1907 / 285 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 30 Nov 1907 18:00:01 GMT) scan diff

Per sonaloveränder ung en.

Königlich Preußische Armee. Beamte der Militärverwaltung.

Du rch nn des Kriegsministerium z. 18. No- vember. Trzeciok, Hueter, Intend. Sekretäre von den Inten⸗ danturen des IX. Armeekorps bzw. der 38. Div., der Titel Dber⸗ militärintend. Sekretär verliehen. Wolff, Proviantamtsasstsf. in Schutztruppe für Südwestafrika, mit dem J. Dezember 1967 bei dem Probiantamt in Colmar i. C. als Assist. , n und mit Wahrnehmung der Kontrolleurgeschäfte beauftragt. aschow, Läufer, Wel;, Unterzahlmeister, zu Zahlmelstern beim II. biw 1X. und XVIII. Armeekorps, Ophey ö hr, Behrendt, Lazarett⸗ inspektoren auf Probe bei den Garn. Lajaretten Saarlouig biw. II Berlin und Breslau, zu Lajarettinspektoren, erngnnt. Schu⸗ m ach er, Hof f m ann, Kaserneninspektoren in Halberstadt biw. Graudenz, gegenseitig versetzt. Königlich Gächsische Armee.

Offitiere, Fähnriche usw. Ernennungen, Beförde— rungen und Versetz un gen. 27. November. Gr. Vitzthum v. Eckstädt, Gen. der Inf, nach erfolgter Enthebung von der Stellung als kommandierender General des XIX. (2. K. S.) Armer⸗ korps, in Genehmigung seines Abschiedsgesuchs mit Pension und der Erlaubnis jum Tragen der Gen. Uniform jur Disp. und gleichzeitig Ala suite des 2. Jägerbats. Nr. 13 gestellt. v. Kirchbach, Gen— Lt. und Kommandeur der 3. Div. Nr. 32, zum Gen. der Art. be⸗ fördert. v. Schweinitz, Gen. Lt. von der Armee, zum Kommandeur der 3. Div. Nr. 32 ernannt.

Abschiedsbewilligun gen. 25. November. Dodel, Lt. im 2. Hus. Regt. Königin Carolo Nr. 19, wegen überkommener Feld, und Garnssondienstunfäbigkeit der Abschied bewilligt.

Beamte der Militärverwaltung.

Durch Verfügung des Kriegsministerium s. 23. No— vember. Wulkow, Oberapotheker der Landw. 1. Aufgebots im Landw. Bezirk . wegen überkommener Feld⸗ und Garnison⸗ Lienstunfählgkeit der Abschied bewilligt. Back, Unterapotheker der Res. im Landw. Bezirk JJ Dresden, zum Oberapotheker des Be— urlaubtenstandes befördert.

Kaiserliche Schutztruppen. Schutztruppe für Südwestafrika.

Verfügung des Reichskolonialamts , n der Schutztrupp en) 22. Oktober. Zu Intend. Dilätaren ernannt: die Unterjahlmeister: Becker mit einem Dienstalter vom 2. Februar 1996, Karioth mit einem Dienstalter vom 30. Mat 1906, Rayß mit einem Dienstalter vom 11. April 1907, Krzywickt mit einem Dienstalter vom 22. Mai 1907.

16. November. Mu sold, Feldlazarettinsp., am 30. No⸗ vember d. J. behufs Wiederanstellung im Bereiche der Königl. preuß. . (beim Garn. Lajarett Stettin) aus der Schutztruppe ausgeschieden.

Aichtamtliches.

Rußland.

In der gestrigen Sitzung der Reichs duma gab der Ministerpräsident Stolypin eine Regierungserklärung ab, in der es, „W. T. B.“ zufolge, heißt:

Alle sind heute sich dessen bewußt, daß die von der extremen Linken geschaffene zerstörende Bewegung in offene Räuberei ausgeartet ist und alle verbrecherischen Elemente gegen die Gesellschaft losgelaffen sind, wobei die in ehrlicher Arbeit sich Abmühenden ruiniert werden und die junge Generation demoralisiert wird. Dieser Erscheinung kann nur mit Kraft entgegengetreten werden, und die Regierung wird jegliche Schwäche auf diesem Gebiet als Verbrechen betrachten. Die Regierung ist bis jetzt bemüht gewesen, verbrecherische Äuz⸗ schreitungen auszurotten, und wird auf diesem Wege verharren. Dazu gebraucht die Regierung pflichttreue Staatsdiener. Persönliche politische Anschauungen durfen bel letzteren auch in Zukunft nicht zur Geltung kommen; Ordnung, Geseßlichkeit und Innere Digztptin müssen in den Schulen eingeimpft werden, und auch bei neuer Srd⸗ nung der Schulverhältnisse wird ein gelegentliches Eingreifen der Regierung nicht zu umgehen sein. Da die Regierung sich der dringenden Notwendigkeit bewußt ist, von Augnahmegesetzen zum Normalstande zurückmukehren, so ist sie entschloffen, alle Mittel anzuwenden, um die Möglichkeit eines schnellen, regelrechten Gerichts verfahrens zu sichern. Ferner weist die Regierung darauf hin, daß sie auf die Mithilfe der Volksvertreter in der Ent= hüllung ungesetzlichen Verfahrens seitens der Staatsorgane rechnet. Die Regierung hofft, dem Lande auf diesem Wege Ruhe zu ver— Kang Dann wird es der Regierung und der gesetzgeberischen Ver— ammlung möglich sein, alle Krafte dem inneren Ausbau zu widmen. Doch können die nötigen Reformen nicht erreicht werden, solange eine Besserung der Lage von Millionen der land wirtschaft⸗ lichen Bevölkerung noch nicht erreicht ist. Die Regierung hebt die Unantastbarkeit des Peivatbesitzes hervor. Daraus folgt die Unantastbarkeit des Kleinen Grundbesitzes als der Bafis der Existenz Rußlands. Die Regierung hofft, daß die Duma 6. § 87 der Grundgesetze die getroffenen Agrarmaßnahmen vlelleicht mit einigen Vervollkommnungen gutheißen wird. Danach erwähnt die Regterungterklärung Einzelheiten des nötigen Reformwerket, darunter die Umgestaltung der Lokalverwaltungsinstitute, die Volksgufklärung und die Bemühungen des Staates für die Arbeiterklasse. Im Zusammenhang mit diesen Re— gierunge vorlagen auf dem Gebiet der Lokalverwaltung hebt die Regierung die eingebrachte Gesetzesvorlage, betreffend das Tokale Gerichtswesen, hervor. Bei dem ganzen Reformwerk hält die Re⸗ gierung es für ihre Pflicht, jegliche Maßnahmen zu Gunsten der Kirche und der Geistlichkeit zu unterstützen. Sie hofft, in der Duma bald die Gesetzesborlage, betreffead die Selbst verwaltung einiger Grenzprovinzen, der vorhergesehenen Umgestaltung der inneren Gouvernements entsprechend, einzubringen, wobei das Prinzip der Einheit des ganzen Staats die Regierung leiten wird. Unge⸗ achtet der besten Beziehungen zu allen Mächten stellt die Regierung

ch die besondere Aufgabe, in Erfüllung des Willens des erhabenen ührers der russischen Streitkräfte, diese auf die der Ehre und ürde Rußlands entsprechende Höhe zu bringen. Die Verwirklichung dieser Aufgabe erfordert materielle Kräfte und Mittel, die zu bewilligen die Duma aufgefordert wird. An erster Stelle hat die Duma die Budgetvorlgge zu erledigen, wobel auf die Erhaltung deg Gleich⸗ gewichts des Budgets als Basis zur Wiederberstellung des russischen Kredits binzuwirken ist. Die Regierung wird alleg tun, um die Arbeit der Duma und des Reichtrats zu erleichtern. Der Wille des Monarchen hat oftmals bewiesen, wie sehr die Ober— herrschaft ungeachtet der außerordentlichen Schwierigkelten die Grund⸗ lagen der neuen Gesetzgebung schätzt, die auch die Grenzen der vom Kaiser verliehenen repräsentativen Staatgordnung festftellt. Die Regterunggerklärung schließt mit den Worten, daß die . elbstherrliche Gewalt und der freie Wille des Monarchen als teuersieg ermögen des russischen Staatswesens erscheinen, da allein diefe Ge—= walt und dieser Wille, welche die jetzigen Einrichtungen geschaffen haben und sie schützen, berufen sind, Rußland zu ö der Gefahr und der Erschütterungen zu retten und auf den Weg der Ordnung und der historischen Wahrheit zurückzuführen. . 2

Nach dem Abg. Maklakow (Kadeth ergriff der Minister⸗ präsident nochmals das Wort, um die gegen sein Programm Vorwürfe zurückzuweisen. Stolypin führte etwa folgendes aus:

Da das Programm der ie durch eng Augtlassungen verdunkelt worden ist, so halte ich es für angebracht, Zwecke und Ziele

der Reglerung nochmal liari . 3e . ö ö . ö *

denn nicht mir steht eg ju, dag Recht des verteidigen, das ihm von Gott anvertraute Neich blick der Gefahr ju 46. e. will au die Vorwürfe eingehen, daß 6 u Despotle y ei. Ich d gierung berelts klargelegt zu haben vertretung haben, die ung vom selbstheri liehen und daher i alle seine getreuen Unite Einem Einwand aber will ich begegnen: Dag, wag ich Unahsetz barkeit der Richter gesagt habe, ist als Drohung auf⸗ efaßt worden. In Ausnahmefällen, wo eg sich um die Reltung des aterlandes handelt, sind eben Maßnahmen n 6, die im normalen Leben des Stgateß nicht bräuchlich sind. Die Geschichte jehrt, daß die Unabsetzbarkeit der Richter ,. in einem so fort⸗ schrittlichen Lande wie Frankreich zeitweise war. Weiter wurde der Vorwurf erhohen, die Regierung denke ihre gefamte Tätig⸗ leit auf Repression zu beschränken und wolle schöpferischer Arbeit fern. bleiben. Die Ziele der Reglerung sind ganz andere. Reben der Nie derdrückung der RKebolution hat fich die Regierung die Aufgabe gestellt, die Bevölkerung auf 4. Höhe zu heben, auf der sie in Wirklichkeit der Segnungen, die ihr verliehen worden sind, tell⸗= haftig werden kann. Solange der Bauer arm ist, solange er keinen freien Bodenbesitz hat, sondern sich unter dem Zwange des Gemeinde⸗ besißzes befindet, wird er immer ein Sklave bleiben, und kein ge= schriebenes Gesetz wird ihm Segen bringen. Daher will die Regierung in erster Linie die Heb Bauernstandes erstreben und

ebung des freien, selbständigen Kleingrundbesitz schaffen, um so die

. . ni

wir eine Volks⸗

Kultur und den Wohistand des ganzen Reschg zu begründen. Hler wurde auch über Dezentralisatton gesprochen. Polens sprach von der e n

Der Vertreter zur Arbeit der Re⸗ gierung auch die lokalen Selbstverwaltungskräfte heranzujtehen. Da⸗ gegen hat die Regierung nichts einzuwenden, aber die Kräfte, auf, die sie sich dabei stützen kann, dürfen nur nationale Kräfte sein. Wenn das starke England seinen Relchsteilen weitgehende Selhstperwaltung gewährt, so tut es daz im Bewußt⸗ sein des Ueberschufses seiner Macht. Wenn man aber von uns im Augenblick der Schwachheit die Deientralisation verlangt und sie ung mitsamt den Wurzeln, die dag Reich zufammenhalten, entreißen will, dann sagen wir: Nein! Unsere Reformen müssen, um lebeng⸗ kräftig zu sein, ihre Kraft aus den nationalen russischen Traditionen schöpfen. Diese liegen nun in der Entwicklung der Sem stwo⸗ und der lokalen Selbstverwaltung, auf die ein Teil der Staatsfunktionen abgewälzt werden kann. Unser Ideal ist die Entwicklung der mit der Volkevertretung verbundenen neuen Regierungsform, die, vom Manarchen verliehen, der err⸗ schaft des Kaisers neuen Glanz zutragen wird. enn nur die Kalsermacht ist der Hort der russischen Staats- idee, sie allein hat Rußland geschmiedet und vor dem Zerfall bewahrt. Wir können auf unsere russischen Wurzeln kein fremdländisches Reis pfropfen. In dem Zusammenwirken der monarchlschen Obergewalt und der Volksvertretung liegt unsere Zukunft, und den Willen zu ihrer Erfüllung werden Sie bei der Reglerung finden. Aber unser Wille allein genügt noch nicht, um die neue Staatsform ju sichern. Verleihen Ste ung Ihre Mitarbeit zu diesem Werk, geben Sie uns Ihren Willensimpuls zum neuen Staatsbau. 24 andere hier ge⸗ fallene Vorwürfe bitte ich nicht reggleren zu brauchen. Mir scheint, daß, wenn der Wanderer seinen Weg nach den Sternen kennt, er sich nicht durch Irrlichter ablenken lassen darf. Ich will auch das Parlament nicht zum . des Wortgefechts machen, die Regie⸗ rung will überhaupt mit Worten nicht Mißbrauch treiben. Doch gibt es Worte, die Gefühle ausdrücken, Gefüble, für die russische Herzen Jahrhunderte lang geschlagen haben. Ich melne die Ergebenhelt den historischen Traditionen gegenüber im Ge 6 zum bodenlosen Sozialismus. Ich meine den kaͤben taf cen unsch, das Vater⸗ land zu erneuern, aufzuklären und zu erhöhen, im Gegensatz zu den Leuten, die seinen Zerfall erstreben. Ich meine endlich die Ergebenheit auf Tod und Leben fur den Kaiser, der Rußland verkörpert.

Im Anschluß an die e nr, , e fe. wurde von dem Abg. Gutschkow (Oktobrist) eine Tagesordnung vorgeschlagen, welche die Notwendigkeit sofortigen Beginns der Pet eberischen Arbeit betont, wahrend die ti. Bobr ins? ö. igte Rechte) und Markow (äußerste Rechte) die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit der Regierung hervorhoben. Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.

In der gestrigen Sitzung des Staats rats verlas der Ministerpräsident Stolypin die Regierungserklärung, die er bereits in der Duma verlesen hatte. Der Staatsrat nahm, obiger Quelle zufolge, einstimmig eine Tagesordnung an, die seine Bereitwilligkeit zum Ausdruck bringt, mitzuarbeiten an der Ausführung der Regierungsentwürfe, die bestimmt sind zur Hebung des Wohlstandes der Bevölkerung und zur Wiederherstellung der Ruhe und der Achtung vor den Gesetzen

Deutscher Reichstag.

61. Sitzung vom 29. November 1907, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Nach Genehmigung des am A. August 1907 in Berlin unterzeichneten Vertrages zwischen dem Deutschen Reiche und, den Niederlanden über Unfallversicherung, worüber in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, wird die erste Beratung der Gesetzentwürfe, be⸗ treffend die Feststellung des Reichshaushaltsetats und des Haushaltsetats für die Schutzgebiete für das Rechnungsjahr 1908, sowie des Entwurfs eines Gesetzes kr Aenderung des 5 2 des Gesetzes, betreffend ie deutsche Flotte, vom 14. Juni 1900, fortgesetzt.

Preußischer Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Der Herr Abg. Bassermann hat in seiner gestrigen Rede auch die finanziellen Fragen eingehend behandelt, und ich hatte mich zum Wort gemeldet, um ihm in einzelnen Punkten ju erwidern. Bei der vorgeschrittenen Zeit hielt ich es aber für un- bescheiden, noch die Aufmerksamkelt des Hauses gestern in Anspruch zu nehmen, und bitte daher um die Erlaubnis, bei der außerordentlichen Bedeutung der Frage für das Reich wie für die Ginzelstaaten auf den Gegenstand heute kurz zurückkommen zu dürfen.

Der Herr Abg. Bassermann erwähnte gegenüber den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs des Reichsschatzamts über die hohe Schuldenbelastung, daß auch in anderen Staaten sich die Schulden in erheblichem Maße vermehrt hätten. Aber, meine Herren, dabei kommt es doch sehr auf das Tempo an, in dem die Schulden aufgenommen sind, (sehr richtig! rechts), und da muß ich mit Fritz Reuter sagen: in der Fixigkeit sind wir allen anderen Staaten über gewesen. (Sehr wahr! und Heiterkeit.)

Meine Herren, vergegenwärtigen Sie sich die Verhäͤltnisse beispiels⸗ weise in Frankreich und England gegenüber der Belastung des Deutschen Reiches. Frankreich kam aus den französischen Kriegen im Anfang des vorigen Jahrhunderts mit einer Schuldenlast von 20 Milliarden heraus und England hat im vorlgen Jahrhundert nicht weniger als 5 Milliarden Schulden abgestoßen (hört! hörth und erst im Buren⸗

einer t. Auf J . . der i.

teiege ist feine Schuldenlast wieder ehnn um 3 Mihiatden gen Vom Jahre 1866 anleihen ausgegeben.

bis 1801 hat England überhaupt keine Kun

Meine Herren,

von 266 Millionen dreiprozentiger Renten herauggebracht. Von n

bis 1901 hat Frankreich trotñz seiner enormen Rüstungen zu Wa]

und Lande sede öffentliche Anleihe vermieden. (Hört! hört! a3 Und, meine Herren, vergleichen Sie damit die Zunahme unn!

Reichtschulden in denselben Jahren, von denen ich eben gespron

habe. In der Periode bon 1881 bis 1901 ist die Reichtzschuld h 2565 Millionen auf 2416 Millionen gestiegen; also in einer Persh in der die Franzosen keine neuen Anleihen aufgenommen haben, hat s die Reichsschuld nahezu verzehnfacht und ist dann bis 1907 4 Milliarden gestiegen. Meine Herren, die Tatsache, daß das R bisher nicht imstande gewesen ist, seine Ausgaben durch laufende n nahmen zu decken, die Tatsache, daß das Reich in immer stärlem Maße seine Schuldenlast vermehrt hat, trägt unzwelfelh dazu bei, unser wirtschaftliches und unser politisches sehen im Auslande zu beeinträchtigen. (Sehr richtig! rechg Als vor einigen Jahren die Konversion der italienischen Rente n Frage war und von deutscher Seite einem hervorragenden italienisch Flnanzmanne nahegelegt wurde, auch deutsche Kreise daran zu h teiligen, erwiderte der Betreffende: was will denn ein Land n Deutschland, das nicht einmal seine eigenen Ausgaben decken kn und dessen Staatspapiere erheblich schlechter stehen als die itallenis ch was will ein solches Land auf dem internationalen Geldmarkt h deuten! Ich führe das nur als Symptom dafür an, in welch Weise die Ungunst unserer finanntellen Verhältnisse im Reich, in ganz unverdient ungünstige Standpunkt unserer Staatspapiere da beiträgt, unsere ganze Situation im Auslande viel schwächer erscheinm zu lassen, als sie gottloh ist.

Dann hat der Herr Abg. Bassermann den Gedanken elner höhten Besteuerung des Tabaks, eine etwaige Banderolesteuer hn vornherein ablehnt. Er wird mir die Bemerkung gestatten, daß da etwas nach dem Grundsatz verfährt: ich kenne die Grüm der Regierung nicht, aber ich mißbillige sie. (Heiterket Ich glaube, wir sollten mit unserm Urteil warten, bis eine solth Vorlage an Sie herantritt. Der Herr Abg. Bassermann sagte, nah Zeitungsnachrichten hätte ich mich dahin ausgesprochen, daß zu amerikanische Banderolesystem auf unsere Verhaäͤltnisse nicht passe. G ist mir nicht erinnerlich, eine solche Aeußerung getan zu haben. Da amerikanische System einer Banderolesteuer ist überaus einfach, es en fordert eine sehr geringe steuerliche Ueberwachung; es hat allerdinz ein Bedenken gegen sich, das wir von unserm mehr von Gerechtighe diktierten Standpunkt aus wohl ausräumen müßten. Die amerlkanssche

Steuergesetzgebung unterscheidet lediglich jwischen Zigarren unn

Zigarillos und besteuert die Zigarren gleichmäßig hoch, gleichviel ni sich nachher der Verkaufspreis gestaltet; die amerikanische Steuen gesetzgebung belastet abgesehen vom Zoll alle Zigarren, die M kleinen wie des wohlhabenden Mannes gleich hoch. (Sehr richtig! rechtz) Das wäre also ein Modus, den wir in Deutschland nicht einführt und Ihnen auch nicht vorschlagen werden. (Sehr richtig! rechts) Im übrigen ist der Hinblick auf Amerika wie in vieler Beztehun so auch in dieser sehr interessant. Das freie Amerika kennt in den Vereinigten Staaten lediglich indirekte Steuern und hat die direkten Steuern ganz den Einzelstaaten überlassen. (Lebhaftes hört! hört! rechts) Niemals hat man versucht weder in der Schweiz noch in der Vereinigten Staaten, die direkte Besteuerung seitens des Bundes in Angriff zu nehmen. (Wiederholteg lebhaftes hört! hört!“ rechts.) Und nun, meine Herren, was die Belastung des Tabaks betrifft, so möchte ich doch kurz anführen, daß in Frankrelch auf den Kopf der Bevölkerung an Lasten für die Tabakbesteuerung 7,56 M entfallen, n den Vereinigten Staaten 3,65 S, in Großbritannien und Irlan 6-23 M, in Oesterreich 473 4A, in Deutschland 1ů3ö! 6 (Hönt! hört! rechts Also wenn wir auch eine bescheidene Steigerum vorschlagen sollten, so bleibt das weit hinter dem zurück, was anden Großstaaten erheben, was ein freies Land wie Amerika hat, wa eine Republik wie Frankreich erhebt, die das Vier⸗ und Fünffache unserr Steuersätze erhebt. (Sehr richtig! rechts.) Doch will ich mich auf diese Seite nicht weiter einlassen, ich möchte nur noch eine Bemerkum hinzufügen. Wenn vielfach mit dem Rückgang des Konsums gedroht

worden ist, so halte ich das zum Teil für ein Schreckgespenst, un

wir haben das namentlich auch bei der Zigarettensteuer erlebt. Die selbe Befürchtung hat man da entgegengehalten, und was ist einge treten? Der Konsum ist trotz der Zigarettensteuer nicht zurückgegangen, sondern sehr erheblich gestiegen. (Sehr richtig! rechts.)

Dann hat der Herr Abg. Bassermann erwahnt, daß seiten seiner Partei der Gedanke einer Wehrsteuer wieder erwogen wind Diese ist eines derjenigen Objekte, die sehr schillernd um glänzend autsehen und alle Vorzüge verlieren, sowie man der Sache näher tritt. (Sehr richtig! rechtz) Ich bemerke zunächst, daß Ri Erfahrungen, die andere Staaten damit gemacht haben, durchau ungünstige sind. In Frankreich hat man eine Wehrsteuer gehabt, di 5 000 000 Fr. erbrachte, dann wegen der Umständlichkeit und Schwierhg keit der Erhebung auf 3 000 000 herabgesetzt wurde (hört, hört rechte) und schließlich vollständig beseitigt wurde. Ganz ähnlich ist in Oesterreich gegangen. In Oesterreich sollte diese Wehrsteuer 1900000 Kronen bringen und brachte wegen der Schwierigkelt der Erhebung nur 861 000 Kronen, also nur 4650/9 des Solls ein. Dermaßen sind die Schwierigkeiten, die mit der Erhebung verbunden sind md auch Oesterreich hat sich zu einer Herabsetzung der Wehrsteuer ent— schlossen.

Was versteht man unter einer Wehrsteuer? Will man darunttt etwa eine Kopfsteuer verstehen, also auf die Kopfsteuer zurückkommen, die wir mühsam in allen Staaten, auch in Preußen beseitigt haben? Dle alte Kopfsteuer war elne der drückendsten Steuern, die den lleinen Mann betraf, er kann sich bei den indirekten Abgaben, den Verbrauch von Tabak und Spirituosen, nach seinen Verhaältnissen einrichten, abet der Steuererheber erschlen an jedem Ersten und forderte von ihm bie Klassensteuer ab. Bei der Vielgestaltigkeit unserer Beziehungen, det außerordentlichen Fluktuatlon unserer Bevölkerung ergab sich eint Fülle der größten Härten bel der alten Klassensteuer, ich darf nut

wenige Daten in dieser Beiiehung Ihnen vortragen. Wir hatten in

Preußen von 1878— 1881 Steuerpflichtige der untersten Klass, die also 3 A Steuer zahlten, 2 687 000 und hlerbei ergab sich etn⸗ Zahl von Pfändungen in der Höhe von 668 000 (hört, hört! rechth) also in beinahe 2650/0 der Fälle mußten Pfändungen gegen die kleinen Schuldner vorgenommen werden, und bei den Zensiten, die 6

noch nach einem nin! Nachbarn zu fragen, so ist in Frankreich lediglich 1901 eine Ang .

7

bejahlten han bash ann 1000000 aus machten, ergaben sich nicht weniger als 275 o0 Pfändungen, gleich 26 oo aller Fälle. Al diese

Härten gegen den kleinen Mann, die Schwierigkelten der Erhebung

der kleinften Beträge, haben dazu geführt, daß die Klassensteuer auf⸗ gehoben wurde, und ich glaube, es würde ein schwerer Rückschritt sein,

etwa wieder eine Wehrsteuer in Form einer Konf. oder Klassensteuer

einzuführen. Außerdem würde sie als solche nichts bringen, soll die Wehrsteuer etwa bringen, so ist sie nichls anderes wie eine verlappte Reichteinkommen oder Vermögen steuer, und folange die Unterlagen im. deutschen Vaterland vollkommen verschleden sind, solange eine vollkommen verschiedenartige Gesetzgebung waltet, müßte eine solche Steuer auf den einzelnen Zensiten wie auf den ein⸗ jelnen Bundesstaat vollkommen verschledenartig wirken. Dazu kommt, daß eine solche Wehrsteuer nach meiner Meinung allen Rücksichten auf eine wirklich soziale Gesetzgebung widersprechen würde. (Dho! bei den Nationalliberalen.) Ich werde mir erlauben, das auszuführen. Wir haben un bemüht, in unserer neuen Gesetzgebung, in Preußen und in allen Bundesstaaten den Grundsatz der Leistungsfähigkeit in den Vordergrund zu stellen, die leistungs fähigen Schultern stärker zu belasten, die minder leistungs⸗ fähigen zu entlassen, und haben diesem Gesichtzpunkt insbesondere dadurch Rechnung getragen, daß wir diejenigen, die eine erhebliche Kinderjahl haben und schon für deren Erziehung erhebliche Opfer bringen, finanziell günstiger stellen wie diejenigen, bei denen dieses Moment nicht vorlegt, wir haben das Kinderprivileg in Preußen stetig ausgedehnt und 1907 erwächst allein auf Grund des Kinderprivilegs ein Ausfall in der Einkommensteuer von nahezu 9 000 000 S Gine Wehrsteuer würde genau das Gegenteil bewirken, sie würde diejenigen prägravieren, die mit else? Anzahl von Kindern, das heißt: von Söhnen gesegnet sind. Denken Sie sich die Situation eines Vaters, der vier Söhne hat, sie mit großen Kosten erzogen hat, von denen zwel in der Armee dienen, während zwei zurückgestellt sind. Für diese belden soll er dann auch noch Wehrgeld bezahlen! (Lebhafter Widerspruch bei den Nationalliberalen. Sehr richtig! rechts) Und demgegenüber denken Sie sich einen Mann, der gar keine Kinder oder nur eine Tochter hat!

Dann kommen für mich und für jeden Finanztechniker die Be⸗ denken wegen der steuerlichen Durchführung hinzu. Man würde doch eine Reichzwehrsteuer nicht denjenigen auferlegen können, die tatsaͤchlich wegen erheblicher Beeinträchtigung ihrer körperlichen Kräfte zur Er— füllung des Wehrdienstes außer stande sind. (Sehr richtig! bei den Nationalllberalen) „Sehr richtig!“, meine Herren, nun haben Sie die Güte, sich das einmal in der Praxis zu denken! Man würde also bel der Einschützung, ob ein Mann der Wehrsteuer unterliegt oder nicht, von dem zufälligen Gutachten des einzelnen Arjtes abhängen, ob der Mann erwerbsunfähig ist oder nicht (Widerspruch bei den National liberalen), und man weiß, wie außerordentlich schwierig diese Definitionen sind. Es gibt sehr zahlreiche Fälle, in denen einer im gewöhnlichen Er⸗ werbeleben durchaus die körperliche Fähigkeit hat, sich sein Brot zu verdienen, und trotzdem für die Armee nicht gebrauchsfähig ist, wegen irgend welcher körperlicher Fehler, also zurückgewiesen werden muß. Nehmen Sie an: ganz lohaler Weise ist ein wohlhabender Mann, ein Fabrikbesitzer, ein Gutsbesttzer, nicht zum Milttärdienst heran⸗ gejogen worden, sondern nur zur Wehrsteuer; von der Militärlast an sich ist er befreit. Denken Sie sich daneben einen Fabrikarbeiter, einen Tagelöhner, und Sie werden aus dem Bewußtsein des Tagelöhners niemals die Auffassung herausnehmen können, daß der andere sich frei gekauft habe. (Oho! bei den Nationalliberalen) Ich halte das für ein sehr wichtiges ethisches Bedenken. Man muß die Wertschãͤtzung unseres Militärdienstes so hoch halten wie irgend möglich und darf in der Bevölkerung nicht den Gedanken aufkommen lassen, als ob wir tatsächlich noch ein Loskaufgeld hätten. Treitschke hat einmal in einem selner Essays darauf hingewiesen, daß der Militärdienst nicht nur eine Pflicht, sondern auch ein hervorragendes Recht ist. Dleses Gefühl müssen wir in der Bevölkerung erhalten und dürfen

nicht den Gedanken eines Loskaufgeldes fördern! (Sehr gut: rechts.

Große Unruhe bei den Nationalliberalen.)

Der Herr Abg. Bassermann hat ferner die Einführung einer Reichgzvermögenzsteuer befürwortet. Er hat schon in Mannheim er—⸗ klärt, daß auch Herr von Rheinbaben sich darin würde finden müssen. Ich kann mit voller Bestimmtheit erklären, daß er sich in dieser Be— miehung im Irrtum befindet (Bravo! rechts), und ich hoffe nach den Erklärungen des Herrn Freiherrn von Stengel und ich spreche das hier nicht nur namens der preußischen Regierung aus, sondern aller Regierungen, von denen ich den Auftrag daju habe —, daß er sich im gleichen Irrtum gegenüber der Gesamthelt der Bundesregierungen be— sindet. (Bravo! rechts.) Wollten wir die direkten Steuern aus der Hand geben, so hieße das, die Art an die Wurjel der finanziellen und politischen Selbständigkeit der Einzel- staaten legen. (Sehr richtig! rechts. Widerspruch links.) Wir haben diese Frage mit der Reichseinkommensteuer hier ja vielfach erörtert, und ich glaube, die Ueberzeugung ist doch durchgedrungen, daß, abgesehen von diesen prinziplellen Bedenken, die ich eben kurz streifte, eine Reichgzelnkommensteuer nicht durchführbar ist, weil die Gesetzgebung der Einzelstaaten viel zu veischledenartig gestaltet ist. Ich glaube, es war der Herr Abg. Gröber, der in der Kommission vor jwei Jahren diese Verhältnisse in durchaus lichtvoller Weise dar⸗ legte. Der Beginn der Steuerpflicht ist ganz verschleden; einzelne Staaten fangen mit elnem Einkommen von 400 A an, andere mit 00 M, wieder andere mit 900 Æ Vor allen Dingen ist der Steuer⸗ satz durchaus verschieden, ebenso die Progression und der Krels der Zensiten; kurzum, die Grundlagen sind so verschleden, daß man eine elnheltliche Steuer auf diesen ganz verschiedenen Grund⸗ lagen nicht aufbauen kann. Wollte man sie ersetzen durch eine Reicht⸗ einkommensteuer, so würde man den Bundesstaaten daß Fundament der eigenen Einkommensteuern nehmen.

Auch ein Vertreter der linken Seite des Hauses, der Herr Abg. Dr. Müller⸗Meiningen, hat in der Sltzung vom 27. März 1906 diesen Bedenken Rechnung getragen: Er sagte:

Bleibt zweiteng der Weg, der von anderer Seite von der Sogialdemokratie angeraten und auch in der Kommission ganz all⸗ gemeln vertreten wurde, eine Reichgeinkommensteuer zur Einführung ju bringen. Wir stehen einer solchen selbstverständlich theoretisch vmmpathisch gegenüber; aber es läßt sich nicht leugnen, daß eine Reichteinkommensteuer weit tiefer in die Partikulargesetzgebung ein⸗ greifen würde als eine Relchgpermögengsteuer.

(Hört, hört! rechts) , Ich stehe im allgemeinen bezüglich dieser Steuer auf dem

Standpunkt, den im Jahre 1898, wie ich glaube, Herr Gröͤber entwickelt hat, indem er meinte, daß der föderatlve Charakter des Reichs durch diese Steuer etwag verwischt würde. Daju kommt, daß die Vielgestaltigkeit der einzelstaatlichen Einkommensteuern 1. 3. wenigstens die Durchbringung einer derartigen Steuer als unmöglich erscheinen läßt. Deshalb mußten wir auch von dieser Steuer zur Zelt absehen. . Dlese Bedenken gegen elne Reichgeinkommensteuer lisgen in verstärktem Maße vor gegen eine Reichsvermögenssteuer. (Sehr wahr! rechts. Lebhafter Widerspruch links.) Gestatten Sie! Jeder Steuer techniker wird mir zugeben, daß eine Vermögenssteuer ein integrierender Teil der Einkommensteuer ist (sehr richtig! rechts und in der Mitte), in Preußen heißt die Vermögenssteuer sogar Ergänzungssteuer. Und dies mit vollem Recht! Sie sollte eine Ergänzung darstellen nach doppelter Richtung. Wir waren bereit, die Realsteuern, Grund, Gebaͤude , Gewerbesteuer den Kommunen ju überweisen. Für diesen sehr großen, für den Staat sich ergebenden Verlust sollte die Ver⸗ mögentzsteuer eine Ergänzung darstellen. Sie hat aber noch einen viel bedeutung volleren Sinn: sie soll das fundierte Einkommen besonderg treffen, mehr alt das unfundierte. (Sehr richtig) Eg ist ein in der Theorie wie in der Praxis, glaube ich, unbestrittener Satz, daß es zu einer gerechten Einkommensteuer gehört, ein fundiertes, dauernd von einer Generation auf die andere über⸗ gehendes Einkommen höher zu treffen, als das unfundierte mit dem Tode des Trägers wegfallende Einkommen. (Sehr richtig Also die Vermögenssteuer ist in der Tat ein integrierender Bestandtell jeder Einkommensteuer und kann von ihr nicht willkürlich losgelöst werden. (Sehr richtig! rechts. Widerspruch links.)

Ich befinde mich bei dieser meiner Auffassung auch in sehr guter Gesellschaft, nämlich in der der Parteiangehörigen des Herrn Abg. Bassermann selbst. Der Herr Abg. Büsing' hat noch am 18. Mai v. J. sich mit der größten Entschledenheit gegen eine Reichgeinkommen⸗ steuer erklärt (hört! hört! rechts) und gesagt:

Bei dieser Verschiedenheit der Steuersysteme in den Einzel⸗ staaten erscheint es ganz ausgeschlossen, auf die direkten Steuern der GEinzelstaaten noch eine allgemeine Reichseinkommensteuer zu werfen.

(Sehr richtig! bei den Nationalliberalen Welter sagte er, daß auch einer Reichs vermögenssteuer jedenfalls zur Zeit noch sehr erhebliche Bedenken entgegenständen. (Rufe links: Zur Zeit!“

In 4 Einzelstaaten besteht bereits eine Vermögenssteuer. Sie bringt in Preußen ungefähr 38 Millionen Mark. Das würde für das Deutsche Reich etwa 60 Millionen Mark ergeben. Sie würden also jur Deckung des Defizits von 200 Millionen Mark das Drei⸗ einhalbfache der preußlschen Ergänzungssteuersätze auferlegen müssen. Das würde ein schwer zu ertragender Zustand sein. Diese Ideal⸗ steuern: Reichgeinkommensteuer und Reichzvermögenesteuer, sehen beim ersten Anblick sehr schön und sehr verlockend aus, wenn man sie aber bei Lichte betrachtet, namentlich vom Gesichtspunkte des Föderativstaats aus, dann ist das Bild ein ganz anderes.

Ich hoffe, daß auch die nationalliberale Partei A ses prsmiers amours zurückkommen wird. (Sehr gut! rechtg. Nein! Nein! links.) Ich sagte eben, daß eine Vermögenssteuer ein integrierender Bestandteil jeder Einkommensteuer ist, und daß man beide nicht von⸗ einander loslösen kann. Es liegt doch auf der Hand, daß z. B. eine Reichsbermögengsteuer vollkommen anders wirkt, je nachdem, ob die Einkommensteuer niedrig oder hoch bemessen ist, z. B. wenn die Pro⸗ gression nicht wie bei uns bei den hohen Vermögen nur bis 400 steigt, sondern wie in anderen Staaten bis auf 5 o/o hinaufgeht, wenn überhaupt die Progression viel stärker ausgebildet ist als bei uns, so wirkt naturgemäß eine dazutretende Vermögentsteuer viel stärker als in solchen Staaten, wo die Progression eine geringere ist.

Es gibt noch eine Fülle anderer Verschiedenheiten. Zum Bei—⸗ spiel kann in Baden bei der Vermögenssteuer nur ein Teil der

Schulden abgejogen werden, ein Teil ist nicht abzugsfähig. Setzen

Sie da eine Reichsvermögenssteuer noch drauf, so wird der badische Zensit sehr prägraviert gegenüber den Zensiten, die die Schulden bei der Vermögengtzsteuer abziehen können. Und, meine Herren, wir haben noch andere Staaten im Reiche, z. B. Bayern, meines Wissens auch Württemberg, die neben der Vermögentsteuer auch noch Realsteuern erheben (sehr richtig! in der Mitte), die finanziell nicht in der Lage gewesen sind, auf die Realsteuer ganz zu verzichten, sondern neben der Einkommen⸗ und Vermögenssteuer auch noch Realsteuern einheben. Nun denken Sie sich die Situation dieser Zensiten gegenüber den Zensiten anderer Staaten, wo die Realsteuern weggefallen sind! Sie kommen da zu einem ganz buntscheckigen Bilde und einer ganz ungleich⸗ mäßigen Belastung der Zensiten im Deutschen Reich. Steuern zahlt kein Mensch gern; aber wenn er sieht, daß andere weniger zahlen als er, so gereicht ihm das zu einem schweren unaugrottbaren Verdruß.

Meine Herren, noch wenige Worte über das Verfahren selber. Ich würde aus demselben Grunde, wie bei einer Reichgeinkommen⸗ steuer, es für faktisch undurchführbar halten, etwa eine Reichs- vermögenesteuer auf die einzelstaatlichen Vermögentgsteuern aufzupfropfen, aus denselben Gründen, die ich bereits angedeutet habe, weil die Grund⸗ sätze hinsichtlich der Ausbildung der Vermögentsteuer sehr verschieden liegen, und weil die Handhabung eine ganz verschiedene ist. Also j. B. schon allein die überaus schwierige Frage, wie der Wert des Grund⸗ besitzes veranschlagt werden soll, ob man nach dem Verkauft. oder nach dem Ertragswerte schätzen soll, alles Dinge, die in der Praxis ju den allergrößten Verschiedenheiten führen. Wie soll das Anlage⸗ kapital der Gewerbebetriebe geschätzt werden? Jeder Staat hat darüber verschledenartige Bestimmungen. Und wie soll der mobile Kapitalsbetrieb erfaßt werden? (Sehr richtig! rechts) Auch diese Bestimmungen sind in den Einjelstaaten vollkommen verschieden. Legt man also eine Reichspermögenssteuer auf die einjelstaatlichen Gesetz, gebungen auf, so kommt man wiederum zu vollkommen heterogenen und abweichenden Resultaten. .

Meine Herren, der Herr Abg. Bassermann hat dann sogar den Gedanken einer beweglichen Reichs vermögentsteuer erwogen. Meine Herren, das wäre einer der Schritte, die man sich zehnmal überlegen muß, den man, ist er einmal gemacht, nicht wieder zurück tun kann. Wohin eine bewegliche, beliebig zu erhöhende Vermögens—⸗ steuer in der fernen Zukunft führen kann, möchte ich nicht ausmalen. Gewiß ist das nicht beabsichtigt, aber in der Tat könnte ein solcher Weg in der Zukunft der Schrittmacher der Sozialdemokratie zu ihrem Zukunftsstaat sein. (Sehr richtig! rechts Lachen bei den Soz)

Meine Herren, wenn ich gegen den Gedanken der Relchs— vermögenssteuer nicht nur im Interesse Preußeng, sondern im Inter⸗

esse aller Bundesstaaten hier die ernstesten Bedenken erhoben habe, so bewegt uns dazu vor allem der Gesichtgpunkt: Wo soll es hinkommen, wenn den Ginzelstaaten die einzige Quelle genommen oder wesentlich abgeschnitten wird, um ihre immer steigenden Auzgaben zu decken? (Sustimmung rechts) Wir stehen jetzt in Preußen vor einer Er— höhung der Einkommensteuer und voraussichtlich auch der Ergänzungs⸗ steuer, und Sie alle, meine Herren, wissen, wie dringende Anforde⸗ rungen auf allen Gebieten an die Einzelstaaten herantreten. Fast in allen Staaten müssen wir die Gehälter der Beamten, der Lehrer, der Geistlichen erhöhen, und damit ist ja die Kette der Aufgaben auch noch nicht entfernt geschlossen. Gottlob sind wir ein vorwärtsstrebendes Land, und infolgedessen erweitert sich der Kreis der Aufgaben, die eine Lösung von den Einzelstaaten er⸗ heischen, auf materiellem und ideellem Gebiete jeden Tag. Wir sind bei uns gewöhnt, möglichst viel vom Staate zu fordern, aber dafür nicht entsprechend an den Staat leisten zu wollen. (Sehr richtig! rechts) Also wenn Sie den Einzelffaaten diese Quelle der Ver= mögens oder Einkommensteuer nehmen oder auch nur wesentlich be⸗ schränken wollten, dann würden Sie die Staaten der Möglichkeit der fortschreitenden Entwicklung berauben. Ich glaube, das kann nicht der Wunsch des Reichstags sein. Sie würden durch eine solche Beschränkung der notwendigen Mittel für die Fortführung ihrer Aufgaben eine Quelle tiefer Unzufriedenheit in allen Einzelstaaten schaffen (sehr richtig! rechts),6, und ich meine, es liegt im wohlverstandenen Interesse, nicht eine solche Unzufriedenheit in den Einzelstaaten aufkommen zu lassen, sondern auch die Einzelstaaten zu freudig mitarbeitenden Gliedern an der Gesamtheit des Reiches ju machen. (Lebhaftes Bravo rechts.)

Meine Herren, wenn in den letzten Tagen ich glaube, es war von Herrn Freiherrn von Richthofen des Senate präsidenten des Oberver⸗ waltungsgerichts Fuisting gedacht ist, so möchte ich auch mit wenigen Worten auf eine Arbeit von ihm zurückkommen. Herr Fuisting ist be⸗ kanntlich einer der hervorragendsten Kenner des Finanzrechts, ein durch⸗ aus selbständiger Mann, der beispielswelse auch die preußische Finanz⸗ verwaltung in ihrer Handhabung scharf kritisiert hat also ich glaube ein Urtell von ihm ist durchaus selbständig anzusehen —, und Herr Fuisting sagt:

Die Bundesstaaten müssen imstande sein, nicht nur den gegen⸗ wärtigen, sondern auch den sich steigernden Steuerbedarf der Zu⸗ kunft zu eigenen, nur im Bereiche der direkten Steuern zu findenden Steuerquellen in vollem Umfange zu decken. Finanzielle und vor allem steuerliche Selbständigkeit ist die notwendige Vorbedingung der staatlichen Existenz. Ein Bundesstaat, der die Aufwendungen zur Erfüllung seiner Aufgaben nicht aus eigenen Mitteln aufbringen könnte und zu diesem Zwecke finamjieller Unterstützung vom Reiche bedürfte, wäre nicht lebensfähig. Mit der finanziellen Selbständigkeit würde er auch die politische Daseinsberechtigung verlieren und aus einem selbständigen Gliederstaate eine Reichs- provinz werden.

(Sehr richtig! rechte.) Eine solche Aufsaugung der Bundesstaaten durch das Reich würde sich zwar nicht sofort, jedoch in allmählicher Entwicklung vollziehen und schließlich die Umgestaltung des Reichs zum Einheitsstaate zur Folge haben, wenn das Reich den Bundesstaaten durch Einführung direkter Reichs (Einkommen⸗, Vermögeng⸗, Ertrags⸗) steuern diese Steuer ganz oder zu wesentlichen Teilen entzöge und ihnen hiermit die finanzielle Selbständigkeit und die Verfügung über ausreichende eigene Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben nahme.

(Sehr richtig! rechts.) Neben einer Reichseinkommen⸗ usw. Steuer könnte eine selbstãndige staatliche Einkommen« usw. Steuer nicht bestehen; vielmehr würden die Bundesstaaten nur in einem durch die Reichsgesetzgebung zu bestimmenden beschränkten Umfange Zuschläge zu der Reichssteuer erheben dürfen, und hiermit wäre ihre finanzielle Selbständigkeit vernichtet.

Es ist begreiflich, daß die Bundegstaaten jedem Uebergriff des Reichz in das Gebiet direkter Besteuerung den äußersten Wider stand entgegensetzen. Es handelt sich um ihre Existenz und hiermit um die denkbar größte Umwälzung in der Verfassung des Reichs;

lsehr richtig! rechts) in solchen Fragen ist das „principiis obstare“ für die Bundes staaten ein Gebot der Selbsterhaltung.

(Sehr richtig! rechts.) Auch die politischen Parteien sollten dies erkennen und davon ab— stehen, die unerfüllbare Forderung der Einführung direkter Steuern zu stellen.

Meine Herren, auch die Herren um Herrn Bassermann haben früher diesen Standpunkt vertreten. Es ist, als der Antrag Ablaß hier gestellt wurde, eine direkte Reichsvermögengsteuer einzuführen, vom Herrn Abg. Büsing, wie ich verlesen habe, dagegen Stellung genommen, und meines Erinnerns hat auch die ganze Partei den Antrag damals mit abgelehnt, und ich hoffe, daß aus den wirtschaft⸗ lichen und politischen Gründen, die ich dargelegt habe, sich auch ferner die Partei auf den früher eingenommenen Standpukt stellen wird. (Zuruf von den Nationalliberalen: Sie irren sich, kein Gedanke h Nun, meine Herren, das werden wir abwarten! Sie würden jeden falls damit die endliche Gesundung der Resichgfinanzen, die im Interesse der Entwicklung des Reichs selber, die im Interesse des Ansehens des Reichs nach außen dringend notwendig ist, sehr gefährden. (Lebhafter wiederholter Beifall rechts.)

Abg. Bebel Cor, zuerst sehr schwer verständlich, da er von seinem Platze spricht und der Berichterstattertribüne den Rücken zukehrt): Der Reichsschatzsekretär hat gestern in einem Tone ge⸗ sprochen, der sehr elegisch gestimmt war und dem kasserlichen Worte Schwarzseher dulde ich nicht! wenig entsprach. In der Tat bat er einen Etat vorzulegen und zu vertreten gehabt, wie er so ungünsfig noch selten gestaltet war, und das in einer Zeit, wo die allgemeine Geschäftslage große Prosperität zeigt. Die Finanzlage des Reiches ist so schlecht wie möglich. Der Staatssekretär sprach von neuen Steuern, verwahrte sich aber dagegen, Steuerpläne zu diskutieren, die man noch gar nicht kenne. Wenn er aber seine Steuerobsekte verheimlichte, so war das beinahe eine Nichtachlung des Rei 27 Wir sind keine Kinder, die warten müssen, bis der Weihnachtsmann kommt; eg liegt darin wirklich eine , und Herabdrückung des Reichsta 8. Wir haben ein

roßes Defijtt von 124 Millionen Mark, wir hätten 225 Millionen Gehn zu decken gehabt, aber der Reichstag bätte nur 192 bewilligt von denen noch dazu 50 nicht eingekommen seien. Er meint, daß diese Unterbilanz dauernd sein wird, daß alfo volle 809 Millionen

jährlich noch zu decken bleiben. Interessant ist, daß sich * Einkommen der Erbschaftgsteuer entjogen haben rm

interessant, daß die Fahrkartensteuer Fiasko gemacht hat. Nun kommt