1907 / 107 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 03 May 1907 18:00:01 GMT) scan diff

Prensischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

58. Sitzung vom 2. Mai 1907, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den ersten Teil der Verhandlungen in dieser Sitzung

ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Die daselbst im Auszug wiedergegebene Rede, die bei der ersten Beratung der ntwürfe eines Ges ö wegen , . des Gesetzes, betreffend die Pensionierung der ehrer und Lehrerinnen an den , Volksschulen, vom 6. Juli 1886 und eines Gesetzes wegen Abänderung des Ge⸗ 6 betreffend die Fuͤrsorge für die Witwen und

aisen der Lehrer an öffentlichen Volksschulen, vom 4. Dezember 1899 der Minister der geistlichen, Unterrichts⸗

und Medizinalangelegenheiten Dr. von Studt gehalten hat,

hatte folgenden Wortlaut:

Meine Herren! Die beiden Ihrer Beschlußfassung unterbreiteten Novellen zu den Gesetzen, betreffend die Pensionsverhältnisse und die Reliktenversorgung der Volksschullehrer, sollen dem Lehrerstande die selben Vortelle zuwenden, welche durch die Novellen zu den allgemeinen Gesetzen über die Pensionierung und die Reliktenversorgung der Staatsbeamten vorgesehen sind. Diese letzteren Novellen haben Ihrer Beschlußfassung schon in einer Kommissionsberatung und in zwei Lesungen unterlegen. Die vorliegenden beiden Gesetzentwürfe sind, soweit sie sich auf die Penstonierung und die Rellktenversorgung der Volksschullehrer beziehen, auf denselben Grundlagen auf⸗ gebaut wie die vorerwähnten Gesetze über die Pensionierung und die Reliktenversorgung der Staatsbeamten; es ist also bei den ersteren Novellen nur erforderlich, dieselben Konsequenzen zu ziehen, wie sie in den Novellen zu den betreffenden Gesetzen für die Staats⸗ beamten vorgesehen sind.

Ich will bei der Einfachheit der Materie mich darauf beschränken, auf die Begründung zum Gesetzentwurf hinzuweisen und gestatte mir noch dazu zu bemerken, daß hinsichtlich der finansiellen Tragweite der Gesetzentwurf A, betreffend die Pensionierung der Volksschullehrer, die Grhöhung der Staatsbeiträge zu der Ruhegehaltskasse der Volksschul⸗ lehrer von 6⸗ auf 700 6 vorsieht, daß aber hinsichtlich der Staate⸗ beiträge zu der Reliktenversorgung der Volksschullehrer die Erhöhung des Staats uschusses nicht borgesehen ist, weil das Gesetz vom 4. Dejember 1899 berelts ausreichende Staatszuschüsse eingeführt hat.

Ich möchte nun noch mit einem Worte auf die Beschlüsse des hohen Hausesz bezw. auf die von Ihnen akzeptierten Kommissions beschlüsse zu dem Gesetz über die Pensionierung der Staattzbeamten eingehen. Da in diesen vorgesehen ist, daß statt des Gnadenmonats ein Gnadenquartal für die Hinterbliebenen bewilligt und das 18. Lebens ˖ jahr statt des 21. Lebensjahres berücksichtigt werden soll, werden gewisse Fassungsänderungen in den vorliegenden Novellen für die Volksschullehrer erforderlich werden. Die Sache liegt aber an sich so einfach, daß ich wohl als selbstverständlich voraussetzen kann, daß, ohne Kommissionsberatung, durch entsprechende Anträge für die zwelte Lesung in diesem hohen Hause, die notwendigen Ergänzungen vor⸗ genommen werden.

Nun, meine Herren, habe ich nur noch hinsichtlich der Mittel⸗ schulen zu erklären, daß das Ruhegehalt der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen nicht staatlichen mittleren Schulen und die Für⸗ sorge für ihre Hinterbliebenen durch das Gesetz vom 11. Juli 1894 geregelt ist. Nach 5 2 dieses Gesetzes richtet sich der Anspruch auf das Ruhegehalt nach den für die Lehrer an den öffentlichen Volks« schulen geltenden gesetzlichen Bestimmungen; die in dem Entwurf A vorgesehene Neuregelung findet also ohne weiteres auf die Lehrer an den mittleren Schulen Anwendung. Für den Anspruch der Hinter⸗ bliebenen dieser Lehrer sind nach 5 5 des Gesetzes von 1894 die je— weilig geltenden gesetzlichen Vorschriften, betreffend die Fürsorge für die Hinterbliebenen der unmittelbaren Staatsbeamten, maßgebend. Damit ist die Anwendung der Vorschriften der neuen Beamtenrelikten novelle schon kraft Gesetzes gewährleistet; einer Ergänzung des Gesetzes vom 11. Juli 1894 bedarf es somit nach dieser Richtung hin nicht.

Die Vorlegung der Novellen, die ich hiermit Ihrer Prüfung empfehle, hat sich erst jetzt ermöglichen lassen. Damit die Lehrer und Lehrerinnen schon vom 1. April d. J. ab in den Genuß der ihnen ju⸗ gedachten Vorteile treten, bitte ich, eine tunlichst beschleunigte Be⸗ handlang der Sache vornehmen zu wollen. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß das hohe Haus dieses gesetzgeberische Werk, welches dazu bestimmt ist, auf den vorbezeichneten Gebieten die Verhaäͤltnisse unseres Volksschullehrerstandes entsprechend denen der Staatsbeamten zu bessern, mit Genugtuung begrüßen wird. (Bravo)

Nach der Erledigung von Regierungsvorlagen folgt die Verlesung der Interpellation der Abgg. Graf von Kanitz (kons) und Genossen:

„Was gedenkt die Königliche Staatsregierung zu tun, um den Unzuträglichkeiten zu begegnen, welche sich aus den andauernden Steiger ungen der Kohlenpreise ergeben? Ist die König liche Staatsregierung geneigt, in eine erneute Prüfung der Frage einzutreten, ob die ermäßigten Eisenbahntarife für den

Export von Steinkohlen und Koks nach dem Ausland belzubehalten sind?“

Präsident von Kröcher richtet an den Regierungstisch die Frage, ob und wann die Staatsregierung bereit sei, die Interpellation zu beantworten.

Da am Ministertische kein Minister anwesend ist, stellt Abg. Graf Praschma (Zentr) den Antrag, den nächsten Gegenstand der Tagesordnung vorweg zu beraten, bis ein Vertreter der Staatsregierung erscheint. Damit ist das Haus einverstanden.

Bei der einmaligen Beratung der Denkschrift, be⸗ treffend die Verhandlungen mit dem Fürstentum Schaumburg-Lippe und den anderen Heteiligten Bundesstaaten über die Herstellung des Rhein— Weser⸗Kanals, meldet sich niemand zum Wort. Die Denkschrift wird durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt.

Da inzwischen noch immer kein Minister erschienen ist, wird die Sitzung auf kurze Zeit vertagt.

Schon nach wenigen Minuten erscheinen der Minister für Handel und Gewerbe Delbrück und der Minister der n lichen Arbeiten Breitenbach am Regierungstisch. Die Ver⸗ handlungen werden wieder aufgenommen.

Präsibent von Kröcher richtet erneut die Frage an die Staatsregierung, ob und wann sie die Interpellation beant— worten wolle.

Nutzen

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Die Königliche Staatsregierung ist heute berelt, durch mich bezw. den Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten die Interpellation zu beantworten.

Zur Begründung der Interpellation erhält das Wort

Abg. Graf von Kanitz N Wohl noch niemals in den letzten Dezennien haben wir eine so anhaltende Hochkonjunktur auf dem Montanmarkt zu verzeichnen gehabt. Die Kohlenpreise haben ja oft früher zeitweise noch einen ae Stand gehabt als heute, z. B. im Jahre 1500, aber dieser Hochstand von 1906 war von kurzer Dauer. Vielfach ist jetzt bereits eine empfindliche Kohlenknapphelt zu Tage getreten, welche fowohl auf die Industrie wie auf viele landwirtschaft fiche Betriebe ungünstig einwirkt. Im Ruhrkohlenrevier betrugen die Preise für Fettkohle im Jahre 1885 5,63, 1900 109,25, 1995 9gä49, 6 10135 6, je nachdem es sich um Gruskohle oder Stücken⸗ kohle handelt. Dieser letztere Preis entspricht den Festsetzungen des rheinisch- westfälifchen Kohlensyndikatß vom 7. November v. J. Die günstige Lage des Kohlenbergbaues erhellt am besten aus den er— zlelten Ueberschüͤssen, aus den verteilten Dividenden der Attiengesell⸗ schaften. Von 26 Zechen hat keine im vergangenen Jahre weniger als 1Lo0O Dividende verteilt. Es finden sich aber sogar darunter Zechen, die 14, 22, 273, 30 gezahlt haben, eine sogar 45 oso. In der Generaglver⸗ sammlung einer Zeche erklärte man die Dividende von 110 / 0 für zu knapp bemeffen. Run gibt es ja Zechen, die weniger Dividende gezahlt haben. Diefe Situation ist insofern erfreulich, als dadurch die vielfach ver— breitete ,,. widerlegt wird, daß unsere Grohindustrie bei der neuen Zoll⸗ und Handelspolltik zu kurz gekommen sei. Weniger er⸗ freulich ist die Gestaltung der Lohn⸗ und der Arbeiterverhältnisse in den Kohlenrepieren; namentlich die Landwirtschast wird durch, den Abzug ihrer Arbeiter nach den Kohlenrevieren empfindlich geschädigt; es hat ). bereits eine fast unerträgliche Arbeiternot geltend ge⸗ macht. Ez ziehen besondere Agenten im Lande herum, welche die landwirtschastlichen Arbeiter abspenstig machen, und den Gastwirten wird für jeden angeworbenen Arbeiter eine Prämie von 3 6 ver- sprochen. In den Gastwirtschaften hängen Plakate aus, in welchen Arbeiter gefucht werden, und worin den Arbeitern dauernder, lohnender Verdienst für den ganzen Winter versprochen und Entschädigung der Reifekosten und eventuell die Schenkung der Kosten in Aussicht ge⸗ stellt wird. Unter den 288 000 Bergarbeitern des Ruhrrevierz sind im vorigen Jahre 96 837 gezählt worden, welche aus den östlichen Pro— vinzen gekommen sind. Hohen Lohn verspricht man den Leuten, verschwiegen wird ihnen, wie gefahrvolUl der Bergbaubetrieb ist, und wie schnell sie darin verbraucht sind. In den Bergbetrieben geht die Lebensdauer durchschnittlich nur bis zum 46, ja nur bis zum 453. Lebensjahre. Im Jahre 1906 sind, die Bergarbeiterlöhne im Westen für die unterirdischen Arbeiter um 214 co,, für die gesamte Belegschaft durchschnittlich um 18,2 0/0 gestiegen. Mit diesen Lohnverhältnissen kann die Landwirtschaft nicht mit⸗ kommen. Und gerade die Landwirtschaft im Osten trägt die Kosten der Erziehung der Jugend; wenn die Leute erwachsen sind, stellen sie ihre Ärbeitskraft in den Dienst der Großindustrie, die da erntet, wo sie nicht gesät hat. Bei den Streikbewegungen wurde im vorigen Jahre in den Bergarbeiterversammlungen eine Resolution angenommen, worin eine 15 proz. Lohnerhöhung wegen der gestiegenen Lebensmittelpreise für gerechtfertigt erklärt wurde. Die Lebengmittelpreise waren darin wohl Nebensache, denn diese Preise waren schon Jahre vorher so, der Fleischnotrummel wurde künstlich gemacht. Die Zechen gaben nach, und deshalb wurden im Herbst die Kohlen und Kokspreise erhöht. Diese Steigerung war ungerechtfertigt. Selbst die Kölnische Zeitung‘, welche dem Kohlensvndikat freundlich gegenühersteht, erklärte, daß diese Steigerung über das Maß hinausgeht. Dann wurden auch die . der Saarkohlen gesteigert, und es folgten die oberschlesischen Werke wie Giesches Erben, und am 14. Februar erhöhte auch die oberschlesische Kohlenverkaufskommission die Preise. Wir haben es danach mit einer durchgängigen Erhöhung der Kohlenpreise seit 1. April 1906 um 10 609 zu tun. Was das für den Konsum be—⸗ deutet, läßt sich leicht berechnen. Deutschland hat seit dem 1. April 1906 136 Mill. t Kohle produziert, nach Abzug der Ausfuhr 126 147 0890 t davon verbraucht, an Koks 20 260 572 t, produziert, unter Berücksichtigung der Ausfuhr etwa 17 Millionen verbraucht. Dat bedeutet eine Mehrausgabe von 126 Mill. Mark für die Kohle und 2 mal 17 Millionen Mark für die Koks, insgesamt 160 Millionen Mark Mehrausgabe der Verbraucher, wovon aller⸗ dings der Selbstverbrauch der Zechen abgeht. Was bedeuten solche Zahlen gegenüber der angeblichen n, der Lebensmittel! Gehört nicht Kohle ebenso wie Brot zum Lebensbedarf? Die Zechen klagen nun, daß eine solche Steigerung der Kohlenpreise notwendig geworden ist durch elne Steigerung der Lohne. (Der Redner verliest die Berichte . Zechen, die zum Ausdruck bringen, daß eine Ver— kürzung der Dividenden stattgefunden habe mit Rücksicht auf die ein⸗ getretenen Lohnsteigerungen.) Auch beim Thomas⸗Roheisen hat eine Steigerung der Preise seit 1887 von 41 Hυς pro Tonne bis auf 74,50 pro Tonne i. J. 1906 stattgefunden. Bei einem Verbrauch von 166 kg Eisen pro Kopf der Bevölkerung muß das natürlich seine Wirkung äußern. Auch die Preise des Brennholjes sind erheblich in die Höhe gegangen, der große Verbrauch an Grubenholz hat die Preise gesteigert. Das kann den rn Forstbesitzern recht erwünscht sein, aber für die kleinen Verbraucher sind die Presse recht drückend. Wenn wir fragen, ob die Presspolitik des rheinisch-westfälischen Kohlensyndikats immer ein- wandsfrei geresen ist, so will ich anerkennen, daß es einen gewissen maßgebenden Einfluß auf die Preise geübt hat, aber die letzte Preis steigerung ist ungerechtfertigt. Es gibt zwei Strömungen im Syndikat, die eine will Preissteigerungen, die andere wirkt für Mäßigung. Ich bedauere, daß jetzt die letztere Richtung nicht die Ueberhand behalten hat. Die Produktionsbeschränkungen, welche dem Syndikat zustehen, will ich nicht berühren, weil in letzter Zeit kein Gebrauch dabon gemacht ist, aber zu erwähnen ist die Steigerung der Kohlenausfuhr. Seit 1893 hat sich die Kohlenausfuhr mehr als verdoppelt, sie ist gestiegen von 9,6 Millionen auf 19 594009 t, die Koksausfuhr von 1902 000 t auf 3 480 6560 t. Das rheinisch westfälische Kohlensyndikat verschickt 17 ½ ) seiner Produktion, das oberschlesiche Revier sogar 30 o/o in das Aut land. Dadurch wird zugleich die ausländische Industrie gestärkt. Die Kartellenquete hätte ihr Augenmerk hierauf richten sollen. Ich war Mitglied dieser Enquetekommission, in welcher zahlreiche Ver⸗ treter der Kohlenindustrie saßen. (Der Redner zählt die ein— zelnen Namen auf.) Auch zahlreiche Vertreter des Großkohlen⸗ handels saßen darin und ferner die Abgg. Gothein, Spahn und meine Wenigkeit. Sie sehen, eine sebr illustre Gesellschaft. Generaldirektor Kirdoif- Gelsenkirchen erklärte gleich in der ersten Sitzung bei der Behandlung der Preisfrage, daß Geschäftzz⸗

geheimnisse nicht mitgeteilt werden könnten, und daß sie vor allem nicht in di e Oeffentlichkeit gebracht werden dürften. Als Herr Gothein sich nach, den Auslandsverkäufen er⸗

kundigte, wurde ihm gesagt, diese hingen ab von den Preisen usw. Als Herr Gothein seine Frage bestimmter formulierte und nach den einzelnen Preisen für Auslandeperkäufe fragte, erwiderte ihm Herr Bergrat Graßmannn: „Wenn Herr Gothein für die einzelnen Ge— schäfte diese Zahlen wissen will, so kommen wir jur Preis⸗ gabe von Geschäfttgeheimnissen, ju denen wir uns nicht ver— stehen können. Herr Gothein nannte bald darauf im Reiche—⸗ tage die Kartellenquete einen Theaterakt. Ich gehe nicht so weit, aber die Enquete hat doch ein recht dürstiges Resultat ergeben. Dag Kohlensyndikat gab bis vor kurzem für die Eisenindustrie elne Ausfuhrbergütung von 16 pro Tonne, eine Ausgabe, die auch aus den erhöhten e re n für die Konsumenten gedeckt werden mußte. Mag man Über das Syndikat so gut denken, wie man will, diese Ausfuhrpolitik bildet jedenfalls eine seiner Schattenseiten. Zu dieser Auslandsbegünstigung war nur das Syndikat imstande. Wenn nur die Hälfte der ausgeführten Kohle im Lande geblieben wäre, würde nicht nur die Kohlennot nicht existieren, sondern die Preise wären auch auf einem Niveau geblieben, welches den Zechen einen ausreichenden gewährte. Auch der Wagenmangel würde sich weit

wenn die Kohlentransporte nach dem man anderen Erwerbszweigen, namentlich der Landwirtschaft, zumuten, daß sie Arbeitskräfte . sollen, um das Ausland mit Brenn⸗

weniger fühlbar machen, Auslande eingeschränkt würden. Wie kann

material zu versorgen? 10 Millionen Tonnen Kohlen, 24 Mil.

lionen Tonnen Koks könnten von dem Export abgesetzt werden, dann behielte Deutschland noch genug Kohlen, und 49 —50 O00 Berg—⸗ leute, die jetzt nur für das Ausland arbeiten, könnten erübrigt werden und anderen Erwerbszwelgen dienen. Man kann einwenden, daß es wirtschaftlich nicht gerechtfertigt sei, die Aus= fuhr zu beschränken; das würde gerechtfertigt sein bei einem Fabrikat; aber Kohle und Koks ist kein Industrieerzeugnis, sondern ein Roh— stoff. Die Förderung einer Rohstoffausfuhr hat aber nur Sinn, wenn wir einen Ueberfluß haben. Ich bitte die Regierung, im Bundeß⸗ rat für die Einführung eines Kohlenausfuhrjolles zu wirken. Mein dahingehender Antrag in der Budgetkommission des Reichstagz scheiterte am Widerstande des Reichsamts des Innern. Das Reichsamt des Innern sagte, daß unsere Vertragsstaaten das übel empfinden könnten, namentlich Schweden, dessen Erzausfuhr wir brauchten. Diese Besorgnis teile ich nicht. Die Handelsverträge sprechen von einem Verbot eines Kohlenausfuhrzolles gar nicht. Unsere Kohlen- ausfuhr ist aber nach Schweden gegenüber derjenigen nach England ziemlich belanglos. Ein Kohlenausfuhrzoll würde ferner unserer an chronischem Defizit leidenden Reichskasse aufhelfen. Von einer Herabsetzung der fiskaliscken Kohlenpreise verspreche ich mir nicht viel, aber auf die Eisenbahntarife lege ich ein besonderes Gewicht. Die Frage der Beibehaltung oder Ab⸗ schaffung der Ausnahmetarise für Kohle ist schon vor sieben Jahren im Landeseisenbahnrat eingehend geprüft worden auf Ver— anlassung einer Resolution deg Reichstags; wenn damals der Landeß⸗ eisenbahnrat sich gegen die Abschaffung der Tarife erklärte, so war für ihn und die Regierung die Erwägung maßgebend, daß sich eine industrielle Kompression geltend machte. Heute liegen die Verhält⸗ nisse anders; von einem Heruntergehen der Preise und Abminderung des Kohlenverbrauchs ist heute keine Rede. Verhehlen dürfen wir uns allerdings nicht, daß die Abschaffung der Ausnahmetarife auf die einzelnen Kohlenreviere ganz verschieden wirken würde; für Ober schlesien kommen diese Tarife so gut wie gar nicht in Be— tracht. Vor sieben Jahren bereits ist im Landeseisenbahnrat die pro Tonne Kohle auf 45 berechnet worden. ch möchte den Minister bitten, die Frage der Ausnahmetarife bei Kohleausfuhr einer wohlwollenden Prüfung zu unterziehen. Seit Eingang unserer Interpellation ist die Benkschrift über die Kartellenquete erschlenen. Ich habe daraus den Eindruck gewonnen, daß eine reichsgesetzliche Regelung der Kartellfrage nicht zu erwarten ist, daß wenigstens die Initiative zu einer solchen von der Regierung nicht ergriffen werden wird. Aber wenigstens habe i auß der Denkschrift ersehen, daß die monopolistische Tendenz der Kohlenkartelle ihre Grenze finden wird in dem Umstande, daß wir den ungeheuren Vorzug genießen, in unserem Eisen— bahnsystem privatkapitalistischen Interessen keinen Einfluß ein— räumen zu müssen, sondern daß die Leitung unserer Eisenbahnen in einer Hand, in der des Staates ruht. Die Arbeiternot steht für uns im Voidergrunde des Interesses, sie ist für uns die brennendste Frage. Obwohl wir im Isten keinen Mann mehr übrig haben, obwohl wir 96 0900 Mann, also drei Armeekorps, an die Industrie im Westen abgegeben haben, ist die Landflucht auch weiter noch im Wachsen begriffen, unsere Be⸗ triebe wissen nicht mehr, wo sie Arbeiter hernehmen sollen. Das sind unerträgliche Zustände, die zum Ruin ganzer Erwerbszweige führen müssen. Hier Abhilfe zu schaffen, ist eine dringende Aufgabe des Staates. Wir bitten die Regierung dringend, alle Mittel zu ge— brauchen, um diesen Notständen abzuhelfen, die ich als eine wahre Landeskalamität bezeichne.

Zur Beantwortung der Interpellation nimmt das Wort

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Herr Graf von Kanitz hat an die Königliche Staatsreglerung die Frage gerichtet: Was gedenkt die Königliche Staatsregierung zu tun, um den Unzuträglichkeiten zu begegnen welche sich aus den andauernden Steigerungen der Kohlenpreise ergeben? Er hat nach dieser Richtung hin Vorschläge über etwa zu ergreifende Maßnahmen nur gemacht bezüglich der Einführung eines Kohlenausfuhrzolles, und er hat daran die weitere Frage geknüpt, ob die ermäßigten Eisenbahntarife für den Export von Steinkohlen und Koks nach dem Ausland beizubehalten sind. Die dauernd steigen⸗ den Kohlenpreise, die damit verbundenen volkswirtschaftlichen uner⸗ wünschten Konsequenzen sind zweifellog eine Angelegenheit, die einer ernten Erörterung und Prüfung bedarf, und ich bitte daher, auf die gestellten Fragen auf einer etwas breiteren Grundlage eingehen zu dürfen, als die Ausführungen des Herrn Abg. Grafen von Kanitz ohne welteres bedingen würden.

Meine Herren, wir sind uns wohl alle darüber einig, daß starke Schwankungen in den Preisen der Kohlen volkswirtschaftlich unerwünscht sind, aber ich muß hinzufügen: Schwankungen nicht nur nach oben, sondern auch Schwankungen nach un ten. (Sehr richtig! links.) Wenn zu hohe Kohlenpreise viele Kohlenverbraucher in ihrer wirtschaftlichen Existenz zu schädigen und zu gefährden geeignet sind, so sind umgekehrt zu niedrige Kohlenpreise, welche schließlich unter den Produktionskosten bleiben, eine Gefahr nicht nur für den Bergwerksunternehmer, sondern für alle diejenigen Arbeiter, die an der Gewinnung beteiligt sind. Wenn man sich nun aber darüber einig ist, daß man Schwankungen nach oben und Schwankungen nach unten vermeiden soll, so muß man sich doch die Frage stellen: wo liegt denn die Grenze dieser Schwankungen nach oben und nach unten, und von welchem festen Punkt aus sollen sie gemessen werden?

Die von Herrn Grafen von Kanitz gegebenen Daten über die Dividenden der größeren Steinkohlenbergbau treibenden Aktiengesellschasten geben gewiß ein Bild von dem glänzenden Aufschwung unseres Kohlenbergbaues und von der glänzenden Situation, in der ssich diese Gesellschaften befinden. Sie sind aber meiner Ansicht nach doch nicht ausreichend, um daraus ohne weiteres den Schluß zu ziehen, daß die Kohlenpreise eine Höhe erreicht haben, die nicht zu rechtfertigen ist. (Hört, hört! links.) Et kommen bei der Preisbildung der Kohle, wie überall, doch zunächst zwei Momente in Betracht: das sind die Kosten der Produktion und das Verhältnis von Angebot und Nachfrage, das Verhältnis der auf den Markt gebrachten Mengen zu dem Bedarf. Diese beiden Mo⸗ mente wirken mit einer gewissen Gesetzmäßigkeit. Ihnen ist auch der Produjent und der Händler in gewissen Grenzen unterworfen, es sei denn, daß eine außergewöhnliche Konjunktur, eine natürliche oder künstliche Monopolstellung, wie sie neuerdings durch die Syndikate geschaffen worden, dem Produzenten die Möglichleit geben, nach freiem Ermessen die Produktion ju steigern oder zu beschränken und die Preise festzusetzen. Daraus wird also wohl folgen, daß man diejenigen Preise für wirtschaftlich gerechtfertigt halten muß, die die Produktiongkosten um einen Betrag übersteigen, der nicht nur einen angemessenen Unternehmergewinn sichert, sondern den Unternehmern die Möglichkeit gibt, die Ausfälle einer Unterkonjunktur, wo die Nachfrage hinter der Produktion zurüdbleibt, auszugleichen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

gering war.

zum Deutschen Reichs an 6 107.

Zweite Beilage

Berlin, Freitag, den 3. Mai

zeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

190 7.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Es fragt sich nun: haben unsere Kohlenpreise in allerletzter Zeit und früher diesen eben von mir gestellten Anforderungen entsprochen, und haben sie die Grenze nach oben in letzter Zeit überschritten, die

ich eben als die gegebene und zulässige bezeichnet habe? Und da bitte

ich, um zu Vergleichtziffern zu kommen, etwas weiter zurückgehen und

auf die Preisbildung der Kohle auch in früheren Perioden zurückkommen

zu dürfen.

Selbstverständlich scheidet dabei die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts aus, die nicht wohl zu Vergleichen herangezogen werden kann (sehr richtig! rechts, weil die industrielle Entwicklung und die Entwicklung unseres Eisenbahnnetzes damals außerordentlich Wohl aber ist man berechtigt, auf den Anfang der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zurückzugreifen, in der die Wurzeln unserer jetzigen Entwicklung und Blüte liegen.

Nun liegt mir hier eine Statistik über die Kohlenprelse im Gssen⸗Werdenschen Bergamtsbezirk für die Zeit von 1860 bis 1860 wor. Aus dleser Statistik ergibt sich, daß die Preise betragen haben:

im Jahre 1850 4,78 6 ö 4665 ö. . 1 J 67 J . (hört, hört! bel den Nationalliberalen) im Jahre 1857 9, 10 4 ö . . .

Man sieht also, daß hier innerhalb eines Zeitraums von etwa einem Jahrzehnt dle Preise sich um das Doppelte erhöht und verringert haben, und die Schwa nkung von oben nach unten sich in den drei Jahren von 1857 bis 1860 volljogen hat, in denen die Preise von 9, 10 46 auf 5.81 „S heruntergegangen sind.

Meine Herren, mit dieser Statistik decken sich die Preise von zwei Zechen des Ruhrrevierg, die bis zum Jahre 1860 etwa die aleichen Schwankungen aufweisen und dann erkennen lassen, daß vom; Jahre 1860 bis zum Beginn der Hochkonjunktur anfangs der 70er Jahre dle Preise nicht erheblich geschwankt haben. Sie haben mit 5,52 M nicht ganz den niedrigsten Stand der 5er Jahre erreicht, steigen dann im Jahre 1871 wieder auf 9,59, im Jahre 1872 auf 1113, im Jahre 1873 auf 14,577 (hört, hört! bei den Nationalliberalen) and im Jahre 1874 fallen sie auf 1381 è½, um dann im Jahre 1875 schon wieder auf 8, 33 herabzusinlen. (Hört, hört! bei den Nationalliberalen.) Die Preise fallen dann welter und erreichen im Jahre 1879 ihren tiefften Stand mit 473 M hört, hört! bei den Nationalliberalen), erhalten sich auf einer Höhe jwischen 4 und 5 , steigen im Jahre 1839 auf 5,54 MÆ, um dann im Jahre 1890 auf 9, 10 und im Jahre 1891 auf 923 M heraufzjuschnellen. Diese Steigerung ist damals durch den Streik beeinflußt worden. Die Preise fallen dann und halten sich zwischen , 7 und 8 , erreichen im Jahre 1899 die Höhe von 8,4 „M, im Jahre 1800 die Höhe von 9.31

Nach einer anderen Statistik ist bezahlt worden im Jahre 1901 Für Ruhrfettkohle 1628 4A, im Jahre 1906 9,50 K; der Preis von 1901 ist also im Jahre 1906 noch nicht erreicht. Nach den neuesten Festsetzungen des Syndikats beträgt der Preis für Ruhrfettkohle 10, 5o M é; er übersteigt also den Preis von 1901 nur um eine Kleinigkeit.

Ruhrgagkohle ist notiert im Jahre 1893 mit 9, 89 Æ , im Jahre 1901 mit 1276 M und im Jahre 19806 mit 1250 M Sie würde mit der Erhöhung des Syndikats, die für diese Kohlensorte meines Wissens 1 beträgt, sich jetzt auf 13,50 belaufen.

Ez liegt mir dann eine Statistik aus dem Saarrevier vor, die mit dem Jahre 1870 beginnt. Im Jahre 1870 hat die Saatkohle 7,90 gekostet. Sie steigt dann rapide, um im Jahre 1873 den Preis von 16811 ju erreichen (hört, hört! bei den Nationalliberale) und im Jahre 1874 auf 15,04 zu sinken. Im Jahre 1879 ist sie in raschem Fallen bereits auf 7,30 6 herabgesunken. Auf dieser Höhe bewegen sich die Preise ungefähr bis lum Jahre 1888, gehen dann bis 1830 auf 10,90 M herauf, fallen bis 1393 beiw. 1894 auf unter ) 4, erreichen im Jahre 1901 die Höhe von 12.50 S und betragen, nachdem sie im Jahre 1903 auf 11,40 . heruntergegangen waren, 11,92 M Sie haben also heute die Höhe von 1901 noch nicht an— nähernd wieder erreicht.

Nun ergibt diese Statistik aber noch eine Relhe anderer, nicht uninteressanter Momente. Die Selbstkosten der Kohle haben im Saarrevier im Jahre 1870 6 M betragen. Sie haben ihren höchsten Stand in der Hochkonjunltur der siebziger Jahre, nämlich im Jahre 1874 mit 8,50 M erreicht. Im Jahre 1878 sind sie bereits wieder auf 7,0 4 gefallen. Ebenso stehen sie im Jahre 1889. Sie er— reichen ihren Höchststönid im Jahre 1891 mit 8,55 „, fallen dann wieder auf unter 7 K, betragen im Jahie 1801 8,40 M und heute 3 86 . Daraus ergibt sich, daß, während in den siebziger Jahren die Selbstkosten in keinem Verhältnis zu der Höhe der zeitweilig ge⸗ zahlten Prelse gestanden haben, sie sich von da ab im großen und ganzen in einer Kurve bewegen, die den Preisen entspricht.

Ich habe dann ferner für dieselbe Perkode eine Statistik der Betriebslöhne. Danach haben die Betriebslöhne im Jahre 1870 A M betragen. Sie steigen in der Zeit der Hochkonjunktur auf 5 4, folgen also nicht annähernd den hohen Kohlenpreisen, fallen dann im Jahre 1879 auf 3,10 K, stehen im Jahre 1888 auf 3,50 A, steigen dann im Jahre 1891 auf 5,40 M, fallen im Jahre 1896 auf 4,30 ½ und stelgen dann in einer konstanten Kurve auf 5,43 4A; so stehen sie heute. Wenn man dazu noch die Materialien nimmt, unter denen im Ruhrrepier Holt und Hafer eine hervorragende Rolle spielen, so findet man hier eine Kurve, die im wesentlichen den

Preisen folgt, und die namentlich im Laufe der letzten Jahre, genau Den Prelsen entsprechend, sich nach oben bejw. nach unten bewegt hat. Die Generalkosten steigen in einer sehr mäßigen Kurve mit geringen

Abwechselungen, haben aber heute immerhin eine beträchtliche Höhe

erreicht. Wenn man diese ganzen Kurven zusammenhält, so ergibt

sich als Schluß, daß die Kurve, welche die Ueberschüsse bedeutet, nach unten geht; die Preise bewegen sich nach oben; Arbeitslöhne und Produktions kosten folgen im großen und ganzen in gleichmäßiger Steigerung den Preisen.

Wenn ich diese selben Zahlen ergänzend für das Ruhrrevier geben darf, so ergibt sich, daß in Westfalen vom Jahre 1893, also von dem Zeitpunkt, wo das Kohlensyndikat seine Wirksamkeit be⸗ gonnen hat, die Löhne um 26,01 . gestiegen sind. Die gesamten Selbstkosten sind um 32,6 0/9 gestiegen. Die Verkaufspreise sind aber nur um 25,3 oo gestiegen. Das bezieht sich auf den Abschluß des Jahres 19066.

Wenn man nun berücksichtigt, daß die Löhne im dauernden Steigen begriffen sind, so wird man wahl die Frage aufwerfen können, ob hier bereite mit der letzten Erhöhung die zulässige Grenze überschritten ist. Jedenfalls wird man das eine fest— halten können, daß im Laufe der letzten 14 Jahre unsere Kohlenpreise unnatürliche Schwankungen nicht gezeigt haben, daß sie mit der Konjunktur gestiegen und gefallen sind, und daß die Spannung zwischen Verkaufspreis, Löhnen und Selbst⸗ kosten dauernd geringer geworden ist. üÜngleich größer sind die Schwankungen in den Preisen auswärtiger Kohlen. In Hamburg notierte englische Nußkohle im Jahre 1893 16425, 1896 13,20 A, 1900 22,75 S, 1905 17 M, 1806 18,04 M Belgische Fettkohle notierte 1898 1105 MS, 1900 8 , 1902 10,40 AM, 1905 8,40 M, 1906 13,60 4 Wenn man also von einer Preisbildung verlangt, daß sie im richtigen Verhältnis zu den Produktionskosten und zu den Löhnen bleibt, und wenn man verlangt, daß sie die übermäßigen Schwankungen von oben nach unten vermeidet, so wird man sagen können, daß in dieser Richtung in unseren heimischen Verhältnissen, auch mit anderen Ländern verglichen, eine ständige Besserung und eine Annäherung an normale Berhältnisse eingetreten ist. (Sehr richtig! links.) Es ist im übrigen nicht meine Sache, hier die Geschäfte des rheinisch⸗westfälischen Kohlensyndikats zu besorgen, und ich will in eine Erörterung darüber, ob wir mit den jetzigen Preisen die Grenze des Zu⸗ lässigen überschritten haben oder nicht, nicht eintreten. In dem Punkt bin ich mit dem Herrn Interpellanten vollständig einig, daß die Preise eine beträchtliche Höhe erreicht haben (sehr richtig! rechts), daß ein weiteres Steigen dieser Preise sicherlich nicht erwünscht ist und daß es wohl Sache der Königlichen Staatsregierung sein muß, sich die Frage vorzulegen, ob und welche Mittel sie in der Hand hat, um nach dieser Richtung ein Halt zu gebieten.

Nun habe ich vorhin die drei Momente hervorgehoben, die in erster Linie die Preisbildung beeinflussen: die Selbstkosten, auf der andern Seite das Verhältnis von Angebot und Nachfrage und endlich die Willkür des Produjenten und des Händlers. Daß wir nicht in der Lage sind, Mittel anzuwenden, um die Produktionskosten zu ver⸗ ringern, das liegt klar auf der Hand. Ich wüßte da keine zur Zeit diskutablen Vorschläge zu machen. Daß die Selbfstkosten mit der steigenden Konjunktur wachsen, liegt in der Natur der Dinge und kann unter den gegebenen Wirtschaftsverhältnissen nicht verhindert werden.

Eine andere Frage ist es, inwieweit wir in der Lage sind, auf das Verhältnis von Angebot und Nachfrage insoweit regulierend einzuwirlen, daß die vorhandene Menge sich der Nachfrage mehr nähert, als es augenblicklich der Fall ist. In dieser Besiehung hat Graf Kanitz zwei Mittel angeregt. Das eine ist die Frage des Kohlenausfuhrzolls, das andere ist die Frage der Ermäßigung der Tarife. Was den Kohlenausfuhrzoll betrifft, so hat ja ein Vertreter der Königlichen Staatsregierung bei Gelegenheit der Beratungen über die Reichfinanzreform eine Erklärung der Königlich preußischen Staatsregierung dahin abgegeben, daß sie die ernstlichsten Bedenken gegen die Einführung eines Kohlenausfuhrzolls haben müsse. Ich muß sagen, daß ich auch heute nicht in der Lage bin, diese Bedenken zurückzustellen gegenüber den Wünschen, die von dem Abg. Grafen Kanitz ausgesprochen sind. (Bravo! links.) Ab- gesehen von den grundsätzlichen Bedenken, die nach Lage unseres ge—⸗ samten Wirtschafissystemz gegen einen Kohlenausfuhrzoll zu erheben sind, bleibt immer die Besorgnis bestehen, daß in Zeiten einer rück⸗ läufigen Konjunktur, in Zeiten, wo wir, um rentabel produsteren zu können, auf das Ausland angewiesen sind (sehr richtig! linke), diese Konkurrenz mit dem Auzland durch einen Ausfuhrzoll außerordentlich erschwert wird, namentlich mit Rücksicht auf die Qualitäten, in denen wir mit dem Ausland konkurrieren. Während auf der einen Seite vom Auslande auf die für uns in Be⸗ tracht kommenden Märkte Kohlen kommen, die, wie Anthrazit und Dampferkohlen, konkurrenzlos sind, müssen wir andererseits im Aut⸗ lande mit einem Material konkurrieren, das eine sehr schwere Kon kurrenz der autwärtigen Kohle auszuhalten hat. Es kommt weiter hinzu das Bedenken, daß der Kohlenausfuhrzoll in solchen Zeiten teil- weise wenigstens von den einheimischen Konsumenten getragen werden wird; das wird namentlich gelten für diejenigen Konsumenten, die von dem rheinisch westfälischen Kohlensyndikat abhängig sind, und es kommt endlich das dritte Bedenken, daß der Kohlenauefuhrzoll ganz verschleden auf die verschiedenen Produktionsgebiete einwirken würde. Diejenigen Produktionsgebiete, die ganz spenlell, wie Oberschlesien und das Aachener Revier, auf die Ausfuhr angewiesen sind, werden viel weniger in der Lage sein, den Koblenausfuhrzoll auf die ein heimischen Konsumenten abjuwäljen alg andere Produktionsgebiete. Kurj, es sind eine ganze Reihe Bedenken, die gegen die Sache sprechen. Dazu kommt noch eins. Herr Graf Kanitz veispricht sich von dem Kohlenausfuhrzoll einmal eine erhebliche Einschränkung des Exports und ein Sinken der Kohlenpreise, weil das Angebot beimischer Kohlen anf unseren Märkten größer wird, und andererseits elne Einnahmequelle für das Reich. Ich meine, ez kann eigentlich nur eins von beiden eintreten: entweder bleiben die Koblen in der Vanpt.« sache im Lande, und dann kann die Ginnabmequelle, die aus dem

Kohlenausfuhrzoll uns erwächst, nicht übermäßig groß sein, erreichen aber sie eine beträchtliche Höhe, so werden trotz des Ausfuhrzolls die gleichen oder doch annähernd die gleichen Kohlenmengen ausgeführt. Es kommt zu alledem hinzu, daß kas Quantum der exportierten Kohle im Verhältnis zu unserer Gesamtproduktion immer relativ niedrig ist. Der Ausfuhrüberschuß beläuft sich überhaupt nur auf 6833 000 t. (Hört, hört!) Es wurden im Jahre 1806 im ganzen produziert 192 715 000 t; dahingegen haben wir in demselben Jahre im ganzen 19, Millionen Tonnen Steinkohlen ausgeführt, der Ausfuhrüberschuß in Steinkohle belief sich auf 10 332 00 t, der der Preßkohlen auf 933 000 t und der des Koks, in Kohle umgerechnet, auf 4 Millionen Tonnen. Dem steht eine Einfuhr böhmischer Braunkohle von 8 432000 t gegenüber; das er⸗ gibt im ganzen einen Ausfuhrüberschuß von 6833 000 t.

Meine Herren, eine andere Frage ist die, ob es tatsächlich nicht nur mit den Interessen der Landwirtschaft und der sonstigen Ver⸗ braucher, sondern auch mit den Interessen der Industrie vereinbar ist, daß billige Kohlen zu billigen Tarifen über unsere Westgrenze ge⸗ fahren werden, um der dort konkurrierenden Industrie ein billiges Betriebsmaterial zu liefern. Diese Frage wird ja eventuell im Falle ihrer Verneinung dazu nötigen, die weitere Frage zu prüfen, ob die Eisenbahnen ihre Tarife verändern sollen. Ueber diesen Punkt wird mein Herr Kollege vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten nachher weitere Auskunft geben. Ich möchte aber zunächst dem, was ich ge⸗ sagt habe, noch einiges hinzufügen.

Das dritte Moment, das auf die Preise einwirkt, ist die Willkür der Pioduzenten und der Händler, speziell die Wüllkür der syndizierten Produzenten und Verkäufer. Meine Herren, ob wir in der Lage sein werden, durch ein Syndikate gesetz Mittel zu finden, um event. Ausschreitungen in dieser Beziehung wirksam zu begegnen, das bin ich heute außerstande zu erörtern. Zweifellos hat der Staat ein großes Interesse daran, zu verhindern, daß tatsächlich die gesamte Steinkohlenproduktion in einer oder wenigen Händen syndiziert wird (hört, hört! rechts, und es muß deshalb der Staat darauf Bedacht nehmen, seine eigene Produktion dementsprechend zu verstärken und ein gewisses Maß von Kohlenschätzen der Allgemeinheit vorzubehalten. (Sehr gut! links) Dieses Ziel zu verfolgen, meine Herren, hat die Königliche Staatsregierung im Laufe der letzten Jahre nie abgelassen, und solange ich die Ehre habe, meinem Ressort vorzustehen, bin sch dauernd bestrebt gewesen, nach dieser Richtung die Verhältnisse zu verbessern. Das Ergebnis dieser Bestrebungen liegt Ihnen in dem Gesetzentwuif zur Abänderung des Berggesetzes vor, der ja in der nächsten Woche hier beraten werden wird.

Es bleibt dann noch die Frage, ob der Fiekus schon jetzt als Produzent unter den jetzigen Verhältnissen in der Lage ist, mildernd einzuwitken. Herr Graf von Kanitz hat selbst schon darauf hin gewiesen, daß das so, wie die Dinge heute liegen, nicht gut möglich ist. Ich habe bei einer anderen Gelegenheit in rn hen Hause schon ausgeführt, daß, wenn der Flskus heute se . berabsetzt, das lediglich dazu führen würde, daß er zu Lasten Gesamtheit einige bestimmte Händler oder Industriegruppen begünfligen würde. Denn ich würde nlemals gleichmäßig alle mit den billigen Preisen des Fiskus beglücken konnen; es würde immer nur ein kleiner bevorzugter Teil von ihnen den Vorteil ziehen.

Ich glaube also, im großen und ganzen bezüglich der fiskalischen Werke den Preisen der Syndikate und der Konvention folgen zu müssen. Ich bin aber und das kann ich ausdrücklich versichern dauernd ernfstlich be müht gewesen, soweit das in meinen Kräften gelegen bat, die Schwierig- keiten, die sich aus der Konjunktur ergeben, für den Abnebmer, und nament- lich für den kleinen Abnehmer, abzuwenden. Die Bergwerks direktionen find wiederholt mit entsprechenden Anweisungen verseben worden, und es ist auch sowohl im Saarrevier als auch in Oberschlesien darauf Be⸗ dacht genommen, die an die Händler und für das Ausland zum Ver- kauf gelangenden Mengen dauernd zu verringern.

Sie sind beispielsweise im Saarrevier von 3421 im Jabre 1894/5 heruntergegangen auf 24,8 0 im Jabre 1905, auf 243 20 im Jahre 1904 und auf 23,8 / im Jabre 1905 des Absatzes; wogegen in Oberschlesten dieselben Mengen gesunken find don 32 6 im Jahre 18965 auf 12,2 im Jabre 1804, während sie sich im Jabre 1208 auf 12,5 0/90 gehalten haben. Sie sehen aus alledem, daß auch bier daß Bestreben der Königlichen Verwaltungen vorliegt, zunächst den Ber braucher zu dersorgen. Entbebren können die Königllchen Ver- waltungen den Händler nicht vollständig, und zwar nicht bloß in ibrem eigenen Interesse, sondern auch im Jntereffe des Publikum Wir haben einen Teil von Abnebmern, die ans den derschiedenften Gründen vorziehen, vom Vändler statt direkt vom Fitkus zu berieben, und wir können im Falle einer weichenden Konjunktur den Aut. landsmarkt nicht vollständig entbehren, den wir wiedernn nur beherrschen können durch Vermittlung der Händler. Dann kommt, daß in den Koblen, die die Händler bekommen, am Teil solche entbalten sind, die zwar im Auzlande derwandt werden, aber in Betrieben, die in Händen deutscher Besitzer sind und mit dent schem Kapital betrieben werden.

Meine Herren, damit bin ich am Ende meiner Außfübrungen an gelangt. Ich kann nur dersichern, daß ich, seweit daß in meinen Kräften liegt, stets bestrebt sein werde, darauf Dinzmmörken, daß die Preise der Koblen eine übermäßtee Oöbe nicht erreichen. Ich möchte aber schließlich voch bemerken, daß bier auch eine gemtffe wirtjchaftliche Grenze innegebalten werden muß aut ernem anderen Grunde. Ein bober Jin fuß und bobe Koblenrreise sind die under. meidlicke und natürliche Begleiterscheinung seder Dochkonfunktur, Fre sind aber auch ibr Regulator; und wenn man beifriergwelse in Der Zeit der Dochlonlunktur den JZinfuß und die Koblennrrlse nter elner gewissen wirtschaftlich gerechtfertigten Grenze balten wollte, so warde man damlt einer weiteren Erpanston der Industrie, mmer Neber ham. nung der Hochlonsunktur und damit einer Grböbung der mlt br wer. dundenen Gefadren mweisello? Vorschub Lerften. (Belo Minka)

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