktor. Und es ist ein Irrtum, anzunehmen, daß deshalb, weil die eingeführte Ware mit einem spezifischen Zolle belegt ist, unter allen Umständen der Preis der im Inlande erjeugten Ware sich um diesen spezifischen Zoll erhöhen müsse. Auch Zahlen sprechen dagegen. Ich möchte mich da auf ein Zeugnis berufen, das Ihnen, meine Herren von der äußersten Linken, vielleicht nicht angenehm sein wird, auf ein Zeugnis des früheren Herrn Abg. Schippel, der in einem sehr interessanten Aufsatz in den Sozialistischen Monats— heften: Die europäische Landwirtschaft und der Freihandel usw.“ die verschiedenen Zollsatze für Getreide in den einzelnen Staaten und deren Wirkung bespricht. Er sagt dort:

So war in Deutschland das Brotkorn in der Zoll periode billiger als in der Periode der freien Einfuhr.

Diese Behauptung trifft durchaus zu, und wenn ich behauptet habe, daß das englische Volk höher belastet ist, obgleich die englischen Zölle Finanzzölle sind, als das deutsche Volk mit seinen Schutzjzöllen, so muß ich diese Behauptung auch heute noch aufrecht erhalten. Daß der Zoll bis zu einem gewissen Grade, unter gewissen Verhältnissen, preissteigernd wirkt, ist richtig; ich bestreite nur, daß es wissenschaftlich nachweisbar ist und daß es tatsächlich bewiesen ist, daß die Waren, die im Inlande erzeugt und durch Zölle geschũtzt werden, im Inlande unter allen Umständen um den Betrag des der ausländischen Ware auferlegten Zolles im Preise steigen müssen. Diese Theorie halte ich nicht für bewiesen und auch nicht für beweisbar.

Hierauf schlägt der Präsident die Vertagung vor. Das Haus ist damit einverstanden. Es folgt noch eine lange Reihe persönlicher Bemerkungen.

Abg. Wölzl (wild liberal): Der Abg. Schaedler hat von dem Münchener Blockkandidaten gesprochen . . (Präsident: Sind Sie persönlich genannt worden ? Ich babe das nicht gehört) Nein, aber ich bin der Münchener Blockkandidat. Ich lege gegen die auf diesen bezügliche Behauptung des Abg. Schaedler ent= schieden Verwahrung ein und bedauere zugleich, daß er keine Notiz genommen hat von einer ganz bestimmten offentlichen Eiklärung des Blockkandidaten für München II, daß er lediglich in einer Schwur— gerichtssache Zitate aus Tolstoi und anderen über die katholische Kirche vorgebracht hat. (Präsident: Das ist nicht mehr persönlich )

Abg. Gröber (Zentr.): Der Abg. Gothein ist falsch informiert, wenn er meint, ich hätte in Württemberg gegen das allgemeine Wahlrecht

estimmt. Wir hatten dort zwei Vorlagen zugleich zu beraten, das Hrn fragen . und das Wahlgesetz. Wir waren durchaus damit einverstanden, daß die entscheidenden Privilegie rten durch Proporz durch das allgemeine Wahlrecht gewählt wurden. Wir haben trotz aller Differenzen im einzelnen schließlich alle, auch ich, für das Gesetz gestimmt.

Abg. Erzberger (Zentr.): Der Abg. Gothein hat mir den Vorwurf gemacht, ich hätte eine? ebenregierung, einen Druck auf die Regierung ausgeübt. Er hat das nicht näher begründet. Ich nehme zu seiner Entschuldigung an, daß er sich dabei stützt auf eine Notiz der ‚Nord⸗ deutschen Allgemeinen Zeitung“ und auf eine durchaus unwahre AÄkten— notij des Chefs der Neichskanzlei.

Präsident; Sie dürfen eine solche amtliche Aktennotiz nicht als unwahr bezeichnen; das ist nicht zulässig.

Abg. Winckler (d. kons.): Die Kritik des Abg. Gothein an meinen Bemerkungen über die Beamten würde richtig sein, wenn ich etwa das Gegenteil von dem gesagt hätte, was ich gesagt habe. Ich habe sestgestellt, daß wir einen unabhängigen Beamtenfland haben, unab⸗ hängig auch in politischer Beziehung. Wir haben aber auch politische Beamte in einer bestimmten beschränkten Änjahl, die Srgane der Regierung auch in politischer Beziehung im Rahmen dieses ihres politischen Amtes sind. Was ich angeführt habe, entspricht mehr den Interessen der Beamten, als wenn der Abg. Schaedler von der Gesamt⸗ heit der Beamten meint, etz wäre besser, wenn sie sich in politische Verhandlungen überhaupt nicht einmischen.

Abg. Gothein (frs. Vg. ):: Ich bedauere sehr, wenn ich den Staatssekretär Grafen Pofadowskh 2 haben sollte; dann liegt das daran, daß er fo weit von unseren Bänken entfernt spricht. Der Zoll auf Sllberwaren ist so kolossal, daß wahrscheinlich fast gar kein Sllber mehr eingeführt

wird. Daß sich die Preise im Inlande um den Zollbetrag erböhten habe ich nicht gsagt; ich habe immer ausgeführt, daß durch den Zoll der Weltmarktpreis der Ware um seinen Betrag verteuert wird. In bezug auf Württemberg muß ich bis auf weitere Informatianen dem Abg. Giöber recht geben. Bei meiner Behauptung gegen den Abg. Erzberger bleibe ich, meine Quellen sind ebenso guk und lauter wie die seinen.

Abg. Kohl (3entr.): Der Abg. Gothein hat einen bon mir in einer Münchener Versammlung gebrauchten Ausdruck zitiert. (Präsident: Sind Sie genannt worden? Große Heiterkeit; die Erwiderung des Befragten geht in dem Lärm verloren. Der Präfident schafft durch andauerndes Läuten endlich Ruhe) Ich habe niemals gesagt, daß die Sozialdemokratie ein Produkt der göttlichen Vorsehung sei, sondern ich habe gesagt, eine clgentümliche Zulaffung der Vorseh sei es, daß in der Zeit, wo der protestantische Furor so stark ift, a die Sozialdemokratie so stark ist. . (Präfident: Das ift nicht mehr persönlich) Ich habe nicht gesagt, daß die Sozialdemokratie eint Zulassung der Vorfehung ist, well ich es nicht glaube. Stürmische Heiterkeit im Zentrum und andauernder Lärm, in welchem dies mal eine gegen den Redner gerichtete Bemerkung des Präsidenten verloren geht.)

Abg. Schaedler (3entr): Ich habe nicht von dem Münchener Blockabgeordneten gesprochen, das ist der Abg. Wöljl, sondern pon dem Blockandidaten. Ich freue mich aber, konstatteren zu können, daß es der Abg. Wölzl nicht gewesen ist, der sich so ausgesprochen hat.

Abg. Erzberg er (Zenir); Die Unlauterkeit und Unrichtigkeit der erwähnten Quellen sind bon mir schon zweifach nachgewiesen worden; erstens war das Datum falsch, und dann hat der Regiftrator die Sache ein ganzes Jahr zu spät gesetzt. Der Präsident hat mich woegen des Ausdrucks zunwahr“ rektifinert; ich bin fetzt vier Jahre im Haufe und habe den Ausdruck schon mehrfach gebraucht, ich bin bisher des. wegen nicht zur Ordnung gerufen worden.

Präsident: Ich habe Sie auch nicht allein dieses Ausdrudz wegen rektifiziert; ich habe erklärt, Sie dürfen nicht sagen, daß offizielles Aktenmaterial der Regierung unwahr sel. (Lachen und großer Lärm im 6

Abg. Erzberger;: Es handelt sich nicht um offizielles Akten- material nach meiner Meinung, sondern um eine einseitige Notiz, eine einseitige Niederschrift, bei welcher sich auch jeder Beamte irren kann. Diese Niederschrift entspricht nicht der Wahrheit. Auch der Reichs⸗ kanzler hat das Wort unwahr“ und ‚Unwahrheit“ gebraucht, und glaube, es steht dem Abgeordneten das gleiche Maß von Redefreiheit ju.

Abg. Gothein (frs. Vgg.): Ich hatte bei dem Zitat, betreffend die Zulassung der göttlichen Vorsehung, keinen Namen Jenannt; ich wußte nicht, daß der Abg. Erzberger der katholische Geistliche Große . der Abg. Kohl der katholische Geistliche ist, der die

eußerung getan hat. Den Unterschied aber habe ich doch nicht recht erfaßt. Was die Vorsehung zugelassen hat, das hat sie guch gewollt. Im ührigen kann ich zu meinem Bedauern nicht alles lesen, was der

Abg. Erzberger schreibt. Schluß nach 31 /. Uhr. Nächste Sitzung Montag 2 Uhr, , r.

n, der Generaldiskussion des Etats für 1 ; entwurf, betreffend die Vornahme einer Berufs⸗ und Betriebä⸗

zahlung.

Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 24. Sitzung vom 2. März 1907, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der vorgestrigen

Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus setzt . Beratung des Staats hans .

haltsetats für das Rechnungsjahr 1907 im Etat der Handels- und Gewerbeverwaltung fort.

Der Fonds zur Förderung der nicht gewerbs⸗

mäßigen Arbeits vermittlung und Rechtsberatung für die minderbemittelten Bevölkerungskreise ist, wie im vorigen Jahre, mit 40 000 S ausgestattet. .

Abg von Arnim -Züsedom (kons): Dieser Fonds ist seiner Zeit besonders mit Rücksicht darauf geschaffen worden, daß für die Arbeiterkreise die Rechtsberatung über die sozialpolitische Gesetz gebung von hervorragender Bedeutung sei. Ich bedaure, daß in dieserm Gtat der Fonds nicht erhöht worden ist. Bei den letzten Reichs. tagswahlen ist die Zahl der Stimmen der überzeugung treuen Sozialdemokraten auf 34 Millionen gestiegen, im Gegensatz ju vielen anderen betrachte ich danach die soꝛialdemorratische Gefahr nicht für überwunden, sondern halte es für die Pflicht nicht nur der Regierung, sondern aller staatserhaltenden Parteien, diese Gefahr weiter zu bekämpfen. Ein Gesetz zum Schwtz der Arbeitswilligen hat leider im Reichstage keine Aussicht. Im vorigen Jahre habe ich schärfere Maßregeln gegen die Sonal—⸗ demokratie gewünscht, und ich gestehe offen, daß ich eveniuel zu Ausnahmemaßregeln bereit bin. Aber dle . Wunsches ist nicht zu erwarten. Deshalb müssen alle nationalen Kreise alle vorhandenen Mittel auf dem Gebiete der Kleinarbeit gebrauchen, um die Sozialdemokratie zu bekämpfen, und einß von diesen Mitteln ist auch die Rechtskeratung. Es gab 1905 233 Jiechte⸗ beratungsstellen, darunter 63 sozialdemoktatisch?. Wir müsfen die nichtsozialdemokratischen unterstützen. Von den Ratsuchenden waren 7290/0 Tagelöhner, 273 96ö kleine Handwerker und kleine Gewerbe treibende. . für diese Kreise hat die Rechtsberatung außerordent⸗= lich segensreich gewirkt. Nun hat sich herausgestellt, daß die privaten Rechtsberatungsstellen von Vereinen mehr benutzt worden sind als die kommunalen; es scheint also, als ob die Bevölkerung mehr Ver⸗ trauen zu den privaten Stellen hat. Hei der Einrichtung dieset Etatsfonds war in Aussicht genommen, ihn nicht ausschlie iich den kommunalen Rechtaberatungsstellen, sondern auch den privaten zu überweisen, und ich möchte dem Minister empfehlen, auch die privaten Stellen zu berücksichtigen. Der F153 der Gewerbeordnung, von dessen Anwendung der Aßg. Trimborn sprach, ist nur eine schwa Waffe. Der Abg. Trimborn hat bei dieser Gelegen seit den Reichs ver band jur Bekämpfung der Sozialdemokratie als eine schwache Nachahmung zes fatholtschen Volksvereins bezeichnet. Das ist unrichtig. Der katholische Volksverein hat lediglich kirchliche Zwecke, der Reiche derband ist dagegen ein politische Verband. Er ist auch nicht eine Nachbildung des katholischen Volksvereins, sondern aus eigener Kraft entstanden. Ich kann dies behaupten, weil ich von Anfang an mich an der Begründung des Verbands beteiligt und fast in allen Versammlungen mitgewirkt habe. Daß er also eine schwache Nach- bildung sei, kann ich nicht auf dem Veiband sitzen laffen. Gr bat durch seine Tätigkeit bei den letzten Wahlen zur Eviden; im ganzen deutschen Vaterlande bewiesen, daß er ein sehr. dre und sehr tätiges Glied der bürgerlichen Gesellschaft zur Bekämpfung der Sojtal= demokratie ist. Kaum irgend eine andere große Vereinigung bat mit so vielen Mitteln und j viel nachdrücklicher Wirkung, bie Sonial. demokratie bekämpft wie der Reiche verband. Das ift mir aut allen Teilen des Landes bescheini t worden. Der Ber—⸗ band hat auch die Kleinarbelt und darunter die fostenfreie Rechts beratung für die Arbeiter und kleinen Handwerker in Angriff ge— nemmen. Ich bitte demnach den Minister, den tatsächlichen Ver. hältnissen Rechnung zu tragen und vom nächsten Etat ab den i zu erhöhen und daraug nicht nur den kommunalen, sondern auch den privaten Rechtsberatungsstellen Zuwendungen zu machen.

(Schluß in der Zwelten Beilage.)

Erfüllung ieee

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

M 57.

(Schluß aus der Ersten Beilage)

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Herr Abg. von Arnim hat seinem Bedauern darüber Ausdruck gegeben, daß der Fonds zur Unterstützung un⸗ varteilscher Rechtsauskunftzstellen im laufenden Jahre keine Erhöhung erfahren hat. Er hat anscheinend angenommen, daß das seinen Grund darin hätte, daß bei mir das Interesse und das Verständnis für die Bedeutung dieser Rechtgauskunftestellen im Schwinden gewesen sei, oder daß die nötigen Mittel nicht hätten verfügbar gemacht werden können. Dag ist nicht zutreffend. Ich habe auf eine Erhöhung des Titels im vorliegenden Etat verzichten können, weil mir aus dem dergangenen Gtatgjahre noch hinreichende Mittel zur Verfügung stehen und ich es aus allgemeinen Erwägungen für zweckmäßig halte, solche Digpositionsfonds nicht arößer werden zu lassen, als dem Be⸗ dürfnis entspricht; es ist nämlich unter solchen Verhaͤltnissen unter Umständen sehr schwer, eine Vermehrung zu erreichen.

Im übrigen kann ich nur versichern, daß die Ent⸗ wickling der unparteiischen Rechtgaugkunftsstellen außerordent⸗˖ lich erfreulich ist. Es sind in Preußen seit der Einstellung der erforderlichen Mittel bei Kapitel 69 Titel 16 des Etats im ganzen bereits 43 unpartelische Auskunftsstellen begründet, davon sind 8 in Großstädten mit über 100 000 Einwohnern, 12 in größeren Gemeinden mit 100 000 bis 50 000 Einwohnern, 12 in mittleren Gemeinden von 0 000 bis 20 000 Einwohnern und 11 in kleineren Gemeinden und in Landkreisen errichtet. Von diesen Auskunftsstellen sind 36 kommunale Einrichtungen und? Vereinsgründungen. Herr Abg. von Arnim will daraus entnehmen, daß auch Vereine von mir unterstüũtzt werden.

Ich muß aber darauf aufmerksam machen, daß schon die Zweck- bestimmung des Titels die Unterstũtzung derartiger von Vereinen unterhaltenen Einrichtungen in gewissem Maße beschränkt. Es sollen unpart eiische Rechtsauskunftsstellen geschaffen werden; ich bin also nicht in der Lage, Vereine zu unterstũtzen, bei denen ich nicht voll⸗ kommen sicher bin, daß sie nicht bestimmte parteipolitische oder kon⸗ fessionelle Zwecke damit fördern. Diese Garantien muß ich haben, wenn ich einen Verein unterstützen soll, und wo ich diese Garantien gehabt habe, habe ich keinen Augenblick gezögert, die Unterstüũtzung ein⸗ treten zu lassen; ich werde das auch in Zukunft tun.

Mit den schon früher gegründeten Rechtsauskunftgstellen sind in Preußen jur Zeit 50 vorhanden. Dazu kommen 3 weitere in Groß städten, deren Errichtung bereits beschlossen ist.

Ich darf dann vielleicht noch hinzufügen, daß nach den gemachten Erfahrungen ich nicht den Eindruck habe, daß die kommunalen Rechts auskunftsstellen gerade gemieden werden. Wenn ich einige Zahlen geben darf für die Rechtsauskunftsstelle in Cöln, die am 23. August 1905 errichtet ist, so haben bis zum 31. März 1906 41657 Personen, davon 2318 zu wiederholten Malen, die Tatigkeit der Rechtsauskunfts⸗ stelle in Anspruch genommen. Unter den lauskunftsuchenden Personen befanden sich 461 Kaufleute und 1424 Handwerker aus den Kreisen der Arbeitgeber. Eine Auskunft ist erteilt in 41657 Fällen, in 75 Fällen sind den Beteiligten Schriftsätze angefertigt worden.

Der Herr Abg. von Arnim hat dann vorhin auf Erfurt ver⸗ wiesen. Die Erfurter Stelle ist eingerichtet am 16. Januar 1906, sie besteht also nur etwas über ein Jahr, und es haben sich bei ihr im ersten Geschäftsjahr 2950 Personen gemeldet, darunter 732 Arbeit geber. Es sind 3148 Auskünfte erteilt und 435 Schriftsätze angefertigt worden.

Ich könnte die Zahlen dieser Beispiele erheblich vermehren, will die Herren damit aber nicht aufhalten. Ich nehme an, daß der Herr Abg. von Arnim aus meinen Ausführungen entnommen hat, daß ich die Bedeutung dieser Auskunftsstellen in vollem Maße würdige unb daß ich bereit sein werde, für eine Erhöhung der etatsmäßigen Mittel zu sorgen, wenn die Vermehrung der Auskunftzstellen dies erforderlich machen sollte, und daß ich, soweit es nach den von mir vorhin gegebenen Einschränkungen möglich ist, auch Vereine neben den Kommunen unterstützt habe und zu unterstützen bereit sein werde. Bravo! recht.)

Bei den Ausgaben für die Königliche Porzellan⸗ manufa ktur wünscht

Abg. Dr. Gerschel (fr. Volksp.), daß der Charakter der König⸗ lichen Porzellanmanufaktur als eines Kunstinstituts gewahrt bleibe, und die Herstellung technischer Artikel vermieden werde. An der auf⸗ gestellten Bilanz sei zu bemängeln, daß nicht einztehbare Forderungen und Kosten von Bodenuntersuchungen zusammen in die Räbrik nieder⸗ geschlagener Posten gestellt würden. Es sel nicht recht ersichtlich, velche Posten als niedergeschlagen anzufehen seien. Die großen Be⸗ stände des Instituts, über die geklagt worden sei, seien vielleicht darauf zurückzuführen, daß das Ink zu wenig auf den Zeitgeschmack des ö in künstlerischer Beztehung Rücksicht nehme.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Der Herr Abg. Dr. Gerschel hat eine sehr ein⸗ gehende Kritik an der Verwaltung der Porjellanmanufaktur, an der Aufstellung ihrer Bilanz und an der Aufstellung ihres Verwaltungs⸗ berichtz geübt und daran eine Reihe von Fragen geknüpft.

Ehe ich mich zunächst auf die Ausführungen des Herrn Abg. Gerschel einlasse, möchte ich daran erinnern, daß die Fragen der Ver— waltung der Porzellanmanufaktur, der Art ihrer Rechnungsführung, der Siele ihres Betriebes in gewissen Perioden regelmäßig in diesem hohen Hause erörtert werden, und zwar immer dann, wenn ein neuer Herr elntritt, der sich mit einem gewissen Interesse auf diesen Gegen⸗ stand stürzt. .

Der Herr Abg. Gerschel hat sich nun in eingehender Weise ich danke ihm ganz besonderg für dieses Interesse der Geschãfts⸗ gebarung und vor allem der Finanzgebarung der Porzellanmanufaktur angenommen. Er scheint aber dabei von der Auffassung auszugehen, daß die Art der Rechnung führung und die Aufstellung der Bilanz eine freie Erfindung meiner Verwaltungist. Demgegenüber möchte ich daran er⸗ tunern, daß Ende der So er und anfang der 90 er Jahre die Budgetkom—

Berlin, Montag, den 4. März

notwendige Scheldung ergibt zwischen Betrieb und Verwaltung.

zu der Art der Bilanzierung

u gejogen hat, so für heute verzichten ju sollen,

darauf einzugehen.

gibt der eine macht es so, der andere so.

maßen beginnt: Deutschland als erste der Berliner Großbanken Jahresabschluß an die Oeffentlichkeit.

liche Zahlengruppierung.

die die Zustimmung dieses hohen Hauses gefunden haben. Auf die Einzelheiten der Ausführungen

Herrn Abg. Gerschel für unzulaͤssig erklärt.

technischen Artikel wesentlich Bedarfsartikel für unsere

Porzellanmanufaktur befaßt war, erklärt worden ist: Selbst wenn die Leistungen der künstlerischem Gebiete zu Ausstellungen Veranlassung

auf die für unsere Industrie technischen Artikeln.

unentbehrliche

ist also einmal sachlich unbegründet; er ist aber auch unangebracht, weil gerade diese Art der Fabrikation in voller Uebereinstimmung mit biesem hohen Hause bezw. mit der Budgetkommission erfolgt und be⸗ trieben wird.

Ich werde im übrigen die einzelnen Fragen, die Herr Abg. Gerschel aufgeworfen hat, noch einmal eingehend prüfen lassen und behalte mir vor, falls es notwendig sein sollte, bei der dritten Lesung noch einmal darauf zurückzukommen.

Abg. Goldschmidt (fr. Volksp.) : Herr Gerschel hat auf seine Anfrage wegen der niedergeschlagenen Posten leider keine Antwort be= lommen,. Es müssen doch Grundsätze für die klare Aufstellung einer Handelsbilanz gefunden werden. Die Königliche Porzellanmanufaktur soll allerdings kein kaufmãnnisches Geschäft sein, und wir würden event. zu höheren Zuschüssen bereit sein. Das Kunstgewerbe kann nur vom Staate gefördert werden, und da kann es auf 100 900 MS mehr oder weniger nicht ankommen. Zwischen den Leitern scheint aber nicht die nötige Harmonie zu bestehen, die zu einem gedeißlichen Betrieb notwendig ist. Ferner wünsche ich eine Erhöhung der Löhne der un— gelernten Arbeiter der Porzellanmanufaktur. Diese Arbeiter treten nach ihrer mil tärischen Dienstzeit mit einem Monatalohn von 76 6 ein, der dann bis etwa zum 33. Lebensjahre auf 105 0 sleigt. Mit einem solchen Lohn können verheiratete Arbeiter in Berlin nicht aus⸗ kommen. Eine Folge der geringen Lohnhöhe ist der starke Wechsel der Arbeiterschast; seit 10 Jahren sind 206 Arbeiter eingetreten, von denen nur noch 60-70 dort sind. Die Arbeiter müssen auch an jedem Sonntag wechselweise ihren Dienst verrichten. Die ensions⸗ verhältnisse sind sehr traurig; es ist zwar eine Pensionskasse einge⸗ richtet, die Arbeiter kennen aber deren Statuten gar nicht.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Der Herr Abg. Goldschmidt hat ganz besonders bemängelt, daß ich auf eine Anfrage des Herrn Abg. Gerschel, was für eine Bewandtnis es mit den 176543 72 3 unter der laufenden Nummer 1 Litera b in dem Soll des Verwaltungsberichts habe, noch nicht geantwortet habe. Ich möchte darauf bemerken, daß ich den Herrn Abg. Dr. Gerschel persönlich über diese Angelegenheit in der Budgetkommission informiert habe, und daß ich seine heutige Frage

mission und die Oberrechnunge kammer Veranlass ung genommen haben, sich eingehend mit der Geschaftaführung der porzellan manufaktur jn beschäftigen,

nicht dahin verstanden habe, daß er über diesen Punkt eine Auskunft haben wollte, sondern daß er nur bemängelte, daß dieser Betrag unter

daß darauf in meinem Ministerium mit der Oberrechnungskammer die Grundsäͤtze vereinbart sind, nach denen wir jetzt arbeiten, und daß diese Grundsätze die Zustimmung der Budgetkommission gefunden haben. Ich bin also nicht in der Lage, Veränderungen in der bis- herigen Art der Geschäftsführung eintreten zu lassen, wenn nicht die Budgetkommission auf Grund einer erneuten Prüfung zu dem Wunsche kommen sollte, daß eine Wandlung in diesen Dingen eintritt. Be⸗ merken möchte ich, daß die Schwierigkeit darin liegt, daß es sich nicht allein um ein kaufmaͤnnisches Unternehmen handelt, sondern um ein Unternehmen, das eine Reihe öffentlicher Zwecke fördern soll und dementsprechend Ausgaben hat, die nicht nach kaufmãnnischen Grund⸗ sätzen verbucht und verrechnet werden können, sondern daß sich eine

Wenn nun Herr Abg. Gerschel eine ganje Reihe von Moniten glaube ich, r Denn wir würden uns, wenn die Erörterung zum Ziele führen sollte, wahr⸗ scheinlich in eine sehr eingehende und lange Debatte über die Grund⸗ sätze der Aufstellung einer Bilanz vertiefen müssen; und eine solche Debatte möchte ich namentlich um deswillen vermeiden, weil es eigent⸗· lich keine kaufmännischen Grundsãaͤtze über die Aufstellung einer Bllanj (Abg. Hammer: Sehr richtig) Mir liegt hler zufällig der Artikel eines Blattes vor, der sich mit unseren kaufmãnnischen Verhãltnissen beschãftigt und folgender⸗

Wie alljährlich, so tritt auch diesmal die Nationalbank für mit ihrem Der Abschluß einer Groß bank hat längst aufgebört, ein Ereignis zu sein; denn er bildet mangels feststehender Bilanzregeln eine mehr oder weniger willkür⸗

Meine Herren, wir haben uns mit Ihnen über bestimmte Bilanzregeln geeinigt, und nach diesen haben wir bisher gearbeitet. Sollte eine erneute Prüfung ergeben, daß eine Abänderung notwendig ist, dann werden wir bereit sein, ju prüfen, ob wir nach dieser Richtung hin Ab⸗ änderungen eintreten lassen können. Ich muß uns bloß dagegen ver— wahren, daß wir unordentlich oder unübersichtlich und ohne die nötige Voraussicht unsere Verwaltungsberichte aufgestellt haben. Sie sind aufgestellt nach den mit der Oberrechnungs kammer aufgestellten Regeln,

des Herrn Abg. Gerschel glaube ich, unter diesen Umständen jetzt nicht eingehen ju sollen. Erinnern möchte ich bloß noch daran, daß bei der großen Enquete über die geschäͤftliche und künstlerische Leistungs⸗ fähigkeit der Porzellanmanufaktur im Jahre 1878 auch die Frage errtert worden ist, inwieweit die Porzellanmanufaktur ein Kunstinstitut ist und inwieweit sie technische Artikel führen soll. Das letztere ist von (Abg. Dr. Gerschel: Nicht in dem Maße!) Demgegenüber möchte ich feststellen, daß diese chemische Industrie sind, daß es sich um Artikel handelt, die die Privatindustrie in dieser Art und Vollkommenheit, wie wir sie herstellen, herzustellen gar nicht in der Lage ist, und daß aus diesem Grunde im Jahre 1878 in dieser Kommission die mit der Prüfung der Verhältnisse der

Manufaktur auf geben sollten so müssen sie schon erhalten bleiben mit Rũcksicht Fabrikation an

Nach diesen Prinzipien ist gewirtschaftet worden; wir fabrizieren nur Artikel, die eine Spezialität sind, und die unsere Industrie zur Zeit gar nicht entbehren kann. Der Vorwurf des Herrn Abg. Dr. Gerschel

1907.

Verwaltung“, nicht unter. Betrlebsfonds * aufgeführt ist. Im übrigen habe ich nicht die geringsten Bedenken, die von dem Herrn Abg. Gold⸗ schmidt gewünschten Auskünfte zu geben.

Es hat mit dieser Summe folgende Bewandtnis: Die Herrschaft Cadinen, bekanntlich Seiner Majestät dem Kaiser und König gehörig, hatte den Wunsch, festzustellen, ob die Tone, die dort gefunden werden und die, wie festgestellt ist, bis in die prãähistorische Zeit zurück ungewöhnlich schöne Fabrikate geliefert haben, nicht jur Majolikafabrikation verwendbar seien. Nun war seitens der Cadiner Verwaltung an die Direktion der Porjellanmanufaktur das Ersuchen gerichtet worden, diesbezügliche Untersuchungen anzustellen. Dem ent⸗ sprach der erste technische Direktor der Porzellanmanufaktur, ohne, wie es vorgeschrieben war, über den Auftrag eine Anzeige zu erstatten, und wir erfuhren von diesen Arbeiten erst, als sie schon ziemlich weit vor= geschritten waren. Mein Amtsvorgänger hielt es deswegen für not⸗ wendig, festzustellen, was für Arbeiten vorgenommen wären, und wie hoch die Kosten sich beliefen. Bei dieser Kostenaufstellung ist man meiner Ansicht nach nicht ganz richtig verfahren. Man hat bei Buchung dieser Kosten Beträge eingesetzt, die unter allen Umständen nicht zu Lasten der Cadiner Verwaltung verbucht werden konnten, beispiels. weise einen erheblichen Betrag aus dem Gehalt des Direktors und dergleichen. Nun entstand die Frage, wie die Sache aus der Welt zu schaffen wäre, und darauf habe ich sie in der Weise erledigt, daß ich anordnete, daß diejenigen Beträge, die nach Lage der Verhältnisse von der Königlichen Schatullverwaltung liquidiert werden konnten, liquidiert wurden, sie sind inzwischen auch bezahlt. Dagegen mußten diejenigen Beträge, die der Schatullpverwaltung zu Unrecht in Rechnung geftellt worden, in irgend einer Form niedergeschlagen werden, und daz ist in der Weise geschehen, daß sie bei der Verwaltung in Abgang gesetzt worden sind. Das ist eine ganz einwandfreie Manipulation.

Ich würde, wenn ich angenommen hätte, daß der Ab. Gerschel Wert darauf legt, daß da mitgeteilt würde, es schon vorher mit- geteilt haben. Es handelt sich um eine Tätigkeit, die an sich jweifel⸗ los im Rahmen der Manufaktur lag, es handelt sich um eine Arbeit die von eminentem Interefse für die Grschließung der Bodenschäte ini Osten, spejniell im Kreise Elbing war. Es war durchaus korrekt, daß sie von seiten der Manufaktur übernommen wurde, und es ist nur der Fehler gemacht worden, daß nicht rechtzeitig Anzeige erstattet wurde, sodaß nicht von vornherein die Möglichkeit gegeben war, die Sache richtig ju buchen. Dag hat dazu geführt, daß die Sache von mir durch Machtspruch geregelt worden ist.

Dann hat der Abg. Goldschmidt eine Reihe von Wünschen über die Verhältnisse der Arbeiter vorgetragen. Ich kann ihm, da ich nicht darauf gefaßt sein konnte, daß er diese Einzelheiten wissen wollte, darüber keine genaue Auskunft geben. Soweit ich unterrichtet bin, kommen die von ihm bemängelten Sätze nur für wenige Arbeiter in Betracht. In der Hauptsache halten wir die Sätze für auskömmlich. Selbstverständlich bin ich bereit, die Sache nochmals zu prüfen.

Der Abg. Goldschmidt hat dann ferner einige Fragen an mich gerichtet bejüglich der Kranken⸗, Pensiong. und Sterbekasse. Die Kranken,, Pensions., und Sterbekasse ist meines Wissens in Betrieb und läuft selbstverständlich her neben der gesetzlichen Invalidttãtg. und Altersversicherung. Dagegen wird auch kaum etwag einzuwenden sein. Wenn sich dann die Arbeiter bei dem Abg. Goldschmidt darüber be⸗ schwert haben, daß sie noch keine Statuten in Händen hätten, so kann ich ihm nicht sagen, ob diese Beschwerde begründet ist, möchte aber an den Abg. Goldschmidt die Bitte richten, daß er den Arbeitern sagt, daß berechtigten Ansprüchen sehr viel schneller abgeholfen werden kann, wenn sie sich an die Dlrektien oder an mich wenden, als wenn sie derartige Bitten in diesem hohen Hause durch den Abg. Gold schmidt vortragen lassen. (Sehr richtig! rechts.)

Abg. Dr. Hauptmann (Zentr.) spricht die An

Arbei der Hen hn , n nn 3 ie n een ausschlaggebend sein müsse, daß aber die Bilanz wenigsteng ein klares Bild von der Geschäfislage geben müsse. Für diesen Zweck müsse eine geeignete kaufmännische Kraft gefunden werden. Er, der Redner

habe nichts dagegen einzuwenden, wenn die Porzellanma kt techn che Art teh fahrt. nn Porz nufaktur auch

Abg. Dr. Ger schel meint, daß eine private Ausku t des Mini in der Kommission eine Anfrage nicht erledigen 6 . Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Ich glaube, es besteht ein Mißverständnis zwischen dem Herrn Abg. Dr. Gerschel und mir. Ich habe vorhin bloß gesagt: Ich habe nach dem, was vorhergegangen war und so, wie ich die heutigen Aug⸗= führungen des Herrn Abg. Dr. Gerschel verstanden habe, angenommen, daß er nicht eine Beantwortung der Frage nach dem Ursprung dieser niedergeschlagenen Beträge haben wollte, sondern daß er lediglich die Art kritisieren wollte, wie sie verbucht werden. Wenn ich ihn gleich richtig verstanden hätte, würde ich die Antwort, die ich dem Herrn Abg. Goldschmidt gegeben habe, schon früher gegeben haben.

Der Rest der dauernden Ausgaben wird ohne Debatte bewilligt.

Imhm Extraordinarium sind 15 000 M ausgeworfen für rr ht n von Handels hochschulkursen in Königs⸗ erg i. Pr.

Abg. Kindler (fr. Vollep.) dankt dem Minister, 4h er die Ein⸗ richtung dieser Kurse ermöglicht habe, die ein großes Interesse ver⸗ dienten und nach Kräften weiter ausgestaltet werden möchten.

Zur Förderung der Fortentwickung des kleingewerb—⸗ lichen Genossenschaftswesens sind do do e nile ene fer.

Abg. Dr. Crüger (frs. Volksp): Der Abg. Hammer fand neuli

daß die Behandlung des Genossenschaftswesens ,, sei; . er frühere stenograpbische Berichte Hurchltest, wird er finden, daß die Frage hier ausführlich erörtert wor) en ist. Allerdings wird ihm manches aus den damaligen Debatten nicht angenehm in den Ohren klingen. Auf die Erfolge der staatlichen Förderung mancher G. en eff kann man allerdings nicht gerade stolj fein. Es muß für die Unter⸗ stützung von kleingewerblichen . auch *. die Qualitãt

der Genossenschaften ankommen. ür eine großzügige Gewerbe förderung braucht man nicht nach Oe terreich zu e, Cee rf. ju sammeln; wir brauchen nur nach Süddeutschland, spezlell Württem⸗

berg zu gehen. Dag kleingewerbliche Genossenschaftgwesen hat nicht

——— 8

er,