Die Oberför sterstelle Turoscheln im Regierungsbezirk Allenstein ist zum 1. Januar 1908 zu besetzen; Bewerbungen müssen bis zum 10. Dezember ,
Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegenheiten.
Dem Gymnasialdirektor Niemann ist die Direktion des Gymnasiums in Celle übertragen worden. . Am Schullehrerseminar in Pr. Eylau ist der Seminar⸗ lehrer Schreiner aus Frankenberg als Seminaroberlehrer und am Schullehrerseminar zu Kyritz der bisherige Rektor Hoppe aus Fehrbellin als ordentlicher Seminarlehrer an⸗
gestellt worden.
Königliche Friedrich Wilhelms-Universität.
Bekanntmachung.
Zum 1. ApGril 1908 kommt ein Stipendium der Beuth Stiftung zum jährlichen Betrage von 1200 Æ auf 5. Jahre zur Vergebung. .
Die Bewerber müssen würdige und bedürftige Studierende sein und einer der vier Fakultäten der hiesigen Universität oder einer der Abteilungen 1 und 11 der Technischen Hochschule Berlin angehören.
Nachkommen deg Generalmasors von Willisen, des Geheimen Finanzrats und Provinzialsteuerdirektors August von Maasen, des Oberreglerunggrats Hugo von Schierstädt oder des Geheimen Medizinalrats Dr. Quincke haben, ohne den Nachweis der Bedürftig⸗ keit führen ju müssen, ein unbedingtes Vorzugsrecht; nächst diesen steht den Eingeborenen der Stadt Kleve ein Vorzugtzrecht vor anderen Bewerbern zu.
Der Inhaber des Stipendiums ist verpflichtet, mindestens noch ein Jahr guf der hiesigen Universität zu studieren, die übrige Zeit kann er sich den Studien auf einer anderen deutschen Universttät widmen, das Stipendium auch nach beendigten Studien in der Zeit fortbeziehen, die er zu seiner weiteren Ausbildung verwendet, bevor er in eine selbständige mit einem Cinkommen verbundene Berufstätigkeit eintritt.
Bewerbungen sind bis zum 15. Februar 1908 einschließlich an uns einzureichen.
Berlin, den 29. November 1907.
Rektor und Senat. Stumpf.
Königliche Technische Hochschule zu Berlin. Bekanntmachung.
Aus dem Fonds der Louis Boissonnet-⸗Stiftung für Architekten und Bauingenieure ist für das Jahr 1908 ein Reisestipendlum an einen Bguingenieur zu vergeben.
Nach der von dem Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts. und Mediznalangelegenheiten genebmigten Aufgabe soll Stipendiat das Eisenbahnversicherungswesen in England und tunlichst auch das in Frankreich auf Grund örtlicher Ermittelungen und unter , . der Literatur mit dem deutschen vergleichen. Hierbei sollen die herr⸗ schenden 6 . dargestellt und die Mittel zu deren Durchführung mehr nach ihrer Wirkungsweise als nach ihrer konstruktiven Durch⸗ bildung behandelt werden. (Abiüge des Wortlauts der ö werden vom Bureau der Technischen Hochschule auf Erfordern kosten⸗ frei abgegeben.) .
Das Reisestivendium beträgt 3000 M. Die Reise ist im Jahre 1908 auszuführen und der Bericht darüber spätestens 6 Monate nach r Beendigung an das Rektorat der Technischen Hochschule ab⸗
uliefern. ;
; Die Bewerber müssen einen wesentlichen Tell ihrer Ausbildung auf der ehemaligen Bauakademie oder der Technischen Hochschule zu Berlin erlangt haben. Die Gesuche ft an das Reltorat der Tech⸗ nischen Hochschule zu Berlin in Charlottenburg unter Beifügung des Lebenslaufs, der Nachweise über den Studiengang und die praktische und llterarische Tätigkeit sowie von Entwürfen des Bewerbers aus dem . des Bauingenieurwesens bis zum 10. Januar 1908 ein— zureichen.
Charlottenburg, den 25. November 1907.
Der Rektor der Königlichen Technischen Hochschule zu Berlin. Kammerer.
Bekanntmachung.
Nach Vorschrift des Gesetzes vom 10. April 1872 (Gesetzsamml. S. 357) sind bekannt gemacht:
1) das am 21. Januar 1907 Allerhöchst vollzogene Statut für die Drainagegenossenschaft Hausen II ju Hausen im Kreise Worbis durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Erfurt Nr. 45 S. 268, ausgegeben am 9. November 1907;
Y) die Allerböchste Konzessiongurkunde vom 8. Juli 1907, betreffend den Bau und Betrieb einer vollspurigen Nebeneisenbahn von Oster⸗ wieck über Hornburg nach 25 innerhalb des preußischen Staats- gebiets durch die Osterwieck Wasserlebener Eisenbahn ⸗Aktiengesellschaft, durch die Amtsblätter
der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin Nr. 41 S. 470, ausgegeben am 11. Oktober 1907, und
der Königlichen Regierung ju Magdeburg Nr. 42 S. 419, aus gegeben am 19. Oktober 1907;
3) der Allerhöchste Erlaß vom 8. August 1907, betreffend die Verleihung des e e , , an die Stadtgemeinde Cassel zur Ausführung der geplanten Kanaglisation der Stadt Cassel, durch das Amtablatt der Königlichen Regierung zu Cassel Nr. 42 S. 313, aus⸗ gegeben am 16. Oktober 1907; (
4) das am 1. September 1907 Allerhöchst vollzogene Statut für die Deichgemeinde Süderheverkoog durch dag Amtsblatt der König⸗ lichen Regierung ju Schleswig Nr. 44 S. 481, ausgegeben am 26. Oktober 1907;
5) der Allerhöchste Erlaß vom 7. September 1997, betreffend die Beilegung der Rechte einer öffentlichen Körperschaft und die Ver⸗ leihung des Rechts zur Chausseegelderhebung usw. an den Chausserbau⸗ und Ünterhaltungsberband Plawniowitz⸗Rudzinitz im Kreise Tost. Gleiwitz für die Chaussee von Plawniowitz nach Rudzinitz, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Oppeln Nr. 43 S. 367, ausgegeben am 25. Oktober 1907;
6) der Allerhöchste Erlaß vom 14. September 1907, betreffend die Verlelhung des Enteignungsrechts an die Gemeinde Bonn für die Anlegung eines Begraͤbnisplatzeß in Ter Gemarkung Dottendorf, durch dag Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Cöln Nr. 45 S. 299, ausgegeben am 23. Oktober 1907
7) der Alierhöchste Erlaß vom 14. September 1997, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Aktiengesellschaft Barmer Bergbahn für die Anlage einer Kleinbahn von Müngsten nach Krahen, böhe, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Düsseldorf Nr. 41 S. 39, ausgegeben am 12. Oktober 1907;
8) der Aller hf Erlaß vom 23. September 1907, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Stadtgemeinde Berlin zur bebauungsplanmäßlgen Freilegung der Gormannstraße auf der Strecke zwischen der Mulackstraße und der Steinstraße, durch das Amtablatt der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin Nr. 43 S. 450, ausgegeben am 260. Oftober 1907;
die Verleihung des Rechts zur Chausseegelderhebung usw. an den Kreis Gardelegen für die Chausses von Klötze über Lockstedt bis zur Kreis grenze in der Richtung nach Neuendorf, durch das Amtsblatt der
1
9) der Allerhöchsfte Erlaß vom X23. September 1907, betreffend handlung über den Marineetat fortgesetzt.
Königlichen Regierung zu Magdeburz Nr. 43 S. 423, ausgegeben am 26. Oktober 1997; ö
Jo) der Allerhöchste Erlaß vom 7. Oltober 1997, betreffend die
Verleihung des Enteignungsrechtz an den Kreis Osthavelland für die
Anlage einer Kleinbahn von Bötzow nach Spandau, durch das Amts⸗ blatt der Königlichen Regierung ju Potsdam und der Stadt Berlin Nr. 46 S. bog, auggegeben am 19. November 1907 .
11) der ler , Erlaß vom 15. Oktober 19607, betreffend die Verleihung des Enteignunggrechls an die Gemeinde Wettringen im Reglerungsbezirke Münster für den Ausbau deg öffentlichen Weges von Haddorf nach Bilk, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Münster Nr. 45 S. 442, ausgegeben am 7. November 1907;
19 der Allerhöchste Erlaß vom 15. Oktober 1907, hetreffend die Verleihung des Enteignungsrecht, an den Landkreis Reckllng= hausen, zusammen mit den Gemeinden Herten und Buer, für die An⸗ lage einer Kleinbahn von 8. m nach Buer (Erle⸗Mlddelich), durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Münster Nr. 45 S. 442, ausgegeben am 7. November 1907.
Aichtamtliches. D en t s ches Reich.
P ren ßen. B= 5 Die vereinigten Ausschüsse des 3 bahnen, Post und Telegrs ßhen und fir Festungen, die vereinigt n Anaschüsse wesen und für Justizwhe Zoll- und Steuerwesen 1 für Rechnungswesen, die ver⸗ einigten Ausschüsse für u Mk und Steuerwhesen und für Eisen⸗ bahnen, Post und Telegraphen sowie die . . für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr hielten heute Sitzungen.
ember. undesrats für Eisen⸗ das Landheer und die ür Zoll- und Steuer⸗
Laut Meldung des „W. T. B.“ geht S. M. S. „Panther“ am 3. Dezember von Alt⸗Calabar nach Duala in See.
S. M. S. „Fürst Bismarck“ geht heute von Schanghai nach Amoy in See. .
Der ausreisende Ablösungstransport für S. M. S. „Planet“ ist mit dem Reichspostdampfer „Yorck“ gestern in Singapore eingetroffen und setzt heute die Reise nach Hongkong fort.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Der Ausgleich sauschuß des österreichischen Abge⸗ ordnetenhauses 5 gestern den Artikel 25 sowie das Mantelgesetz des Ausgleichs, womit das gesamte Aus⸗ gleichsoperat unverändert angenommen ist. Auf verschiedene fegen erklärte, wie das „W. T. B.“ meldet, der Minister⸗ räsident:
⸗ Zwischen den ben, Regierungen bestehen keine Verein⸗ barungen für den Fall, daß der Ausgleich am 1. Januar nicht in Kraft trete. In diesem Falle tiinden wir allerdings vor einem voll⸗ ständigen Vacuum mit allen . Ven Konsequenten. Die beiden Re gierungen waren darskber esni, daß vollständige Ruhe und Ordnung in den beidersettigen wirtschaftlichen Verhältnissen nur Ausgleich in vollständig konstitu⸗
Der Ministerpräsident
eintreten könnten, wenn der
tioneller Art und Weise erledigt würde.
wiederholte, daß durch die Verabschledung des ungarischen Er—⸗ mächtigungsgesetzesß und Inkraftsetzung der Ausgleichsbestimmungen der Ausgleich in Üngarn vollständig gesetzlich wiksam werde. Außer den in den vorgelegten Schriststücken enthaltenen slaatsrechtlichen be, ,, selen Ungarn keinerlei andere Zugeständnisse gemacht worden.
Hierauf wurde die Ausschußsitzung geschlossen.
— Der Präsident des Abgeordnetenhauses Weißkirchner hatte gestern eine Unterredung mit dem Obmann des deutsch⸗ nationalen Verbandes Dr. Chiari, in der er seinem lebhaften Erstaunen darüber Ausdruck gab, daß seine vorgestrige Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Glom⸗ bins ki vielfach eine ganz unricht e , fer 2 ö
a9 eine
erklärte er,
i Nach dem Bericht des W. T. B.“ ; Aeußerungen weder gegen das Deutsche Reich noch gegen das Bündnit
mit diesem gerichtet gewesen seien. Die christlich soziale Partei lege vielmehr gerade auf das Bündnis allergrößten Wert, da sie in ihm die wichtigste Friedensbürgschaft erblicke. Ebensowenig sei aus feinen Aeußerungen eine Tendenz gegen das Deutschtum in Oesterreich heraugzulesen. Er habe lediglich aussprechen wollen, daß die berührte Angelegenheit, bei der ja unter Umständen auch Interessen von öster⸗ reichischen Staatsbürgern in Frage kommen könnten, im österreichischen Abgeordnetenhause einzig und allein im Wege einer Interpellation an den Ministerpräsidenten zur Sprache gebracht werden könne.
— Das Eisenbahnministerium hat an die Ver⸗ waltungen der Oesterreichisch⸗Ungarischen Staatseisenbahn⸗ esellschaft, der Südnorddeutschen Verbindungsbahn und der Ihn in Nordbahn eine Einladung gerichtet, wegen even⸗ tueller Verstaatlichung der gesellschaftlichen Bahnlinien De⸗ legierte namhaft zu machen, die sich wegen des Zeitpunktes der Verhandlungen mit dem Eisenbahnministerium ins Ein⸗ vernehmen zu setzen hätten.
Frankreich.
Der Ministerpräsident Clemencegu, der Minister des Aeußern Pichon und Kriegsminister Picguart hatten, wie das „W. T. B.“ meldet, gestern eine Besprechung über die Vorgänge an der algerisch⸗marokkanischen Grenze. Picquart teilte mit, daß er an den Kommandeur des XIX. Armee⸗ korps telegraphiert habe, er überlasse ihm die vollste Frei⸗ heit, ohne daß er über die notwendig werdenden Truppen⸗ bewegungen nach Paris zu berichten brauche, und daß er be⸗ stimmt habe, daß in Oran wieder eine starke Reserve gebildet werde, die geeignet sei, allen Eventualitäten zu begegnen. Die Maßregel wurde von Clemenceau und Pichon gebilligt.
— Der Senat verhandelte in seiner gestrigen Sitzung über die Er gänzungskredite. ;
In Erwiderung auf eine Anfrage erklärte, obiger Quelle zufolge, der Kriegsminister Pieguart, daß die nicht im Etat vorgesehenen Ausgaben für die Unterhaltung der Landtruppen in Marolko bis zum 10. Oktober für Casablanca 1 411313 Franes und für Udschda bI6 460 Francz betragen. Sie werden bis Ende des Jahres den
Betrag von ungefähr 3 Millionen erreichen, wozu noch 3 Millionen für Materialausgaben kommen.
Die Ergänzungskredite wurden darauf bewilligt. — In der Deputiertenkammer wurde gestern die Ver⸗
Der Marineminister Thom son sprach, laut Bericht des W. T. B.“, in Beantwortung der Ausführungen einiger Vorredner seine Ansicht dahin aus, daß in erster Linie für Toulon und Brest
die vereinigten Ausschüsse für
Bei ebenso schne Privatindustrie. Er sei kein Freund von langfristigen Flottenprogrammen . glaube, daß au einigen
En M dauernd und mache sehr bedeutende Anstrengungen, um mit sei
nanzlelle Aufwendungen ju machen selen; trotzdem verlören Cher urg, Lorient und Rochefort nichts von ih er milisärischen Bedeutung.
Bespre ung der Arsenale erklärte der Minister, daß die Arbeit dort und mindestens ebenso gut , werde, wie von der
die anderen Mächte bet ihrem Flottenbau nach Jahren von ihrem Programm werden zurückkommen müssen. ö. sei bestrebt, stets zum Kampf gegen die Flotten zweier chte gerüstet zu sein. Deutschland ändere sein Programm an—⸗ ner lotte gegen die stärkste Seemacht auftreten zu können. Wie in eutschland, so sei auch in Frankreich der oberste Marinerat um den Bau von Panzerschiffen bemüht. Alle anderen Marinen handel ten
ebenso. Es sei für Frankreich wichtig, keine . zu verlieren, da elne
Versäumnis hernach nicht wieder einjuholen sck.
Nach , . Bemerkungen verschiedener Redner wurde die Generaldebate elch en, Die Kammer nahm eine Resolution an, durch die die Regierung aufgefordert wird, so 6 wie möglich einen Gesetzentwurf über die Organisation
er Kriegsmarine vorzulegen.
Der Abg. Bu ssar verlangte darauf die Aufhebung der Posten. der Marineaitachsß. Der Marineminister Thom son wies die ver⸗ langte Verminderung seines Etats zurück und erklärte, daß die be⸗ sonderen. Missionen, durch welche die Marineattachss ersetzt werden müßten, teurer sein würden als sie selbst.
Der Zusatzantrag wurde darauf verworfen, die Fort⸗ ki ö. Debatte auf Nachmittag angesetzt und die Sitzung aufgehoben. ⸗
In der Nachmittagssitzung wurden die letzten Kapitel des Marmebudgets angenommen und darauf die Beratung des Armeebudgets begonnen. ü
Der Abg. Varenne (Sonjialist) sagte, die Zwischenfälle beim 17. Regiment zu Agde seien nicht verschuldet durch die Art der Re⸗ krutierung der Armee. Bei inneren Unruhen sei es Grundsatz der modernen Armee, daß jeder Mann Soldat sei, nicht aber Gendarm. Varenne und mehrere andere Redner traten für das System der örtlichen Rekrutierung ein. , , Piequart be⸗ kämpfte dieses System mit Hinweis, daß die Soldaten, wenn sie bei ibren Familien blieben, der Gefabr ausgesetzt seien, über ihren persönlichen Interessen die höheren Pflichten gegen das Vaterland zu vergessen. Er erklärte sich aber mit einem System ein⸗ verstanden, welches dem Soldaten ermöglicht, von Zeit zu Zeit seine ,, u besuchen. Der Minister erklärte sich für die regionale Rekrutierung, und versicherte, daß er nur die Verteidigung des Landes
im Auge habe. Das Haus nahm sodann mit 345 gegen 131 Stimmen die einfache Tagesordnung an, worauf die Sitzung geschlossen
wurde. Italien.
Die Deputiertenkammer verhandelte gestern über die Vorlage, betreffend den Heeresersatz.
Nach dem Bericht des W. T B. beantragte der Abg. Bissolati Sonialist) Aufschub der ganzen Vorlage, da er die Aenderungen beim — 3 mit einer Verkürzung der Dienstzeit auf zwei Jahre ver⸗ bunden wissen wolle. Dagegen wünscht die Regierung die Frage über die Dauer der Dienstzeit ö bis der Bericht der mit Er⸗ hebungen über die Verwaltung der Armee beauftragten Kommission vor— liegt. Da die Einschränkung von Befreiungen vom aktiven Dienst eine dringende Lebensfrage für die Armee sei, um diese auf dem not⸗ wendigen Effektivbestand zu erhalten, forderte der Ministerpräsident Giolitti eine Ablehnung des Antrags Bissolati und versicherte zugleich, daß die Regierung selbst den Wunsch habe, die Frage der zweijährigen Dienstzeit auf das eingehendste zu prüfen, und sobald es möglich sei, ju lösen. —
otzdem beharrte Bissolati auf seiner Forderung, und da ihm mehrere Abgeordnete, die einen Beschluß in dieser Frage ebenfalls als unaufschiebbar ansehen, ihr Votum zu⸗ sagten, kam es zur namentlichen Abstimmung. Zwar war die Abstimmung resultatlos, da das Haus nicht beschlußfähig war, doch hat die Regierung eine sehr große Mehrheit. Portugal.
Amtlich wird ein Dekret des Königs veröffentlicht, demzufolge es den Friedensrichtern obliegt, die Uebertretungen der städtischen Verordnungen und der polizeilichen Vorschriften abzuurteilen.
Belaien.
Die in Brüssel tagende Kolonialkonferenz hat gestern, W. T. B.“ zufolge, die Beratungen des Kolonial⸗ gesetzes mit der Annahme zweier Amendements beendet, von denen dasjenige des Sozialisten Vandervelde die Ein⸗ setzung einer e eden, Kommission verlangt, die mit dem Schutz und der Besserung der moralischen und materiellen Lage der Eingeborenen sich . befassen hat. Das zweite Amendement des Kammerpräsidenten Schollaert regelt die Lage der Belgier, der Eingeborenen und der Ausländer in Belgisch⸗Congo. Nach dem Amendement Schollaert genießen Belgier und Ausländer die von der belgischen Verfassung und den Kolonialgesetzen anerkannten Rechte, die Eingeborenen diejenigen Rechte, die durch die Kolonialgesetze anerkannt oder durch Sitten, die der öffent⸗ lichen Ordnung nicht zuwider laufen, geheiligt sind. Bis zur Einbringung des Gesetzentwurfs, betreffend Angliederung des Congostaates, hat sich die Kolonialkonferenz vertagt.
Türkei.
Nach einer Meldung des „K. K. Telegraphen⸗Korrespondenz⸗ Bureaus / überfiel eine auf dem Seewege gekommene, 40 Mann starke griechische Bande vorgestern bei Vrasta am Golf von Orfans 125 bulgarische Tagelöhner aus Neyrokop und Razlog, die, von 3 Gendarmen begleltet, nach dem Berg Athos gingen. Während , ,, melden, daß sich J5 Mann gereitet haben, 2 verwundet sind und der Rest vermißt wird, gibt die Pforte an, daß nur 25 vermißt werden. Türkische Truppen haben die Verfolgung der Bande aufgenommen.
Bulgarien.
Der Minister des Aeußern hat als Antwort auf die letzten Schritte der Mächte wegen Zunahme der Bandentätigkeit in Mazedonien ein Memorandum ausarbeiten lassen, in dem er, „W. T. B.“ zufolge, die Verantwortung für die Tätigkeit der bulgarischen Banden ablehnt und auf die zu— nehmende Tätigkeit der griechischen und serbischen Banden hin⸗ weist. Wenn letztere nich eingedämmt werde, könne die bul⸗ garische Regierung für die Folgen dieser Unterlassung keine Verantwortung übernehmen. .
Montenegro.
Die Skupschtina ist gestern von dem Fürsten Nikolaus
mit ciner Thromre de eröffnet worden, in der er nach dem
Bericht des „W. T. B.“ sagte:
Er habe die Konstitution gegeben, damit in der Volksvertretung die Stimme elnes jeden gehört werden könnte und die für die Allge⸗ meinbelt beste Ansicht durchdringe. Die frühere Skupschting habe j von ftörenden Glementen fortreißen lassen und sei deshalb aufgelbs
worden.
Die Throntede kennzeichnet alsdann ö. das Programm des Kabinetts Domanowitsch, betont mit Befriedigung die ordnung der Finanzen, die Ausführung neuer Straßenhauten und ern Arbeiten in Antivari und den Abschluß des Handels vertrags mit Deuischland und erwähnt schließlich die Jufdeckung des Anschlags gegen den Fürsten und dle Bynastie.
Afrika.
Nach Meldungen des „W. T. B.“ haben marokkanische Banden, die den Stämmen der Ulad Mansur und Homnas angehören, bei Adscheru am Kißflusse die algerische Grenze iberschritten und Plünderungen begangen. Gestern früh hrangen die Marokkaner in großer Menge gegen Port— Say vor, Geschütze, die auf den Höhenzügen aufgestellt waren, richteten ihr Feuer auf die Angreifer, die unter Mit⸗ sahme ihrer Toten über den Kiß zurückgingen und ihre rüheren Stellungen wieder einnahmen.
—
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des keichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten, Zweiten und Dritten Beilage.
— In der heutigen 62. Sitzung des Reichs tags, welcher ler Staatssekretär des Innern Di. . . ol ö der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke, der Staals— skretär des Reicheschatzamis Freiherr von Stengel, der Staatssekretür des Kolonialamts Dernburg und der Staats— sekretär des Auswärtigen Amts von Schoen beiwohnten, purde in dritter Lesung der Vertrag mit den Nieder— landen über Unfallversiche rung endgültig ohne Debatte genehmigt.
Das Haus setzte darauf die Generaldiskussion des Etats für 1908 und der Flottenvorlage ö
Abg. Dr. Wiemer (fr. Volksp.): Der Reichskanzler hat gestern nder Rede gegen Bebel die Gründe der rer de r if ofunl . inmal erwähnt. Ich freue mich, daß er so eatschleden dem Verfuche der Legendenbildung entgegengetreten ist. Die am 13. Dejember zu⸗ sammengestanden haben, haben die Pflicht, solche Geschichtsklitterung nicht aufkommen zu lassen. Wir waren auf seiten der Regierung, vel es sich um die nationale Ehre handelte, weil J lamalige Mehrheit eine Abstlmmung erzwingen wollte, die len Wünschen des Volks widersprach. as Volk hat hei den Wahlen entschieden. Der Abg. Bebel appelliert sonst immer m das Volk, wenn aber das Volk gegen ihn und seine Freunde ent— Heidet, dann spricht er von Dum mköpfen oder Verrätern. Er be— chäftigte sich auch mit der Frage des Block. Es ist ein undank—⸗ ares Geschäft, sich den Kopf anderer Leute zu jerbrechen. Auf eine Prophezeiungen ist nach den bisherigen Erfahrungen, nament— lich nach seinen Erfahrungen bei den Wahlen von 1907, ichts zu geben. Er meinte, Zentrum und Konservative würden ich wieder zusammenfinden, die paßten am besten zu einander. ei den letzten Wahlen haben wir gesehen, daß Zentrum und Sozial remokratie sich zusammengefunden haben. Spahns Rede machte den Bindruck, als follte es nach der Regierung hin klingen: Kein Engelein st so rein, laßt's eurer Huld empfohlen sein. Das Zentrum trägt die Verantwortung für die ungünstige Entwicklung der Reichs finanzen. Wir mm'ererseits haben seit den letzten Jahren doch nicht etwa bier Milliarden Schulden gemacht, das ist unter der Herrschaft des Zen⸗ lrumt der Fall gewesen. Man könnte von der paplernen Finanjpolttik des Zentrums sprechen, wie von seiner papiernen Sozialpolitik. Dle seßige Finanjmisere ist eine Erbschaft der Zentrumzherrschaft. Die 's Trimborn ist insofern auch ein Fehler, als dadurch unsere Finanzen sich verschlechtert haben. Wir haben deswegen gegen diese lex Trim⸗ born gestimmt, und weil wir nicht wollten, daß durch eine solche politik die Verteuerung der Lebensmittel stabiltert würde. Da aber jun das Gesetz, geschaffen, werden wir die Konsequenzen lehen und wünschen, daß möglichst bald die Witwen, und Vaisen versorgung der Arbeiter durchgeführt wird. Ueber den saanziellen Abschluß sind wir überrascht, umsomehr, als noch im Sommer Fieiherr von Stengel eine günstige Entwicklung der Finamwirtschaft in Aussicht gestellt hatte. Man sollte nicht über⸗ lteiben. Hätten wir nicht neue Ausgaben gehabt, so hätten wir nicht das Defijst; dag chronische Defizit scheint uns eine Fiktion. Dle neuen Steuern sinh auch noch nicht voll zur Erscheinung gekommen; namentlich ist die Erbschaftssteuer noch nicht voll in ihren Wirkungen hervorgetreten. Die Budgetkommission wird prüfen müssen, ob iberbaupt eine Erhöhung der Steuern notwendig ist. Die Fahrkartensteuer und die Automobilsteuer sind weit hinter den gehegten Erwartungen zurückgeblieben, und auch die Frausteuer hat nicht das gebracht, was man erwartet hat. Das unerfreulichste Produkt der neuen Steuern ist unzweifelhaft die sahrkartensteuer, die den Einzelstaaten mehr entzogen hat, als sie dem Reiche zugeführt bat, und die dem Publikum unendliche Scherereien bereitet. Die Fahrkartensteuer sollte ganz aufgehoben werden; len Gedanken, die vierte Klasse heranzusiehen, würden wir nicht mterstützen können. Der Staatssekretär hat, wenn sie fallen bllte, Ersatz verlangt; und auch ich meine, wenn neue Steuern ingeführt werden müssen, dann muß auch für diese verfehlte Steuer Ersatz geschaffen werden. Der neue Gtatgentwurf bringt ms nicht weniger als 146 Millionen neue Ausgaben im Ordinarium; as muß natürlich das Bild des Etats sehr eansth beeinflussen. Diese Mehrausgaben kommen zum großen Teil auf Rechnung der leuen Zollpolitik; die Naturalienverpflegung für Heer und Marine zforderi infolge der Steigerung aller Preise ganz bedeutende Mehr- keträge. Dazu kommt die notwendige Erhöhung der Beamtengehälter, le der Staat durch seine Verteuerungspolttik heraufbeschworen bat. der Abg. Bebel schlen zu jwelfesn, ob wir diefer Politit genüber unsere frühere Haltung beibehalten würden. kann ie Herren darüber beruhigen; wir werden unsere Auffassung von der leutsgen Agrar. und Wirisch ftspolltit in keinem Punkte korrigteren, enn die Erfahrung hat uns Recht gegeben. Es i eine euerung aller Lebensmittel, die wir nicht auf die leichte ichsel nehmen dürfen. Der wirtschaftliche Rückgang sst nicht mehr verkennen. Das beste Mittel gegen das beklagte Anwachsen der atrikularbeiträge ist die Einschränkung der Ausgaben. Ein anderes Nittel aber muß jetzt endlich scharf. ins Auge gefaßt derden: der anderweltigé Verteilungsmaßstab für die Umlegung. troß aller Schwierigkeiten muß ki Frage gelöst werden. V kebschaftssteuer muß fich erst einleben; so lange, bis sie einen Aus- deg aug diesen Schwierigkeiten finden hilft, können wir nicht warten. ks kann nicht Aufgabe des Reichttags sein, neue Steuervorschläge n machen, denn ihm fehlt das steuertechnische Material. Es ö Spiritus hertriebz monopol vorgeschlagen worden, für ein lcheg Monopol könnten wir ung nicht erwärmen. Anders liegt aber mit der Reform der Branntweinbesteuerung ohne Nonopol; es könnte dann endlich die Liebeggabe beseitigt werden. Der Äbg. von Richthofen hat die Mitwirkung seiner Freunde an iner folchen Reformarbest nicht ohne weiteres abgelehnt. Wir sind Lern bereit, daran teiljunehmen, damit die Liebesgabe und die Maischraumsteuer , oder letztere wenigstens gründlich formiert wird. Die Jigarrenbanderolesteuer ist auch gerüchtwelse ngekündigt; wir wissen nicht, ob sie kommt, aber der gestrige ö des Ministers hon Rheinbaben in dieser Hinsicht erscheint mir
ächtig. Ich schließe mich in der Beurteilung des Vorschlages dem * Bassermann an. Auch die Erzielung höherer Erträge aus dem Kaba ist wenig ö. Wir sind und bleiben Gegner einer velteren Erhöhung der indirekten Steuern. Bleiben also die
direkten Steuern. Dlese werden von den Einzelregierungen per⸗ horres leit. Ihre . auf die Verfassung ist zunaͤchst hinfällig, denn der Antrag, die Einnahme des Reichs auf direkte Steuern zu beschränken, ist seinerzeit augdrücklich abgelehnt worden. Der inan minsster warnte vor einer Zerbröckelung der Selbständigkeit der Einzelstaaten durch eine direkte Neichssteuer. Dasselbe Bedenken äußerte er schon bei der Reichterbschaftssteuer, die Einzelstaaten, wie Preußen könnten ach eine solche Einnahme niemals verzichten. Man sollte von einem solchen Niemals“ niemals sprechen. Ob die Reichs⸗ einkommensteuer eine direkte Steuer ist oder nicht, will ich nicht unter⸗ suchen. Die Tantiemesteuer ist nach einer Entscheidung des Reichsgerichts , . eine direkte Reichgeinkommensteuer. ber erste Schritt st also getan. Die Rechte hat dem preußischen Finanzminister darin zugestimmt, daß die direkte Reichgsteuer die Axt an die politische und wirtschaftliche Selbständigkeit der Einieistaaten lege. Daß— selbe partifularistische Argument hätte sich auch gegen die Reicht= post anführen lassen. Der Abg. Müller Meiningen sagte s. 3. daß nur zur Zeit die Einführung einer Reichzeinkonmenstener undurchführbar sei. Die Reichtvermögenssteuer ist jedenfalls leichter einzuführen. Ob sie eine Ergänzungssteuer ist, ist gleich, gültig, wenn sie nur eingeführt wird; wie sie durchgeführt wird, sst eine sekundäre Frage; sie könnte ja auch für das Reich von den Einzelstaaten erhoben werden. Wie steht es denn mit einer Erweiterung der Reichserbschaftssteuer? Meine Freunde sind bereit, die Ausdehnung der Erbschaftssteuer ernsthaft zu erwägen. Wir wollten im vorigen Jahre nicht auf Vorrat Steuern bewilligen, heute ist zu erwägen, ob wir jetzt nicht die Steuer ausdehnen wollen auf die Desiendenten und Ehegatten. Es ist nicht unsere Aufgabe, ein . aufzustellen; das Notwendige babe ich . gesagt. Jedenfalls muß durch direkte Steuern ein Teil der Laften auf die Schultern der Reichen gelegt werden, die Steuern müssen gerecht und nach der Leistungöfähigkeit verteilt werden. (Schluß des Blattes.)
— Das Haus der Abgeordneten nahm in der heutigen 96h Sitzung, welcher der Fingnzminister Freiherr von
einbaben, der Justizminister Dr. Be seler, der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten von Arnim und der Minister des Innern von Moltke beiwohnten, zunächst den Antrag der Abgg. von Pappenheim ih und Ge⸗ nossen, die Regierung zu ersuchen, zu veranlassen, daß das gegen den Abg. Boehm er beim Amtsgericht zu Stargard i. P. schwebende Privatklageverfahren wegen Beleidigung für die Dauer der laufenden Session eingestellt werde, ohne Debatte an und setzte dann die erste Berakung des Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Stärkung des Deutsch⸗ tums in den Provinzen Westpreußen und Posen fort.
Abg. Wolff ⸗Lissa (fr. Vxgg.): Anläßlich der VoVrkommnisse im österrelchischen Abgeordnetenhause habe ich zu erklären, daß auch wir der Meinung sind: wir müssen uns derartige Einmischungen in unsere inneren Angelegenheiten auf das entschiedenste verbitten. Für die hier zur Beratung stehende Vorlage ist für meine Fraktion das Staatzinteresse die Hauptsache. Wir werden die Vorlage leiden« schaftslos prüfen. Anzuerkennen ist, daß die Ansiedelungskommission mit der Gründung von Musterwirtschaften für 100 600 deutsche Ansiedler im Osten eine segengreiche Tätigkeit entwickelt hat; für die Städte kann man allerdings die Tätigkeit der Ansiedelungskommission nicht als so segenzreich betrachten. Tausende aus den städtischen Er⸗ werbzkreisen haben abwandern müssen. Den Ansiedlern muß man einen gewissen Spielraum in wütschaftlicher Beziehung geben; sie sind keine Kinder, denen man durch die Genossenschasten einen Zwang auferlegen muß. Ich halte es für unberechtigt, daß man in einem preußischen Parlament die Tonart anschlägt, wie Herr von Oldenburg. Die preußischen Polen sind nach der Verfassung gleich⸗ berechtigte Staatsbürger. Rechte und n. der Staatsbürger sind nicht so eng miteinander verbunden, daß man sagen dürfte: wer die Pflichten gegen den Staat nicht erfüllt, hat auch keine Rechte. Die staatgbürgerlichen Rechte hat auch ein zu Zuchthaus Verurteilter. Ich gebe zu, daß der Wortlaut der Verfassung diese Vorlage zuläßt, aber wir machen eine laxe Auslegung der Verfassung nicht mit. Wo irgend Zweifel bestehen, werden wir vor dem, Grundgesetz des Staatetz Halt machen müssen; die Majorität allein kann darüber nicht entscheiden, sonst könnte jede Masorität gegen die Verfassung verstoßen. Grundgesetze können selbstverständlich nicht alle einzelnen 6. regeln, aber wo Zweifel bestehen, darf man nicht durch eine falsche
uslegung Rechte verkürzen. Die Verfassung muß nach ihrem Sinne, nach ihrer Bedeutung ausgelegt werden. Wenn Art. 9 der Verfassung das Eigentum nur aus Gründen des öffentlichen Wohles beschränken läßt, so zeigt uns die Entstehungsgeschichte des Enteignungsgesetzes von 1874 deutlich, was unter öffentlichem Wohl in dleser Bezlehung zu verstehen ist. Danach kann es . nur um das öffentliche Wohl in wirtschaftlichen Beziehungen, nicht in politischen Fragen handeln. Noch niemals ist das Enteignunggrecht aus politischen Gründen erteilt worden. Wir können keine Gesetz⸗ gebung mitmachen, die der Sozlaldemokratie in gewisser Beziehung recht gibt. Für uns ist entscheidend, daß es sich hier um ein Ausnahmegesetz, und zwar um ein Ausnahmegesetz schlimmster Art handelt. Herr von Oldenburg sagt: ich will das Gesetz nur, weil es ein Ausnahmegesetz ist. Das ist ein charakteristischer Standpunkt. Man zitiert den Fürsten Bigmarck, aber dieser hat die I lee p eng und das Sozialistengesetz wieder aufgegeben, er hat alsę mit Ausnahmegesetzen keine guten Erfahrungen gemacht. Das Ansiedlungsgesetz von 1886 hat die Polen gestärkt. den Deutschen aber keinen Nutzen gebracht, denn der Grund und Boden in deutschem Besitz ist im ganzen zurückgegangen. Die konservativen Parteien und die Nattonalliberalen wollen ein Ausnahmegesetz gegen die Polen, der deutsche Grundbesitz soll nicht von der Enteignung betroffen werden können. Dann ist das Gesetz überhaupt unmöglich; denn wenn nur Polen enteignet werden sollen, so verletzt die Vorlage den Artikel 4 der Verfassung, wonach alle Preußen vor dem Gesetze gleich sind. Die wirtschaftlichen Erfolge der Ansiedlungepolitik zeigen sich in der Steigerung der Huter Wir sind bereit, die Ansiedlungepolitik mitzumachen, sowelt sie die wirtschaftlichen Zustände des Landes ver⸗ bessert. Wenn aber nach diesen Gesetzen bestimmte Gebiete abgegrenzt werden, in denen die 363 jeden Augenblick die Enteignung zu be= fürchten haben, e, ie, daß dann noch ein gedelhlicher Wirt⸗ schaftsbetrieb in diesen Gebieten möglich ist? Wir lehnen die Vorlage ab, weil sie ein Augsnahmegesetz ist, und wir handeln in patriotischem Sinne, wenn wir Sie bitten, die Vorlage nicht anzunehmen.
Abg. Lusentky (nl): Herr von Oldenburg hat gestern die Organisation der Ansiedelungekommission scharf angegriffen. Es ist nicht zu verkennen, daß das Verfahren derselben in mancher Hinsicht ein sehr langsames ist; wir werden in der Kom— mission eventuelle Verbesserungen vorzuschlagen haben. Im übrigen werden wir ung aber dadurch die Freude am Ansiedlungs⸗ werk nicht stören lassen. Die Ansiedelungskommission hat zunächst eine Verschlebung im günstigen Sinne in der Verteilung des klein⸗ bäuerlichen Be . der Df herbeigeführt. Auch in den Städten des Anssedlungsgebieti ist eine Zunahme der Bevölkerungt-⸗ ziffer um 47 0ͤ ju e , in den Slädten außerhalb dieses Ge⸗ bietes nur um S8 oso. Die Handwerler, die überwiegend deutsche Meister sind, haben sich in den Städten des Ansiedlungsgebiets in demselben Zeitraum von 20 Jahren um 29,6 oso gehoben, während in den anderen Städten die deutschen Handwerker abgenommen und nur die polnischen sich vermehrt haben. Auch dafür können wir vielleicht Verbesserunggvorschläge machen. Die Gegner haben nun die , als eine gänzlich verfehlte hingestellt. Das ist schon gestern widerlegt worden, und ich weise auch auf die Broschüre des 6 von Turno darüber hin. Dieser nimmt allerdings darin die Legalität für die Polen in Anspruch; aber dlese Legalität üben die Polen sicherlich nicht dem Gesetze zuliebe, 6 weil sie unter dem Zwange der Gesetze stehen. Vie Ziele unserer Polenpolitik von 1886 dürfen wir nicht preisgeben. Die Vorlage verlangt ins
esamt 490 Millionen Mark; der Kommission wird es schwer sein, * die Höhe der Summe zu entscheiden, wir werden die en, U bewilligen können, auch die 50 Millionen, die für die Sicherung des deutschen Besitzes durch Bildung pon Rentengütern gefordert werden, weil hiermit ein Risiko des Staates nicht verbunden ist. Daher kommt jetzt die Enteignung in Frage. Vie Enteignung foll nicht allgemein gelten, sondern lediglich für die Erwerbungen im Rahmen der 300 Millionen Mark, welche diese Vorlage für Ankäufe vor- an Auf die Verfassungsfrage werde ich nicht eingehen, e wird in der Kommission erörtert werden. Wir sind heute noch nicht in der Lage, uns für die Enteignung zu erklären. Nur unter gewissen Vorautsetzungen werden wir ung damit befreunden können. In bejug auf die Einwirkung der Enteignung auf die Preisbewegung gehen die Ansichten auseinander. Man wird Mittel finden müssen, der Spekulation vorzubeugen. Wag machen wir aber mit den enteigneten Polen? Der Minister sagte, daß nur der dritte Teil der ausgekauften Polen sich wieder anderswo angestedelt habe. Dgraus kann nicht unbedingt auf die Zukunft geschlossen werden. Wenn die Polen in die Städte drängen, so werden wir auf weitere Mittel gegen die polnische Gefahr in den Städten sinnen müssen. In dem Augenblick, in dem wir dieses Gesetz verabschiedet haben werden, entzieht es sich eigentlich unserer Mitwirkung. Eine derartige Macht, wie dieses Enteignungarecht, ist bisher noch nie einer ö r verisehen worden; wir fühlen uns daher verpflichtet, die Vorlage in allen Teilen eingehend zu prüfen. Wir sind bereit, an diese Prüfung in der Kommission heranzutreten, unb wir hoffen, daß entsprechend der Bedeutung des Ansiedlungswerkes diese Prüfung ju einem gedeihlichen Ergebnis, führen möchte. Die große Kolonisierungzarbelt Friedrichs des Großen wurde von seinen Zeitgenossen , beurteilt, und noch viele Jahre nach seinem Tode hat man sein Werk nicht gebilligt; erst in späterer Zeit, als man eJ objektiv beurteilen konnte, hat man es gewürdigt. Hoffen wir, daß die jetzige Kolonisterungsarbeit zum Wohle des Vatersandes ausfällt, daß auch dieses Werk ebenso günstig beurteilt wird, wie dag Friedrichs des Großen.
(Schluß des Blattes.)
Bei der Reichstagsersatzwahl . den verstorbenen Abgeordneten Das bach im erssen Wahlkreise des Regierungs⸗ bezirks Trier (Daun⸗Prüm-⸗Bitburg wurden nach den bis⸗ herigen Ergebnissen, W. T. B.“ zufolge, für den Erbprinzen zu Löwenstein (Z3entr) 18317 Stimmen, für Berlage (Block) 80l Stimmen abgegeben. Ersterer ist somit gewahlt.
X
Jagd.
. Dienstag, den 3. Dezember, findet Königliche Parforce⸗ he statt. Stelldichein: Mittags 12 Uhr 30 Minuten am Restaurant „Gardestern“.
Verkehrs anstalten.
Breslau, 29. November. (W. T. B) Die Königliche Wgsserbauinspektion macht bekannt: Im Breslauer Hafen—= gebiet befinden sich so viele Schiffe, daß bereits jetzt seitens der Oderstrom bauverwaltung Liegestellen nicht mehr an— gewiesen werden können. Weiterhin eintreffende Schiffe werden gezwungen sein, auf freiem Strome zu überwintern, wodurch sie sich unter Umständen großer Gefahr autsetzen. Im Auftrage des Ober⸗ präsidenten wird daher vor der Bergfahrt nach Breslau gewarnt.
Theater und Musik.
Im Königlichen Opernhause wird morgen, Madama Butterfly wiederholt Kaiserlichen Hofoper in
e Sonntag, ; Fräulein Grete Forst von der fon Wien singt die Titelpartle. Von den einheimischen Käften sind die Damen Rothauser, Lindemann, die Herren Maclennan, Hoffmann, Lieban, Philipp, Gris⸗ wold in größeren Aufgaben beschäftigt. Am Monta werden Die Meistersinger von Nürnberg“ (Anfang 7 * in folgender Besetzung gegeben: Sachs: Herr Bachmann; Eva: . Destinn; Walter Stolzing: Herr Grüning: Beckmesser:
err Krasa; David: Herr Lieban; Magdalene: Frau von Scheele⸗ Müller; Pogner: Herr Grigswold; Kothner: Herr Berger. Dirsgent ist der Kapellmeister Dr. Strauß.
Im Königlichen Schauspielhause geht morgen, zum bundertsten Male, Shakespeares „Julius Caesar' in Szene. Den Caesar spielt Herr Zimmerer, den Octavius Herr Staegemann, den Marcus Antonius Herr Matkowsky, den Marcus Brutus Herr Kraußneck, den Cassius Herr Sommerstorff, den Casca Herr Pohl, den Dectus Brutus Herr Geisendörfer, die Calpurnia Fräulein don Arnauld, die Portia Frau Poppe. — Am Montag wird Ernst von Wildenbruchs Schauspiel ‚Die Rabensteinerin' in der bekannten Be⸗ setzung wiederholt.
Im Neuen Königlichen Operntheater wird morgen, Sonntag, „Figaros Hochzeit“ in der bekannten Besetzung der Haupt⸗ rollen durch die Damen Herzog, Hempel, Martick, von Scheele⸗ Müller, Darch, die Herren Berger, Knüpfer, Sommer, Nebe, Krasa und Alma aufgeführt. Dirigent ist der Kapellmeister von Strauß.
Im Deutschen Theater wird am morgigen Sonntag sowie an allen Tagen der kommenden Woche Shakespeares Lustspiel Was ihr wollt“ aufgeführt, mit Ausnahme von Diengtag und Freitag, an welchen beiden Abenden Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“ in Szene geht. — In den Kammerspielen des Deutschen Theaters wird morgen sowie am Mittwoch, Donnerttag und nächsten Sonntag Wedekinds Kindertragödie JFruhlings Erwachen“ aufgesührt. Am Montag wird „Der Marquis von Keith! von Frank Wedekind, am Dienstag und Freitag Schnitzlers Liebelei' und am Sonnabend „Gyges und sein Ring“ von Hebbel gegeben.
Im Neuen Schauspielhause wird morgen abend sowie am Diengtag, Freitag, Sonnabend und nächsten Sonntagabend „Zar Peter aufgefübrt. (Anfang 79 Uhr.) Montag wird „Judith“, Mittwoch (7 Uhr) ‚Alt Heidelberg“, Donnergtag „Die große Ge⸗ meinde gegeben. Am Mittwoch, Nachmittags 3 Uhr, wird das Fest⸗ spiel Stein!, am Sonnabend, Nachmittags 3 Uhr, zum ersten Male das Weihnach smärchen Frau Holle“ dargestellt.
Das Lessingtheater hat für nächste Woche folgenden Spiel⸗ plan aufgestellt: Morgen abend, Mittwoch und Sonnabend: Vom andern Ufer; Montag: Rosmersholm‘:; Dienstag: „Kollege Cramptonꝰ; Donneretag: Nora“; Freitag: Der Biberpelj ; nächst⸗ folgenden Sonntagabend „Die Stützen der Gesellschaft“. Als Nachmittagsvorstellung ist für morgen „Der Bund der Jugend“, sür nächstfolgenden Sonntag „Die versunkene Glocken angesetzt.
Im Schillertheater 0. (Wallnertheater) wird 2 nach- mittag „Das vierte Gebot“, morgen abend sowie am Mittwoch Reiterattacke gegeben. Montag und Donnerstag geht das Volks⸗ stück Gebildete Menschen', Diengtag und Sonnabend Das vierte Gebot‘, Freitag ‚Monna Vanng' in Szene. Für nächsten Sonntag ist Nachmittags Traumulus“, Abends „Heimat“ e ft,
Das Schillertbeater Charlottenburg br 9 , mittag Marla Stuart“, Abends „Wilhelm Tell). ntag, Freitag und Sonnabend wird Maria Stuart‘, Diengtag Reiter⸗ attacken, Mittwoch das Lusispiel „Gebildete Menschen ! ge⸗ spielt, am Donnerstag geht Rosmersholm“ in Szene, nächsten Sonntagnachmittag . Der Richter von Zalamea“, Abends (zur Feier von Björnsons 75. Geburtstag) „Ein Fallissement“. — Morgen, Mittags 12 Uhr findet im Schlllertheater Charlottenburg das letzte diesjährige Sonntag skonzert statt; — im Bürgersaal des i, Rathauses wird morgen ein Mozart Abend“ ver⸗ anstaltet.