1907 / 60 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 07 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

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Ministerium der öffentlichen Arbeiten abgezweigt wird, . sich der Minister ausschließlich den Eisenbahnangelegenheiten widmen kann. Es ist beabsichtigt, ständige Vertreter der Cisenbahndirektions⸗ prästdenten einzusetzen. Es ist zweifelhaft, ob dadurch nicht die Ein⸗ heitlichkeit gefährdet wird. Jedenfalls wird diese Einrichtung nur möglich sein, wenn wir besonders tüchtige, energische Eisenbahn⸗ direktionspräsidenten haben. Bei der Einstellung neuer Ober- bauräte wünsche ich, daß die Maschinentechniker mehr berücksichtigt werden mögen, die jetzt eigentlich das Aschenbrödel der Ver⸗ waltung darstellen. Das Eisenbahnzentralamt, das in Berlin er— richtet werden soll, wird eine Behörde von so außerordentlicher Be⸗ deutung sein, 26 ich es als ein zweites Ministerium bezeichnen möchte. In der Kommission sind gegen dieses Amt lebhafte Be⸗ denken erhoben worden, weil man in r, daß es nicht die wünschenswerte Fühlung mit dem Lande haben wird, und daß es bei seinem Sitze in Berlin Einflüssen ausgesetzt sein könnte, die nicht wünschenswert sind; man hat auch an Einflüsse politischer Parteien dabei gedacht. Meine Freunde haben diese Bedenken zurückgedrängt, ich bitle aber namens meiner Freunde den Minister, die Zusage aus der Kommission zu wiederholen, daß uns alljährlich eine Denkschrift über die Tätigkeit des Zentralamts vorgelegt werden soll. Bezüglich der Personentarife wünsche ich eine Steigerung der Einnahmen daraus; ich halte den Personenverkehr für einen schwachen Punkt. In anderen Ländern, mit Ausnahme von Oesterreich, steht der Personenverkehr im Verhältnis zum Güterverkehr günstiger da als bei uns. Der Personenverkehr muß so ausgestaltet werden, daß er für die Ein⸗ nahmen der Eisenbahnen eine bessere Stellung einnimmt als bisher. Nirgends ist der Personenverkehr so kompliziert wie bei uns. Wir haben nicht weniger als 11 verschiedene Abteilungen in unseren Wagen nach den einzelnen Klassen für Raucher, Nichtraucher usw., und die Verwaltung hat diese Einteilung erst kürzlich auf ein Dutzend ge⸗ bracht durch die Einrichtung von Nichtraucherabteilungen in der IV. Klasse. Ich lasse dahingestellt, ob diese Einrichtung richtig war; wir müssen aber jedenfalls dahin streben, unseren Personen⸗ verkehr zu vereinfachen, denn die Kompliziertheit steigert die Kosten. Ginen wesentlichen Anteil an den Kosten hat der Lokalverkehr. Der Lokalverkehr erschwert den übrigen Verkehr und ist wenig einträglich. 84 möchte deshalb empfehlen, daß die Eisenbahn⸗ verwaltung die Einführung des elektrischen Verkehrs begünstigen möge. Ich bedauere, daß die Kosten für den Personen, und den Güterverkehr nicht jahlenmäßig genau auseinanderzuhalten sind. Wäre das mög- lich, so könnten wir sehen, was der Güterverkehr für den Personen—⸗ verkehr zuschießen muß. Ich möchte den Minister bitten, wenigstens den Versuch einer annähernd richtigen Aufstellung dieser verschiedenen Kosten zu machen. Der Mangel an Güterwagen wird auch in den nächsten Jahren noch nicht verschwinden; dies liegt eben am System, und unsere Industrie muß mindestens in den nächsten Jahren noch mit dem Wagenmangel rechnen. Eine Revision der Gütertarife muß erfolgen, sobald die finanzielle Lage unseres Staates es irgend erlaubt. Allerdings sind die Einheitssätze der Gütertarife bei uns geringer als in anderen Ländern, aber tatsächlich hat der Güter⸗ verkehr in anderen Ländern eine geringere Fracht zu tragen. Die französische Nordbahn hat mit dem Staat eine Ermäßigung bei Wagen von 45st um 6 oo, bei zwei Wagen um 7 060 und bei Wagen von 60 t sogar um 21 vereinbart. Wir müssen auch Wagen von größerer Tragfähigkeit beschaffen. Leider ist unserer Industrie die eigene Beschaffung größerer Wagen nicht genehmigt worden. Ich bitte, diese Bestimmung aufzuheben. Der Durch⸗ schnitt unseter Gütertarife ist von 1899 bis 19095 jwar gefallen, dann aber wieder gestiegen. In der Kommission hat sich be züglich der Behandlung der Südteutschen eine Meinungs- verschiedenheit zwischen den Konservativen und meinen Freunden ergeben. Die Frage der Betriebsmittelgemeinschaft ist zurück⸗ gegangen auf die Frage der Wagengemeinschaft; meine Freunde bedauern diese Entwicklung außerordentlich; wir halten für richtig, wenn eine Betriebsgemeinschaft eintritt, daß sie ent⸗ weder ganz fest oder ganz locker gemacht wird, aber jedes Mittelding von Uebel ist. Preußen darf allerdings den süddeutschen Staaten keine finanziellen Opfer bringen, aber wir gönnen den süddeutschen Staaten gern den größeren Vorteil. Die Betriebemittelgemeinschaft würde dem ganzen Reiche zu gute kommen. Aber meine Freunde setzen voraus, daß immer Preußen an der Tritze einer solchen Gemeinschaft als Leiter stehen würde. Der Minister bat in der Budgetkommission und hier im Hause den Ein⸗ druck erweckt, daß er seine Aufgabe ernst erfaßt, daß er die Schäden unseres Eisenbabnwesens erkennt und bestrebt ist, dieselben zu be⸗ seitigen und das Eisenbahnwesen so zu entwickeln, wie es für die wirtschaftliche Entwicklung notwendig ist. Ich versichere den Minisier namens meiner Freunde, daß wir ihn unterstützen werden. Unterstaatssekretär im Finanzministerium Dombois: Der Abg. Macco hat dem Finanjminister vorgeworfen, daß er immer auf die steigenden Ausgaben hinweise und sich neuen Ausgaben entzieben wolle, und daß er die wittschaftliche Entwicklung pessi—⸗ mistisch dargestellt habe. Diesen Vorwurf muß ich bestreiten. Der Finanzminister hat sich nicht des Pessimismus schuldig ge⸗ macht, sondern in seiner Etatsrede im Gegenteil darauf hin⸗ gewiesen, daß wir uns einer sebr günstigen el, de, , . erfreuen, und daß diese voraussichtlich auch in der Zukunft so bleiben werde. An Fürsorge hat der Finanzminister es nicht fehlen lassen, wie ja die großen wasserwirtschaftlichen Ausgaben beweisen. Das Extra— ordinarlum der Eisenbahnverwaltung ist ferner von 86 Millionen im Jahre 1896 auf 186 Millionen im Etat 1907 gestiegen, für Betriebs mittel sollen 1907 250 Millionen ausgegeben werden. Wenn der Finanzminister auf dieses Steigen der Ausgaben hinwies, so war das durchaus berechtigt. 1395 betrugen die Betriebeẽ⸗ einnahmen 900 Millionen, 1905: 1790 Millionen, das ist eine Steigerung von 66 pCt. Die Betriebsausgaben sind aber von 570 auf 1048 Millionen gestiegen, also um 83,9 pCt. Auch der Betriebskoeffizient ist gewaltig gestiegen, nämlich von 54 83 auf 61,82 pCt. Auch die per⸗ sönlichen Ausgaben zeigen eine ganz gewaltige Steigerung. Der Finanzminister hat darauf hingewiesen, nicht um mit Bewilligungen für die Eisenbahnen zurückzuhalten, sondern um davor zu warnen, wie es auch Herr Macco tut, daß wir angesichts dieser steigenden Ausgaben auf die Eisenbabneinnabmen dauernd neue Staatsausgaben basieren und immer mehr die Eisenbahneinnahmen für allgemeine Staatszwecke heranziehen. Wes die Uebernahme von Auegaben auf das Extraordinarium oder auf Anleihen betrifft, so werden für die vorhandenen Bahnen alle Anlagen aus laufenden Mitteln bestritten; allerdings können einige Ausnahmen vorkommen, aber dieser Grundsat ist richtig; denn diese Ausgaben sind regelmäßig wiederkehrende Be⸗ dürfnisse, und alljährlich müssen solche Erneuerungen gemacht werden. Schon 1892 hat das Haus die Resolution gefaßt, daß die Eisenbahn⸗ anlagen mehr aus laufenden Mitteln bestritten werden sollen, und als wir einmal 100 Millionen für Betriebsmittel und neue Gleise auf An⸗ leihen übernahmen, wurde das nicht mit ganz gänstigen Augen angesehen. Damals faßte die Kommission die Relglution, daß für die Betriebs mittel die Deckung aus dem Etat geflommen werden soll, und es wurde sogar verlangt, daß es aus dem Ordinarium geschihe. Das ging allerdings zu weit Aber die Tendenz ging dahin, daß die Ver⸗ mehrung der Betriebsmittel aus laufenden Mitteln zu bestreiten sei. Die Gründe, die dafür sprechen, sind auch ganz erident. Es kommt auch hinzu, daß wir einmal für Zeiten, wo die Einnahmen sich ver⸗ mindern, gerüstet sein müssen. Das Risiko eines solchen großen Unternehmens ist sehr groß. Ich will nicht phantastisch sein und Ihnen übertrieben ausmalen, was für Mittel erforderlich werden können; aber die Einführung des elektrischen Betriebes fär den Stadt- und Vorortverkehr in Berlin würde allein 180 Millionen in An- spruch nehmen. Wenn wir mehr auf Anleiken übernehmen würden, wärde das nicht nur den Eisenbahnen zufallen, sondern wenn das BSeld da ist, wird es auch für allgemeine Staats zwecke in Anspruch, genommen werden. Eg würde die gefunde Snt⸗ wicklung unserer Staatefinanzen gefährden, wenn wir wieder mehr, zu Anleihen übergingen. Einen Vorbehalt muß ich, allerdings Kr Ausnahmefälle machen. Ein solcher Ausnahmefall lag im vorigen Jahre vor, wo das Verkehrsbedürfnis so außerordentlich dringend war,

daß wir für Betriebsmittel und Ausbau zweiter Gleise den Weg der Anleihe beschreiten mußten. In der

Ausbau der Eisenbahnen selbst verwendet werden müssen. Abg. Oeser (frs. Volksp.): Wir müssen nicht bloß in normalen

innahmen der Eisenbahnverwaltung decken, sondern wir müssen in Zeiten des Aufschwungs auch für andere Zeiten zurücklegen; wir dürfen nicht eventuelle Ueberschüsse zu sehr festlegen, denn sonst wird z. B. wie jetzt, wo es sich um eine Neuregelung der Beamtengehälter handelt und wir, anstatt zu den , zu greifen, dafür neue Steuern ansetzen, eine solche Neuregelung sehr unpopulär. Wir müssen eben vor allem unsere Mittel flüssig erhalten. Ein Verkehrsminister, der nicht überzeugt ist von der Schwungkraft des Verkehrs, ist nicht am Platze. Wenn auch ein Rückschlag in der Hochkonjunktur eintreten sollte, wir müssen doch zuletzt auf eine andauernde Steigerung des Verkehrs rechnen und jetzt schon beginnen, dieser genügen zu können. Die 50 Millionen, die die Eisenbahnverwaltung über den Voranschlag binaus in den Etat für 1906 eingestellt hat, hat man durch eine Resolution gebilligt, und diesen Posten gewissermaßen so in die Toga der Verfassung eingehüllt. Wir haben sachlich gegen diese Ausgabe keine Bedenken, wohl aber etatsrechtlich. Eigentlich erfuhren wir davon nur durch Zufall der Minister war zur Kenntnisgabe ja nicht verpflichtet —; wir hätten erst 19986 bei der Rechnungslegung davon zu erfahren bekommen. In diesem Falle sind wir zwar mit der Ausgabe einverstanden, aber in einem anderen 6 könnte doch das Gegenteil seitens des ganzen Hauses zutreffen. Es müßte eine Bestimmung getroffen werden, wonach der Minister in solchen Bedürfnisfällen sofort eine entsprechende Vorlage zu machen hätte. Gegen das geplante Zentralamt haben wir das Bedenken, daß es sich zu einem Mlnisterium im Ministerium auswächst und die ganze Verwaltung unübersichtlich macht. Wir wünschen, daß das Zentralamt nicht bloß die Berlin benachbarte Industrie berücksichtigt, sondern auch gleichmäßig alle Provinzen. Ein Mißstand ist es, daß die Eisenbahnverwaltung in Streitfällen zugleich eigene Partei und oberste entscheidende Polizeibehörde ist. Es müßte eine Art unabhängigen Verwaltungsstreitverfahrens eingeführt werden. Der so vielfach angefeindeten B⸗Zuggebühr muß man doch anerkennen, daß sie den Komfort in den Wagen wesentlich vermehrt hat; die Einführung der elektrischen Beleuchtung halte ich für dringend, denn für schwache Augen ist die Beleuchtung heute geradezu miserabel. Es gibt auch kaum schlechtere Wagen als die der Speisewagengesellschaft, die so schwanken, daß schwächere Personen fürchten müssen, die Seekrankheit zu bekommen. Ich bin dem Minister dankbar, daß er auch für die IV. Klasse Nichtraucherabteilungen eingeführt hat. Mißständen, wie sie sich bei der Eröffnung des neuen Hauptbahnhofs in Wiesbaden und gleich darauf bei derselben Gelegenheit in Hamburg in gewaltigen Zug⸗ verspätungen gezeigt haben, wird hoffentlich in Zukunft vorgebeugt werden. Einer Herabsetzung des Gütertarifs hält man in Zeiten wie den gegenwärtigen immer entgegen, daß die Industrie dabei ja vollauf zurechtkomme, in Zeiten des wirtschaftlichen Niederganges hingegen sagt man wieder, die Einnahmen durften keine Einbuße erfahren. Es geht also so damit, wie es in dem Liede von dem Ehemann heißt, der nicht weiß, was er seiner Frau schenken soll: ‚Und in Schunken ganz versunken, will ich lieber gar nichts schunken. Es hat uns seinerzeit außerordentlich gefreut, zu sehen, mit welcher Energie der verstorbene Minister von Budde die Betriebsmittelgemein-« schaft in Angriff nahm. Wir sehen mit schmerilichem Bedauern, daß seit Jahren für dieses große nationale und wirtschaftliche ,, nicht mehr die Freudigkeit herrscht wie früher. Wir haben aus drücklich es aus gesprochen, daß wir keine Betriebsmittelgemeinschaft nach Art der preußisch⸗hessischen wünschen und den süddeutschen Staaten vollständig ihre Selbständigkeit lassen wollen. Es wird aber ein großes Vertrauen überall erwecken, wenn man in München, Dresden und Stuttgart mit Berlin zu einer Verständigung ge— langt. Ich bitte den Herrn Minister, diese Frage dauernd im Auge zu behalten. .

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Preußen bat nur ein geringeres Interesse an solcher Betriebsmittelgemein⸗ schaft mit den anderen deutschen Staaten; aber es muß immer ein nobile oflleinm des größten und kräftigsten Bundes. staates sein, entsprechenden Wünschen eines anderen Bundesstaates die Hand ju bieten. Anerkennen muß ich den Grundgedanken aus den Ausfübrungen des Ministers, daß die Organisation von 1895 eine durchaus gesunde ist. Gegenüber dem Abg. Oeser meine ich, daß in Streitigkeiten, bei denen die Eisenbahnverwaltung zugleich Partei und zugleich entscheldende Polizeibehörde ist, unsere parlamentarische Kontrolle viel besser sein kann und ist als irgend ein anderes Rechtsmittel. Von großer Bedeutung ist es, daß die allgemeinen Staatsfinanzen immer noch um 35 o,! aus den Eisenbahneinnahmen gedeckt werden müssen. Diese Erscheinung darf aber nie wieder dahin führen, daß die wirtschaft⸗ lichen und Verkehrsaufgaben der Eisenbahnverwaltung darunter leiden. Den Tiefpunkt einer solchen Entwicklung haben wir gerade ein halbes Menschenalter hinter uns. Es war eine schwache Seite der An⸗ schauungen des verstorbenen Finanzministers von Miquel, daß die Stei—⸗ gerung der Staatsbedürfnisse sich nach den Einnahmen aus den Eisen⸗ bahnen richten müßte. Wir haben dafür zu sorgen auch in Zeiten des geringen Verkehrs, daß das wachsende Verkehrsbedürfnis der Zu— kunft voll berücksichtigt wird. Geschieht das nicht, so sind wir ge—⸗ zwungen, in Zeiten des stärker werdenden Verkehrs den Bedürfnissen mit Hast nachzulaufen. Wenn wir dafür schon in Zeiten des Auf⸗ sckwunges sorgen, so haben wir einmal davon den außerordentlichen Vorteil, daß schwerlich ein Wagenmangel eintritt, und zweitens helfen wir unserer Industrie besser über die stille Zeit hinweg. Wir müssen Versäumnisse langer Jahre nachholen, um die Leistungsfähigkeit der Eisenbahn wieder auf die Höhe zu bringen. Dafür ist der Weg der Anleihen nicht bloß zulässig, sondern sogar gegeben. Das hat die Regierung anerkannt, indem sie im vorigen Jahre 50 Millionen Mark über den Etat für Betriebsmittel ausgab. Das ist namentlich in den Jahren zulässig, wo die laufenden Mittel dafür nicht ausreichen, wie es bei nledergehender Konjunktur vorkommen kann. Ich würde in solchen Fällen den Weg der Anleihe durchaus für wirtschaftlich balten. Natürlich müssen wir uns vor einer Schuldenwirtschaft hüten und eventuell an eine Erhöhung der Einkommensteuer denken, wenn wir für Beamtenbesoldung usw. große Mittel brauchen. Die Güter⸗ tarife mässen für gewifse Erzeugnisse ermäßigt werden, damit die ge⸗ stiegenen Produktions kosten einigermaßen ausgeglichen werden können. Auch die Ermäßigung der d, ,, , . für die größeren Wagen halte ich für durchaus zweckmäßig. Mit der Ermäßigung der Tarife für Rauhfutter, Stroh und Heu ist im vorigen Jahre ein glück licher Anfang zur Gütertarifermäßigung gemacht worden. Im ganzen müssen wir noch beute dem Vater der Eisenbahnverstaatlichung, dem Fürsten Bismarck, unseren Dank aussprechen.

Abg. von Grabski (Pole): Unter dem Wagenmangel haben vor allem die Zuckerfabriken in dem Bromberger Bezirk gelitten. In einer Zuckerfabrik waren die Lager so stark angefüllt, daß die Speicher einzustürzen drobten. Auf eine Depesche an die Bromberger Direktion wegen der Wagengestellung wurde eine Untersuchung geführt und da⸗ nach erklärt, daß die Wagengestellung gut gewesen sei. Die Zucker⸗ induftrie des Ostens, die einzige Großindustrie dort, kann doch wohl eine Berücksichtigung verlangen, und der Minister muß für die Be⸗ seitigung des Wagenmangels sorgen. Bezüglich der Bahnhofs⸗ buchhandlungen hat der Minifter im vorigen Jahre erklärt, daß nur unanständige und solche Schriften, welche die Staatseinrichtungen ver⸗ ächtlich machen, verboten sein sollen. Unsere polnischen Zeitungen werden aber vom Verkaufe auggeschlossen, obwohl sie weder un⸗ anständig sind noch Staatseinrichtungen verächtlich machen. Unsere Zeitungéredakteure haben hohe Strafen am eigenen Leibe gefühlt und hüten sich daher vor allju scharfen Worten. Ich hoffe, d der Minister das kleinliche Verbot des Verkaufs polnischer

eltungen wieder aufheben wird. Auf den Bahnhöfen in Breslau abe ich im Wartesaal J. Klasse ein Plakat gefunden in deutscher und französischer Sprache, wonach 5 Minuten vor Abgang eines

Regel muß aber daran fest⸗ ehalten werden, daß die Ueberschüsse der Eisenbahnverwaltung zum

Zuges geläutet wird. Diese Berücksichtigung der Fremden, welche 6 Deutsch verstehen, ist durchaus berechtigt, aber was der L Klaff⸗ recht ist, sollte der IV. Klasse billig sein, und deshalb sollten ö.. öffentlichen Anzeigen in der JV. Klasse auch in polnischer Sprache ausgehängt werden. Bei neuen Eisenbahnlinien werden immer die

eiten mit aller Strenge dafür sorgen, daß sich die Ausgaben und Güter der Ansiedlungskommissionen berücksichtigt, und die Polnischen

Gegenden erhalten keine Eisenbahn. So unterstützt die Cisenbahn. verwaltung die polenfeindliche Politik. Den Eisenbahnbeamten und sogar den Streckenarbeitern ist die Unterhaltung in polnischer Sprach verboten worden, und sie sind geiwungen worden, aus dem polnischen Verein Straz auszutreten. Dieser Krk verfolgt durchaus keine staatsfeindlichen Zwecke, sondern nur die wirtschastliche Hebung dez polnischen Volkes. Ein Beweis dafür ist auch, daß noch kein Straz. Verein aufgelöst worden ist. Das polnische Volk muß gleiches Recht für sich verlangen. Die preußische Staatseisenbahnverwaltung duldet nicht, daß die Polen sich als Polen r sie verlangt nicht nur die Arbeit der Polen, sondern auch die Verleugnung ihrer Gesinnung. Die Staatseisenbahnverwaltung sollte einen internationalen Stand. punkt einnehmen.

Minister der öffentlichen Arbeiten Breitenbach:

Meine Herren! Der Verein Straz organisiert den national. polnischen Widerstand gegen die Staatsregierung, verfolgt alz letztes Ziel die Verwirklichunge der großpolnischen Ideen. (Abg. Dr. von Cjarlinski: wo steht das?) Die Leiter der rt⸗ lichen Organisationen, die Starosten, sind bemüht, den Boykott gegen die Deutschen durchzuführen. (Sehr richtig! rechts und links; Widerspruch bei den Polen.) Aufgabe der Staatsregierung ist es, solchen Bestrebungen Widerstand entgegen— zusetzen. (Sehr wahr! rechts) Es scheint mir berechtigt und naturgemäß, daß wir unsern Beamten und Arbeitern verbieten, einem solchen Vereln anzugehören. (Sehr richtig! rechts) Wenn sie dem Verbote zuwlderhandeln, werde ich sie entlassen. Ich kann eine Aenderung in dieser Beziehung nicht in Aussicht stellen. (Bravo! rechts.)

Meine Herren, der Herr Vorredner hat unter anderem ausgeführt, daß die Staatseisenbahnverwaltung ich glaube, er sagte, in den Wartesälen vierter Klasse sich der preußischen Rücksichtslosigkeit schuldig mache, weil sie nicht zulasse, daß die dortigen Aushänge, be⸗ treffend das Abrufen der Züge, nicht auch in polnischer Sprache ab— gefaßt werden, sondern nur in deutscher Sprache. Meine Herren ich muß gegen diese Aeußerung des Herrn Abgeordneten Einspruch erheben. Die preußische Staatseisenbahnverwaltung tut in den polnischen Landesteilen nur das, was ihre Pflicht ist; sie muß voraus— setzen, daß diejenigen Landeskinder, die unsere staatlichen Einrichtungen dort benutzen, also unsere Bahnsteige, unsere Wartesäle, unsere Eisen⸗ bahnzüge, die deutsche Sprache gelernt haben und dieser selbst mächtig sind, um aus deutschen Aufschriften sich zurechtzufinden. (Sehr richtig) Wenn in einem Wartesaal in Breslau sich deutsche und franzöͤsische Anschriften befinden, wie der Herr Abg. von Gralski behauptet, so erklärt sich das einfach aus der Tatsache, daß eben durch Breslau ein großer internationaler Verkehr zieht, und dem internationalen Verkehr erweist man diese Rücksicht. Der internationale Verkehr ist aber nicht ein Verkehr, der allein aus Polen und Rußland kommt, sondern aus verschiedenen andern uns umgebenden Großstaaten. Ich setze voraus, daß die Mitteilung des Herrn Abgeordneten zutrifft wegen der An— schriften; mir ist es persönlich nicht bekannt.

Was das Halten polnischer Zeitungen betrlfft, meine Herren so sind von seiten des Ministers der öffentlichen Arbeiten Ver sungen überhaupt nicht ergangen. Es gelten für die Eisenbah—⸗ direktionen die ganz allgemeinen Weisungen, daß „‚Preßerzeugnisse, insbesondere periodisch erscheinende, die durch Wort, Bild oder Ge— schäftsanzeigen Anstand und gute Sitten verspotten, die Sinnlichkeit überreizen, die die idealen Güter des Lebens herabzuwürdigen, wertvolle vaterländische Einrichtungen und deren Träger verächtlich zu machen, Neid und Haß unter den Staatsangehörlgen zu erregen bestrebt sind, in den Räumen der Staatsverkehrsanstalten zum Verkauf nicht dar— geboten werden dürfen“ durch unsere Bahnhofsbuchhändler.

Daß die preußische Staatseisenbahnverwaltung bei ihren Pro— jekten, die dem Aufschluß und der Melioration des Landes dienen, sich einer einseitigen Begünstigung schuldig macht, wie der Herr Abgeord⸗ nete es darstellte, daß sie nur solche Projekte gut heiße, die zu Gunsten der Ansiedlungskommission sich wenden, ist mir völlig unbekannt; das bestreite ich. (Unruhe bei den Polen.)

Meine Herren, ich möchte im Anschluß an die vorhergehende Debatte noch einige Bemerkungen ganz allgemeiner Natur machen.

Von mehreren der Herren Vorredner ist die Frage der Eisen⸗ bahnbetriebsmittelgemeinschaft in die Diskussion gezogen worden. Ich möchte es als ein unbestrittenes Verdienst der württembergischen Regierung und dort angesessener patriotischer Männer anerkennen, daß sie diese Frage in Anregung gebracht und daß sie auch eine Skizze gegeben haben, wie sie etwa durch— geführt werden könnte. Diese Eisenbahnbetriebsmittel gemeinschaft ergriff ja den ganzen Fuhrpark, Lokomotiven, Personen⸗, Güterwagen, Werkstätten und Beschaffung des ganzen Heizbedarfs, und es gab eine Zeit, in der die an der Verhandlung Beteiligten wohl der Anschauung leben konnten, daß sich dieses Projekt denn mehr war es doch nicht verwirklichen lassen würde. Es haben sich aber eben der Ausführung sehr erhebliche politische, etatsrechtliche und staatsrechtliche Bedenken entgegengestellt, und es muß heute ausgesprochen werden, wie es auch jüngst der württembergische Herr Staatgminister aus gesprochen hat, daß dem Projekte ein Fortgang nicht gegeben werden wird. Es wird zur Zelt eben nur noch die Güterwagengemeinschaft nach dem Vorschlage Bayerns behandelt. Wie diese Verhandlungen aber auch auslaufen werden und eine gleichartige Erklärung babe ich bereits in der Budgetkommission abgegeben —: die preußische Staatseisenbahnverwaltung und die preußische Staatsregierung wird sich bei diesen Verhandlungen ihrer nationalen Pflicht jederzeit bewußt bleiben und durchaus bestrebt sein, im Sinne des Artikel 42 der Reiche verfassung mit den anderen Bundesstaaten zu wirken (Bravo! rechte); sie wird, wenn auf der Basis der Verhandlungen, die mit Bavern zur Zeit noch geführt werden, nicht zum Schlusse gekommen werden sollte, gern bereit sein, mit denjenigen Staaten, die es wollen, Wagen⸗ benutzungsverträge abzuschließen, wie wir sie heute bereits mit Olden⸗ burg und mit den Reichelanden haben. Es liegt mir daran, aut drücklich zu betonen, daß durch solche Verträge in materielle= Besiehung, im Interesse des Verkehrs alles das erreicht wird, wat durch eine Betriebsmittelgemeinschaft selbst in dem weiteren Sinne, wie sie seinerjelt von Württemberg gedacht war, erreicht werden kann.

(Schluß in der Dritten Beilage.)

zum Deutschen Reichsanz

M GO.

(Schluß aus der Zweiten Beilage.)

Und ich glaube, darauf ist doch der Hauptton zu legen, daß im Interesse des Verkehrs ein Fortschritt gemacht wird. Wenn es uns gelingt, mit der überwiegenden Zahl oder mit sämtlichen Bundesstaaten solche Wagenbenutzungsverträge abzuschließen und so dem Verkehr zu dienen, dann verwirklichen wir doch auch den Gedanken, der der Reichs- verfassung zu Grunde liegt. (Sehr richtig!)

Meine Herren, dann sind von einigen der Herren Vorredner Bedenken gegen die Einrichtung des Zentralamts geäußert worden, nicht mehr grundsätzliche Bedenken, aber doch Bedenken, die ich be⸗ seitigen möchte. Es ist von zweien der Herren Vorredner, von dem Herrn Abg. Macco und dem Herrn Abg. Oeser betont worden, es werde sich dieses Zentralamt zu einer Stelle auswachsen, die schließlich an Bedeutung dem Ministerium gleichstehen würde. Meine Herren, dieser Auffassung muß ich entgegentreten. Wenn Sie erwägen, daß von den Geschäften des Zentralamts heute bereits mindestens zwei Drittel bei der Eisenbahndirektion Berlin konzentriert waren, so werden Sie schon daraus erkennen, daß es unmöglich ist, daß sich aus einer Stelle, dem Zentralamt, in dem nun alle diese Geschäfte kon= zentriert werden, eine dem Ministerium ebenbürtige Zentralstelle herausbilden könnte. Das Zentralamt ist genau so organisiert wie eine Eisenbahndirektion. Es steht neben den Eisenbahndirektionen, es steht unter dem Minister, es bereitet im wesentlichen die Entscheidungen des Ministers vor, genau so, wie diese Entscheidungen bisher durch die Direktion Berlin und andere Direktionen, die in solchen gemeinschaftlichen Fragen gearbeitet haben, vorbereitet worden sind.

Es ist auch erneut betont worden, es könne sich aus dieser zen tralen Wirksamkeit eine ungleichmäßige Berücksichtigung der im ganjen Lande verteilten Interessen entwickeln. Gerade das Gegenteil wird nach meiner Auffassung eintreten. Heute haben wir es erlebt, daß bei der Vergebung von Lieferungen im Osten oder Westen behauptet wurde, es würden bestimmte Landesteile bevorzugt. Es ist die aus—⸗ gesprochene Absicht der Einrichtung dieser Zentralstelle, gerade solchen Beschwerden zu begegnen. Wir nehmen an, daß eine gleichmäßige Behandlung aller, die es angeht, durch das Zentralamt herbeigeführt werden wird. Daß aber etwa eine politische Beeinflussung dieser neuen Stelle möglich wäre, halte ich für völlig ausgeschlossen. Ich vermag nicht zu erkennen, warum eine solche Beeinflussung gerade bei dem neugeschaffenen Zentralamt eintreten sollte.

Der Herr Abg. Macco hat die Unzulänglichkeit unserer heutigen baulichen und betrieblichen Einrichtungen sehr scharf betont unter Bezugnahme auf die Verhältnisse im Ruhrrevler. Meine Herren, es war ja aus meinen einleitenden Ausführungen erkennbar, daß ich an— erkenne, daß an bestimmten Stellen des Staatgeisenbahnnetzes infolge des sehr stark gesteigerten Verkehrs sich gewisse Schwierigkeiten ergeben haben. Ich würde es aber aufs äußerste bedauern, wenn aus diesen meinen Aeußerungen die Auffassung abgeleitet würde, als ob die preußischen Staatseisenbahnen leistungsunfähig wären. Ich habe auch ganz ausdrücklich vorher betont, daß dieser Zustand eintreten könnte, wenn wir nicht sehr erheblich nachhelfen. Aber die Leistungsfähigkeit der preußischen Staateisenbahnen steht zweifellos fest. Es sind nur gewisse Schwierigkeiten eingetreten, weil sich eben der Verkehr so stark entwickelt hat, daß wir an einzelnen Stellen nicht mitkommen konnten. Wenn wir aber den Betriebsmittelpark vermehren und gleichzeitig kräftig an den Ausbau des Staatseisenbahnnetzes herangehen und das tun, was der Herr Abg. Macco in erster Linie wünscht ordentliche Abfuhrlinten, neue Stromübergänge bauen —, dann werden die vorliegenden Anstände in angemessener Zeit be— seitigt sein.

Ich möchte noch darauf hinweisen, daß unsere Nebenbahnen ganz äberwiegend dem Aufschlusse und der Melioration des Landes dienen; sie dienen oder sollen wenigstens zu der Zeit ihres Entstehens und noch lange Jahre nachher nicht jur Entlastung der Hauptbahnen dienen. Wenn der Zeitpunkt eintritt, daß sie zur Entlastung der Hꝛuptbahnen herangezogen werden müssen, werden sie umgebaut. Das Bauprogramm der Staatabahnverwaltung hat auch ein Programm für die Umwandlung von Nebenbahnen in Hauptbahnen vorgesehen. Es begreift den ganzen Eisenbahnbereich. Es wird in erster Linie dem Osten zu gute kommen, wo ein starkes Mißverhältnis zwischen Haupt. und Nebenbahnen besteht; aber auch der Westen und die Mitte werden einbezogen werden.

Dann hat der Herr Abgeordnete gemeint, die höhere Maschinen= technik würde nicht genügend berücksichtigt bei unseren Personal— verbesserungen. Auch dem muß ich widersprechen. Wir haben gerade für die maschinentechnische Richtung so außerordentliche Verbesserungen in den Etat aufgenommen, wie es bisher noch niemals der Fall ge⸗ wesen ist. Ich darf darauf hinweisen, daß, wie berelts vorher bemerkt, ein Ministerialdirektor für die maschinentechnische, elektrotechnische Ab⸗ teilung vorgesehen ist; drei Mitglieder, maschinentechnische Baurãͤte, werden zum 1. April als Oberbauraäͤte angestellt; sieben neue maschinentechnische Mitglieder sollen geschaffen werden, darunter drei

für das Zentralamt; sieben neue Werkstättenmaschinenvorstände, 3 Vor⸗

stände für Maschineninspektionen sollen geschaffen werden; von den 38 Bauinspektorstellen wird auch ein nicht unwesentlicher Teil der Maschinentechnik zugute kommen.

Dann möchte ich noch auf die Speisewagen und deren Beschaffenbeit eingehen. Wenn wir, wie es in den nächsten Jahren geschehen wird, in umfassendem Maße zur Vermehrung der D⸗Züge übergehen, wird in demselben Verhältnis das Bedürfnis nach Einstellung neuer Speisewagen in den Betrieb sich geltend machen. Bei der Gelegenheit soll den Wünschen auf Verbesserung der Konstruktion Rechnung getragen werden. Es ist ja wahrscheinlich, und es ist in Aussicht genommen, daß nicht nur die— jenigen, die heute den Speisewagenbetrleb führen, bei der Bedienung

des Speisewagenbetriebs zugelassen werden, sondern auch noch Dritte;

in Summa werben wir zu einer großen Vermehrung und Verbesse—⸗ rung des Speisewagenbetriebs kommen. (Bravo!)

Dritte Beilage eiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 7. März

Abg. Graf von Moltke (freikons.): Preußen muß vor allen Dingen Herr seiner Eisenbahnen und seiner Finanzen ren,! Den Rar n mangel hat der Minister in der Kommission mit dem plötz· lichen Anwachsen des Verkehrs und mit elementaren Ereignissen, dem Versagen der Wasserwege, entschuldigt, aber solange die Betriebamittelgemeinschaft nicht zustande gekommen ist, wird der Wagenmangel nicht beseitigt werden können, weil leine. systematische Verteilung der Wagen stattfinden kann.

ch hoffe doch, daß der Minister noch auf die Verwirklichung der Be⸗ triebsmittelgemeinschaft hinarbeiten wird.

Abg. Hirsch-Essen (nl): In der Betriebsmittelgemeinschaft und den Organ ijationsfragen stehe ich auf dem Standpunkt des Abg. Macco. Die Zunahme des Verkehrs ist in diesem Etat auf 5 0 gegen früher 4 0 beim Personenberkehr und auf 6 Ho gegenüber früher 35 do beim Güterverkehr angenommen. Auch diese Annahme ent— spricht noch nicht der Wirklichkeit, da die Steigerung im laufenden Jahre bis zum Januar beim Perfonenverkehr bereits 7,66 und beim Güterverkehr 1034 o09. betragen hat. Aber die Verwaltung bemüht sich, wenigstens der Wirklichkeit nahe zu kommen, und das gilt auch von der Veranschlagung der Ausgaben fur die Betriebs mittel. Durch die zu Horsichtige Veranschlagung der Einnahmen und der Aus. gaben ist die Verwaltung mit ihren Anklagen unwillkürlich im Rückstand geblieben. Zur Aufrechterhaltung eines ordnungsmäßigen Betriebes muß die Bereitstellung der Mittel ohne Rücksicht auf den Etat erfolgen. Dieser Grundsatz gehört an die Spitze der gesamten Finanzgebarung der Eisenbahnverwaltung Erfreulicherweise erkennt das der Minister an und hat auch die Konsequenzen daraus gezogen, indem er im laufenden Jahre über die etatsmaäßigen Mittek hinaus 55 Millonen für Betriebsmittel verwandte. Daß der Finanzminister trotz der etatsmäßigen Bedenken sich dazu hat bereit finden lassen, wird ihm im Lande gedankt werden. Meing Freunde sehen jedenfalls diefe Maßregel als gerechtfertigt an. Für die Verkehrsbedürfniffe genügt aber nicht allein die Vermehrung der Betriebsmittel, sondern bedarf es auch einer Ausgestaltung der Bahnhöfe, damit in ausgedehntem Maße eine Trennung des Personenverkehrs vom Güterverkehr stattfinden kann. Namentlich müssen für die Industriezentren des Ostens und Westens Bahnhöfe umgebaut resp. neu gebaut werden. In den letzten 19 Jahren hat sich der Verkehr verdoppesit; um diese Steigerung zu befriedigen, ist ein systematischer Ausbau der Bahnanlagen erforderlich, und es müssen Mittel und Wege gefunden werden, den weiter anwachsenden Verkehr in den Industriezentren zu organisieren. Die wichtigste Forderung für den industriellen Westen betrifft die Ruhr- und Siegbahnen. Der häufige Wggenmangel resultiert nicht lediglich aus dem Mangel, an Wagen, sondern auch aus der Un— möglichkeit der rechtzeitigen Zuführung der Wagen. Um leistungs fähige Bahnen zu schaffen, müssen wir die Vollkahnen aus. bauen und Nebenbahnen zu Vollbahnen machen, denn für die In⸗ dustriezentren leisten die Nebenbahnen nicht genug, die sonst zur Erschließung des Landes und als Zubringer ihre Bedeutung haben. Ein berechtigter Wunsch ist ferner die Beschleunigung der Güterzüge. Angesichts der starken Zunahme des Verkehrs darf man ferner den Ausbau der Wasserstraßen nicht vergessen. Bei dem Rhein. Wefer⸗ kanal muß man für dessen Leistungsfähigkeit auch bei dem zu— nehmenden Verkebr so welt Rücksicht nehmen, daß gusreichend große Schiffe verkehren können. Hand in Hand mit der Ausgestaltung des Bahnnetzes muß eine wesentliche Ermäßigung der Tarife gehen. Ez ist schon hervorgehoben, welche große Rolle die Herabdrückung der Pro⸗ duktionskosten für unsere Industrie spielt. Die anderen Kosten können nicht ermäßigt werden, wenn wir nicht an die Löhne herangehen wollen, und daran denkt natürlich niemand. Deshalb können wir nur mit einer Ermäßigung der Frachtkosten rechnen. Für allgemeine Stgatsjwecke werden jetzt nur noch 55 o der Eisenbabneinnahmen in Anspruch genommen, es ist also schon eine kleine Besserung in diesen Verhältnissen eingetreten. Es müssen aber erhebliche Auf⸗ wendungen noch für den Ausbau des Eisenbahnnetzes gemacht werden. Von zweckmãßigen Tarifherabsetzungen hängt das Wohl und Wehe dieler Erwerbezweige, die Entstehung neuer Erwerbszweige und die Schaffung von Arbeitsgelegenbeit ab. Dilese wirtschafflichen Be— dürfnisse müssen die finanziellen Rücksichten zurücktreten laffen. Die Eisenbahnverwaltung ist bemüht gewesen, Reformen einzuführen, aber bisher ist die Herabsetzung der Gütertarife noch zu gering gewesen. Ich erinnere dazu an die vom Hause wiederholt beschlossene Resolution von Zedlitz, nach welcher planmäßig Herabsetzungen der Gätertarife in die Wege geleitet werden sollen. Ebenso muͤssen die Abfertigung. gebühren eine Revision erfahren. ;

Darauf vertagt das Haus um 44 Uhr die weitere Be—

ratung des Eisenbahnetats auf Donnerstag 11 Uhr.

Handel und Gewerbe.

(Aus den im Reichsamt des Innern jusammengestellten Nachrichten für Handel und Industrie* )

Schwe den.

Giftreglement. Eine Königliche Verordnung vom 7. De— jember 1906 bestimmt mit Wirkung vom 1. Februar 19607 ab unter Aufhebung der Königlichen Verordnung vom J. Januar 1856, be⸗ treffend Aufbewahrung und Verkauf von Arsenik usw., u. a. folgendes:

6 Giftstoffe werden nach diesem Reglement in jwei Klassen ) geteilt.

Giftstoffe erster Klasse dürfen in das Reich eingeführt werden nur von Apothekenvorstehern, Fabrikanten, welche berechtigt sind, in ihrem Geschästebetrieb solche Giststoffe zu verwenden, in dem Maße wie sie solche für ihren Geschäftsbetrieb bedürfen, Vor stehern wissenschaftlicher, zu einer der Akademten oder Hochschulen des Reiches gehöriger Instifutionen, in dem Maße wie solche Gift- stoffe für die Institution erforderlich sind, Vorstehern anderer wissenschaftlicher Institutionen mit Staats oder Kommunalunter⸗ stützung, in dem Maße wie die Gifststoffe für die Institution er—⸗ sorperlich sind, sowie Vorstebern öffentlicher Untersuchungelabora—= torien, sofern sie von der zuständigen öffentlichen Behörde autor siert wurden, in dem Maße wie die Gijststoffe für das Laboratorium er— forderlich sind.

In bezug auf die Cinfubt von Giftsioffen zweiter Klasse gelten die Bestimmungen, welche über die Einfuhr von Waren in das Reich im allgemeinen erlassen sind.

Es dürfen nicht feilgeboten oder verkauft werden:

a. Kosmetische Mittel oder andere Toiletteartikel, welche Blei⸗ verbindungen oder giftige Farben enthalten,

b. Kinderspielsachen, die mit giftigen Farben bemalt oder bedruckt sind oder sonst Giftstoffe enthalten. .

In bezug auf die Menge Arsenik, welche ein Verbot des Verkaufs oder der Feilbietung von Kinderspielsachen herbeiführen sollen, gelten folgende Bestimmungen:

Die nachstehenden Waren dürfen nicht feilgeboten oder verkauft werden, wenn bei der Untersuchung nach der von der Königlichen Re—⸗ gierung festgestellten Methode in einer Probe von nachstehend vor—

) Die Verzeichnisse der belden Klassen werden später veröffentlicht werden.

1907.

, . Größe Arsenik als Metall berechnet in einer Menge von 0.29 mwg oder mehr gefunden wird:

Papier, Karton oder Pappe, ungefärbt, gefärbt, in Farben gemalt oder bedruckt (Tapeten), Probe: 200 qem.

Gewehe (wozu auch Fil, gestrickte, gewebte oder geklöppelte Ware zu rechnen ist), ungefärbt, gefärbt, bemalt, mit Farbe bedruckt 6 mit Linoleum, Kautschuk, Guttapercha u. dergl. belegt, Probe:

dem.

Kinderspielieug in Farben gemalt oder bedruckt, Probe: Farbe, von einer Fläche von 100 dem abgeschabt.

Garn, ungejwirnt oder gezwirnt, ungefärbt oder gefärbt, Probe:

Zur Verzehrung bestimmte Waren dürfen nicht feilgehalten oder verkauft werden, wenn sie Giftstoffe erster oder zweiter Klaffe ent- halten und ebenfalls nicht, wenn sie solche Stoffe enthalten, wie in dem Verzeichnis I7 **) dieses Reglementg aufgeführt werden, oder wenn sie unmittelbar in Papier oder einem anderen Umschlag ver—⸗ packt sind, der mit giftiger Farbe oder anderen giftigen Stoffen ge— färbt, bemalt, geglättet oder bedruckt ist, und ebenso nicht in Stannlol aus anderem Metall als inn oder in Zinnsianiol, dessen Bleigehalt größer als 1 v. H. ist. iese Bestimmung findet indessen auf Tee in Driginalperpackung keine Anwendung

; Gefäße oder Gerätschaften für Zubereitung, Aufbewahrung oder Verahreichung von zur Verzehrung bestimmten Waren dürfen nicht hergeslellt, feilgehalten oder verkauft werden, sofern das Gefäß oder Gerät so beschaffen ist, daß bei dessen Verwendung die Ware in un= mittelbare Berührung mit Blei, bleihaltigem Kautschuk oder der— gleichen Farbe, oder mit Schmelj (Glasur) gelangt, woraus bei halb— stündigem Kochen mit vierprozentiger Essigsäure Blei ausgelöst wird, oder auch mit Legierung (Verzinnung), welche mehr als 1 v. H. Blei enthält, sofern nicht die Legierung zum Löten benutzt worden ist, in welchem Falle sie 10 v. H. Blei enthalten darf.

Konkurse im Auslande.

Galizien.

Konkurs ist eröffnet über das Vermögen des Kaufmanns Mendel Fiol, registriert unter der Firma Mendel Fiol in Buezacz, mittels Beschlusses des K. K. Krelsgerichts, Abteilung 1V, in Stanislau vom 27. Februar 1907 No. C. S. 3/7. Provisorischer Konkurg. masseverwalter: Advokat Dr. Jan Lisowski in Bucjacj. Wahltag fahrt (Termin jur Wahl deg definitiven Konkurgmasseverwalters) 22. Mär 1997, Vormittags 10 Uhr. Die Forderungen find bis zum 20. April 1907 bei dem genannten Gericht oder bei dem K K. Bezirks= gericht in Bucigej anzumelden; in der Anmeldung ist ein in Buczacz an, inn e mr n m . machen. Liqui⸗

erungstagfahrt (Termin jur Feststellung der Ansprüche) 26. Apri 1907, Vormittags 10 Ubr. ; . .

Wagengestellung für Kohle, Koks und Brikettz am 6. März 1907:

Ruhrrevier Oberschlesisches Revier Anzahl der Wagen Gestellttt . 22 662 8 246 Nicht geftellt 272 —.

Ueber einige zweifelhafte Firmen in London sind den Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin von zuverlaäͤssiger Seite Mitteilungen zugegangen, denen zufolge diese fie die deutsche Ge⸗ schäftswelt dadurch zu schädigen fuchen, daß sie Wechsel auf deutsche Firmen ziehen, obgleich diese mit ihnen nicht in Geschäftsverbindung stehen und ihnen nichts schulden, und daß sie von diesen Wechseln zum Zwecke der Täuschung Gebrauch machen. Vertrguentwürdigen Inter- essenten wird im Zentral bureau der Korporation, Neue Friedrichstr. 51 J, an . Werktagen zwischen 9 und 3 Uhr mündlich nähere Auskunft gegeben.

Auch dem Verein Berliner Kaufleute und Industrieller gingen don unterrichteter Seite vertrauliche Mitteilungen zu über zweifel bafte Firmen in Großbritannien (London). Für Inter— essenten liegen diese Mitteilungen im Vereinsbureau, Jägerstraße 22, wäbrend der Dienststunden von 9— 1 Uhr und von 4—7 Uhr zur Einsicht aus. = In der gestrigen Aufsichtsratssitzung des A. Schaaffhausen⸗ schen Bankvereins wurde, laut Meldung des . W. T. B.“ aus Berlin, das Gewinn. und Verlustkonto für das Geschäftsjahr 1806 vorgelegt. Es ergab sich (die Zahlen in Klammern be— ziehen sich auf das Vorjahr): Vortrag aus 1905 246 744, 453009755. 16. Provisionen 46563 953, 43 (4 273 00,45) 4 Zinsen 6 803 28724 (6251 916, 16) S60 Gewinne aus Wechseln 9l4 80h 02 (2263 102,08] * Gewinne aus Gffekten und Konsortialgeschäften 3 841 689, 45 (3363 127,57) 6 Einnahmen aus Immobilienbesitz 77 244,66 (65 344,904) M6 Vertragz mäßiger Gewinnausgleich mit der Dresdner Bank (253 432, 55 AM. Zusammen 18 5467 763,80 (16 890 Olo, 50) M. Hiervon sind zu kürjen pro 19806: Handlungsunkosten 2 409 163,65 Steuern bo8 553, 99. 4 Vertragsmäßiger Gewinnausgleich mit der Drezdner Bank 753 M7, 40 Zusammen 3761 425,04 (3 O61 032,50) Als Reingewinn verbleiben 14786 338,6 (13 828 978, M6 Die per 31. Dezember 1906 aufgestellte Bilanz weist folgende Ziffern auf: Aktiva. Rückständige Cinjahlungen der Aktio— näre 11 487 000 () A Kasse, Coupons, Sorten 16263 825, 265 (16 375 713, 03) M Wechsel 66 412 101,52 (63 766 865.23) A Guthaben bei Bankiers 109297 305,24 (10124 882,30) A Vorschüsse auf Gffekten, Reportz, Lombard 20 S64 767,84 (13 986 101 36) A. Debitoren in laufender Rechnung: a. Banken und Bankiers durch Effekten gedeckt 38 609 162, 15 M, b. Aus- staͤnde bei größeren , ,, und Gewerkschaften S8 542 413.78 , e. Sonstige Debitoren, durch Sicherheiten gedeckt 138 028 207 a3 , d. Ungedeckte Debitoren 57 188 145,81 A Zusammen 302 367 928,97 (285 568 896, 8I) ½ . Debitoren für geleistete Ayale 39457 4979 (30 983 957,6) M. Konsortialbeteiligungen 2 633 189,53 (390 020 845,36) S6. Darunter sind enthalten: Deutsche . und Pfandbriefe rund 1 942 000 6 Ausländische Staats. und

ommunaslanleihen rund 234 009 M6 Aktien und Obligationen bon Verkehrsunternehmungen rund 8 378 000 S, Aktien von Banken und Versicherungsgesellschaften rund 2675 000 M6 Aktien und. Kuxe industrieller Gesellschaften rund 13592 009 4 Obligationen industrieller Gesellschaften rund 2755 06090 60 Terrainwerte rund 2 659 000 M Verschiedene rund 364000 M Dauernde Betetligungen bei Banken 20 456 009,50 (18 S24 S875, 32) M. Effekten 36772 518,38 (36 712 529 08) S6 In diesem Konto sind enthalten: an Konsols, Reichtanleslhen, Provinzial⸗ und Kommunaglanleihen, Pfandbriefen rund 6939 000. , an industrlellen Obligationen rund 5411 09090, 4, an börsengängigen Aktien und Bergwerksanteilen rund 6491 000, Æ, an Werten, welche eine Börsennotiz noch nicht besitzen, rund 17 931 000 4 Effekten des Beamtenpensions, und Unierstützungsfonds 700 000. ( 00 00, - S Hypotheken 3 481 194,23 (1 848 468.555 4

*) Borsäure, Zinkoxyd, Benzoesäure, Saltizylsäure usw.