1907 / 71 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 20 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

Luftdruck an einer der Lampen entjündete. Die Explosion tötete die auf der 417 m⸗Sohle arbeitenden Bergleute sogleich und giftige Nach⸗ 1 setzten das Vernichtungswerk guf der 347 m⸗Sohle fort. Die

ergbebörde babe 1802 nach dem Muster der westfälischen Berg⸗ ordnung eine entsprechende Verordnung gegen Schlagwettergefahr er⸗ lassen und diese Verordnung sei stets auf den de Wendelschen Gruben befolgt worden. Durch die Fürsorge des Hauses de Wendel sei für die Hinterbliebenen der Toten und fur die Verletzten fürs erste ausreichend gesorgt; dann träten die gut dotierte Knappschaftskasse und die staatliche Versicherung ein. Sollten außerordentliche staatliche , , e, nötig werden, so würde die Regierung mit einem solchen

nsuchen an das Haus herantreten in der Erwartung, daß es ihr seine Hilfe nicht versagen werde.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Wie die „Neue Freie Presse“ aus Budapest meldet, haben die Verhandlungen zwischen den österreichischen und ungarischen Ministern über einen langfristigen Aus⸗ gleich ein negatives Ergebnis gehabt und sind als ge⸗ scheitert zu betrachten.

Großbritannien und Irland.

Der Präsident des Handelsamts Lloyd George brachte gestern im Unterhause eine Novelle zu dem gegen⸗ wärtigen Patentgesetz ein.

Nach dem Bericht des W. T. B. erklärte er, daß es der Haupt⸗ zweck des vorgelegten Gesetzentwurfs sei, zu verhüten, daß die gesetz⸗ lichen Bestimmungen über den Patentschutz zu einem Hindernis für die industrielle Entwicklung Großbritanniens ausgenützt würden. Von den 14700 im letzten Jahre erteilten Patenten seien 6500 an Ausländer verliehen worden. Dagegen wolle er nichts einwenden, aber viele dieser Patente seien genommen worden, um die Anwendung der Patente in England zu verhindern. Dies sei ein Mißbraua der durch das britische Gesetz zugestandenen Vorrechte. Die Novelle sehe deshalb vor, daß ein beliebiger Antragsteller nach drei Jahren die Nichtigkeitserklärung eines Patents verlangen könne, wenn es in England nicht in angemessener Weise ausgeübt worden ist. Ein anderer Weg, auf dem große ausländische Syndikate britische In⸗ dustrien zerstörten, sei der, daß sie um Patente einkämen, die sie in dunklen, unbestimmten Ausdrucken beschrieben und die jede Erfindung deckten, die möglicherweise in England gemacht werden könne. Diese Patente seien im Auslande nicht in Anwendung; aber wenn ein englischer Erfinder bona fide eine Entdeckung gemacht habe und sich das . dafür sichere, würde von diesen mächtigen Gesellschaften ein

erfahren wegen Patentverletzung angestrengt. Er, der Minister, schlage vor, dem zu begegnen, indem man eine obligatorische Maß— nahme treffe und diese mächtigen Syndikate zwinge, Muster zu depo—⸗ nieren. Für den Fall, daß keine Muster hinterlegt würden, sollten die

Patente verweigert werden. Nach seiner Meiuung diene die Bill den Interessen des Freihandels und er fürchte den Wettbewerb des Aus— lands so lange nicht, als der beitische Handel frei sei, um ihn jzu be⸗ kãmpfen.

Im weiteren Verlaufe der Sitzung gab der Staatssekretär für Indien John Morley in Beantwortung einer Anfrage, betreffend die Opiumfrage, folgende Erklärung ab:

Der Meinungsaustausch, ju dem die chinesische Regierung im Hinblick auf die beabsichtigte Einschränkung der Einfuhr ausländischen Opiums eingeladen habe, werde mit aller Beschleunigung eingeleitet werden und werde, wie er hoffe, ein befriedigendes Uebereinkommen als Ergebnis haben.

Frankreich.

Der Ministerrat hat gestern beschlossen, den verstorbenen Chemiker Marcellin Berthelot auf Staatskosten zu beerdigen und dem Parlament eine entsprechende Kredit⸗ forderung zu unterbreiten. Die Leichenfeier wird gemäß dem Wunsche des Verstorbenen rein zivilen Charakter tragen. Der Ministerrat hat, „W. T. B.“ zufolge, ferner be— schlossen, den angekündigten Antrag des Deputierten Jaurès, betreffend die Bildung einer parla⸗ mentarischen Untersuchungskommission, der die Papiere des Msgr. Montagni ni zu unterbreiten wären, in der Kammer nicht zu bekämpfen. Gleichwohl hielt er es für unnötig, die Kommission sofort einzusetzen, da die Papiere vor Beendigung des schwebenden Prozesses Jouin nicht mitgeteilt werden können. Der Matrineminister. Thomson teilte die ersten Ergebnisse der Untersuchung über die, Isna“⸗Katast rophe mit und gab bekannt, in welchem Sinne er die hierauf bezüglichen Anfragen in der Kammer und im Senat beantworten würde. Der Ministerrat er⸗ mächtigte zum Schluß den Kriegsminister Picquart, der Kammer einen Gesetzentwurf zu unterbreiten, der die Straf— kompagnien abschaffen und sie durch Besserungs⸗ abteilungen ersetzen will, die auf den im Bereich der heimischen Gewässer liegenden Inseln, wie z. B. Olsron, stationiert werden.

In der Deputiertenkammer brachte gestern der Kultusminister Briand laut Beschluß des Ministerrats eine Vorlage ein, durch die 20009 Fr. für die Bei⸗ setzung Berthelots aus Staatskosten gefordert werden. Das Haus nahm diese mit 485 gegen 7 Stimmen an. Der Präsident Brisson feierte dann Berthelot als großen Gelehrten und Bürger und schlug vor, zum Zeichen der Trauer die Sitzung aufzuheben. Ein Intrag, nach drei Stunden die Sitzung wieder aufzunehmen, wurde mit 382 gegen 137 Stimmen abgelehnt und es wurde mit 539 gegen 15 Stimmen beschlossen, heute eine außerordent⸗ liche Sitzung abzuhalten.

Der Senat, in dessen gestriger Sitzung der Präsident Dubost gleichfalls der Trauer Ausdruck gab, in die Frank⸗ reich und die Menschheit durch den Tod Berthelots versetzt seien, bewilligte den Kredit von 20 000 Fr. zur Beisetzung Berthelots auf Staatekosten und beschloß einstimmig, die Sitzung zum Zeichen der Trauer zu schließen. .

Rußland.

Die Reichs duma hat gestern im Saale der Adels— versammlung eine Sitzung abgehalten, in der der Minister— präsident Stolypin die ministerielle Erklärung verlas. In dieser Erklärung gibt der Ministerpräsident zunaͤchst ein allgemeines Bild der von der Regierung ausgearbeiteten Gesetzes vorlagen und weist dann darauf hin, daß in den Staaten, die seit langem ein repräsentatives Re⸗ gierungssystem besitzen, neue Gesetze nur die Ergeb⸗ nisse normaler Notwendigkeit seien und daß die Regie⸗ rung in solchen Staaten keine große Mühe habe, die Annahme der Gesetze zu erreichen. In einem Lande aber, das sich im Zustande der Wiedergeburt und Neubildung befinde, liege die Sache anders. In einem solchen Lande spiegele jedes neue Gesetz das ganze Leben des Landes wider und es sei not⸗ wendig, daß alle Vorlagen der Regierung durch denselben all⸗ de, e. Gedanken verbunden seien, der die Grundlage der

mbildung des Staats bild ; verteidigt werde ilde, und daß dann dieser Gedanke

Die Regierung, heißt es nach dem Bericht des W. T. W.“ in der Erklärung weiter, hält es für notwendig, die vom Leben selbst auferlegten Forderungen späterer Erwägung vorzubehalten und daher die 8 und Gesetzesvorlagen abzuändern. Die Regierung hat des halb alle der Duma r , . Gesetze auf derselben allgemeinen Idee aufgebaut, nämlich materielle Grundsätze zu schaffen, in denen die neuen, aus den jüngsten Reformen sich ergebenden Rechts- verhältnisse verkörpert 65 sollen. Unser Vaterland muß in einen konstitutionellen Staat umgewandelt werden. Es müssen wirkliche Grundlagen geschaffen werden, um die Rechte des Staats und der Ginzelpersonen zu bestimmen und festzusetzen und die Wider- sprüche der alten gegen die neuen Gesetze zu beseitigen sowie deren völlig willkürliche Auslegungen durch Pripatpersonen und Beamte zu verbindern. Deshalb hielt es die Regierung für notwendig, eine Reihe von Gesetzentwürfen vorzulegen, die unter dem neuen dtegime in Rußland entstanden sind.

Die Erklärung führt sodann die Gesetze auf, die wegen ihrer Wichtigkeit und Dringlichkeit bereits vor dem Zusammen⸗ tritt der Duma verkündet worden sind und nun der Duma . Beratung überwiesen werden. Der Kabinettschef erklärt,

es nicht erforderlich sei, auf der Dringlichkeit der Gesetze zu bestehen, die die bürgerliche Gleichstellung aller Bevölkerungs⸗ klassen festsetzen sollen. Er weist dann auf die Notwendigkeit einer bäuerlichen Gesetzgebung hin, um der Landnot ein Ende zu machen, unter der der größte Teil der Nation leide.

Die Regierung habe, führt Stolvpin aus, die moralische Pflicht, den Bauern gi mäßige Wege zu weisen, um aus dieser Not heraus—⸗ jukommen. Deshalb seien Gesetze 236 nach denen den Bauern Kaiserliche und Staatsdomänen überlassen und andere Maßregeln ergriffen werden, um eine Reorganisation des Loses der Bauern sicher u stellen. Auch für die Emanzipation der Bauern und Gemeinden habe die Regierung Maßregeln getroffen.

Außer der bäuerlichen Gesetzgebung hat die Regierung eine Reihe von Vorlagen vorbereitet, die die Verwirklichun der in dem Manifest vom 30. Oktober niedergelegten, aber no nicht durch Gesetz sanktionierten Grundsätze bezwecken.

Die Gewissensfreibeit, die Freiheit des Brief . wechsels, die Unverletzlichkeit der Person seien noch nicht durch die russische Gesetzgebung geregelt. Um die reli⸗ giöse Toleranz zu sichern, habe die Regierung eine Re— vision der Gesetzgebung für notwendig gehalten, damit fest. gestellt werde, welchen Abänderungen die Gesetzgebung im Hinblick auf das Manifest vom 30. Oktober 1905 zu unterziehen sei. Vorher aber habe die Regierung mit Festigkeit als Grundsatz aufstellen müssen, daß das Prinzip des christlichen Staats, in dem die orthodoxe Religion die privilegierte sei, die Grundlage aller legis⸗ lativen Anforderungen sein müsse. Die Regierung halte es für ihre Pflicht, die Freihest der orthodoxen Kirche in besonderem zu schützen, denn die russische Nation sei stets von der orthodoxen Religion durch⸗ drungen, die den Rubm und die Macht Rußlands bilde. Die Rechte der orthodoxen Religion sollten aber die Rechte der übrigen Religionen nicht beeinträchtigen. Die Regierung werde eine Reihe von Gesetzen einbringen, betreffend den Uebertritt zu einer anderen Religion, die Abhaltung von Gottesdiensten ꝛc.

Das Gesetz über die Unverletzlichkeit der Person sei auf den allgemeinen Grundsätzen aufgebaut, die in den konstitutionellen Staaten gälten. Alle Eingriffe in dieses persönliche Recht seien der richterlichen Gewalt vorbehalten. Die Ausnahmegesetze, von denen es jetzt drei verschiedene Arten gebe, würden wesentlich abgeändert werden; so babe die Regierung z. B. beschlossen, die administrative Verbannung abzuschaffen.

In der Erklärung heißt es sodann weiter:

Die Regierung schenke besondere Aufmerksamkeit den Gesetzen über die Selbstverwaltung der Semstwos, der Städte und der Körperschaften der Lokalverwaltung, die völlig umgestaltet werden sollen. Der Entwurf sieht in dieser Absicht den „Wolost' als kleinste administrative und sonale Einheit vor, die sich selbst verwaltet, ohne 1 irgend welche Klagen unterschieden werden.

Sodann folgen die Reformen der Verwaltung der Stadt⸗ gemeinden, der Semstwos, der Polizei und der ad⸗ ministrativen Bezirke des Reichs. Der Plan der Organisation einer nationalen Vertretung der Semstwos soll sich gründen auf das Prinzip der Besteuerung unter Beteiligung der Grundbesitzer als einer für die Kulturentwicklung wichtigen Klasse. Die Reformen der Ver⸗ waltungsbezirke zielen auf eine Vereinheitlichung aller Zivilgewalt in den Kreisen, Gouvernements, Provinzen usw. ab.

Weiter folgt die Justizreform, bei welcher die Wahl von Friedensrichtern durch die Ortsbevölkerung die Grundlage bildet. Von dem Justizminister wird eine Reihe von Reformen auf dem Gebiete des Zwil⸗ und Strafprozeßverfabrens eingebracht werden, die auf den Grundsätzen aufgebaut sind, die in anderen Staaten bereits Geltung baben, so zum Beispiel die Zulassung von Advokaten und Verteidigern bei der von einem Untersuchungsrichter zu führenden Vorunterfuchung. Der Minister wird eine neue Kodifizierung des gesamten Strafrechts, des Hypothekenrechts und des jetzigen Grundeigentumérechts vorschlagen. . Die Ackerbauverwaltung wird höchst wichtige Gesetze vorlegen, die die bäuerliche Bevölkerung betreffen, die jetzt in ein neues, mit der übrigen Bevölkerung gemeinschaftliches Leben eintritt, in wirtschaftlicher Beziehung aber noch schwach ist und sich nicht selbst ehe solide Existenz sichern kann. Die Ackerhauverwaltung wird es deshalb ihre Sorge sein lassen, den Landbesitz der Bauern zu ver— mehren. Um die örtlichen Agrarkommissionen, von denen die Wobl— fahrt der Bauern abhängt, enger mit der Bevölkerung zu verbinden, be. Zahl ihrer von den Bauern zu wählenden Mitglieder erhöht werden.

In betreff der Arbeiterfrage ist die Regierung von der abso⸗ luten Notwendigkeit der Beteiligung des Staats an der Gestaltung der Lage der Arbeiter überzeugt. Da die Regierung der Ansicht ist, daß die Arbeiterbewegung eine Besserung der Lage der Arbeiter be⸗ weckt, wird die Regierung von allen Maßregeln absehen, die eine künftlicͤhe Nährung dieser Bewegung in sich schließen, aber auch von allen Maßregeln, die geeignet sind, die Bewegung einjudãmmen. Die Regierung wird auch die Interessen der Gesellschaft wahren müssen, um sie gegen Ausschreitungen zu schützen. Sie wird den be—⸗ teiligten Parteien sowohl Unternehmern als Arbeitern vollkommene Aktionsfreiheit sichern, einschließlich des Rechts ju wirtschaftlichen Streiks. Als positive Maßnahmen plant die Regierung Invaliden⸗ und Krankenversicherung der Arbeiter, das Verbot der Arbeit bei Nacht und unter Tage für Frauen und Kin der sowie Herabsetzung der Zabl der Arbeitsstunden für alle Arbeiter.

Das Verkebrsministerium ist mit der Weiterentwicklung der Gisenbahnen beschäftigt, die gegenwärtig eine Schienenlänge von 61 25 Weist besitzen. Geplant ift auch der Bau einer Amur Eisenbahn, die von einer Station der Transbaikalbahn bis nach Chabarowsk geführt werden soll, um einen duichlaufenden Schienenweg jwischen dem euroräischen Rußland und dem fernen Often herzustellen, der nur durch russssches Gebiet führen wird und für die Lebenginterefsen des Reiches not⸗ wendig ist. Weitere Maßnahmen bezwecken die Ver—⸗ besserung der russischen Eisenbahnen in Europa, der Wasserstraßen usw., eine Abänderung der Gesetze über die Enteignung von Privatbesitz in besonderen Fällen usw.

Die Regierung ist der Ueberzeugung, daß alle aufgezählten Maß- nahmen sich nicht verwirklichen lassen obne eine radikale Reform des öffentlichen Unterrichts. Die Regierung wird die Teil- nahme am Unterricht zunächst eine freiwillige sein lassen, sie dann aber, was die Elementarschulen anbetrifft, obligatorisch machen.

Die Regierung ersucht sodann die Duma, die Beratung des Budgets unverzüglich zu beginnen, da die Budgetfragen um so dringender seien, als einerseits die Lage Rußlands

Sparsamkeit erfordere, andererseits die Reformen Ausgahen erheischten.

e Budgeteinnahmen sind, so wird in der Erklärung auggef niedriger geworden wegen der Aufhebung der Ablösungszablungen!“ welche die Bauern für ihre Länderelen zu zahlen hatten, und . der Zunahme der Zinszahlungen für im Auslande aufgenommen? leihen. Die Entwickelung eines Staats kennt ebenso wie die g . wickelung der Tätigkeit von k Perioden verstãrkter gur. breitung. Die radikale Aenderung unseres Systems im Jah 1905 bat eine solche Periode eröffnet und neue Fan rungen für das Staatsleben geschaffen. Der unglücklich derleasg Krieg macht, so groß auch der Wunsch auf Erhaltung des Frlerrnt und so notwendig die Beruhigung des Landes sein mag, nene Aug. gaben notwendig. Wenn wir aber unsere militärische Machnstelt und die Würde unseres Vaterlandes wahren, wenn wir nicht une Zustimmung dazu geben wollen, daß wir unseren Platz unter den Hin mächten verlieren, dann dürfen wir nicht vor der Notwendigkeit de Ausgaben zurückschrecken, die uns die große ,, . . auferlegt. Der außerordentliche Charakter dieser Anforderungen zwingt ju der Oeffnung außerordentlicher Einnahmequellen. Finanzminister wird infolgedessen neue Steuern beantragen eine Einkommensteuer und Abänderungen der Erb steue rn. Die Regierung will auch den Organen der Selt stverwallun einen Teil der Staattzeinkünfte überlassen, denn wenn die DHesig un der Semstwos und der Städte ausgedehnt werden, muß die Regierung nf auch die Möglichkeit gewähren, ihre neuen Veipflichtungen n erfüllen.

Am Schluß der Erklärung heißt es:

Die Beruhigung und die Wiedergeburt des großen Rußland i nur möglich auf dem Wege der Verwirklichung der neuen Prinzsplen Die Regierung ist bereit, die größten Anstrengungen ju machen; ihre Arbeitskraft, ihr guter Wille und ihre Erfahrung sflehen zur Ver fügung der Duma, die als Mitarbeitrr eine Regierung haben wird die es für ihre Pflicht erklärt, die geschichtlichen So ern gen Ruß⸗ lands zu wahren und die Ordnung und Ruhe im Lande wiederherzu, stellen, das heißt: eine feste und eine rein russische Regierung, wie g die Regierung Seiner Majestät sein soll und sein wird.

Die vom Ministerpräsidenten abgegebene Erklärung wurde von der großen Mehrheit der Duma mit Schweigen und nur von der Rechten mit Beifall aufgenommen. Sodann hielt der sozialdemokratische Abgeordnete Zereteli eine Rede gegen die Regierung, in der er in heftigen Ausdrücken die Politik des Kabinetts Stolypin nach der Auflösung der Duma kritisierte.

Der Redner warf dem Ministerpraͤsidenten die Einführung der Feldgerichte vor, Knebelung der Presse und die sogenannte Verbesse= rung des Loses der Bauern, deren wahrer Zweck nur sei, den Appetit der Grundbesitzer zu befriedigen. (Zdärm. Rufe: Genug! Hinaus! auf der Rechten) Der Präsident hatte große Mühe, den Lärm zu unterdrücken, der sich noch verschiedentlich wiederholt und besonders stark wurde, als Zereteli die Worte des Agg. Nabokow wiederholte, die dieser im Jahre 1906 nach der Er, klärung des damaligen Ministerpräsidenten Gorempkin äußerte . die Exekutivgewalt sich der fle gebenden Gewalt unterzuordnen habe. Zereteli meinte, er zweifle, daß diese Hoffnung sich erfülln werde; aber dessen sei er gewiß, daß die ganze Nation sich gegen ne Unterdrücker und die Veranstalter der Pogrome erheben werde. Di Duma wisse bereits, daß die Regierung 6 dem Willen des Ville nur unterwerfen werde, wenn sie dazu gezwungen werde; folglich mie das Volk organisiert werden, um sich die Exekutivgewalt gewallsam zu unterwerfen. (Lärm auf der rechten Seite. Rufe: Wir können nicht mit anhören, daß die Duma zur Erhebung mit den Waffen aufgefordert wird.) Zereteli erwiderte, nicht er bereite eine bewaffnete Erhebung vor, sondern die Regierung, die das Voll zun äußersten treibe, Er verlas sodann namens der sozialdemokratischen Partei eine Erklärung, die besagt, daß die Partei als einziges Ziel anstrebe, dem Volke die Augen uber die wahren Absichten der Regie= rung zu öffnen, um es für den Entscheidungskampf gegen das Willkür⸗ system zu organisieren.

Der Präsident Golowin verlas hierauf einen von 35 Deputierten eingebrachten Antrag auf Schluß der Debatte, der Antrag wurde abgelehnt, da mehr als 50 Deputierte da— gegen stimmten. Der Fürst Dolgorukow verlas einen An— trag auf Uebergang zur einfachen Tagesordnung, der von den Kadetten eingebracht war.

ier g. Redner der Rechten, wie Graf Bobrinsky, Kruschewan, Purischkewitsch, der Bischof Platon ven Kiew, forderten die Duma auf, mit dem Kabinett Stolypin zu arbeiten und von den revolutionären Ideen abzulassen, andernfalls würden Unterdrückungsmaßregeln von neuem unerläßlich sein.

Ein Mitglied der Rechten, der Deputlerte für Bessarabien Sinadino, sagte, man müßte 43 Stunden sprechen, um die Duma von der Notwendigkeit der gesetzgeberischen Arbeit ju überzeugen. Der Bischof Platon beklagte sich uber die Verleumdungen, die von den Blättern der Linken verbreitet würden. Der Graf Bobrinskv schlug eine Tagesordnung vor, die das Vertrauen zur Regierung und den Willen der Duma ausdrückt, mit ihr zu arbeiten, und die erste Duma tadelt. Der Praͤsident bemerkte, daß eine Kritik der ersten Duma in . 2 unzulässig sei. (Lebhafter Beifall auf der Linken und im

entrum

Ein Antrag, die Redezeit auf 5 Minuten zu beschränken, wurde einstimmig angenommen.

Zahlreiche Redner der Rechten befürworteten weiter di Ausführungen der Regierungserklärung und griffen gleichzeitig die Redner der Linken aufs heftigste an. ie Verhandlung nahm den Charakter eines Duells zwischen den Sozialdemokraten einerseits und der Rechten andererfeits an, während das Zentrum und die übrigen Parteien der Linken im Schweigen verharrten.

Der Bischef Eulogius versuchte die Meinungsverschiedenbeiseh auszugleichen. Er erklärte, die Mitglieder der Rechten seien keine Feinde des Volkes, sie hätten aber die Ueberzeugung, daß eine Wieder geburt Rußlands nur auf friedlichem Wege möglich sei. Hierauf et⸗ griff der Ministerpräsitent Stolypin* nochmals das Wort und wandte sich an das Zentrum und die Linke, indem er ausführte, daß die Fteglerung niemals solche Töne des Haffes anschlagen werde wie die äußerste Linke. Die Regierung halte es für nötig n erklären, daß nach dem Gesetze die Duma nicht aus Richtern und die Ministerbank nicht aus Angeklagten bestehe, letztere sel vielmehr in Besitze der Macht. Die gegenwärtige Regierung habe ihr Ami ĩber⸗ nommen, als die Flammen der Revolution im ganzen Lande wüten, sie wußte, welche große Verantwortlichkeit sie übernahm, welchen An. griffen sie ausgesetzt sein werde, aber sie sei bereit, für die Beruhigun des Landes zu arbeiten. Die Regiernng wisse auch, daß 9. hörden bisweilen geneigt sind, ihre Macht zu mißbrauchen, und werde sich freuen, wenn die Duma folche Uebergriffe aufdeck. Regierung fliehe die Verantwortlichkeit nicht; wenn man aber ibte Abfichten und ihren Willen lähmen wolle und ihr zurufe Hande hoch', so sage sie: Sie können uns keine Furcht einjagen'.˖ 6.

Hierauf wurde mit großer Mehrheit beschlossen, zur ein fachen Tagesordnung überzugehen, und die nächste Sitzung au heute angesetzt.

Im Reichsrat wurde die Regie rungserklärung estern abend ebenfalls urch Stoly pin verlesen und hier mn 8 des Beifalls aufgenommen. Von drei von der Rec vom Zentrum und von der Linken gestellten Anträgen a ,,, zur Tagesordnung wurde der des Zentrums n großer Mehrheit angenommen. Er hat, nach dem Bericht

„W. T. B.“, folgenden Wortlaut:

nin . e,

m der Reichsrat die Mittellung der Regierung zur w Reallsterung der Pläne un , , . der gtegierung mit en, die unter Verwirklichung der Entschlüsse der höchsten . welche ein neues Leben in das Land rief, das Woblergehen

. und die r,, . des Landes als Ziel haben werden, 8

. geht zur Taget ordnung

Spanien. Der König von Sachsen ist gestern mittag in Madrid

getroffen und, „W. T. B. zufolge, auf dem , . von

zuig Alfons, dem Prinzen Karl, den Infanten n und Rainer sowie den Spitzen der Behörden engen worden. Unter militärischer Eskorte begaben sich nie beiden Monarchen nach dem , Schlosse, wo roßer Empfang und danach ein Frühstück stattfanden, bei dem . ssprüche ausgetauscht wurden. Am Abend trat der önig von Sachsen über Paris und Cöln die Rückreise

uch Dresden an. Portugal.

Die Pairskammer hat gestern, wie das „W. T. B.“ neldet, den Gesetz entwurf über die Presse, der von der Nnoritãt als der Gedankenfreiheit und der Preßfreiheit zu⸗ pider heftig bekämpft wurde, mit 131 gegen 388 Stimmen mgenommen.

Rumänien.

Infolge der seit einiger Zeit in den Bessgrabien benach⸗ harten iger der Obermoldau betriebenen Agitation ver⸗ püsteten, nach einer Meldung der „Agence Roumaine“, vor⸗

ern mehrere hundert Bauern aus der Umgegend von ztusani eine Anzahl an, und Geschäfte der Stadt, darunter mehrerer großer judischer Firmen. Die egen Je Aufrührer entsandte Militäͤrabteilung wurde mit Revolvern md Steinen angegriffen. Nach wiederholten Aufforderungen machte das Militär schließlich von der Waffe Gebrauch, Die gufrührer räumten dann den Platz und ließen vier Tote und zeun Verwundete zurück.

Bulgarien.

Das weitere Ergebnis der Untersuchung in der Angelegen⸗ het der Ermordung des Ministerpräsidenten bestätigt,

T. B.“ zufolge, die Annahme von der Existenz eines peitverzweigten anarchistischen ö Erdrückende Feweise liegen geg den Büchsenmacher des Militär⸗ menals in Sofia Blaskow vor, von dem sich heraus⸗ sellt, daß er einer der Hauptanarchisten ist. Blaskow har auch Mitarbeiter des von dem Bandenchef Gerdschikow

ausgegebenen geheimen anarchistischen Blattes „Freie er g k neue Verhaftungen sind vorgenommen orden. Die Regierung beabsichtigt, eine Gesetzesvorlage ein⸗ bringen, nach der künftighin Leute, die Mordanschläge gegen ener ausführen, standrechtlich verurteilt werden sollen.

Dänemark.

Das Landsthing hat gestern, nach einer Meldung des K. T. B.“, in dritter Lesung die Regierungsvorlage, be⸗ rend Einführung des metrischen Systems, an⸗ gnummen. Damit ist das Gesetz endgültig vom Reichstage genehmigt.

Amerika.

Die chilenische Regierung hat, „W. T. B.“ zufolge, beschlssen, eine Aenderung im Flottenprogramm vor⸗ nehmen und den Bau von großen Kriegsschiffen zu Gunsten einerer Schiffe zu verschieben. Sie beabsichtigt ferner in Talcahuano ein Dock zu bauen, das Schiffe bis zu 18 000 Tons aufzunehmen imstande sein soll.

Asien.

Nach Meldungen des „Reuterschen Buregus“ sind, wie bereits gestern amtlich von russischer Seite erklärt worden ist, die beuünruhigenden Gerüchte über Ankunft russi⸗ scher Truppen in Teheran grundlos. Es sind dreißig FRoösaken ohne Pferde angekommen, um die Schutzmannschaften der Konsulate in Kerman, Kermanschah und Ispahan ab⸗ i. Wie das genannte Bureau erfährt, sind

ngland und Rußland entschlossen, in Persien nicht 1 intervenieren; denn eine Intervention würde en fremdenfeindlichen Elementen in Persien nur den Anlaß zu Angriffen auf die Fremden geben. Sollte eine Intervention shhließlich notwendig werden, so werden England und Rußland, bevor sie einschreiten, sich untereinander verständigen; bisher sst eine solche Notwendigkeit nicht eingetreten., England hat leine Verstärkung seiner Konsulatswachen in Persien herbei⸗ geführt; die Meldungen über die Abreise indischer Truppen nach Persien beziehen sich auf die regulären Mannschafts— ablösungen.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Zweiten und Dritten Beilage.

Auf der Tagesordnung der heutigen (23.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Innern dr. Graf von Po fadowsky⸗Wehner, der Staats- sekretär des Reichsschatzamts Freiherr von Stengel und der stellvertretende Direktor der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts Dernburg beiwohnten, stand als zrster Gegenstand die Wahl des Präsidenten und der

izepräsidenten für die Dauer der Session. Nach der , , werden die drei Präsidenten bei eginn einer neuen Legislaturperiode zuerst für die Dauer von vier Wochen, danach für die übrige Dauer der Session

gewählt.) Der Vizepräsident Dr. Paasche leitete den Wahlgang für den * identen. Die cl erfolgte durch Namens⸗ aufruf und Stimmzettelabgabe. Es wurden 325 Stimm⸗ . abgegeben, davon sind 131 unbeschrieben, also ungültig. m den gültigen 194 Stimmen entfielen auf den Abg. Dr. Hrafen zu Stolberg-Wernigerode 192, daneben je eine Stimme auf die Abgg. Schwabach und Ortel. B Abg. Dir. Graf zu Stolberg. Wernigerode: Ich nehme die Dahl an. (Den Präͤsidialsitz einnehmend): Ich danke Ihnen für . Vertrauen, welcheg Sie mir abermalg erwiefen haben, Und nehme zug auf das, wa ich vor 4 Wochen an dieser Stelle gesagt habe. z um Ersten Vizepräsidenten wurde der Abg. Dr. aasche (nl) mit 191 von 199 abgegebenen gültigen Stimmen

. i 2 . r 6e wählt; zersplittert waren 8 Stimmen, unbeschrieben ettel. Abg. Dr. Paasche nahm die Wahl mit kurzen Dankes⸗ worten an. . Darauf schritt das Haus zur Wahl des Zweiten Vize⸗ präsidenten. (Schluß des Blattes.)

In der heutigen (38) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der geistlichen zc. Angelegenheiten Dr. von Studt und der Finanzminister Freiherr don Rheinbaben beiwohnten, gelangte zunächst der von Mitgliedern aller Parteien unterstüßzte Antrag des Abg. Dr. Freiherrn von Erffa zur Beratung, in dem Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Feststellung des Staatshaus—⸗ haltsetats für das Rechnungsjahr 1907, folgenden I Za einzuschieben:

„Die bis zur gesetzlichen Feststellung des Staats haushaltsetats und der Anlage daju innerhalb der Grenzen derselben geleisteten Ausgaben werden hiermit nachträglich genehmigt.“

Abg. Dr. Freiherr von Erffa (kons): Leider ist es nicht möglich geworden, die Beratung des Etats so zu beschleunigen, daß er, wie wir alle gewünscht haben, noch rechtzeitg fertig würde. Ich hahe desbalb mit den anderen Parteien einen Antrag eingebracht, der die Regierung aus der Notlage befreien soll. Ich darf dabei voraussetzen, daß die Reglerung sich zu neuen Ausgaben nur dann für ermächtigt . r wenn es sich um dringende und notwendige Leistungen

andelt.

inanzminister Freiherr von Rheinbaben: Der Abg. Freiherr

von Erffa hat seinen großen Verdiensten als Vorsitzender der Budget kommission um die Gestaltung des Etats ein neues hinzu— efügt, indem er uns einen Ausweg aus der Situation kin die sich daraus ergibt, daß sich eine rechtjeitige Verab— schiedung des Etats nicht erreichen läßt. Durch dle uns erteilte Ermächtigung wird uns ja ein großes Maß von Verantwortung auferlegt. Die laufenden Ausgaben im Rahmen des Etats von 1966 zu leisten, werden wir uns für ermächtigt halten. Zu neuen Ausgaben werden wir uns nur dann für ermächtigt erachten, wenn es sich um dringende und notwendige Leistungen handelt und wir an— nehmen können, daß das Haus seine Zustimmung dazu geben wird. Das ist bei einer sehr großen Anzahl von Positionen schon der Fall, die bereits die zweite Lesung passiert haben. Nur ein Teil dez Kultusetats steht noch aus, und wir werden uns zur Leistung der betreffenden Ausgaben nur für ermächtigt erachten, wenn die betreffenden Positionen in der Budgetkommission nicht angefochten sind. Es handelt sich dabei vor allen Dingen um die Besetzung neuer Stellen, die Gewährung von Gehalte zulagen und die Vorberéitung von Bauten. Es würde ein ganzes Jahr verloren gehen, wenn man mit der Vorbereitung dieser Bauten, mit den Verdingungen nicht alsbald begönne. Feste Regeln, wie man im einzelnen versahren wird, lassen sich naturgemäß nicht aufstellen, wir werden aber die Geschäfte des Landes ordnungs« mäßig weiterführen und anderseits die Intentionen des Hauses, wie sie sich in der Badgetkommission kundgegeben haben, nach Möglichkeit berücksichtigen.

Abg. Dr. Dahlem (Sentr.): Bei der Beratung des Etat notgesetzes im Reichstage hat der Reicheschatzsekretär im Namen des Reichskanzlers erklärt, daß im Wege des Ergänzungsetats den unteren bezw. mittleren Beamten Zulagen von 100 bezw. 150 S gewährt werden sollen, und daß i 1908 diese Zu⸗ lage bereiiz in den ordentlichen Etat eingesetzt werden soll. Ich benutze die Beratung dieses Notgesetzes für Preußen, um die Frage an den . zu richten, ob er dem Vorgange des Reichs in beiden Beziehungen auch für Preußen zu folgen gedenkt. (Präsident von Kröcher: Das gehört doch eigentlich nicht hierher) Solche Si f ngen wären doch auch für die preußischen Beamten sehr er—⸗ wun .

Damit schließt die Diskussion, der Antrag des Abg. Frei⸗ herrn von Erffa wird der Budgetkommission überwiesen.

In dritter Beratung werden darauf die Gesetzentwürfe, betreffend Erweiterung des Stadtkreises Hanau (Ein⸗ gemeindung von Kesselstadtj und des Stadtkreises Danzig (Eingemeindung von Troyh), endgültig ohne Debatte genehmigt.

Sodann wird die Beratung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts. und Medigzinal— angelegenheiten im Kapitel „Elementarunterrichts— wesen“ bei den Forderungen für die Präparanden— anstalten fortgesetzt.

Abg. Ern st (frs. Vgg), der bei der herrschenden Unruhe kaum zu verstehen ist, scheint die Umwandlung der Präparandenanstalten in Realschulen zweiter Klasse zu befürworten.

Abg. Dr. Arendt (freikons ):; Ich kann mich diesem Wunsche nicht anschließen, der eine völlige Umgestaltung unseres Lehrer⸗ bildungswesens bedeuten würde. Auch, halte ich es für not- wendig, daß gerade den kleinen Städten diese Präparanden— anstalien erhalten bleiben. Dagegen stimme ich in dem andern Wunsch dem Vorredner bei, die Vorsteher der Piäparandenanstalten besserzustellen. Ihr Einkommen darf nicht hinter dem Einkommen der Seminaroberlehrer zurückstehen; eine Gleichstellung beider würde die Leistungen unserer Präparandenanstalten entschieden erhöhen. Ich bitte die Unterrichtsverwaltung, diesem Wunsche näherzutreten, denn auf den Präparandenanstalten baut sich die ganze Ausbildung unseres Volkeschullehrerstandes auf.

Damit schließt die Besprechung. Die Ausgaben für die Präparandenanstalten werden bewilligt.

Bei den Ausgaben für die „Schulaufsicht“, und zwar bei den Besoldungen für die Kreisschulinspektoren, geht

Abg. Dr. Dahlem auf die gestern von den Abgg. Br. Lotichius und Wolff⸗-Biebrich vorgebrachte Beschwerde über einen katholischen Kreieschulinspektor in Hessen⸗Nassau näher ein. Der betreffende Schulinspektor sei in Kamberg durchaus korrekt verfahren. Sehr erfreulich sei die Erklärung der Verwaltung, daß sie die An— gelegenheit nicht im Schoße der Lokalaufsicht erledigen lassen, sondern Kommiffare von der Jentralstelle aus dorthin entsenden wolle, Gerade im Interesse des konfessionellen Friedens müsse festgestellt werden, daß gegen die Korrektheit des Verhaltens des Betreffenden nichtö einzuwenden sei. Was das Vorhandensein konfessioneller Schulen in Nassau angehe, so habe nicht die geringste Veranlassung vorgelegen, diesen „Fall! zu erörtern. Es sei ganz gleichgültig, ob man dabei ein altes nassaussches Gesetz auf seiner Seite habe. Es handle sich gar nicht um ein solcheg; das betreffende Gesetz sei ohne Genehmigung der nassauischen Stände gif worden. Auf ein solches Intoleranzgesetz solle man sich nicht stützLen. Es komme nicht hierauf, sondern e an, daß mit dem bestehenden Zustande in den drei Orten, namentlich in Eppstein, die ganze Bevölkerung einschließlich der Lehrerkollegien durchaus zufrieden gewesen sei. Im Eppsteiner Falle sei man ja bis an das Oberverwaltungsgericht ge— gangeg. Hiermit seien hoffentlich die gestrigen Ausführungen auf ihren wahren Wert zurückgeführt.

Abg. Eickhoff (frs. Volksp.) lenkt die Aufmerksamkeit des Hauses und der ,, n,, auf die Unzulänglichkeit der Pensions⸗ und Reliktenversorgung der Kreisschulinspektoren. Es fehle hierfür an jeder rechtlichen Grundlage. Ein Ministerialerlaß von 1891 besage aus⸗ drücklich, daß die Festsetzung der Dienstjahre erst bei der Penstonierung zu erfolgen habe; der Beamte blelbe also bis zur Beendigung seiner Dienst⸗ zeit im Ungewissen über die Höhe seiner Pension. Sterbe er während der Dienstzeit, so schwebe bezüglich der Reliktenversorgung alles in der Luft. Eine Neuregelung [. also unbedingt notwend 7 diese Beamten kategorie könne dieselbe Rechtssicherheit verlangen wie jede andere.

Wirklicher Geheimer Oberreglerungsrat von Bremen: Die Schwierigkesten, deren Vorhandensein die Verwaltung anerkennt, sollen so bald wie möglich weggeräumt werden.

Abg. Wolff Biebrich (il) tritt den Ausführungen des Abg. Dr. Dahlem entgegen. Der Schulinspektor sei verpflichtet, nach den Vorschriften des Gesetzes zu handeln und dürfe davon nicht eigen an, abweichen.

Abg. Dr. Dahlem: Es wundert mich, wie der Vorredner mit dieser Sicherheit behaupten kann, es handle sich in Nassau um ein Gesetz zumal nachdem er gehört hat, daß eine Ent scheidung des Dberverwaltunggerichts in dieser Sache noch ergehen werde. Solange die Frage nicht einwandsfrei geklärt ist, können Sie nicht verlangen, daß der Freiheit in religiösen Dingen ent— gegen gehandelt werde. Jenez Gesetz ist nur als Verwaltungs⸗ maßregel vor bald 150 Jahren, ergangen. In Eppstein sind einige Heißsporne, denen der bisherige allgemein befriedigende Zustand nicht mehr gefällt und die nun eine Vergewaltigung, gestützt auf das erwähnte Edikt, versuchen. Ich bleibe dabei, daß der Schul⸗ inspektor Dr. Bertram durchaus korrekt gehandelt hat.

Abg. Dr. Lotichius (nl): Wenn der Vorredner behauptete, der Kultusminister von Mühler habe seinerzeit erklärt, daß jenes Edikt von 1817 nicht zu Recht bestebe, so befindet er sich im Irrtum.

(Schluß des Blattes.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die schon einmal abgebrochenen Verhandlungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer des Berliner Tapezierergewerbes haben, wie die Voss. Ztg.“ erfährt, auch bei ihrer Wiederaufnahme am Montag keine Verständigung herbeigeführt. Die Gehilfenvertreter er⸗ klärten, daß die Mehrzähl der anfangs ausgesperrten Mit- lieder jetzt schon ju den neuen Bedingungen arbeiten, sodaß ein Grund zum Nachgeben vorliege. Sie würden nur Frieden schließen, wenn alle Forderungen bewilligt werden und spätestens am J. September d. J. in Wirksamkeit treten. Der Ver traz müßte aber am J. Mär und nicht nach den Wünschen der Arbeitgeber am 15. Februar ablaufen. Die Arbeitgebervertreter lehnten diese Forderung ab. Erst gestern ist, nach demselben Blatt, in Berlin der Friede im Automobildroschkenpesen auf der ganzen Linie wiederhergestellt worden. Während die Einigunge⸗ verhandkungen bei den übrigen Kraftdroschkeabetrieben zur Verständigung führten, wurde bei der ‚Bedag“⸗Gesellschaft welter gestreikt. In einer Versammlung der Führer, die Montagabend stattfand, wurde mit 55 gegen 38 Stimmen beschlossen, die Arbeit wieder aufzunehmen, weil eine Fortsetzung des Kampfes zwecklos erscheine. Die organi⸗ sierten Bäckergesellen Berlins und der Umgegend waren gestern versammelt, um zu einem von ihren Vertrauensmännern auf gestellten Lohntarif Stellung zu nehmen. Die drei Hauptforderun en: Vollständige Beseitigung des Kost. und Logiswesens; Errichtung eines freien unabhängigen parstätischen Arbeitsnachweises; ein wöchentlicher Ruhetag oder ein freier Sonntag“, hatte bereits eine frühere Ver— sammlung angenommen. Die Versammelten eiklärten sich mit diesem Tarif 6 in allen Einzelheiten einverstanden. Er soll den Arbeit⸗ gebern sofort unterbreitet werden.

In Barmen wurde, der ‚Rh.Westf. Ztg. zufolge, am Montag in einer Arbeitgeberversammlung beschlossen, sämtliche organisierten Schreinergesellen auszusperren. .

In Leipzig sind, wie die. Post“ erfährt, die Damenschneider und ?- Schneiderinnen in den Ausstand getreten, da weder die Ver⸗ handlungen mit den Arbeitgebern, noch mit dem Gewerbegericht als Einigungsamt ein die Gehilfen befriedigendes Ergebnis hatten. Die Arbeltgeber wollten unter allen Umständen an, der 10 stündigen Arbeitszeit festgehalten wissen, erklärten guch die Festlegung eines allgemeinen einheitlichen Mindestlohnes für unmöglich. Die Leipziger Möbeltransportarbeiter sind, nach der ‚Lpz. Ztg.“, in eine Lohnbewegung eingetreten. . ö

Unter dem Konflikt im Hamburger Hafen leidet, wie WT. B.“ berichtet, die Abfertigung der Schiffe ganz erheblich; die Anzahl der auf Entlöschung oder Beladung wartenden Schiffe nimmt täglich zu. Am Montag lagen 202 Dampfer und 62 Segelschiffe im Hafen; gestern war ihre Zahl auf 212 beziehungsweise 54 ge— stiegen. In der gestrigen Sitzung des Hafenbetriebs⸗ vereins unter dem Vorsitz des Generaldirektors der Hamburg— Amerika Linie Ballin erklärte gegenüber verschiedenen Klagen über ungenügende Herbeischaffung von Ersatzkräften an Stelle der ent— . Schauerleute der Generaldirektor Ballin, daß völliger Ersatz von auswärts in der kurzen Zeit nicht möglich war, r n aber zum Schluß der jweiten Woche einigermaßen beschafft werden könnte. Es wurde beschlossen, auf dem be— schrittenen Wege zu beharren. Der Hafenbetriebsverein gibt heute bekannt, daß 3000 Arbeiter für die Arbeit auf den Schiffen im Hamburger Hafen gesucht werden. Die Arbeiter werden auf ein Jahr fest angenommen. Der Wochenlohn beträgt 39 , Ueberstunden und Sonntagsarbeit werden mit einer Maik für die Arbeits- stunde bezahkt. Diejenigen Arbeiter, die in Hamburg keine Wohnung haben, können bis auf weiteres Logis und. Ver—⸗ pflegung an Bord von Schiffen im Hafen unentgeltlich er—⸗ halten. Der Arbeitgeberverband im Schneiderge werbe, dem etwa 70 Betriebe angehören, wendet sich, wie W. T. B.“ ferner meldet, in einer Bekanntmachung an die Kundschaft, in der er wegen des Ausstandes der Gehilfen bei nicht pünktlichen Lieferungen um Rücksicht bittet. Die Zahl der Ausständigen beträgt etwa 1200; diejenigen Betriebe, die dem Verbande nicht angehören und die etwa 2006 Arbeiter beschäftigen, sind von dem Ausstande nicht betroffen. /. ö.

In Wien haben dem W. T. B. zufolge die Stückmeister der Damenkundenschneider den Beschluß gefaßt, sich dem Aus⸗ stand der Schneidergehilfen und -Gehllfinnen anzuschließen. Der Autstand der Bäcker weist keine wesentliche Aenderung auf, die Zahl der Ausständigen hat cher zugenommen. Etwa 59 Baͤckerei⸗ betriebe haben die Forderungen der Gehilfen bewilligt. In⸗ folge von Zufuhren von außen ist der Mangel an Gebäck nicht besonders fühlbar.

Gestern ist, wie W. T. B. erfährt, die Arbeiterschaft von weiteren sechs großen Tuchfabriken in Reichenberg i. B. und Umgegend wegen Lohnstreltigkeiten in den Ausstand getreten. Die Zahl der Ausständigen beläuft sich jetzt auf 2000 Mann.

Kunst und Wissenschaft.

Freiluft⸗Museum in Bremen. Ein für unsere nord— deutsche Heimatkunft verheißungkpoller, vom Verein für Nleder⸗ sächsisches Volkstum angeregter Plan zu einem Freiluft. Museum für niedersächsische Volkskunst in Bremen wird seit längerer Ii in den interessierten Kreisen erwogen und hat jetzt insofern feste Gestalt ge— wonnen, als der Direktor des Bremer Gewerbemuseums, Högg, auf Grund einer vorläufigen Verständigung mit der städtischen Be—⸗ hörde einen in der Kunsthalle ausgestellten Maseumsentwurf aus. gearbeltet hat. Dieser Entwurf steht, wie der Köln, Ztg. berichtet wird, eine etwa 16 ha große Fläche auf dem linken Weserufer, dem sogenannten Werder (bisher Viehweide) für einen Museumspark vor, der mit den charakteristischen Bauernhäusern aus dem eigentlichen niedersächsischen Gebiet zwischen der Elbe und Ems und von der Rordküste big südlich zum Bückeburger Land bebaut werden soll. Für dies Gebiet Nordwestdeutschlands darf Bremen ja als der geographische und geistige Mittelpunkt gelten. Das Parkmuseum würde sich zunächst auf die folgenden sechs typischen Bauernhäuser Niedersachsens beschränken können: je ein Vierlander, ein Altenlander, eins aus der Lüneburger Heide, eins aus der Oldenburger Geest, ein frlesisches Marschenhaus und ein Bückeburger Bauernhaus. Diese Bauernhäuser würden, mit ihren Gärten und Nebenbauten zu einer