1907 / 68 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 16 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

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lagen, und zwar politisch⸗ revolutionäre Motive und Ziele, die in erster . damit verfolgt wurden. In der allerfrivolsten 6 ist in dem Streik der Bevölkerung vorgeredet worden, daß die preußische Schul⸗ olitik die katholische Religion und die polnische Sprache angreife. an hat ihr vorgeredet, daß es Sünde sei, wenn die Kinder an dem deutschen Religionsunterricht teilnäbmen, und die deutsche Sprache für die Religion angewendet werde. Daß das Mittel fribolfter Art sind, darüber kann kein Zweifel sein. Planmäßig wurden die Kinder zum Kampf und zur Verhetzung der Autorität angelernt, daß sie für ihr ganzes Leben schweren Schaden erlitten haben, der sich bitter rächen wird. Ss gehörte ungewöhnliche Kühnheit dazu, wenn Herr Stychel sagte, daß der Streik wesentlich ethische Motive habe. Nein, der Streik ist im Gegenteil ein Beweis eines Tiefstandes des sittlichen Empfindens und eines Höchststandes der Gewissenlosigkeit, die kaum jemals dagewesen sind. Parallel damit läuft ein Tiefstand der Wahrheitsliebe und ein Höchststand der Lügenhaftigkeit. Unter schweren Verleumdungen wurde die polnische Agitation durch die inländische und die auswärtige Presse getrieben. Für den katholischen Geistlichen, der fuͤr den Streik tätig gewesen ist, anstatt die Religion über die Natio- nalität zu stellen, der dazu beigetragen hat, diesen verderblichen Kampf in die Religion hineinzutragen, finde ich kein Wort des Urteils. Ich bin frob, daß die evangelische Kirche keine solchen Diener hat. Daß die Regierung die Pflicht hat, alle gesetzlichen Mittel anzu— wenden, um den Frieden wieder herzustellen, unterliegt keinem Zweifel. Die Lehrer haben in diesem Kampfe von ibren Machtmitteln durchaus maß⸗ vollen Gebrauch gemacht, und ich stimme in den Dank für das verdienstvolle Verhalten der Lehrer ein. Darum müssen wir auch an die Verbesserung der Ostmarkenzulage für die Lehrer in den polnischen Landesteilen denken. Aber wenn wir auch hoffen dürfen, daß der Schulstreik allmählich sich immer mehr verringert, so ist doch fraglich, ob das Tempo der Besserung rasch genug ist. Wir dürfen nicht den Streik zu einer chronischen Krankheit werden und diese Wunde der Ostmark dauernd offen bleiben lassen. Zur raschen Beendigung des Streiks möchte ich anregen, ob man nicht das würde wirksam sein den polnischen Geistlichen, die ihre Pflichten gegen den Staat und gegen die ihrer Seelsorge Befohlenen nicht erfüllen, einfach die staatlichen Mittel sperrt, und ob es nicht ferner sich empfiehlt, unsere , dabin zu ergänzen, daß die Eltern, die ihre Kinder aufhetzen, sachgemaäͤß bestraft werden, und ebenso auch die, welche öffentlich in dieser Richtung hervortreten. Das wäre keine Ausnahmemaßregel, sondern würde für das ganze Gebiet unseres Staates gelten und auch gegen die Sozialdemoktatse außerordentlich wirksam sein. Es wäre möglich, noch in dieser Tagung eine solche Ergänzung unserer Gesetzgebung zu machen. Das ist eine Pflicht auf deutsch nationaler Seite, eine Pflicht des Staates als Trägers der Kultur. Wir müssen den Streik, der so gewissenlos frivol inszeniert ist, beendigen, damit die Kinder zu guten Bürgern werden und vor der politischen Verhetzung bewahrt werden. Darauf vertagt sich das Haus.

Persönlich bemerkt

Abg. Dr. von Jajzdzewski, daß er nicht unter allen Um- ständen den Religionsunterricht in der Muttersprache als Grundsatz der Kirche hingestellt habe, sondern nur da, wo die Möglichkeit sei, die Muttersprache anzuwenden.

Nach längerer Geschäftsordnungsdebatte wird auf Wunsch der Abgg. Dr. Friedberg und Dr. von Heydebrand be⸗ schlossen, daß der Antrag auf Einführung der fachmännischen Schulaufsicht nach Abschluß der Streikdebatte in einer beson⸗ deren Besprechung vor der allgemeinen Besprechung des Kultusetats behandelt wird.

Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung Freitag 12 Uhr. (Kultusetat.)

34. Sitzung vom 15. März 1907, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Es wird die zweite Beratung des Staatshaushalts— etats für das Rechnungsjahr 1907 im Etat des Mi⸗ nisteriums der geistlichen, Unterrichts- und Medi⸗ inalangelegenheiten bei dem Ausgabetitel, Gehalt des

inisters“ und zwar zunächst die Besprechung des pol⸗ nischen Schulstreiks fortgesetzt. ; ö

Nach dem Abg. Kindler (frs. Volksp.), über dessen Aus⸗ führungen bereits in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, erhält das Wort

Abg. Ernst (frs. Vgg.), der sich in äbnlichem Sinne wie der Vorredner ausspricht und gleichfalls den Gedanken mißbilligt, die Schulgemeinden durch Entziebung der Staatszuschüsse zu bestrafen; diese Maßregel würde auch staatsrechtlich nicht baltbar sein, denn der Staat müsse den undermögenden Gemeinden solche Zuschüsse geben. Der Schulstreik habe wesentlich einen politischen Hintergrund, die polnischen Geistlichen bätten jedenfalls die nationalen Interessen über die Religion gestellt. Der jetzige Zustand im Religionsunterricht in den polnischen Landes teilen bestehe seit Jahrzehnten, und noch vor 8 Jahren habe der Erzbischofß von Stableweki ihn ausdrücklich anerkannt. Der Abg. Stychel habe mit Anekdoten aufgewartet, um das mangelnde Verständnis der Kinder für den Religionsunterricht in der deutschen Sprache zu beweisen; man könne aber solche Anekdoten auch für Verständnislosigkeit der deutschen Kinder in der Religion erzäblen, wie sie ihm (Cem Rednen) als Lehrer wiederholt passiert seien; in der Religion gebe es eben manches, was für die Kinder im Anfange nicht verständlich sein könne. Preußen sei ein Nationalstaat, und die Polen, die zu ihm gebörten, müßten sich als vreußische Staatsbürger fühlen. Das schließe nicht aus, daß man den Polen auf manchen Gebieten Konzessionen machen könne. Mögen die Mitglieder der polnischen ee. in diesem Hause allen ihren Einfluß aufbieten, damit der eidige Schulstreik endlich im Interesse aller aufbören könne; aber auch der preußischen Regierung sei eine wohlwollende und gerechte Schulpolitik zu empfehlen.

Abg. Dr. Mizerski (Pole): Der Schulstreik ist zu beklagen, darüber sind wir uns einig hüben und drüben. Es ist aber eine Frage, ob jede Auflehnung und Unbotmäßigkeit gegen den Staat als unmoralisch anzusehen ist. Der Religionsunterricht in der Mutter- sprache dringt ganz anders in das Kinderherz ein, als der in einer fremden Sprache. Man hat uns Polen vorgehalten, daß wir in Galizien ja die Ruthenen unterdrückten; aber davon kann keine Rede sein, den Ruthenen sind an der Universität sogar acht Lehrftühle ein⸗ eräumt, sie haben auch 200 Schulen mehr als die Polen. Es ist estrilten worden, daß nur religiöse Motive zu dem Schulstreik geführt haben. Aber in der Presse ist ganz richtig erkannt worden, daß eine solch Bewegung, wenn sie nur durch Agitation entstanden wäre, kaum einige Stunden gedauert hätte. Ebenso ist in der Presse gesagt, daß ja auch die Kinder des Kaisers Religionsunterricht in der Muttersprache genössen, trotzdem sie perfekt französisch und englisch sprechen könnten. Der Gebrauch der Muttersprache ist ein angeborenes Recht, das niemand bestreiten kann. Die Regierung ist jetzt in der Lage des Gerbers, dem die Felle weggeschwommen sind. Wenn auch der Streik beendet sein wird, wird die Regierung keinen Vorteil davon haben, denn die Kinder nehmen die Erinnerung daran mit sich. Die Regierung ergreift Mittel zur Beendigung des Streiks, die entschieden nicht berechtigt sind. Die preußische Schulpolitik ist eine Versündigung an dem Delalog, worin es heißt: Du sollst nicht andere Söͤtter haben neben mir. Das Recht in diesem Streik ist auf unserer Seite. Gottes Müblen mahlen langsam, aber trefflich fein.

Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ angelegenheiten Dr. von Studt:

Meine Herren! Schulen sind Veranstaltungen des Staats, und die von der Schulaufsichtsbe hörde erlassene Schulordnung ist ein

integrierender Bestandteil der preußischen Gesetzgebung und muß befolgt werden. Jeder Widerstand dagegen, der auf ungesetzlichem Wege sich vollzieht, unterliegt der Strafe der Gesetze. Das ist ein sehr einfacher juristischer Schluß aus einer sehr einfachen juristischen Tatsache, die sich der Herr Abgeordnete vermöge seines juristischen

Berufs wohl hätte gegenwärtig halten können.

Wertvoll ist das aus seinen Aeußerungen zu entnehmende Zu⸗ geständnis, daß der Schulstreik ein Bruch ist gegenüber den bestehenden Gesetzen, eine Auflehnung, die ungesetzlich ist. Meine Herren, wie ein Abgeordneter in der Berufsstellung des Herrn Abg. Mizerski eine derartige Auflehnung verteidigen kann, wie das heute geschehen ist, das ist mir unverständlich. Das Geständnis ist, wie gesagt, außer⸗ ordentlich wertvoll, daß es sich darum handelt, eine Kraftprobe gegen⸗ über der bestehenden Gesetzgebung und der bestehenden staatlichen Ordnung anzustellen. Meine Herren, wie die Kraftprobe ausfallen wird, das weiß jeder von uns, und deswegen wiederhol⸗ ich, was ich gestern gesagt habe: auf unserer Seite ist die Macht und auf unserer Seite ist das gute Recht. (Lebhafter Widerspruch bei den Polen.) Auf der anderen Seite, meine Herren, sind die verwerflichsten Mittel der Agitation. Ich habe dies bei dem Wreschener Schulstreik im Jahre 1901 namentlich Herrn Abg. Stychel gegenüber, der damals eine hervorragende Rolle in diesem Streik gespielt hat, erwähnt. Ich habe gleich von vornherein hervorgehoben, daß das Prinzip, daß ledig⸗ lich der Wille der Eltern maßgebend sei, verwerflich, vom pädagogi⸗ schen Standpunkte nicht zu rechtfertigen, in seinen Endzielen revolutionär ist. (Lebhaftes Sehr richtig! rechts) Ich habe darauf hingewiesen, daß der Versuch, die Kinder als Avantgarde vorzuschieben, ein päda⸗ gogisches Verbrechen ist. (Erneutes lebhaftes Sehr richtig! rechts.) Ich habe alle diese Warnungen, entgegen meiner damaligen Hoffnung, umsonst gesprochen. Meine Herren, nichts gelernt und nichts vergessen das ist die Signatur der ganzen Situation und bleibt es leider auch noch für absehbare Zeit. Sie (zu den Polen) drängen uns mit Gewalt diejenigen Abwehrmittel in die Hand, die wir not⸗ wendig gebrauchen, um die Ehre und die Sicherheit des Staates zu

wahren. (Lebhafter Beifall rechts.)

Abg. Rzesnitzek (freikons): Der Abg. Stychel hat uns gestern eine Lektion erteilen wollen durch Vorführung von Kindern, die wegen der deutschen Unterrichtssprache kein Verständnis für die Religion gehabt haben; aber entweder sind ihm da Scherze erzählt worden, oder es handelt sich um einen so unmethodischen Lehrer, wie er nach unserer Meinung eigentlich nicht vorkommen kann. Der Lehrer hat den Kindern die biblische Geschichte in der Fassung vorzutragen, von der er annehmen kann, daß das Kind sie versteht. Wenn der Lehrer dazu nicht imstande ist, dem Kinde Verständnis bei⸗ zubringen, so kann man ihn nicht als Kronzeugen für die Zustände im Dsten anführen. Wenn Herr Ernst auch für deutsche Kinder ähnliche Beispiele vortrug, so hätte er die Namen nennen sollen, damit die Tatsachen festzustellen sind. Die Ausführungen des Abg. Dittrich baben eine lovale Gesinnung bejeugt. Wenn er aber sagt, daß die höchste Aufgabe des Religionsunterrichts sein müsse, auf das Gefühl des Kindes ju wirken, so wird doch auch diese Aufgabe in unseren Schulen erfüllt. Man kann ja das Wirken der Schule an dem späteren Leben kontrollieren. Und so darf ich behaupten, daß das Ge⸗ fühl in unferem katholischen Volke durch unsere Schulpolitik nicht zurückgegangen ist. Ich will Sie im Lande herumführen, um Ihnen die wundervollen Kirchen zu zeigen, die überall in den letzten Jahren entstanden sind, und für die in ihrem religiösen Gefühl auch Dienstmädchen und arme Leute ihre Spargroschen hergegeben haben. Vor allem zeigt unser Volk Hochachtung vor den katholischen Priestern. Aber gerade die Polen untergraben dieses Gefühl. Haben je, Herr Korfanty, in dem Wahlkampf die deutschen Ka— tholiken die polnischen katholischen Priester angegriffen? Den Beweis dafür bleiben Sie schuldig, Herr Korfantvy. Soll ich Sie aber auf die Hunderte von Angriffen hinweisen, mit denen die deutschen Priester von den Polen beschmutzt sind? Ein großpolnisches Blatt des Westens hat unseren Fürstbischof Kardinal Kopp einen preußischen Knecht im Kardinalsgewande“ genannt. Er wird sich um das Gesindel nicht kümmern, und er steht für uns zu hoch; aber das ist eine unerhörte Gemeinbeit, die geschehen ist, weil er den Polen nicht zu Willen ist. Der Religlonsunterricht kann in keiner anderen Sprache erteilt werden als in der des Schulunter— richts überhaupt. Die religiösen Fragen sind häufig abstrakter Natur und können nur durch Beispiele aus den anderen Lehrfächern klar gemacht werden. Woher sollen wir die Stoffe nehmen, um den Kindern j. B. die Größe Gottes zeigen zu können? Wer so wie ich viele Jahre mit den Kindern zu tun gehabt hat, weiß, welchen ge— ringen Sprachschatz sie mitbringen. Die Polen behaupten, daß der Kampf gegen das Polentum erst durch die Hohenzollern gegen sie ent— facht sei, aber die Geschichte gibt ein ganz anderes Bild, das zeigen die Kämpfe des 13. Jahrhunderts und die Kämpfe des deutschen Rittertums. (Zuruf des Abg. Korfanty.) Ich werde auf Ihre Zurufe nicht antworten, Herr Korfantv, widerlegen Sie mich, wenn Sie können. In jüngerer Zeit, am 27. November 1809, ist im damaligen Herzogtum Warschau ein Erlaß ergangen, wonach jeder deutsche Lehrer bis zum Jahre 1812 die polnische Sprache zu lernen habe, sonst sollte er bestraft werden. Bei der Beratung der preußischen Verfassung beabsichtigten die Polen, die polnische Sprache der deutschen gleichberechtigt ju machen. Dieser Antrag ist aber abgelehnt worden. Die preußische Regierung hat nichts überstürzt in der Einführung des Deutschen für den Unterricht. Der Kampf wird nicht gegen die Schule, sondern um die Schule geführt. Sie (zu den Polen, wollen Ihre nationale Selbständigkeit auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet erlangen, aber die preußische Schule ist nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, sondern nur dafür, daß die Kinder Preußen bleiben. .

Abg. Strosser (kons.): Auf den Schulstreik will ich nicht weiter eingehen, aber dabei nur erwähnen, daß, wenn die Polen absolut ver⸗ langen, daß der Unterricht in polnischer Sprache erteilt wird, es im Deutschen Reiche doch sehr viele Mundarten gibt, die beinahe so vom Hochdeutschen verschieden sind, wie das Polnische vom Deutschen, die ein Hochdeutscher überhaupt nicht versteben kann, und doch wird

selbstverständlich der Unterricht hochdeutsch erteilt. Also von

den polnischen Kindern wird auch nicht mehr verlangt als von vielen deutschen Kindern. In Westfalen, in meiner alten Heimat, sind große Teile von Polen bereits besetzt. Dort haben sich polnische Gemeinden gebildet, und diese verlangen Gottesdienst in volnischer Sprache. Der zuständige Bischof hat auch eine ganze Anzabl jüngerer Geistlicher nach Posen zur Erlernung des Polnischen geschickt, die jetzt polnisch predigen. Jetzt aber erklären die Polen: darum ist es uns nicht zu tun, wir wollen Polen als Priester haben. Nun haben Redner der polnischen Fraktion ausgeführt, daß die Polen außererdentlich vergewaltigt seien, und die Herren von Heydebrand und Dr. Friedberg haben auf Galizien hingewiesen, wo die Polen die Herrschaft haben. Es ist uns von den Polen zugerufen worden in bezug auf Galizien: Das verstehen Sie ja gar nicht. Ich habe mich nun an einen Herrn in hoher Stellung in Lemberg gewandt, der mir darüber einen Brief geschrieben hat. In Galizien sind ca. 211 0990 Deutsche und 3 900 9005 Polen, 3 77 000 Ruthenen; römisch⸗ katholisch sind 3,5 Millionen, etwa ebensoviel griechisch - katholisch, Daraus geht hervor, daß die ruthenische Bevölkerung nicht viel schwächer ist, als die polnische. Dazu kommt noch, daß bei Volks⸗ zählungen viele als Polen aufgeführt werden, die in Wirklichkeit gar keine sind. Der Herr schreibt weiter, daß den deutschen Katholiken

der deutsche Gottesdienst und der deutsche Unterricht berweigert wird, und daß man versucht, sie auf jede Weise iu polonisieren. Die!

protestantischen Gemeinden. können nur, durch, Unterssi Buche. Hering s euisch: zriwatsähnlen. Kat ln. Die deutichen Katholiken erhalten nur noch polnische alten. und polonisierte Deutsche. Nach Artikel 19 des dsterreschi 9 Schulgesetzes soll in den gemischtsprachigen Landesteilen ischen Gelegenheit haben, auch in seiner Muttersprache auszehisd aer werden; Herr Mizerski bebauptete auch, daß die Ruthenen . TLebrstüble und mebrere Grmnasien bätten. Mein Gewährs ie schreibt mir aber, daß bei den Gerichten, an der Bahn, auf den 7 ämtern 3c. jeder Ruthene zu gewärtigen hat, wenn er ruth ö. spricht, recht unangenehm bebandelt zu werden. Das machen die Er sch ber alle se, mien ich zi it Sieb babe. Per geln, n nn. hat in allen ruthenischen Veltsschulen die polnische Spran.= n direktem Widerspruch mit dem Gesetz eingeführt, die Lehrer pe darauf achten, daß sie den ruthenischen Kindern bald daz ln sg⸗ beibringen, sonst würden sie sofort gemaßregelt werden. Von de Gymngsien waren 38 polnisch und nur 4 ruthenisch. Dieselben Ran hältnisse walten bei allen anderen böheren Bildungsansfalten . (Der Redner verliest die Zahlen darüber.) Alle Ruthenen müsfen für fe. Religionsunterricht das Polnische lernen. Jurufe: Na, nah gi Herr wird doch das besser wissen als Sie. Die ruthen sche Studenten an der Universität werden nicht mehr als solche au gef t e nachdem ihre Zahl S800 überschritten hat; auf jede ruhen ch Eingabe eines Studenten wird nur pr k ich geantwor et Sie ersehen daraus zweifellos, daß gerade das, rat hier von den polnisch sprechenden . verlangt wird da, wo, sie den, Einfluß haben, absolut, nicht gewährt win Die Polen geben konsequent damit vor, ganz Galizien zu polonisieren Der Abg. Stychel sprach davon, daß das Werhältnis zwischen der Polen und Deutschen anders sein konnte. ben Sie jemals Fier oder im Reichstage gehört, daß ein polnischer Abgeordneter sich fre und offen dazu bekannt hat, daß er ein treuer und guter deutscher Staats bürger sein wolle, und daß die Deutschen seine dandtlenl wären? Sie sind sehr oft dazu provoziert worden, haben es abet niemals gusgesprochen. Im Gegenteil hat ciner von Ihnen Jefagt, daß er sich nicht als preußischer Staatsbürger fühle. Wenn Sle an, fangen wollen, sich als wirkliche preußische Staatsbürger zu fühlen und die Pflichten zu erfüllen, die Ihnen daraus erwachsen, wird döelez anders werden und wird man Ihnen politisch mehr entgegenkommen können. Nach dem Verhalten, das Sie bis jetzt zeigen, wird es der Regierung allerdings nicht möglich sein, eine andere Politik zu per⸗ folgen, als sie eingeschlagen hat. .

Abg. Graf von Pra schma (Zentr.): Die katholische Kirche verlangt in dieser Frage nichts anderes, als jede gesunde Pädagogik, daß wo irgend möglich, der Religionsunterricht in der Sprache gegeben wird die den Kindern am besten verständlich ist, die geeignet ist, von ihnen nicht bloß mit dem Ohr, nicht einmal bloß mit dem Verstande auf. genommen zu werden, sondern auf Herz und Gemüt zu wirken. Daz wird in den allermeisten Fällen die Muttersprache sein, auch fast all. gemein auf der Unter⸗ und Mittelstufe. Aber sie muß es nicht un. bedingt überall sein, und deshalb müssen wir es ablehnen, wenn man das Gewissen des Volkes verwirrt und erregt, indem man vom Dogma und von absolut bindenden kirchlichen Vorschriften spricht, die nicht anzu⸗ erkennen sind. Der Abg. Rzesnitzek hat interessante schultechnische Ausführungen gemacht, aber wir meinen, daß die Regierung daz Schultechnische zu sebr in den Vordergrund stellt, denn für den Religionsunterricht sind höhere Gesichtspunkte maßgebend. Nicht zum mindesten ist der Religionsunterricht bestimmt, die Vei— bindung zwischen Schule und Familie aufrecht zu erhalten, besonder die Verbindung zwischen Schule und Mutter, die dem Kinde dez erste Gebet e , und den Religionsunterricht in der Schule unterstũtzen muß. Der Pädagoge Dr. Förster kommt zu ganz anderem Resultat als Herr Rzesnitzek; wir müssen immer wieder energisch be= tonen, daß der Religionsunterricht in der Schule nur im Auftrage und im Namen der Kirche erteilt wird, und daß die kirchlichen Ke, hörden in letzter Instanz zu entscheiden haben, was sür rie religiösen Bedürfnisse notwendig ist. Bezüglich des Schultechwmscen und der Aufnahmefähigkeit führe ich einen Zeugen an, den Herr Rzesnitzek nicht Befangenheit zu Gunsten der Polen vorwerfen lamm, nämlich die „Schlesische Zeitung', die am 10. März über Me Schullehrervorlage des ungarischen Ministers Apponyi schriet Der schwächste Punkt des Gesetzes ist doch gewiß deijenge Paragraph, in dem als ein zu erreichendes Lehrziel für alle nationalistischen Schulen gefordert wird, daß die Kinder nicht, magyarischer Zunge ihre Gedanken in der magvarischen Staatt⸗ sprache klar und verständlich auszudrücken im stande sind. Ein Kind aber, in dessen Familie und Umgebung kein Mensch magyarisch sprich kann in den vier Jahren des Ünterrichts unmöglich so weit gebracht sein, selbst wenn es das größte Sprachtalent ist. Das ist für unser⸗ Verhältnisse übersetzt, daß ein Kind von 10 Jahren aus einer polni—= schen Familie noch nicht im stande ist, sich deutsch klar und ver= ständlich auszudrücken und Religionsfragen klar und verständlich iu beantworten. Den Mangel an Schullehrern, welche polnisch der. steben, gibt die Unterrichtsverwaltung selbst zu, und die Metbode, daß solche Lehrer sich deutschsprechender Kinder als Dol meischer für die anderen bedienen, kann nur ein Notbehelf sein Die Schulverwaltung muß dahin wirken, daß. die ill der Lebrer, die das Polnische beherrschen, zunimmt. Es ist atsolut ein Fehler, daß auf den Schullehrerseminaren, besonders R Oberschlesien, auf die polnische Sprache gar kein Wert gelegt mn. Wenn es nichtig ist, daß an oberschlesischen Seminaren die fen ifi ce und englische Sprache fakultativ gelehrt werden, die polnische are nicht, fo ist das abfolut ein Fehler, denn die polnische ist dort wichtiger. Unsere Stellung zum Schulstreik haben wir klar und deutlich ausgesprechen. Der oberschlesische Klerus hat einstimmig den Schulstreik verworfen, auch der Klerus, der außer; halb des Zentrums steht, und die, welche die Versammlung nach Kattowitz berufen haben, haben es bedauert, daß die Versammlung nicht zu stande kam, denn sie hätten dort von dem Streit abgeraten Es ist wesentlich dem Einfluß des katholischen Klerus in Dteg c e en zu danken, wenn dort der Streik im Feime erstickt ist unter der Fuhrun unseres Kollegen Slowatzli. Wir verurteilen und bedauern den Stlen und schließen uns durchaus dem Appell des Abg. von Hevdebrand an* ritterliche polnische Nation an, sie möge doch nicht ihre Kinder an vorderste Kampfreihe des volitischen und nationalen Kampfer fielen, Wir erkennen auch der Regierung das Recht zu, mit die ꝛipliraren Strafmitteln den Streik nech Möglichkeit zu unterdrücken wek= ich wiederhole, daß die Relegierung der Gymnasiasten vos uns ** geeignetes und gerechtes und berechtigtes Mittel nicht anerkannt Ein —, aber wir müssen unsererseits an der Verteidigung des Religion unterrichts festhalten. Davon können uns die Motive und die Zele der polnischen Agitation nicht abbringen. Wir können nur bee, daß durch die Mittel, mit denen der Streik inszeniert ist, die 91. reichung dieses Zieles nur erschwert wird. Wenn man den a,, Sünden vorwirst, die ihre Landsleute jenseits der Grenze gegen ü. anderen Nationen begehen, fo können wir das Vorgeben der . dort verurteilen, aber nicht daraus schließen, daß die ae, Regierung das Recht hat, in denselben Fehler ju eifallw, n verschiedenen Seiten wird der Fehler gemacht, daß man die 9. rechtigten Bestrebungen für den Religionsunterricht zusammenn. . mil den Mitteln, durch die man den Religioneunterricht erhalten r. Das ist auch geschehen von der polnischen Fraktion, und wenn g Abg. Mizerski meint, der Payst habe sich mit dem Vorgehen Posen einverstanden erklärt (Abg. Dr. Mizerski: Habe ich 26 gesagt ), so ist der Papst wohl mit der Erhaltung des Mel ig mm, richts einverstanden, aber ich protestiere dagegen, daß er au mit ö 2 Mitteln sich einverstanden erklärt habe, oder daß man auch . sen Supposition aufgestellt, daß er mit diesen Mittein einverstan J könnte. Wir legen nach wie vor der Regierung dringend . . nach Beendigung des Streiks nicht den schultechnischken Stand sondern höhere Gesichtspunkte in Erwägung zu ziehen, D sie bei den kirchlichen Behörden volles Verständnis

(Schluß in der Dritten Bellage.)

die

(Schluß aus der Zweiten Beilage.)

Insbesondere sind in Oberschlesien die Wünsche der gesamten dortigen Jeistlichen, die wir seit Jahren und wahrlich nicht im Interesse der schönen Augen. der polnischen Agitatoren vertreten, nicht außer acht zu lassen, Wünsche, die nichts anderes wollen, als was die Unterrichtskommission dieses . im vorigen Jahre einstimmig den Litauern zuerkannt hat. ir wünschen, daß die Zentralinstanz, deren guten Willen wir anerkennen, allgemein gültige Bestimmungen trifft und nicht die nachgeordneten Behörden ontscheiden läßt, denn nir haben in Qberschlesien die Erfahrung gemacht, daß auch die besten Lbsichten der Schulverwaltung bei den nachgeordneten Behörden nilde gesagt nicht das nötige Verständniß finden. Wenn Herr pon Jazdzewski glaubt, den Streik aus der Welt zu schaffen dadurch, daß man den Religionsunterricht der Kirche zurückgibt, so sind wir damit nicht einverstanden; der Religionsunterricht muß integrierender Befsfandteil des Elementarunterrichts bleiben, weil er der Schule den Fharakter der Konfessionalität gibt, die wir aufrecht erhalten wollen. Vir müssen auch Herrn von Jazdzewski darin widersprechen, daß die Rirche in den gemischtsprachigen Provinjen selbst dahin dränge. Auch für die Schulweisheit gilt has Wort des Weisen, daß die Pflege der Hottesfurcht Anfang und Grundlage jeder Weisheit ist.

Abg. Lusensky (nl): Die Debatte hat festgestellt, daß der Schulstreik aus politischen Gründen insieniert ist, und daß die Re gserung in ihrem Rechte ist. Alle sind wir Deutsche darin einig, daß der Schulstreik zu mißbilligen sei. Herr Kindler hat allerdings eine Kritik geübt, daß man glauben könnte, wir Deutschen sind nicht einig; er hätte, statt das Verhalten der Regierung in Einzelheiten ju kritisteren und die Punkte hervorzuheben, wo. Zweifel unter den deutschen Parteien bestehen, lieber die Punkte in den Vordergrund stellen sollen, wo Einigkeit besteht. Besonders ist bemängelt worden das Vorgehen gegen Gymnasiasten und Semingristen, die aus— geschlofsen sind, weil ihre Geschwister an dem Streik beteiligt waren. Wenn man das alles bemängelt, welche Mittel hat dann noch die Regierung, um diesem Ungehorsam gegenüber aufzutreten? Es ist ja hart, daß man Gymnasiasten lediglich ihrer Geschwister wegen aus der Schule weist, aber der Regierung ist der Kampf aufgezwungen worden, da bleibt nichts anderes übrig, als zu den Macht- mitteln zu greifen. Man hat eine Schuld der Regierung an dem Streik konstruieren wollen, ich kann diese Schuld nicht anerkennen. Der Staat ist ein auf nationaler Grundlage beruhendes Gemeinwesen und hat die Pflicht, dafür zu sorgen, daß seine Angehörigen die deutsche Sprache lernen. Daraus ergibt sich, daß die deutsche Sprache in der Schule die offizielle Sprache sein muß. Daß es möglich wäre, in der Schule zu unterscheiden zwischen Rellgionsunterricht und den übrigen Fächern, ist bereits von meinem Freunde Friedberg widerlegt worden. Solange ein Kind nicht im stande ist, dem deutschen Unterricht so zu folgen, daß der Religions umerricht mit Erfolg erteilt werden könnte, wird ja die polnische

Sptache zugelassen. Ist der Standpunkt der Regierung somit un— anfechtbar, so liegt die Schuld lediglich auf polnischer Seite. Die Polen stellen es so dar, als ob die polnischen Eltern wie durch eine höhere Inspiration dabin gebracht seien, daß sie den jetzigen Zustand nicht mehr ertragen können, aber man braucht nur die polnische Presse zu lesen, um ju sehen, wo der Grund zum Streik gelegt worden ist. Es handelt sich um den Haß gegen das Deutschtum, der in der Presse tagtäglich geschürt wird und sich namentlich gegen die Schulverwaltung richtet. Die streikenden Kinder werden als Maͤrtyrer hingestellt und die anderen aufgefordert, ihrem Beispiele zu folgen; die Eltern, die ihre Kinder nicht daran teilnehmen lassen, werden mit Namen genannt und der Verachtung ihrer Mitbürger preisgegeben. Diese Beeinflussung erklärt vollkommen den Ausbruch des Streiks. Es handelt sich lediglich um eine Kraftprobe, die der Polonismus in Slene gesetzt hat. Die Polen wünschen jetzt selbst den Frieden; wenn sie ihn wollen, sollten die Herren Polen hier vor allem in ihrer Ptesse zum Frieden blasen lassen, sollten in ihrer Presse dartun, daß Gehorsam die erste Pflicht des Kindes in der Schule ist, daß es im Interesse der polnischen Kinder selbst liegt, daß sie die deutsche Sprache lernen, und daß ihre Zukunft am besten dadurch gesichert wird. Und wenn die Polen ferner darauf hinweisen wollten, daß die günstige Entwicklung des Polentums in Preußen in erster Linie der deutschen Kultur und deutschen Verwaltung zu danken sei, so werden sie das Ende des Streiks in baldiger Zukunft erreichen können. Darauf wird die Debatte geschlossen. Persönlich bestreitet .

Abg. Kindler dem Abg. Lusensky das Recht, seine nationale Gesinnung anzuzweifeln. ;

Abg. Korfantvy (Pole) verwahrt sich gegen den Vorwurf, daß ran der Spitze von Leuten stehe, die im Wahlkampf die deutschen Heistlichen angegriffen hätten; Herr Rzesnitzek habe kein Recht, seinen Patriotismus anzuzweifeln; er habe niemals einen Geistlichen in dieser Weise angegriffen. Er habe die Geistlichen lediglich als politische Bürger angegriffen, und in dieser Beziehung stehe die polnische Fraktson auf demselben Standpunkt wie die Freikonservativen.

Abg. Lusensky (ul.) erwidert dem Abg. Kindler, daß er lediglich gewünscht habe, daß dieser mehr die einigenden als die trennenden Punkte in den Vordergrund gestellt hätte.

Es folgt nunmehr die Besprechung über den Antrag der

Ubgg. Hobrecht (nl), Freiherr von Zedlitz (freikons.), Fischb eck (frs. Volksp.), Broemel (frs. Vgg.) und Genossen: die Staatsregierung zu ersuchen, im Volksschulwesen auf die allgemeine Einführung der fachmännischen Schul⸗ aufsicht Bedacht zu nehmen.“

Abg. Schiffer (nl): Diese Frage ist wiederholt eingehend be⸗ pyrochen worden, und ich kann die Momente für den Antrag als be⸗ annt voraugfetzen. Daß die . e bisher mit Leidenschaft behandelt it, gibt mir Veranlassung, sse ecki und kühl zu behandeln, wie Rd nötig ist, wenn wir nicht bloß eine Demonstration machen, sondern ptaktische Ziele erreichen wollen. Ich gehe von der Tatsache aus, daß die Schulaufsicht in Kreis, und Lokalinstanz grundsätzlich in den händen der Geistlichen liegt. Mehr als 900 Geistlichè verwalten as Amt des Kreisschulinfpektors, und die Lokaischulin pektion liegt überwiegend in den Händen der Geistlichen. Es gibt nur denige Ausnahmen, die für die Allgemeinheit nicht maßgebend sind. Es sst eine Anomalie, daß ein Stand außeramtlich die Angehörigen 16 anderen Standes zu beaufsichtigen hat, und daß ein Geistlicher, loß weil er Geistlicher ist, die Lehrer nach allen Richtungen, auch . technischer Beziehung beaufsichtigen kann. Etwas Äehnliches it nirgends zu finden. Man kann zur Begründung sagen, daß die srjiehung lebiglich ethische Ziele habe, und daß die Lehrer nur so zu ttziehen haben wie die Eltern. Has ist nicht richtig. Mindestens kt g lion haben wir eine eigene Wissenschaft der Erziehung in . chule, die anerkannt und berücksichtigt werden muß. Die Er— en der Lehrer und der Eltern kann sich nur ergänzen, ist aber nicht dasselbe. Man darf die Anomalie nicht damit begründen, daß 7 der höheren Instanz sogar Juristen die Lehrer beaussichtigen, i diese werden von schuültechnischen Räten unterstützt. Ohne e csichtn ghme auf schultechnische Kenntnisse und Fähigkeiten ist aber der Geistliche ohne weltereß zur Schulaufsicht berufen. Unser ntrag bedeutet nichtß anderetz als die Rücklehr zur natürlichen im. Nicht wir haben die Begründung dez Antrages zu beweisen,

Dritte Beilage

a Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger. Mn 68.

Berlin, Sonnabend, den 16. März

sondern uns soll man beweisen, weshalb die Lehrer von der Schul. aufsicht ausgeschlossen bleiben müssen. Ünfer Antrag will nur die Regel. Ein gesetzlicher Anspruch auf die Uebertragung der Schulaufsicht auf die Geistlichen besteht nicht, während allerdings auch kein Gefetz sie verbietet. Im Sinne des allgemeinen Landrechts liegt es aber, daß eine geist⸗ liche Schulaufsicht nicht bestehen soll, denn wenn das Landrecht fagt, daß die Schule eine Veranstaltung des Staates sei, so ist das gerade gegen die Kirche gerichtet, der gegenüber der Staat an feinem Hoheitsrecht festhält. Die Motive sprechen nur davon, daß in einielnen Fällen sich der Staat nicht der Uebertragung der Schul⸗ aufsicht an einen Geistlichen entziehen solle, aber grundfäßlich wird jetzt die Schulaufsicht den Geistlichen übertragen. Die Schule sst ein selbständiger Organismus, die Lehrer machen die größten Anstcengungen, zur Schulaufsicht herangezogen zu werden. Auch in katholischen Lehrerkreifen wünscht man bereits die fach— männische Schulaufsicht. Es ist also ein gemeinsames Intereffe aller Lehrer. Es haben sich Zustände entwickelt, die zum Schaden der Schule und der Geistlichen gereichen, Zustände, die weder der Sache noch den Personen nützlich sind. Die Geistlichen selbst empfinden als ehrliche Menschen, daß sie eine Verantwortung nicht tragen können, daß die Lehrer sich schultechnisch als die fähigeren erweisen. Die Geistlichen, die in gutem Verhältnis zu den Lehrern stehen wollen und ibrerseits ihre Kulturaufgabe erfüllen wollen, empfinden es unangenehm, wenn sie in dieses innerlich unwahre Ver⸗ bältnis zu den Lehrern gebracht werden, und wünschen selbst, daß ihnen diese. Last abgenommen werde. Die Parteien, welche den gegenwärtigen Zustand aufrecht erhalten wollen, wünschen den Einfluß der Kirche auf, die Volksschule um der Religion willen zu wahren; das mag sein, aber es ist ungerecht, jede Be⸗ kämpfung der geistlichen Schulaufsicht als einen Angriff auf die Religion binzustellen. Wir sind bereit, den Wert des Religions« unterrichts in der Volksschule und die Mitwirkung der Kirche anzu— erkennen, aber es handelt sich dann immer nur um eine Mitwirkung, um einen Teil der Schulaufsicht, und darum übersteigt der Zu— stand, daß die Geistlichen die gesamte Schulaufsicht haben, dasjenige Maß, das wir den Vertretern der Kirche zugestehen können. Ich kann versteben, daß, solange der Geistlichkeit ein fester Anspruch auf den ihr gebührenden Anteil an der Schulaufsicht nicht gesichert war, das Verlangen der geistlichen Schulaufsicht allgemein gestellt wurde, aber in der jetzigen Zeit trifft diese Voraussetzung nicht mehr zus denn wir haben in dem neuen Volksschulunterhaltungsgesetz die Mitwirkung der Kirche an der Schule gesichert. Vielleicht haben sogar dieienigen recht, die sagen, daß wir darin zu weit gegangen seien, aber jedenfalls Sarf mit den früheren Gründen die geistliche Schulaufsicht jetzt nicht mehr gefordert werden. Der Abg. Heckenroth hat verschiedene Male ausgeführt, daß die Verbindung zwischen Kirche und Schule durch die geistliche Schulaufsicht lebendig bleiben müsse. Er kann das jetzt nicht mehr sagen; denn dieser Forderung der Verbindung zwischen Kirche und Schule wird auch ohne die Schul—⸗ aufsicht durch das neue Volksschulunterbaltungsgesetz genügt. Die geistliche Schulaufsicht ist somit eine Einrichtung, die nicht notwendig ist für die Kirche, aber in Widerspruch steht mit den Interessen der Schule und dem Geist der Gesetze. Ich will nicht die ganzen prin« zipiellen Fragen aufrollen, die bei dem Verhältnis von Kirche und Schule in Frage kommen; aber unbeschadet der Verschiedenheit unserer prinzipiellen Auffassung darüber können wir alle zu unserem Antrage positive Stellung nehmen, denn er stellt nur eine notwendige Konsequenz dar. Es erscheint mir dringend geboten, alle Er— schütterungen auch innerbalb der Parteien zu vermeiden, aber diese Rücksichtnahme kann nicht dazu führen, daß wir still werden. Wir müssen vorwärts, vor allem auf dem Gebiete der Schule. Wie wir auch hier im Hause ju dem neuen Volksschulgesetze stehen mögen, darin werden wir zusammengeben, daß es nicht der Weisheit letzter Schluß ist. Wenn wir Sie bitten, unserem Antrage zuzustimmen, dann rufen wir nicht nur Ihr Gefübl für Gerechtigkeit an, sondern auch Ihr Gefühl für den Ernst und die schwere Verantwortlichkeit, die damit verbunden sind.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Studt:

Meine Herren! Die Erorterungen über die Frage der Schul⸗ aufsicht lassen in der Gegenüberstellung von fachmännischer und geist⸗ licher Schulaufsicht oft eine zutreffende Auffasfung der Rechtslage ver⸗ missen. Das geltende Staatsrecht, insbesondere das Gesetz über die

Beaufsichtigung des Erziebungs., und Unterrichts wesens vom 11. März

1872, geht auf eine solche Unterscheidunz nicht ein, sondern kennt nur eine staatliche Schulaufsicht, die durch Bebärden oder einzelne Beamte ausgeübt wird. Der vom Staate den Inspektoren der Volksschule er⸗ teilte Auftrag ist, sofern sie dies Amt als Neben oder Ehrenamt ver⸗ walten, jederzeit widerruflich. Unberũhrt bleibt die in Artikel 24 der Ver. fassung vorgesehene Befugnis der Leitung des Religionsunterrichts durch die Religionsgesellschaften. Die staatliche Schulaufsicht wird ge⸗ führt durch Kollegien, die keineswegs nur aus Fachleuten zusammen gesetzt sind, z. B. die Bezirksregierungen und die Schuldeputationen. Gegenüber den Ausführungen des Herrn Abg. Schiffer, welche, wenn ich sie richtig aufgefaßt habe, darauf binausgeben, daß diese Aufsicht im wesentlichen nur den technischen Beamten zu überlassen sei, möchte ich hervorheben, daß dies einfach unmöglich und in keinem Stadium unserer Gesetzgebung bisber irgendwie beabsichtigt gewesen ist. Es würde sehr bedenklich sein, die Nichttechniker von der Schulaufsicht ganz auszuschließen. Die Aufsicht wird ferner geübt von einzelnen Beamten, die entweder hauptamtlich oder nebenamtlich angestellt sind. Meine Herren, dies zur Klarstellung des Rechtsverhältnisses. Ich halte diese Klarstellung für um so notwendiger, als heute einige Aus- führungen des Herrn Abg. Schiffer wieder beweisen, daß die von mir hervorgehobene Unterscheidung nicht zutreffend beachtet worden ist. Meine Herren, der Herr Abgeordnete bezeichnet als eine voll—⸗ ständige Anomalie das Bestehen der geistlichen Schulaufsicht. Das Wort Anomalie setzt doch voraus, daß irgend eine Gesetzwidrigkeit oder eine Nichtübereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen vorübergehend oder dauernd sich festsetzt (Unruhe) oder eine Ausnahme gegenüber dem Gesetze. Das ist aber meines Erachtens nicht der Fall. Die Ausübung der Schulaufsicht durch die Geistlichkeit hat sich seit Jahrhunderten historisch entwickelt; sie ist im Land⸗ recht festgelegt oder wenigstens als selbstverständlich voraus— gesetzt. Daß die Schule eine Veranstaltung des Staates sei, ist allerdings in Preußen immer geltenden Rechtes gewesen. Es ist auch ganz richtig, daß die Geistlichkeit demjufolge im Auftrage des Staates diese Schulaufsicht geübt hat; diese Art der Ausübung der Schulaufsicht durch die Geistlichkeit hat das Landrecht als selbstverständlich vorausgesetzt, wie ich dies auch schon vor einigen Jahren Ihnen an der Hand der Landrechtsparagraphen ju beweisen Veranlassung genommen habe. Nun wäre die angebliche Anomalie

1907.

an sich auch noch als solche zu bezeichnen, wenn es richtig wäre, daß die Geistlichen völlig unvorbereitet in das Amt der Schulaufsicht eintreten. Das ist aber auch in dem von dem Herrn Abgeordneten, wie es mir scheint, aufgefaßten Maße nicht der Fall. Die Geist— lichen werden schon in den Stadien ihrer Vorbildung, auf der Universität und in der praktischen Ausbildung zu ihrem Beruf in pädagogischen Kursen vorbereitet. Es gibt Landesteile, in denen sich noch beute fast ausschließlich die Schulaufsicht sowohl die örtliche wie die Kreisschulaufsicht in den Händen der Geistlichkeit be⸗ findet, und die Berichte der Behörden und meine eigenen langjährigen Erfahrungen, die ich bei Revisionen zahlloser Volks- schulen gewonnen habe, haben mich überzeugt, daß in Beziehung auf die Uebung der Schulaufsicht durch die Geistlichkeit ein Zustand nicht herbeigefübrt worden ist, der die Schule in diesen Landesteilen als erheblich minderwertig gegenüber den anderen, wo die geistliche Schulaufsicht nicht besteht, erkennen läßt. (Hört, hört! Ich bin den Geistlichen, die beute noch mit großer Opferwill igkeit sich ihres Amts als Schulaufsichtsbehörde annehmen und unter täglich zu— nehmenden Schwierigkeiten, namentlich bei der Entwicklung unserer modernen Verhältnisse, die Anerkennung schuldig, daß sie ihres Amtes mit Aufopferung und mit Sachkenntnis gewaltet haben und fort— gesetzt walten jweifellos mit dem besten Willen und in dieser Be⸗ ziehung auch den hauptamtlichen Schulaufsichtsbeamten nicht nach— stehen. (Bravo!)

Nun beruft sich der Herr Abg. Schiffer auch noch auf den Wortlaut und die Entstehung des von mir schon erwähnten Ge— setzes vom 11. März 1872. Es ist ein Irrtum, daß in diesem Gesetz oder in seiner Entstehungsgeschichte irgend eine präjudizielle Bestimmung oder die Absicht festgelegt worden ist, daß die Schulaufsicht durch Geistliche beseitigt werden soll. Dieses Gesetz enthält weiter nichts wie die grundsätzliche Festlegung der Be—⸗ stimmung, daß die Schulaufsicht im Auftrage des Staats ausgeübt wird.

Dann hat der Abgeordnete auf den Lehrermangel hingewiesen und ihn gewissermaßen als ein Ergebnis des bisherigen Zustands, wonach sich überwiegend die Schulaufsicht in den Händen der Geistlichkeit befindet, hingestellt. Das ist ein Irrtum, den ich zu widerlegen habe. Ausschließlich auf die frühere ungenügende Zahl der Lehrerbildungsanstalten ist unser Lehrermangel zurückzuführen, auf weiter nichts. Wenn das, was der Herr Abgeordnete wieder behauptet hat, und was er auch neulich angedeutet hat, richtig wäre, dann müßte inzwischen durch meine un⸗ ablässigen Bemühungen an den gewaltig vermehrten Präparanden⸗ und Seminaranstalten ein Mangel an Angebot an Kandidaten herrschen; das ist nicht der Fall; im Gegenteil, gerade auf den Prä— parandenanstalten ist ein Ueberfluß bis in die neueste Zeit zu kon statieren, wie ich Ihnen das vor wenigen Tagen nachgewiesen habe. (Hört, hört!)

Nun komme ich zu dem eigentlichen Thema zurück. Die nament- lich in den gemischtsprachigen Landesteilen und in stark bevölkerten Industriegegenden sich stets steigernden Schwierigkeiten, Verhältnisse und Aufgaben, insbesondere auch die Ueberlastung der neben amtlich fungierenden Schulinspektoren in den Geschäften ihres Hauptberufs haben im Laufe der Zeit von selbst zur Bildung hauptamtlicher Kreisschulinspektoren geführt. Ich habe in Anerkennung des hervortretenden Bedürfnisses jedesmal mit Sorgfalt geprüft, ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen eine derartige hauptamtliche Schulaufsicht einzuführen sei, und alljährlich hier in dem Etat entsprechende Vorschläge gemacht, die von allen Seiten anerkannt worden sind und auch zu einer nicht un— beträchtlichen Vermehrung der hauptamtlichen Kreisschulinspektoren geführt haben. Die Herren wollen daraus den Beweis entnehmen, daß ich der Sache unbefangen und rein objektiv entgegenstehe.

Nun, meine Herren, der vorliegende Antrag bezweckt eine all— gemeine Lösung der Frage im Wege der vollständigen Durchführung des Prinzips einer Schulaufsicht durch fachmännisch durchgebildete Personen und insbesondere auch durch Ausbildung des Rektorensystems.

Schon der Abg. Freiherr von Zedlitz hat seinerzeit in der Budget⸗ kommission zutreffend darauf hingewiesen, daß diese Frage mit der allgemeinen Neuregelung der Schulverwaltung in engem Zusammen« hange stehe. (Abg. Freiherr von Zedlitz: Sehr richtig) Gerade von dem hohen Hause selbst ist fortgesetzt eine Dezentrali⸗ sation der Schulverwaltung in Anregung gebracht worden. Die der Durchführung dieses Gedankens entgegenstehenden Schwierigkeiten sind nicht gering, wie die wiederholten Versuche beweisen, die bisher zu einem positiven Ergebnisse nur insoweit geführt baben, als es möglich war, den städtischen Schuldeputationen gewisse Aussichts⸗ befugnisse nach und nach zuzuweisen.

Meine Herren, die allgemeinen Erlasse, die ich seit Beginn meiner ministeriellen Tätigkeit auf diesem Gebiet habe ergehen lassen, haben auch den Beweis geführt, daß ich mich genau in den Bahnen meiner Amtsvorgänger bewege und soviel wie möglich den städtischen Schul- deputationen auch noch Aufsichtsbefugnisse überwiesen habe. Für eine allgemeine Umgestaltung würde aber notwendig sein, daß z. B. die Befugnisse der Aufsichtsinstanzen gegenüber den kommunalen Aufsichts⸗ kollegien, die bekanntlich durch das neue Schulunterhaltungsgesetz als Schuldeputationen für alle Städte eingeführt werden, sowie gegenüber den Schulvorständen zu regeln sind.

Es wird die Frage der Leitung des Religionsunterrichts Ar⸗ tikel 24 der Verfassung hervortreten, es werden auch auf dem Lande die Befugnisse der staatlichen Einzelbeamten gegenüber den bestehenden oder zu bildenden an der Schulaufsicht zu be— teiligenden Selbstverwaltungsorganen zu ordnen sein. Auch wird dabei die Frage der Ernennung der Rektoren wiederum eine Rolle spielen. Kurzum, es ergibt sich eine große Anzabl recht schwieriger, zu lebhaften Erörterungen Anlaß bietender Aufgaben. Nun, meine Herren, man darf gewiß nicht davor zurück- scheuen, diese Fragen ernstlich ins Auge zu fassen. Ich kann mitteilen, daß Sie den Gegenstand ernster Prüfung sowobl innerbalb meines Ressorts, als auch innerhalb der Königlichen Staatsregierung bilden.