1908 / 13 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 16 Jan 1908 18:00:01 GMT) scan diff

land habe dieselbe Not durchzumachen wie wir. In England wirken doch zum Tell dieselben ÜUrsachen auf die gleichen Wirkungen hin. England hat auch einen sehr starken Bevõlkerunge zuwachs. Ander⸗ seits hat es den größten Export und die größte Handelsflotte der Welt; seine Zahlungsmittel sind aber nicht in jedem Moment so liquid wie diejenigen Frankreichs. Wir sind weder so west wie England noch wie Frankreich. Den größten Teil unserer Ersparnifse müffen wir für das Aufziehen unseres beran⸗ wachsen den Geschlechts aufwenden. Diese Aufwendung und diejenige für das Wohnungsbedürfnis des Zuwachses der Bevölkerung machen jährlich allein etwa 16606 Millionen aus, die Frankreich Deutsch⸗ land gegenüber spart. Die neuen Zölle baben die landwirt⸗ schaftliche Produktion nicht in dem versprochenen Maße gesteigert. aher die so fühlbare Verteuerung der Lebensmittel. In steigendem Maße wird Getreide und werden Futtermittel ein- efuͤhrt, und zwar weil wir es brauchen, denn jum Vergnügen ge— chiebt es doch nicht. Mit unserer Ausfuhr in Industrieartikeln und mit den Frachteneinnahmen unserer Schiffe müssen wir bezahlen, was wir vom Auslande brauchen. Unsere Handelsbilanz ist allerdings im höchsten Grade passib; die Zahlungsbilanz ist wohl aktiv, aber nicht in jedem Augenblicke. Das einzig wirklich brauchbare Mittel, Ab⸗ hilfe zu schaffen, ist eine Besserung der Zahlungsbilanz. Nun ist der Verbrauch von Getreide und Fleisch, wie die Statistit nachweist, wesentlich zurückgegangen; auf der anderen Seite müssen wir für alles, was wir einführen, Industrieprodukte aut führen. Die französische Ausfuhr ist viel größer als die deutsche, das beweist, daß Frankreich seine Zahlungebilanz verbefsert hat. Dasselbe gilt von England. Wir unferseits bleiben tatsächlich mit unserer Ausfuhr seit der Steigerung der Produktionskosten hinter der Steigerung der Bevõlke rungkʒiffer zurück. Wenn wir gegenüber dem Auslande noch fonkurrenzfaͤhig bleiben, so verdanken wir das der Intelligenz der in der Induftrie beschäftigten Ingenieure und Arbeiter. Ich erinnere nur an die Elektrotechnik. Daß in der Tat die Lebensmittel preise gestiegen sind, beweist die neue vreußische Beamtenbesoldungsvorlage, die weniger eine Erhöhung der Gehaͤlter beabsichtigt als einen Aus⸗ gleich für die eingetretene Teuerung. Je mehr Geld aus—⸗ gegeben wird, um so mehr steigt die Nachfrage nach Geld, un so knapper wird es, um so höher steigt der Zins fuß. Die Reichebank kann nicht zugleich Hüterin der Währung und Pumpftation sein. Scheckgesetz und Postscheckrver kehr sind an sich gut, die Hauptfache aber bleibt eine gute Zahlungsbilanz, wenn wir auf diesem Gebiete zu wirklich gesunden Verbältnissen gelangen wollen. Der Fehler liegt an der Zollpolitik, und Sie (rechts) haben allen Grund, on Ihre Brust zu schlagen und zu rufen: mea culpa, mea maxima eulpa!

Hierauf wird gegen die Stimmen des Zentrums, der Polen und Sozialdemokraten die Besprechung der Inter⸗

pellation geschlossen. Es folgt die Interpellation der Abgg. Seyda und Genossen: ;

Wie will der Herr Reichekanzler den von der Königlich vreußischen Regierung im dortigen Landtage eingebrachten Gesetz entwurf über Maßnahmen zur Stärkung des Deutschtums in den . Westpreußen und Posen in Einklang bringen mit dem

eiste der Reichs verfassung und den Bestimmungen des Bürger lichen Gesetzbuches?

Welche Schritte gedenkt der Herr Reichskanzler zu tun, um die durch die vorgesehene Enteignung des Grundbesitzes von Reichs⸗ angehörigen aus politischen Gründen bedrohten Grundfesten der Rechts, und Gesellschaftsordnung ju sichern?“

Auf die Frage des Vizepräsidenten Kaempf, ob und wann der Reichskanzler zur Beantwortung bereit sei, er⸗

widert der Staatssekretãr des Reichsjustizamts Dr. Nieberding:

Ich habe auf die Anfrage des Herrn Präsidenten im Namen des

Herrn Reichskanzlers folgendes zu erklären:

Die Interpellation verlangt eine Erklärung des Reichskanilers äber das gesetzgeberische Vorgehen eines Bundesstaats, das die Ent⸗ eignung von Grundstücken zum Gegenstand hat. Die Reicheverfassung enthält keine Bestimmung, welche einem solchen Vorgehen entgegen wäre. Auch das Bürgerliche Gesetzbuch enthält solche Bestimmungen nicht. Der Artikel log des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmt, daß die landesgesetzlichen Vorschriften über die im öffentlichen Interesse erfolgende Entziehung, Beschädigung oder Benutzung einer Sache, Beschränkung des Eigentums und Entiiehung oder Beschränkung von Rechten unberührt bleiben. Die Maßnahmen, auf welche die Interpellation sich beneht, gehören somlt zur Zuständigkeit der Landesgesetzgebung, die dabei nach den Vorschtiften und nach dem Geist der Reichsverfassung einer Ein⸗ wirkung der Organe des Reichs nicht unterliegt.

Mit Rücksicht hierauf habe ich zu erklären, daß der Herr Reichekanzler die Beantwortung der Interpellation ablehnt. (Bravo!

rechts.

Auf Antrag des Abg. 4 . (Pole), der durch die Sozialdemokraten, Freisinnigen, Polen und das Zentrum unter⸗ stützt wird, findet eine Besprechung der Interpellation statt.

Abg. Seyda (Pole): Es ist Gepflogenheit, die parlamentarischen Debatten mit Rube und Sachlichkeit zu führen; aber es gibt Situatlonen, wo das Rechttzgefübl sich derartig aufbäumt, daß die Seele in ihrem Innersten aufgewühlt ist und man laut aufschreien möchte: Hier geschieht etwas Unmenschliches, hört und helft! In dieser Lage befinde ich mich; ich soll Ihnen die Inter Fellation begründen, die nach den Rechtsgründen der preußischen Regierung für ihre neueste Vorlage fragt. Die Vorlage soll die Regierung ermächtigen, die Grundbesitzer, die ibr im Wege steben, zu enteignen. Ueber Tausenden meiner Landsleute schwebt das Damollesschwert des Verlustes ihres Grundbesitzes; sie sollen von Haus und Hof vertrieben werden! Schon hat man daß polnische Volk um das Recht gebracht, Wohnstätten für seinen eigenen Bedarf zu errichten; es ist schon dahin gekommen, daß polnische Bewohner auf ihrem eigenen Grund und Boden in Erdhöhlen und in Zigeunerwagen hbausen müssen. Diese Zustände sind schon zu einer traurigen Berühmtheit in der Welt geworden. Heute aber geht die preußische Regierung noch welter in der Vergewaltigung des polnischen Volkes. Als die Hakatisten im vorigen Jahre die Forderung der Enteignung aufstellten, haben wir gelafssen und ruhig diese Nachricht aufgenommen, denn wir hielten nicht für möglich, daß die preußische Regierung im 20. Jahr. hundert einen derartigen Gesetzentwurf, die Enteignung eines Teiles der Bevölkerung aus politischen Gründen, vertreten könnte. Aber wir haben uns getäuscht; sie hat diesen Entwurf eingebracht. An die Stelle der biken Ruhe und Gelassenbeit ist sofort die slärkste Beunruhigung getreken, und alle Mittel sind von polnischer Seite erwogin worden, um diesen unerhörten Entwurf zu bekämpfen. Wir sind fofort überzeugt gewesen, daß diese Vorlage nicht mit der Verfassung und dem , in Einklang steht. Wir sind von der Absicht einer Interpellation aber zurückgekommen, weil wir annahmen, diese Vorlage würde abgewiesen werden, weil wir annahmen, daß die Konserpativen inen solchen Eingriff ins Privateigentum, einen solchen Angriff auf die Grundlage der beutigen Staats- und Gesellschaftsordnung nie und nimmer aksep⸗ ieren wärden. Wir haben uns auch darin getäuscht; der Gesetz⸗ entwurf ist von der Mehrbeit des Landtages gebilligt worden. Da haben wir diese Interpellation eingebracht, damit auch der Reichstag feine Meinung aussprich⸗ über die Vereinbarkeit des Entwurss mit der Reichsgesetzgebung. Wir haben sie aber auch eingebracht, weil

der Kanzler ausdrücklich erklärt hat, das Germanisationswerk der preußischen Regierung sei auch ein eminent deutsches Kulturwerk. (Der Redner verlieft die betreffende Stelle) Wenn das die Meinung des Kanzlers ist, dann verstehe ich nicht, daß heute sein Vertreter erklären konnte, der Reichstag sei nicht zuständig für die Sache; woher will er sich vergewiffern, ob er die Mehrheit des deutschen Volkes für feine Politik hat, wenn nicht in diesem hoben Hause? Und ich muß es als eine Mißachtung dieses Hauses bezeichnen, wenn er wie bei früheren Gelegenheiten so auch jetzt wieder die Beantwortung der Interpellation abgelehnt bat. Es kommt garnicht darauf. an, ob die Enteignung nur beschränkt und nur gegen Entschädigung erfolgen soll; es kann das Unrecht nicht entschädigt werden, das den Polen zugefügt wird dadurch, daß sie gegen ihren Willen von sjhrem Boden vertrieben werden. Auch darauf kommt es nicht an, daß die Vorlage geflissentlich jeden Ausdruck vermeidet, daß sich das Gesetz gegen die Polen richte; man weiß ja doch, daß die deutsche Bevölkerung nach Möalichkelt oder überhaupt damit verschont bleiben soll. Es wird hier ein Angriff gegen die heiligsten Rechte der pol nischen Bevßblkerung gerichtet. hefe verflößk die Vorlage gegen die Grundsätze der preußischen Verfassung; und trotz der eben gehörten Erklärung bom Bundesratstische sind wir und der größere Teil des deutschen Voltes überzeugt, daß die Vorlage auch mit der Reichs ver⸗ faffsung und den Reichsgesetzen im Widerspruch steht, eine flagrante Verletzung dieser Bestimmun gen, besonders des Art. 3 der . darftellt. Im ganzen Reiche sollen alle Reichs- angebörigen gleich behandelt werden. Wenn ein Bundesstaat seine eigenen Angehörigen differenziert, so widerspricht das dem Geifte der Reichsverfafsung; eine ausdrückliche Bestimmung dagegen hat die Reich verfafsung bloß deꝛhalb nicht aufgenommen, weil man an eine folche Ungeheuerlichkeit gar nicht gedacht hat. In Preußen be⸗ standen ja schon vorher die Bestimmungen der Verfassung, daß alle Preußen vor dem Gesetz gleich sind. Auch das Freinũgigkeitsgesetz wird derletzt, insoweit es jedem deutschen Reichsbürger überall die Erwer. bung von Grundeigentum gestattet. Es kann doch keinem Zweifel unterliegen, daß der Sinn dieser Bestimmung der ist, es soll kein Reichsangehöriger durch irgend eine Landesgesetzgebung ge. hindert werden, an irgend einem Orte des Deutschen Reiches fich niederzulaffen und Grundbesitz zu erwerben. Wie wollen Sie damit die neue Enteignungsvor 2. in Einklang bringen? Sie ist eine flagrante Rechtsverletzung. ir sind der sesten Ueberzeugung, daß die Mehrheit des Hauses uns darin beistimmt, daß das geplante Gesetz nicht nur mit der preußischen, sondern auch mit der Reichs⸗ 6 in Widerspruch steht. Der weitere Gedanke, dem wir in unferer Interpellation Autdruck gegeben haben, erscheint uns noch wichtiger, daß nämlich die Enteignung von Grundeigentum aus politischen Gründen im Widerspruch mit dem allgemeinen Rechtẽbewußtsein der ziwiliserten Welt und. mit den Grund= lagen der heutigen Staats. und Gesellschaftsordnung stebt. Die Staatsraifon ist nichts als das Wohl der modernen Machthaber. Deswegen haben auch die modernen Verfassungen die Unverletzlichkeit des Grundeigentums festgelegt. Die Einbringung der Vorlage ist der schwerste Rechtsbruch, den man sich gegenüber der r,, Be⸗ völkerung vorftellen kann. Wir werden dem Hause Gelegenheit geben, feiner Meinung Ausdruck zu geben, indem wir an geeigneter Stelle des Etats eine Resolution einbringen werden. ö.

Abg. Graf Hom pesch (Zentr): Meine Freunde haben beschlossen, ihre Stellung ju dem preußischen Gesetzentwurf durch folgende unzweldeutige Erklärung zum Ausdruck ju bringen: Der dem preußischen? Landtage vorliegende Gesetzentwurf, betreffend Maß⸗ nahmen zur Stärkung des Deutschtums in den Provinzen Westpreußen und Posen, verstößt nach unserer Auffassung gegen die in den Rechten aller Kulturvölker anerkannte Gleichheit der Staatsbürger und gegen die durch das Bürgerliche Gesetzbuch gewährleistete Unverleblich⸗ keit des Eigentums. Es ist ein Schritt zum sonaliftischen Staat. Auf dem Boden der herrschenden Gesellschaftsordnung stehend, müssen wir uns gegen diese Vorlage um 1 mehr wenden, als sie nicht zur Versöhnung der Bewohner der elnzelnen Landesteile fübrt und die Intereffen der deutschen Bevölkerung innerhalb und außerhalb der Grenzen zu beeinträchtigen geeignet ist.

bg. von Gersdorff (dtons): Namens meiner Freunde er= kläre . daß wir in Ueberelnstimmung mit der von den verbündeten Reglerungen eingenommenen Stellung die Zuständigkeit des Reichs. tags fũr , , . ö Einmischung des Reichstags in preußische Angelegenheiten zurũ en. . *

. . el von Gamp-⸗Massaunen (Rp.): Meine politischen Freunde schließen sich der Auffassung des Vorredners vollkommen an. Eine Zuständigkeit des Reichstags ist in dieser Frage nicht begründet.

Abg. Steg (ul): Meine politischen Freunde haben es sich sehr wohl überlegt, ob es jweckmäßig sei, auf die Beantwortung der Interpellation einzugehen oder nicht. Es wäre guch uns außer- ordentlich leicht und unter Umständen für meine Person etwas be⸗ quemer gewesen, wenn auch ich namens meiner politischen Freunde eine ähnliche Erklärung abgeben konnte, wie wir sie soeben gehört haben. Wir haben aber davon Abstand genommen, und ich halte mich deshalb für verpflichtet, unsere Stellung zum Ausdruck zu bringen. Zunächst find wir einstimmig der Ansicht, und diese teilen auch namhafte Juristen unter ung, daß die von dem Staatosekretär Br. Rleberding abgegebene Erklärung durchaus das Richtige trifft. unzweifelhaft behält Art. 199 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch die Enteignung den Einzelstaaten vor. Wäre das richtig, was der Vorredner über das Freizügiskeitzgesetz gesagt bat, fo könnte man dasselbe gegen jede Enteignung lagen. An Liebe zur Scholle stehen wir deutschen Bewohner des Ostens keinem Polen in irgend einer Weise nach. (Lebhafte Unruhe bei den Polen, im Zentrum und bei den Sozialdemokraten; Zurufe.) Warten Sie doch ab, Geduld, ein bißchen Geduld. Also wir stehen da nicht nach. (Fortdauernde große Unruhe. Der Präsident Graf zu Stolberg bittet um Ruhe) Mich bringen Sie durch Ihre Unterbrechungen nicht aus der Faffung! Wie läßt sich nun aber ein solcher Schritt der preußischen Regierung erklären? Wenn wir successipe verfolgen, was sich in den letzten 26. 25 Jahren ereignet hat nach Gründung des Deutschen Reiches, so sehen wir, daß in fast allen Ländern das Nationalgefühl sich g stärkt hat. Die Polen haben in Oesterreich, Rußland und Deutschland angefangen nachzudenken, daß sie auch exiftieren, und es sind Bestrebungen in die Erscheinung getreten, die darauf hinausgingen, die Ideale, die Sie (iu den Polen) haben, und die wir Ihnen keineswegs aus dem Herien reißen wollen, zu ver wirklichen. Nun leben in Westpreußen und Posen eine große Masse Polen, diese haben fie r. den Wunsch gehabt, mit den Polen in Oesterreich und Rußland immer von neuem Fühlung zu bekommen. Wenn nun in den Grenjprovinzen Westpreußen und Posen ein kompakter Stamm von Polen vorhanden ist, die Zahl sst gieichgältig, und wenn man diese auf einen bestimmten Punkt zusammenführen kann, so kann das unter allen Umständen, wenn Deutschland in eine kriegerische Gefahr kommt, namentlich wenn es zu einem Kriege mit dem Nachbarstaate Rußland kommt, zu einer nationalen 5 von eminenter Bedeutung für das Deutsche Reich werden. Ich erkenne sehr gern an, daß die Polen 1864, 1865, 1870 ihre Schuldigkeit getan haben. (Aha! bei den en Jawohl, das haben sie getan, vorher aber gab es eine Zeit, da sa es ganz anders aus. Auch heute würde es ganz anders aussehen wie 1870 ufw. .. . (Fortgesetzte große Unruhe und Zurufe; der Präsident bittet, den Redner nicht fortwährend zu unterbrechen) Die preußlsche Regierung würde ihre vornehmste Pflicht verletzen, wenn sie irgend etwas unterlassen wollte, was zur Sicherung der Grenzen notwendig ist. Ich will hier durchaus nicht auf BPetails eingehen, nicht auf Preßäußerungen. Sie (zu den Polen) sönnten mir sagen: das ist die Aeußerung eines einzelnen, aber immerhin sind doch mancherlei Erscheinungen hervorgetreten, die viele Deutsche ganz außerordentlich bedenklich gemacht haben. Vor 20 Jahren war von Kosgcielekt persona grata; er ging zu Hof, wirkte für die Marine, und alles war eitel Freude. (Zuruf: Hakatisten ) Ach nein, die gab es damals noch gar nicht. Darauf ging er nach Lemberg, dinierte sehr gut, trank vielleicht ein Glas über seinen Durst, entdeckte sein Herz, und

von Stund an trat er ganz anders auf. f bei den Polen.) Nun, er hat doch seitdem Zeit eha Derselbe Mann geht heute nach mischt sich in Dinge ein, die ihn gar nichts hält eine Rede, ö 'ich

geschritten ist nd die Konsequenzen aus seiner (Erneute Unterbrechungen bei den

zu werden!

(Lebhafte unte brech gn ussisch⸗ Polen

ts angeben, um Regierung sofort enn. Rede gezogen hat. Das gehört fehr wahl

die russische

Polen.)

hierher, um die n, Ten solcher Leute, die sich in den

Vordergrund stellen und von L 96 kei den Polen.) Es ist ganz egal, ob er

oyalität sprechen, in Frage zu zie f da , ar g

ie ihn doch ab, Sie können ja nachher das Gegenteil sagen.

Run find ja unzweifelhaft Bestrebungen unter den handen, auch

Polen dor.

der Presse, die eine Verständigung wollen.

Die Erklaͤrung des Abg. von Dziembowski in der Kemmission d preußischen Abgeordnetenhauses war ja durchaus freundlich. ein

würdig und entgegenkommend und beruhte auf dem ku der polnischen Fraktion. Ja. Ihre (zu den 23 Handlungen sind immer anders gewesn

Besch wesen.

als Ihre Worte. Ein einsichtiger polnisch - katholischer Schulmann hat

einstimm so ist es immer 9

Haben Sie denn schon den Schulstreik vergessen;

mir Un⸗

umwunden erklärt, daß dieser Streik das größte Unglück gewesen wir was überhaupt geschehen ist. (Zuruf bei den Polen: Das gehört nich

hierher) Gewiß, das gehört jur

otivierung, um ju beweisen, de

unter solchen ÜUmständen die Enteignung im nationalen Intereff

notwendi lachen, wesen.

.

erscheint. nd wahrscheinlich noch nie in einer Grenjprovinz ge.

Wenn wir jetzt eine Brücke um die

(Lachen bei den Polen.) Die Herren, die

überall Festungen bauen, sie wer, andere bauen im Interesse der

andes verteidigung, so muß man auch die letzte Schlußfolgerun siehen in bezug auf die Enteignung. Ich mache kein Hehl bann, daß ich persönlich auf dem Standpunkt stehe, daß die Enteignung

nicht nur gegen die darf. (Zurufe links.) ag ver d en,. a em Beschlu er ; In der jetzigen Fassung aber und namentlich in der

.

Polen im Gesetz zum Ausdruck kommen Was ist denn los? Wenn der Entwurf verabschiedet worden. watt

Ab; eordnetenhause so hätte dagegen

Kommission,

egrenzung der Enteignung sehen wir den Ausdruck davon, daß doch

nicht alles enteignet werden

soll, die , , wird auf

70 000 ha beschraͤnkt. Ich glaube ferner, daß die Enteignung in allgemeinen in großem Ümfange nicht stattfinden wird; ein ganjer Tell der polnischen Landleute, die heute unter ihrem Joch seufsen und sich ihres Besitzes gern entäußern möchten, werden dies frei,

willig tun.

grundbesitzer aus Polen sich

ch glaube aber nicht, daß ein entäußerter Groß,

da wieder ankauft, der wird stͤh

sein, daß er sein Geld hat, und zieht nach Friedenau bei Berlin. Ich zitiere noch als Kronzeugen den Freiburger Nationalõkonomen von Schulze. Gävernitz, der mit seinem ganzen Denken und Füblen auf der Linken steht, der die Enteignung unter Umständen als Staatk,

notwendigkeit hinstellt. auf Enteignung auf. r; Naumann nach! (Zuruf: Und die Naumannsche

Unsere ganze Kultur baut sich eigentlich Lesen Sie doch die „Hilfe. des A klärung dazu

Die würde ich nicht verschweigen; ich mache das nicht so wie anden Leute! Der Redner verliest einen längeren Task⸗ aus dem betreffenden

Artikel und fährt dann fort:

Wag hier für England geltend ge—

macht wird, gilt auch für uns. Ueber den Wert der Ansiedlunq.

kommission hat Sogar freisinnige A e Die Arbeiter gehen ja

erũhmt.

allmählich gerechter denken gelernt, haben ihre Tätigkeit öffentlich so wie so aus den polnischen

man doch Abgeordnete

andesteilen weg und ohne Grund, sie gehen nach Westfalen, wo se mehr Geld verdienen können; reden Sie doch nicht immer von der

großen Liebe der Polen zu der Heimat!

Unter diesen Umständen

halten wir die Vorlage ü. wohl mit den .. für vereinbar

und überlassen es dem A

geordnetenhause, ob es sie annehmen will

oder nicht; wir haben jedenfalls kein Recht, in diese preußische ee, , , . einzugreifen. Die Polen aber sollten entlich zur Erkenninig kommen und Frieden machen; an ihnen liegt es, dah fie zu der Cinsicht kommen, daß wir uns vertragen müssen. Wir find auf einander angewiesen; wir wollen sie nicht ausrotten; befolgen Ste (ju den Polen) meinen Rat. *

Hierauf wird um 55, Uhr die

ortsetzung der Be⸗

sprechung sowie die Verlesung der Interyellationen wegen det Knappschaftswesens auf Donnerstag 1 Uhr vertagt.

Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

11. Sitzung vom 15. Januar 1908, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau) Das Haus setzt die erste Beratung des Entwurfs det

Staatshaushaltsetats für das

1908 fort.

Rech nungsjaht

über dessen Aut⸗ d. Bl. berichte

Wiemer het . Betriebe

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(Schluß in der Zweiten Bellage.]

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zum Deutschen Reichsan

x 13.

Zweite Beilage

Berlin, Donnerstag, den 16. Januar

*

zeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

1908.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Solche Krisen jwingen das Volk wieder zur Sparsamkeit, zur Cinschränkung seiner läglichen Bedürfnisse, und das ist eine erfreuliche Rirkung dieser Krisen. Die freisinnigen Redner haben auch hler wieder die Forderung vertreten, daß sich das Reich jetzt auf direkte Steuern werfen müsse. In einem Artikel der „Kreuz jeitung' hat Graf Schwerin ⸗Löwitz eine sehr wertvolle Zusammen— stellung über die Belastung der Berölkerung der außerdeutschen Siaaten mit indi ekten Steuern gegeben. Dieses Material (der Redner perliest die Hauptzahlen) sollten sich auch Herr Wiemer und seine

reunde recht gegenwärtig halten, dann werden sie einsehen, daß das e . Reich auf dem Gebiete der indirekten Steuern noch ein weites

eld ju beackern hat, und daß die direkten Steuern den Finzel⸗ ae. zu verbleiben haben. it dem Modus der neuen Anleihe find meine Freunde im großen und ganzen einverstanden. Auch der Zinefuß von 40 ist bei den Geldmarkteverhältnissen wohlangemessen, wenngleich vlelleicht in zehn Jahren wieder andere Verhältnisse herischen mögen. Daß der Finanzminister das Preußenkonsortium unter den gegenwärtigen Verbältnissen nicht veranlaßt hat, ein größeres Risiko zu übernehmen, ist gleichfalls richtig gewesen; die Banken he—⸗ kommen jetzt einen sicheren Gewinn, haben aber gar kein Risiko. Im Gegensatz zu fast allen andern Rednern sind meine Freunde ent⸗ schloffen, die 40 Millionen, die noch zur Erhöhung der Beamten⸗ gebaͤlter fehlen, durch Zuschläge zur Einkommen. und Ergänzungs⸗ steuer aufzubringen. Wir halten es für falsch, Ausgaben, die dauernd

nd, auf Anleihen zu übernehmen. Man soll das richtige Mittel swt anwenden, sobald sich die Krankheit herausstellt. Meine Freunde haben aber durch ch , Beschluß der Fraktion sich dagegen erklärt, daß bei den Zuschlaͤgen eine Bifferenzierung ein⸗ triit und eine bestimmte Grenje nach oben gezogen wird, von der ab die Belastung eintritt. Es entspräche nur der Gerechtigkeit, wenn alle Kreise der Steuerjahler im ganzen Lande, das diese Belastung selbst gewünscht hat, sie tragen. Daß die Höhe dieser Belastung nicht erreicht worden wäre, wenn man schon früher die Gehälter erhöht hätte, ist völlig unzutreffend. Hätte man vor 5, 6 Jahren, wo noch nicht diese Teuerung berrschte, die Erhöhung vorgenommen, fo würden wir ganz sicher jetzt eine zweite Erböhung bekommen, und das würde uns noch viel teurer werden. Der Abg. Friedberg hat mit großer Schärfe gegen den Finanzminister gesprochen, und Herr Bassermann hat im Reichstage ähnliches gesagt; da im vorigen Jahre Herr Friedberg auch einen überaus 6 Vorstoß gegen den abgegangenen Kultusminister machte, komme ich fast zu der Ansicht, daß in diesen Erscheinungen ein gewisser Zusammenhang besteht⸗ ich will das aber nicht weiter urgleren. Herr Friedberg sprach u. a. sogar von einer Bilanzver⸗ schleierung. Wenn er vorschlug, den Eisenbahnetat in einen Betriebs⸗ etat und einen Bauetat zu trennen und die Ausgaben dieses Bauetats wesentlich durch Anleihen zu decken, so würde der Eisenbahnetat, wenn nicht weit mehr als 100 Millionen in dem Exiraordinarium ständen, in den Augen aller anderen Ressorts so günstig erscheinen, daß alle Ressorts einen Anreiz zum Zugriff auf die Eisenbahneinnahmen erhalten würden. Außerdem würden wir dann alle Jahre eine große Anleihe auf dem Markt erscheinen sehen und würden in Preußen dasselbe unerfreuliche Bild wie im Reiche haben und zu derselben Fingnimisere kommen. Deshalb muß, wie bisher, der Anleiheweg so viel wie möglich ver⸗ mieden werden. . der Wasserstraßenabgaben halten es meine Freunde nach wie vor für ein Gebot der Gerechtigkeit, für die enormen Ausgaben auf den natürlichen Strömen einen Ausgleich durch , , von Abgaben zu schaffen, zumal die schreiende Un⸗ gerechtigkeit der Abgabenfreiheit immer mehr verschärft wird, je mehr die natürlichen Ströme durch die enormen Verbesserungen den Charakter der künstlichen Wasserstraßen annehmen. Mit Herrn Pach⸗ nicke bin ich in bezug auf die Besitzverteilung in Pssmern und Ost⸗ preußen als entschiedener Anhänger des Zweimillionenfonds für die innere Kolonisation im großen ganzen einverstanden. In den Landes- teilen, wo die ländliche Bevölkerung sehr dünn gesät ist, wo es dem großen und mittleren Grundbesitz kaum möglich ist, Landarbeiter aus der Umgegend zu bekommen, muß durch innere Kolonifalton eine größere Zahl von angesessenen Landbewohnern geschaffen werden. Ich habe diesen and immer befürwortet. In bezug auf das länd⸗ liche Unterricht'wesen habe auch ich seit 10 Jahren wiederholt auf die großen Unterschiede in den Ausgaben für das gewerbliche und für das landwirtschaftliche Unterrichtswesen hingewiesen und immer nach⸗ drücklich die Förderung des letzteren verlangt. Das ländliche Fort- bildungsschulwesen ist . in erfreulicher Entwicklung begriffen, die Schulen haben sich in wenigen Jahren von 1163 auf 2398 vermehrt. Daß die Steigerung nicht noch erfreulicher gewesen ist, findet seinen Grund in den schwierigen , . Wenn endlich unser Volk nicht wieder zu den w ,. der Sparsamkeit jurückkehrt, die die preußischen Könige, z. B. Frledrich der Große und unser alter Kaiser gewünscht haben, wenn immer größere Anforderungen an den Staat gestellt werden, daß der alles machen und bezahlen soll, wenn Luxus und Wohlleben junehmen statt Sparsamkeit und Einfachheit, so wird unsere ganze innere Entwicklung zurückgehen. Ich wünsche, daß nicht nur eine Gesundung der Finanzen, sondern auch Gottesfurcht, Königstreue, Vaterlandsliebe und einfacher Sinn wieder in unsere Bevölkerung einziehen mögen, damit wir in schwerer 86 in guten, gesicherten Verhältnissen sind und uns bewahren önnen.

Abg. Dr, von Woyna lfrkons.): Nach einem linkestehenden Blatt soll Herr Freiherr von Zedlitz in dem Teil seiner Ausführungen über den Etat, der sich mit der Reichsfinanzreform beschäftigt, sich dafür aus—= gesprochen haben, die größeren Eir kommen durch eine direkte Reichs⸗ steuer heranzuziehen. Herr Freiherr von Zedlitz hat das nicht gefagt. Der Redner verliest zum Beweise dessen den betreffenden Pasfus ) Ich kann Herrn Herold in seinen gestrigen Ausführungen über die Ver— dienste seiner Partei nicht ohne weiteres zustimmen; ich will gern zugeben, daß das Zentrum auf wirtschaftspolitischem Gebiete häufig

für uns erklärt hat, aber um so mehr muß ich es bedauern, daß das Zentrum jetzt auch auf diesem Gebiete eine Aktion unternlmmt, die die Gegensätze fördern muß, daz ist die

orderung des Koalitionsrechtes der landwirtschaftlichen Arbeiter. Nur

erkennung der Umstände kann dazu führen, daß man die besonderen Rechte der gewerblichen Arbeiter ohne weiteres auch auf ländliche Arbeiter übertragen wili. Tut man das, so erleben wir auch noch auf dem flachen Lande Straßendemonstrationen. Bezüglich des Wahl- rechts kann ich nur nochmals die Versicherung abgeben, daß meine politischen Freunde die Politik der Befonnenheit und Kaltblätigkeit nicht aufgeben werden, wir werden prüfen, ob Verbesserungen des be⸗ stehenden Wahlrechts in reußen wünschengwert sind. Es ist ver⸗ schiedentlich von einer Reorganisation der Verwaltung gesprochen worden. Meinen politischen Freunden will es scheinen, 9 wir be⸗ sonderg auf dem Gebiete der Baupolizei und der eterinãr⸗ alu in einem Gewirr von Pelizeiverordnungen ersticken. Cs h hier auf die Ueppigkelt unserer offiziellen Bauten schon

ngewiesen worden, die 16 wenig von Luxusgebäuden unterscheiden. d a ist es erklãrlich daß die jungen Baubeamten mehr nach der Seite . Schönhent bei Bauanlagen e, ,, . werden als nach der Seite

Sicherheit und der Zweckmäßlgkeit. Wenn wir erst auf dem 23 Lande eine Wertzjuwachssteuer haben, wird sich zeigen, welche

geheueren Kapitalien zum Schaden des Umlaufgkapftais in' Bauten

; festgelegt werden, wie Deutschland durch solch unproduktives Bauen

immer ungünstiger dasteht als seine Nachbarländer. Ebenso wird in der scharfen Anwendung von Medizinal⸗ und Veterinärmaßregeln, namentlich auf dem platten Lande, viel zu weit gegangen. Dem Finanzminister gebührt besonderer Dank für den Geist in seiner Ver⸗ waltung, und wir hoffen, daß es ihm gelingen wird, auf alle anderen Ressorts erzieberisch zu wirken, dann wird an Stelle der Polizei verordnungen Vertrauen heirschen, und das ist die beste Grundlage für unser Staatsleben.

Abg. Macco (ul.): Ich hoffe und wünsches daß wir endlich einmal dazu kommen, eine klare und sachliche Uebersicht über den Eisenbahnetat ju bekommen. Bei dem jetzt zu Tage getretenen Defint der Eisenbahnverwaltung haben wir es eigentlich nicht mit einer Augenblicks ũberraschung zu tun, es ist das Resultat unserer ganzen Etatzentwicklung. Seit 1901 sind die angesetzten Ausgaben stets überschritten worden, wir erwarten in der Kommsssion eine Erklärung darüber. Ich fürchte, daß bei der wirtschaftlichen Lage das Jahr 1908 uns statt 100 Millionen Defizit, wie 1907, sogar 150 Millionen Defizit bringen wird. Der Finanzminister hat die von uns vor— e leger, Festsetzung einer Rente der Fisenbahn an die Staats asse bekämpft, aber diese Festsetzung soll * nicht für alle Zeiten erfolgen, sie kann in Abständen von drei Jahren geändert werden. Ein industrielles Unternehmen ist so vorsichtig, seine Reserven im Säckel zu behalten; wenn die Eisenbahnverwaltung in ähnlicher Weise ihre Ueberschüsse vorsichtig behandelt hätte, statt sie zu Staatsausgaben zu verwenden, würde sie sich jetzt nicht in schwieriger Lage befinden. Allerdings hat die Eisenbahnverwaltung noch be⸗ deutende Reserven, nicht nur in der Amortisation und im Ausgleichs- fonds, sondern auch im Ordinarium finden Sie bedeutende Reserven, so sind j. B. 34 Millionen für den Fuhrpark mehr aufgewendet als abgeschrieben. Wir müssen zu einer Verbilligung der Selbstkosten der Eisenbahnrerwaltung kommen, aber das können wir nur mit großen Mitteln. Wir müffen trennen zwischen Betriebsetat und Bauetat, und die Verwendung der Cisenbahnelnnahmen für allgemeine Staatsausgaben muß begrenzt werden. Der Bauetat muß wesentlich durch Anleihen gedeckt werden. Dann kommen wir zu einem richtigen Ueberblick äber die wirklichen Verhältnisse. Ueber die jetzigen schwierigen Ver—⸗ hältnifse werden wir ja hinwegkommen, aber wir müssen an eine dauernde Sanierung der Finanzen kommen. Das System muß gründlich geändert werden, wenn wir in der Zukunft gesichert sein wollen. Es ist immer ein Kampf zwischen Finanzminister und Eisenbahnminister. Der Minister Maybach ermahnte bei seinem Amtsaustritt dazu, dafür zu sorgen, daß der Eisenbahnminister gegenüber dem Finanz⸗ minister gestärkt weide. Aber das System blieb auch unter den anderen Ministern Miquel und Thielen wie vorher; Herr Thielen setzte seine Forderung nur in seltenen Fällen gegen den Finanzminister durch, und unter dem Minister Budde kamen in der Budgetkommission fast dramatische Sienen vor. Herr von Budde war ein praktischer Mann und wußte, was er wollie. Was wir mit dem jetzigen Eisen⸗ bahnminister für Erfahrungen machen werden, wissen wir noch nicht. Aber er hat eine umfassende Kenntnis dessen, was notwendig ist, er hat uns völlige Klarheit über die Verhältnisse gegeben, und wir wollen wünschen, daß er seine Ansichten zur Tat werden läßt. Eine Kontrolle des Finanzministeriums über das Eisenbahnministerium ist sicher—⸗ lich notwendig, aber die Einnahmen des letzteren dürfen nicht über⸗ 6 in fer genommen werden für allgemeine Staat zwecke. Nur bei einer festen Begrenzung werden wir zu gesunden Finanz⸗ verhäͤltnissen kommen. ir werden in der Budgetkommission diese Frage ernsthaft erwägen müssen. Wer trägt denn die Verantwortung, daß die Eisenbahnen den wirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechen? Der Eisenbahnminister soll sie tragen, kann es aber unter dem gegen⸗ wärtigen System nicht. Der Finanzminister sprach über den a. und das Wohlleben; man kann ihm darin zustimmen, aber das wirt⸗ schaftliche Leben hat sich so gestaltet durch harte, schwere Arbeit unseres Volkes. Dadurch hat es sich seine wirtschaftliche Stellung in der Welt erworben. Angesichts dieser harten Arbeit kann man unserem Volke nicht den Vorwurf machen, daß es sich der Genuß⸗ sucht hingegeben hätte. Der Finanzminister ermahnte auch dle einzelnen Ressorts zur Sparsamkelt, aber ich möchte bemerken, daß bei unseren Betriebs verwaltungen gerade das Solideste das Allerbilligste ist. Um unsere Stellung in der Weltwirtschaft zu behaupten, sind wir gezwungen, der Weltwirtschaft zu folgen und uns nach deren Konkurrenz zu richten. Worauf beruht eine gesunde Finanz⸗ politik? Auf unserer wirtschaftlichen Entwicklung, wir dürfen des—⸗ halb unsere industrielle und kulturelle Entwicklung nicht hemmen.

bg. Graf Praschma (Zentr.): Auf die Ausführungen des

Abg. Herold ist die Regierung nicht eingegangen, ich kann also annebmen, daß sie im allgemeinen damit einverstanden ist. Herr von Woyna befindet sich damit im Irrtum, daß das Zentrum die Uebertragung des unbeschränkten Koalitionsrechis der gewerblichen Arbeiter auf die ländlichen Arbeiter empfohlen habe. Von uns ist immer nur ausgeführt worden, daß das Koalitionsrecht den ländlichen Arbeitern auf die Dauer nicht versagt werden könne; wenn es aber gewährt wird, so wird das Zentrum alle Kautelen schaffen, damit nicht die schrecklichen Folgen eintreten, die Herr von Woyna befürchtet. Herr Pachnicke bedauerte, daß der Abg. Herold nicht von den Unstimmigkeiten gesprochen habe, die bezüglich des Wahlrechts in unserer Fraktion bherrschten. Es wäre viel interessanter, wenn er aus seiner Fraktion erzählte, wie sie die unbedingte Freiheit der Wahl verlangen kann, da ja sein Spezialkollege Naumann im Berliner . verlangt hat, daß der berühmte Beamtenerlaß des Fürsten Bismarck von 1884 bei den nächsten Wahlen angewendet werden solle, damit die Liberalen im Hause gestärkt würden. (Zwischenrufe links.) Sie wollen doch, daß die Reichspolitik auf das Abgeordnetenhaus übertragen werde, also besteht auch ein Zusammenhang jwischen Ihren Parteien hier und im Reichstag; außerdem ist Naumann ein anerkannter Führer. Es wäre auch interessant, wenn Herr Pachnicke uns erzählte, wie viele Herren seiner Fraktion aus der Erklärung des Reichskanzlers über das Wahlrecht die äußersten Konsequenzen auf die Blockpolitik ziehen wollen und wie viele nicht. Herr Herold hat sich bezüglich des Wahl⸗ rechts auf unsere einstimmige Erklärung vom vorigen Jahre berufen können, und diese stellt den Standpunkt unserer gesamten Fraktion auch heute noch dar. Der Abg. Wiemer hat das Schulunterhaltungs⸗ fi in Grund und Boden verdammt. Ich weiß nicht, ob es seine cht war, aber jedenfalls war es interessant, daß er immer nur vom Schulgesetz' und nicht vom „Schulunterhaltungsgesetz' sprach. Ein Sohne haben wir leider noch nicht. Das Mitglied einer Partei, die sich Volkspartei nennt, sagt aber, daß das Schulunterhaltungs⸗ gesetz nur den Wünschen eines minimalen Teils des Volkes entspreche, während es tatsächlich die Lasten des Volkes für die Schulunterhaltung ganz erheblich gemindert hat, also den 1 3 eines großen Teiles der Bevölkerung entgegengekommen ist. Der Abg. Schaedler im Reichs⸗ tage hat nicht, wie Herr Wiemer sagt, gemeint, die Schule gehöre allein der Kirche, sondern nur, daß vier Gemeinschaften an der Schule interessiert seien: Familie, Gemelnde, Staat und Kirche, und daß in erster Linie die Eltern das entscheidende Wort zu sprechen hätten, während es in der französischen Revolution hieß, daß das Kind zuerst der Republik und dann erst den Eltern gehöre. Der Abg. Porsch, auf dessen Rede auf dem Katholikentage Herr Wiemer sich berief, hat darin nur gesagt: Die Schule soll nicht bloß unterrichten, sondern den Menschen erziehen für Zeit und Ewig—= keit; deshalb muß die Erziehung eines Volkes in der Schule den An⸗

forderungen der Kirche entsprechen, und das ist keine Beeinträchtigung des Staatzs, denn solange der Staat das Schulmonopol hat, ist er verpflichtet, in den Schulen, in die er die Kinder christlicher Eltern hineinschickt, dafür zu sorgen, daß die kirchlichen Anforderungen darin ibre volle Sicherheit finden, sonst würde er Gewissenszwang ausüben.“ Diesen Standpunkt werden wir festhalten und verteidigen. Wir werden uns auch die Kontrolle im Parlament nicht nehmen lassen, ob der Staat d iese Pflicht erfüllt. Wenn Herr Wiemer meintz es wãre traurig um den preußischen Staat bestellt, wenn der Staat in der Schule der Kirche bedürfte, so sage ich, es wäre um ihn traurig bestellt, wenn er die Kirche in der Schule nicht mehr dulden wollte. Die Schule ist im Schatten der Kirche entstanden, und der Schulmeister von Königgrätz ist unter geistlicher Erziehung aufgewachsen. Sodann hat Herr Herold nicht gesagt, wir wollten im Reiche bei der Finanzreform nicht mitarbeiten, weil wir aus— geschaltet seien, sondern nur: wir wissen nicht, wie die Verhältnisse im Reich sich gestalten, und ob neue Steuern gelingen werden, das Zentrum weiß es am allerwenigsten, denn wir find ja von der Mit- wirkung überhaupt ausgeschaltet, und uns aufzudrängen, haben wir keine Veranlassung. Herr Wiemer sollte sich doch daran erinnern, daß die letzte Reichs finanzteform unter Mitwirkung des Zentrums gemacht werden ist, daß sie aber von der Partei des Herrn Wiemer damals ab⸗ ginnt wurde; es ist ihm vielleicht nicht lieb, daran erinnert zu werden. ch möchte Herrn Wiemer daran erinnern, daß gerade bei der letzten Marine vorlage das Zentrum die Deckungsfrage aufgerollt und erst deren Lösung durchgeset hat. Die ,, , , stimmen jetzt für die Flotte ohne Rücksicht auf die Deckungsfrage. Wir wollen wobl mitarbeiten im Reichstage, aber es wäre doch lächerlich, wenn jetzt, wo das Zentrum ausgeschaltet ist, wir im Reiche mit neuen Steuer⸗ vorschlägen die Initiative ergreifen wollten. Wir werden ruhig ab⸗ warten, was Sie (links) tun werden. Herr Wiemer meinte, es hätte aus der Rede des Herrn Herold viel Wehmut geklungen. Ich kann ibm sagen, wir befinden ung viel wohler, seitdem wir nicht mehr in der früheren Lage sind, wo kein Gesetz durchgehen konnte, ohne daß wir zustimmten, wo wir immer auf Kompromisse angewiesen waren und in der Gefahr von Konflikten standen. Herr Dr. Wiemer hat gestern seine Genugtuung darüber ausgesprochen, daß seine Fraktion als Faktor der Gesetzgebung besonders für Kirche und Schule jetzt ein⸗ treten könne. Dagegen werden wir uns immer mit aller Macht wenden, und wenn Sie (nach links) erklärt haben, daß der ganze Wert des 13. Dezember darin bestände, daß das Zentrum , , worden sei, so können Sie sich darauf verlassen, daß wir uns nicht ausschalten lassen und weiter arbeiten werden für Volk und Vaterland. Im übrigen können wir warten, und wir werden warten, denn eine Partei wie die unsrige kann auf die Dauer nicht ausgeschaltet werden, und eine 1 wird sie auch nicht ausschalten. Abg. Gy ßling (fr. Volksp.) bemerkt zu den letzten Worten des Abg. Grafen Praschma, daß gerade diese Rede beweise, wie richtig die . der Freisinnigen gegenüber dem Zentrum sei. Wenn auch der Abg. Porsch gestern die Bedeutung seiner Worte über den Einfluß des Zentrums, auf das Volksschulunterhaltungs⸗ gesetz abgeschwächt habe, so bleibe es doch dabei, daß Dr. Porsch auf dem Katholikentag seine Genugtuung über die konfessionelle . der Kinder durch dieses 85 ,, ,,. habe. Auch in bezug auf. das Wahlrecht für Preußen sei die Haltung des Zentrums eine zweifelhafte, 17 Herren vom Zentrum hätten den da⸗ maligen Antrag zuerst nicht unterzeichnet, mindestens habe Graf Strachwitz außerhalb des Hauses gegen das Reichswahlrecht ge⸗ sprochen. Die Politik seiner Freunde geschehe nicht dem Fürsten Bülow zuliebe, sondern lediglich aus sachlichen Gründen. (Zurufe aus dem Zentrum: Ebenso bei uns ). Dann sollten aber auch solche An⸗ griffe auf uns unterlassen werden. Der Redner wiederholt dann die be⸗ reits gestern zum Ausdruck gebrachten Wünsche bezüglich der Berück⸗ at gn der Anregungen des deutschen Anwaltstandes zur Reform der Zivilprozeßordnung, er tritt dann für eine Besserstellung des steno⸗ graphischen Bureaus des Abgeordnetenhauses ein, das dem des Reichs⸗ tags gleichgestellt werden müsse, und fragt an, ob die Beamten k auch bestimmt wenigstens zum 1. April zu erwarten sei. In der Besprechung einzelner Positionen des Etats gibt er seiner besonderen Befriedigung Ausdruck über die Besiedlung von Moorflächen im Hannöverschen. Seine Freunde würden immer eintreten für alle Forderungen, die sowohl auf ideellem Gebiete wie auf finanz⸗ und wirtschaftspolitischem und in bezug auf das Wahlrecht eine Einigung Deutschlands erstrebten.

Darauf wird die Debatte geschlossen.

Persönlich bemerkt der

Abg. Malkewitz (kons.): Bei den vortrefflichen persõnlichen Be⸗ ziehungen zu dem Abg. Pachnicke lege ich Wert darauf, nicht miß⸗ verstanden zu werden. r meinte, ich hätte ihm in meiner Rede am 10. d. Mts. vorgehalten, daß auch er ein Gegner des allgemeinen Wahlrechts sei. Das ist nicht der Fall. Ich habe gesagt, daß es nicht viele in seiner Partei gebe, die eine ganz reine Freude am Reichswahlrecht haben, und habe im Zusammenhang damit etwas aus der Broschüre des Herrn Kollegen Pachnicke vorgelesen, worin er das Reichswahlrecht kritisiert. Ich habe also keine r, mr, . ausgesprochen und werde überhaupt dem Herrn Pachnicke gegen⸗ über gern den Grundsatz vertreten: fortiter in re, suaviter in modo.

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Der Abg. von Arnim glaubte, daß meine Rede gegen den Finanzminister sowie gegen den früheren Kultusminister und die Reden der Abgg. Paasche und Bassermann im Reichstag gegen den Finaniminister in einem gewissen Zusammen⸗ hang stünden. 84 muß diese Unteistellung zurückweisen. Es handelte sich nur um finanztechnische Fragen, und ich habe sonst immer zu meiner Freude zu dem Finanzminister freundliche Beziehungen unter⸗ halten. (Zwischenrufe rechts. Wenn Sie das in so wenig höflicher Weise bezweifeln, so wird es doch so bleiben. Wenn man nicht mehr sachliche Ausführungen machen kann, ohne sich einer persönlichen Ver⸗ dacht fa auszusetzen, so würde ich das bedauern.

bg. Dr. Pachnicke (fr. Vgg.): Ich sehe zu meiner Genug tuung, daß Herr Malkewitz mich nicht hat zum Gegner des Reichs⸗ wahlrechts machen wollen. Meine Bemerkung wegen der Verdächti⸗ gung und bewußten Unwahrheit richtete sich auch nur gegen die sozial⸗ demokratische 53

Abg. von Arnim (kons.): Ich habe die verschiedenen national⸗ liberalen Reden nur aneinandergereiht, also nur eine Tatsache an⸗ Cel t und nur gesagt, daß ich fast zu der Ansicht komme, daß diese

rscheinungen möglicherwelse in einem gewissen Zusammenhang ständen. Ich halte das aufrecht; eine Verdächtigung lag mir voll⸗ kommen fern.

Abg. Dr. Fried berg (ul.): Wenn auch Herr von Arnim nur Tat⸗ sachen aneinandergereiht hat, sie aber doch in einen gewissen Zu⸗ sammenhang bringt, so kann man juristisch mindestens von einem dolus ventualis sprechen.

Darauf wird der größte Teil des Etats an die Budget⸗ kommission überwiesen.

Schluß 31 / Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 11 Uhr. (Zweite Lesung der hee n nenn ,