1907 / 69 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 18 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

eg, wenn auch gegen den Widerspruch der Rechten, zur Annahme elangt. ö.

g. Abg. Speck (Zentr.): Schon bei der früheren Beratung des Gesetzeniwurss über die Bemessung des Kontingents ist von seiten der Rechien hervorgehoben worden, man möge in Erwägungen darüber ein- treten, ob das Höchstmaß von 50 000 1 richtig sei, ob man nicht etwas wester hinausgehen solle. Neuerdings sind Wünsche an mi herangetreten, die den Gedanken gnregken, ob es nicht mögli wäre, den neuentste henden Genossenschaftsbrennereien einen gewissen Vorzug einzuräumen. Es ist gewiß wünschenswert, diesen in der Steuergesetzgebung entgegenzukommen, aber es würde doch dann wieder ein Teil der Genossenschaftsbrennereien schlechter gestellt und damit eine neue Unstimmigkeit in das Gesetz hineingebracht sein. Deshalb habe ich auch Abstand genommen einen Antrag zu for- mulieren, und beschränke mich darauf, dem Reichskanzler den Wunsch auszusprechen, daß man den Genossenschaftsbrennereien möglichst ent⸗= gegenkommt. Was die Maischbottichsteuer anbetrifft, so ist es doch eine auffallende Tatsache, daß ihre Erträge im Laufe der Jahre immer mehr zurückgehen, daß im Jahre 1903 bei einer Bruttoeinnahme von 34 Millionen nur eine Nettoeinnahme von 8 Millionen für die Reichs⸗ lasse verblieben ist, und gerade das Jahr 1903 gibt mir Anlaß, meine Zustimmung zu dem Vorschlage der Regierungsvorlage hinsichtlich der Erstattung der Verwaltungskosten für die Erhebung und Vergütung der Maischbottichsteuer an die Einzelstaaten auszusprechen; denn zweifellos ist ja die Arbeit, die für den Branntwein mit Rückoergütung zu leisten ist, viel größer als diejenige bei dem zu versteuernden Branntwein. Das ergibt sich darguz, daß gerade 1903 bei einer Reineinnahme von 8 Millionen 5 Millionen als Verwaltungekosten an die Einzel⸗ staaten gezahlt worden sind, ein Mißverbälinis, das an die Auf— wendungen für die Anleihe für die chinesische Expedition erinnert. Nun sind im Hause Wünsche auf Aufhebung der Maischbottichsteuer zum Ausdruck gekommen. Es ist ja zweifellos, daß diese Steuer außerordentlich schwer zu erheben ist, daß sie eine häßliche Kontrolle zur Folge hat und außerordentlich viel Unannehmlichkeiten für den einzelnen in sich birgt; auch das finanzielle Ergebnis für das Reich ist ja so gering. Aber wir haben doch Bedenken, im gegen⸗ wärtigen Moment eine Aufhebung zu wünschen, namentlich im Interesse der Landwirtschaft. Für das Jahr 1912 steht ja eine durchgreifende Aenderung unserer ganzen Branntweinbesteuerung bevor. Zu einer ergiebigeren Gestaltung der Maischbottich⸗ steuer machen uns die verbündeten Regierungen im § 1 einen Vorschlag, mit dem sie unserer früher hier zur Annahme gelangten Resolution folgen. Es wird aber zu untersuchen sein, ob der Satz von 12 M das Richtige trifft. Im F ÜUzeigen sich die verbündeten Regierungen sehr entgegenkommend, im § aber tun sie wieder einen Schritt jurück. Denn es ist bedauerlich, daß in die ohnehin so komplizierte Branntweinsteuergesetzgebung durch das Zuschuß⸗ system und die Verteilung dieser Ausfuhrzuschüsse wieder neue Schwierigkeiten hineingebracht werden, die die ganze Gesetzgebung noch unklarer machen. Der Reichstag war der Meinung, daß mit dem Prämienspstem überhaupt gebrochen werden sollte. Der §z 2 enthält aber nichts mehr und nichts weniger als die gesetz⸗

liche Festlegung einer Ausfubrprämie und diese Tatsache steht mit der bisherigen Richtung unserer Steuerpolitik nicht im Einklang.

Wir haben das Prämienspstem bei der Zuckersteuer aufgehoben, weil wir uns sagten, daß es mit den heutigen wirtschaftlichen Verhält—

nissen nicht mehr vereinbar ist. Ich will bier nicht untersuchen, ob

uns nicht seitens der Exportländer Erschwerungen entgegengesetzt werden. Daß die Aufbebung nicht plötzlich erfolgen kann, ist selbst= verständlich, aber man sollte darauf hinwirken, daß eine jahrlich fortschreitende Kürzung der Ausfuhrprämien eintritt, so daß diese schließlich auf den Nullvunkt gelangen. Das Jahr 1912 würde mir für eine vollständige Aufhebung sehr geeignet erscheinen, weil ja dann ohnedies die Neuregelung der Branntweinsteuer erfolgt. Unserem Bestreben, der Reichskasse neue Mittel zuzuführen, sollten doch die verbündeten Regierungen entgegenkommender gegenüber treten. Zu einer weiteren Steigerung der Einnahmen würde ach ein neues Denaturierungösystem in Frage kommen, das dem Brannt- wein einen Geruch und Geschmack verleiht, der ihn nicht nur momentan für den menschlichen Genuß unbrauchbar macht, sondern ihm überhaupt nicht mehr entzogen werden kann. Die französische

Regierung hat 1805 einen Preis von 200 000 Fr. für ein

Denaturierungsmittel ausgesetzt. Es ist aber nicht gelungen, ein

solches zu finden. Wir Fönnten vielleicht eine Verschärfung

der Kontrolle vornebmen. Das geringe Anwachsen des Trink derbrauchs ist entschieden darauf zurückzuführen, daß ganz erbebliche

Mißbräuche in der Verwendung des denaturierten Spiritus befteben.

Es hat aber seinen Grund auch in der ganz unbegreiflichen

DYreispolitik der Spirituszentrale. Aus deren Geschäftsberscht

für 1806 geht, hervor, daß sie Preise durchgesetzt hat, wie

m den tatsächlichen Verhältnifsen nicht entfprechend waren. us dem Jahresbericht ergibt sich auch, daß trotzdem eine solche

Sammlung von Vorräten über den Bedarf 6 hat, den

Mitgliedern des Verwertungsderbandes finanzielle Vorteile zugeführt

werden konnten, die gegenüber früheren Jahren immer noch sehr

günstig waren. Das beweist, daß man sehr gut die Preife hätte etwas niedriger stellen können. Wenn der Jabresbericht von einer Erhöhung der Lasten für die Brennereien durch die Revifion der Maischbottich⸗ steuer spricht, so wird überseben, daß es sich hier nicht um neue Lasten handelt, sondern darum, ungerechtfertigte Vorteile dem aus— eführten Branntwein zu entjiehen, Vorteile, die das ur— prüngliche Gesetz nicht gewollt hat. Nun bat der Abg.

Pachnicke auch die Beseitigung der Liebesgabe verlangt und gemeint, in

Zentrumskreisen bestünde die Neigung, diesem seinem Wunsche ent—

gegenzukommen. Soweit meine Fieunde aus Süddeutschland in Be—⸗

tracht kommen, halten sie eine Aufhebung der Liebesgabe, das beißt der sogenannten Liebesgabe, die in der Spannung jwischen 70 und

S0 M besteht, nicht für annehmbar. Der Abg. Pachnicke hat die neu⸗

geschaffene politische Situation nicht vollständig berücksichtigt, denn sein

WBunsch wird den Herren auf der Rechten ebensowenig angenehm sein

wie mir. In der sachlichen Behandlung der Vorlagen stimme ich

mit dem Abg. Pachnicke überein.

Abg. Gamp (Ry): Es ist allerdings durch den einen Gesetz= entwurf eine Produktionseinschränkung für die neuen Brennereien beabsichtigt; diese Produktionseinschränkung bat aber lediglich für die großen Betriebe eine praktische Bedeutung. Auch ich habe gewisse Sympathien mit den genossenschaftlichen Brennereien. In gewissem Umfange wird sich das auch bei der Ausführung diefes Gesetzes machen lassen. Dabei ist aber zu berüclsichtigen, daß es auch sogenannte genossenschaftliche Brennereien gibt, die tatfächlich keine sind. Die beiden Vorredner haben übersehen, daß Reichstag und verbündete Regierungen sich gewissermaßen dahin verständigt haben, bis 1912 eine durchgreifende Aenderung der gesamten Sxiritusstener— gesetzgebung berbeizuführen. Dann wird schon 1910 der Entwurf vor. zulegen sein, damit die Interessentengruppen Zeit haben, ibn zu be— raten. Nachdem diese Vereinbarung getroffen war, mußte es aller⸗ dings in den Kreisen der landwintschaftlichen Brennereien unangenebm auffallen, daß nun plötzlich mit einem Gesetz vorgegangen wird, durch das eine nicht unwesentliche Aenderung der gegen wärtigen Lage berbeigeführt wird. Von diesem Gesichts punkte aus wird man den land— wirtschaftlichen Interessenten nicht unrecht geben können, daß sie dieses Vorgehen der Gesetzgebung als ein unerwartetes und auch von ibrem Stanz punkte unerwünschtes bezeichnen. Der Staatssekretãr bat darauf hingewiesen, daß vꝛihältnismäßig geringe Einnahmen für den Fiskus dabei herauslommen; und wenn man bedenkt, daß es sich bier vielleicht nur um drei Jahre handelt, so hätte man es in landwirt— schaftlichen Kreisen mit Dank empfunden, wenn der Staal sfekretär diese drei Jahre noch gewartet batte. Nachdem nun aber die ver— bündeten Regierungen eine andere Stellung eingenommen haben, muß man doch fragen, ob nun alle Brennereien, die unter dies Geset 6 wirklich 12 6 jablen. Aus der Vorlage ergibt sich, daß eo

bier um einen Durchschnittssatz handelt. Daraus folgt, daß ein großer Teil der Brennertien weniger, ein großer Teil mehr wie * „* wahlt, Nun sind es gber gerade die göohen Brennereien,

e verhältnismäßig geringe Maischraumstenersaß zahlen, während

die kleinen, weniger leistungsfähigen höhere Sätze zahlen. Diese kleinen Brennereien werden also schlechter gestellt. Auf die Frag ob man nicht die Maischraumsteuer ganz beseitigen könne, will nicht eingehen; sie ist keine prinzipielle, sondern eine praktische Frage. ch würde persönlich kein großes Bedenken dagegen haben, wenn es möglich wäre, auf andere Weise die kleinen Betriebe zu schützen feen die Konkurrenz der großen Betriebe; denn darüber besteht ein Zweifel: wenn die Maischraumsteuer beseitigt würde, so er⸗ langten die großen gewerblichen Brennereien ein erhebliches Uebergewicht über die Kartoffelbrennerelen. Wie die Sa jetzt liegt, kann man erhebliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf nicht haben. Da es sich hier nur um zwei bis drei Jahre handelt, bis wir zu einem Definitivum durch eine Reform des Branntwein⸗ steuergesetzes kommen, so handelt es sich auch nur um verhältnismäßig geringe Beträge. Die Vorwürfe gegen den Spiritusring, daß er eine ganz unberechtigte Preistreiberei betriebe, sind sachlich durchaus nicht begründet. Die Preise schwanken zwischen 39 und 41 S6 und nur 190304 stieg der Preis auf 57 6 Auch der Abg. Pachnicke wird zugeben, daß in einem Jahre, wo der Kartoffel⸗ preis bis 3,50 M stieg, es gar nicht. anders möglich war, als den Spirituspreis zu erhöhen. Natürlich mußte der Konsument erheblich höhere Preise zahlen. Das war sehr bedauerlich, aber die Zentrale ist ihren Verpflichtungen in bejug auf den denaturierten Spiritus durchaus nachzekommen. Der Verbrauch an steuerfreiem Brannt⸗ wein ist 19904955 und 1905̃06 noch immer gegen früher gestiegen. Die Zentrale hat es verstanden, den Preis für diesen Spiritus niedrig zu halten. Von einer Ausfuhrprämie kann in dieser Angelegenbeit nicht die Rede sein. Die Ausfuhr hat überhaupt nur eine ganz minimale Bedeutung. 19065 06 wurden 180 000 hl ausgeführt, bei einer Er⸗ zeugung von 4378000 hl; schließlich waren es nur noch 24000 hl. Von einer Begünstigung der Ausfuhr, von einer Analogie mit der Zuckersteuer kann gar nicht die Rede sein. Es handelt sich hier nur um eine Begünstigung gewisser Produktionszweige und damit auch Konsumtionsjweige, wie der Essigfabrikation und der ganzen chemischen Industrie, die einen Denaturierungsvorteil hat. Es handelt sich auch darum, diese Industriejweige konkurrenzfähig mit dem Auslande zu halten. Was die Frage der Liebes gaben betrifft, so würde den großen Brennereien des Dstens die Beseitigung der Liebesgabe keinen zu areßen Kummer bereiten; sie würden unter Umständen sogar damit durchaus zufrieden sein, weil, sich dann unimeifelhaft dieselke Entwicklung in der Spiritusproduktion herausbilͤden würde wie in England, wo eine ganz geringe Anjahl von Groß⸗— betrieben die ganze Spirituserzeugung in die Hand bekommen bat. Was aber aus den Tausenden von kleinen Brennereien, was aus dem Boden werden würde, das brauche ich den Sachverständigen nicht weiter auseinanderzusetzen. Es würde die Vernichtung eines großen Kapitalbesitzes eine wirtschaftliche Verschlechterung großer Flächen des ärmsten Bodens zur Folge haben. Die Beseitigung der Liebesgabe bedeutete die Beseitigung der Brennerejen in Bayern, in Süddeutschland überhaupt, auch im Westen. Ob die Uebernahme der ganzen Produktion durch die großen Kartoffel brennereien des Ostens für die anderen Landesteile und die Gesamtheit nützlich wäre, möchte ich doch noch bezweifeln. Die Beseitigung der Liebesgabe wäre geeignet, den Preis des Branntweins um 20 6 zu verteuern, und ich glaube nicht, daß die freisinnige Partei oder die Sozialdemokraten damit zufrieden sein würden. Da— gegen sind beute Preise von 3989 41 M keineswegs übertrieben. Man könnte eine solche Verteuerung des Branntweins nicht billigen, solange nicht die Genußmittel der wohlbabendsten und reichfsten Klassen mit einer entsprechenden Steuer belegt werden. Auch mir ist der Gedanke schon früher gekommen, daß in der Tat in größerem Umfange der denaturierte Branntwein zu Trinkjwecken entweder in denaturiertem Zustande oder in renaturiertem Zustande verwendet wird. Eine mir verwandte Dame reiste vor Jahren in der Schwei und hörte zwei Herren französisch sich darüber unterhalten, wie man sehr leicht ein reicher Mann werden könnte. Der eine sagte, er hätte ein Renaturierungsmittel erfunden, das ermögliche, den deutschen denaturierten Spiritus ohne große Kosten für den menschlichen Genuß fähig zu machen, und er wende in Berlin dieses Mittel in großem Umfange an und ig daraus erhebliche Einnahmen. Natuͤrlich hatten die Herren keine Ahnung, daß diefe Dame sie verstand. Dem Finanzminister wurde dabon Mitteilung gemacht, es wurde auch eine Untersuchung veranstaltet, es kam aber nichts dabei heraus. Ich habe auch den Eindruck, daß gerade hier in Berlin in großem Umfange eine Renaturierung stattfindet. Ich hoͤffe, daß der Wunsch des Staatssekretars in Erfüllung gehen und beide Gesetzentwürfe ohne Verschärfung zur Annahme gelangen werden.

Abg. Sieg (nl): Daß diejenigen, die direkt mit der Sache zu tun haben, aus der Debatte ausgeschaltet werden sollen, kann der Abg. Pachnicke nicht verlangen; gerade diese Sachverständigen find befonderz berechtigt und berufen, sich zur Sache zu äußern. y wundere mich, daß in der Verhandlung vom 19. November 1906 überhaupt Stimmen gegen die Herabsetzung des Kontingents laut geworden sind; denn diese Herabsetzung ist der eigentliche Wesensinhalt des Gesetzes, die großen Kontingente sollen allmäblich verschwinden. Es gibt eine i Anzahl sogenannter Genosseaschaftsbren nereien, die es in

irklichkeit gar nicht sind. Diese Gebilde darf man nicht noch weiter begünstigen. Die Kartoffelbranntweinbrennerei muß doch in einen Zustand der Beunruhigung geraten, nachdem man so lange an ihr herumgedoktort hat, und jetzt mit dieser neuen Vor— lage kommt; der landwirtschaftliche Branntweinbrenner muß Tann doch schließlich nervõös werden. Ich persönlich möchte die Maisch⸗ taumsteuer lieber abschaffen, weil sie ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr erfüllt. Heute fließt der Spiritus vom Apparat in große Bassins, die dem Eigentümer gänzlich entzogen sind; er hat kein Recht auch nur auf 11 dieses Spiritus. Klatsch und Mißgunst namentlich der Arbeiter bedrohen stets den Brennereibesitzer; der braucht nur ein. mal einen Arbeiter anzufahren, dann läuft dieser zum Steuerbeamten und denunziert, es sei irgend etwas nicht in Ordnung. Da geben dann boch— notpeinliche Untersuchungen vor sich, die nichts Belastendes zu Tage fördern, aber troßdem zur Festsetzung von Geldstrafen von manchmal ganz ungebeuerlicher . führen können. Solche Unzuträglichkeiten mussen ja den Wunsch der Beseitigung dieser ganzen Steuerform erregen. Die Frage liegt aber für andere deutsche Landesteile anders und wid jetzt nicht zu entscheiden sein. Von der Liebesgabe macht man sich wie von der Zentrale in den ferner stebenden Kreisen ganz irrige Vorstellungen. Die von dem Abg. Pachnicke angeführten Zablen sind richtig; aber große Preiefluktuationen sind auch schon früher vor dem Bestehen des Spiritusringes dagewesen. Es führte ja gerade zur Bildung der Zentrale, daß man einen möglickst für das ganze Jahr gleichmäßigen Preis fuͤr den Produzenten erreichen wollte; Febler werden bei jeder solchen Gründung gemacht. Die großen Doffnungen, die man auf die Kartoffeltrocknung setzt, werden sich in diesem Umfange nicht erfüllen. Und wie sind die Materialien im Preise gestiegen! Der Chilesalpeter kostet jetzt das Zehnfache von früber; da können wir den Spiritus doch nicht umsonst herftellen. Ich hoffe, daß die Vorlage zustande kommt, und dann bis 1916 eine gewisse Ruhe und ein gewisser Frieden in das Gewerbe einkehrt.

Abg. Dr. Südekum (Soz.): Wie die nationalliberale Partei über die Vorlage denkt, hat man aus der Rede des Vor redners nicht entnehmen können. Der Abg. Gamp meint, die Gegensätze in der Frage hätten sich gemildert. Das kann ich nicht glauben, auch nicht von den Freisinnigen. Der Regierungs- bloc ist bei dieser Vorlage bereits in die Brüche gegangen. Sobald konkrete wirtschaftliche Fragen auftreten, hat die ganze Herr= Uchkeit ein Ende. Nach unserer Auffassung kann ein Mitglied der Linken für den 52 der Maischraumsteuervorlage nicht stimmen, obwobl ich schon zu meinem Erstaunen privatim gehört habe, daß einzelne freisinnige Herren für eine allmähliche Herabsetzung dieser Uebervergũtung sein wollen. Jahrelang hat das Ünrecht der Ueber⸗ vergütung bestanden und diese lag nicht in der Absicht des Gesetz⸗ gebers; wie kann man nun diese ungerecht gewährte Prämie ablösen, also nachträglich zu einer berechtigten erheben wollen! Vie beutige Lage der Reiche finanzen geftattet angeblich nicht die Aujbesserung der unteren und mittleren Beamten, es sollen nur ganz kümmerliche einmalige Unter⸗

w gewährt werden; aber hier werden Millionen für un ;

vilegierte reserviert! Für uns ist 52 unannehmbar ber igt 1 scheint uns unnötig; wird sie aber beliebt so werden . 3 ans. und versuchen, das ganze Unrecht, das in dem Jiu egle lc benen 43 Millionen enthalten ist, aufzudecken und die Uebervergũlun porn n , ,, ewirkt haben. Diese Politik wäre schon dann zu verurteilen len ü eine naturgemäße Preissenkung aufgehalten hat, und daß ) e. Ill ist, wird niemand bezweifeln. Ich kann auch die Bedenke 9 kin, baß durch die Abschasfung der Üebewderg itneg dee ü ö preis in die Höhe getrieben wird, denn die 4 ö. erg. nicht den Konsumenten, sondern restlos den Produzenten zu 2 Uebrigens steht die nationalliberale Partei nicht durchweg fo an n zu der Vorlage wie der Abg. Sieg. In der nationalliberalen He so in der Köͤlnischen Zeitung, wird im Gegenteil diese Vorlage ig ein sehr starkes Entgegenkommen gegen die Agrarier bezeichne e. von der „Unersättlichkeit! der Agrarier gesprochen, denen sie lee nicht se Sen ea. h och g. Dietr ons.): Ich vertraue darauf, daß gerade ; der Branntweinsteuergesetzgebung ein größeres e m . . Bestreben, das zigenartiße Verhältnis und den Unterschied der land wirtschaftlichen Brennereien von den gewerblichen zu erkennen a bei den linksftehenden Parteien Platz greifen wird. Für eine bart die sich für die Gesetzgebung mit verantwortlich fühlt, sollte schon der formelle Grund ausreichend sein, die künftige FRontingentietu! mit der gegenwärtigen in Uebereinflimmung zu bringen. Die Ver mehrung der Brennereien ist ein Uebelstand; aber die Produltien der landwirtschaftlichen Brennereien ist veranlaßt durch eine Kultur notwendigleit. Auch hinsichtlich des Entwurfes, betreffend die Maischbottichsteuer, habe ich die Hoffnung, daß sich eine Annäherung jwischen uns und den linksstehenden Parteien grreichin lassen wird. Zwischen den Ausführungen der Hern über die Brausteuer und denjenigen über die Branntweinsteuer ist eine ganz auffallende Verschiedenheit im Gedankengang zu erkennen die ihre Ursache nur darin haben kann, daß bei der Herstellung des Branntweins die vertrackten Agrarier betelligt sind. Bei der Bier. steuer sollte es der Konsument sein, der die stärkere Belastung iu tragen hat, und die Herren von der Freisinnigen Volkspartei haben gerade die Gastwirte als ibre Hauptschildknappen aufgerufen, indem eine Rede des Abg. Kopsch über die Biersteuer veröffentlicht wurd worin er die Befürwortung der Biersteuer bei den Gastwirten denn, zierte. Dasselbe, was für die Biersteuer zutrifft, gilt auch für ne Branntweinfteuer. Die Beschränkung der Maischraum steuewerhũtung kommt doch auf eine stärkere Heranziehung der Steuer hinauẽ und die trifft doch bier den Konsumenten. Ist es denn nicht genug daß das Getränk der Aermsten unter den Armen, wie von der Iinken so, häufig gesagt ist, der Reichekasse 140 Millionen bringt? Die Maischtaumstenervergütung ist auch kein Unrecht. Gerade wenn man wünscht, daß die Verbreitung des technischen Spiritus immer größer wird. muß man dafür eintreten, daß die Prämien so groß wie möglich sind. Wenn 1904305 der Absatz des gewerblichen Spiritus eine so plötzliche Stockung erlitten hat, so war der Grund bierfür der hohe Preis; es können gar nicht oft genug die Jablen vorgelegt werden, die die Prosperität der Spiritusproduktion nach⸗ zuprüfen gestatten. Wenn man den diesjährigen Preis der Zentiale von 49 für das Hektoliter zu Grunde legt, so entfallen dapsn 124 auf, die Maischraumsteuer. Von den verbleibenden 28 6 sint Mm beschaffen 20 Zentner Kartoffeln, 30 Pfund Gerste und die Kosten zu bestreiten für die Brennerei, die Zinsen, die Löhne usw. Ohne die bestehende Kontingentierung und obne die Zuwendung der 25 * würde eine Brennerei z. B. in Bavern wirtschaftlich unmöglg sein. Die Vergütung war junächst wirtschaftlich eine segengreich unktion, insofern der Brennspiritus und der sonstige technik Spiritus dadurch verbilligt wird. Ich meine auch, daß man junäch die Maischbottichsteuer trotz der vielen Unannehmlichkeiten, die sie im praktischen Betriebe mit sich bringt, beibehalten muß. Sie it nach meinem Dafürhalten ein ganz unlösbarer Teil des Sysstemz unserer Branntweinbesteuerung und sie ist zu besonderer Bedeutung gelangt, weil sie die berechtigte Tendenz ausdrückt, den landwirtschaftlichen Brennereien einen Schutz gegenüber den gewerblichen Betrieben ein= zuzäumen. Diese Tendenz ist für die Landwirtschaft gan; unenbcht, lich, denn es stehen ihr doch Gegenleistungen gegenüber. Die land. wirtschaftliche Brengerei ist nicht frei in der Wahl ihrer Robstoffe wie die gewerbliche. Keine landwirtschaftliche Brennerei darf andere Stoffe als auf ihrem eigenen Areal gewachsene verarbeiten. Sie darf die Schlempe nicht verkaufen, sondern muß sie in ibter eigenen Wirtschaft verwenden. Auch die zeitlichen Beschränkungen binsichtlich des Brennens sind recht erhebliche. Wenn die gerechte Wärdigung der landwirtschaftlichen Brennereien aus unserer Gesetzgebung be⸗ seitigt würde, dann müßte man auch diese Beschränkungen? beseiligen; aber damit wäre zugleich der Weg geöffnet, der Brennerei den Charakter des landwirtschaftlichen Nebenbetriebs zu nebmen und sie zu einem Gewerbe zu machen. Dann aber würden die in unseren minderbegünstigten Länderstrecken jetzt bestehenden 6000 land= wirtschaftlichen Brennerelen im Wettbewerb mit der Großindusttie dem Untergang verfallen sein Die Tendenz einer verschiedenen Behandlung der landwirtschaftlichen Brennereien ist also durch= aus berechtigt. Meine Freunde wollen aber gar nicht diese Frage augschließlich vom landwirtschaftlichen Standpunkt be—= urteilen. Wir erkennen durchaus an, daß der Staatssetretär den Wünschen des Reichstags nachgekommen ist. Der Gesetzentwurf ist nicht unbrauchbar, sodaß wir uns absolut ablehnend verhalten müßten; aber ich behaupte, daß die landwirtschaftlichen Brenner durch die Formulierung des 5 2 gegenüber dem bisherigen Zustand ge schädigt werden, daß diese Schädigung von Jahr ju Jahr or. schreitet, daß die gewerblichen Brennereien eine in demselben Maße don Jahr zu Jahr größer werdende Begünstigung e fahren, und i behaupte ferner, daß eine Verminderung der Einnahmen des Reiches sich aus dem Gesetzentwurf ergeben wird. Aber ich hoffe, es wird sich in der Kommission ein Mittelweg zwischen den Interessen des Reiches und der Erhaltung der Konkurrenzfäbigkeit der landwirtschaft . lichen Brennereien mit den gewerblichen finden. Abg. Schweickhardt (D. Volksp ): Ich bedauere, daß die Re gierung mit ihren Vorlagen auf halbem Wege stehen geblieben ist. Von der Abbröcklung der Erträge der Maischbotkichsteuer hat die Regierung doch nicht erst seit gestern etwas gewußt, sondern schon seit dielen Jahren. Der Verbrauch von denaturiertem steuerfreien Branntwein hat in einer Weise zu zenommen, daß die Regierung schon längst dargut die Konsequenzen hätte ziehen müssen. Es wäre hier die beste Gelegenheit gewesen die Prämien überhaupt abzuschaffen. 5 2 der Maischbouich⸗ teuervorlage hebt die Maßahme des F 1 insosern wieder auf, als er Zuschüsse von 45 Millionen voisieht. Die Gesamtreform der Branntweinbesteuerung soll erst 1912 eintreten. Bis dabin aber 22 Millionen an Vergütungen zur Verfügung. ju stellen, liegt nicht der geringste Anlaß vor. Eine sol Fixierung von 4 Millionen würde eine große Unsicherbeit in der Preisbildung beim denaturierten Splritus hervorrufen, denn nien vermag vorauszusagen, wie sich der Verbrauch gestalten wud. ; ginge noch an, wenn die Rückvergütung den Verbrauchern 0 Brennspiritus, den kleinen Leuten, zugute käme, aber nach ? 2 der Zuschuß auch für den zum Export gelangenden Spiritus gema ; werden. Wir haben keine Veranlassung, Bestrebungen zu unier tigen die darauf hinauslaufen, dem Ausland billigen Spiri us zu . und den Preis im Inland recht hoch zu erhalten. M en ed er Beteiligten das aus ihrer Tasche machen! Die chemische Indu nd beklagt es bitter, daß im Inland der Preis hochgehalten 23 J eu. as Ausland mit svortbilligem Spiritus versorgt wird. Im ihrn sind wir bereit, an der Kommissionsarbeit uns zu beteiligen und das Brauchbare in dieser Vorlage zu eigen zu machen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

n 689.

(Schluß aus der Ersten Beilage.) M

Abg. Vogt ⸗Hall (wirtsch. Vgg.): Die Exportprämienfrage wird erst akut werden, wenn wir etwa 1910 eine Reformvorlage be⸗ kommen. Als Süddeutscher kann ich bestätigen, daß die Aufhebung der sogenannten Liebesgabe die süddeutschen Brenner nötigen würde, flott ibren Betrieb einzustellen. Im Süden sind die Kartoffeln piel teurer und haben viel weniger Brennwert wie im Osten. Die landwirtschaftlichen Brennereien sind in der Hauptsache lokal viel un- unstiger belegen als wie die gewerblichen Betriebe. Die Bahn ationen sind weit entfernt, die Transportkosten bis zur Bahn außer ardentlich boch, auch ist es schwerer, Brennmeister zu bekommen, denn in einen verlorenen Winkel geht man nicht gerne. Singe der Brennereibetrieb jurück, so würde sich auch der Grundbesitzer viel veniger an der Fleischyroduktion beteiligen können. Gerade die Herren von der Linken sollten ihre Hand dazu bieten, daß den Groß- betrieben wie den Kleinbetrieben die Möglichkeit erhalten wird, Vieh zu züchten, und, zu mästen, sonst laufen sie Gefahr, die Kuh, von der sie die Milch baben wollen, zu schlachten. .

Mit einer kurzen Bemerkung des Abg. von Saß⸗Ja⸗ worski (Pole), die auf der Tribüne unverständlich bleibt, schließt die Generaldiskussion. Die Vorlage wegen des ander⸗ weiten Kontingents der landwirtschaftlichen Brennereien wird demnächst in zweiter Lesung im Plenum beraten werden; die Vorlage, betreffend die Maischbottichsteuer, geht an eine Kom⸗ mission von 21 Mitgliedern. ;

Darauf vertagt sich das Haus.

Der Präsident schlägt vor, am Montag u. a. das Etatnot-⸗ gesetö und die Interpellation der Polen wegen des Schulstreiks zu erhandeln. . ; be en Bebel (Soz.) beantragt, an erster Stelle am Montag die Besprechung der Interpellation der Sozialdemokraten wegen der be— hördlichen Wablbeeinflussungen fortzusetzen. Die Sozialdemokraten

seien gestern heftig angegriffen worden und müßten Gelegenheit zur

Antwort bekommen. Auch wenn man die Fortsetzung der Besprechung nicht belieben sollte, werde diese dem Reichstage nicht geschenkt werden; sie komme dann bei dem Etat für den Reichskanzler und die Reichs—⸗ anzlei. ö. ñ .

; ng. Bassermann ((nl) unterstützt die Vorschläge des Präsidenten. Die Antwort auf die ihnen widerfahrenen Angriffe könnten die Sozialdemokraten ja beim Gehalt des Reichskanzlers eben, wo sie ibn überdies Auge in Auge sich gegenüber hätten. Das Eich ol ch zu verabschieden, sei die wichtigste und dringenste nächste Aufgabe des Hauses; die Beratung darüber könnte leicht mehrere Tage in Anspruch nehmen. ö.

Abg. Bebel (Scz.): Das Notgesetz muß und wird rechtzeitig ver⸗ abschiedet werden. Selbstverständlich haben wir ein großes Interesse daran, dem Kanzler Auge in Auge zu antworten, nachdem er sich gestein von der Verhandlung gedrückt hat. Wir wollen aber vor allem auf die falschen Anschuldigungen antworten, die gestern gegen uns erhoben worden sind.

Abg. von Richthofen (deutschkons.): Ich kann den Wunsch des Abg. Bebel vollständig begreifen, aber das Interesse des Reiches eht vor.

) Abg. Singer (Soz.): Der Präsident hat doch eine neue Inter⸗ pellatiön auf die Tagesordnung für Montag zu setzen vorgeschlagen. Danach würde die Fortsetzung der Besprechung der unsrigen viel⸗ leicht überhaupt nicht mehr auftauchen. Ich würde vorschlagen, juerst den Notetat zu beraten, dann aber die Besprechung unserer Interpellation fortzusetzen, damit diese noch vor den Ferien erledigt wird.

Abg. Gröber (Zentr.):: Das Notgesetz ist zunächst die Hauptsache, es muß vorweg auf die Tagesordnung kommen. Dann aber können die Sozialdemokraten verlangen, daß ihre Interpellation weiter ver⸗ handelt wird, um ihnen Gelegenheit zu geben, auf die erfolgten An⸗ griffe zu antworten. =

Der Präsident hält an seinem Vorschlage fest; das Haus entscheidet mit geringer Mehrheit im Sinne des An⸗ trages Singer, für den Zentrum, Polen, Sozialdemokraten und ein Teil der Freisinnigen stimmen.

Schluß 35 Uhr. Nächste Sitzung Montag 2 Uhr. Dritte Beratung der Vorlage wegen Vornahme einer Berufs⸗ und Betriebszählung; zweite Lesung des Notetatsgesetz—⸗ entwurfs; Fortsetzung der Besprechung der Interpellation Albrecht, betreffend behördliche Wahlbeeinflussungen)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 35. Sitzung vom 16. März 1907, Vormittags 11 Uhr.

(Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Es wird die Beratung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗ angelegenheiten fortgesetzt, und zwar zunächst die Be⸗ sprechung des Antrags der Abgg. Hobrecht (ul), Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.), Fischbeck (fr. Volksp) und Broemel (fr. Vgg.): .

„die Regierung zu ersuchen, im Voltsschulwesen auf die allgemeine Einführung der fachmännischen Schulaufsicht Bedacht zu nehmen“. . Nach dem Abg. Funck (fr. Volksp.), über dessen Aus⸗

führungen bereits in der vorgestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, erhält das Wort ;

Abg. Hecken roth (kons.): Auf die politischen Erörterungen gehe ich nicht ein. Die Illuston, die der Vorredner in bejug 'auf unsere Stellung zu diesem Anirage glaubte haben zu können, muß

leider zerstören. Ich kann in dem Antrag kein Produkt der konservatip-liberalen Paarung erblicken, denn wir können ihn nicht mitmachen. Herr von Zedlitz wollte früher nur für die Kreisschul⸗ inspektionen die fogenannte sachmännische Aufsicht. Jetzt soll auch die in lich Ortsschulaufsicht bei ihm keine Gnade mehr finden. Es sst überhaupt ein Irrtum, von geistlicher Schulaufsicht zu reden. In der nebenamtlichen Kreisschulinspektion sind allerdings vorzugs⸗ weise Geistliche tätig, aber unfere Fraktion hat seit Jahren durch die Bewilligung hauptamtlicher Stellen gezeigt, daß sie da, wo besonders schwierige Berhältniffe die Kraft und die Zelt' einer ganzen Perfön⸗ lichkeit erfordern, wie in gemischtsprachigen Gebieten, in den großen Städten, in industriell und konfessionell stark fen ten Gebieten, diesen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Es sst eine ganze Reihe hauptamtlicher weltlicher Ii mn ere fen geschaffen worden. Darum legt keine Veranlassung für uns vor, von unserer Stellungnahme abzusehen. Eine prinzipielle Befeillgung der einen Institution zieht unbedingt die Be⸗ sitigung der anderen nach sich; fällt der Herzog, so muß auch der Mantel sallen. r wollen aber durchaug an der geistlichen Qrteschul⸗ aufsicht fesfhalten. Ich bestreite, daß der Geistliche in der Schule fo ganz und gar nicht Fachmann sei. Das Ziel der Geistlichen und der

Zweite Beilage

Berlin, Montag, den 18. März

Schule geht darauf hin, sittlich gefestigte Charaktere zu erziehen; wir müfssen Wert darauf legen, die Zichtlosigkeit der Jugend zu verhindern. Diese erziehliche Aufgabe wird lediglich durch den Religionsunterricht er⸗ reicht. Deshalb muß die Religion Hauptfach in der Volksschule sein, und ihr müssen die besten Stunden des Tages gewidmet sein, und alle Fächer müssen von dem Religiösen durchdrungen sein. Die Stürme, die auf den Menschen im späteren Leben eindringen und ihm seinen Glauben ju nehmen drohen, vergnlassen uns gerade, an dem Religions— unterricht auf jeden Fall festzubalten. Gerade der Gedanke einer Reform des ganzen Religionsunterrichts in der Volkeschule, weil das Formelwesen überhand nehme, und die liberalen An— schauungen über die Religion ganz anders seien, macht uns bedenklich dem Vorredner auf seinen Bahnen zu folgen. Es ist betont worden, daß mit der fachmännischen Schulaufsicht nicht Front gegen die Religion gemacht werden soll; ich glaube das, aber wir hören andere Stimmen auf den Lehrertagen, die uns ängstlich machen, die anders lauten, als das, was wir von Herrn Funck gehört haben. Herr Schiffer hat gestern anders gesprochen als auf dem letzten nationalliberalen Parteitag, wo er sagte, daß ez Aufgabe des Liberalismus sei, die Schule loszulösen von der Kirche und der Regierung die ihr zukommende Stellung zuzuweisen. Unser Standpunkt ist diametral entgegengesetzt, wit wollen der Regierung die vornehmste Stellung in der Volksschule einräumen. Mit Recht hat der Minister gestern darauf hingewiesen, daß die Pädagogik ein wichtiger Bestandteil des theologischen Studiums sei; die Geistlichen können eine erfreuliche Mitarbeit an der y seisten. Man sagt, das seien Ausnahmen; es mag sein. Die Kreisschul⸗ inspektionen werden auch nur ausnahmsweise mit Geistlichen besetzt, und wo es geschieht, wird nur auf die pädagogisch tüchtigsten Rück⸗ sicht genommen. Wenn die Geistlichen bei der Ortsschulaufsicht in pädagogischer Hinsicht nicht genügen sollen, warum hat dann die Anterrichtsverwaltung nicht nach unseren Forderungen die pädagogische Ausbildung der Geistlichen verbessert? Der kurze Seminarbesuch genügt allerdings nicht. Das preußische Kirchen— regiment hat immer an der geistlichen Ortsschulaufsicht festgehalten. Man hat darauf hingewiesen, daß die Geistlichen selbst die geistliche Schulaufsicht nicht wünschten, und die rheinische Synode hat auch vor zwei Jahren einen solchen Standpunkt eingenommen. Das kam aber daher daß man von dem Schulunterhaltungegesetz eine Neuregelung der Organisation des Ortsschulvorstandes erwartete, indem Geistliche Mitglieder desselben werden sollten. Da diese Neuregelung aber ganz anders eingetreten ist, so wird die rheinische Synode wohl eine Revision ihres Standpunktes vornehmen. Es genügt nicht, daß im Ortsschulvorstande der Geistliche auch einmal den Lehrer trifft; nein, die Verbindung jwischen Kirche und Schule muß viel idealer sein. Wenn in manchen Kreisen meiner Kollegen eine gewisse Antipathie gegen die geistliche Schulaufsicht vorhanden ist, und man diese als eine Last empfindet, so liegt die Schuld daran leider zum Teil an den Untexrichtsbehörden. Es sollte doch endlich einmal eine ge⸗ naue Instruktion für die Ortsschulinspektion aufgestellt, die Stellung des Krein⸗ und die des Ortsschulinspektors gegeneinander scharf ab—⸗ gegrenjt werden. In den meisten Kreisen der evangelischen Geist⸗ lichen wird man aber das Amt eines Ortsschulinspektors um der Eltern willen gern weiter führen. Die Vollsschule ist nicht ausschließlich eine Domäne des Staats; die Eltern sind beruhigt, wenn sie wissen, daß ihr eigener Seelsorger auch über ihre Kinder wacht. Wer das christliche ei. auf dem Lande etwas genauer kennt, wird mir durch- aus recht geben, und solange der Lehrer den Unterricht nicht bloß de, ,. erteilt, wird er die Mitarbeit des Geistlichen gern begrüßen. Man sagt, wenn das jetzige Band zwischen der Kirche und der Schule auf dem Lande zerschnitten wird, so wird sich ein neues Ideal herausbilden. Ich habe davon noch nichts gefunden. Freiherr von Zedlitz empfahl einmal die Ausbildung des Rektorenspysftems auf dem Lande, um jungen Lehrern bessere Gelegenheit jum Fortkommen zu gewäbren. Wer wirklich vorwärts strebt, der kann auch heute schon Rektor, Seminarlehrer, Kreisschulinspektor werden. Den Ausbau des Rektorensystems auf dem Lande halte ich auch heute noch praktisch für undurchführbar. Der fachmännischen Schulaufsicht kann man auch entgegenhalten, daß der Fachmann leicht daju kommt, sich ju einem Papst in pädagogischen Fragen auszubilden. Auch der Geistliche wird stets so viel Takt haben, daß er dem Lehrer nicht etwas in Gegenwart der Kinder sagt. Der Ministerialdirektor Schwartzkopff hat in der Kommission ein— dringlich nachgewiesen, daß der Lehrermangel mit ganz anderen Ur⸗ sachen zusammenhängt, als mit der geistlichen Schulaufsicht. Die ganze Frage der Schulaufsicht müßte einmal durch ein besonderes BGesetz geregelt werden. Das Bedenken, daß die Durchdringung des Unterrichts mit dem religiösen Geist, wofür die größte Sicherheit in der geistlichen Ortsschulaufsicht liegt, verloren gehen kann, nötigt uns, gegen den Antrag zu stimmen. .

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons ). Wir stimmen darin mit dem Vorredner vollkommen überein, daß in der Schule das Hauptgewicht auf die Erziehung zu legen ist, daß der Schulunterricht nicht nur äußerlich zu erfolgen hat, und daß die Kinder vor allem zu guten Bürgern und zu guten Christen erjogen werden sollen. Aber wir meinen doch, daß es zur Durchdringung des Unter richts mit diesem Geiste durchaus nicht der Aufsicht von Geistlichen bedarf, weder in der Kreis.! noch in der Lokalinstanz. Nachdem wir das Volksschulgesetz im vorigen Jahre gemacht haben, wird der Finfluß des Geistlichen an die Stelle gebracht, wo er hin⸗ gehört, nämlich in die Schulpflege. Wir meinen auch, daß in der Volksschule der Grundsatz verwirklicht werden muß, daß die Kirche die Erteilung des Religionsunterrichts hat. Jedenfalls werden wir für den Einfluß der Kirche dabei zu sorgen haben; aber mit der Frage der Schulaussicht hat das nicht das mindeste zu tun. Damit dem Volksgefühl die Religion erhalten bleibt, müssen die Lehrer instand gesetzt werden, den Unterricht mit vollem Herzen zu erteilen, denn nur dann dringt der Unterricht ins Herz. Aber mit der Schulaufsicht hat das nicht das mindeste zu tun. Das beweist einfach die Tatsache, daß in Preußen in zablreichen Fällen die Lokalschulinspektion nicht von den Geistlichen des Ortes, sondern von dem Kreisschulinspektor im Hauptamt ausgeübt wird, und daß in diesen Schulen der Religionsunterricht nicht minder in dem Vorder⸗ grund steht als in den anderen Schulen. Nach diesen Erfahrungen widerstrebt also die Kreisschulinspektion im Hauptamt durch Fach- männer der zentralen Stellung des Religionsunterrichts in der Schule nicht im mindesten. In den Kreisen der evangelischen Geist⸗ lichen wird die Schulaufsicht immer mehr als ein Danagergeschenk für die Geistlichen und für die Kirche angesehen. Das ist in zunehmendem Maße Ueberzeugung der Geistlichen. Eine ganze Reihe von Geistlichen, die früher auf seiten der geistlichen Schul⸗ aufsicht standen, erklären sich jetzt davon überzeugt, daß für die Stellung der Geistlichen die Hereinziehung derselben in die Parteien durch die Schulinspektion bedenklich ist, und daß es für den Frieden in der Gemeinde besser ist, wenn sie von dieser Last befreit werden. Die gestrige Erklärung des Ministers auf, die Frage, ob die Regierung unserem Wunsche einer Dezentralisation der Unterrichtsverwaltung baldigst entsprechen werde, war absolut un befriedigend. Bei der Verabschiedung des Volksschulunterhaltungs⸗ gesetzes hat dag Haus eine solche n als die Voraus⸗ setzung für die gedeihliche Fortentwicklung des Volksschulwesens zur Lösung seiner großen Kulturaufgaben bezeichnet. Die Volksschule

erfüllt heute bedauerlicherweise nicht mehr ihren historischen Beruf

1907.

im preußischen Staate; deshalb muß die innere Gestaltung des Schulwesens Hand in Hand gehen mit einer Neuregelung der Ver—= waltung. Wenn die Volksschule ihren Beruf erfüllen soll, so wird es notwendig sein, ein oberes Stockwerk aufzusetzen, um die Lücke zwischen der Erziehung in der Volksschule und im Heeresdienst aus— zufüllen, damit die jungen Leute nicht ohne jede Zucht und Schulung beranwachsen und den Verführungen, die sich gegen Christentum und Monarchie richten, schutzlos preiggegeben sind. In unserer arbeitenden Bevölkerung besteht ein starker Bildungshunger. Es wäre ein schwerer Fehler, wenn wir ihn nicht durch gute Einrichtungen stillen, sondern diese Stillung den sozialdemokratischen Organisationen überlie ßen. Durch eine solche Schuleinrichtung machen wir unsere Bürger nicht nur für den wirtschaftlichen Kampf fähig, sondern schaffen auch die Voraussetzung für die richtige Anwendung einer großeren Bewegungs⸗ freiheit und größerer Rechte, die wir dem Volke aus wichtigen Gründen staatserhaltender Natur in naher Zeit gewäbren müssen. Wenn nach dem Antrage, den wir mit den Liberalen jusammen stellen, die Schulaufsicht gestaltet wird, dann müssen wir fär die Lehrer zunächst eine Laufbahn schaffen in Verbindung mit anderer Einrichtung des Besoldungswesens. Dann wird auch in der Lokal⸗ instanz die Aufsicht in die Hände der Rektoren sowohl in den Städten wie auf dem Lande gelegt werden können. Die rechte Seite des Hauses verlangt in der Schulverwaltung die Beseitigung der Buregukratisierung der Schule, während die linke Seite die Schaffung von Rechtskontrollen wünscht. Diese Wänsche können erfüllt werden, denn durch die Dezentralisation der Schulverwaltung schaffen wir zugleich die erforderlichen Kontrollen. Die Selbstverwaltung muß in weitem Maße an der Schulverwaltung beteiligt werden. Meine Freunde legen sowohl auf die Entbureaukratisierung der Schulverwaltung zu GSunsten der Dezentralisation wie auf die Schaffung der Rechtskontrollen großen Wert. Wir dürfen diese Reform nicht ad Kalendas Graecas verschieben. Wir müssen zunächst einmal durch sorgfältige Ver waltungsrechtsprechung feststellen, was eigentlich jetzt Rechtens ist. So werden wir die Grundlagen für die künftige Gesetzgebung ge—⸗ winnen. Alle Teile Hauses wünschen, daß diese Reform möglichst bald kommen möge. Bei dieser Organisation wird dann auch die Kreisschulaufsicht im Hauptamt naturgemäß sein. Zwar ist die geistliche Schulaufsicht nicht minderwertig, aber sie muß doch durch die Aufsicht im Hauptamt abgelöst werden, denn die Aus⸗ übung im Nebenamt wird von Jahr zu Jahr schwieriger und ein Ersatz wird nur zu schaffen sein durch Heran— ziebung der Lehrer. Die einklassigen und die U , müssen besetzt werden mit Lehrern, die frisch vom Seminar kommen. Die pädagogische Führung dieser Lehrer muß in den Vordergrund treten, und deshalb erfordert die Aufsicht eine volle Kraft und kann nicht von den Geistlichen im Nebenamt geübt werden. Aber wenn die Funktionen in der Kreisverwaltung dazu kommen, dann ist es unmöglich, daß sie von einem Geistlichen im Nebenamte wahr— genommen werden; dann tritt die Voraussetzung ein, unter der Sie selbst erklärt haben, daß die Wahrnehmung der Kreisschulinspektion im Nebenamt durch Geistliche durch die Wahrnehmung der Kreisschul⸗ inspektion im Hauptamt durch Fachmänner ersetzt werden muß. Dieser Uebergang vollzieht sich also in einer Weise, die Ihnen nicht das mindeste Opfer grundsätzlicher Natur zumutet, sondern auf einer Grundlage, die Sie selbst für den Uebergang vom Nebenamte zum Dauptamte für eine gangbare erklärt und auch danach gehandelt haben. So scheint mir die baldige Durchführung der Dezentralisation, wie wir sie mit großer Mehrheit im vorigen Jahre gefordert haben, ein neues Gebiet zu eröffnen, auf dem alle Parteien dieses Hauses, die bei dem Schulunterhaltungsgesetz zusammengewirkt haben, wieder zusammenwirken können, und zwar nicht bloß diese, sondern daß auch die Linksliberalen, die damals gegnerisch standen, ihre 8 zu positiper Arbeit mitbieten werden. Gerade aus allgemeinen Gründen. wie der Abg. Funck hervorgehoben bat, und aus schulpolitischen Gründen erscheint die baldige Inangriffnahme der Aufgabe so ge⸗ boten wie möglich. Hätte man diese schulpolitischen Gesichtspunkte innerhalb der Unterrichtsverwaltung nach ihrem bollen Werte ge würdigt, so hätte es nahe gelegen, ja es wäre nahezu selbstverständ⸗ lich gewesen, daß der Minister eine Erklärung etwa des Inhalts abgegeben hätte: es ist gar nicht möglich, unmittelbar an eine so weittragende und schwierige Reform heranzutreten; ehe eine solche Gesetzgebung ins Leben tritt, muß die Durchführung des Schulunter⸗ haltungsgesetzeg und die Durchführung des Lehrerbesoldungegesetzes abgewartet werden. Aber wir sind ef, sobald dies he. ehen ist, mit einer entsprechenden Vorlage an das Haus heranzutreten, und werden inzwischen bereits die nötigen Vorbereitungen genau in der— selben Weise für eine solche Vorlage treffen, wie es für das e ,,, während der Ausführung des Schul⸗ unterhaltungsgesetzes geschehen ist. Wenn eine solche , und zugleich die Erklärung gegeben worden wäre, daß mit de m Lehrerbesoldungsgesetz auch die Eröffnung der Lehrerlaufbahn in unserem Sinn unternommen wird, dann wäre der heutige Antrag gar nicht notwendig gewesen, und dann wäre man auch wohl bereit gewesen, den Antrag heute zurückzustellen, um einen Gegensatz zwischen den Parteien, auf deren Zusammenwirken wir im Reiche an— gewiesen sind, hier zu vermeiden. Was hat nun der Herr Kultusminister an dessen Stelle erklärt? Er hat eine so nichtssagende Erklärung abgegeben, wie ich eigentlich in meinem Leben kaum eine gehört habe. Er hat eine ernste Prüfung dieser Frage seitens der Staatsregierung zugesagt. Nun, wenn wir mit großer Mehrheit im vorigen Jahre, und zwar nicht gegen den Widerspruch der Staatsregierung, sondern unter einer Haltung, die uns annehmen ließ, daß die Regierung damit einverstanden wäre, den Beschluß gefaßt haben, daß möglichst bald eine Vorlage wegen Dezentralisation der Verwaltung gemacht werden solle, dann ist es einfach die verfluchte Pflicht und Schuldigkeit der Regierung, diesen unseren Beschluß 'ernstlich und reiflich zu prüfen. Das ist keine Antwort auf die Frage, die ich gestellt habe; das ist ganz selbstverständlich. Im uͤbrigen hal der Herr Kultusminister nur Hinderungsgründe aller Ärt aufgeführt, die den Eindruck gemacht haben, als ob die Sache wirk— lich nicht ernstlich in Angriff genommen, sondern auf die lange Bank geschoben würde. Es mag sein, daß das nicht die Absicht des Ministers gewesen ist; ich glaube sogar annehmen zu dürfen, daß er eine entgegenkommendere Erklaͤrung hat abgeben wollen ich will ein anderes böses Wort unterdrücken —, aber wir können uns doch nur an den Wortlaut der Erklärung halten, und der ist in der Tat so molluskenhaft, so nichtssagend, gewissermaßen nicht gehauen und nicht gestochen, daß man damit nichts anfangen kann. Der Eindruck. den diese Erklärung gemacht hat, ist wahrscheinlich dadurch noch ungünstiger aus= efallen, daß der Minister dem vorbereiteten Teil feiner Rede einen mprovisierten Teil vorausgeschickt hat, in dem er sehr scharf gegen den Begründer dieses Antrages, den Abgeordneten Schfffer polemisiert hat. In solchen Fällen ist es häufig der Ton, er überhaupt den Eindruck bestimmt. Ich habe heute eine ganze Menge von Berichten in der Presse gelesen, und zwar waren es nicht etwa räsonierende Berichte, sondern er , in denen der materielle Teil der Erklärung des Ministers unter dem Eindruck dieses ersten Teils noch weiter verflüchtigt wird, als er es in Wirklichkeit war. Diese Sachbehandlung elner Frage, die für die Fortentwicklung unseres ganzen Schulwesens von so großer Bedeutung ist, ist nicht diejenige, die wir erwartet haben, und die wir zu erwarten ein Rent hatten. Wenn einer Verwaltung wie der Unterrichtsverwaltung n solches Maß reicher Kulturaufgaben gestellt ist, so sollte man au⸗

dieses