1908 / 5 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 07 Jan 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Aus der Kündigung zum 1. Juli 1905. Abzuliefern mit Zinsscheinen Reihe IV Nr. 7 bis 10 nebst Erneuerungsschein unter Vergütung der Stückzinsen für die

Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1905. Nr. 13 965. .

Aus der Kündigung zum 1. Juli 1906. - Abzuliefern mit Zinsscheinen Reihe TV Nr. 8 bis 10 nebst Erneuerungsschein unter Vergütung der Stückzinsen für die

Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 19806. Nr. 14 832, 17 998.

Aus der Kündigung zum 1. Juli 1907. . Abzuliefern mit Zinsscheinen Reihe IV Nr. 9 und 19 nebst Erneuerungsschein unter Vergütung der Stückzinsen für die

Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 19M.

Nr. 2059, 5028, 5043, 11 295, 11 301, 18586, 18 599 wiederholt aufgerufen.

Formulare zu den Quittungen werden von den oben⸗ bezeichneten Kassen unentgeltlich verabfolgt.

Berlin, den 2. Januar 1908.

Hauptverwaltung der Staatsschulden. von Bischoffshausen.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 1 der Preußischen Gesetzsamm lung enthält unter

Nr. 10 861 den Staatsvertrag zwischen Preußen und Waldeck zur Regelung der Lotterieverhältnisse, vom 22. April 1907, und unter

Nr. 10 862 die Bekanntmachung, betreffend die Ratifikation des am 22. April d. J. unterzeichneten Vertrags zwischen Preußen und Waldeck zur Regelung der Lotterieverhältnisse sowie den Austausch der Ratifikationsurkunden, vom 19. De— zember 190.

Berlin W., den 6. Januar 1908.

Königliches Gesetzsammlungsamt Kruͤ er.

Per sonalver änderungen.

Königlich Preußische Armee. Beamte der Militärjustizverwaltung.

Durch Allerhöchsten Abschied. 19. Dezember. Dr. Lodgwicks, Kriensgerichtsrat bei der Kommandantur von Koblenz und Ehrenbreitstein, auf seinen Antrag mit Penszon in den Ruhe— stand versetzt.

Beamte der Militärverwaltung.

Durch Allerhöchsten Abschied. 19. Dezember. Book, DOtenahlmstr. vom Bezirkskommando L Berlin, bei seinem Ausscheiden aus dem Dienst mit Pension der Charakter als Rechnungsrat verliehen

Durch Verfügung des Kriegsministerium s. 23. De— zember. Koppen, Baurat, Militärbauinsp., Vorstand des Militär⸗ bauamts Cassel Il, jum 1. Mär 1908 nach Königsberg i. Pr. versetzt und mit Wahrnehmung einer Intend. und Bauratstelle bei der Intend. des L. Armeekorps beauftragt. Ludwig, Bauinsp. des Ostasiat. Detachements, vom 1. Märj 1908 ab als Militärbauinsp. wieder eingereiht unter Ueberweisung als Vorstand zum Militärbauamt Cassel II.

24. Dezember. Dr. Frhr. v. Danckel man, Oberlehrer am Kadettenhause in Köslin, auf seinen Antrag zum 1. Januar 1908 aus dem Dienste des Kadettenkorps entlassen.

Durch Verfügung der Generalkom mandos. Oberzahl⸗ meister und Zahlmeister: a. dersetzt: Kohl vom II. Bat. 4. Garde⸗ regtg. j. F. zum J. Bat. 3 G. * cegtg. . , Kram er vom II. Bat. 6. Pomm. Inf. Regts. Nr 9 jum Drag. Regt. von Arnim (2. Brandenburg.) Nr. 12, Bode vom II. Bat. 5. Hannov. Inf. Regts. Nr. 165 jum J. Bat. 3. Magdeburgischen Infanterie⸗ regiments Nr. 66, Wolff vom III. Bataillon Füsilierregiments von Steinmetz (Westpreuß.) Nr. 37 jum Drag. Regt. von Bredow (l. Schles⸗) Rr 4, Walther vom II. Bat. Inf. Regts. Herzog von Holstein (Holstein.) Nr. 85 jum Hus. Regt. Kaiser Franz Joseph von Desterreich, König von Ungarn (Schleswig Holstein.) Nr. 16, Gürr vom III. Bat. J. Hannov. Inf. Regts. Nr. 74 zum I. Bat. Inf. Regts. Herzog Friedrich Wilbelm von Braunschweig (Ostfries.) Nr. 78, Eberhardt vom III. Bat. Oldenburg. Inf. Regts. Nr. 91 zum III. Bat. 1. Hannov. Inf. Regts. Nr. 74, Franke vom II. Bat. Hobenzollern. Fußart. Regts. Nr. 13 zum Elsäss. Trainbat. Nr. 15, Lichten stein vom III. Bat. Inf. Regts. Graf Barfuß (4 Westfäl) Nr 17 jum J. Bat. des Regts., Reinhardt vom III. Bat. 2. Lothring. Inf. Regts. Nr. 131 zum III. Bat. 3 Lothring. Inf. Regts. Nr. 135, Popiske von der II. Abteil. 1. Wensppreuß. Feldart. Regts. Nr 35 jum 2. Westpreuß. Pion. Bat. Nr. 265, Kachmarek vom III. Bat. Inf. Regts. vnn Grolman (1. Posen.) Nr. 18 jur II. Abteil. 1. Westpreuß. Feldart Regts. Nr. 35; b. in⸗ folge Versetzung, Einreihung oder Ernennung zugeteilt: Buch⸗ mann dem II. Bataillon 5. Hannoverschen Infanterie⸗ regiments Nr. 165 (nicht dem I. Bat. 3. Magdeburg. Inf. Regts. Nr. 66), Roschlaub dem II. Bat. Inf. Regtg. Bremen (L. Hanseat.) Nr. 75, Schulz dem II. Bat. 4. Garderegts. z. F, Waschow dem II. Bat. Colberg. Gren. Regts. Graf Gneisenau (2. Pc'mm.) Nr. 8, Läufer dem III. Bat. Inf. Regts. Graf Bose (1. Thüring) Nr. 31, Welz dem II. Bat. Inf. Regts. Prinz Carl (4. Großherzogl. Hess Nr. 118, Pallat dem II. Bat. Füs. Regts. Prinz Heinrich von Preußen (Brandenburg.) Nr. 35, Goldberg der J. Abteil. Hinterpomm. Feldart. Regts. Nr. 53.

Aichtamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 7. Januar.

Seine Majestät der Kaiser und König besuchten heute vormittag, W. T. B.“ zufolge, den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Schoen und den Reichskanzler Fürsten von Bülow und hörten darauf im Königlichen Schlosse die Vorträge des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Infanterie Grafen von Hülsen⸗Haeseler, des Chefs des Admiral— stabes der Marine, Admirals Büchsel und des Chefs des Marinekabinetts, Vizeadmirals von Müller.

Der Bundesrat versammelte sich heute zu einer Plenar— sitzung; vorher hielten der Ausschuß für Handel und Verkehr, die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen, die vereinigten Ausschüsse für Rechnungswesen und für Eisenbahnen, Post und Telegraphen, die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Rechnungswesen sowie der Ausschuß für Rechnungswesen Sitzungen.

Laut Meldung des W. T. B.“ ist der heimkehrende Transport der von den Schiffen des Kreuzer⸗ geschwaders abgelösten Qffiziere und Mannschaften mit dem Reichspossdampfer Prinzeß Alice“ am 5. Januar in Gibraltar eingetroffen und hat an demselben Tage die Reise nach Southampton fortgesetzt. J

S. M. S. „Molt ke“ ist am 4 Januar in Kingston uf Jamaica eingetroffen und geht am 13. Januar von dort na Havanna in See. .

S. M. S. „Arcona“ ist am 4. Januar in Futschau eingetroffen und gestern von dort nach Amoy in See ge—

gangen. . S. M. S. „Seeadler“ ist gestern von Daressalam nach

Bagamojo in See gegangen.

Afsien.

In der vorgestrigen Sitzung des persischen Parlaments wurde der Text des Ersuchens verlesen, welches das Parlament an die ausländischen Missionen um moralische Unterstützung gerichtet hatte, sowie die Antworten der russischen und der englischen Mission, in denen, W. T. B.“ zufolge, earn ist, die Missionen wollten sich bei dem Schah bezüglich seines Versprechens, die Verfassung streng zu wahren, verwenden. Die Verlesung dieser Antworten rief lebhafte Begeisterung

ervor.

h Vorgestern abend ist der frühere Ministerpräsident Saad ed Dauleh mit seinem Bruder, der zum Gouverneur von Tschermanschah und Kurdistan ernannt ist, aus der Ver⸗ bannung zurückgekehrt. ö

Die Gesamtausgaben der japanischen Re⸗ gierung werden, nach einer Meldung des „Daily Telegraph“, für das am 1. April beginnende Rechnungs— jahr 616000000 Yen betragen, das ist eine leichte Abnahme gegen das laufende Rechnungsjahr. Die Ge⸗ samteinnahmen werden auf 660 009900 Yen geschätzt, das bedeutet eine Zunahme von 50 000 900 Yen. Das Verhältnis zwischen den ordentlichen Ausgaben und den Ein— nahmen für das nächste Rechnungsjahr ergibt ein Plus von 50 000 000 Den. Dieser Ueberschuß dürfte aber auf ungefähr 30 000 000 Yen herabgehen, infolge der Abnahme der außer⸗ gewöhnlichen Einnahmen und der Ueberweisung von 10 000000 Yen für Ergänzungsvoranschläge.

Afrika.

Der General d'Amade, der Nachfolger des Generals Drude, ist vorgestern in Casablanca angekommen und hat sofort den Oberbefehl über das Okkupationskorps übernommen. Nach einer Depesche des W. T. B.“ meldete er, daß ein Teil der Stämme der Ulad⸗Zeyan und den Ulad⸗Hariz die ihnen für ihre Unterwerfung gestellten Be gl(dingen angenommen hat. Derselben Quelle zufolge meld ke dzeneral Lyautey, daß die Operation gegen die Vayß 1 är als beendet anzusehen ist und die sofortige Zur 26 ö e g mer Truppen angebracht erscheint. 4

Statistik und Volkswirtschaft.

Gin und Aus fubr von Zucker vom 21. bis 31. Dezember 19807.

* Einfuhr Ausfuhr

m Spe ial · Spezial handel handel

dz rein

Gattung des Zuckers

Verbrauchszucker (raffinierter und dem raffi⸗ nierten gleichgestellter Zucker) (176asi) .. 389 Rohrzucker (76 a) 67 Davon Veredelungsverkehr. Rübenzucker: Kristallzucker (granulierter) (1766) 3 174095 Rübenzucker: Platten⸗, Stangen und Würfel⸗ zucker ( 76 c) 5 13 497 Ruben zucker: gemahlener Melis (1764) ... 9617 Rüben jucker: Stücken und Frümelzucker (1766) ; 11487 Rübenzucker 6879 Rüũbenzucker 1772 Rübenzucker: 1 (1766) 9 942 Rübenzucker: Kandis (1761) 266 266 l 309 000 308 221

227 555

Anderer Zucker (176 n)

Rohriucker, roher, fester und flüssiger (176).

Rübenjucker, roher, fester und flüssiger (1755)

Anderer fester und flüssiger Zuger lu fit Raffinade einschließlich des Invertzucker⸗

saft (176 n) Zuckerhaltige Aufsicht: e Gesamtgewicht Menge des darin enthaltenen Zuckers Berlin, den J. Janugr 19398. Kaiserliches Statistisches Amt. van der Borght.

Waren unter steueramtlicher

Zur Arbeiterbewegung.

Zu der Mitteilung aus dem Verband des Personals städti— scher Irren und Krankenanstalten Berlins (vgl. Nr. 4 d. Bl) . wird der ‚Voss. Ztg. geschrieben, daß die Meldung, dem Personal in Buch werde Urlaub verweigert, weil es zum „Verband“ gehöre, irrtümlich sei. Es sei nur einmal, weil es die Notwendigkeit erforderte, der gewünschte Urlaub verweigert worden.

Aus Cassel meldet die Köln. Ztg.“, daß die Armaturen fabrik Glückauf“ im Stadtteil Rotenditmold sämtlichen Formern, Gußputzern und Gießereiarbeitern wegen Lohn— , . gekündigt hat

Nach einer von . W. T. B.“ übermittelten Meldung der Köln Ztg.“ aus Crefeld haben die Belegschaften der Stoff⸗ webereien gestern abend in geheimer Abstimmung mit 806 gegen 749 Stimmen die Wiederaufnahme der Arbeit beschloffen. (Vgl. Nr. 4 d. BJ.)

Aus Hagen, wo eine Lohnbewegung der Buchbinder aus— gehrochen war, wird der Rh.-Westf. Ztg. mitgeteilt, daß die Arbeit gestern in sämtlichen Betrieben wieder aufgenommen wurde. Es wurde ein auf fünf Jahre gültiger Tarif abgeschlossen, wonach die tägliche Arbeitszeit vom J. Januar ab auf 95 Stunden, vom 1. Juli ab auf 981 Stunden festgelegt ist. Die Mindestlöhne erfuhren eine e n ng. und verschiedenen Bestimmungen wurde eine feste Norm gegeben.

Die im August v. J. von dem Fabrikantenverein in Lauterberg a. H. verhängte Aussperrung mehrerer hundert

Arbeiter ist, wie die Köln. Itg.“ erfährt, jetzt von den Abe

gebern, die alg Mitglieder der Streilentschädigungsgesellschaft . Verbandes sächsischer Industrieller, Dresden, während der ganzen Jen für alle Nachteile entschädigt wurden, nach bedingungsloser Une. werfung der Arbeiter wieder aufgehoben worden.

Aus Lon don wird dem W. T. B. telegraphiert: Der Au schuß des Verbandes der Baum wollspinnexreibesitzer erst an die fünfhundert dem Verbande angehörigen Firmen ein Rum; schreiben, in dem das zu Gunsten der Aussperrung ausgefallene Cr gebnis der Abstimmung bekannt gegeben wird. Gleichjeitiz wurde. die Spinner n, . ihren Angestellten eine vom 18. Jann 89 ö ö von einer Woche zu gewähren. Vg

r. . BI.

In einer Versammlung eines Ausschufses der Grubengesell, schaften und eines Ausschusses der vereinigten Grubenarbeiter von Saint ⸗Etienne, der der Arbeitsminister Viviani be wohnte, gelang es diesem, die Gesellschaften ju bewegen, de Arbeitstag um eine Viertelstunde, und zwar am Nachmittag. kürzen und eine Ruhepause von Dreiviertelstunden zu gewaͤhrn.

Dank diesen von dem Minister erwirkten Zugeständnissen werden .

Grubenarbeiter, wenn sie die Vorschläge, wie vorauszusehen ist, ar nehmen, schon von heute ab den achtstündigen Arbeitstag haben, da erst für 1910 vorgesehen war. (Vgl. Nr. 4 d. Bl.)

Wohlfahrtspflege.

Die Behandlung der Alkoholiker innerhalb der reich, deutschen Arbeiterversicherung wird jetzt fast überall planmäßig an Grund der F§5§ 18 und 25 des Invalidenversicherungsgesetzes dur geführt. Wenn noch ein größerer Gebrauch von dieser angebotent; Pflege und Heilung von Alkoholikern gemacht wenden könnte, so lien die Unterlassungsschuld durchweg auf seiten der Alkoholkranken oder ihr Angebörigen. Diese Auffaffung wird durch eine amtliche Aufforderun; der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz bestätigt, in welcher der 32 des Invalidenversicherungsgesetzes der die dauernde Pflege erwerbe unfähiger Personen betrifft, ausgelegt wird. Diese Landesversicherung? anstalt weist zunächst darauf hin, daß auch mit der Invalidenpfle zweckentsprechende ärztliche Behandlung verknüpft ist, die gerade durz die unbeschränkte Dauer von Pflege und Behandlung in manche Fällen eine Besserung oder gar Wiederherstellung des Invaliden er, zielt. Sie weist ferner darauf hin, daß sowohl taberkulöse als auch alkoholkranke Invaliden, lediglich gegen Abtretung der Rennt in ländlichen, gesund gelegenen Krankenbäusern und Heimen wenn möglich in der engeren Heimat, untergebracht werder können, und bemerkt zum Schluß hinsichtlich der alkoholkranker Inpaliden folgendes:; In vielen Fällen ist gewohnheite. mäßige Trunksucht Ursache der Erwerbsunfähigkeit. Es hat sich daba als dringend notwendig herausgestellt, sich auch dieser Invalide⸗ anzunehmen. Diese Kranken haben nichts Eiligeres zu tun, als i den ersten Tagen des Monats ihre Rente in Alkohol umzusetzen, und fallen dann bald samt ihrer Familie der Armen, verwaltung zur Last. In der Ortsgemeinde bieten sie Anstoz Diese Kranken waren bisher sich meist hilflos überlassen, auch bei diesen Invaliden wird, wie bei den Lungentuberkulösen, außer Abtretung der Rente ein Zuschuß nicht verlangt. Der Dauer den Aufenthalts in der Pflegestätte ist keine Grenze gesetzt, wodurch es möglich wird, selbst aufgegebene Fälle schließlich doch noch zu einer Besserung zu bringen. Im Jabre 1906, in dem diese Einrichtung ge— troffen wurde, waren bereits 12 Trinker in den entsprechenden Asplen des St. Kamillus⸗Hauses in Heidbausen bei Werden a. Ruhr (kath) und der Trinkerheilstätte in Lintorf bei Düsseldorf (evang.) unter gebracht. ] oder Feldarbeit zu beschäftigen; gelernten Arbeitern sind Wertstätten eingerichtet worden. Auch von dieser Einrichtung wolle möglichst Ge—

brauch gemacht und für ihr Bekanntwerden Sorge getragen werden.“ .

Kunft und Wissenschaft. Das Januarheft der Amtlichen Berichte aus den Königlichen

Kunstsammlungen“ gibt wieder Nachricht von einer großen Anjahll

von Neuerwerbungen, Käufen und Geschenken, durch die die König lichen Kunstsammlungen in Berlin in den letzten Monaten des verflossenen Jahres bereichert wurden. So gelang es, die Gemäldegalerie in den Besitz eines kleinen Werkes von Konrad Witz zu setzen. Gs stellt eine Kreuzigung dar, ist 34 em hoch, 26 em breit und hat die gefahrvolle Operation, von Holz auf Leinwand über⸗ tragen zu werden, ungewöhnlich glücklich überstanden. Das Bild das sich früher in dem Besitz eines englischen Geistlicher befand, ist in der Zeit zwischen 14090 und 14650 entstanden. Unter den Erwerbungen der Afrikanisch⸗Ozeanischen Abteilung verdient eine große Sammlung aus Nordwestkamerun, die dem Hauptmann Glauning ju verdanken ist, in erster Linie Erwähnung. Sie enthält u. a. eine Anzahl sehr wertvoller Schnitz werke und Masken. Aus einer sůdkameruner Sammlung, die der Hauptmann Foerster schenkte, sind eine Anzahl seltener Haarfrisuren aus Ntum bervorjubeben. Aus QOstafrika ist als Geschenk des Direktor Bernhard Perrot eine kostbare Sammlung von der Sswahiliküste eingegangen, in der sich einige Spielbretter von ungewöhnlich guter Ausführung befinden. ; ö

In die Bibliothek des Kunstgewerbemuseums ißt nach dem Ableben des Freiherrn Franz von Lipperheide eine große Sammlung von Kostümbildern übergegangen, nachdem die Kostümbibliothek desselben Stifters bereits in einem großen seche— teiligen Saale des Erdgeschosses ihren Platz gefunden hatte. Den Hauptbestand bilden 300 Oelgemälte, meist Bildnisse des TVI, XVII, und XXIIII. Jahrhunderts. Sie sind an den Wänden und Zwischenwänden des geräumigen Saales so aufgebängt worden, daß sie im Verein mit. den bitkenen Bücher, schränken ein stimmungsvolles Ganzes bilden, verwandt dem am— heimelnden Eindruck älterer Bibliotheksäle, wie wir sie aus süd— deutschen Klöstern kennen. Einzelne besonders umfangreiche dekorative Stücke baben im Treppenbause Platz gefunden, einige Reservebilder in Nebenräumen der Lipperheide Bibliothek. So kommt erst jetz die großzügige Stiftung mit allen ihren Teilen auch äußerlich ge— schlossen und würdig zur Geltung. Dem Studium der Trachten kunde bringen die Gemälde wissenschaftlich und künftlerisch Ge, winn; sie ergänzen die einschlägigen Bücher und Einzelblätter nach mehreren Seiten.

In seiner langjährigen Sammelarbeit hat Freiherr von Lipper heide vor allem anschauliche, zeitgenössische Dokumente für die ältere Trachtenkunde zu vereinigen gesucht. Unter den 11000 Bänden der Bibliothek sind am wertvollsten die alten Trachtenbücher einzelner Länder, Stäpte und Stände, unter den 30 O00 Einzelblaäͤttern die älteren Holischnitte, Kupfersticke und Steindrucke. Alle diese Dokumente geben indessen die stoffliche Wirkung der Gewänder und die Farben nur unzulänglich wieder. In diefe Läcke sind nun die 300 oben erwähnten Oelgemälde getreten. Der eigentliche Bestand dieser Sammlung setzt mit dem Jahre 1550 ein, als das Porträt in weiteren Kreisen gebräuchlich wurde. Vorauf gehen aus dem Mittel. alter und der Frührenagissancr einige Altartafeln mit Heiligen, di mehr phantastisch als glaubhaft aufgeputzt zu werden pflegten. Dann folgen zunächst mehrere Bildnisse deutscher Hausfrauen. Weitere Bildnisse veranschaulichen das Eindringen neuer Moden aus Italien und Spanien, namentlich die Einwirkung der spansschen Hof tracht; es folgen Bildnisse aus den Niederlanden (XXII. Jahr- hundert) und solche aus der Zeit Ludwigs des TI7. Die Sammlung gibt also eine kostümgeschichtliche Uebersicht über drei Jahrhunderte.

Die Nationalgalerie wurde wieder durch eine Reibe älterer Werke vermehrt, durch die das lehrreiche Bild, das diese Galerie bon der deutschen Kunst wäbrend der ersten 75 Jahre des XIX. Jaht— hunderts bietet, um einige interessante Züge bereichert wind. Erwähnt seien aus der Zahl der Neuerwerbungen die Bilder: Zwei Reiter, von Franz Krüger; Mädchen mit Feldblumen— kranj auf einem Gebirgsfriedbof, von Franz Eybl; Der Türmer, von Moriz von Schwind; zwei in Anuarell aus—

Bei der Mehrjabl ist es gelungen, sie mit Haus⸗, Garten, .

führte Professor Poe fchel in B

geführte Köpfchen von Rudolf Alt; Stillleben und eine Landschaft don Charles Schuch, Porträts von Karl von Pidoll, Theodor Groffe und von Lenbach (Semper und Schwind). Von Bildern Lebender wurden u. a. ein Porträt Gebhardts und Landschaften von Klaren bach und Reininger erworben. Geringer an Zabl, aber kaum an Bedeutung sind die neuerworbenen Bildwerke. Vor allem wird 1 eine Reihe von Bronzegüssen nach Reliefs und Büsten Gottfried Schadows, die bisher nur im SivamodelUl vorhanden waren, der Eindruck, den man in der Nationalgalerie schon jetzt von der großen Kunst des Meisters erhält, noch wesentlich verstärkt. Fine Ausbeute aus den letztjährigen Aus- stellungen sind die Porträtbüste Drippes von H. Pagels, die Gruppe eines Kriegers mit Genius von H. Kolbe, die ruhenden Schafe von A Gaul und die Bronzefigur des Träumers von Aug. Hudler, das reifste Werk des frühverstorbenen Künstlers.

Unter den letzten Erwerbungen des Münzkabinetts besitzt be⸗ sonderes Interesse eine kleine siülbervergoldete Medaille des Georg Toelestinugs. Im Jahre 1523 als Georg Himmel im vogtländischen Plauen geboren, hatte dieser Mann in Leipzig studiert, hinterdrein die Pfarle in Schneeberg versehen und sfeit 1551 als Geistlicher an der Thomaskirche in Leipzig gewirkt, als er im Jahre 1661 don dem Kuifürsten Joachim II. als Hofprediger nach Berlin berufen wurde. Hier wurde er jwar infolge seiner schrift, stellerischen Arbeiten, die namentlich der Confessio Augustana galten, in mißliche Streitigkeiten verwickelt; gleichwohl bewahrte er sich wegen seiner überlegenen Bildung wie durch sein Eintreten für die Konkordienformel nicht nur das Vertrauen seines Landesherrn, der ibn 1571 die Würde des Propstes von Berlin verlieh, fowie ins- besondere auch des Markgrafen Johann von Küstrin, sondern nahm er auch auf den Synoden und Konventen eine geachtete Stellung ein bis an seinen im Jahre 1579 erfolgten Tod. Die Meraille trägt die Jahreszahl 1565 und ist also unmittelbar nach der Berufung des geistlichen Herrn nach Berlin entstanden; sie stellt ibn im kräftigsten Mannesalter mit langwallendem Bart dar und ftimmt nicht nur zarin, sondern auch in dem Profil überein mit dem Kupfer- stich in M. F. Seidels Bildersammlung. Die Kehrfeite füllt, von dem Wahlspruche: De Fide begleitet, der behelmte Schild mit dem redenden Wappen des Himmels, einem Wolkenzuge zwichen Sonne, Mond und Stern; Mond und Stern auf einer Wolkenmaffe ruhend bilden folgerichtig die Helmnier. Entstanden ist das Stück unzweifelhaft in Berlin, das unter dem prunkliebenden Regiment des Kurfürften Joachim II. nicht nur zahlreiche Goldschmiede, fondern insbesondere auch tüchtige Konterfetter besaß, wie vor allem die prächtigen Steinmedelle mit dem Bilde des Kurfürsten selbst beweifen.

Technik.

A. FE. Aus den Berichten über die im vergangenen Jahre von dem Professor Poe schel unternommenen ,, sei noch folgendes mitgeteilt vergl. Nr. 4 d. Bl):

Eine zreite Fahrt unternahm ju Beginn seiner Sommerferien Profsssor Poeschel in Begleitung von Dr. Weißwange am 31. Juli von Bitterfeld aus. Er war um 125 Uhr Nachts, als sich der Ballon Ernst? in die Lüfte hob. Stockdunkle Nacht, wenig er bellt durch die Sichel des abnebmenden Mondes, Regenschauer, die den Ballon immer wie der auß. den Ackrboden oder in vie Baumpipfei nie der⸗ drückten. Seschwindigkeit 36 Rm in der Stunde. Bel Morgengrauen war der Ballastvorrat schon auf 4 Sack zurückgegangen, Denn nicht weniger als neunmal hatte man sich durch Ballastopferung vom Erdboden loslõsen müssen. So blieb den beiden Luftschiffern schließlich kaum Jtwas anderes als eine Schleppfahrt übrig, zumeist zu ihrem großen Schaden; denn trotz der gesteigerten Windstärke von 66 km blich Fas mit Lederschuh bekleidete Tauende im Kottbuser Stadtforst, vermutlich in einer Gabel von Zweigen hängen. Zwei Sack Ballaft aber ge⸗ nügten, den gefesselten Ballon zu befreien, der nun kühn in die Höhe bis 1359 m schoß. Von jetzt ab ging es ungebeuer schnell vorwärts. Die Koöttbuser Katastropbe hatte noch im Früb⸗ dun kel gespielt um 63 schon wurde in 1800 m Höhe bei Neufahz die Oder überflogen. Die nächste größere Etappe war Fraustadt, daz um It erreicht wurde, und erst 8,2 war es, als die Prosna und mit ihr die russische Grenze gekreuzt wurde. Seit der Kotthuser Fesselung war kein Körnchen Sand mehr ausgegeben worden, dennoch war der Mangel an Ballast so groß, daß die Landung nur noch eine Frage kürꝛester Zeit sein konnte. Gz kam dennoch schneller, als man erwartete; denn just an der russischen Grenze stellten sich hintereinander jwei mehrere Kilometer starke Wolken in den Weg, die, um sie zu durchfliegen, den größten Teil des Ballastes beanspruchten. Der Ballon fank un Zuftaltsam. Um 8 Uhr landete er fehr glatt auf einem Felde ba Maljanow, 25 Werst nordöstlich von Kalisch. Es fanden sich bald Leute zu mehr oder weniger bereitwilliger Hilfe ein; mehrere Frauen sollen, als sie den Ballon aus den Wolken nister kommen sahen, mit dem Ruf „Die Jungfrau Maria“ in die Knie gesunken sein. »Ernst“ war schnell auf einem Leiter- wagen verfrachtet und erreicht? gleich den Luftschiffern in pser Stunden Kalisch Professor Poeschel hatte sich auf alle Fälle mit einem russischen Paß verseben, sein Begleiter war ohne solchen und sollte deshalb don der Gendarmerie zurüdgehalten werden; Loch passierte er schließ ich als unentbebrlicher Gebilfe des Führers. Nach . 40 Stunden waren die beiden Luftschiffer wieder in Meißen urũck.

Eine dritte Fahrt, endlich ö nicht bei Westwind angetreten,

rj fo , egleitung zweier Meißner Ballon nenlinge am 3.6. August bei gutem Südwinde von 2 aus in die Nãhe des Greifswal der Boddens. Ballon . Bezold? war dies mal leider nicht in der guten Kondition wie sonst. Er hatte kurz vorher, bei einer am 39. Juli ausgeführten Fahrt, ein unfreiwilliges Bad in der Ostsee nahe Kolberg genommen und war noch nicht wieder ganz trocken, auch hatte die große Hitze des Tages das Gas schon während der Füllung sehr ausgedehnt, Infolge dieser Mißstände konnten statt 40 nur 14 Sãcke Ballast , . werden, wag die Aussichten auf eine lange Dauerfahrt ehr herabsetzte. Eine schwüle Nacht, 200 O0 und darüber, Mücken und Fliegen, trotz schneller Fahrt, lästig, Gewitter ö. ctwa 5 km GSGatfernunß so begann um 1 Uhr Nachts die Fabrt nicht gerade unter güũnstigen Auspizien. zumal der Ballen in sckon ca. 160 —- 155 m Höhe die Erde aug 2. Fiesicht berlor. Dagegen erfreut? man ssch. auf der schweren

unstschicht bei einer Geschwindigkeit von etwa T Em in der Stunde horteeffs schwimmend, eines klaren Sternenbimmels aber sich. Um

Ubr Morgeng schwebte der Ballon über Brunn, zstlich von der Den und der Führer erwog, ob er wobl bei der direkt auf Dãnemark ne,, Windrichtung und der Aussicht, daß die Sonne bald das zrige tun werde, den Ballon in leichtere Luft ju bringen, eine Fahrt 2. Fopen bagen ins Auge faffen folle. In St. Afra' (Baue nunmmer , . r 13) bekämpft man den 13⸗Aberglauben auf besondere . Das Lehrerkollegium zählt 13 Mitglieder, je 13 Alumnen bilden Q e u ßengemeinschaft und an 13 Tischen werden sie gespeist. Die j onfahrt vem 6. August war aber die 13. Fahrt ibres w. im Afraner - Sinn, also von glücklicher Vorbedeutung. . sollte anders kommen; benn der Wind sprang um und wurde ö nachdem er vorübergehend fast ganz abgeflaut war. Die 5 u e e. und Brauerstadt Kyris blieb links liegen, nabe bei . maligen. von oben noch jetzt als solche besonders klar erkenn⸗ . Feste Wittsteck flog man vorüber, man konnte Studien von ene. 9 er, Rund. und Langdörfer in der Prigniß machen; fe Aus sicht, nach Danemark zu fliegen, war bei der immer ig en rner werden den Nordostrichtung des Fluges gänzlich ausge— . Einigermaßen entschädigt für das Aufgebenmüssen dieser ö ung wurde man durch den überaus reizvollen. Anblick 1 lenburgischen Seenplaste, die man beinahe in voller Aus— ann kreujte. Ueber 460 Seen jäblt ja Mecklenburg, die zu—⸗ 9 fn, 7. des ganzen Landes ausmachen! Da begreift man, wie a eser Fohrt von unten zu den Luftschiffern beraufschimmerte Hanz . Schon der vommerschen Grenze ganz nahe, schwebte der 3 über das Landstädichen Stavenhagen, wo Fritz Reuters Vater Durgermeister und Stadtrichter und de— Dichter in die Schule ge—⸗

angen war. Jenseits der Landesgrenze kam Demmin am bon Peene, Trebel und Tollense in Sicht, in der Ferne leuchtet es silbern auf der Greifswalder Bodden * und nun galt es, einen Entschluß zu fassen, ob zu landen oder an eine Beendigung der Fahrt auf Bornholm oder bei Karlskrong an der schwedischen Küste zu denken sei. Bei der jetzt eingetretenen Windgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern würde die Aus debnung der Fahrt 6 Stunden betragen haben. Die Rücksicht auf den Ballast⸗ botrat von nar 12 Sack von 14 mitgenommenen, statt der IZ8. die man noch haben konnte, wären 40, wie beabsichtiat, an Bord gewesen, gab schließlich den Ausschla; far die auf heimischem Boden bald vorzunehmende Landung. Jetzt durfte, man sich aber Sandverschwendung leisten und, währen man am Schlepptau ging, über jeden Telegraphendraht und jedes Häuschen hinwegspringen, bis man jenselts des Greifswalder Unz— versitätaforstes und der Babn Anklam, Stralsund einen jur glatten und leichten Landung geeigneten Sturzacker unweit Güst herauüsfand. Es war erst 11 Uhr Mittags, die Küste noch 2 Em entfernt. Nachträglich hatte man das Gefühl des Bedauern s, die Fahrt gen Schweden nicht doch versucht zu haben; denn der auf o Km Stunden- geschwindigkeit auffrischende Wind hätte innerhalb 4 Stunden hin- , . . h enige Tage später, Abends 8 Uhr am 12. Au ust, stie

Ballon „Bezold, diesmal jedoch mit Leuchtzas gefüsst, . . =. auf. Führer war Professor Dr. Poeschel, in feiner Begleitung be⸗ fanden sich Justijrat Dr. Reichel und Dr. Weißwange. Ballaft konnte leider nur 109 Sack mitgenommen werden. Die ahrt war in gewissem Sinne eine Programmfahrt. Es sollte derfucht werden, inwieweit es möglich sei, die bei der Länge des Taues von ungefähr 109 m etwa in dieser Höbe über dem Boden er—˖ folgende, viele Unzuträglichkeiten, ja Gefahren bietende Schlepp⸗ fabrt zu ersetzen durch eine noch niedriger gehaltene, fich nur wenige Meter über Fahrthindernisse erhebende Ballonfahrt. Die Gefahr des Aufstoßens mit dem Korbe ist gar nicht fo groß, als man gewöhnlich annimmt. Die vom Ballon vor sich her getrfebene Luftmasse bewirkt bei nicht außergewöhnlichen waagerechten Se— schwindigkeiten eine Ablenkung oder wenigstens eine Milderung des Anpralls bei unvorhergesebenen Hindernissen, einige Handvoll Sand haben in jedem Fall die Erhebung des Ballons um die wenigen Meter zur Folge, die nötig sind, das Fahrthindernis zu überwinden. Deshalb bat einer der Fahrtgenossen, nachdem sein Auge fich an die Dunkelbeit gewöhnt bat, es in der Hand, den zuverlässigen Steuermann abzugeben, wenn er immer scharf in der Fahrtrichtung ausfpäht, einen Sandsack jur Hand bat und auf alle Fälle das 12 m lange Hochlaß⸗ tau ausgeworfen hält, das ja durch sein Schleifen keinen Schaden an— richten, bei Hängenbleiben loggerissen oder im Notfall gekarpt werden kann, aber Lurch sein Aufsetzen sofort die bedenkliche Nahe des Bodens oder von Fabrthindernissen anzeigt. Es sollte diesmal alfo ein ernsthafter Versuch mit einer Fahrt, zumal mit einer Nachtfabrt, dicht über dem Erdboden bin gemacht werden. Fürg erfte, in der volkreicken Umgebung von Berlin, verbot sich eine solche Boden- fabrt natürlich ganz von selbst. Der Ballon flog 120 bis 150 m hoch über Berlin und seine Vororte hinweg. Als nach 13 ständiger Fahrt das Gaz die Temperatur der Luft angenommen hatte und 1, des Basllaftes ver— braucht war, konnte der beabsichtigte Verfuch beginnen. Ter Ballon sank auf 50, ja 30 m und darunter, das Hochlaßtau streifte zuweilen den Boden, man ließ es ruhig geschehen. Mit 34 Em Stunden, geschwindigkeit fahrend, war man zuweilen nicht köher über dem Boden als auf dem Verdeck eines Omnibus. Wälder kreujend, glitt der Ballon auf den Wipfeln entlang, ähnlich nahe wurden Sunpf und Wiesenland, Wasserlaͤufe, Eisenbabnen und Telegraphben leitungen über- flogen. Zwischen Küstrin und Göritz wurde. 20 m hoch, die Oder gekreust. Tief in der Nacht den Warthebruch passierend, sah man diele Irrlichter, wie schon vorher bei Heinersdorf im ehemaligen Bistum Lebus. So war man im ganjen schon, ohne Ballast aus; u. geben 23 Stunden dicht über dem Boden gefahren, an die Möglich— keit einer Tunke“ gar nicht mehr denkend, als man doch von dlesem unangenehmen Ereignis ereilt wurde. Gerade um Mitternacht gab es ein Aufflatschen und Spritzen, der Korb war in (inen schilfdurch⸗ wachsenen Tümpel des Warthebruches geraten und wurde nun darin dom Ballon weitergeschleift. Das durch das Weidengeflecht des Korbes eindringende Wasser reichte den Luftschiffern bis an den Leib, es war ein Sielen im Wasser nach Art der Hirsche, wie man es unterwegs schon so oft belauscht hatte, die Sumpfvögel kreischten laut auf, es klang fast wie Schadenfreude. Die Sache Fostete zwei Sack Ballast, dann war der Ballen wieder aus dem feuchten Element heraus, aber zugleich das Gewicht der Sandsäcke, des Verpackungs⸗ planes und verschiedener mitgeführter Habfeligkeiten um das esn— gedrungene Wasser vermehrt. Leider war auch daz wichtige Wind⸗ rädchen in Verlust geraten. Noch vier Stunden ging es nun über die Niederungen und fast endlosen Forste der Neumark und Westpofens. Eine Dũnenkette, von vielen Tälern durchbrochen, von dampfenden Nebeln erfüllt, kleinere und größte Wasserläufe, endlich die Warthe selbst, zeigten sich den Blicken. Dann tiefe Waldeinfamteit. Finmaäl rief von unten der Waldwärter: ‚Da kommen Sie nicht durch!“ Aber darüber hinweg! lautete die Antwort, und flugs war das Hindernis übersprungen. Sobald ein menschliches Wesen wahrgenommen wurde, ließen die Luftschiffer eine gellende Jagdhuppe ertönen, nicht immer zur Freude derer, die sie anrufen wossten, denn es war z. B. noch ganz dunkel, als aus dem Raudener Forst nördlich ven Zielenzig eine Stimme zurüctönte: Nun haben Sie mir doch alle meine Hirsche verscheucht. Ueber Waitze, Birnbaum, Zirke kam man wieder zur Warthe, die noch viermal zu überfliezen war. Un 4 Ubr hatte mit dem tagenden Morgen der Wind Schnelljugsgeschwindigkeit angenommen, um 5 wurde bei Station Mialg die Bahn Posen Kreuz rassiert, der Wald trat zurück, die fruchtbare Netzelandschaft wurde in länger als zweistündigem Fluge Ründlich kennen gelernt. Der Ballon stieg jetzt auf 265 356 m Döhe, weil photographiert werden sollte; aber Apparat wie Films zeigten sich durch die ‚Tunke“ verdorben. Dafür konnten sich die Luftschiffer an warmem Tee und Kaffee durch ihre Thermosflaschen erguicken. Gegen 8 Uhr von der Sonne auf 1056 m emporgezogen, sab man sich über Nakel, einst eine richtige Festung. Woher? Wohin?“ riefen, als man noch tief genug fuhr, die Schfffer auf der Netze. Von Berlin nach Königsberg“, Tautete die Antwort. Uebrigens hatte man bier ganz denfelben Eindruck, wie auf einer früheren Fahrt bei Tschichertzig: Man schaute hinunter in die nördlichste, größte Talung des Urstroms, der einst die Wässer der Weichsel von Thorn aug durch Wartbe- und Oderbruch zur oberen Havel, zur Elbe und in die Nordsee führte. Das Tal des Urstroms wurde bei der Kolonie Kruschin verlassen, wo der Brom berger Kangl unterhalb einer Schleuse aus dem Sberlauf der Netze Wasserzufluß empfängt. Ueber die viel gewundene Brahe und über die Exerzierplätze der Bromberger Garnisen hinweg führte nun die Fahrt; Bromherg blieb in größter Nähe rechts siegen, aber geradeaus vor den Luftschiffern lag der östlichste deutsche Strom, die Weichsel, die hier in engem Tal den uralisch⸗baltischen Landrücken in mächtigen Windungen durchbricht, zugleich zahlreiche, große Inseln bildend. Noch waren die Luftrelsenden der Betrachtung dieses greßartigen Bildes hingegeben, als es plötzlich kalt wurde, weil die Sonne sich hinter Wolken verborgen hatte. Der Ballon sank jugleich von 1500 m bis anz lepptau hinab. So dringend nötig eg war, mit dem stark jusammengeschmolzenen Ballast iu sparen, blieb an dieser Stelle doch nichtg übrig, als ein Sandopfer zu bringLen, das mit Hilfe der Sonne den Ballon wieder auf 1609 und in 141 Stunden unter Beihilfe der Verdunstung des in den Kerb eingedrungenen Wassers bis auf 2500 m Höhe brachte. Doch hatte dies zur Folge, daß sich Wolken zwischen Ballon und ide einschͤben, die nur selten Durchblick zur Erde gestatteten. Um so xeiwoller war der Blick von oben auf das Wolkenmeer Deftiges Artilleriefeuer wurde hörbar, wohl vom nahen Thorn her. Der mehr nach SO. umspringende Wind ließ die Luftschiffer be— fürchten, über die russische Grenze geweht zu werden. Diese Sorge wurde bei der nächsten Oeffnung der Wellen zur Gewißheit, als man unter sich den Grenzfluß Drewenz und die einander gegenũberliegenden

Städte Gollub und Dobręzin sah, von denen die erste deutsch, di ĩ russisch ist. Kurze Zeit nachher schwebte der fer derts . Welcher dem blödesten Auge auffallige Unterschied in der Re el sost elt der Felder, dem übeln Zustand der Straßen mit ihren willtũrlich ver⸗ streuten Bäumen, der Důürftigkeit der Ansiedlungen! Die Stadt nordlich war an der Vereinigung von sechs Straßen als die Kreisfsadt Rypin zu erkennen. Da flatterte plötzlich die Luftschiffer trauten ibren Augen kaum in 2000 m Höhe ein großer bunter Schmetterling über den Korb hinweg, bald darauf, noch 255 i höher ein zweiter, eine für Entomo— lagen vielleicht wertvolle Beobachtung! Ber Wind ließ jetzt wicher den Ballon einen Bogen nach NO. beschreiben. Schon saben die Luft; schiffer zu ihrer Befriedigung aufs neue deutsches Land unter sich, da begann der Ballon zu sinken, und es war kein Basfast mehr ba. um seinen Fall aufjubalten, erst langsam, dann im mer schneller ging es hinab. Genau 10 Uhr 35 Minuten Vormittags landete man glatt, aber sehr feucht im Sumpfgrahen eines Torfbruches Pei Vorwerk Piaski des Guteg Dkalswo, Kreis Rypin, Gouver— nement Plot, nur 8 km von der deutschen Grenze entfernt, 469 km von Tegel, für eine Fahrt mit Leuchtgas und nur l0oz Sach Ballast eine immerhin befrledigende Ballonleistung. Es war nicht leicht Ballonbülle und Korb mit 42 Kg Sesamtgewicht zu bergen, an reguläre Verpackung war junächst nicht zu denken denn auch die Luftschiffer gerieten bei der von den herbeikommenden Land- leuten ungenügend unterstätzten Arbeit ordentlich ins Wasser, was allerdings seit dem Ungemach im Warthebruch für sie den Reiß der Neuheit verloren hatte. Und schon nabte mit Seitengewehr in weißer Litewka mit rotgeränderter Mätze ein Landpoltzist, der mit strenger Amtzmiene die drei Reisenden als Gefangene erklärte. Es gelang ja dank der Liebenswürdigkeit des Herrn Gutsinspektors Miec d law Gertyck, des Herrn Adrian von Chelmickv, Besitzers von Skalewo, und des Sekretärs dez Landrats von Ryrin, den don Professor Poeschel mit⸗ geführten behördlichen Auswelsen die gebührende Beachtung zu schaffẽn und nach bogenlangen Drahtberichten nach Warschau die Freigabe der drei Gefangenen, des Ballons und allen Zubebörs zu erlangen, immerhin nahm die Ordnung der Angelegen beit wei Tage in An— svruch, die im Hause des Herrn Gertyck angenehm verlebt wurden. Eine letzte Wagenfahrt brachte die Reifenden jum Bahnkof Radosk, wo der Zug nach Berlin bestiegen werden konnte.

Eine fünfte Fahrt „bei Nacht und Nebel! durch Thüringen unternahm, gewissermaßen als Kontrollfahrt der vorangegangenen und der hierbei gesuchten und gewonnenen Erfahrungen, Professor Dr. Poeschel in den Michaelis Ferien. Sie ging am 30. Ser tember Abends 3 Uhr bei ganz schwachem NO. nnd 175 C. von Bitterfeld aus. Diesmal war der vielergrobte Ballon Ernst“ und Wafferstoff.⸗ füllung gewählt worden. Bewleiter waren Regierungsassessor Dr Grillo und Dr. jur. Bernhard von Schönberg. Dichter Nebel lag 55 56 m boch auf der Erde, die Windgeschwindigkeit betrug kaum 4 m in der Se⸗ kunde, sräter in der Nacht 7 m, so überließ man es dem Ballon, sich seinen Weg selbst zu suchen. Er schwam m tadellos auf der Nebelschicht, er selbst in reiner Luft und unter klarem Sternen. himmel, während er den Korb im Nebel ließ, den die elcktrischen Lampen der Insassen nur auf kurze Entfernung ju erleuchten bermochten. Fledermäuse und Nachtvögel durchschwirrten die Luft. Unter diesen Umständen war die Orientierung sehr erschwert. Ortschaften konnten nur durch Zuruf festgestellt werden, was an sich bei der niedrigen Fahrt leicht, aber manchmal durch das Hundegekläff erschwert war, das der Anruf entfesselte. Es wurde um 10 Uhr Brehna genannt, um 12 Uhr DollniJz im Saalkreis, um 440 Apolda, ein Quertal des Thüringer Waldes wurde in ost. weft⸗ licher Richtung nach dem andern gekreujt, lautes Waffer⸗ rauschen wurde oft gehört. Der Ballon schwebte von selbst die Böschungen hinan und Jenkte sich dann jedes Mal über dem Tale ein wenig; das überflogene Gelände hob sich auf 500 bis 600 m. Ez lag Professor Poeschel wesentlich daran, mit niedriger Fahrt weitere Erfahrungen zu machen. Siebenmal erfolgte ein Anstoßen, meist an Bäume, einmal auch auf den Erdboben, aker dem elastischen Korbe schadete dies nichts. Lange Strecken glitt der Ballon rauschend über die Wipfel aufsteigender Wälder, nur einmal schaffte er sich bei sehr ungleicher Höhe der Bäume wie ein das Dickicht durchbrechender Hirsch etwas ungestüm Bahn. Die Folge war ein lang anhaltendes Schwanken des Ballons und vorüber— gebende Seekrankheit bei den Korbinsassen. Von dem 85 Sack be— tragenden Ballast wurden nur dann einige Handvoll ausgegeben, wenn ein Anftoßen vorauszusehen oder es schon eingetreten war, dann stieg ‚Ernst' in der Vollkraft seiner Wasserstofffüllung sofort mehrere Meter empor. Dag hätte bei ausgelegtem Schlepptau j⸗desmal mindestens einen Sack erfordert. Die Luftschiffer versuchten am Morgen, kurze Zeit am Schlepptau ju fahren, mußten es aber aufgeben, weil das Tau sich wiederholt an den Bäumen verfing. Als es gegen s Uhr Tag wurde, befand sich der Ballon Über einem geschloffenen Meer von Haufenwolken, aus dem einige Lerchen aufstiegen. In der zehnten Stunde entstanden einzelne Lücken in den Wolken, nach 10 Uhr sah man sich über der Weser bei Corvey zwischen Höxter und Holiminden, um 11 Uhr über Pyrmont. Dreimal wurde die Weser gekreuzt, zuletzt bei Rinteln und dann Nachmittags 11 Uhr fanft auf einem Sturzacker bei Minderbeide unweit Minden gelandet. Vom Aufstieg bis zur Landung war ein großer, nach Norden geöffneter Bogen beschtieben worden, 420 Rm wirklich jurückgelegte Strecke, 250 km Luftlinie

Die Ergebnisse seiner neun Nachtfahrten (unter 15 im ganzen) glaubt Professor Poeschel dahin zusammenfassen zu dürfen: Bei einer in der Nacht oder bor deren Einbruch beginnenden Dauerfahrt empfiehlt es sich, das Schlepptau im Korbe zu behalten. Bei ebenem oder leicht gehügeltem Gelände, bei mäßiger Geschwindigkelt und nicht zu großer Finsternis ist es unbedenklich, den Ballon auf der Dunst. schicht über der Erde schwimmen zu lassen, wobei fast jedes Ballastausgeben vermieden wird. Ist dagegen die Nacht sehr dunkel und nebelig, die Landschaft gebirgig oder die Geschwindigkeit bedeutend, so ist es angezeigt, höher zu gehen, um ein Anstoßen möglichst zu vermeiden. Kommt es aber doch daju, so bedeutet dies bei voller Tragkraft des gefüllten Ballons noch keine Gefahr, wogegen das Festhaken des Schlepptaus von sehr schlimmen Folgen sein kann. Ein Kappen des Schlepptaus ist unter allen Umständen mißlich, auch nicht immer zulässig, weil durch das Herabfallen des Taus Schädigungen, 3. B. Entgleisung von darüber fahrenden Zügen, herbeigeführt werden können.

Die bier mitgeteilten Erfahrungen sind von hohem Interesse, nicht bloß für die Freiballonfahrt, sondern auch für die Motorballon“ fahrt, die voraussichtlich stets in geringer Erhebung über dem Erd— boden vor sich gehen wird.

Verkehrsanftalten.

Hamburgs Seeschiffahrt.

Der Seeschiffsverkehr in Vamburg weist für das Jahr 1907 die ungewöhnlich starke Zunahme von je rund einer Million Nettoregistertons im einkommenden und im ausgehenden Ver- kebr auf. Der einkommende Verkehr betrug 19607: 12 9041 506, 19066: 11039000, 1905. 10 351 000, 1904: 9611 000, 1903: 8 156 000, 1902: 8 727 000, 1901: 8 383 0900, 1900: 8 O38 060 Tons. Nun ift der Verkehr des Jahres 1807 allerdings durch einen speziellen Umstand ganz besonderg gefördert worden, und zwar ist dies die durch die eigenartigen Verhältnisse des deutschen Koblenmarktes hervorgerufene besonders starke Kobleneinfuhr bon England. Es trafen nämlich in Hamburg im Jahre 1907 rund 1 856 560 Netto- registertons mit Kohlen beladene Dampfer von England ein gegen 1405 O00 Tons i. J. 1906 und 1 358 000 Tons i. J. 1905, und noch in keinem Jahre hat seit langer Zeit die englische Kohfeneinfuhr eine so starke Zunahme gejeigt wie 1967. Immerhin bleibt, auch wenn man diesen Extrajuwachs von der Verkehrszunahme im Jahre 19607 in Abzug bringt, noch eine Steigerung, die annähernd der Gesamt⸗ zunahme im Jahre 1906 gleichkommt.

Die Zunahme entfällt dabei in der Hauptsache auf den außer europäischen Verkehr. Im europäischen Verkehr haben u. a. die An= künfte von deutschen Häfen und von Häfen des Mitteimeeres zuge⸗