1908 / 11 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 14 Jan 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Ueber die Zulassung von Arzneiwaren zur Ein— fuhr nach Italien und Deuͤtschland ist unterm 30 S861. Dezember 1997 durch Notenwechsel zwischen dem Kaiser⸗ lichen Boischafter in Rom und der Königlich italienischen Regierung eine Vereinbarung getroffen worden. Danach werden die in dem Gebiete der beiden Staaten hergestellten Arzneiwaren und zusammengesetzten Arzneimittel, so weit sanitäre Rücksichten in Frage kommen, in jedem der beiden Länder zur Einfuhr zugelassen werden, ohne daß es fur die einzelnen Erzeugnisse noch befonderer Maßnahmen bedarf. Die Einfuhr soll keinen anderen als den folgenden Bedingungen und Ausnahmen unterliegen.

1) Die zusammengesetzten Arzneimittel müssen auf der Etikette, mit welcher jedes Gefäß zu versehen ist, die genaue Angabe tragen

a. der Stoffe, aus welchen das Arineimittel zusammengesetzt ist; hierbei ist nicht die chemische Formel, sondern die in der Praxls übliche Benennnng zu gebrauchen,

b. der Dosiz der einjelnen Stoffe; hierbei sind die Vor— schriften des Landes maßgebend, in welches die Waren ein— geführt werden.

2) In dieses Abkommen sind nicht eingeschlofsen die Sera, Impf⸗ stoffe, Virus, Toxine und gleichartige Eczeugnisse.

3) Beide Regierungen behalten sich das Recht vor, in Ausnahme fällen und aus besonderen gesundheitlichen Rücksichten die Einfuhr jeder Armeiware zu verbieten. Ein solches Verbot ist der anderen Regierung unter Angabe der Tatsachen und Gründe, durch welche es veranlaßt ist, unverzüglich mitzuteilen.

Der Kaiserliche Botschafter in Konstantinopel, Staats- minister Freiherr Marschall von Bieberstein hat seinen Posten für kurze Zeit verlassen, um an dem bevorstehenden Kapitel des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler in Berlin teilzunehmen. Während seiner Abwesenheit werden die Ge— schäfte der Botschaft von dem Hel c fe al von Below⸗ Sal es ke geführt.

Laut Meldung des, W. T. B. ist S. M. S. „Sperber“ am 10. Januar in Forcados (Süd⸗Nigeria) eingetroffen und geht. am 17. Januar von dort nach Victoria (Kamerun) in See.

S. M. S. „Seeadler“ ist am 11. Januar in Tanga e, . und geht am 18. Januar von dort nach Zanzibar in See.

S. M. S. „Tiger“ ist am 11. Januar in Futschau 66 und geht am 17. Januar von dort nach Hongkong in See.

Baden.

In der gestrigen Abendsitzung der Zweiten Kamm er legte der Finanzminister Honsell die Gesetzentwürfe über die Aenderung des Beamtengesetzes, die Neuaufstellung des Gehaltstarifs, die Gehaltsordnung in Verbindung mit einer wesentlichen Gehaltserhöhung und über eine Aende? rung des Etatsgesetzes vor.

Nach den Gesetzentwürfen werden, laut Meldung des. W. T. B., die Pensionsbestimmungen wesentlich verbessert. Sämtliche Beamten eibalten am J. Juli eine Gehaltszulage und eine Gratlfikation. Die Posten der Ministerialpräsidenten werden abgeschafft. Die Gehäster der Minister werden von 12 000 M auf 14060 M erhöht, außerdem beniehen sie noch eine Dienstzulage von je 4000 M, der Staatsminister von 6009 44 Ein Minister, dem Repräsentation jukommt, beneht weitere 10 000 6. Neu ist u. 9, daß die Amtsrichter den Land gerichtsräten gleichgestellt werden. Der Mehraufwand beträgt 6 800 000 4

Das Haus trat darauf in eine Besprechung der Inter— pellation des Zentrums und der Sozialdemokratie, betreffend das Reichs vereinsgesetz, ein. Der Minister erklärte in Beantwortung der Interpellation:

Die Großherzogliche Regierung hat dem Entwurf des Reichs vereinsgesetzes im Bundesrat zugestimmt, nachdem sich die Notwendig⸗ leit einer einheltlichen Regelung des Versammlungsrechts ergeben hat. Der Entwurf bringt Erleichterungen, auch erblickt die Regierung in ihm keine wesentliche Verschlechterung gegenüber den badischen Be⸗ stimmungen im Sinne der Vereins, und Versammlungafreihest.

In der sich anschließenden Debatte wurde namentlich das Sprachenverbot für ungnnehmbar erklärt. Die Redner sprachen die Hoffnung aus, daß die Regierung das ihrige zur Ver— besserung des Entwurfs tun werde.

Oesterreich⸗Ungarn.

Im ungarischen Abgeordneten hause sind gestern, „W. T. B.“ zufolge, sämtliche Vorlagen, betreffend den Aus⸗ gleich mit Oesterreich, ohne Debatte im allgemeinen und in den Einzelheiten angenommen worden. Hiermit ist der Ausgleich auch formell erledigt, nachdem er . infolge der Votierung des Ermächtigungsgesetzes schon seit dem 1. Ja— nuar ins Leben getreten ist.

Frankreich.

Der Ministerrat beschäftigte sich gestern mit der Lage in Marokko. Wie die „Agence Havas“ meldet, beabsichtigt die Regierung, sich, wie bisher, in den Grenzen der Akte von Algeciras zu halten. Ihre Intervention in Marokko wird sich darauf beschränken, die Ordnung aufrecht zu erhalten und die Europäer in den Häfen zu beschützen, in denen Frankreich die Aufgabe zufällt, eine Polizei einzurichten. Die , akte soll auf das peinlichste innegehalten werden.

Rußland.

Der Ministerpräsident Stolypin ist durch Kaiserliches Reskript zum Kaiserlichen Staatssekretär ernannt worden. Das Reskript des Kaisers hat, „W. T. B.“ zufolge, nachstehenden Wortlaut:

Ihre vielseitige Tätigkeit im Amte eines Ministers des Innern, die angesichts der obwaltenden Bedingungen des Staate lebens besonderz verantwortlich ist, gab mir die Möglichkelt, ihre vorzügliche Begabung und selbstaufopfernde Pflichttreue schäͤtzen zu lernen. Infolgedessen berief ich Sie 1906 auf den hohen Posten des Ministerpräsidenten. In Ihrer Person fand ich einen hervorragenden Vollstrecker meiner Vor⸗ schriften, wovon beredtes Zeugnis ablegen die vom Minifterrat unter Ihrer Leitung vorbereiteten gesetzgeberischen Arbeiten von hervorragender Be⸗ deutung in Agrar und anderen Staats verwaltungsfragen, desgleichen das wachsende Vertrauen der Bevölkerung zur Regierung, dag beson⸗ ders bei den Wahlen jur dritten Reichs duma zu Tage trat, und viele erfreuliche Anzeichen zweifelloser Beruhlgung des Landeg. Dem

Belassung der Würde eines Senators und Ernennung

Wunsche, Ihnen meine herzliche Anerkennung für Ihre patriotischen

Verdienste auszudrücken, nachkommend, ernannte ich Sie zu meinem Staatssekretär und verbleibe Ihnen unverändert wohlwollend Nicolaus.

Der Minister für Volksaufklärung von Kaufmann ist derselben Quelle zufolge seines Amtes enthoben worden unter zum Oberhofmeister. An seiner Stelle ist der ehemalige Kurator des Moskauer Bezirks, Reichsratsmitglied Schwarz, zum Minister ernannt worden.

Italien.

Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ hat der Minister des Aeußern Tittoni von dem italienischen

Ministerresidenten in Addis Abeba eine am 12. Januar auf⸗

gegebene Depesche empfangen, in der dessen vorgestriges Tele⸗ gramm bestätigt und hinzugefügt wird, daß der Negus Menelit alle Maßnahmen getroffen habe, damit die Abessinier aus dem Hinterlande von Benadir sich sofort zurück— zögen, Nachforschungen nach den Hauptleuten Bongiovanni und Molinari 3. würden und die Auslieferung der Gefangenen und des erbeuteten Viehes erfolge. Weiter be— merkt der Resident, daß er dem italienischen Vertreter in Lugh diese Zusicherungen und Maßnahmen des Negus durch einen Boten schon direkt mitgeteilt habe.

Norwegen.

Die feierliche Eröffnung des Storthings hat gestern in. Gegenwart König Haakons stattgefunden. In der Thronrede werden, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, der Integritätstraktat und die Teilnahme Norwegens an der Haager Friedenskonferenz behandelt. Ferner werden einige neue Gesetzentwürfe angekündigt, u. a. ein Eisenbahnbauplan für die nächsten zwölf Jahre und Bestimmungen, bee Konzessionen für Erwerb und Ausnutzung von Wald, Wasser⸗ fällen und Erzfunden.

Alien. ö

Einer amtlichen Meldung zufolge stießen die nieder— ländischen Kolonialtruppen von Ober⸗Endeh auf der Insel Flores bei Worowari auf starken Widerstand. Der Feind hatte 130 Tote; die meisten Führer unterwarfen sich. Auf holländischer Seite wurden zwei eingeborene Soldaten verwundet. Eine Aufklärungsabteilung nahm den Rebellen⸗ führer Rapoodja gefangen, unter dessen Leitung die Feind⸗ seligkeiten in Endeh ihren Anfang genommen hatten.

Afrika.

Nach einer Depesche des W. T. B.“ meldet der General d Amade, daß die Ereignisse von Fes bisher keine Ruͤck— wirkung auf die Schaujastämme ausgeübt haben und Ver— wicklungen an der Küste vorläufig nicht zu befürchten seien. Die Uebergahe der Kasbah der Mediunas an die Truppen des Sultans Abdul Asis sei aufgeschoben. Auch der augenblickliche französische Geschäftsträger in Tanger, Botschaftssekretär Graf de Saini⸗ Aulaire, telegraphiert, daß die Ereignisse in Fes ohne Rück⸗ wirkung auf die Hafenstädte seien, doch müßten für alle Fälle Vorsichtsmaßnahmen . werden.

Aus Tanger wird berichtet, daß Raisuli sich dem Gegen⸗ sultan Mulan Hafid angeschlossen habe und nunmehr nur auf dessen Befehl den Kaih Lean freilassen wolle.

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Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Der heutigen 79. Sitzung des Reichstags wohnten der Staatssekretär des Innern Dr. von Bethmann oll weg und der Präsident des Reichsbankdirekloriums davenstein bei. Von den Sozialdemokraten ist eine Interpellation eingebracht, betrefsend die Erklärung des Reichs—⸗ kanzlers über das Wahlrecht im Preußischen Abge⸗ ordnetenhause und die Konsignierung des Militärs wegen der Straßendemonstrationen am letzten Sonntag.

Auf der Tagesordnung stand zunächst die J nterpellation der deutsch⸗konservativen Abgeordneten Grafen von Kanitz und Genossen, betreffend den Bankdiskont.

Auf die Anfrage des Präsidenten Grafen zu Stolberg⸗ Wernigerode erklärte der Staatssekretär Dr. von Beth— mann Hollweg sich zur sofortigen Beantwortung bereit.

Abg. Sraf von Kanitz (dkons führte hierauf zur Begründung der Interpellation folgendes aus: Vor acht Tagen hat unser Prä— sident vom Reichsamt des Innern die Mitteilung erhalten, daß heute diese von uns am 22. Nobember vorigen Jahres ein gebrachte Interpellation beantwortet werden würde. Gestern ist der Diekont berabgesetzt worden, was bei der Lage des Geldmarkts und bei dem Stande des Privatdiekonts wohl mit einiger Wahrscheinlich⸗ keit voraus zu sehen war. Der Zeitpunkt für die Beantwortung der Interpellation ist also recht vorsorglich gewählt worden? Deshalb ist uns aber doch nicht die Butter vom Brote genommen und die Interpellation nicht gegenstandelos geworden. Die Lage des Geldmarkt ist immer noch gefrannt genug, und ein Diskont von 68 steht hoch über dem Durchschnitt der früheren Jahre, wo er sich zwischen 3 und 409 bewegt hat, hoch über dem Stand des Biskonts von Frank⸗ reich, der kürzlich auf 3 0 / herabgesetzt worden ist. Die Krisis aber, die nun schon so lange auf dein deutschen Erwerbsleben lastet, wenn sie auch ihren Höhepunkt, wie wir hoffen, überschritten haben wird, hat fo große Opfer gefordert, daß es notwendig ist, hier Abhilfe durch die Gesetzzebung zu schaffen und vor allem Vorkehrungen zu treffen, um der Willkür solcher Krisen vorzubeugen. Im übrigen will ich gern anerkennen, daß der in diesen Tagen siattgehabte Wechsel im Präsidium des Reiche bankdirektoriums für die Regierung ein triftiger Grund war, die Beantwortung der Intempellation so lange hinauszuschieben. Ich halte es ferner für meine Pflicht, dem scheiden⸗ den Reichsbankprästdenten Koch einige anerkennende Worte zu widmen, seine verdienstvolle Tätigkeit hervorjuheben und ihm die ebũührende Anerkennung aut zuspiechen für das, was er in seiner fast jwanzig⸗ sährigen Amtedauer geleistet hat. Ich habe den Prästdenten Koch in mehrjähriger gemeinsamer Arbeit kennen und hochschaͤtzen gelernt, und wenn ich auch in einzelnen Fragen, wie in der Währungsfrage, feinen Standpunkt mir nicht ganz aneignen konnte, so wesß ich doch, daß Koch mit seiner ungewöhnlichen Arbeitskraft, mit feinem feinen Ver' ständnis für die Bedürfnisse von Handel und Industrie die ihm anvder— traute Institution so geleitet hat, daß sie ihrer Aufgabe in vollem Maße gerecht wurde. Dieses Verdienst des Präͤsidenten Koch soll unvergessen blelben.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen (10) Sitzung, welcher der Finanzminifter Freiherr von Rheinbab en, der Minister für Handel und Gewerbe Delbrück, der Justizminister Dr. Beseler, der Minister der öffentlichen Arbeiten Breitenbach, der Minister des Innern von Moltke und der Minister der geistlichen zc. Angelegen⸗ heiten Dr. Holle beiwohnten, die erste Beratung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Feststellung des Staatz haushaltsetats für das Etatsjahr 1908, fort.

Abg. Herold (Zentr.): Vor einigen Jahren habe ich darauf auf. merksam gemacht, daß es zweckmäßig sei, dem Etat ein Inhaltz. verzeichnis beizugeben. Dies ist wenigstens für den Kultuzetai in diesem Jahre in sehr schöner, ale lr ler Weise geschehen. J hoffe, daß es nicht eines Antrags bedarf, damit dlefer Wunsch auch für die andern Etats erfüllt werde. Das Finanjwesen win in erster Linie durch die Ergebaisse der Eisenba hnyerwallung beeinflußt, Großes Befremden hat die Mehrauggabe im Jahre 196 hervorgerufen, obwohl wir schon 1806 große Mehrausgaben hatten. Es feblen jetzt aber die Mehreinnahmen. 1507 wird nun ein Deftnn bon etwa 60 Millionen Maik ergeben. Herr Friedberg übte daran Kritik, daß die Ausgaben zu niedrig eingeschätzt seien. Das läßt sich aber schwer sagen. Wenn Herr Friedberg dem Finanzminister den Vorwurf macht, daß er absichtlich die Ausgaben niedrig bemesse, so ist, dieser Vorwurf sicherlich nicht gerechtfertigt. Jeder Finan⸗ minister hat ein Interesse daran, den Etat so auf zustellen, daß er die Wirklichkeit möglichst erreicht. Jeder Finanzminister weiß, daß durch einen unrichtigen Etat die Rechnungsergebniffe nicht verbessert werden können. Jetzt allerdings hat der Finanzminister ein Intereffe daran, die Lage als ungünstig erscheinen zu lassen, damst er die neuen Steuern bewilligt erhält. Wir haben feit Jahren recht damit ge habt, nicht auf die Verbilligung der Tarife zu drängen, um die Eisenbahneinnahmen nicht ju schmälern; wir müssen dafũr sorgen, daß die Essenbahnen eine angemessene Verzinsung ergeben. Die Fahrkartensteuer hat eine Mindereinnahme von 10 Millionen er geben. Es ist aber nicht auf die Fahrkartensteuer allein zurückzuführen, wenn die Abwanderung in die unteren Klassen stattgefunden hat, sondern dies ist auch veranlaßt durch die verbesserten Einrichtungen in den unteren Klassen; . B. haben jetzt die Fahrgäste der dritten Klasse Zutritt zu den Speisewagen. Ich mache aus dieser Verbesse⸗ rung der Verwaltung keinen Vorwurf, sondern erkenne sie im Gegenteil ausdrücklich an. Der Etat für 1908 wird besonders beeinflußt durch die in Aussicht stehenden Gehaltzerhöhungen für die Beamten, Lehre und Geistlichen. Der gesamte Etat beläuft sich auf über 3 Milliarden, der Nettoetat balanziert aber mit 672,3 Millionen; die Gehaltgerhöhungen im Betrage von 117 Millionen machen also ein Sechstel dieses Betiagez aus, das ist eine Reform, wie wir sie noch nicht gehabt haben. Ez sollen nun neue Steuern erhoben werden. In den letzten Jahren ist unsert Extraordinarium fortgesetzt bedeutend gestiegen, dadurch ist neues werbendes Kapital geschaffen worden; im letzten Jahre haben wir ein Extraordinartum von 186 Millionen. Diese bedeutende Kapitalspermehrung kann es uns nicht als so gefährlich erscheinen lassen, wenn wir einmal ein Defizit von 60 Millionen haben, zumal da in den letzten Jahren gar keine Anleihen aufgenommen, sondern alle Ausgaben durch laufende Mittel bestritten worden sind. Wir brauchen deshalb so rasch unsere Steuern nicht zu vermehren, wir können den Etat für 1908 eben so gut balan zieren, wenn wir von dem Extra⸗ ordingrium 40 Millionen auf Anleihe übernehmen. Der Beschluß des Hauses von 1892 auf Grund des ti,, des Abg. Dr. Lieber bedeutet doch nur, daß es ein erstrebenswertes Ziel ist, wenn neue Gleise, Bahnhofs bauten usw. aus laufenden Mitteln bestritten werden, aber nicht, daß es durchaus in jedem Jahre geschehen müsse. Wir können die Ent; wicklung vorläufig noch abwarten, ehe wir zu neuen Steuern greifen. Es kommt hinzu, daß wir nech nicht wissen, ob es im Reiche gelingen wird, neue Skeuerquellen ju eröffnen. Wir vom Zentrum fönnen das am wenigsten wissen, denn wir sird ja jetzt durch den Block ausgeschlossen. Unsere Fraktion hat immer den Stand⸗ punkt, vertreten, daß die direkten Steuern den Einzelstaaten verbleiben müssen, um die Selbständigkeit der Einzelstaaten hochzuhalten. Für den Steuerzahler selbst ist es gleichgültig, an wen er seine Steuern jahlt. Die Matrikularumlagen müffen aber nicht mehr nach der Bevölkerung, sondern nach der Leistungsfähigkeit der Einzelstaaten verteilt weiden. Herr Friedberg meint, die Gin zelstaaten hätten überhaupt keine Souveränität. Ich bedauere, daß hier im Äb— geordnetenhause in dieser Weise die Souveränität der Cinzelstaaten angegriffen worden ist. Der König von Preußen ist noch immer Souverän. Wir lassen unsere finanziellen Anschauungen nicht umstoßen durch ein einziges weniger günstiges Jahr. Ich wundere mich, wie die Freikonservativen und die Natlonalliberalen so schnell und so umfassend ihre Auffafsung über die Etatsaufstellung haben ändern lönnen. Vie Vorschläge des Abg. Friedberg sind absolut undurchführbar. Et ist Theorie, eine feste Trennung der , von den all⸗ gemeinen Staats verwaltungsaufgaben zu bestimmen. Wo soll denn die Verwaltung die feste Rente für die allgemeinen Staate ausgaben hernehmen, wenn sie einmal die nötigen Einnahmen nicht hat? Wenn die Regierung die Gemeinden veranlaßt hat, die Wert juwacht⸗/ steuer einjuführen, so muß sie auch dafür sorgen, daß bei der Einschätzung soziale Momente nicht außer Betracht bleiben; wir müssen ju einer gerechteren Einschätzung von Grund und Boden kommen. bin damit einverstanden, daß die neuen fiskalsschen Kohlenwerke in Westfalen mit Hilfe von Anleihen weiter aut. gestaltet werden sollen, aber man follte auch im Often nicht vor Anleihen zurückschrecken, um die Arbeiterwohnungen zu vermehren. Mit Rücksicht auf die Preistendenz des Kohlensyndlkats kann man erwägen, ob man nicht zu einem Kohlenausfuhrverbot übergehen soll. Die Syndikate müssen ihre Finanzoperationen der Deffentlichkeit vorlegen. Die preußische Regierung sollte ihren Einfluß geltend machen, damit möglichst bald ein Gesetz über die Syndikate er lassen wird. Der Domänenetat jeigt erfreulicherweise, daß in der Landwirtschaft wieder mehr Hoffnung eingejegen ist; die Pachten sind aber verhältniemäßig noch immer zu boch. Schwer lastet auf der Landwirtschaft die Ärbeiternot; eine Abhilfe liegt im Interesse nicht nur der Landwirtschaft, sondern des ganzen Staateg. Die Be— dölkerungsvermehrung entstammt doch wesentlich dem platten Lande. Auf 1006 Ehefrauen kommen in den Großstärten 131 Geburten, in den mittleren Städten 256 und auf dem platten Lande 287 Geburten. Für das Land muß mehr geschehen, um die Lantflucht jzu verhindern; die Kultusverwaltung, die Forstverwaltung usw. könnten hier viel tun, insbesondere sollten die Arbeiteranstiedlungen gefördert werden, ebenso das landwirtschaftliche Unterrichtgwesen. Für dieses werden 2,8 Mil⸗ lionen ausgegeben, dagegen für dag Unterrichigwefen für Handel und Gewerbe 158,8 Millionen. Der Finanzminister fordert zur Spar⸗ samkeit auf, und dem gan en Hause waren diese Worte sympathisch; aber die Gemeinden werden in erheblichem Maße von der Staais⸗ verwaltung zu großen Ausgaben gedrängt; für Schulen, für Sospitaler usw. werden übertriebene Anforderungen gestellt. Ver Finanzminister fordert ferner zur einfachen Lebenghaltung auf. Das findet unsere Billigung; aber auch hier kann die Staatsverwaltung viel tun,. Man bringe nicht mehr nur reiche Leute in, bohe Stellen, damit sie hohe Kosten der Repräsentation tragen können. Unter den Beamten muß eine einfachere Lebenshaltung ein⸗ treten. Es ift eine Vereinfachung der Behördenorganisation angeregt worden, aber auch bet der jetzigen Srganisanion läßt sich sparen, wenn das viele Dirigieren, Kontrollleren und dat Eindringen der oberen Instanzen in alle kleinen Dinge einge⸗ schränkt wird; dann könnte man an dem Zuviel der Beamten sparen. Der Kultusminister hat die schrittweise i de fe gn der nebenamt⸗ lichen Schulaufsicht von Geistlichen in Auesicht gestelli. Es sind jwar nur sehr wenig Katholiken als Kreisschulinspektoren angestellt, 16. trotzdem sind wir der Meinung, daß die Schulaufsicht durch die Geistlichen aufrecht erhalten werden muß. Können die Geistlichen Riese Aufgabe im Nebenamt nicht bewältigen, fo bieibt ja noch . Ausweg, daß man sie im Hauptamte anstellt. D de e, müßte die Absicht der Regierung, die geistliche Schulaussich

.

,,,

Haltung der Regierung

..

mählich aufgzuhehen, verfassungsmäßig festgelegt werden. Herr . war Loch eigentlich recht bescheiden gegenüber den Er— flärungen der Regierung bezüglich des Wahlrechts für daz Abge— ordnetenhaus. Wir sind durch die Erklärungen des Ministerpräsidenfen aufs äuße ste enttäuscht. Wir haben immer das gleiche Wabl recht erstrebt, aber die jetzt eingetretenen Demonstratsonen beklagen wir im Interesse der irregeführten Bevölkerung, denn dadurch wird die Einfübrung des Wahlrechts wesentlich er⸗ schwert. Der Ministerpräsident sagte weiter die unparteiische bei den kommenden Wahlen zu. Wir begrüßen dieß und bitten, daß diese unpartelische Haltung me. dem Zentrum gegenüber beobachtet wird, denn wir haben jetzt schon Anzeichen dafür, daß dies nicht geschehen wird. Es ist auch trotz der Verwahrung des Reichskanzlers früher nicht geschehen. Jetzt aber sind patriotische Männer hervorgetreten, die sich ebenso wie andere für die Vermehrung der Flotte eingesetzt haben, aber auch manche Kritik üben mußten an den damit im Zusammenhang stehenden Vorgängen, und die um ein vielfgches höher stehen als der Reichs— kanzler. Diese Männer haben ihre Mißbilligung darüber ausgesprochtn. Dies gehört zwar mehr in den Reichstag, aber da der Reichskanzler und der Ministerpräsident in dem Fürsten Bülow vereinigt sind, kann man allerdings ju solchen Widersprüchen kommen, wenn jeder Grundsatz fehlt und nur parteipolitische Bestrebungen maßgebend sind. Die dem Zentrum vorgeworfenen Erfolge und sein Einfluß beruhen darauf, daß es gute Anträge stellt; wenn andere Parteien ebenso gute Anträge stellen, werden wir auch dafür stimmen. Der Block— vater hat selbst das Zusammenhalten der Zentrumzleute als Muster hingestellt, also: treibt Zentrumspolitik! Das Zentrum wird seine festen christlichen Grundsätze weiter behalten. Wir vertrauen auf die. Zukunft und hoffen, daß unter anderem die von ung gewünschten Erleichterungen für die barmherzigen Schwestern gewährt werden. Wir treten für die christliche und konfessionelle Schule ein; das Volkeschulunterhaltungsgesetz muß mit Entschiedenheit durchgeführt werden. Im vorigen Jahrs haben alle Kreise der alten Bischosstadt Münster in Westfalen gewett— eifert, dem Kaiser einen würdigen Empfang ju bereiten, und ihre Anhänglichkeit zum Herrscherhause durch Ovationen kewiesen. Da der Kaiser die Einmütigkeit der verschiedenen religiöfen Konfessionen sah, so erklärte er in seiner bekannten Rede, daß im Hinblick auf den Erlöser sich unser Volk vereinigen solle, und daß die westfälischen Männer ein schönes Bild solcher Gesinnung gäben und in diesem Geiste Bürger, Bauern und alle Stände zusammenhalten sollten. Im Sinne dieser Kaiserlichen Kundetebung hat das Zentrum von jeher gearbeitet jum Wohle des deutschen Volkes und des deutschen Vaterlandes.

(Schluß des Blattes.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Nach weisung der Einnahme an Reichsstempelabgabe für Wertpapiere im Rechnungsmonat Dezember 1907.

Rob⸗ solleinnahme

6 3

1210 598 60 70 508

66 796 60

Wertpapiere

„Inländische Aktien und Interimsscheine. Ausländische Aktien und Interimsscheine. .. Inländische Renten⸗ und Schuldverschreibungen ünd Interimsscheine außer den unter IV genannten

Inländische, auf den Inhaber lautende und auf Grund staatlicher Genehmigung ausgegebene Renten und Schuldverschreibungen der Kom munalverbände und Kommunen, der Korpo⸗ rationen ländlicher oder ftädtischer Grundbesitzer, der Grundkredit⸗ und Hypotheken banken oder der Eisenbahngesellschaften sowie Interimsscheine

Renten⸗ und Schuldverschreibungen und In terimsscheine ausländischer Staaten und Eisen— J

Auslaͤndische Renten⸗ und Schuldverschreibungen und Interimsscheine außer den unter V genannten Bergwerksanteilscheine und Einzahlungen auf solche d

156 910

b1 789 75

26 513 45 64 146 3250

T oss z 7p

zusammen: Berichtigung für Oktober 1907.

Zu LX: statt 181 627, 40 zu lesen 183 627,40 ( dd

Berlin, den 14. Januar 1908.

Kaiserliches Statistisches Amt. van der Borght.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Generalversammlung des Deutschen Arbeitgeber— bundes für das Baugewerbe tritt, wie die Vofs. Ztg.“ mitteilt, Montag, 17. über eine reichhaltige Tagesordnung zusammen. Diejenigen Ver⸗ bände, die infolge Beschlufses der außerordentfichen Generalbersamm⸗ lung vom 21. Oktober v. J. die im Frühjahr d. J. ablaufenden Tarifverträge gekündigt haben, werden um Aeußerung, ebenfalls bis jum 31. Januar, ersucht, wie sich die Wirkung dieser Vertrags⸗ kündigung geltend gemacht hat, und wie sich die Verhandlungen über den Abschluß der neuen Verträge gestaltet haben. Bas eingehende Materigt soll fachgemaäß verarbestet und der General- versammlung in Hannover bekannt gegeben werden. Des weiteren werden diejenigen Verbaͤnde, die im ablaufenden Geschäfte jahre von Ausständen oder Aussperrungen betroffen worden sind, wunschgemaäß dem bez. Beschlusse der Generalversammlung in Cöln einen kurz⸗ . Bericht bis Ende dieses Monats Übersenden, um das gesamie

aterial drucken und den Verbaͤnden vor der General versammlung zur Kenntnis bringen zu können.

In Guben hat, wie die „Nordd. Allg. Ztg.“ berichtet, der Arbeitgeberverband für das Baugewerbe den Arbeit⸗ nehmern ein Ultimatum bis jum 15. d. P. gestellt. Falls bis ju diesem Termin der von den Arbeltgebern auf Grundlage des Normaltarifg überreichte Tarifentwurf von den Arbeitnehmern nicht anerkannt und vollzogen zurückgegeben ist, erfolgt nach znstimmigem Beschluß der' Arbeitgeber die Schließung amtlicher Betriebe am TZ6. Januar d. J. Weitere Verhandlungen sollen don vornherein ausgeschloffen sein. Der alte Tarif ift am 31. Be- ember v. J. abgelaufen und von den Maurern und Zim merern seinerjeit gekündigt worden unter Ueberreichung erhöhter Lohnforde⸗ ungen. Die Arbeitgeber lehnten die Lohnerhöhung ab und verlangten die Beibehaltung der bisherigen Löhne.

Zu der bereits gemeldeten Kündigung der Tarifverträge ür das Holjgewerbe in 23 Städten (vgl. Nr. 4 d. Bl.) er⸗ llärte, wie die Rh.. Westf. Itg. aus Essen meldet, der Arbeitgeber- schutzberband für daz Deutsche Holzgewerbe, die Kündigung der Ver⸗ träge sei geboten gewesen, weil der Deutsche Holzarbeiterverband nicht n, sei, der niedergehenden Konjunktur entsprechend, feine Ansprüche . Abschluß neuer Verträge in mäßlgen Grenzen zu hallen. Dle einheit;

He Kündigung aller am? I. Aprik b. J. ablaufenden Verträge mache wärlchon aus dem Grunde notwendig, weil mit Sicherheit Mu er— . sebn daß der Holjarbeiterperband in der Hälfte der 23 Städie r fgetiz kündigen und die zweite Hälfte die Verträge um ein Jahr

schweigend verlängern würde, um die Arbeltgeber getrennt zu

agen. Um diese den Arbeitgebern drohende Gefahr abijuwenden, die Kündigung der Verträge einstimmig beschlossen worden.

ebruar, in Hannover zur Beschlußfassung

In Crefebd hielten, nach demselben Blatte, am 12. d. M. die gabelt n ß f s von 87 Webereifabriken eine Versamm⸗ lung ab, um sich mit der erlittenen Niederlage zu beschäftigen. Den Verbandsleitern und Führern, insbesondere vom (sozialdemokrati—= schen) Textilarbeiterverband wurde die größte Schuld an dem ergebnielosen Ausgang der Lohnbewegung zugemessen. Bei der nächsten Generafbersammlung will! man dies Mißtrauen offen zum Ausdruck bringen. Die Versammlung beklagte es? ferner, daß die dortige sorialdemokratische Gewertschaft ihr Wort nicht ganz gehalten hätte; man babe anstatt der versprochenen 14 tägigen, nur eine Unteistützung für sechs Tage ausbezahlt. Dieser Punkt foll auf der am 8. und 9. April in Leipiig tagenden Hauptversammlung des

Deutschen Textilarbeiterverbandes erörtert werden. (Vgl. Nr. 8 d' Bl)

Wegen Gntlaffung von fünf organisierten Arbeitern sind, wie die Köln. Itg. erfährt, sämtliche Arbeiter der Dachpappen.˖ und Alx bal tfaprit Hoppe u. Röhming in Halle in den Ausstand getreten.

Aus London meldet W. T. B.“, .

der Auestand der Schaffner der Motoromnibusgesellscha

t beendet ist. Die

n gf fh ten nahmen die Arbeit bedingungslos wieder auf. (Vgl. Nr. 2.

Wohlfahrtspflege.

Die öffentliche Anstaltsfürsorge in Elsaß Lothringen sindet für das Jahr 1996 ihre täbellarische Darstellung in dem vor lurkem erstmallg erschienenen Statistischen Jahrbuch für Elsaß⸗ Lothringen“, herausgegeben vom Statistischen Bureau des Kaiserlichen Ministerlums für Elsaß, Lothringen, Es bestehen in den Reichslanden 206 Fürsorgeanstalten, hon denen 86 auf den Bezuk Unterelsaß, 61 auf Dherelsaß und 59 auf Lothringen entfallen. Wie Zahl der' für die Pflegl inge bestimmten Betten beträgt im ganzen 19955 (55s in U. C, 837 in OE. 4846 in L). Im Jahre 1905 wurden in diesen An- stalten 49 776 Kranke verpflegt (27 385, S789 und 13 502). Gegen teilweise oder vollständige Zahlung der Pflegekosten fanden im Jahre 1905 29 553 Pfründner, Sieche und Arme Aufnahme (18 375, 1333

und 846), während 10 222 (918, 1392 und 912) solcher unentgelt⸗

liche Aufnahme fanden. Die Zahl der in den Anftalten unter—

gebrachten und verpflegten Waisenkinder belief sich auf 33833 (1273,

1602 und 958). Das Pflegepersonal (Krankenpfleger, Dienstboten,

ö. ür sämtliche Anstalten bezifferte sich auf 2366 (1162, un ;

Die Hamburg- Amerika, Linie hat, um ihren in den unteren Gehaltsklassen stehenden Beamten des Land und Seedienstes in Fällen vorübergehender Notlage Hilfe zu bieten, eine Kasse errichtet, aus der den Angestellten. gegen ratenweise Rückzahlung und geringe Perninsung Porschüsse gewährt werden sollen. Biese Kasse, untersteht der Leitung der sozialpolitischen Abteilung der Hamburg⸗Amerika . Linie.

Kunsft und Wissenschaft.

Die Königliche Sammlung für deutsche Volkskunde, früher Museum für deutsche Volkstrachten und Grzeugnisse des Haus gewerbes, hier, Klosterstraße 356, wird am 15. Januar d. J. wieder eröffnet werden und ist unentgeltlich wochentaͤglich, außer Montags, im Sommer von 104 Uhr, im Winter von 16 3 Ühr, Sonntags und an den zweiten Feiertagen der hohen Feste im April bis Sep⸗ tember von 12— 6 Uhr, im Oktober und März von 127 —=5 Uhr, im November und Februar von 12—– 4 Uhr, im Dezember und Januar von 12 —3 Uhr zu besichtigen.

Geschlossen ist die Sammlung am Neujahrstage, am Kar— freitag, am Himmelfahrtstage, am Bußtage und an den ersten Tagen der hohen Feste.

Die Museumgräume sind eiweitert und erneuert worden; die Aufstellung der Sammlung konnte infolgedessen übersichtlicher als früher gestaltet werden. Der Führer durch die Sammlung ist in neuer Auflage erschienen.

Bauwesen.

Der Architektenverein zu Berlin stellt folgende Preis⸗ aufgaben zum Schinkel ⸗Fest 1909: 1) Auf dem Geblete des Hoch baues; Entwurf zu einem Erziehungsheim. In der Nähe einer Großstadt soll auf einem schönen, an Wald und See ge⸗ legenen Gelände ein. Etziehungsheim für Knaben errichtet werden. Während die schulmäßige Ausbildung der eines Gymnasiums entsprechen soll, ist ein Teil der Schüler in einzelnen Lehrerwohngebäuden ju einem Wohnungsheim zu vereinigen. Gleichzeitig sind besondere Einrich⸗ tungen für die körperliche Pflege und Ausbildung sämtlicher Schüler zu treffen. Außer den 146 Zögllngen der Anstalt follen noch bis zu 220 Schüler aus der Stadt und den umliegenden Ortschaften am Unterrichte teilnehmen können. 2 Auf dem Gebiete des Waßsser— baues: Umgestaltung der Wehr“, Schleufen. und Kraft⸗ anlage in der Weser bei Münden. Bei Münden befinden sich sowohl in der Fulda wie in der Werra Wehr und Schleusen⸗ anlagen, neben denen die Wasserkraft durch Mühlen ausg⸗ genutzt wird. Die Schleusen sind verhältnigmäßig neu und entsprechen dem Verkehrsbedürfnis jzur Zeit in aus reichender Weise. Sollte indes der im Gebiet der Werra sich entwickelnde Kalibergbau zu einer Kanalisterung dieses Fluffes führten, so muß die Werraschleuse wegen ihrer für den Großberkehr unzureichenden Ab⸗ messungen umgebaut werden. Die Ausnutzung der Wafferkraft an der Werra ist bisher ungenügend und kann nur durch einen voll— ständigen Umbau der Mühle verbessert werden, der auch wesent. liche Teile der Werrawehre einbegreifen müßte. Das voraussichtlich 200 Millignen Raummeter fassende Waldecker Sammelbecken bal den Zweck, zu Zeiten ausreichender Wasserführung der Weser Wasser aufzuspeichern und diefe dem Strome bei Niedrig⸗ wasser derart zuzuführen, daß abgesehen von selten wiederkehrenden Jahren außergewöhnlicher Trockenheit die Weser unmittelbar unter⸗ balb Münden demnächst nicht weniger als 40 Rm. / Ser führen soll. Es kann in Frage kommen, die Wehr-, Schleusen⸗ und Kraftanlagen in der Werra und Fulda ganz zu beseitigen und unterhalb des Zusammen⸗ flusses beider in der Weser eine neue Gesamtanlage zu schaffen. Der Entwurf für diese bildet den Gegenstand der Aufgabe, wobei hesonderer Wert auf, den Nachweis gelegt wird, in welchem Grade die neue Gesamtanlage neben) der Erreichung sonstiger Zwecke als wirtschaftlich und ertragreich angesehen werden kann. 3) Auf dem Gebiete des Eisenbahn baue s; Entwurf zur Her⸗ stellung einer Bahnverbindung von Troisdorf längs der vorhandenen rechts rheinischen Bahn mit der Ahrtalbahn bei Bodendorf und der linksrheinischen Bahnstrecke bei Sinzig. Zur Verbesserung der Verkehrsfestung oll die genannte Bahnstrecke viergleisig ausgebaut und durch Herstellung eines neuen zweigleisigen Rhein überganges sowohl mit der Ahrtalbahn in der Richiung auf Bodendorf, wie mit der linkerheinischen Bahn ftrecke bei Sinzig verbunden werden. Auch ist eine zwei⸗ gleisige Verbindung jwischen Bodendorf an der Ahrtalbahn und Sinzig voriusehen. Die neuen Bahnverbindungen follen vorjugsweise dem Güterverkehr dienen, die Benutzung auch . den Personenverkehr soll aber nicht auggtzeschlossen sein. Bie Ent cheidung darüber, wie die Gleispaare beim viergleisigen Ausbau der rechtsrheinischen Strecke benutzt werden sollen Trennung nach Personen. und Güterverkehr, oder nach Fern⸗ und Ortsverkehr bleibt dem Verfasser überlassen, ebenso die Entscheidung darüber, ob die Gleise auf der freien Strecke und in den Stationen nach Linien, oder Ri tungtbetrleb angeordnet werden. Die getroffene Wahl ist aber eingehend zu begründen.

Die Mitglieder des Architektenvereins werden eingeladen, sich an der Bearbeitung der vorstehenden Aufgaben zu beteiligen, und ersucht, die Arbeiten his zum 20. November 1908, Nachmittags 2 Uhr, in der Geschäftsstelle, Wil helmstr. 92 93, abzuliefern. Näheres über diese Preigaufgaben ist bei dem Architekten verein in Berlin zu erfahren.

Land⸗ und Forstwirtschaft. uebersicht 1

über die Zahl der Studierenden an den höheren land⸗ wirtschaftlichen Lehranstalten Preußens

im Winterhalbjahr 18078.

Bezeichnung der Lehranstalt.

Sospi⸗ zu tanten sammen

Studie⸗ Neu ein⸗ rende aus getretene

früheren Studie⸗ Semestern rende

Landwirtschaftliche Hochschuls Berlin. 468 321 983

Landwirtschaftliche Akademie Bonn⸗ ; Poppelsdorf... 393 69 26 488

zusammen 361 390 220 471. Außerdem nehmen an den bei der Landwirtschaftlichen Hochschule und der Universität Berlin gemeinsam gehaltenen Vorlesungen 366 Studierende der Universität teil; ferner zählen als Hörer der Land— wirtschaftlichen Hochschule Berlin noch 77 Studierende der Tierärzt— lichen Hochschule. ͤ Von den vorgedachten 1471 Studierenden stammen aus: der Provinz Ostpreußen . 47 Studierende, Westpreußen .. 50 Brandenburg ein— schließlich Berlin . 186 . . 11' n, 195 1 Schleswig⸗-⸗Holstein . 28 w 1 4 ‚. Hessen⸗Nassau ... 93 k den Hohenzollernschen Landen... 1 aus Preußen somit, einschließlich mes außerhalb Preußens wohnhaften Preußen 1994 Studierende, aus den übrigen deutschen Staaten . . 170 . aus dem Gebiet des Deutschen Reschõ 1 1m, ferner aus dem Auslande... . . 207 ö zusammen, wie oben 1471 Studierende.

Sandel und Gewerbe.

Die gestrige Sitzung des Zentralausschusses der Reichsbank eröffnete der Vorsitzende, Präsident des Reichs— bankdirektoriums Havenstein, indem er mit Worten warmen Dankes seines Amtsvorgängers, des in den Ruhestand getretenen Präsidenten Dr. Ko gedachte. Demnächst führte er im Anschluß an die vorgetragenen Zahlen der letzten Wochenuͤbersicht aus, daß der am Jahresschluß auf das äußerste angespannte Status der Reichsbank bis zum 7. d. M. eine merkliche Erleichterung erfahren habe. Die Gesamtanlage sei um 376 die Wechselanlage allein um 1N Millionen Mark und der Notenumlauf um 170 Millionen Mark zurückgegangen. Der Metallvorrat, dessen Zusammen⸗ setzung am Jahresschluß an einzelnen angegeben wurde, habe sich um 54 Millionen Mark gehoben, die Ver— minderung des ungedeckten Notenumlaufs beziffere sich auf 239 Millionen Mark. Auch seit dem letzten Wochen⸗ abschluß habe sich die Besserung des Status fortgesetzt. Die Entwicklung der fremden Wechselkurse sei als eine befriedigende zu bezeichnen, ein Goldabfluß stehe nicht zu be— sorgen. Gleichzeitig habe die Spannung auf dem inter— nationalen Geldmarkte nachgelassen, in London, Paris und Wien seien die Zentralnotenbanken zu einer Herabsetzun der Bankrate geschritten. Am offenen Markte sei das Gel billiger geworden, der Privatdiskont an der hiesigen Börse habe sich am 10. d. M. auf 478, am 11. auf 5 Prozent gestellt. Unter diesen Umständen erscheine, un— geachtet der noch immer sehr starken Inanspruchnahme der

eichsbank, eine Ermäßigung des Bankdiskonts um ein Pro⸗ zent gerechtfertigt. Der Zentralausschuß stimmte diesem Vor⸗ jhlag einstimmig bei. Schließlich wurden noch einige Hattungen von Schuldverschreibungen zur Beleihung im Lombardverkehr der Reichsbank zugelassen.

(Weitere Nachrichten über Handel und Gewerbe“ s. i. d. Zweiten und Dritten Beilage.)

Verkehrsanstalten.

In Otjihawera (Deutsch. Südwestafrika, einer Eisenbahn— station zwischen Okahandja und Windhuk, ist eine Postanstalt ein— gerichtet worden, deren Tätigkeit sich auf die Annahme und Ausgabe von gewöhnlichen und eingeschriebenen Briefsendungen erstreckt.

Amtlich wird aus New Jork gemeldet: Alle Leitungen in und bei Chieago sind infolge von Hagelwetter unter brochen. Telegramme werden mit der Bahn von Westpille, Michigan City und Peoria befördert.

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause wird morgen, Mittwoch, „Die Entführung aus dem Serail“, unter der Leitung des Kapellmeisters Dr. Strauß und in den Hauptrollen durch die Damen Herjog, Francillo⸗Kauffmann, die Herren Mödlinger, Sommer, Tleban und Krasg besetzt, aufgeführt. Boieldieug komische Oper in zwei Akten „Johann von Paris“ wird als Festvorstellung jum 27. Januar in einer sjenisch und musikalisch neuen Einstudierung egeben werden. Die Damen Hempel, Fran cillo Kauffmann, Rot⸗ n. die Herren Kirchhoff, Knüpfer und Nebe sind Träger der Hauptrollen. Dirigent ist der Kapellmeister Blech.

Im Königlichen Schaußpielhause wird morgen ( Grillparzers Geburtstag) Medea“, mit Frau Poxpe in der Titelrolle, aufgeführt. Den Kreon spielt Herr Molenar, die Kreusa Fräulein Wachner, den Jason Herr Matkoweky, die Gora Fräulein von Arnauld, den Herold Herr Kraußneck.

In der Komischen Oper tritt gelegentlich der Erstaufführung der Oper Louise' morgen jum ersten Male Fräulein H. Linkenbach dom Hoftheater in Mannheim in der Titelrolle vor das Berliner Publikum. Herr S. Burnett, ein neuer Tenor, ist in dieser Vorstellung ebenfalls in einer größeren Rolle beschäftigt Die Einrichtung, in der das Werk in der Komischen Oper gegeben wird, weicht in manchen nicht unwesentlichen Punkten von den seinerzeit in der Königlichen Oper veranstalteten Aufführungen ab. Die Vorstellung beginnt aus— nabmgweise bereits um 7 Uhr. ;

Im Friedrich Wil helmstädtischen Schauspiel hau se ist die Grstaufführung von Ernst von Wildenbruchs Tragödie „König Heinrich‘ auf Freitag angesetzt. Die Vorstellung beginnt 1 . um 73 Uhr.

In den von Inka von Linprun veranstalteten Musik und Melodramvorträgen für die reifere Jugend, deren erfter