1907 / 97 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Apr 1907 18:00:01 GMT) scan diff

Reform des amtsgerichtlichen Projesses, mit Vorarbeiten, die, wie ich hoffe, in nicht zu langer Zeit, bis zur nächsten Session ihren Ab- schluß gefunden haben werden. Unser Wunsch geht dahin, in der nächsten Session dem Reichstage ein Gesetz über ein vereinfachtes amtsgericht liches Verfahren vorzulegen. Vie Meinungen, die anscheinend viel⸗ fach verbreitet sind und denen auch der Herr Vorredner Ausdruck ge⸗ geben hat, als wenn es sich bei dieser Reform im wesentlichen nur handelte um eine Erhöhung der Kompetenz der Amtsgerichte zum Nachteile der Landgerichte, sind unbegründet. Ich begreife nicht nach den Mitteilungen, die verschiedentlich, auch unter unserer Mitwirkung, in die Presse gekommen sind, wie solche Meinungen haben Platz greifen können. Vielleicht wirkte dabei der Wunsch mit, um das ganze Werk etwas zu diskreditieren. Es liegt mir fern, die Frage der Kompetenz der Amtsgerichte als den eigentlichen Angelpunkt der Reform anzusehen. Die erste und wichtigste Aufgabe ist, ein einfacheres, billigeres und beschleunigtes Verfahren für den kleinen Mann zu schaffen, wie es seit langer Zeit von der Be⸗ völkerung gewünscht wird. Wenn wir bei diesem Anlaß auch eine Erhöhung der Kompetenz der Amtsgerichte fordern werden, so dient es nur demseben Ziel, dem Interesse des Volkes an schleuniger Erledigung der Streitsachen aber es liegt nicht in den Gedanken der Regierung, gerade auf diesen Punkt aus fiskalischen oder sonstigen abwegigen Gesichtspunkten den entscheidenden Wert zu legen. Eine Erhöhung der Kompetenz der Amtsgerichte muß eintreten, das ist ganz unvermeidlich. Mein persönlicher Wunsch ist es und ich habe immer darauf hingewirkt, daß es so geschehe in mäßigen Grenzen mit Schonung der bestehenden Interessen und der einmal auf Grund der bisherigen Gesetzgebung entstandenen wirtschaft⸗ lichen Verhältnisse. Aber bel allen diesen großen Reformen geht es ohne Wunden nicht ab, es muß vielfach in die be— stehenden Verhältnisse tief und empfindlich eingegriffen werden, mehr als es uns lieb ist, und wir müssen von der Bevölkerung die Entsagung verlangen, daß sie im Interesse des großen Zieles, das wir verfolgen, einige Opfer bringe, wenn sie größere Gewinne dafür eintauscht.

Abg. Dr. Wagn er (d. kons. ): Der Abg. Dr. Junck hat die Angriffe auf die Gerichte . der „Klassenjustiz“ bereits zurückgewiesen. Die Gerichte haben einzlg und allein einen gegebenen Tatbefund nach den positiven Gesetzen zu m . So weit berichtigt sich auch eine von ihm getane, etwas mißverständliche Aeußerung. Unser Volk ver⸗ langt aufs dringendste eine Beschleunigung des Zivpilprozesses und wir begrüßen die von dem Staatssekretär . Reform des amtsgerichtlichen Prozesses für die nächste Session. Diese Vorlage wird auch dem Mittelstande entgegenkommen. Der Kritik des Dr. Junck möchte ich auch nicht zustimmen, daß das amtsgerichtliche Ver⸗ fahren zu Ausstellungen Veranlassung gegeben habe; ich meine im Gegenteil, dieses Verfahren wird von der außerordentlichen Sym pathie der Bevölkerung getragen. Die Bedenken, daß kleinere Land, gerichte durch die angekündigte Reform zum Verschwinden gebracht werden könnten, halte ich für übertrieben. Sollte wirklich lie sf⸗ oder jenes ganz kleine Landgericht verschwinden, so wäre das zwar zu be— dauern, aber die betreffenden kleinen Städte könnten ja durch ein Bataillon Garnison entschädigt werden. Der ganz unvernünftige Andrang zum juristischen Studium, der jetzt herrscht, muß zurück.

edämmt werden; dann wird sich auch die Situation für den e nta! bessern. Die Anwalte der Oberlandesgerichte würden ja gewiß in ihren Bezügen Ausfälle erleiden, aber es könnte durch die Heraufsetzung der Gebühren für die zweite Instanz abgeholfen werden. Der Resolution Graf Hompesch wegen der e der Beamten stehen wir in der großen Mehrzahl freundlich egenüber; gegen die entsprechend? Resolution Bassermann eilen wir die Bedenken, die der Staatssekretär entwickelt hat. Der Resolution Osann gegenüber sind wir geteilt; die einen halten eine solche Vorlage für bedenklich, weil sie dem Mißbrauch im Ge—= schäftsleben Vorschub leisten könnte, die anderen sehen sie als jweck. mäßig an. Die Resolution Varenhorst ist ja nur der Ausdruck unserer eigenen früheren Aktion. Die Anträge Ablaß und Hompesch wegen der Schöffen und Geschworenen begrüßen wir ebenfalls. Einen anderen Standpunkt aber nehmen wir ein gegen die Anträge wegen Beseitigung des Zeugniszwanges gegen die . und die Reichstags abgeordneten. Die Parallele mit dem Berufsgeheimnis des Arztes, Rechtsanwalts oder Geistlichen stimmt schon deshalb nicht, weil das diesen Anvertraute geheim gehalten bleiben soll; beim Redakteur wird aber das Anvertraute gerade zum Zwecke der Veröffentlichung mitgeteilt. Der so sehr betonte Gewissenszwang läßt sich doch vermeiden, indem der Redakteur dem Betreffenden die Geheimhaltung zusagt, aber die gerichtlichen Zeugenaussagen davon ausnimmt und das Eingehen auf die Sache ablehnt, wenn ee. sich damit nicht zufrieden geben will. Unter Umständen kann ja schon in der Mitteilung an den Redakteur selbst ein strafbarer Tatbestand, ein schweres Verbrechen usw. bekannt egeben werden. Wir sind durchaus Freunde der Preßfreiheit, aber ki Aufhebung des Zeugniszwanges wäre ein unverdienter Schutz der Anonymität, besonders auch bei schweren Ehrenbeleidigungen; des⸗ halb stimmen wir gegen die Resolution des Zentrumg und ebenso gegen die Resolution Albrecht. Wenn unsere höchsten Staatsbeamten vor Gericht geladen werden, können sie auch nicht nach eigenem Ermessen die Aussage verweigern, sondern ihr Vorgesetzter hat darüber zu be⸗ finden und er darf die Aussage nur verhindern, wenn die Sicherheit des Reiches dabei in Frage kommt. Das muß auch in Betracht ge⸗ ogen werden, wenn für die Abgeordneten eine solche Ausnahme tellung geschaffen werden soll. as Zeugnisverweigerungsrecht kann chließlich deplacierend wirken. Das Staatsinteresse darf nicht hintan⸗ gehalten werden.

Abg. Heine (Soz): Der Antrag Varenhorst wird so bekämpft werden wie seinerzeit der bezügliche Gesetzentwurf, dagegen werden wir für den Antrag Bassermann wegen der , der Bauhandwerkęs⸗ forderung und für den Antrag Maltzan über die Automobile stimmen. Der Ankrag des Grafen Hompesch, wegen der Zeugnisverweigerung

eht uns nicht weit genug. Die Entscheidung im Falle Ern erger ist weiter nichts, als die Gier der Bureaukratie, ihre Machtbefugnisse zu erweitern. Zwischen der Volksvertretung des Deutschen Reichs und einem preußischen Amtgzrichter oder Landrichter besteht doch noch ein Unterschied: es d. nicht die Laune eines solchen Richters maßgebend sein. Der Staatesekretaͤr sagte, im Zeugnisjwangsverfahren müsse die Rechtsordnung entscheiden, nicht die Presse. Die Rechtsordnung besteht darin, daß das sitiliche Recht im Volke nicht mit Füßen getreten wird. Der Vorredner sprach von Drückebergern. Im Falle Erzberger war es nicht dieser, der sich gedrückt hat, sondern die Behörden wollten allerlei ver⸗ tuschen. Der Staatssekretär hat natürlich das Zeugnie⸗ verweigerungsrecht, anders steht es aber mit den anderen Behörden, In der Praris kann sich jeder Schutzmann und , auf seine Beamteneigenschaft berufen und wird unter nichtigen Gründen von seiner Zeugnispflicht im „Interesse des Staates“ enthunden. Hätten wir eine Rechtspflege, die nicht bei jeder Gelegenheit bemüht ist, die Kritik öffentlicher Justande zu unterdrücken, dann brauchten wir das Zeugnieverweigerungsrecht nicht. Daß die Regierung hier nicht reformieren wolle, wußten wir schon längst. Was der Staate sekretär hier sagte, ist dem nationalen Block gesagt, der sich allerlei . macht. Die Haftungen könnten nicht nur für die Reichs beamten, sondern auch für die Staatebeamten durch Reichsgesetz festgelegt werden, wenn es die Regierung nur wollte. Infolge des Verschuldens eines Gefangenenarztes erblindete ein Gefangener im Gefängnis in Glogau. Die ganje Sühne bestand darin . der Arzt seine Stellung niedergelegt hat; der Mann hat is jetzt keine Entschädigung erhalten. Die Ausweisung des bekannten Schuhmachers Vogt macht eine Aenderung

der Ausweisungebestimmungen notwendig. Er mag gefährlich gewesen sein. Eine ganze Anzahl von Leuten, die nicht unter Polizeiaufsicht stehen, werden auf Grund einer Bestimmung deg Freizügigkeitsgesetzes ebenfalls von Ort zu Ort gehetzt. Es werden Arbeiter, die irgendwo einmal eine kleine Strafe erlitten, ausgewiesen, soweit sie sich politisch oder gewerkschaftlich mißliebig gemacht haben; dasselbe gilt von Schriftstellern. In Wilmersdorf lebt ein Schriftsteller, der früher sozialdemokratischer Redakteur gewesen war. Fünf Jahre darauf jog er eine Straße weiter, die in Friedenau lag. Dort erhielt er mit Rücksicht auf seine politischen Vorstrafen als gefährlicher Mann eine Ausweisung, und zwar nicht bloß aus Friedenau, sondern auch aus Wilmersdorf und aus dem Bezirk von Berlin. Es gelang aber, die Rücknahme der Maßregeln herbeizuführen, nachdem ich dem Dezernenten auf dem Polizeipräsidium unter die Nase gerieben hatte, was wohl die Oeffentlichkeit zu einem solchen Falle 66 würde. Auf diesem Gebiete muß unbedingt die Reichs⸗ eie bung Wandel schaffen; auf vernünftige ar r nd, önnten wir lange warten. Im vorigen Jahre habe ich über die politische Justiz gesprochen. Der preußische Justtzminister erschien hier nicht. Dagegen ließ er den Professor Gierke bei sich einen Vortrag halten, worin die preußische Justijz heraus—⸗ gestrichen wurde. Dassel be hat heute auch der Abg. Wagner getan, wenn auch nicht so geschickt und stilistisch vollkommen. Daß die Richter parteiisch für die Armen entscheiden, verlangt kein Mensch, sondern nur, daß nicht Entscheidungen getroffen werden, wo das Recht des Volkes zu kurz kommt. Es werden Urteile ge⸗ fällt, die mit Recht als Klassenjustiz bezeichnet werden; nicht jedes Urteil verdient eine solche Charakterlsierung, nicht jeder Richter übt Klassenjustiz oder fällt mit der bösen cht Urteile, ungerecht zu sein. Ich will nicht behaupten, daß die Richter sich hinsetzen und sagen, der Arbeiter Müller ist zwar im Recht, aber ich will ihm unrecht geben, oder der Fabrikant Schulz ist im Unrecht, aber ich will ibm 9. geben. Die bona fides ist etwas verflucht Billiges, sie stellt sich immer ein, wenn man sie braucht. (Zurufe rechts) Wenn die Klasseninteressen mitspielen, wird der Blick der Richter getrübt; es bemächtigt sich ihrer ein politisches oder

soziales Vorurteil und sie verfahren in einseitigen

juristischen Konstruktionen. Die Klassenjustiz zeigt sich in dem mangelhaften Interesse für das, was aus einem Urteil folgt, wenn es sich um das niedere Volk handelt. In Beuthen in Oberschlesten wurden zwei Kinder eines armen Mannes, ein Knabe von 12 und ein Mädchen von 1395 Jahren, angeklagt wegen Gefährdung eines Eisenbahntranzports; sie hatten auf die Schienen einer Straßenbahn Steine gelegt, um zu sehen, wie die Bahn chopser, und der Wagen ist dabei entgleist. Der Gerichtshof hat die Kinder ju der gesetzlichen Mindeststrafe von je 1 Jahr Gefängnis verurteilt; der Richter hat doch bei Kindern, von denen das eine eben erst das strafmündige Alter erreicht hatte, zu prüfen, ob die nötige Einsicht bei den Kindern vor⸗ handen war. In dem Urteil steht darüber bloß das Folgende: Bei der großen Bedeutung, welche die Straßenbahn in dem Industrie⸗ bezirk hat, ist nicht daran zu zweifeln, daß die Kinder die erforder- liche Cini t gehabt haben. Erst als es sich um die bedingte Be⸗ gnadigung handelte, fingen Ermittlungen über die Einsicht an und da stellte sich heraus, daß es sich um ein schwachsinniges Mädchen handelte, das nicht einmal die dritte Klasse der Volksschule absolviert hatte! Von dem Knaben wurde ken e ln, daß er ohne Aufsicht aufwuchs und sich meistens auf der Straße herumtrieb; dieses Kind hatte doch auch nicht die richtige Einsicht in die kriminelle Strafbarkeit seiner Handlung. Hätte das Kind den besseren Ge⸗ sellschafteklassen angehört, so wäre es freigesprochen worden. Ist ein Kind aus diesen Schichten angeklagt, so wird die genaueste Prüfung seines Gemütszustandes vorgenommen, wie ich aus meiner ö bezeugen kann. Für die Arbeitgeber und für eine Sorte von Arbeitern, nämlich die Streikbrecher, haben die GerichtsCbehörden ein ganz feines Verständnis. Bei Beleidigungen gegen Streikbrecher a sofort die Staats⸗ anwalte ex offseio ein. In Nürnberg hat ein Streikbrecher einen Arbeiter niedergeschossen, er hat ihn ermordet; der Streikbrecher ist entkommen und sitzt jetzt sicher im Auslande. (Zurufe rechts: Wo ist das gescheben 355. In Nürnberg. (Abg. Kret h: In Nürnberg hängen sie keinen, den sie nicht haben! Ja, sie hatten ihn, haben ihn aber laufen lassen, das ist ja gerade das Ungeheuerliche. Das Verlangen der Arbeitgeber von den Arbeitern, einen Rervers zu unterschreiben, wonach sie sich ver pflichten, keiner Organisation anzugehören, ist bestimmt, das Koalitions⸗ recht der Arbeiter zu vernichten und verstößt unzweifelhaft gegen die guten Sitten. Das ist sogar bei der Beratung des B. G.⸗B. von allen Seiten anerkannt worden. Jetzt hat vor kurzem eine Kammer des Gewerbegerichtg unter Vorsitz eines juristisch gebildeten Richters er⸗ klärt, eine solche Vereinbarung wäre doch verbindlich, und hat damit eine grobe i . ung gutgeheißen. Das Verstandnis für diese Dinge fehlt den Richtern eben. Gleichermaßen geht es mit dem Versammlungzrecht. Wenn die Arbeiter erklären, sie wollen die Lokale, wo man ihre Versammlungen nicht zuläßt, auch bei Festlich keiten meiden, so werden sie wegen groben Unfugs verfolgt. Ein Berliner Gericht hat in sebr treffender Weise diese Anschauung zurückgewiesen und es schliefen für einige Zeit die Anklagen wegen groben Unfugs ein. Da trat Sachsen auf den Plan, es ergingen Polizeiverordnungen, welche die öffentliche Aufforderung verboten, in bestimmten Lokalen nicht zu kaufen oder zu verkehren. Diese sächsischen Polizeiverordnungen sind ein grober Eingriff in das Reichsrecht und die Kompetenz der Reichsgesetz⸗ gebung. Gewiß ist der Zweck eines jeden solchen Boykotts, einen Druck auszuüben; beim Einschreiten dagegen kommt die Polizei aber jedenfalls mit 5 240 des Strafgesetzbuchs oder mit der Bestimmung des § 360, 11 über den groben Unfug in Konflikt. Das Chemnitzer Gericht hat aber gleichwohl die Verordnung für verbind⸗ lich erklärt, und zwar mit einer Begründung, die ein vollkommener Widerspruch, also gleich geheimnisvoll ö. Weise wie für Toren ist. Wenn man das als Rechtswissenheit auftischt, so blickt da nichts hin durch als die nackte Absicht, die Arbeiter zu schädigen. Ueber das Streik. postenstehen und die Rechtsprechung des preußischen Kammergerichts, die den Gerichten das Recht der Prüfung der Berechtigung der Anordnungen der Polijeibeamten aberkannt hat, ist hier schon gesprochen worden. Diese Rechtsprechung jwingt jetzt die Gerichte, zu verurteilen, auch wenn sie selbst nichts Strafbare zu sehen vermoͤgen. Dadurch wird die Rechtsprechung direkt korrumpiert. Schon in dem bloßen Umher⸗ stehen von einigen Mann auf einem weiten Raum hat man eine Be⸗ unruhigung und Belästigung des Publikums gesehen und auf Bestrafung erkannt. Ich habe mit Absicht keine Revision eingelegt, weil sie aussichtslos war. Die Rechtsprechung greift, geplagt von dem bösen Geist der Arbeiterfurcht, zu immer neuen Mitteln. Auch die Rechtsprechung über die Erpressung wird mit jedem Jahre schlimmer. Man erblickt in dem Verlangen nach besseren Lohnbedingungen ein Verlangen nach einem rechtswidrigen Vermögensvorteil. Man verurteilt Arbeiter wegen Erpressung, wenn sie zu einem Streikverein oder zu einem Verbande jusammentreten. In Sachsen⸗Altenburg sollte ein Gewerkschaftshaus durch Streikbrecher umgebaut werden. Als dagegen remonstriert und ein Streik angekündigt wurde, wurde der Betreffende mit einem Monat Gefängnis bestraft. Arbeit geber sind aber im entgegengesetzten Falle niemals verurteilt worden. Im letzten Jahre ist nun eine neue Aus- legung der 152 und 153 GO. eingetreten, die das Koalitions⸗ recht der Arbeiter überhaupt aufhebt. aq 152 gestaitet, durch Arbeits- einstellung usw. einen Zwang jur Griielung günstigerer Arbeits bedingungen auszuüben. Arbeiter dürfen die Arbeit einstellen, um durch einen solchen Druck Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erhalten, die für sie gänstig sind. 5 153 will nach seiner ganzen Entstehungs—⸗

eschichte lediglich den Schutz des Aibeitsgenossen gegen den

errorigmus seiner Arbeitsgenossen. So war es 40 Jahre die juristische Praxis, so hat sich auch Minifter von Berlepsch seiner= zeit ausgesprochen. Es waͤre nun schlechthin verrückt, die Arbeits- sperre zu gestatten, aber deren Ankündigung an die Arbeitgeber zu bestrafen. Aber diese Auslegung ist dem Reichsgericht vorbe- halten gewesen; welche Rechte nach seiner Entscheidung noch dem Arbeiter bleiben, sich zu koalieren, ist nicht zu verstehen. Geradezu

spaßhaft ist, daß das Reichsgericht versucht, sich Pferd der juristischen Wissenschaft zu und Zügel verliert.

Man sollte meinen, daß Entscheidung eines Winkelkonsulenten ju tun hat. J daß das Reichsgericht die 1866 und 1868 nicht kennt; ich meine vielmehr, daß was ihm nicht in den Kram paßt. einer neueren Entscheidung in Breslau zu Grunde gelegt word

März vorigen Jahres wurde der Arbeitersekretär Schlegel vom P arbeiterverband wegen Vergehens gegen den 5 Er hatte zu dem Arbeitgeber gesagt: sprüchen nicht gerecht werden, so werden die Gehilfen Er hatte also von dem den Arbeitern nach z 182 zu

Entstehungẽgesch

Seine neue Auslegung

Wenn Sie uns

9 nige 3 lautende Uttelli

Ich zweifle nich

viele Erfahrungen auf diesem Gebiete hätten, wie ich, dieselbe Ansicht haben. Neben der strafrechtlichen Drangs Koalitionsrechtes der Arbeiter d mehr und mehr solche Bestrafun S826 B. G. B. Die Be chon bei der Beratung des B. G. B als Kautschu

gefährlichsten Art

Diese Bestimmungen der sehr rigoros angewendet. Boykott über eine große Anzahl von in Sachsen, die, vorübergehenden Sitten sehen.

en auf Giun

timmungen kbestimmung

Koalitionsrecht 823 und Saß werden gegen A Verhängen Arbeiter eine Sperre brik oder einen Bäͤckermelster, so gibt erichten, namentlich auch das Oberland obgleich es sich bloß um eine ern, weck handelt, darin einen Verftoß gegen as Oberlandesgericht Kiel dage vom Reichsgericht bestätigte entgegengesetzte En der Fall ist aber singulär geblieben. i 9a Staaktssekretär keinen Ginfluß auf die Rechtsprechung 6. das auch nicht an, um zu beweisen, daß das Koalitionsrecht der diese verworrene Rechtsprechung und diese. Dran einem Wort durch diefe Klassenjustiz vollständig in F ja vernichtet ist. Strafgesetzbuches, Notgesetz das Koalitionsrecht Koalitionsrechtes ist die beste . Arbeiterklasse will ein gutes Koalitionsrecht liebe kleinen Sozialreformmaßnahmen. arteien ju dieser

dad 5 febr gut, 4

Arbeiter dun .

gewartet werden

notwendig, zu choön jetzt zu schüßen. D ozialpolitit, die

Wie verhal Forderung? Wenn mans hört, R n reunde derselben; aber mit den Taten steht es ander? 2

chon 1899 hat der Abg. lärt, er wisse nicht rech Koalitionsrecht bleiben sollte, wenn die Judikatur . Diese Judikatur hat sich seitdem ganz außerorden Aber darum keine Feindschaft ni dieses Recht schützen zu wollen. Block, der es schutzen will, unter es ebenfalls schützen will. Ich

hier wird getanzt, oder trolle Dich und schweige, we

(Schluß in der 3

Bassermann er

stützi vom antinatio 6. dem Block: H

tanzen kannst.

Zweite Beilage

Berlin, Montag, den 22. April

um Deutschen Neichsanzeiget und Königlich Preußischen Staatsanzeiger. * 92.

1807.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Auf den ersten Teil der Ausführungen des Herrn gerꝛedners werde ich heute nicht antworten, soweit diese Ausführungen r Resolutionen betreffen, die hier vorliegen. Dagegen halte ich es sir notwendig, sofort, bevor das Haus heute auseindergeht, einige Forte ju den Ausführungen zu sagen über die sogenannte Klassen— ssti sowie zu den Bemerkungen, die der Herr Vorredner gemacht hat Ansehung der Judikatur auf dem Gebiete der Erpressung und der goalltion. Es wird mir schwer, meine Herren, auf die Ausführungen n antworten. Wenn ein Mann wie er, kein Bedenken trägt, die sotscheidungen unseres höchsten Gerichtshofs hier als „verrückt“ zu kleinen, und wenn er weiter erklärt, daß die Gerichte aus dem zur Heurtellung eines Rechtsfalls vorliegenden Material das nehmen, was snen nach ihrer Auffassung paßt, das übrige aber, was ihnen nicht n den Kram paßt, beiseite lassen und für das von ihnen zu gebende miteil nicht berücksichtigen, so liegen darin nach meiner Meinung, nenn auch die parlamentarische Form gewahrt ist, so schwerwiegende Vorwürfe für den Richter und insbesondere für den höchsten Gerichts⸗ hof, daß ich meinen Widerwillen bis aufs äußerste bemeistern muß, um auf solche Ausführungen zu antworten. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, der Herr Vorredner hat seine Ausführungen über die Klassenjustiz heute nicht zum ersten Male gemacht. Diese Aus⸗ sihtungen bewegen sich ich habe ja das Vergnügen, schon eine

. linge Reihe von Jahren hindurch ihm in solchen Situationen gegen—

iberjustehen in einem ganz bestimmten Schema. Zunächst erklärt a, es handle sich in unserer Rechtspflege um Klassenjustiz, dann aber figt er vorsichtig hinzu, beileibe handle es sich dabei nicht um die Boͤheit oder die Charakterlosigkeit des einzelnen Richters: nein, die Richter sind brave Männer, aber sie sind leider so versunken i die Anschauungen ihrer gesellschaftlichen Kreise, daß se überhaupt Recht iu sprechen nicht mehr vermögen, daß fie bei ihren Entscheidungen immer nur die eine Partei sehen, die aus der bürgerlichen Welt, daß sie für die Berechtigung der Ansprüche des anderen Teils, der Arbeiterkreise, eine Empfindung nicht mehr haben, und so kommt es nach ihm dahin, daß die Richter eben nach dem urteilen, was der einen Seite, den bürgerlichen Kreisen recht ist, und daß sie gar nicht wissen, daß sie dabei den Rechteinteressen der Arbeiterwelt ein schweres Unrecht bereiten! Meine Herren, solche Richter, die mit ihrem geistigen Vermögen dahin gelangten, sind Bösewichter oder Trottel (sehr richtig! rechts) und da der Herr Ab⸗ geordnete sie als Bösewichter eben doch nicht hinstellen will, so muß man den anderen Schluß aus seinen Worten ziehen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Es gibt noch viele Stufen dazwischen!)

Nun, meine Herren, nachdem der Herr Abgeordnete in dieser Weise unseren Richterstand charakterisiert hat, heute und ähnlich, wenn auch nicht so scharf, schon früher, und nachdem er so eine ge⸗ vise Stimmung im Hause glaubt hervorgerufen zu haben zu Un— gunsten der Gerichtshöfe mit ihren geistigen Schwächen, kommt er mit dem persönlichen Moment seiner sachlichen Unbefangenheit und erklärt: n, ich habe gegen die einzelnen Richter und ihren guten Willen gar nichts einzuwenden, ich erkenne ihren Fleiß, ihre Tätigkeit durchaus m, und nachdem er auf diese Weise versucht hat, seine eigene

Ddbiektivität dem Hause zum Bewußtsein zu bringen (Heiterkeit

rechts, kommt der Herr Redner nun und führt uns seine Fälle vor, nicht, um dabei zu sagen, das sind einzelne Verirrungen, nein, um den Geist der Klassenjustiz damit heraufzubeschwören. Er ist erfüllt bwbon, wie so ganz unbefangen und objektiv er selber ist (Heiterkeit), unsere Richter sind dagegen großenteils Leute, die in eine Verdummung beraten, die sie Recht und Unrecht nicht mehr unterscheiden läßt, und das sollen nun die einzelnen Fälle, die er unz von seinem Standpunkt aus in sorgfältiger Auswahl vorführt, unwiderleglich beweisen. Ich glaube, tr hat die Absicht, seine Rechtsfälle hier objektiv vorzutragen; aber wir verlangen, daß, wenn wir über einen solchen Fall urteilen sollen, ind ich glaube, darin wird das hohe Haus mit mir einverstanden sen, die Sache uns auch von anderer Seite, die unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Sache gewonnen hat, vorgetragen wird. Es ist eine RMumutung unerhörter Art, in solchen Fällen zu erwarten, der Reicht⸗ kn solle ein Verdikt abgeben, ohne daß ihm Gelegenheit gegeben bird, die Sache von beiden Seiten zu sehen. (Zurufe bei den Sozial⸗ benokraten. Nein, aus den Mittellungen des Herrn Abgeordneten hetauz kann ich seine Vorwürfe nicht entkräften, da muß ich anderes Naterial haben, vor allem die Unmittelbarkeit der Eindrücke, aus lenen heraus die Richter ihre Ansicht schöpfen, die kann ein Akten bottrag nicht liefern. (Wiederholte Zurufe bei den Sozialdemokraten.) shräsident: Ich bitte, den Herrn Redner nicht zu unterbrechen.)

Dann erjählt er uns solche Fälle, wie z. B. den Fall von euthen, wo ein paar arme Kinder, die auch ich deshalb tief bedaure, un Gericht verurteilt worden sind zu verhältnismäßig hoher Strafe, ntärlich wegen des Klassenbewußtseins der Richter, das die Richter . bollständig erfüllt, daß sie die Verhältnisse dieser armen Kinder tig ju würdigen nicht mehr vermögen. Ich kann mir nicht denken, 5 ein Mann, der noch bei gesunden Sinnen ist, und wäre es der meltigste, mit dem feindlichsten Klassenbewußtsein ausgestattete Mann, mme Kinder in sachlich ungerechtfertigter, harter Weise verurteilen fte, wie es der Herr Vorredner nein, nicht sagt, aber uns doch bhpeditiert. Ein Redner, der in einer so scharfen Art für Recht und derechtigteit hier plädiert, in schonungsloser Art aber zugleich dem 9 ohne welteres unterstellt, daß er im höchsten Maße ungerecht er bewegt sich in Widersprüchen, die ich nicht verstehe. Aus ur borbedacht gesammelten Fällen wird dann hergeleitet, daß ö Richter die Verhältnisse der kleinen Leute zu beurteilen nicht ande seien! Nun, sehen Sie sich doch unseren Richterstand an: . denn nur aus den Kreisen der höheren Gesellschaftsschichten mu men gesetzt? Wir haben eine ganze Menge richterlicher Kräfte, ö aug kleinen Verhältnissen hervorgegangen sind und die sehr hl die Zustaͤnde und Anschauungen bel den kleinen Leuten ju

würdigen verstehen, auch nachdem die in höhere Amts stellen gelangt sind. Preußen hat einst einen Justiz— minister gehabt, der früher einmal Schreiber war. Wir dürfen für uns und für die Mitglieder der Gerichtshöfe in Anspruch nehmen, die Verhältnisst der kleinen Leute zu verstehen, denn wir haben doch wahrhaftig auch Gelegenheit, in die Verhäͤltnisse der unteren Volks⸗ schichten hineinzusehen. Wenn der Herr Redner gleichwohl den Richtern die unpartelische Auffassung bestreitet, dann wirft er ihnen eben Trottelhaftigkeit oder Böswilligkeit vor. Dagegen muß ich den Richterstand verwahren.

So ist die Art und Weise, wie der Herr Abgeordnete sich das Bild der Klassenjustiz, wie sie nach ihm in Deutschland herrscht, kon struiert. Er hat das schon häufig in dem hohen Hause getan, ich würde soviel Aufhebens gar nicht darüber gemacht und ich würde mich überhaupt nicht in Erregung haben bringen lassen, wenn ich heute nicht jum eisten Male vor diesem Hause, das neu gewählt ist, derartige Ausführungen anzuhören hätte. Ich wollte nur um die Erlaubnis bitten, das hohe Haus zu warnen, daß es die Ausführungen des Herrn Redners, die sehr kunstvoll aufgebaut, sehr geschickt zubereitet, aber durchaus nicht gerecht sind, ohne welteres sich gefallen ließe. (Bravo! rechtts.)

Meine Herren, nun hat der Herr Abgeordnete sich mit unserer Judikatur beschäftigt, wie ich anerkenne, in ernsten, sachlichen Fragen, und ich bedauere, daß er seine Erörterung dieser Fragen der Koalition und der Erpressung, die für unsere wirtschafiliche Entwick⸗ lung, für unsere sozialen Verhältnisse eine so große Rolle spielen, in Formen gekleidet hat, die ein wohlwollendes Verständnis für seine Ausführungen nicht gerade erleichtern. Aber ich will Ihnen trotz der abstoßenden Einkleidung meine Meinung über die Fragen, die er erörtert hat, offen sagen. Ich gehe dabei natürlich auf die beson— deren Fälle, die den Urteilen in Bretlau und den Urteilen des Reichsgerichts zu Grunde liegen, nicht ein, ich werde nur die allge— meinen Rechtsfragen berühren. Ich halte dieses Haus und ebenso die Regierung nicht für die geeigneten Stellen, um ein Verdikt abzugeben ohne genaue Kenntnis des Sachverhalts über einzelne Fälle, die die Gerichte nach meiner Meinung mit voller Gewissenhaftigkeit erörtert haben, jedenfalls aber mit besserem Verständnis, als Sie und wir über die Einzelheiten haben, erörtern konnten. Wir haben hier nur zu erwägen, ob die Gerichte und ihre Entscheidungen das Gesetz richtig angewendet haben, nicht im Anschluß an den Tatbestand des einzelnen Falles, den wir nicht zu würdigen vermögen, sondern ob die grundsätzliche Intention des Gesetzes dabei zum Aus— druck gekommen ist. Da erkenne ich nun an, daß die Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiete der Erpressung und des Koalitions⸗ rechts in der letzten Zeit zu manchen Ergebnissen geführt hat, die in ihren Konsequenzen berechtigte Zweifel erwecken können. (Aha! bei den Soz.) Ich gebe auch zu, daß die Bestimmungen unseres Straf— gesetzbuches über die Erpressung und daß die Bestimmungen der Ge⸗ werbeordnung über die Koalitionen nicht so klar und fest abgegrenzt sind, wie es in diesen Materien, in die so viele von Leidenschaft durch⸗ tränkte Verhältnisse hineinspielen, mir geboten erscheint. Ich halte es für die Aufgabe unserer Strafgesetzreform, die Paragraphen des Straf⸗ gesetzbuches über Nötigung und Epressung schärfer und klarer, als sie jetzt lauten, zu umgrenzen. Das deutsche Strafgesetzbuch hat nach meiner Meinung einen Fehler begangen, als es die Bestimmungen des preußischen Gesetzbuchs über die Erpressung, indem es diese abänderte, nicht so zweifellos redigierte, wie es ju wünschen war, als es bei einer Fassung sich beruhigte, die diesen Bestimmungen eine weitere Tragwelte zu geben erlaubte, als es nach den Bestimmungen des preußischen Strafgesetzbuchs möglich war. Es wird sehr ernster Erwägung bedürfen, ob nach dieser Richtung hin die neuen Normen nicht einer Einschränkung, ganz abgesehen von ihrer Klarstellung, be— dürsen. Mehr kann ich in diesem Augenblick nicht darüber sagen. Unser Bemühen wird darauf gerichtet fein, hier zu bessern, später wird es ja Ihrer Prüfung unterliegen, ob uns das gelungen ist. Was die Bestimmungen des Koalitionsrechts betrifft und namentlich die Auslegung, die das Reichtgericht dem § 153 der Gewerbeordnung gegeben hat, so glaube ich, daß die Entscheidungen, die hier gefällt worden sind, noch ernster Nachprüfung unterzogen zu werden verdienen. Die Reichsjustlzverwaltung hat Veranlassung genommen, über die Zweifel, die nach ihrer Meinung in dieser Materie trotz der Entscheidungen des Relchsgerichts liegen, die Reichsanwaltschaft

zu informieren und sie anzuweisen, alle Gesichtspunkte, die nach unserer Ansicht noch nicht vollständig geklärt sind, sobald sich bei einem Falle dem Reichsgericht die Gelegenheit darbietet, noch einmal zur Sprache zu bringen und das Gericht auf diese Weise zu

veranlassen, alle diese Punkte noch einmal zu erörtern. Mehr können,

wir nicht tun und ich bin auch der Ueberzeugung, daß das Reichs- gericht, wenn es bei seinen Entscheidungen geirrt haben sollte, was ich jetzt nicht schon aussprechen will, von den ehrlichsten Absichten aus⸗ gegangen ist, und ich bedauere, daß der Herr Vorredner das nicht an= erkannt hat irren ist ja menschlich —, daß er vielmehr auch hler seine Ausführungen mit Prädlkaten ausgestattet hat, die meinem Ge⸗ fühle durchaus zuwider sind. Aber er mag ungeachtet dessen überzeugt sein, das wird uns im Reichsjustizamt dadurch nicht abhalten, diese Dinge in objektiver Weise zu prüfen nur zu dem Zwecke, den wahren Gedanken des Gesetzes und die Gerechtigkeit, der es dient, voll zur Anerkennung ju bringen. (Bravo!)

,,, sächsischer Ministerialdirektor Dr. Börner: Auf das erwäbnte Chemnitzer Urteil kann ich nicht eingehen, weil Revlsion gegen das Urteil eingelegt ist, die Sache also noch schwebt.

Abg. Dr. Ablaß (fr. 39 Auf die gestellte Resolution will ich heute nicht eingehen. Graf Posadowsky le, in der vorigen Woche von der Reform des Vereingrechtes und bediente sich dabei des Wortes, man müßte sich mancher Rüstzeuge deg alten Polizeistagtes entledigen. Ich wünschte, diesen Worten folgte bald die Tat. Wir verlangen nicht nach Ritterrüstungen, ihn nach einem modernen Gesellschaftskleide und daju noch nach einem Sportkostüm zur Be⸗ tätigung in vollster Freiheit. Aber eg wird kaum einen Zweig

unserer öffentlichen Einrichtungen geben, der sich so schwer

von alten und veralteten Anschauungen loszulösen vermag wie gerade die Justiz. Sie hält noch fest an vergilbten, perstaubten Gesetzeshestimmungen, die in unsere Zeit passen wie die Faust aufs Auge. Es ist ja nicht die Aufgabe der Justiz, der Zeit voraus zueilen, aber in etwas eiligerem Tempo sollte sie do versuchen, abgestandenes Zeug beiseite zu werfen. „Es erben si Gesetz und Rechte wie eine ew'ge Krankheit fort!! Betrachten wir mit diesen Worten die heutigen Ausführungen des Staatssekretärs wegen des Zeugniszwanges gegen die Presse, so muß ich sehr bedauern, daß er an der Ansicht, die er heute bekundete, noch immer festhält. Freilich so antediluvianisch wie die des Abg. Wagner waren sie nicht aber immerhin noch weltfremd genug. Wir haben nie geglaubt, daß nach der Schaffung des Blocks nun auch die Justizverwaltung sofort einen Wettlauf zu der modernen Richtung mit uns beginnen würde. Aber die liberalen Anschauungen werden don uns mit aller Zähigkeit und Ausdauer in den Vordergrund gerückt werden. Schon mein Freund Mugdan hat betont, daß das freie Koalitionsrecht und seine Ausgestaltzung eine unserer Hauptforderungen ist. Von der konservativ⸗ liberalen Paarung wissen wir ja überhaupt noch nicht, was bei dieser Paarung das Männchen und was das Weibchen ist. Eins der längst altmodisch gewordenen Requisiten des alten Polizeistaates sind gewisse Bestimmungen über die Plakate und das Preßwesen. Jetzt, wo man Reformen des Vereins⸗ und Versammlungsrechtes in Angriff nimmt, ist auch die Zeit, die Preßgesetzgebung zu reformieren. Das Reichspreß— ei enthält die recht merkwürdige Bestimmung, daß über das nschlagen, Ausstellen usw. von Plakaten noch immer die Landes⸗ polizeiverwaltungen zu befinden haben. Bei der Beratung des Gesetzes ist bezüglich des Plakats zu politischen Zwecken ausgeführt worden, daß sich da die süddeutschen und die norddeutschen Gewöhnungen direkt gegenüberständen. Um das Gesetz über diese Frage nicht zu 5 zu bringen, will man in diesem Punkte alles beim alten lassen. atsächlich gibt es nun vier verschiedene Gruppen von Gesetzgebun hinsichtlich der Behandlung von Plakaten in den Einzelstagten. . in dieser Zusammenstellung gebört Preußen zur rückständigsten Gruppe; „Preußen in. Deutschland voran“, nämlich immer in der Reaktion. Die Bestimmungen des preußischen Preß—⸗ gesetzes sind nichts als der Rückschlag auf die revolutionäre Bewegung von 18483. Da werden Gründe politischer und verkehrspolijeilicher Natur durcheinander geltend gemacht. Die ausgesprochenen Gründe politischer Natur sprechen die Sprache des Polizeistaates, der geistigen Reaktion. In einer Zeit, wo man ein freies Vereins, und Versammlungsrecht haben will, wird man diese Bestimmungen des Preßgesetzes überhaupt nicht mehr brauchen können. Ich habe, um Ihnen ein Bild von der Buntscheckigkeit dieser gesetzlichen Bestimmungen zu geben, eine Sammlung politischer Plakate auf den Tsch des Hauses niedergelegt. Das größte unter diesen Plakaten ist dasjenige aus Bremen, das zur Wahl des Abg. Hormann auffordert, das sich in Länge und Breite nicht mehr überbieten läßt. (Die Abgeordneten drängen sich um den Tisch, auf dem eine große Anzahl dieser Plakate in ver⸗ schiedenen Farben und Formaken ausgebreitet sind, und falten unter großer Heiterkeit dieses Riesenplakat auseinander.) Gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen diese Plakate unter allen Umständen. In Breslau haben die Sozialdemokraten sich beschwert und wegen eines zur Wahl des Abg. Pfundtner auffordernden Plakates Bestrafung verlangt, die auch tatsächlich ein getreten ist. Die Sozialdemokraten haben ihrerseits es früher genial verstanden, die Klivpen des Gesetzes zu umschiffen. Als es sich in Breslau um die Wahl von Hasenelever und Kräcker handelte, wurde, um auf diese die Aufmerksamkeit zu lenken, ein Riesenplakat an—⸗ geheftet, auf dem die verschiedenen Sorten von Zigarren Kräckers empfohlen wurden, so, daß die Anfangsbuchstaben als Akrostichon das Wort Hasenelever ergaben. Ich weiß also nicht, ob die Sozialdemokraten gut taten, die Bestrafung zu fordern. Man mag darüber streiten, ob alles, was in den Plakaten steht, sehr geschmackvoll ist. Darauf kommt es aber nicht an, denn wenn man überhaupt auf die Agitation eines Wahlkampfes einen Rückblick wirft, so wird man viele Dinge finden, die keinen besonderen Geschmack ver⸗ raten. Im Interesse der Einheit des Rechtes sollte man darauf hin—⸗ arbeiten, daß auch diese Bestimmungen zum alten Eisen geworfen werden. Weiter halte ich es für eine dringende und gar nicht mehr auf— zuschiebende Aufgabe der Reichsjustizverwaltung, an eine Beseitigung der konfessionellen Eidesformel ö Bereits am 19. Februar 1906 hat der Bund Freireligißser Gemeinden und der Deutsche Frei⸗ denkerbund das Ersuchen an den Reichstag gerichtet, durch Gesetz eine Aenderung zu treffen und eine einfache Versicherung auf Ehre und Gewissen oder ähnliches an die Stelle des konfessionellen Eides zu setzen. Durch letzteren werden etwa 10000 Staatsbürger zur Lüge gejwungen. Damit aber wird eine Forderung der allerelementarsten Sittlichkeit überhaupt verletzt. Die sem Notschrei ehrlicher Herzen schließe ich mich vollständig an. Ich meine, es liegt gerade im Interesse aller kirchlich Gesinnten, diesem Bestreben der Freireligiösen nachzugeben. (Zäruf des Abg. Liebermann von Sonnenberg: Judeneid!) In einer so ernsten Sache können nur Sie, Herr von Lieber mann, mit solchem Zwischenruf antworten. Solche Auffassungen . man in eine so ernste i. nicht hineinbringen. Für solche habe ch kein Verständnig. Der Redner geht sodann auf die Aeußerungen juristischer und kirchlicher Autoritäten ein, die sich ebenfalls dahin ausge sprochen haben, daß man den Eid nicht erzwingen dürfe. Daß derartige Divergenzen auch in der Praxis zu Zusammenstößen führten, liege auf der Hand. Ein Freidenker habe, um der Strafe wegen Eides⸗ verweigerung zu entgehen, über die österreichische Grenze flüchten müssen. Auch zwei Dissidenten seien durch Verurteilung wegen Eidesverweigerung zu Märtyrern ihrer Ueberzeugung gemacht worden. Das aber könne niemals im Interesse des Staates liegen. Wenn man den Freireligiösen anempfehle, den Eid ruhig zu leisten und sich bei der Anrufung Gottes irgend etwas anderes ju denken, so erjeuge man dadurch nur Heuchler und zwinge sie, ihre Gewissenhaftigkelt und Wahrbaftigkeit beiseite zu schieben. Die Kommisston zur Revision des Strafgesetzbuches habe allerdings hauptsächlich mit dem Hinweis, daß in dem überwiegenden Teile der Bevölkerung der Glaube an Gott noch nicht erschüttert sei, dahin Stellung genommen, daß der konfessionelle Eid beizubebalten sei. Er, Redner, aber habe noch niemals eine so schwächl iche Begründung gelesen, wie die dafür gegebene. Ich freue 7 fährt der Redner , fort, über das warme Eintreten des Abg. Junck für den nwaltsstand. Es ist notwendig, nun so bald wie möglich eine Be—⸗ stimmung im , nnn, , zu . die etwas für die Anwaltschaft Entwürdigendes in sich lieg nämlich die Be⸗ stimmung daß das Gericht gegen einen bei der Verhandlung beteiligten Rechtsanwalt oder Verteidiger, der sich in der Sitzung einer Unge— bühr schuldig macht, vorbehaltlich der strafrechtlichen oder ehrengericht⸗ lichen Verfolgung eine Ordnungsstrafe von 190 6 verhängen kann. Vlese Bestimmung sei ein unbegründetes Mißtrauensvotum gegen einen ehrenwerten Stand. Es würde durchaus genügen, in solchen ällen nachher strafrechtlich einzugreifen. Die Ordnungsstrafe wird aͤufig lediglich auf eine übermäßige Empfindlichkeit der Richter zurück= zuführen an die die schwierige Stellung des Anwalts verkennen. Der Staat hat auch das allerlebhaffeste Interesse daran, daß die Angehörigen des Anwaltsstandes nicht behandelt werden wie dumme Schuljungen.

Das ist eine Degradierung des Standes und eine vorgesetzte Ver letzung der Standesehre. Der deutsche Anwaltsstand hat unter dem