Schweden. Der König Gustav hat beschlossen, sich nicht krönen zu lassen. Wie das „W. T. B.“ meldet, erklärte der Kön einem Mitarbeiter des Aftonbladet“, daß dieser . seiner eigenen Initiative entsprungen sei. Er halte die Krö⸗ nung, die im Grundgesetz nicht vorgeschrieben sei, für überflüssig und nicht dem Zeitgeiste entsprechend. Die großen damit verbundenen Kosten hätten entscheidenden Einfluß auf seine Entschließung gehabt. Der König teilte ferner mit, daß auf seinen persönlichen Wunsch eine weitgehende Vereinfachung des Zeremoniells bei der Reichstagseröffnung ausgearbeitet werde. Der König erklärte schließlich, daß er persönlich sich nichts Besseres wünschen könne, als ein einfaches und spar⸗ sames Leben zu führen. Daß dieses Prinzip sich nicht durch— führen lasse, beruhe auf der repräsentativen Stellung des Regenten. Weder dem Lande noch dem Volke könnte damit gedient sein, wenn der König bei offi iellen Gelegenheiten die internationalen Sitten und Gebräuche außer acht lasse.
Afien.
Die Arbeiten der türkisch-persischen Grenzkom— mission haben, „W. T. B.“ zufolge, begonnen. Die per— sischen Kommissare versammelten sich in einer bei Urmia ge— legenen Ortschaft, wo auch der türkische Kommissar Taschir Vascha eintraf.
— Der Präsident des persischen Parlaments, der sein Amt niederlegen wollte, da der Gouverneur im Parlament mit dem Tode bedroht worden war, falls er die Leute nicht bestrafen würde, die auf das Tor des Parlaments geschossen und an den Morden auf dem Artillerieplatze teilgenommen hatten, hat, der „St. Petersburger Telegraphenagentur“ zufolge, nach längerem Zureden seine Absicht aufgegeben. Erst gestern haben sich die bewaffneten Verteidiger des Parlaments vollständig zerstreut. Die Bedingungen der Verständigung zwischen 'Farlament und Schah sind unterzeichnet, jede der beiden Parteien deutet sie zu ihren Gunsten. Auch werden bereits neue Forderungen und Vorwürfe laut.
— Nach Meldungen Tokioer Blätter haben die Ver— handlungen zwischen Amerika und Japan wegen Einschränkung der japanischen Auswanderung nach den Vereinigten Staaten einen befriedigenden Abschluß erreicht.
Afrika.
Infolge der Ankündigung der Einführung der spani⸗ schen Polizei in Tetu an find, wie dem W. T. B.“ ge⸗ meldet wird, 400 Notabeln beim Pascha erschienen und haben gegen die Reform Einspruch erhoben. Der Pascha er— klärte, er könne die vom Sultan gebiklligte Einführung nicht hindern, worauf die Notabeln an Mohammed el Torres das schriftliche Ersuchen richteten, beim Sultan die Zurück— nahme der Genehmigung zu erwirken. Nach heute einge— troffenen Nachrichten bedrohen die Stämme der Wadras und der Benider die Stadt. Die spanische Kolonie besitzt reichlich Waffen und Lebensmittel; die Kirche und das Konsulat werden in Verteidigungszustand gesetzt. Die Militärbehörden in Ceuta und Algeciras sind beauftragt, Truppen zur Entsendung nach Tetuan bereitzuhalten. Auch in Larache werden ernste Un— ruhen befürchtet, wenn die Spanier die Polizei einführen sollten. In Rabat hat die Erregung nachgelassen; die Aus⸗ bildung der neuen Polizeimannschaften vollzieht sich dort ohne Zwischenfälle.
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Herrenhause ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend Erweiterung des Stadtkreises Magdeburg, nebst Begründung zugegangen. Nach dem Gesetzentwurf soll die Landgemeinde Rothensee, die einen Umfang von 1121 ha hat und bei der letzten Volkszählung 1243 Einwohner zählte, am L. April 1908 von dem Lan kreise Wolmirstedt abgetrennt und der Stadtgemeinde und dem Stadtkreise Magdeburg einver— leibt werden. Zu dem gleichen Zeitpunkte soll die Land— gemeinde Rothensee aus dem fünften Wahlbezirke (Wolmir— stedt⸗Neuhaldensleben) des Regierungebezirks Magdeburg in den vierten Wahlbezirk (Stadtkreis Magdeburg) dieses Re⸗ gierungsbezirks in Ansehung der Wahlen für das Haus der Abgeordneten übertreten. ö
Nr. 1 des ‚Zentralblatts für das Deutsche Reich“, berausgegeben im Reicht amt des Innern, vom 3. Januar 1905, bat folgenden Inbalt: 15 Konsulatwesen: Ernennungen; Gxequatur. erteilungen; Ermächtigung zur Vornahme von Zivilstandebandlungen. — 2 Allgemeine Verwaltungssachen: Erscheinen des Handbuchs für das Deutsche Reich; Bestimmungen über gemeinsame Maßregeln zur Bekämpfung der Cholera in den deuisch russischen Grenzgebieten. — 3 Zoll. und Steuerwesen: Veränderungen in dem Stande und den Befugnissen der Zoll- und Steuerstellen; Veränderungen in den Ab— fertigungsbefugnifsen von Zoll⸗ und Steuerstellen. — Polizeiwefen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet.
Nr. 54 des Gisenbabnverordnungsblatts“, heraus- gegeben im Minifterium der öffentlichen Arbeiten, vom 31. De jember 18697 hat folgenden Inhalt Erlaß des Ministers der öffentlichen Ar- beiten vom 28. Dejember 1907, betr. Tarifbestimmungen für Saatgut. = Nachrichten.
Statiftik und Volkswirtschaft.
Die Zoll, und Steuerstraffälle im Rechnungs ja bre 1906.
Das Inkrafttreten des neuen Zolltarifs am 1. März 1806 sowie die Einführung der neuen Reiche steuern im Jabre 1905 machte eine Aenderung der auf den Bundegratabeschlüssen vom 26. Juni 1850, §z 482 der Protokolle, und vom 7. Februar 1883, 3 39 der Protokolle, beruhenden Bestimmungen, betreffend die Aufstellung von Nachweisungen der Straffälle bejüglich der Zölle und Reichafteuern, notwendig. In seiner Sitzung vom 27. Juni d. J. bat der Burdesrat neuen Bestimmungen — abgedruckt im „Zentralklatt für das Deutsche Reich Nr. 34 — die Zustimmung erteilt mit der Maßgabe, daß für das Rechnungsjahr 1906 der End⸗ termin für die Einser durg der Nac weise an dos Kaiserliche Statistische Amt bis jum 1. August 19067 bincusgerückt wird. Nach der im letzten Viertel jabrshefte zur Statistik des Deunchen R ichs“ veröffentlichten Statistik sind im deutschen Zollgebiete während des Rechnungsjahres 1666 im ganzen 27 348 Straffälle gegen 28 166 im Vorjahre wegen Uebertretung der Zoll · und Steuergesetze sowie der Ein⸗, Aus, unt Durchfuhr ber bote an
2
X
wurden im 2
zie hungen oder Einschwärzungen liefen auf 93 055.52 M gegen 1 die wegen dieser festgesetzten Geldstrafe 298 564 Æ im Vorjahre. en Gefalle be⸗ Wegen Ordnungewidrigkeit wurden 12 588 Perz gtjahre und Vorjahre 13 269 Personen; 1 Person wurde zusätzlich 4 gegen strafe belegt. Der Betrag der wegen Ordnungswidrigkeit . Seldstrafen stellte fich auf 50 889 M gegen 63 580 A im
*⸗ rsonen zu Geldstrafe = . Freibeitsstrafe, gegen 23 den Hinter
verbote sind nunmehr nach den einzelnen in Betracht kommend gesetzlichen Bestimmungen getrennt nachgewiesen. Wegen Banden⸗ chmuggels und Mitfübrung von Waffen behufs Widerstandes gegen die zur Wahrnehmung des Zollinteresses verpflichteten Beamten wurden verschärfte Strafen nebft zusätzlicher Freiheitsstrafe gegen 36 Personen in 21 Fällen verhängt, im Vorjahre gegen 798 Personen in 28 Fällen. Beim Jusammentreffen zwischen Zollaufsichtebeamten und Schmugglern ist ein Aufsichtsbeamter körperlich verletzt worden.
Aus der heutigen Lage des Geldmarktes und dem hohen Bank— diekont schöpft der Allgemeine deutsche Genossenschaftsberband Ver— anlassung, auf die wife ig der in Deuischland vielfach üblichen Verschleppung der Zahlungen über die gesetzten Termine hinaus und der junehmenden Begleichung durch Wechsel für den Handwerker, den kleinen Gewerbe treibenden hinzuweisen. Um die Goldabflüsse nach dem Ausland zu indern also im Interesse der Aufrecht⸗ erhaltung unserer Goldwährung“, führt er u. g. aus, sist die Regulierung der Bankrate bisber als die wirksamste Maßregel von der Reichs bank in Anwendung gebracht worden. Alle anderen vorgeschlagenen Maßnahmen, besonders die einen gewissen Teil der bei privaten Kreditinstituten angelegten Deposiiengelder der Reichsbank zuzuführen, haben sich als undurchführbar erwiesen oder sind von vornberein als völlig zwecklos zu erachten. Alle Anzeichen, sowohl auf dem Weltmarkt, wie im inneren Verkehr, lassen darauf schließen, daß der offifielle Zinssa in absehbarer Zeit überhaupt auf einer höheren Linie als früher * bewegen wird. Die wirtschaftlichen Wirkungen der außergewöhnlichen Diskontrate werden in Finanz. und Industrielreisen gewiß unangenehm und stötend empfunden, aber unmittelbarer macht sich dies in den gewerblichen und sonstigen Kreisen des Mittel standes fühlbar. Die oftmals ungebührliche Aus— nutzung des Ziels durch die Kundschaft wird noch verschärft durch die alsdann vorgenommene Begleichung mittels Wechsel. Hierin liegt ein großer Krebs schaden. Der Handwerker, der kleine Sewerbe— treibende, durch diese Zielmißwirtschaft in seinem Verdienst bedeutend ge— schmälert, hat nun auch noch die Diskontspesen zu tragen, wenn er bei seinem Kredit⸗ oder Vorschußoerein den Wechsel veräußert. Daß diese Vereine auch in geldteuren Zeiten wie gegenwärtig das berechtigte Kreditbedũrfnis * Mitglieder zu entsprechenden Sätzen be— friedigen, ist bekannt. Die alljäbrlichen statistischen Veröffentlichungen der größeren Verbände geben hierüber interessanle Aufschlässe. So baben j. B. die 915 Kreditgenossenschaften des Allgemeinen Ver bandes der auf Selbsthilfe beruhenden Genossenschaften nach Schulze— Delitzsch nach dem neuesten Jahrbuch im Jahre 1906 Kredite im Gesamtbetrage von 3202 Millionen Mark gewährt, darunter allein 941 Millionen an Diskontktediten. Die Zarssätze bewegten sich dabei durchschnittlich jwischen 4 und 54 o; vielfach wurde der offinielle Bankzinsfuß zugrunde gelegt oder 4 bis 1c. darüber be— rechnet. Das sind Sätze, die bei einem durchschnittlichen Reichsbank zins fuß von o als recht mäßig gelten dürfen. — Der Handwerker, der Gewerbetreibenge wird richtig handeln, wenn er dem Krebsschaden der Borgwirtschaft besondere Aufmerksamkeit zuwendet. In Zeiten wie gegenwärtig jeigt es sich, wie notwendig Tes ist, die Borgwirtschaft einzudämmen und sich nicht mit der landläufigen, grundfalschen Redensart wenn ich das Geschäft nicht mache, tuts ein anderer! über den offenen Krebsschaden hinweg zutäuschen. Ein Blick in die Gewohnbeiten des geschäftlichen Lebeng Frankreichs und Englands lehrt, daß man dort eine strengere Auf— fafsung bat und die Einhaltung des gewährten Ziels seit langen Zeiten als den allein richtigen Weg erachtet. Was in dieser Richtung dort möglich ist, darf hier nicht zu den Unmöglichkeiten gehören.“
Zur Arbeiterbewegung.
Zur Lage im Baugewerbe teilt der Verband der Bau— geschäfte von Berlin und den Vororten folgendes mit: Die große Geldknappheit hat eine besonders einschneidende Wirkung auf die Bautätigkeit ausgeübt, die augenblicklich sehr daniederliegt. Daju kommen die Folgen des großen Streiks im vergangenen Sommer, sodaß eine ungewöbnlich starke Arbeitslosigkeit unter den bau. gewerblichen Arbeitern berrscht. Um Arbeit zu erhalten, bieten sich Maurer und Zimmerleute, welche bisher 75 3 Stun denlohn erhielten, in großer Anjabl zu niedrigeren Lohnsätzen an, und et zeigt sich jetzt, wie verlebrt die Arbeitnehmerorganisationen handelten, als sie im Mai v J. den ihnen angebotenen Tarifvertrag mit einer Zulage von 3 ablehnten und damit den Kampf herauf— beschworen. Da zur Zeit tarifliche Abmachungen über Lohn. und Arbeitsbedingungen im Baugewerbe nicht bestehen, so regelt sich der Lohnsatz naturgemäß nach Angebot und Nachfrage, wird alfo gerade in der schlechten Zeit beruntergehen. In ker Tat bejablen viele dem Arbeitgeberbund nicht angebhörende Firmen bereits feit längerer Zeit niedrigere Löhne; unter diesen Umständen, die natur— gemäß auf die Konkurrenz fähigkeit wesentlich einwirken müssen, beschloß die außerordentliche Generalversammlung des Ver“ bandes der Baugeschäfte am 3. d. M. einstimmig, den Stundenlohn für Maurer und Zimmerer bis auf weiteres auf 70 big 78 und den für Bauarbeiter auf 45 bis 350 3 festzusetzen. Unter dem Personal der städtischen Kranken? und Irrenanstalten Berlins ist, der ‚Voff. Ztg.“ zufolge, gegen— wärtig eine Gärung vorbanden. Die im Gemeindearbeiterverband organisierten Pfleger und Pflegerinnen sind der Meinung, daß ihnen von der Verwaltung das Koalitionsrecht genommen werden soll, und sie wollen sich dagegen zur Webr setzen. In den letzten Tagen haben Versammlungen des Personals der An⸗ stalten Wuhl garten, Herzberge, Buch, der Krankenbäuser am Friedrichshain und am Urban stattgefunden, in denen mannigfache Beschwerden vorgebracht wurden. In Wuhlgarten soll den Pflegern der bereits erteilte Urlaub wieder entzogen worden sein, weil sie eine Verbande versammlung besuchen wollten. Ebenso fei die Verwaltung von Buch vorgegangen. In Heriberge wurde darüber geklagt, daß die Pfl ger Verträge unterschreiben müßten, obne daß man sie auf die Tragweite der einzelnen Bestimmungen (Aus- schaltung des § 61s ꝛc.) aufmerksam mache. Ganz besonders aReß ist die Unzufriedenheit im Urban Krankenbaus. Dort sind jwei Vertrauens männer des Verbandes entlassen worden, die Ent. lafsung wurde als Maßtegelung aufgefaßt, und der Direktor lebnte es auch nach wiederholten Verbandlungen ab, die Entlassung jurũck⸗ junehmen. In der Versammlung wurde eine scharf. ebaltene Protest⸗ resolution angenommen, in der betont rid, daß die Pfleger in geeig⸗ neter Weise für die Anerkennung ihrer Rechte sorgen würden.
Die örtlichen Verhandlungen in den vier Städten Stuttgart, Elberfeld, Osnabrück und Luckenwal de, die zwischen Arbeil— gebern und Arbeitnehmern im Holjge werbe nach Beschluß der letzten Konfereni in Berlin (gl. Nr. 295 v. J. d. Bl) in den einzelnen Orten geführt wurden, sind, wie die Frkf. Itg.“ erfährt, völlig ergebnislos verlaufen. Insolge Scheiterns dieser Verhandlungen
mũnster, Daenabrũck., Posen,
n ein . ö rbeinischen och an 3 Crefelder a —
. der Appreturen un Die Strafen wegen Verletzung der Ein⸗, Aus- und Durchful . * Notti
Poisdam, Stuttgart, Wiesbaden und
Westf. Ztg.“ daß der Scha. . und lu ia hz
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d. BI.) erfährt, 3000 Es ist dies der ernsteste Berg ·
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Versammlung der Gru W. X. B. meldet, eine an, durch die das Bundesk Min, d ein iti nig eine eee g ,. eventuell durch einen Streik, Rte agt wird, mit allen f . S4 stündigen Arbeitstages der achtst streben, daß an Ste *
Die den Glasarbeitern bon Are rag inge führt — 6 angekündigte, aber von ihnen zurückgewts-roi für den 4. Ja 1 105i ist, wie der Köln. Ztg. gemeldet wird, Lehnberab etznng Vi Arbeitgeber haben auf die in Aussicht gestellte Amn eingete . und lassen ohne Vertrag weiterarbeiten. ung Der Ausstand der Droschkenkutscher in Gent ist, ach dem= selben Blatte, beendet. Auf Vermittlung des Einigung ae schuffes haben die Fuhrberren die Forderungen der Kutscher bewilligt! Vgl. Nr. 307 v. J. d. Bl.)
Der Ausstand der Kohlenträger in Port Said, der 3m 20. Dezember v. J. begann, ift, dem W. T. B.“ zufolge, beendig.
Wohlfahrtspflege.
Die Jugendgerichtshöfe baben bekanntlich in Amerika, Eng- land und Norwegen gute Erfolge bhinsichtlich der psychologiscken Be— urteilung jugendlicher Vergehen und der Einwirkung auf die siitliche Hebung der noch im Alter ungenügender Einsicht sich befindenden Uebel. täter zu verzeichnen. Da das Sute sich stets Bahn bricht, so hat man auch bereits in Deutschland mit der Nachbildung dieser Einrichtung begonnen oder doch sich mit der Klärung dieser Frage beschäftigt. Es wird nun von Dr. Recke in der Sozialen Praxis, darauf hingewiesen, daß die als erste der gedachten Art geschilderte Einrichtung in Haspe durchaus nicht lediglich die Nachbildung eines amerikanischen Jugend gerichtshofes, auch der dort auf Anregung des Oberlandesgerichts« Präsidenten Dr. Hollgreven gebildete Ausschuß keine Einrichtung der Justizberwaltung, geschweige denn ein Gerichts bof sei, sondern ein guracht⸗ liches Organ, dessen der Staatsanwalt sich bedient, um feststellen zu lassen, ob ein Jugendlicher bei Begehung der Straftat die zur Erkenntnis ibrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht besaz. Verneint dies der Aueschuß, und schließt sich der Staatsanwalt dem an, dann kann das Verfahren ein gestellt werden, oder der Staatsanwalt erhebt nicht erst die Anklage. Für Minderjährige von 12 bis 15 Jahren sind also tatsächlich, obgleich einstweilen nicht rechtlich, Gerichts höfe unter Umständen ausgeschaltet. Dr. Recke erblickt hierin — und viele werden ihm beipflichten — einen sehr wichtigen Fortschritt und empficblt die Bildung eines solchen Fürsorgeausschusses überall in Deutschland als ein Stück Vorarbeit zur Uebertragung der Strafgerschtsbarkeit über Jugendliche auf den von einem Laienkollegium zu unterstützenden Vormundschaftarichter. Der hier angedeutete erziehliche Charakter solcher Aueschüsse, die ibre Ein⸗ wirkung nicht nur auf die betreffenden Kinder, sondern vor allem auch auf deren Umgebung, also auf die Eltern beiw. Erzieher dieser Kinder, auszuüben haben werden, hat erfreulicherweise die deutsche Lehrerwelt veranlaßt, der Sache ihre Aufmerksamkeit jujuwenden. In der ‚Korre⸗ spondenz des Deutschen Lehrervereins“ sind die Gesichtspunkte mit- geteilt, die für die Errichtung von Sondergerichten für Jugendliche als maßgebend zu gelten hätten. Dieselben lauten: 1) In jedem Amts gerichtsbezirk ist ein Jugendgericht zu bilden, das aus einen Vormund schaftsrichter und zwei geeigneten Männern (Schulmann und Arzt) be⸗ stehen müßte; diese drei Personen find von Ueberwachungsbeamten zu unterstützen. 2) Der Jugentliche ist möglichst seiner Familie zu be= lassen, die aber durch geeignete Maßnahmen des Gerichts tatkräftig in der Leitung baltloser Kinder zu unterftützen ist. Ist von der Üüm— gebung des Kindes dessen siitliche Gefährdung zu befürchten, soll es rasch in eine Srziebungsanstalt gebracht werden. 3) Gefängnisstrafe ist bei schulpflichtigen Kindern auszuschließen; bis zum 15. Lebensjahre ift bei den schulentlassenen Missetaͤtern die bedingte Bestrafung mit Ueber— wachung das erste Mittel der Eigwirkung. 4) Dle Verhandlungen des Jugendgerichts sind jwar öffentlich, Zubörer müssen aber ein be— sonderes Interesse an dem betreffenden Falle nachweisen. 5) Trotz der Schwere der Vergehen müssen alle Personen, die mit dem Jugendlichen ju tun baben, in ihm den Eindruck erwecken, daß man das Vertrauen zu ihm babe, er werde sich besinnen und seinem Leben eine andere Richtung geben.“
Kunst und Wissenschaft.
„Die zweite Ausstellung der neuen Erwerbungen des König lichen Kupferstich kabinetts wird morgen im Ausstellungssaal des Kupferstichkabinetts eröffnet werden.
Im Verein für Deutsches Kunstgewerbe sprach am Donnerstag Direktor Dr. Peter Jessen über Rutzformen' und k— 1 im alten und neuen Kunstgewerbe. Eine tiefe Zehnsucht nach Einfachheit und innerer Harmonie, führte er etwa aus, eint heute alle besten Kräfte im Kunstkandwerk. Wir möchten den alten Urboden aller Werktunst, die Sachlichkeit, uns wiedergewinnen, nicht als Tagesmode, sondern als Grundlage für alle Zukunft. In gesunden Zeiten errwächst die Form unmittelbar aus dem Gebrauche, vom Einfachen zum Reichen sich verfeinernd. Von solch aufsteigender Kunst erzäblen die meisterlichen Geräte der Steinzeit, die Werke mancher Naturvälker, die Gefäße und Geräte des Altertums und des Mittelalters Seit der Rergissance kehrt sich das Verhältnis der Zierform jur Nutzform um. Die antiken Vor bilder und phantastischen Erfindungen ringen von außen her auf das . ein und werden nur mit Mühe erarbeitet. Es ist ein ab— teigender Kunstbetrieb, der sich immer häufiger durch neue Einschüffe künstlich auffrischen muß. Wir müssen ju der aufsteigenden Arbeits- weise der Alten jurückehren. Geduldig und bescheiden sollten wir junächst nichts tun, als die Gebrauchstvpen unserer Zeit ju schlichter, retfer Form gestalten. Nur dadurch schaffen wir jung= fräulichen Boden für jeitgemäße Zienformen. Sle zu erfinden, ift die Asfgabe der nächsten Generation. Es wäre ein Verbängnig, wenn wir diese Arbeit in kindischer Ungeduld oder verderblicher Gewinn— sucht vornehmen wollten. — Auszestellt waren erläuternde Gegen. stände aus dem Kunstgewerbemuseum sowie die Tafeln jweier neu er⸗ schien ner Werke: Gurlitt, Die Baukunst Konstartincpels, und die illuftrierte Geschichte des Kunstgewerbes, die im Verein mit anderen Georg Lehnert herausgibt.
Technik.
A. FE. Die Tagesordnungen der letzten Versammlungen des Berliner Vereins für Luftschiffahrt waren stets so ffark be—
sind auf Veranlassung des
verträge gekündigt worden: Cassel. Chemnitz, Darmstadt, Detmold,
bãr gig geworden, und 27 074 Straffälle gegen 27 4565 im Voꝛjabre haben ihre Erledigung gefunden. Wegen Hinterziehung oder Einschwãärzung
Gisenach, Elberfeld, Elbing, Essen, Hamburg, Herford, Jena, Luckenwalde, Magdeburg, München, Neu⸗
; Arbeitgeberschutzverbandes für das deutsche Holigewerhe in nachstehenden 23 Städten die Tarif.
Forst i. S., Frankfurt a. O., n doch die Zahl der von Anfang Mal bis Ende Oktober
setzt, daß die meist mit Spannung erwarteten Fabrtenberichte etwas vernachlässigt werden mußten. Allerdings ist es bei der großen Anzahl der Freifahrten mit Vereinsballons auch kaum mehr möglich, über mehr als einzelne besonders inter ssante Fahrten zu berichten. Beträgt unter-
nommenen Fahrten weit über 59, don Mitte Juri bis, 31. Oktober
allein grohen
n Oktober, über deren
ehr, ebenso ausgezeichnet ist durch die Ruhe und Sicherheit
seiner Ballonführung, als durch die Unermüdlichkeit, mit der er seinen
ten die weiteste Ausdebrung gibt, wie durch den schönen En— ,. mit dem er bei der Sache ist, und durch die klugen
Gedanken, Am 22.
Fraue aus Berlin eine Fahrt über die Alpen von Innsbruck aus.
bie Landung zu bewerkstelligen. Nach in der Innsbrucker Gasanstalt
schn⸗ erfolgter Füllung hob 1 eln Ballon unter den Beifallsrufen her l um 8 Ubr 50 Min. in die Luft, stieg, in einer S. Linie Innsbruck äberfliegend, langsam auf 1350 m und beschrieb weiter steigend über dem westlich der Stadt gelegenen Truprenübungeplatz einen Kreis.
Bis 2200 m wehte fast gar kein Wind, sodaß die Luftschiffer sich mit Muße dem berrsichen Anblick der Alpenwelt hingeben konnten. Bis weit hinaus übeiblickten sie das Inntal, im Süden aber die Gletscher der Zentralalpen, während von Norden das Karwendelgebirge herũbergrũßte. Irst um 10, 30 Uhr wurde auf 2300 m der Ballon von einem leichten XV. erfaßt, der ibn gegen den Patscherkofel trieb. Ueber Igls trat der
Ballon in einen Wolkenschatten, fiel daher bedeutend und setzte vor einem großen Hotel in i mit dem Schlepptau auf. n eines halben Sackes Ballast von den mitgenommenen 320 kg genügte
indessen, um zuräckst vom Talwind um den Patscherkofel herum in Weiter wurde die Brennerbahn,ů die Schlucht der Sill und in 000 m Höhe der Schönberg am Aus. Fernsicht
dar Wippral getrieben zu werden.
überflogen. Hierbei war die
gang des Stubaitals wie Schönheit. Der
wiederum von überwältigender sich nun nach Südost und, nach Kreuzung, des nne tales und der kleinen Nebentäler, in das Naviser Tal hinein. Wiederum trat Fallen infolge von Wolkenschatten ein, wodurch der Ballon schnell gegen eine steile, waldbedeckte Berglehne getrieben wurde. 61
bütten mit Heuarbeit beschäftigt waren. 16 S ; beide Hätten hinweg, nach Ballastausgabe überflog der Ballon die
Ballon wandte
Berglebne in wenigen Minuten; kurze Zeit darauf stand er 3300 m boch über Navis, dem Hauptorte des Taleg; aber er stieg mehr, als mit Rücksicht auf ihren Ballastvorrat lieb war. großartig der Tuxer Kamm, Olperer und Riffler eine
Wolkendecke über das Gebirge ausgespannt, sie wurde um 12,55 bei 4500 m durchbrochen; aus dem weißen, von blauem Himmel über⸗ wölbten Wolkenmeer ragten in weiter Ferne nur der Ortler und jwei . Anblick,
den i , . Vor ihnen lag schon erbeblich ibnen. hatte sich aber
unter Iniwischen
Dolomitgipfel empor. Die hohe Stille wurd, nur durch das Rauschen der Gletscherbäche unterbrochen. Wo man sich befand, mit welcher Geschwindiglkeit man fuhr, konnte nicht festgestellt werden. wurde Montblarchöbe (48090 m) überschritten. unmittelbar unter dem Ballon, sie 1300 m über dem Groß. Löffler. Einmal im Fallen gina es nun rasch herab Alles war zur Landung vorbereitet, in
15 Minuten betrug der Fall fast 1000 m. Vorüber ging es an der ZLeipziger Hütte auf dem Schwarzenstein, an der Deimer Hütte, und
in aller Elle konnte noch eine großartige Gesamtansicht des Zillertaler
Hauptkammes auf die pbotographische Platte gebracht werden. Immer tiefer ging es abwärts, durch das Arntal, und etst jetzt, nur etwa 300 m über dem Boden, wurde schnell aller noch verbliebener Ballast ; ö ĩ ö und Vogesen bekannt ist, an den Rändern aber setzen sich Cirrus—
Wirkung, einer aufsetzte.
daß gleich darauf der Ballon ebenen Wiese bei Die Luftschiffer
ausgeworfen, mit der ohne starken Stoß in
Arntal um 150 Uhr bofften in
diesem Augenblick, am Schlepptau noch talaufwärts fahren zu können Doch war diese Rechnung
und rissen deshalb den Ballon nicht auf. r ohne den Talwind gemacht. Der Korh schlug um, sprang dann noch über einige Bäume, setzte ein zweites Mal auf und sprang nochmals über einen Zaun. l ein Ende. Der Forb fiel in ein kleines Kornfeld. schiffer sprang heraus und zog den Ballon schnell vom Kornfeld berunter auf eine Kleewiese.
Talbewohner. D ᷓ erreichten die Luftschiffer Abends 11 Uhr Innsbruck. Ihr Ziel, den Zentralkamm der Alpen zu überfliegen, war erreicht.
der Herren Dr. Bröckelmann und Max Krause. Von den, fünf Luftreisen⸗ die Professor Dr. Johannes Poeschel, Direktor der Fürstenschule St. Afra in Meißen, im Laufe
des Sommers ausgeführt hat, nahm die erste in Begleitung von Justijrat Dr. Reichel, Hofrat Pfaff und Bankier George Millington
Herrmann in der Nacht vor dem Pfingstsonnabend (17. Mai) um 1940 in Bitterfeld ihren Anfang. Gewählt war der Ballon „Bezold“, der mit Wasserstofffüllung göl kg Auftrieb gegen 537 bei Leuchtgas füllung besaß. Reichliche Lebensmittel für zwei Tage waren mitgenommen; denn ein flotter NW., der den Tag über geweht hatte, ließ auf einen Flug über Böhmen weit nach Ungarn hinein hoffen. Aber es bewährte sich auch hier die alte Luftschiffererfahrung, daß es meist anders kommt, als vorausgesehen. Schon beim nächtlichen Aufftieg war der Wind träger geworden, er trieb nach Osten, Richtung Spreewald (die Bitterfelder Ballons scheinen den Zug nach Kostbus zu baben). Unter klarem Sternenhimmel, im Schein des ersten Mondpiertels, in's bei 40 9. über die Mulde, die Dübener Heide, die ÄIlbe bei Pretzsch, über Löben an der schwarjen Elster, über Schloß Ballensdorf, am Rande der zum Fläming gehörenden Dahmer Heide, über Luckau, bei Lübbenau über die Svree und die Berlin- Görlitzer Bahn, in der Ferne zeigte sich der Lichtschein einer größeren Stadt — (richtig Kotibus). Wie blind gewordenes Sxiegel⸗ glas schimmerte die Wasserfläche der vier Peitzer Seen herauf, der Dimmel hatte sich bewölkt, aber die erste Morgendämmerung ließ sie doch kon wahrnehmen Ein Kuckuck ist erwacht, fein Rufen weckt die übrigen, Ald hallen die Wälder von dem gern gehörten Ruf wider. Bei Groß⸗ Gastrose, füdwefflich vom beller leuchteten Guben, wird die wasser · und inselreich Neisse gekreuzt. Bald nach 3 Uhr wird es schon hell, gen 5 Uhr ist auf dem Wege über Jähngdotf und Seedorf am Jäͤbnsdorfer See bei Kunow und Tornow der Bober erreicht. Bisker Paten nur 3 von mitgenommenen 31 Sack Ballast verausgabt, der Dabon bewegte sich in fast schnurgerader, wagerechter Linie, gute Autsicht auf. eine weite Fahrt iwa über Warschau. Slänzend' be— wäbrte sich ein mitgenommenes Vertikalanemostop (verbeffertes Wind tädchen). Auch die lebhafte Bewegung nach oben oder unten Durde von ihm angezeigt und konnte sofort ausgeglichen werden; denn sicherer als Barometer und Barostop jeigt das Instrument an, ob sich der Ballon mit der umgebenden Luft m Gleichgewicht befindet. Von Tornow am Bober hatte sich im Lugust 19065 die auch damals in Bitterfeld begonnene Fahrt an der Yder aufwärts nach dem Oberlauf der Wartbe gewandt, diesmal ing die Fahrt nach links in das Gebiet der unteren Warthe und
darüber hinauzg. Der Wind war immer schwächer geworden, anfangs 36,
uulitzt nur noch 20 Rm in der Stunde. Der Ballon schwebt über el dbedecttes Hügelland, meist dichte Laubwaldungen, unterbrochen don Rodungen mit kleinen, freundlichen Orischaften. Liebtal
9 unge rechnet * ere , , . 2 ku von Brũ m Seytem und von Louis 6 n , m,, n, ,,
Ausgang s. Z. ausführli et worden ist. Es ,, nur sechs Fahrten mit Berliner Ballons zus leßteram Semm ⸗r näher beschrieben; die erste wegen ihrer großen t und ihres beachtenswerten Eifolges, die anderen fünf, weil
die er überall an seine Grfahrungen zu knüpfen weiß. Juli unternahmen, wohl jum ersten Male mit einem Jeuchtgasballon, Dr. Max Bröcdelmann und Fabrikant Max
Sie batten dafür den nur 1389 ebm haltenden Ballon Beiold⸗ ausgewählt, vorsichtigerweise ihren Korb aber vollständig AMrin mit Bergstiefeln, Eispickeln, Seil usw. ausgerüstet, um nötigen falls auch auf schwierigem Terrain, im Fels oder auf einem Gletscher * besteht. sich der mit der deutschen Fahne ge⸗
zahlteicher Zuschauer ! . ö das Schlepptau ausgeworfen, denn die Abkühlung des Gases in
Die Opferung
Brenner . i — z aus zudebnen, reichen Ballast und Proviant vollkommen aus; allein die Wintflaue, die sich immer verdichtenden Regenschauer, alles scheint für
Wilde Flucht von Vieh und Menschen, die bei iwei Senn ⸗ Das Schlepptau ging über zutreten.
Um 1, 15 Da öffnete sich bei langsamem Falle plötzlich die Wolke, Berge und Gletscher erschienen erwiesen sich als der Zentralkamm der Alpen, man schwebte über den Zillertaler 6G6Gletschern,
stunde im goldigsten Sonnenglanz.
Luttach im
dichte Wolkenschicht, in die irdische Trübseligkeit! Jeßt machte man dem Ballon durch Aufreißen Einer der Luft⸗ ⸗ t und, unter starkem Drängen im Ohr nach dem Trommelfell, selbst Die weitere Bergung des Ballons erfolgte mit Hilfe berbeikemmender, nicht übermäßig bereitwilliger Durch das Tauferertal und über Brunneck im Pastertal
Bisber waren nur die Westalpen schon zweimal überflogen worden, einmal von Italien und diesen Sommer von der Schweiz aus; als erste die Ost⸗ alven - Zentralkette überflogen zu haben, ist das unjweifelhafte Verdienft
mwmit Mühle, Trepypeln, Plotow, Lausitz, Krampe. Südlich erheben sich
bis ju 260 m die Grünberger Rebenhügel. Nun weitet fich der Blick zu einer Landschaft, die an Grohjugigkeit der Rheinebene bei
Worms nur wenig nachfteht, von den mächtigen Windungen der ei Tschichertzig wurde um 6, 15 der Strom in 406m
Höhe erreicht, aa geographisch höchst merkwürdiger Stelle; denn die
Oder durchzogen.
rechtwinklige Biegung der Oder an dieser Stelle ist nur scheinbar, in Wahrheit biegt der Fluß in das Tal des gewaltigen Urstromes ein, der einst hier im Warschau⸗Berliner Tal der Elbe juflutete. Das
immer mehr nach links, also nach Norden. G beginnt, an ihrem Ende der stattliche Bentschener See, die Sonne
zieht den Ballon auf 1009 m empor, die Wolken unter ibm verwirren und verschönen zugleich das Bild; wo sie den Blick freigeben, siebt man auf R In 1200 m kreuzt der Ballon eine Wolke, die aus den feinsten Schneekristallen Die Drientierung beginnt bier durch leichtes Schneegestõber
Schloß Pinne am gleichnamigen See
glitzernde Gewässer und blaugrün schimmernde Wälder.
schwierig zu werden. Erst kann wieder mit Sicherheit bestimmt werden. Punkt 10 ÜUbr wird den kalten Wolken und ein stark abfteigender Luftstrom baben den Ballon der Erde nahe gebracht. So angenehm eine Schlepp— fahrt ist, soll sie doch nach Möglichkeit eingeschränkt werden, um Schaden an der Erdoberfläche ju vermeiden. Deshalb gingen die Lustschiffer auch nur 130 m davon und dann wieder hoch. Die kurze Strecke hatte genügt, das Pferd einer Reiterin auf der Chaussee zu eischrecken, einen Feldbasen aus dem Schlaf aufzuscheuchen, aber
auch eine Telegrapbenleitung, freilich ohne Schaden beiderseitig, zu!
streisen. Die Landschaft längs der Bahn Wrorke— Posen wechselt zwischen regelmäßig angelegten langgeftreckten Feldern und Wiesen, musterhafte Ordnung und Sauberkeit kennzeichnen die Wohnhäuser, es sind deutsche Ansiedlungen in vor—⸗ mals polnischen Ländern. Bald nach 12 zeigt sich auch die Warthe in ihrem Lauf jwischen Posen und Käüstrin, aber um sie zu überschreiten, braucht man noch 50 Minuten; denn der Wind hat jeßt völlig abgeflaut, bis auf 6 km die Stunde. Es muß ein Entschluß gefaßt weiden! Um die Fahrt bis weit in den folgenden Tag aus—⸗
die Landung ju sprechen, aber mit 18 Sack Ballast zu landen, das wäre unerhört! So beschloß man denn, um 1,45 eine kleine Hoch— fahrt in den über den Wolken zu erwartenden Sonnenschein an—
Bei 1500 m hat der Ballon den untern Wolkenrand erreicht: über, unter, rings um die Luftschiffer die gleichen trüben, grauen Massen, nicht wogend, sondern wie erstarrt, kalt und feucht, bei 2000 m — 2 C. Die Nässe beschwert den Ballon und zwingt zu immer größeren Sandopfern; doch immer lichter wird das Grau. Es ist eine Woslkenschicht von großer Mächtigkeit. Endlich um 2.30 Uhr, bei 3150 m, liegen die dichten Wolken unter dem Ballon, aber noch ist die Sonne nicht sichtbar, lichte Cirruswolken entziehen sie dem endlich — bei 3600 m — ist auch diese Schicht durchbrochen, die Sonne tritt frei bervor und spiegelt sich in dem Schneetreiben in den obersten Schichten der überwundenen Wolken, ein Flimmern und Glitzern von zauberhafter Wirkung! Den Luft— schiffern wird es nach den Erfahrungen der letzten Stunde zur Ge— wißbeit: ein sonniges Pfingstfest gibt es dies Mal mindestens für Norddeutschland nicht, entschädigen wir uns dafür durch diese Feier⸗ Langsam erhebt sich der Ballon noch auf 3800 m und schwimmt zur Freude der behaglich durchwãrmten Korb⸗ insassen in dieser Höhe weiler, immer oberhalb des berrlichen Wolken
mieeres, das aber piel mehr einem sturmgepeitschten Djean als einem Meere gleicht, mit. dem leicht der Sqef einer ebenen, mehr oder weniger ruhigen Fläche verbunden wird.
. d. Denn das Wolkenmeer wirft in beständigem Wechsel immer neue Gebirgsformen auf, vorherrschend die gebirgsartige Bildung der Belchenform, wie sie von Schwarzwald
streifen ab, gleich Riesenfächern den Ballon noch mehrere 1000 m überragend. Doch mit der sinkenden Nachmittagssonne beginnt auch die Abküblung des Gases, der Ballon sinkt unwiderstehlich, jedes weitere Ballonftopfen wäre da lunnütz. Es muß von der himm— lischen Klarheit Abschied genommen werden. Zuruͤck gebt es in die bsel Der Fall, obgleich nur 5—6 m sekundlich betragend, ist fuͤr den Körper doch sebr empfindlich, der sich dem wechselnden Luftdruck nicht gleich anpaßt,
unter heftigen Schmerzen leidet. Bei 500 m angelangt, tritt die Erde in Sicht. Wehin aber ift man bei dem Schwimmen über den Wolken gelangt? Ein See mitten in einem großen Walde, nirgends eine menschliche Ansiedlung ju sehen. Es besteht die Gefabr, ins Wasser zu geraten, darum ist unter Opferung eines Teils der ver⸗ bliebenen 5 Sack Ballast neues Steigen nötig. Der Ballon schwimmt in den Wolken bei 750 m eine Weile. Als die Erde wieder in Sicht kommt, hat man unter sich ein kleines Stück Wald, dann Felder und Wiesen. Nachmittags 4 Uhr 20 Min. wird die Landung nach kurier Schleiffabrt glücklich bewerkstelligt; man ist in nächster Nähe von Ossowo, Kreis Flatow, Westpreußen, südwestlich von Konitz, nächste Bahnstation Linde. Der See, den man zuletzt überflogen, war der Borownosee in der Kujawer Heide. Die jwel⸗ stündige Fahrt über den Wolken hat 86 Em weitergebracht, während unter den Wolken fast Windstille herrschte. Die Fabrtlinie Bitterfeld— Ossowo betrug 470 km, mittlere Seschwindigkeit 27,65 Km die Stunde, Zeitdauer der Fahrt 17 Stunden 40 Minuten. Statt ju den Magvaren nach Ungarn war man aber ju den Kassuben nach Pomerellen gelangt. Der landende Ballon war zuerst von einem kleinen Knaben entdeckt worden, der den Vater mit den Worten berbeigerufen hatte: Vater, komm schnell heraus, es kommt eine Leuchte vom Himmel!“
(Fortsetzung folgt.)
Land⸗ und Forstwirtschaft.
Geräte und Erfindungen auf den landwirtschaftlichen Wan derausstellungen.
Auf der letzten Berliner Ausstellung der Deutschen Landwirt⸗ schaftegesellschaft wurde zum ersten Male der Versuch gemacht, Geräte und Vorrichtungen auszustellen, die im landwirtschaft« lichen Betriebe hergestellt sind, um örtlichen Bedürfnissen zu dienen. Derartige Vorrichtungen, oft auch Verbesserungen an gekauften Geräten, kommen vielfach in der Wirtschaft vor. Sie bleiben aber obne Nachahm ang, da Maschinenfabriken solche Dinge nicht fertigen und sie daher auf Augstellungen nicht gezeigt werden. Es kann jedoch für den einzelnen Landwirt sehr lehrreich sein, wenn er von derartigen 2 Kenntnis erbält, um sie unter Umständen in der eigenen Wirtschaft zur Anwendung zu bringen. Wie mannigfaltig sich der Landwirt ju helfen weiß konnte man aus der Ausstellung der „Illustrierten landwirischaftlichen Zeitung“ in Berlin entnehmen, die 00 Original jeichnungen solcher in den »Praktischen Winken' ihrer Zeitung mitgeteilten Dinge zur Dar⸗ stellung brachte. ö
Diese Vorrichtungen sind zumeist von den ländlichen Handwerkern herzustellen und oft sehr einfacher Art. Sie beziehen sich auf die Tierrflege wie auch auf den Ackerbau. An größeren Geräten waren in Berlin besonders Ackerwagen, auch ein Gerät zur Einebnung und Bearbeitung von Wiesen ausgestellt. Die Deutsche Landwirt⸗ schaftsgesellschaft hat nun für die Ausstellang in Stuttgart, die in der Zeit vom 25. biz 30. Juni 1808 stantfindet, wiederum eine der⸗ artige Ausstellung ausgeschrieben und sie durch Gewährung gowisser Vorteile erleichtert. Es ist eine gute Eigenschaft des Landwirts, daß er gern seine eigenen Erfahrungen in den Dienst der Allgemeinheit
den Stand der Obstbäume aus der dem 22. Dejember 1907 geschrieben: Am 14. d. bewarf uns Frau mächtige Tal wird oberwaärts nur durch den Lauf der Oder noch angedeutet. Drei preußische Provinzen greifen hier ineinander, fast scheint es, als wolle der Ballon die Luftschiffer nach Posen tragen, aber man befindet sich an der Vorderseite cin Tiefdruckgebiets, und da hier die Winde in umgekehrter Richtung des Ubrzeigers wehen, dreht sich der Wind Eine Reihe von Seen
stellt. Hierzu ist durch die Ausstellung solcher in der Praxis benãbrter eigenartiger Vorrichtungen, die allerdings vielfach auf den besonderen Fall berechnet sind, eine gute Gelegenheit gegeben.
Der „Schweizerischen Landwirtschaftlichen Zeitschrift? wird über die Witterung, die landwirtschaftlichsn Arbeiten und Zentralschweij unter
Holle unter Sturm, Donner und Blitz mit den ersten Flocken. schauern. Man glaubte den strengen Winter da. Es kam anders und wir haben nun mäßig kalte Nächte, sonnige Tage und bis weit hinauf schneesreis Felder und Wälder. Es ist prächtiges Wetter für landwirtschaftliche Arbeiten verschiedener Art. Flässige und fefte Dünger können ausgefübrt und ausgebreitet werden, selbst den Pflug siebt man noch für Umbruch von Sommergetreide—⸗ und Kartoffel feldern in Tätigkeit In den Baumgärten werden Bäume gesetzt, verjüngt oder ausgelichtet, geputzt“, wie man sagt. Erd⸗ fubren. Straßenverbesserungen und Drainagen können vorzüslich aus gefuhrt werden. In den Wäldern ists kaum schöner zu wuͤnschen fürs Holjfällen, Durchforsten, Stöcke ausheben usw. Vieles, was im letzten sttengen Winter des vielen Schnees wegen unterbleiben mußte, kann jetzt nachgebolt werden. U us der Ostschweiz wird derselben Zeitschrift unter dem 24. De⸗ jember 1907 geschrieben: Bei dem milden und schneefreien Vorwinter
lonnten überall auf Feld, Wiese und Aeckern die landwirtschaftlichen
Arbeiten ungehindert ausgeführt und der Rest der Feldfrüchte, namentlich die Gemüsearten, in den Keller und in die hergerichteten Gruben verbracht und gut eingewintert werden. Das Winter- gemüse konnte unter dem Einflusse der milden und herrlichen, schneefreien Witterung vorteilhaft ausreifen und sich entw eckeln, sodaß die Ernte sebr reichlich ausfiel. Die Runkeln und Winterrüben lieferten besonders reichliche Grttäge und bilden bei diesen hohen Heupreisen für das Milchvieb als Ersaßfutter⸗ mittel eine willkommene Beigabe. Die Bestellung der Felder für die Wintersaat nimmt heute für den Landwirt nicht mebr so viel Zeit in Anspruch, wie vor 25 bis 30 Jabren, da beute weitaus größere Bodenflächen dem Futterbau dienen. Umsomebr ist es dem Landwirt möglich, der Pflege der Obstbäume vermehrt: Aufmerk— samkeit zu schenken. Man macht in den obstbautreibenden Gegenden die erfreuliche Wahrnehmung, daß die Anpflanzung von Obst—Q bäumen rationell vorgenommen wird, daß die Bodenbeschaffenheit untersucht, die Tiefe der Baumgruben und die Pflanjböbe der Kul—⸗ turen selbst praktisch bemessen wird. Wir konnten beobachten, daß diesen Vorwinter in einzelnen Wiesen 20 bis 40 Stück junge Obsibäume angepflanzt worden sind. Die jährlich wiederkebrenden Baum wärterkurse haben begonnen und werden mit Erfolg besucht. Die milde Witterung des Vorwinters bat unstreitig alle Fruchtbäume recht günstig beeinflußt und man hört durchweg den Stand der Obft⸗ bäume vorteilbast beurteilen; das Fruchtbol; hat die Blätter erst spät fallen lassen, was jur Folge hatte, daß es gut aus— reifen konnte. Man macht die erfreuliche Wahrnehmung, daß fast überall sehr reichliche Fruchtruten vorhanden und demnach die Obstaussichten für das folgende Jahr durchaus günstig sind. Während ein Anjahl Apfelbäume, zumeist diejenigen, die vergangenen Herbst befriedigend getragen baben, nur einen mäßigen Bestand an sog. Fruchtaugen aufweisen, kann man anderseits eine große Anzahl Bäume beobachten, die sozusagen wegen der Fülle von Fruchtruten geradezu strotzen. Es kommen hier in erster Tinie die verschiedenen Lagen und Sorten in Betracht. Sehr viele Ansätze sind bei den beliebten Reinettesorten ju finden. Noch mehr Frucht- augen als die Apfelbäume weisen im allgemeinen die Birnbäume auf, am meisten die Teilersbirnbäume, die deen Herbst bekanntlich nur eine Mittelernte abgeworfen haben. Die Spalier⸗ und Zwergobst⸗ bäume in den Gärten und Anlagen stellen ebenfalls gute Ernten in Aussicht.
Verkehrsanftalten.
Gestempelte statistische Aus fubranmeldescheine älterer Art (d. h. solche, auf deren Rückseite sich sie ben Erläuterungen be— finden) dürfen seit dem 1. Januar nicht mehr benutzt werden. Solche Scheine werden von den Postanstalten kostenlos gegen ge stempelte Anmeldescheine neuerer Art (d. b. solche, auf deren Rück⸗ seite dreijehn Erläuterungen abgedruckt sind) umgetauscht.
Von jetzt ab sind Pakete nach Ukam as (Deutsch⸗Südwest⸗ afrika) jugelassen. Die Tarn werden von den Postanstalten in Deutschland nur bis Lüderitzbucht berechnet und die Weiterbeförde⸗ rungskoften vom Empfänger eingezogen.
Theater und Musik.
Im Königlichen Opernhause beginnt morgen, Diengtag, eine zyklische Aufführung von Richard Wagners Bäbnenfestspiel Der Ring des Nibelungen' mit dem Vorabend „Das Rbeingold“. Die Herren Bachmann, Berger, Grüning, Kirchhoff, Knüpfer, Krasa, Lieban, Mödlinger, die Damen Ckeblad, Hempel, Ober, Reinl als Gast, von Scheele Müller sind in den Hauptrollen beschäftigt. Der Kapellmeister Dr. Strauß dirigiert. — Boieldieus komische Dper in jwei Akten Johann von Paris“, in den Hauptrollen durch die Damen Hempel, Kauffmann Franzillo, Rothauser, die Herren Kirchhoff, Knüpfer und Nebe besetzt, wird als nächste Neueinstudierung der Königlichen Oper am 27. Januar, dem Geburtstage Seiner Majeftät des 86 und Königs, in Siene geben. ;
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen Ernst von Wildenbruchs Schauspiel ‚Die Rabensteinerin' in der bekannten Besetzung wiederholt. ; ; .
ö Erstaufführung der Räuber im Deutschen Theater ist für Freitag angesetzt. In dieser Aufführung spielt den alten Moor‘: Rudolf Schildkraut, den Franz Moor; Paul Wegener, den Karl Moor: Oskar Bereczi, den Spiegelberg: Alexander Moissi, die Amalia: Lucie Höflich, den Schweijer: Wilbelm Diegelmann. Die erste Wiederholung des Stücks findet am darauffolgenden Sonntag statt. In der dritten Vorstellung am Diene tag, den 14. d. M., wird Alexander Moissi jum ersten Male den Fran Moor und Paul Binsfeld den Spiegelberg spielen — Für die erste Gastvorstellöng von Eleonore Duse am Montag, den 13. d. M., die als einzige in den Kammerspielen des Deutschen Theaters stattfindet und, wie bereitg gemeldet, Rosmersholm“ mit Frau Duse als Rebekka West bringt, müssen die Reservate spätestens biz Mittwoch, den 8. d. M., abgebolt werden, da sie infolge der starken Nachfrage sonst anderweitig vergeben werden müssen. Auch diese Vorstellung beginnt, wie alle anderen in den Kammerspielen, um 8 Ubr. . .
Der Direktor Schmieden hat für die männliche Hauptrolle in dem neuessen Schauspiel von Henty Bernstein ‚Simson“, das im Februar im Neuen Theater in Szene gehen wird, Ferdinand Bonn als Gast gewonnen. — Die Tänzerin Miß Maud Allan wird in dieser Woche im Anschluß an die Vorftellungen des Neuen Theaters ihre Tanzschöpfung „Salomes Vision vorführen. .
Die Proben für die nächste Neueinstudierung an der Komischen O per; Charpentiers Louise, sind bereits so weit vorgeschritten, daß die Erstauffübrung dieses Werkes für den 15. Januar angesetzt ist. — In der beutigen Aufführung der Oper „Tiefland! singt Herr Willi Birrenkoven vom Stadttheater in Hamburg die Partie des Pedro.
d Im Blüthnersaal finden am 26. Januar, Nachmittags 44 Ubr, Musik⸗ und Melodramvorträge für die reifere Jugend statt, die von der Geigenkünsilerin Inka von Linprun veranstaltet werden. Ihre Mitwirkung baben ferner zuge agt: Marie Blanck ⸗Peters (Gesang), Max Bayrhammer vom Frankfurter Schau⸗
spielhaus (Rezitation) und Wladimir Cernikoff (Klavier).