mann ¶ Breslau), Vogt (Sprottau), Dr. Bruck . ö
Dr. Som merlat (Fra a. M.). Dr. g), Dr. Prein (1 ö uckermann II n
Dr. Gähtgens (Neutomischel, Dr. Kaselowsk M. Berlin); ju Assist. Aerzten: die Unterärzte der Res.: Schrot Belgard), Br. Witt neben II Berlin), Fin deisen (Bitterfeld), Gabmig ¶ Braunschweig), Dr. Heinrich, Dr. Eicke (1 Breslau), Dr. 56 (Bromberg), Dr. Bungart, Dr. Liebreich (Cöln), Dr. Moeller i , Dr. Westdickenberg (. Dortmund), Dr. Krüll (Düsseldors. Dr. Poser . Dr. Pietsch⸗ mann (Elberfeld) Hensell (Hanau), Dr. Hau ser (Karlsruhe), Dr Becker (Kieh, Dr. Assm ann (Königsberg), Dr. Knierim, Dellmuth (Marburg, Dr. Wil helm (Meiningen) Dr. Flas⸗ kamp (Münster), Dr. Kolbe (Naumburg a. S.), Schloß bauer (Vote dam), Kom es (Preußisch⸗Stargard), Dr. Mat har (Rheydt), Dr. Zachen (Schwerin), Dr Pigors (Swinemünde); die Unterärzte der Landw. 1. Aufgebotßz: Dr Jaenisch (II Berlin). Dr. Ab se (Hildes beim), Bierhoff Marburg). Dr. Gottschalk, Oberarit der Res. (Burg), für die Dauer seiner durch Dienstbeschädigung ver⸗ ursachten Dienstunfähigkeit die gesetzliche Pension bewilligt.
Der Abschied mit der Erlaubnis zum Tragen ihrer bisberigen Uniform bewilligt: den Stabsärjten der Resi. Dr. Dinkelacker ( Hamburg) Tr. Borchard (Posen); den Stabgärzten der Landw. 1. Aufgebots: Dr. Heller (1 Braunschweig), Dr. Thielemann nnober), Dr. Troche (Hirschberg), r. Ritter (Minden). Dr. Lie ven (Aachen), Stabsarit der Stabgarzt der Landw. 2. Aufgebots,
Krefft ¶ I Berlin) Dr. Wingen⸗ roth (Mannheim). — Oberärjte der Landw. 1. Aufgebots, Dr. Goecke (Deutz), Oberarzt der Landw. 2. Aufgebots.
Dr. Havemann, Stabaarjt der Landw. a. D. in Neukloster in Mecklenburg, juletzt von der Landw. 1. Aufgebots (Wismar), die Er⸗ laubnis zum Tragen der Uniform der Sanitätsoffijiere des Be⸗ urlaubtenstandes erteilt.
Gvangelische Militärgeistliche.
12. Februar. Scheibe, Div. Pfarrer der 8. Div in Torgau, zur 10. Viv. nach Posen, Backhaus, Div. Pfarrer der 21. Div. in Mainz, zur 8 Div. nach Torgau, Tie smeyer, Div. Pfarrer der 33. Div. in Metz, jur 21. Div. nach Mainz, Ho bohm, Militär- hilfsgeistlicher der 2. Gardediv, in Berlin, jur 33. Div., nach Metz, — jum 15 Februar d. J. versetzt. Strecken bach, Pfarrvikar in Jauer, als Militärhilfsgeistlicher unter Zuteilung jur 2. Gardediz. in Berlin angestellt.
CI. (Ktniglich Württembergisches) Armeekorps.
Offiziere, Fäbnriche usj. Ernennungen, Beförde⸗ rungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. Stuttgart, 13. Februar. Huber, Major und Bats. Kommandeur im Inf. Rett Kaiser Wilhelm, König von Preußen Nr. 120, beim Landw. Bestrk Horb, Hölder, Rittm. und Komp. Chef im Trainbat. Nr. 13, beim Landw. Benirk Um, — zu Bezirksoffijieren ernannt unter Stellung jur Diep. mit der ge eg ger Pension. Hã u ßler, Major beim Stabe des Ulan. Regts. König Karl Nr. 19, mit der gesetz⸗ lichen Pension und der Erlaubnis zum Tragen seiner bisherigen Uni⸗ . zur Diep. gestellt und zum Pferdevormusterungskommissar in
avensburg ernannt.
Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. Stutt⸗ gart, 1. Februar. Frbr. v. Bru sselle⸗Schaubeck, Oberlt. im Ulan. Regt. König Wilbelm J. Nr. 20, der Abschied bewilligt.
Stuttgart, 13. Februar. v. der Lühe, Oberstlt. z. D. und
ferdevormu m erungskommissar in Ravensburg, auf sein Gesuch ven einer Dienstftellung enthoben, mit der Erlaubnis zum ferneren Tragen der Uniform des Drag. Regts. König Nr 256. Gramm, Oberlt. im 10. Inf. Regt. Nr. 189, Mörschel (Hane), Lt. im 9. Inf. Regt. Nr. 127, diesem mit der . Pension, — der Abschied bewilligt. Im Beurlaubtenstande. Stuttgart, 13. Februar. en ,, , Oberlt. der Landw. Kap. 2. Aufgebots, der
chled bewill Stuttgart, 13. Februar. Dr.
Im Santtätgkorps. ischer, Odberstabs⸗ und Regts. Art im Ulan. Regt. König ension und der Erlaubnis
ülhelm 1. Nr. 20, mit der gesetzlichen um Tragen der bisherigen Uniform der Abschied bewilligt.
86 Dr. van Nes ( r. Strangmeier (Lingen), Der Abschied bewilligt: Res.. Dr. Hager (Stettin), Dr. Pit tius (Aschersleben)
Dentscher Reichstag. 1065. Sitzung vom 19. Februar 1908, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegravhischem Bureau.)
ur zweiten Beratung steht der Entwurf eines Gesetzes, pere die Fe stst el lun ;
Abg. vn, . (Soz.):
selten dazu, die seine
ern von antisozialem Geiste erfüllt atze jum eren. Solange die Richter nicht aus a Volles . lt werden, ist an eine erung nicht zu denken. Die meisten Richter können allerding gar nicht begreifen, daß man es für möglich hält, daß sie nicht urteilen, wenn es um Arbeiter handelt. fragt man sich, wie ein studlerter J ũber⸗ baupt Urteile fällen kann, die wir als drakonisch bejeichnen mũssen.
lich machte. Als er in der 9 m! auf das Reichtarheit z blatt sagte der walt, dies kein amtliches Blatt. Der V de vertrat die eigentũmliche Ansicht, Schutzvorrichtungen m erst angebr werden, wenn ein Unfall passiert wäre! Derselbe Vorsitzende meinte, wenn die Arbeiter mit den n
Löhnen, die wahrhaftig Hungerlöhne waren, nicht zufrieden seien, so wären sie ja 1 wurde der reffende gewerk⸗ schaftliche te wegen Beleidigung verurteilt, aber zu welchem Strafmaß? Zu sechs Monaten ängnis! Er hatte eben
Bevölkerung müssen die Richter genommen werden, und zwar auf Grund des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts, wenn wir ju wüklicher, diesen Namen verdienender Rechtsprechung kommen sollen. Daß richterliche Urteile nicht mehr kritisiert werden dürfen, ist ein Tiefftand des Rechtsbewußtseins, wie er tiefer nicht gedacht werden kann, wie er in keinem anderen Kulturlande denkbar ist. Wo hohe Geld. und Gefängnisstrafen gegen Arbeiter er⸗ kannt werden, kann man annehmen, daß der Richter auch sonst durch ein hobes Maß von Unkenntnis sich auszeichnet. Einen Arbeiter, der gegen einen Strafbefehl von 5 Tagen Ge- fängnis, weil er Zettel verteilt hatte, Einspruch erhoben hatte, herrschte der Richter an: Nehmen Sie die Berufung zurück, sonst gibt es das Doppelte. Als der Arbeiter das ablehnte, stelgerte der Richter in seiner Erregung seine Androhung bis zu vier Wochen Gefängnis. Der un⸗ varteiische hochgebildete Richter leistete sich auch im weiteren Verlauf der Verhandlung die Ansprache an den Arbeiter: Halten Sie das Maul!“, als der Mann gegen einen der vorgeschlagenen Zeugen Ein spruch erheben wollte. Die Richter haben das Bewußtsein ihrer Strafbarkeit gar nicht, weil sie eben Arbeiter nicht als gleichwertig ansehen. Soll das aber zulässig sein, warum setzt man dann nicht sofort unzurechnungssähige Personen auf die Richter
stüble? Sind das keine Beisplele von Klassenjusti? Für schwere Beleidigung und , , eines Beamten durch einen adligen Nichtstuer erkennt der Richter auf ganze 20 A Geldftrafe!
Ein Amtsanwalt verhängt über einen Arbeiter, der in der Verhand⸗ lung auf die Frage des Amttsanwalts, mit wem er verheiratet sei, ent— gegnet batte: Ich verftehe das nicht, ich weiß nicht, was Sie meinen“, eine dreitã ige Vaftstrafe wegen Ungebühr, und der Richter sagte ihm nachher! Sehen Sie, Sie würden bier nicht sitzen, wenn Sie sich nicht hätten verhetzen lassen!“ Drei Tage wurde verbängt und das Urteil wurde vollstreckt; es kann auch auf Geldstrafe erkannt werden, aber drei Tage mußten es sein. Ist das keine Klassenjustiz? Russische Geheimpoliziften läßt man in die preußischen Gefängnife , /
minister en 1kung n ãßt? Ein min me der ein kleines Scherzwort gegen einen Kameraden ö. braucht, das diesem mißfallen, wird zu 141 Tagen Gefängnis ver⸗ urteilt, ein jüngerer Herr aus der vornehmen Gesellschaft, der seine eigene Mutter verprügelt, kommt mit 80 M dabon. Wenn Horden von randalierenden Studenten den Verkehr stören, so bat das nichts auf sich, ergeben sie sich in Beamtenbeleidigungen, wie: Sie Dreck. haufen! Stecken Sie Ihre ian gg; Nase nicht in alles hinein!, so werden sie mit 5 Æ bestrast. Gehen Arbeiter barmlos spazieren und rufen: Wahlrecht! so schreitet die Schutzmannschaft mit der
Waffe ein, und der Pro wird den Leuten wegen Auf⸗ ruhrs usw. gemacht. Das heißt doch Prämien auf die Roheit setzen; nennen Sie mir einen Fall, wo ein Arbeiter, der sich
* Roheiten hat zuschulden kommen lafsen, mit 5 M Geld⸗ trafe davongekommen wäre! Aber die vornehmen Rowdys sind für Polizei und Gerichte beinahe ein noli me tangere. Wir veilangen gleiches Recht für beide Teile. (Zuruf) Sie können doch von mir nicht verlangen, daß ich alle Fälle, die mir zur Verfügung stehen, hier
vortrage; ich müßte ja dann die ganze Session hindurch sprechen In Berlin veisetzte ein randalierender Student einer Dame auf der Straße eine Ohrfeige und beschimpfte
sie auf das gemeinste; er wurde von dem Schöffengerichte zu jwei Monaten Gefängnis verurteilt, das Reichsgericht aber setzte die Strafe auf 300 6 herab, der klarstt Beweie, daß Roheits⸗ delikte, wenn sie von Angehörigen der besitzenden Klasse begangen werden, anders bemessen werden als diejenigen von Arbeitern. Vor kurzer Zeit standen ein Ingenieur, ein Kaufmann, ein Student und ein Schriftsteller unter der Anklage schamlosester Beleidigungen egen Frauen und Mädchen auf offener Straße. Die Angeklagten kin für irrsinnig erklärt und in einer Anstalt untergebracht werden müssen. Diese gröblichen Beleidigungen wurden aber mit 100 6 Geldftrafe geahndet. Diejenigen, die dieselben politischen Ansichten vertreten wie diese Herren, schreien dann im Abgeordnetenbause, daß solche Schamlosigkeiten schärfer bestraft werden müßter. (Zurufe: Insinuiert ) s ist nicht insinuiert, wenn ich Taisachen anführe. Wenn Sie durchweg in ganz Deutschland, besonders in Preußen und Sachsen, weniger in Süddeutschland, finden, daß die Wohl habenden milder bestraft werden wie die Arbeiter, dann ist das kein Zufall mehr. In einem anderen Falle erklärte der Richter angeklagten Arbeitern, daß sie kein Recht hätten, Streilposten zu stehen, bestritt ihnen also das ihnen ausdrücklich gewährleistete Recht. Die Arbeiter wurden, weil durch ihr Verhalten die Aufrechterhaltung der Ordnung gefährdet sei, zu zwei Tagen Haft verurteilt, nur weil sie auf Aufforderung nicht weitergegangen waren. Ein Student, der einen Auflauf ver⸗ ursacht hatte, wurde zu einer Geldstrafe von 200 M verurteilt, nachdem er ausdrücklich erklärt hatte, daß er nicht betrunken gewesen sei. Das Berufungsgericht setzte die Strafe auf 15 M herab, indem es annahm, daß, wenn der Student auch selbst gesagt habe, er sei nicht betrunken gewesen, das Vordergericht dies och auf Wunsch des Studenten vorausgeseßzt habe. 6 Roheiten von Beamten und Poliisten werden geradeju Prämien ausgesetzt. Ein Polizist, der einem Bergarbeiter mit der Faust mehrmals ing Gesicht und auf den interkoyf geschlagen batte, wurde mit 75 66. Geldstrafe belegt. och krasser ist der Unterschied, wenn es sich um die Strafvollstreckung bandelt. In einem Fall, wo es 1 um den Verwandten eines . erg handelt, ist die Strafe seit 4 Jahren nicht voll 32 3 stebt es, wenn es sich um Soztaldemokraten und rbelter delt. Das ist eine geradezu demoralisterende Justij. ** möchte Ihnen nunmehr unsere Anträge zur Annahme empfeblen.
Antrag Einrichtung von Schledsgerichten will in erfter Linie die ländlichen Arbeiter und das Gesinde aus ibrem Hörigkeite verhältnis beftelen. Sie sind bieher eigentlich rechtlos und schutzlos; sie müssen
Din Arbeiter in Glbiag batte ein verbreite, in bem er .
denen diese auf gerichtliche Entscheidung verzichten. Sind die Kaufmanng. ker, ee d n, fi , , , auch den sãndlichen Ar.
teil werden? Die Vorenthaltung des Rechtsweges maß doch auch in Ihrem Sinn die Landflucht befördern. Der Abg. Spahn verlangte eine Instanj, die darüber ju wachen habe, 3 Landesgesetzgebung nicht in die Reichsgesetzgebung übergreift. Zu diesem Uebergriff gehört die Verfügung des preußis Ministers des Innern über die Zulaffung der ausländischen Arbeiter und die Lösung einer Legitimationskarte. Sie greift aufs allertiefste in das Reichs⸗ recht ein. Wie kommt der Minister . eine Anordnung über das Paßwesen zu treffen für ganz Deutschland? Seit wann ist der preußische Minifter Minister für Deutschland? Die Einführung der Legttimationskarte für die ausländischen russischen und oͤster⸗ reichischen ländlichen Arbeiter ist ungesetzlich; der Ausländer hat verfafsungsmãßig dasselbe Recht wie der nder. Die Fremden polizei und das Paßtecht ist Reichssache. Spitzbuben wird die Ausweisung nicht angedroht, Arbeitern. Das ist eine Beleidigung der Arbeiter. Widergesetzlich ist auch, daß an die Stelle des Gerichts die Entscheidung des Landrats bei Aus weisung treten soll; diese Bestimmung verstößt aber auch gegen den HYandels vertrag. Die ausländischen Arbeiter werden mit einer Steuer von je 2 M belegt, das ist ebenfalls ungesetzlich. Ausländer können nach dem Reichsgesetz nur auagewiesen werden wenn bestimmte strafbare Handlungen vorliegen. Preußen maßt fich heute das Recht an, die Ausländer auszuwelsen entgegen den Be⸗ stimmungen der Handelsverträge, die den Angehörigen des betreffenden Staates das Recht einräumen, sich in dem anderen Staate auf⸗ zuhalten. Eine Ausnahme ist ausdrücklich in dem Vertrage mit Kolumbien gemacht worden. Die Ausweisungen sind geradem ein Ver— tragsbruch, und es ist eine Aufforderung zum Vertragsbruch, wenn der preußische Minister des Innern sich anmaßt, fur ganz Deutschland eine solche Verfügung zu erlassen. Will sich West⸗ und Säüddeutschland ein solches Vorgehen des Preußischen Polizei ministers gefallen lassen? Die preußische Verfügung peitscht zum Vertragsbruch an. (Lachen rechts.) Sie lachen, denn Sie wissen, Exekutionen können wir in Preußen nicht vornehmen. Gine Exekution
verlange ich auch nicht; aber ich frage, wie man ein solches verfassungte⸗
widriges Vorgehen gestatten kann. Der Arbeiter soll rechtlos und wehrlos gemacht werden. Eine solche Justiz ist Klassenjustiz in der verwerflichsten Form. Ihre Gesellschaftsordnung macht Bankrott, und sie ist nicht in der Lage, dem Gerechtigkeit ju geben, der recht hat, dem Arbeiter.
Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding:
Meine Herren! Was die Frage des Herrn Vorredner betrifft wegen der Legitimatione verhältnisse fremdländischer Arbeiter, so be⸗ daure ich, daß der Herr Vorredner sich mir gegenüber so sebr bemüht hat. Das Reichsjustijamt ist für die Frage, die er hier aufgeworfen hat, nicht zuständig. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Wie immer!) Was heißt das: wie immer? In den Fragen, in denen ich keine Legitimation habe, hier im Hause ju sprechen, spreche ich nicht; ich spreche nur in den Fragen, die meinem Ressort zustehen. Diese Frage gehört in das Ressort des Reichsamts des Innern, und wenn der Herr Vorredner und mit ihm das hohe Haus eine Aufklärung in dieser Frage haben will, so ist die Gelegenheit gegeben, beim Etat des Reichsamts des Innern sich mit diesem Gegenstande noch zu be—⸗ schãftigen.
Zu den übrigen Ausführungen des Herrn Vorredners glaube ich mich mit einigen Bemerkungen begnügen ju sollen. Meine Herren, die Ausführungen des Herrn Vorredners sind nicht neu. (Sehr richtig! rechts. — Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Ich hatte schon öfter das Vergnügen, sie zu hören. Ich babe es meistens vorgejogen, nicht zu antworten; aber heute fiel mir bei seinen Ausführungen eine Bemerkung ein, die ich mir zurückgelegt batte aus der Lektüre des sozialdemokratischen Berichts über den Parteitag, der 1905 in Jena stattgefunden hat. Auf dem Parteitag in Jena wurde auch die Frage der Klassenjustiz angeschnitten, und dort er⸗ klärte ein angesehenes Mitglied der sozlaldemokratischen Partei das Folgende:
Es ist nötig, einmal das ganze Problem der Klassenjustiz auf dem Parteitag ju erörtern; ich bin überjeugt, daß eine solche Verhandlung sowobl praktische Früchte tragen, als auch vor allen Dingen eine ungeheure agitatorische Wirkung üben wird.
(Hört, hört! rechts)
Abgesehen von den Militärmißhandlungen, ist es die Klassen⸗ justiz, die die Massen aufpeitscht und aufregt.
(Hört, hört! rechts. — Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) Nun, meine , , nicht, daß die Ausfübrungen des Herrn Vorredner? 7 seßt aufregender Natur waren. (Heiter⸗ keit und sehr richtig! — Lärm und Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Aber, meine Herren, es gebt mit derartigen Ausführungen im Hause wie so oft: sie werden nachher in die Parteipresse übernommen und sie bekommen dort eine andere Färbung, und dann sind sie, wenn sie es auch hier nicht waren, draußen ein willlommenes Agitation mittel, deswegen möchte ich einige Worte dazu sagen. (Zuruf bei den So naldemokraten: Glauben Sie dadurch haben?) Ich meine nur: das ist der einzige Grund, weshalb ich noch einige Worte sage. (Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Das ist der Grund, weshalb ich noch einige Worte sage, sonst würde ich — wie in früheren Jahren, die Rede dem Urteile det Hauses überlassen.
Meine Herren, die Klassenjustiß; wird im Volke nicht so ver⸗ standen, wie das Wort hier im Hause gemeint ist. Das Volk ver⸗ steht unter Klassenjustiz ein Verfahren, wo der Richter mit Bewußt⸗ sein eine Partei, die einer bestimmten Klass! angehört, gegenüber anderen Parteien, die anderen Bevölkerungsschichten angehören, zurũdk⸗ setzt. Hier im Hause wird diese Volktzauffassung sehr vorsichtig um⸗ gangen; bier im Hause heißt es immer: wir wissen ja, unsere Richter sind durchaus unbefangen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Nicht immer!) — Meistens, wollen wir also sagen. Aber sie verstehen die
Arbeiterverhältnisse nicht, sie wissen die Verhältnisse nicht zu würdigen, unter denen die Arbeiter leben und tatig sind, und deshalb urteilen sie falsch. Meine Herren,
wenn dat richtig wäre (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Es ist richtig!), dann würde daraus folgen, daß in Fragen, die die Arbeiter interessen berühren, nur Mitglieder der · sozialdemokratischen Partei als Richter urteilen sollten. (Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Andere Leute sind ja angeblich nicht da, die die Verhäͤltnisse det Arbeiterstandes richtig ju würdigen vermögen. (Zuruf bei den Sonal⸗ demokraten: Abgeordneter Heinze hat doch dasselbe geäußert h
(Schluß in der Dritten Beilage.
die Möglichkeit haben an te ju wenden, zu denen . trauen ö 86 m d r. Vertrage mit 6 . *
etwas widerlegt ju
Dritte Beilage
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
Mn 44. J
Berlin, Donnerstag, den 20. Febrüar
1908.
(Schluß aus der Zweiten Beilage.)
Nun, meine Herren, verfolge ich die Lebensäußerungen der sonal demokratischen Partei mit einiger Aufmerksamkeit, und da ist es mir immer aufgefallen, daß, wenn es Interessen gegensätze und Interessen streitigkeiten innerhalb der sonialdemoktatischen Partei gab und hier ein Organ der Partei in irgend eine Vertrauensstelle berufen wurde⸗ 1zber diese Interessenstreitigkeiten zu urteilen, niemand mehr als die Genossen dabel waren, diese Stelle in ihrer entscheidenden Tätigkeit zu verurteilen als ungerecht und einseitig. Also Meinungen in der partei selbst geben dahin, daß die Genossen die Arbeiterinteresfen nicht unbefangen zu beurteilen wissen. (Lebhafte Unruhe bei den Sozial⸗ demokraten) — Meine Herren, Ihre eigenen Blätter haben das oft genug erkennen lassen. Und da, meine Herren, tritt ein Mitglied der sosialdemokratischen Partei hier auf und trägt in der Weise, wie wir es bei dem Herrn Vorredner gewohnt sind, die Vorwürfe vor, die er glaubt den bürgerlichen Gerichten machen zu können. (Zuruf bei den Soꝛialdemokraten: Heinze) — Der Abgeordnete Heinze wird sich schon selbst äußern. (Zuruf bei den Sonaldemokraten: Er hat sich ja schon gestern geäußert. Glocke des Präsidenten.) Das habe ich ja, gebört! (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Was haben Sie dazu zu sagen) Darauf babe ich gar nichts zu sagen. Das berührt mich nicht. (Unruhe bei den Sozialdemokraten. Glocke des Präsidenten.) Lassen Sie mich doch einmal sprechen; Sie können ja nachher Ibre Bemerkungen machen. Also, meine Herren, ich sage nur: in dieser Weise, wie wir es gehört, wagt es ein Mitglied der Partei, in welcher es zahlreiche Elemente gibt, die in Streitfällen mit den Ent⸗ scheidungen, die von ihren eigenen Genossen ausgehen, nicht jufrieden sind, die Richter des bürgerlichen Staates zu verunglimpfen.
Nun bat ja der Herr Vorredner eine Anzahl von Einzelfällen gebracht, die das beweisen sollen, was er hier zur Beschuldigung der Richter vorgebracht bat. Meine Herren, dieses Mittel in seinen Händen kenne ich auch aus früheren Zeiten. Wenn ich dann, nachdem die Verhandlungen des Reichstags vorüber waren, und ich nicht mehr jum Worte kommen konnte, festzustellen in der Lage war, wie die Dinge sich verhielten, verhielten sie sich gewöhnlich nicht so, wie sie bier im Hause vorgetragen wurden. Aber sie waren hier in der Deffentlichkeit vorgetragen, ohne daß eine Berichtigung erfolgen konnte. Ich will aber ausdrücksich zugeben, und habe öfter Gelegenheit gehabt, das zu erklären, daß Vorgänge auch in der Justij unseres Landes vor⸗ kommen, die tadelnswert sind (sehr richtig) und im Interesse der Würde unserer Rechtspflege nicht vorkommen sollten. Damit kann aber das nicht bewiesen werden, was der Herr Vorredner hier ju be⸗ welsen unternahm, solche Vorgänge bleiben unter allen Fällen Aus⸗ nahmen Widerspruch bei den Sozialdemokraten. Sehr richtig! rechts), damit wird der deutschen Justiz niemals der Stempel der Klassen⸗ justiz aufgedrückt, und das war die Absicht, die der Herr Vorredner verfolgte. Diese Abficht kann er mit solchen Fällen niemals er⸗ reichen.
Wenn der Herr Vorredner bei den Beispielen, die er hier an⸗ geführt bat, unter anderem einen Fall, ich glaube aus einem schlesischen Städtchen, anführte, in dem der Richter gesagt baben soll: Wenn Sie den Weg der Berufung beschreiten, bekommen Sie das Doppelte der Strafe, — wenn eine solche Drohung in der Tat gefallen sein sollte, so würde ich das aufs tiefste bedauern, das er- scheint nach meiner Meinung nicht würdig des Richters. Ich glaube aber, die Dinge werden da auch wieder etwas anders liegen, und die Farbe, die der Sache hier gegeben wird, wird nicht Stich balten, sobald wir einmal den Dingen auf den Grund gehen. Immer⸗ hin wäre ein solcher Vorgang bedauerlich, aber nie und nimmer ge⸗ eignet, das wiederhole ich, den Vorwurf zu rechtfertigen, den der Herr Vorredner erhoben hat, als sei die deutsche Juftiz eine Klassen⸗ sasti. (Sehr richtig! rechts) Der Heir Vorredner hat dann einen anderen Fall erwähnt aus einem kleinen märkischen Städtchen, wo eine Lokalzeitung, wie ich glaube, sich eine strafrechtliche Verfolgung zugejogen hat, weil von ihr die Mitteilungen, die er hier auf der Tribüne des ReichstagsZt über das Gebahren eines Richters gegeben hat, ebenfalls gebracht worden waren. Der Fall ist mir so weit be⸗ kannt, daß ich sagen kann, er ist Segenstand der Prüfung seitens der preußischen Justiwerwaltung gewesen, und auf Antrag des zuständigen Landgerichtspräsidenten, der die Verhältnisse doch kennen gelernt hat, ist gegen das betreffende Blatt, das die ehrenrührigen Mitteilungen veröffentlicht hatte, eine Verfolgung eingeleitet worden. Meine Herren, nachdem eine gerichtliche Prüfung des Sachverhaltes statt⸗
gefunden batte, nachdem auf Antrag des juftãndigen Land⸗ gerichtzpräsidenten gegen dieses Blatt eine strafrechtliche Verfolgung eingeleitet worden war, bringt dennoch der
Herr Vorredner diesen vorläufig noch nicht gerichtlich klargestellten Fall hier vor, um damit einen Eindruck auf dag Haus ju erjeugen ju Ungunsten des Richters. (Sehr richtig! rechts.) Das ist meiner Meinung nach unzulässig. Damit gebe ich über die einzelnen Fälle, die der Herr Vorredner vorgebracht hat, binweg. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Der Fall Rohmen ?! — Der Fall Rohmen fällt dier nicht hinein, und die Art und Weise, wie der Herr Abgeordnete äber diese ganz außerhalb des Reichsjustijrefsorts liegenden Verbält alsse gesprochen bat, enthebt mich der Notwendigkeit, sie zu berühren; ich halte es nicht für angemessen, darauf weiter einzugeben. (Sehr richtig! Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)
Wenn aber, abgesehen von diesen einjelnen Fällen, der Herr Ab⸗ geordnete behauptet bat, daß die deutschen Richter überhaupt nicht im stande seien, die Verhältnifse der Arbeiterwelt, denen sie doch jum Teil sehr nabe stehen, ju würdigen und richtig ju beurteilen, und wenn er ferner gesagt hat, regelmäßig, oder ich glaube sozar, er sagte, in allen Fällen, würden, wenn eg fich um Arbeiter handele, drakonische Urtelle gefällt (lebe richtig! bei den Polen), wenn ez sich aber um Leute aus anderen als Arbeiterkreisen handele, Urteile viel milderer Art, so weise ich das als eine Beschimpfung des deutschen Richterstandes, die das Pflicht. und Rechtabewnßtsein der
deutschen Richter in Frage ftellt, hiermit zurück! (Zustimmung rechts. — Unruhe bei den Sonaldemokraten) Meine Herren, wir haben in unserem deutschen Strafgesetzbuch eine Bestimmung, wonach ein Beamter, auch ein Richter, der sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache vorsätzlich zu Gunsten oder jum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft wird. Handlungen wie die, die hier in Frage stehen, würden eine Beugung des Rechtes darstellen. Es handelt sich in der Meinung des Herrn Vorredners vielleicht nicht um vorsätzliche Versündigungen der Gerichte, aber dieser Spruch steht über dem Hause, in dem die deutsche Justh ihres Amtes waltet, in seinem Geiste soll sie sich verhalten, auch wenn eine strafrechtliche Schuld nicht in Frage ist. Und wenn auch die Strafe, die das Strafgesetz⸗ buch verhängt, nur vorsätzliche. Pflichtverletzungen trifft, so bin ich doch überzeugt, daß überall, wo es sich zufolge eines leichtsinnigen oder frivolen oder sonst tadelhaften Verhaltens eines Richters um eine Rechtsbeugung auch nur kfleinster Art jum Nachteil eines Mannes aus den Arbeiterkreisen handeln sollte, dies verurteilt werden würde von den Juftiiverwaltungen wie vom Reichstag und von der ganzen öffentlichen Meinung! Ueberall, auch in den Richterkreisen, würde eine solche Rechtsbeugung auf Ver- achtung stoßen. Wie kann der Herr Abgeordnete es unter diesen Um⸗ ständen wagen, ju sagen, die deutsche Justij sei eine Klassenjustiz? (Zuruf von den Sozialdemokraten: Der Richter Heinze hat es auch gesagt) — Wenn der Herr Abg. Heinze es gesagt haben sollte, so bin ich anderer Meinung. Ich bin der Meinung, daß in der deutschen Justiz — wie in jeder Rechtspflege — auch Irrtümer vorkommen und Mängel sich jeigen; aber ich kann es niemals zugeben, daß des⸗ halb der deutschen Justij der Vorwurf der Klassenjustiz gemacht wird! (Zuruf von den Sozialdemokraten: Heinze ist selber Richter) — Meine Herren, wenn hier im Hause von Klassenjustiz gesprochen wird, dann ist es etwas anderes wie draußen im Lande. Hier im Hause werden die Einjelbeschwerden darunter jusammengefaßt; draußen im Lande versteht man etwas ganz anderes darunter. Draußen im Lande versteht man unter Klassenjusti; — und es gibt Kreise, die dabin wirken, daß diese Auffaffung bleibt und gekräftigt wird — dag absichtliche ungerechte Verhalten der Richter der bürgerlichen Kreise gegenüber den Arbeitern. Das ist es, was ich bekämpfen muß; eine Verbreitung und Stärkung dieser Auffassung würde allerdings dazu beitragen, das Vertrauen in die deutsche Justij zu erschüttern, und weil diese Gefahr durch Reden, wie wir sie gehört haben, leicht er⸗ jeugt und weitergefördert werden kann, deshalb halte ich es für meine Pflicht, dagegen zu protestieren. Es gibt keine Klassenjustiz in Deutschland! (Bravo! rechts. — Lachen bei den Sozialdemokraten.)
Abg. Gröber Gentr.): Der Abg. Sher en sprach von Klassenjustiz und brachte e Reihe von Einzelfällen vor, die wir nicht nachprüfen können. Er führte sogar einen Zall an, wo der Staatganwalt eine Geldstrafe beantragt batte, das Ge⸗ richt aber auf 2 Monate Gefängnis erkannte. Dieser Fall ist doch nicht geeignet, zu erbärten, daß Klassenjustiz, bei uns berrscht. Wenn Studenten nach der Meinung des Abg. Stadthagen außer⸗ ordentlich schonend behandelt wurden, so können wir das den Richtern doch nicht so sehr zum Vorwurf machen. Nach meiner Meinung würden auch jugendliche Arbeiter in gleicher Lage nicht hart angefaßt werden. Ez fällt mir gar nicht ein, zu bestreiten, daß manche strafrechtlichen Urteile anfechtbar sind, daß sie sehr ver⸗ schieden ausfallen. Bei der Strafabmessung lommen doch auch ver⸗ schiedene Momente in Betracht, ob der Betreffende vorbestraft ift usw. Daß Febler vorkommen, schwere Fehler vorkommen, ist un⸗ bestreitbar. r ich bestreite, daß es sich um eine parteiische Justij eine Klassenjustiz handelt. Man kann nicht sagen, daß der ganie deutsche Richterstand eine parteiische Justiz übe, weil einjelne solcher Fälle vorkommen. Wir wissen, daß die Strafbemessung bei Be⸗ seidigungen oft viel zu niedrig ist. Es herrscht darüber große Un, jufriedenbeit. Die Gerichte werden allmählich abgestumpft, sodas auch in schweren Fällen ein mildes Urteil gefällt wird. Das ist aber menschlich, es wird auch vorkommen, wenn sämtliche Richter aus Jsorial ; demorranischen Kreisen entnommen sind. Zwischenrufe bei den Sozial demokraten: Versuchen Sie es doch) Wir wollen es lieber nicht ver⸗ suchen. Auch bei Roheitsdelikten kemmen die Angeklagten oft viel zu leicht weg. Wir klagen ferner und haben hier wiederholt im Hause darüber Autzeinandersetzungen gehabt, daß die Verfehlungen gegen die Be⸗ stimmungen der Ärbeiterschutzgeseßzgebung so gering geahndet werden; wenn da die Richter jum Teil die hobe soziale Bedeutung dieser Be⸗ stimmungen nicht genügend erkennen, so muß man das bedauern, kann es aber verstehen, denn der Richter sucht in der Gewerbeordnung vielleicht nicht so sehr einen Strafkoder, wie er es gegebenenfalls müßte. Daraus kann man aber kein allgemein abfälliges Urteil gegen den Richterstand ableiten, und das kann man auch nicht auß den paar Dutzend Fällen, die der Abg. 3 2 anführte und die noch vermehrt werden könnten, denn sie fallen kaum ins Gewicht gegenüber den Hunderttausenden von Urteilen, die jahraus, jahrein gefällt werden. Die Vorführung dieser Aus⸗ nahmefälle aber ist geeignet. Unruhe und , . in das ganze Volk zu tragen. Die Ausführungen des Abg. Heinze waren großen. teils fehr interessant und seine Anregungen nachahmenswert. Es läßt sich nicht leugnen, daß unsere Re tspflege binter der modernen Entwicklung jurũckgeblieben ist. Dir taften nach Reform, haben aber immer noch keinen befriedigenden Ausweg gefunden. Warum sind wir zu Gewerbe. und Kaufmannsgerichten gekommen, warum hat die amtẽgerichtliche Praxis nicht genügt? Sie war nicht volks— tümlich; die Richter waren nicht imstande, diese Fälle volks⸗ tümlich zu bebandeln. Von ihrer ersten Vorbildungs⸗ und Aus. bildungsjeit bleiben die Richter in einer Erie Abgeschlossen heit und in einem den Erscheinungen des Grwerbelebens gegenüber ju engen Gesichtglreis. Das ist nicht etwa eine Schuld der Richter, sondern der Verhältnifse. Der sonderbare Vorschlag, die Referendare durch Deutschland herumjuwürfeln, e eint mir nicht ganz jweckmäßig; ob die aus dem Norden dem Süden willkommen wären, und umgekehrt, wäre noch zu untersuchen. Besserunz kann nur kommen, wenn man den Juristenrichtern Laien an die Seite setzt, Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Leitung der Verbandlungen muß in der Hand eines Fachmannes bleiben, die Jurisstenrichter sind besser als ihr Ruf, und als Gesetzeskenner braucht man die Juristen. Die praktische Erfahrung des Lebens, das Rechts. 161 tsein des Volkes soll aber mitreden, und darum gehören in die Gerichte die Laien hinein. Kommen wir einmal zu dieser Zusammen⸗ setzung der Gerichte, wie wir sie bei den Kaufmanng. und Gewerbe gerichlen jetzt haben, so brauchen wir keine Sondergerichte mehr. Jur diegmaligen Debatte liegt eine solche Flut von Resolutlonen vor, daß man sich kaum noch darin zurecht sndet. Da ist auch die Resolution wegen des Strafverfahrens
und Strafvolljuges; dieser stimmen wir zu. Daß der außerordentlich wichtige Antrag Bassermann wegen der Jugendlichen in dieser Masse der Anträge verschwinden muß und nicht gesonderter Behandlung unterworfen werden kann, müssen wir sebr bedauern. Unsere Straf⸗ gesetzgebung ˖ nimmt keine Rücksicht auf die besonderen Bedüũrfnisse des jugendlichen Arbeiters. Hoffentlich wird bei der Revision der Straf⸗ projeßordnung oder schon vorher durch Spezialgesetz hier ein be⸗ friedigender Fortschritt gemacht. Der Antrag von Liebert wirft das Thema der Deportation auf. Wir können uns auch heute nicht für diese Art der Strafvollstreckung, auch nicht in der vorgeschlagenen orm, erwärmen. Unser Antrag wegen der Selbstbeköstigung und bstbeschäftigung hat schon früher dem Hause vorgelegen. Man hat eingewendet, der Antrag schaffe zweierlei Recht. Das trifft nicht zu; . das bestehende Gesetz gibt hier gewisse Befugnisse. Diese Bestimmungen seben wir lieber durch genaue positive Normen ersetzt, ine besondere hinsichtlich der me, wee, g=, Die Resolntionen Albrecht und Ablaß wegen der Gewährung von Diäten an Schöffen und Geschworene weichen darin von einander ab, 9 der Antr Alhrecht auch von Reisekosten spricht, während der Antrag Abl diesen Febler vermeidet; wir werden für den letzteren stimnmen. Die Antrãge, welche die munität der Reichstagsabgeordneten usw. betreffen, haben ihre Hauptbedeutung nicht auf projeffualischem Gebiete; ihre politische Bedeutung käme bei dem Gtat des Reichstags entschieden mehr zur Geltung. Die Resolution Albrecht wegen Errichtung von Sondergerxichten für die Streitig ˖ keiten von Bureaugehilsen, ländlichen Arbeitern und Gesinde mit ihren Arbeitgebern können wir nicht annehmen. Wir wären ein⸗ verstanden, daß die Kompetenz der Gewerbegerichte entsprechend aus= gedehnt wird, aber wir sind gegen die Schaffung weiterer Sonder- gerichte. Die Resolution wegen des Zeugnis verweigerungsrechtes aller an Zeitungen beschäftigten Personen geht uns in solcher Allgemeinheit zu weit. Warum sollen übrigens die Zeitschriften nicht auch diese Freiheit erhalten? Der Resolution Ablaß wegen der Beseitigung der Härten bezüglich der vorehelichen Kinder stimmen wir ju. Unser Initiativantrag zum Etat des Reichsamts des Innern wegen der Tarifverträge ist jetzt, weil ein gleich⸗ artiger Antrag Junck vorliegt, mit jur Verhandlung gestellt. Wir sehen heute in Deutschland mehrere tausend Tarifverträge jwischen Arbeitgeber · und Arbeitnehmerorganisationen in Gültigkeit. Weder das B. G. B. noch die Gewerbeordnung beschäftigt sich mit den Tarifverträgen, und es ist mitzlich, sich auf eine Auslegung der be⸗ treffenden Bestimmungen ju verlafsen. Die Judikatur des Reichs- gerichts und anderer Gerichte stehen mit einander in Widerspruch. Der Tarifvertrag ist keine Kampf-, sondern eine Friedengzorganisation, nicht eine Verabredung über künftig ju erlangende bessere Bedingungen, sondern er enthält diese Bedingungen selbst. Es handelt sich auch nicht um die Erlangung künftiger besserer Lohnbedingungen, sondern oft um ibre Grhaltung. Einzelne Gerichte haben den Tarifvertrag als erklärt, andere als eine Offerte für Beides ist
der Tarifverträge mußte Hand in Hand gehen mit der Rechts- fäbigkeit der Berufsvereine, mit der Roalitionsfreibeit der Arbeiter. Vor allem aber handelt es sich darum, die Tarifverträge auf eine esetzlich rechtliche Grundlage zu stellen; alles andere wird der Zu⸗ ken zu überlassen sein.
Abg. Dr. Ablaß (ir. Velkep. ): Ueber die einjelnen gestellten Resolutionen wird unser Parteigenosse Dr. Müller Meiningen sprechen. Die von der nationalliberalen Partei angeregte Frage der Behandlung der jugendlichen Verbrecher it nach meiner Meinung spruchteif. Die Statistik zeigt eine bedauerliche Zunahme der jugendlichen Uehel- tãter; ihre Zabl ist in 28 Jahren von 30 500 auf S5 O69 gestiegen. Die Jugend ist unser Stoli, unsere Zukunft; befindet sie sich auf ab= schüssiger Babn, so bat der Staat die Aufgabe, junächst dafür ju forgen, daß die Jugend so lange wie möglich im Hause gebalten wird. Dazu gehört eine gesegliche Einschränkung der Kinder und Frauenarbeit. Gs mässen die Löhne erböbt werden, damit die Eltern nicht auf die Mithilfe der Kinder angewiesen find. Wollen wir das sittliche Niveau der Jugend erböhen, dann müssen wir sie abhalten von dem alliu fräben Umgang mit der Prostitutign. Ich bin jwar nicht für Kasernierung, wohl aber für eine gewisse Lokalisierung der
rostitution, damit die Kinder nicht mit ihr in Berührung kommen. Vor allem ist dringend erforderlich, die geistige Ausbildung des Volkes so viel wie möglich ju beben durch eine möglichft gründliche Propagierung der Volkzbildung. Darum erachte ich gerade die Maßregel der Lieg. nitzer Regierung für ungemein bekllagenswert. Es kann hundertmal ein preußischer Minister auftreten und der Maßregel sein Placet geben, die Maßregel bleibt tief bedauerlich. Die Bestimmungen über die Strafbarkeit jugendlicher Personen sind mangelhaft. In erster Linie ist notwendig die Hinaufsetzung des strafmündigen Alters von 12 auf 14 Jahre. Weiter wird ju prüfen sein, ob man nicht überhaupt das Augenmerk richten soll auf besondere neue Erjtehungsstrafen. Ein Kind, das noch die Schule besucht, sollte nicht dem Strafrichter überwiesen werden. Die Erziehunge— strafen brauchen ja nicht milder zu sein als die ee esetzlichen Strafmittel; ich denke da j. B. an die Zwangserziehung. Wenn man ein Kind bestrafen will, so muß man das Milieu beruͤcksichtigen, in dem es lebt, das schlechte Beispiel, das ihm gegeben wird, usw. Desterreich, Holland sind uns auf diesem Gebiete schon voran gegangen. Auf dem Gebiete des Strafprozesses sollte auch vor dem Schöffengerichte den Jugendlichen unter 16 Jahren ein Verteidiger gegeben werden. Das ö steht doch immer noch unter der Zucht- gewalt der Eltern und des Staates. Das Kind sollte unter allen Ümständen vertreten werden durch seinen gesetzlichen Vertreter oder durch andere Personen. Ob sich eine Einschränkung der Deffentlichkeit in solchen Prozessen empfiehlt, möchte ich jur Zeit weder bejahen, noch verneinen. Vielleicht wäre es richtig, auch den Vormundschaftgrichter zuzuziehen. Wieweit Jugend⸗ erichte sich bewähren werden, bleibt abjuwarten. Unter keinen fee lde! nd wir für eine Zersplitterung der Justij und für Sonder- erichte. esondere Gefängnifse für Jugendliche haben wir nicht. 8 Kind darf aber unter keinen Umstanden mit Verbrechern iu— sammengesperrt werden, die eine längere Freiheitsstrafe verbüßen. Das Gesd muß vorhanden sein, um die Jugendlichen in besonderen Gefängnissen unterzubringen. Einen Betrag jur Beurteilung des Fürsorgegesetzes hat der schauderhafte Fall geliefert, der sich dor dem wurgericht in Hirschberg, abgespielt hat. Drei Fürsorgezöglinge wurden wegen Ermordung teils zum Tode, seils zu Hank teils ju Zuchthaus verurteilt. Der Vor- sitzende und die Richter waren einig, daß ein Zeugen material, wie es in diesem Prozeß aufgetreten war, im 63 der Rechte pflege vor Gericht nicht wieder erscheinen dürfe. Auch die Kreiesynode in Hirschberg bat sich mit den Zuständen in dem Rettunge-⸗ baus befaßt. wurde als verwunderlich bejeichnet, daß nicht schon