1908 / 46 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 22 Feb 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Handwerker geltend machen. Es ist eine durchaus unrichtige Auf⸗ faffsung des Herrn Vorredners, daß die Gefängnisverwaltungen ihre Hand dazu böten, daß die Unternehmer ohne jedes Risiko arbeiten können, daß den Unternehmern die Möglichkeit gegeben würde, wie der Herr Vorredner sich ausdrückte, die Arbeit der Gefangenen lediglich auszunutzen im eigenen Interesse der Unternehmer. Dlese Auffassung muß ich entschieden abweisen. Die Aibeit wird so eingerichtet, wie sie den Interessen der Anstalt am besten dient, wie sie den Bedürfnissen und der Erziehung der Gefangenen am meisten förderlich ist und wie sie auch die Interessen der freien Arbeiter am wenigsten berührt. Daß bier schwierige Konflikte vorkommen, daß die Folgen davon sich auch für die Kreise der Handwerker fühlbar machen, das will ich gar nicht bestreiten. Aber daran läßt sich solange nicht! ändern, als die Handwerker selbst uns nicht ausführbare Voischläge machen, wle die Arbeit in den Gefängnissen anders eingerichtet werden könnte. Soviel auch bigher an Klagen laut geworden ist, solche Vorschläge sind bisher nicht hervorgetreten.

Der Herr Vorredner meinte, es müßte doch wenigstens die hand werksmäßtige Arbeit noch mehr elngeschränkt werden, als es jetzt der Fall ist. Ich habe ein Verzeichnis solcher Arbeitszweige, solcher gewerblichen Betriebe vor mir, die nicht in den Berelch des Handwerks fallen und doch in den Gefängnissen üblich sind: das sind die Weberei, die Erzeugung von Kokosmatten, die Erzeugung von Kokosteppichen, die Zigarrenarbeit, das Dütenkleben, das Nähen und Stricken, auch das Maschinenstricken, die Filzschuhmacherei, das Lederreißen, das Sortieren von Bohnen und anderen Hälsenfrüchten, daz Woll, und Haarzupfen. Ja, meine Herren, das sind doch alles Tätigkeiten, die beweisen, daß die Verwaltungen in der Tat bemüht sind, solche Arbeitszweige ausfindig ju machen, die möglichst wenig in den Be⸗ trieb des Handwerks eingreifen.

Nun will ich Ihnen gern zugeben, daß vlelleicht in einzelnen Anstalten die Grundsätze, die der Bundesrat aufgestellt hat, nicht in vollem Umfange zur Durchführung gelangen. Aber dann brauchen sich die Verren ja nur an die betreffenden Instanjen zu wenden und, wenn sie bei diesen ihr vermeintliches Recht nicht bekommen, an die höheren Instanjen und schließlich an die Reichsverwaltung. Ich kann ver— sichern, wir werden uns ihrer berechtigten Interessen unter allen Umständen annehmen. (Bravo! in der Mitte) In dem einjelnen Falle können Sie an der Hand ganz bestimmter Tatsachen feststellen, ob die Grundsätze des Bundesrats durchgeführt werden; im allge⸗ meinen läßt sich das hier im Hause nicht feststellen. Es ist also ein fruchtloses Bemühen von seiten des Herrn Vorredners, uns hier überseugen zu wollen, daß die geltenden Vorschriften nicht

ordentlich durchgeführt werden. Daß wir den Wunsch haben, sie möglichst durchgeführt ju sehen, daß können Sie doch aus dieser von uns vorgelegten, sehr ausführlichen

Denkschrift entnehmen, die in alle Cinielheiten der verschiedenen Be— triebe eingeht. An der Hand dieser Einzelbeiten werden die Herren die Direktive haben, an Ort und Stelle für eine bestimmte Anstalt zu kontrollieren, ob in der Tat die Interessen des Handwerks genügend geschützt werden. Sind Sie der Meinung, daß das nicht geschieht, dann werden Sie ja für die einzelne bestimmte Anstalt Ihre Klagen vorbringen können. Auf seiten der Regierung werden diese Klagen immer eine bereitwillige Aufnahme finden. Aber, meine Herren, dahin können wir es nicht bringen, daß Handwerkgarbeit überhaupt aus den Gefängnissen ausgeschaltet wird. Das ist nicht möglich, und jeder Handwerker, den man in einen solchen Anstaltsbetrieb einführen würde, dem man die Verbältnisse, unter denen in den Gefangnissen gearbeitet wird, im Einzelfalle klar macht, würde sich überzeugen, daß eine solche Möglichkeit ausgeschlossen ist.

Ich möchte die Herren also bitten, aus den Ausg= führungen unserer Denkschrift nicht etwa ju entnehmen, daß die Landesbehörden in einjelnen Anstalten Tendenzen verfolgten, die den Interefsen des Handwerksbetriebs ungünstig wären. Das liegt den Anstalten wie den Regierungen vollständig fern. Wir wollen den Anstaltabetrieb so eingerichtet haben, daß die Handwerker mõglichst unberührt bleiben von dem Ergebnis der Gefängnisarbeit. Aber ganz unberührt lassen können wir sie nicht. Das ist gewiß zu bedauern, aber es ist eine Notwendigkeit, deren wir niemals Herr werden.

Abg. Stadthagen (Soz ):; Dem Abg. von Maltzan müßte das Verfahren gegen mich bekannt sein, da es in den Akten des Reichstags enthalten ist; er müßte wissen, daß erst der Ehrengerichts hof dem Antrage auf meine Ausschließung auß dem Rechts anwaltszstande statt⸗ gegeben hat. Das Urte l gegen mich und die Gründe sind im Vorwärts ebenso wie der gesamte Sachverhalt abgedruckt worden. Ferner ist das Urteil in der juristischen Wochenschrift vom 15. September 1892 er- schienen, später ist es im vollen Umfange dem Reichstag überreicht. Unter den Drucksachen des Reichstags befindet sich ein Antrag von mir und meinen Parteigenoffen, der dahin ging, der Skaatz. anwaltschaft die Genehmigung zu meiner Strafverfolgung wegen Er⸗ hebung zu hoher Gebühren und Verschleserung des Talbestandes zu erteilen. Diesem Antrag war eine Begründung von mir beigegeben. Ferner richtete ich unter dem 22. Dezember 1557 an den Slaats. anwalt beim e,, . Berlin J den Antrag, die Stra verfolgung gegen mich einzulesten, da ich mich zwar keineswegs eines Vergehens a gemacht hätte, aber das Eikenntnis des Ehrengerichtshofs einen hinreichenden Grund für die Verfolgung durch die Staatz anwaltschaft abgeben müsse. Die Staatzanwaltschaft hat durch Verfügung vom 13. Januar 1895 dag Einschreiten gegen mich abgelehnt. Ich habe Beschwerde eingereicht, aber auch der Oberstaatsanwalt und der Juftizminister' haben sie abge⸗ lehnt. Als der Antrag meiner Fraktion, der am XI. April in die k gegangen war, am 26. April zur Debatte stand, wurde von verschiedenen Rednern, sogar von kon servativer Seite, hervorgehoben, daß die Entscheidung des Staats anwalts etwas merkwürdig sei. Wenn ich in einem geheimen Verfahren verurteilt bin, so muß ich doch verlangen können, daß die Anklagebehörde in einem öffentlichen Verfahren ein⸗ schreitet, damit ich vor aller Welt darlegen kann, wie die Sache liegt. Die Geschäftgordnungskommission, auf die ich vorhin hingewiesen habe, schloß sich meiner Auffaffung an, daß mir der Vorwurf der Verletzung des Strafgesetzbucheg, gemacht sei, und beantragte, meinem Ankrage stattzugeben. Dieser Antrag wurde vom Hause angenommen. Im Vorwärts vom 15. Oktober 1894 ist dieser Sachverhalt ganz genau geschildert worden. Die Staats- anwaltschaft lehnte aber die Strafverfolgung gegen msch ab. Darauf legte ich Beschwerde ein an die Oberst iatganwaltschaft. Diese lehnte gleichfalls ein weiteres Ginschreiten ab, da ich felbst behauptet hätte, eine strafbare Handlung nicht begangen zu haben. Gewiß, das habe ich gesagt, aber nur, damit nicht Anzeige gegen mich erstattet werden könne, daß ich wider besseres Wissen vorgegangen wäre. Ich habe hierin Eifahrung, denn ich habe belelte, 41 Anklagen in meinem Leben gehabt. Der jwelte Grund, weshalb die Oberstaatsanwaltschaft ein Ein⸗ schreiten ablehnte, war der, daß das Beweismaterial, das dem Ehren= gerichtshof vorgelegen hatte, nicht mehr vorhanden war und auch nicht wieder zu beschaffen sei, da der Mechanlker Lindner sämtliche Aktenstücke,

brannt hatte, womit nach der Meinung der Oberstaatganwaltschaft dem Strafrichter die Möglichkeit genommen sei, meine Einwände zu prüfen

und zu würdigen. Es ist nun ein höchft eigentümliches Verfahren, daß diese Akten einer Privatperson er, han e, und von dieser ver⸗ hrannt wurden. Ich bln dann an den Justijminister gegangen, habe ihm den Sachverhalt augeinandergesetzt und verlangt, daß, wenn nicht in mich Anklage erhoben werde, gegen die Mitglieder des

hrengerichtshofes wegen wissentlicher und geflissentlicher Rechts. beugung vorgegangen werde. Auch diese Eingabe ist im Vorwärts veröffentlicht worden. Ich zeichnete damalg verantwortlich, bin aber nicht angeklagt worden. Ueberhaupt wurden alle meine weiteren

Schritte wegen Anklageerhebung gegen mich abgelehnt. Ich glaube, bewiesen zu haben, daß ich das ganze Materiak in dieser Sache der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht habe. Außerhalb des Hauses habe ich einen Redakteur Müller, der ähnliche Beschuldigungen gegen mich erhoben hatte, einen gewerbzmäßlgen Verleumder genannt. Ich werde wohl noch Gelegenheit haben, vor Gericht weileres Material bei- zubringen. Ich habe nachgewiesen, daß alles, was der Abg. Maltzan behauptet hat, unwahr ist. Wenn jemand falsche Behauptungen auf⸗ stellt, so mag das hingehen, aber wenn er den Sachverhalt verschleiert und wichtige Sätze unterschlägt, so ist das die schlimmste Art der Verdächtigung, die man sich denken kann. Einen, der so handelt, erkläre ich für elnen ganz gemeinen Verleumder.

Vizeprästdent Kaem pf: Ich frage Sie, ob Sie mit diesen Worten ein Mitglied des Hauses gemeint haben?

5 ö. Stadthagen (Soz.): Ich überlasse das dem Urteil des

auset. .

Vijepräsident Kgem pf: Ein Urteil darüber dürfen Sie nicht dem Hause, sondern dem augenblicklich amtierenden Präsidenten über⸗ lassen; ich muß Sie wegen jenes Ausdrucks zur Ordnung rufen.

Abg. Freiherr von Maltzan irg, Ich habe nicht die Absicht, dem Abg. Stadthagen in bezug auf die Ruppigkeit, die er bekanntlich proklamiert hat, zu folgen. ch habe niemals behauptet, daß er eine strafbare Handlung begangen hat, sondern nur, daß seine Darstellung über die Gründe seiner Ausschließung aus dem Rechts— anwaltsstande die Hauptsachen nicht enthielt. Ich halte diefe Behauptung in allen ihren Punkten vollkommen aufrecht und nehme kein Wort davon zurück. Der Abg. Stadthagen sagte, seine eigenen Standesgenossen hätten eg abgelehnt, gegen ihn vorzugehen, sie haben aber in erster Instanz auf eine Geldstrate bon 2000 . und einen Verweis erkannt. Was die Entscheidung der zweiten Instanz betrifft, so will ich vorausschicken, daß 'in ihr auch Anwalte vertreten sind, und eine Verurteilung nur mit Zwei⸗ drittelmehrheit erfolgt, sJ daß also von den Anwalten ebenfalls einige für die Schuld des Abg. Stadthagen gestimmt haben müffen. In dem Erkenntnis heißt es. Es liegt eine übermäßige willkürliche Liguidation von Gebühren seitens des Angeschuldigten vor. Es erscheint diese Pflichtverletzung hier um so strasbarer, weil der An— geschuldigte einer Partei gegenüber stand, die wegen der angeblichen Buchfälschung und wegen des ihn zur Erhebung seiner Gebühren berechtigenden Reverses ganz in feine Hand gegeben war. Diese n,, in Verbindung mit dem Zustandekommen des Reverses wärde nach Ansicht des Gerichtshofes schon die Ausfchließung des Angeschuldigten aus der Rechtsanwaltischaft notwendig machen, wenn auch sonst keine Rechtsverletzung seinerseits festgestellt wäre.“ Vizepräsident Kaempf teilt mit, daß ein Vertagunggantrag vor⸗ liege. (Abg. Stadthagen bittet ums Wort, Abg. Bebel ruft: Ich nehme meine Unterschrift zurück! Hierauf nehmen auch die übrigen Unterzeichner des Vertagungsantrages nacheinander ihre Unterschrift zurück Dann liegt ein Vertagungsantrag jetzt nicht mehr vor.

Abg. Stadthagen (Sor): Ber Ehrengerichtshof entscheidet mit einfacher, nicht mit Zweidrittelmehrheit. In dem Urtesl erster Instanz ist auch nicht mit einem Wort von einer bewußten Gebührenüberhebung gesprochen. Lag eine strafbare Handlung vor, so war der Staatzanwalt verpflichtet, zunächst das Strafverfahren einzuleiten, und dann mußte das ehrengerichtliche Verfahren folgen. Wegen bewußter Gebührenüberhebung bin ich niemals angeklagt, auch niemals wegen der angeblichen Verschleierung; trotzdem ich mich in einer Eingabe an den Justizminister gewandt und behauptet habe, daß hier das Recht gebeugt sei, und daß die Betreffenden elende Verleumder seien, ist nicht Anklage gegen mich erhoben. Wenn nicht politische Gründe bestimmend gewesen wären, würde es gar nicht zu verstehen sein, wie in dieser Weise bewußt das Recht gebeugt werden konnte. Hätte der Abg. von Maltzan gesagt, ich will den Talbestand nicht pruͤfen, weil ich nicht zu der Ueberzeugung kommen will, daß hier das Recht gebeugt ist, dann wäre es gut ge⸗ wesen. Aber was er hier wiederholt hat, ist vorher schon genügend bon dem Präsidenten gekennzeichnet; denn als ich das Ürieil dem Hause überließ, bat er den Ausdruck „gemeiner Verleumder“ auf den Freiherrn von Maltzan bezogen.

Abg. Frhr. von Maltzan (. kons.): Wenn der Abg. Stadt hagen es durchaus wünscht, will ich das Erkenntnis vom 17. November 1892, in dem auf 20600 M Geldstrafe und einen Verweis erkannt ist, ver⸗ lesen. Der Redner verliest hierauf das Urteil mit der sehr umfangreichen Begründung und schließt: Ich überlasse es dem Urteil des Hauses, ob ein solcher Mann das Recht hat, hier fortwährend unsere Justij anzugreifen.

Abg. Stadthagen (Soz): Wenn es wahr gewesen wäre, daß bei mir eine strafbare Handlung vorläge, dann hätte gegen mich Anklage erhoben werden müssen. Die Staatsanwaltschaft, die Oberstaat? anwaltschaft und der Justijminister haben aber ein Einschreit abgelehnt. Es, kann also nur richtig sein: entweder das Ehren⸗ gericht hat in das Protokoll. hineingeschrleben, was eg wollte, oder aber es lag Überhaupt kein Anlaß zu einer Anklage gegen mich vor. Wenn jemand nun trotzdem seine Behauptungen auf— recht erhält, ohne andere Tatsachen mitzuteilen, so ist das etwas, wie und ich glaube, das Urteil darüber

ich es vorher gekennzeichnet habe, dem Hause überlassen zu können. ; Gegen 7i / Uhr wird die Weiterberatung auf Dienstag 1 Uhr vertagt, vorher: dritte Lesung der Nohelle zum Tele⸗ graphengesetz und dritte Lesung des Scheckgesetzes.

Preußzischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 35. Sitzung vom 21. Februar 1908, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht zunächst die zweite Beratun des Gesetzentwurfs, betreffend die , , . Eise nbahn⸗Dam pffähr ent erb in du ng zwischen Saßnitz und Trelleborg.

Ueber den ersten Teil der Verhandlungen hierüber ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Minister der öffentlichen Arbeiten Breitenbach:

Wirtschaftliche und politische Momente sind es gewesen, die die Königliche Staatsregierung veranlaßt haben, dem hohen Hause diese Vorlage zu unterbreiten, und ich meine, die politische Bedeutung kann nicht dadurch abgeschwächt werden, daß von dem Abg. Broemel hingewlesen wird auf Vorkommnisse, die sich in schwedischen Häfen gegenüber Schiffen, die unter deutscher Flagge gefahren sind, zuge⸗ tragen haben. Ich bin über solche Vorkommntffe nicht unterrichtet. Ich meine aber, wenn sie sich zugetragen, dann werden die freund⸗ lichen Beziehungen zwischen den beiden Staaten, die durch diese Vor⸗ lage eine weitere Stärkung erfahren sollen, sehr bald zu einer er⸗ wünschten Remedur führen.

Ob die politischen oder die wirtschaftlichen Momente überwiegen,

Geschäfts bücher, Skripturen ufw., die ihm zurückgegeben waren, ver⸗

lasse ich dahingestellt. Wenn aber die polltischen überwögen, so würde

trotzsem die Staatgregierung verpflichtet sein, auch in solchem Fall bei einem Unternehmen, das so erhebliche Geldmlttel erfordert, in Nne sorgfältige Nachprüfung der Rentabilität einzutreten. Den Ausführungen des Abg. Broemel muß ich ent. schieden entgegentreten, als wenn unsere Vorlage mit solcher Hast vorbereitet wäre, daß wir gar nicht in die Lage gekommen wären, die wirtschaftliche und namentlich auch die finanzielle Wirkung der ge⸗ planten Einrichtung einer gründlichen Untersuchung zu unterziehen. Ich kann hier, wie es bereits in der Kommission geschehen ist, mit. teilen, daß wir auch den Ertrag der Dampffähreinrichtung alt solcher herauszurechnen gesucht haben. Es liegen mir vler Ertrag. berechnungen vor, von verschiedenen Stellen aufgestellt. Die Grund⸗ lage für die Schätzung der Einnahmen und teilweise auch der Ausgaben bildet der zu veranschlagende Verkehr, ein sehr unsicherer Faktor. Eine dieser Berechnungen schließt mit einem erheblichen Gewinn ab; sie wurde beanstandet. Bei der zweiten balanckerten die Einnahmen und Ausgaben; bei einer dritten überstiegen die Ausgaben ein wenig die Einnahmen, und bel einer vierten ich kann den Ertrag nennen erheblich; der schlechteste Abschluß ergab eine Unterbilanz von etwa 100 000 M6 Sämtliche Berechnungen entbehren der erforderlichen Zuverlässigkeit wegen der Schwierigkeit einer richtigen Schätzung dez zu erwartenden Verkehrs. Der Hinweis darauf, daß die Fähreinrich- tung als solche gar nicht als ein Ganzes betrachtet werden darf, wa eine selbständige Abrechnung verträgt, ist meines Erachtens durchaus zu⸗ treffend. Die Rückwirkungen auf das anschließende Staatsbahnnetz sind entscheidend, und wir waren doch auch in der Lage, dem hohen Hause den Nachweis ju liefern, daß vorauessichtlich auch dieses Unternehmen sich leidlich rentieren werde. Diesen Nachweis haben wir unseres Erachteng in durchaus jweifelloser Weise erbracht durch den Hinweis auf die Ergebnisse des Fährbetriebs Warnemünde Gjedser, die nunmehr für 3 abgeschlofsene Betriebsjahre vorliegen. Aus diesen Ergebnissen ist festgestellt, daß zwar nur in einem Jahre bei der Fähreinrichtung als solcher die Einnahme und Ausgabe annähernd balanzierte und in zwei Jahren die Ausgaben die Einnahmen überstiegen, daß aber die Mehr⸗ einnahmen des anschließenden mecklenburgischen Staatseisen bahnnetzes so erheblich waren, daß die Ausfälle, die die Fähreinrichtung als solche brachte, vollständig ausgeglichen waren.

Ich meine, meine Herren, dieser Nachweis ist so schlagend und so sicher, daß es viel richtiger ist, ihn jum Ausgangspunkt der Erwägung zu machen, als unsichere Berechnungen, die wir für die Rentabilität der zukünftigen Fähreinrichtung aufstellen.

Ich stelle bei dieser Gelegenheit auch meinerseits nochmals vor dem hohen Hause fest, daß die Einrichtung der Dampffähre Saßnitz Trelleborg keineßwegs zum Zwecke hat, der Linie Warnemünde = Gjedser Kon⸗ kurrenz zu bereiten. Meine Herren, die preußischen Staatseisenbahnen haben es sich von jeher jur Aufgabe gemacht, in allen internationalen Verkehren die gemeinsamen deutschen Interessen stark zu betonen, und sie lehnen es ihrerseits ab, durch einseitige Maßnahmen eine deutsche Staatsbahn zu schädigen. Und von diesem Grundsatze ist auch im vorliegenden Falle ausgegangen. Wir freuen uns jeder Verkehrs⸗ vermehrung auf unsern Linien. Verkehrsbermehrung wollen wir aber erreichen durch eine pflegliche Behandlung des innern Verkehrs und nicht durch Konkurrenzmaßnahmen. Die Vorlage verdankt ihre Ent⸗ stehung ausschließlich wirtschaftlichen und politischen Momenten; das finanzielle Moment ist dabei nicht zu kurz gekommen.

Der Herr Abg. Broemel meinte, er habe eine gewisse Beschãmung empfunden über die Art und Weise, wie wir mit dieser Vorlage an das hohe Haus herangetreten sind. Ich glaube, ja ich hoffe, daß er der einzige ist, der dieses Gefühl der Beschämung gehabt hat bei einer Vorlage, die auch unter nationalen Momenten zu berücksichtigen und zu würdigen ist. Es ist doch etwas Erstrebengwertes, daß wir eine stamm verwandte Nation, die in freundlichen Beziehungen zu uns steht, uns näher zu bringen suchen.

Meine Herren, die Sorge, daß diese neue Verkehrseinrichtung, deren Bedeutung ganz überwiegend auf der Seite des Personenverkehrs liegt, ju einer Schädigung der Ostseeplatze führen kann, ist ja bereitz von meinen Herren Vorrednern, von den Herren Abg. Dr. von Savigny und von Arnim widerlegt worden. Von einer Heran⸗ ziehung des Massenverkehrs, des Schwergutverkehrs, kann gar nicht die Rede sein. Welcher Güterverkehr wird sich der Fähre zuwenden. Es ist derjenige Verkehr, der entscheidendes Gewicht darauf legen muß, daß keine Umladung erfolgt, und nicht allein um die Umladekosten zu ersparen das wird nicht immer entscheidend sein sondern um alle Fährlichkeiten zu umgehen, die sich aus der Umladung ergeben, also namentlich den Bruch bei zerbrechlichen Gegen⸗

eine besondere Beschleunigung beansprucht. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß ein Betrieb, der mit 4 wohleingerichteten Dampffaähren arbeitet, elne Beschleunigung bringen wird; das ist ja der Zweck der ganzen Einrichtung.

Was die Ableitung des Personenverkehrg von Stettin betrifft, so kann eine solche nicht in Frage kommen. Der Personenverkehr ist heute bereits, sowelt er nicht die Route Warnemũnde = Gjedser benutzt hat, über Saßnitz Trelleborg gegangen und nicht über Stettin. Es kann sich also nur darum handeln, daß ein Teil des schwedischen und norwegischen Verkehrs, sowelt er nicht Kopenhagen aufsuchen oder die längere Seefahrt vermeiden will, statt über Warnemünde auf die Linie Saßnitz Trelleborg übergeht.

Herr Abg. Broemel hat ferner darauf hingewiesen, daß die Ein⸗ richtung dieses Fährverkehrs zu einer Schädigung derjenigen Reederei führen müsse, die heute eine Subvention der Reichs postverwaltung zur Durchführung ihres Betriebes zwischen Saßnitz und Trelleborg erhält. Er hat es bemängelt, daß in der Begründung auf diesen bestehenden Betrieb und die Schädigung dleser Linie nicht hingewiesen ist. Meine Herren, es handelt sich um eine Subvention, die das Reich bejahlt. Eg ist nicht im Staatzinteresse erschienen, diese Frage zu regeln, bevor der preußische Landtag über diese Vorlage als solche befunden hat. Es ist, wle mir bekannt, in dem Vertrage zwischen dem Reich und der Reederel vorgesehen, daß bei Einrichtung des Dampf⸗ fährbetriebg eine anderweite Regelung erfolgen solle. Diese Regelung wird erfolgen jzwischen dem Reich und der Dampfschiffahrtsgesellschaft, und ich habe neulich bereits in der Budgetkommission erklaren können, daß die preußische Regierung durchaus bereit ist, diese Verhältnisse in wohlwollender und die Interessen der Firma berücksichtigender Weise ju regeln. Ich meine, damit ist doch alles geschehen, was ge⸗ schehen kann, um Schädigungen Dritter vorzubeugen.

Ich würde mit den Herren Vorrednern, den Abgg. von Savigny

und von Arnim, dringend wünschen, daß dlese Vorlage, der zweßfellos

ständen, unter anderen auch bel Gußwaren. Dann der Verkehr, der

eine gewisse politische Wichtigkeit innewohnt, von diesem hohen aufe tunlichst einstimmig angenommen wird, und empfehle sie dem hohen Hause jur Annahme. (Bravo ü

Abg. Lusentky (ul.): Meine Freunde veranlaßt hauptsächlich die politisch Erwägung, der Vorlage jujzustimmen. Selbst auf die Ge⸗ fahr materieller Einbußen hin wollen wir den Verkehr mit dem stamm · verwandten Volk der Schweden fördern. Wenn diese Erwägung nicht wäre, könnte man allerdings die Vorlage von anderen Gesichtspunkten anschen, und sie würde vielleicht nicht angenommen werden. Herr Broemel geht fehl, wenn er den Zuschuß für die Fähre Warnemünde Gjedser zur Grundlage seiner r, ,. nimmt, und das finanzielle Bedenken kann neben der politischen Erwägung nicht ausschlaggebend sein. Wenn wir in Saßnitz nicht bereits einen Hafen hätten, könnte man zweifelhaft sein, ob nicht ein anderer Hafen zu bauen sei. Jedenfalls bat Arkona Vorzüge vor Saßnitz, da die Verbindung schneller sein würde. Ferner würde die Linie von Malmö über Barhöft nach Berlin nur 376 km betragen, die Linie über Saßnltz dagegen 32 km, aber wir haben bereits den Hafen in Saßnitz. Wir werden also der Vorlage zustimmen.

Abg. Gyßling (fr. Volkep.): Die Gründe des Abg. Broemel sind nicht ausreichend, um zu einer Ablehnung der Vorlage zu kommen. Die Beratungen der Kommission sind so erschöpfend gewesen, daß sie die wünschenswerte Ergänzung der Motive in genügender Weise ge— bracht haben. Mit Freude stimmen wir für die Vorlage und wünschen, daß sich die finanziellen Befürchtungen nicht bewahrheiten, und daß die Verkehrsverbesserung Deutschland zum Segen gereiche.

Abg. Dr. Rewoldt (frkons); Ich kann nur dafür dankbar sein, daß der vorpommersche Landesteil durch diese Vorlage gewinnen wird. Die Verkehrsverbesserung wird unseren Häfen zu gute kommen. Ein Wermutstropfen fällt allerdings in unsere Freude, daß der Abg. Broemel sich nicht wohlwollend über die Vorlage ausgesprochen hat. Er erklärte zwar, den Zielen der Vorlage wobhlwollend gegenüber⸗ zustehen, aber tatsächlich ist dies nicht der Fall, wenn er dagegen stimmt. In Neuvorpommern wird man die Ueberzeugung baben, daß

err Broemel im Interesse von Stettin e n, hat, daß also dir

tadt Stettin bei dieser Vorlage abseits steht. Von einer Zurück- setzung von Stettin überhaupt kann in unseren pommerschen Landen nicht die Rede sein. tettin ist hoch gekommen, während die anderen Häfen an der neuvorpommerschen Küste zurückgegangen i die Schiffahrt ist zurückgegangen, und die Häfen haben schwere

erluste erlitten. Wenn die Lage dieser Häfen jetzt gehoben wird, sollte Stettin sich diesem Umstande nur freundlich gegenüber⸗ stellen. Eine Rentabilitätsberechnung kann Herr Broemel bei einem solchen Unternehmen nicht verlangen. Wenn Stettin uns in dieser Frage unterstützt hätte, würden wir dafür dankbar sein.

Abg. von Böhlendor ff⸗Kölpin (kons.): Die Vorlage bezweckt eine Verkehrsförderung, und dafür können wir nur dankbar sein, und meine Freunde stimmen ihr freudig zu. Wir begrüßen sie mit der allergrößten Freude. Sie wird uns wirtschaftlich einen Schritt vor⸗ wärts bringen. Schweden liegt uns so nahe, daß man sich wundern kann, daß wir diese Verbindung nicht schon lange haben. Die Linie wird nicht aus Konkurrenzrücksichten gegen die mecklenburgischen Linien nach Dänemark vorgeschlagen; solche Absichten liegen uns und unserer Eisenbahnverwaltung fern. Wenn wir immer solche Rücksichten nehmen, würden wir überhaupt nicht vorwärts kommen. Wir müssen uns nun überlegen, ob die Verbindung von der Käste nach dem Westen genügend ist; das ist nicht der Fall, alle Eisenbahn⸗ Üinien gehen von dort -nach Berlin. Es müssen die Linien nach dem Westen ausgebaut werden, um die Wege abzukürzen. Wir brauchen Verkürzungen über Stralsund⸗Rostock und über Ducherow. Stettin und Swinemünde werden davon Vorteile haben. Der ran , wird sich wesentlich heben, und auch der Personenderkehr wird sich an Damit können wir sicher rechnen, so daß auch Stettin schlleßlich nicht Nachteil, 66 Vorteil haben wird. Die Reise⸗ geschwindigkeit bei uns ist genügend, sie geht bis zu 90 Km aber in Schweden läßt die Geschwindigkeit ag den Elsenbahnen noch zu wünschen, und es ist ju hoffen, daß sie beschleunigt werde. Die Linie Trell'borg Malmö hat Aussicht, verstaatlicht zu werden, und dann wird hoffentlich die schwedische Regierung für Verbesserungen sorgen. Alles in allem können wir der Vorlage nur zustimmen.

Abg. Broem el (fr. Vag.) bemerkt, daß man sich später wohl noch überzeugen werde, daß er nicht nur für die Interessen Stettins eingetreten sei, sondern für die Interessen der Verkehrsförderungen überhaupt; er sei durchaus für eine gute Dampferberbindung. Der Redner hebt nochmals die finanziellen Bedenkea hervor und bemerkt, ö. er sich mit Recht über die Unzulänglichkeit der Motive der Vorlage be—⸗ schwert habe.

Damit schließt die Diskussion. Die Vorlage wird in ihren einzelnen Teilen unverändert angenommen.

Darauf setzt das Haus die Beratung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten im Kapitel „Elementar— unterrichtswesen“ bei den Beihilfen zur Unterhal⸗ . 6 Mädchenschulen, die auf 370 900 M an⸗ etzt sind, fort.

erichterstatter Abg. Dr. Wol ff⸗Gorki berichtet über die Kom⸗ missionsverhandlungen.

Abg. Schiffer (nl. ): Der Vorgang, daß der Direktor der Kgl. Augusta⸗Mädchenschule zu Berlin, Prof. Wychgram, den preußischen Staatsdienst berlassen und in den Pienst Läbeckz eingetreten ist, beranlaßt uns, nach den dabei mitspielenden Gründen zu fragen. Der Name Wychgram bedeutet ein Programm, er sst an seiner Schule mit bemerkengwerten Neuerungen vorgeschritten. Wie kommt es, daß man diesen Mann aus dem preußischen Staatsdienst hat ö lassen zu einer Zeit, in der eine durchgreifende Reform des höheren Mädchenschulwesens eingeleitet werden soll? Wir sind etwas miß⸗ trauisch geworden, der Staat hat es nicht immer verstanden, hervor. tagende Männer festzuhalten, ich erinnere nur an die Namen Wallot und Bracht. Der Abgang Wychgramz ist als ein Verlust für die Allgemeinheit anzusehen. ;

Ministerialdirektor D. Schwartzkoypff: Wie ich bereits in der Kommission auegeführt habe, muß sich der Minister bei der Darlegung solcher Personalfragen eine gewisse Zurückhaltung guf⸗ erlegen. Ich glaube aber, doch sagen zu können, daß es zunaͤchst nicht zutreffend ist, daß die Neuerungen, von denen der Abg. Schiffer gesprochen hat, lediglich auf Professor Wychgram zurück. zuführen wären, sie find auch an einer ganzen Reihe von anderen Möädchenschulen in Preußen eingeführt worden. Ich kann wester erklären, daß von einem gemutmaßten Gegensatz in den Anschauungen dez Ministers und den Anschauungen Wychgrams nicht . ar n. Ich erkläre, daß der Minister in solchem Gegensatz nicht steht.

Abg. Feli sch (kons.) knüpft an eine Petition der an höheren Privat⸗ vad n fn beschäftigten Lehrerinnen an, die darin um eine einheit⸗ liche Regelung ihrer Anstellungsverhältnisse von Staats wegen bitten. Die Petition weise nach, daß diese Privatschulen eine empfindliche Lücke ausfüllten, indem drei bis viermal soviel solcher Privatschulen vorhanden seien, als Staatz. und Kommunalanstalten, tro dem reichten aber auch die Prwatschulen noch nicht aus, um dem Bedürfnis zu genügen. Die Anstellungs⸗,, Besoldungs. und Pensionsverhältnisse der Lehrkräfte an den Privaten Mädchenschulen seien aber so un—⸗ genügend, daß es eine Pflicht des Staates sei, hier Remedur zu chaffen, solange er nicht dafür sorge, daß höhere Unterrichtsanstalten n genügender Zahl vorhanden seien.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Holle: Meine Herren! Den Ausführungen des verehrten Herrn Vor—

zedners, sowelt sie darauf gerichtet sind, für die Lehrerinnen an den Pridatmaͤdchenschulen, deren Zukunft durch das Fehlen jeder Pension

nach Möglichkeit zu sorgen, trete ich gern und in vollem Maße bei. (Bravoh Daz Bestreben der Verwaltung ist auch darauf gerichtet, eine solche Versorgung herbeizuführen. (Bravoh

Nun hat freilich der geehrte Herr Vorredner bemerkt, ich möchte nicht wieder auf die Reichsgesetzgebung verwelsen; aber ich kaun erklären, daß im Reiche die Verhandlungen wegen Zastandekommens eines Gesetzeg jur Alterg-⸗ und Invalldenversicherung der Privat- beamten selt vielen Jahren im Gange sind, ja, nahe vor ihrem Abschlufse stehen, sodaß hoffentlich die Einbringung des Entwurfs eineg solchen Reichsgesesetzes bald erfolgen wird. Dieses Reichggesetz wird dann auch die Verhältnisse der Lehrerinnen an den privaten Töchterschulen regeln. Bei der Vorbereitung des er⸗ wähnten Reichsgesetzes wird ein Uebereinkommen mit dem Reiche da— hin erstrebt werden, daß die Allgemeine Deutsche Penstonsanstalt für Lehrerinnen und Erzieherinnen eine Kasseneinrichtung sei, die geeignet wäre, die im Reiche angestrebte Altergversicherung für die Privat— lehrerinnen für Preußen zu ersetzen. Gelingt dieses Bestreben, so würde damit ein außerordentlich wesentlicher Fortschritt erreicht sein. Um nun bis zur gesetzlichen Regelung dieser Verhaäͤltnisse bereits eine Verbesserung der bestehenden Zustände zu schaffen, hat die Unterrichts- verwaltung, wie bereit der Herr Vorredner auggeführt hat, bei der Allge⸗ meinen Deutschen Pensionsanstalt für Lehrerinnen und Erzieherinnen, die mit der Unterrichts verwaltung in naher Verbindung steht, eine Abteilung Il eingerichtet, und zwar darum eine gesonderte Abteilung, weil für die⸗ jenigen, die in Abteilung Lversichert sind, die Bestimmung gilt, daß dasjenige, was einmal gezahlt ist, dauernd der Kasse verfallen bleibt. Dadurch ergeben sich häufig Schwierigkeiten, namentlich in den Fällen, wenn die Lehrerinnen heiraten, in penstonsberechtigte Stellen über⸗ treten oder vorzeitig sterben. Darum ist in Abteilung LI die Be— stimmung getroffen, daß die Beiträge wie in einer Sparkasse auf— gesammelt und in den gedachten Fällen den Lehrerinnen selbst oder ihren Erben zurückgezahlt werden. Dann welter ist in dieser Ab—⸗ teilung AL dafür gesorgt worden, daß eben die Beiträge auch zum Teil übernommen werden von den Kammunalverbänden und von den Schulen, an denen sie wirken. Die darauf gerichteten Bemühungen der Unterrichts verwaltung haben schon jetzt einen ganz außerordentlichen Erfolg gehabt. Zuerst sind einige Städte, z. B. Altona und Breslau, mit gutem Beispiel vorangegangen und haben Pauschalsummen in ihre Etats eingestellt, um den Privatschulen und ihren Lehrerinnen den Beitritt und die Versicherung bei der Allgemeinen Deutschen Pensionganstalt wesentlich zu erleichtern. Wir sind nun bemüht, immer weitere Städte für diese Einrichtung zu gewinnen, und wir hoffen, daß diese allmählich auf alle Sädte und Schulen ausgedehnt wird, die bis dahin ihren Privatlehrerinnen noch nicht entgegengekommen sind. (Abg. Krawinkel: Bravoh Eg ist ja jzuzugeben, daß damit noch keine endgültige Lösung erreicht wird, weil natürlich die Beiträge der Kommunen in den einzelnen Fällen verschieden sind; aber jeden⸗ falls ist doch immerhin durch diese Einrichtung eine Hilfe geschaffen, indem ein erheblicher Teil der Beiträge in den einzelnen Fällen nicht den Lehrerinnen zur Last fällt.

Auch die Staatsregierung ist im übrigen bereit, denjenigen Lehrerinnen, die in eine schwierige Lage geraten, zu helfen; zu diesem Zwecke ist ja in diesem Jahre der Unterstützungsfonds verdoppelt, von 20⸗ auf 40 000 M erhöht worden. (Bravo

Abg. Ernst (fr. Vgg.):; Ich habe nicht die Ehre, Herrn Wychgram persönlich zu kennen, aber ich hätte auch dringend gewünscht, daß ein so hervorragender Mann der preußischen Schule erhalten geblieben wäre. Dem Kollegen Felisch schließe ich mich in bezug auf die Fürsorge für die Lehrerinnen an; ich habe bereits im vorigen Jahre auf diese Frage hingewiesen. Ich hoffe, daß es erreicht werden wird, daß die Lehrerinnen für ihr Alter sichergestellt werden.

Bei den dauernden Ausgaben für das Elementarschul⸗ wesen bittet

Abg. Peltasohn (fr. Vzg.) um Aufstellung bestimmter Normen für die Gewährung von Entschädigungen für Reisekosten und von Tagegeldern für die Lehrer, wenn sie in amtlicher Eigenschaft vor Gericht erscheinen müssen. Sie erhielten it solche Ent⸗ schädigungen nicht, weil keine Norm dafür bestehe; der Minister möge sich mit dem Finanzminister in Verbindung setzen, um dafür Mittel auszuwerfen. .

Abg. Tournegu (Sentr) tritt für eine Erhöhung der Sätze für die Abloöͤsung von Naturalleistungen für Lehrer und Geistliche ein. Die geltenden Sätze entsprächen nicht mehr den heutigen Ver hältnissen. Im Kreise Worbis sei für die Sätze der Markt in Nord⸗ hausen, für den Kreis Helligenstadt der Markt in Mühlhausen maß . An Stelle der Abloöͤsungssätze solle man feste Gehaltszulagen geben.

Die Ergänzungszuschüsse an Schulverbände wegen Unvermögens für die laufenden Ausgaben der Schulunter⸗ haltung sind auf 7849 013 angesetzt. Dieser Titel ent⸗ hielt im , Etat 17 492 893 6, davon sind jedoch in dem vorliegenden Etat diejenigen Mittel ausgesondert, welche nach 5 19 des Schulunterhaltungsgesetzes zur Unterstützung von Schulverbänden mit 25 oder weniger Schulstellen den Landkreisen zu überweisen sind. Für di'sen Zweck sind 17767 442 M eingestellt.

Berichterstatter Abg. Dr. Wol ff Gorki welst darauf hin, daß in beiden Titeln jusammen rund 8 Millionen Maik mehr gefordert werden, und empfiehlt die Bewilligung.

Abg. Krawinkel (nl) gibt seiner Freude Ausdruck, daß nach dem Etatsvermerk aus diesem Titel auch die Mittelschulen in kleineren und mittleren Städten . werden sollen. Es bestehe in vielen dieser Städte ein großes Bedürfnis für die Mittelschulen. Die Städte litten oft unter dem Mangel geeigneter Schulen, die über die Volksschule hinausgingen; so leide namentlich unsere Sflmarkenpol itt darunter. Wenn auf dem Lande in den kleinen Städten ein Kranz von Mittelschulen die höheren Anstalten in den Städten umgäbe, so wäre damit ein großer Fortschritt für unser Bildungs wesen ge⸗ macht. Eine Förderung des Mittelschulwesens in den kleinen Städten würde goldene Früchte sür unsere Heimatspolitik bringen.

Abg. We ster mann (ul) weist darauf hin, daß die Belastung einzelner Gemeinden im industriereichen Westen durch die Schullasten ganz immens sei; in einzelnen Gemeinden des Kreises Herne würden deshalb bis zu 400 o/0 Gewerbesteuer gezahlt. .

Abg. Freiherr von Wolff⸗Metternich (Zentr. unterstützt die Wünsche nach Hebung der Mittelschulen, bittet aber um Dispenfation vom Unterricht, wenn die nötige Reife vorliege.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Holle:

Meine Herren! Ich möchte nicht unterlassen, in Bestätigung der Ausführungen der Herren Vorredner meinerseits zu betonen, daß ich der Förderung der Mittelschulen im Interesse der kleineren Städte eine außerordentliche Bedeutung bellege. Es ist ja darum auch bereits in der Unterrichts verwaltung seit einiger Zeit die Augarbeitung eines einheltlichen Lehrplans für die Mittelschulen im Gange; sie macht natürlich gewisse Schwierigkeiten. Der jetzige Lehrplan hat sich außer

daß die Ausarbeitung des neuen Lehrplans längere Zeit erfordert als die Herren vielleicht erwarten. Dieser Lehrplan steht vor seinem Abschluß, und wenn er eingeführt sein wird, werden die übrigen Fragen, die heute behandelt worden sind, sofort in Angriff genommen werden.

Abg Dr. Heisig (Zentr.) wünscht die Unterstützung des Mãdchen⸗ Mittelschulwesens in gleicher Weise wie die der Knabenschulen und empfiehlt die Knaben. und Mädchen⸗Mittelschule in Gleiwitz be—= sonderer Ber ãcksichtigung.

Abg. von Christen fireikons.): Nach 5 13 des Schulunterhaltungs⸗ esetzes ist die Zusammenlegung von kleineren Gemeinden zu gemeln⸗ i. Schul verbanden zulässig. Ich bitte, daß in solchen Fallen Leistungen. für die Schule vom Staate nicht auf die Domänenpächter abgewalzt werden.

Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Cassel (fr. Volksp) und Freiherr von Wolff⸗Metternich werden die beiden Titel bewilligt . , .

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n, Bei den Remunerationen für Volksschullehrer

und —lehrerinnen behufs besonderer Förderung des

deutschen Volksschulwesens in den Landesteilen mit deutscher und polnischer Sprache, 700 000 MS, kommt Abg. Rjesnitzek (freikons.) auf den Antrag zurück, den er im Vor⸗ jabre für seine politischen Freunde eingebracht habe. Derselbe bezwecke, eine Erhöhung des Titels von 550 000 M auf S50 000 MS sofort herbei⸗ zuführen und dann die Remunerationen für Förderung des deutschen Schulwesens in persönliche Zulagen für die Lehrer und Lehrerinnen in Oberschlesien zu verwandeln. Dem ersten Teil des Antrages stellten sich damals etatsrechtliche Bedenken entgegen. Die Staagitzregterung erklärte, daß sie den Titel erhöhen würde, wenn er sich als aus— kömmlich nicht erwrisen sollte. Sie habe ihr Versprechen ein⸗ gelöst und eine Erhöhung des Titels um 150 000 M eintreten lassen. Wenn das auch anerkannt werden müsse, so sei es doch wohl jetzt notwendig, in der Verteilung der Mittel eine größere Einheitlichkeit und Stabilität eintreten zu lassen. Es errege unter den Lehrern Befremden, wenn sie troßz der Erhöhung der Mittel kleinere Zuwendungen erhielten, als es in den Vorjahren der Fall gewesen sei, besonders wenn andere Beamtenkategorien erheb⸗ lich höher bedacht würden. Ebenso sei es nötig, möglichst keine Lehrer von den Remunerationen auszuscheiden und für deren Ver⸗ teilung einen bestimmten Termin festzusetzen. In bezug auf die Umwandlung der Remunerationen in perfönliche Zulagen sei die Königliche Staatsregierung seinen Wünschen nicht gefolgt, obgleich der Antrag sowohl in der Budgetkommission als auch im Plenum des Hauses eine beträchtliche Majorität gefunden habe. Wir halten, so sagt der Redner zuletzt, die Begründung, daß da noch andere Beamten⸗ kategorien herangezogen werden müßten, nicht für durchschlagend. Wenn nun wirklich andere Beamtenkategorien ebenso im Volkskeben stehen wie die Lehrer, wenn sie so über ihren engen Dienst hinaus sich um die Pflege der nationalen Gesinnung bemũhen, so sind wir gern bereit, auch ihnen persönliche Zulagen ju gewähren. Wir halten es für besser, durch friedliche Arbeit und mit kleineren Mitteln die loyale Gesinnung in dem Volke zu erhalten, als später mit größeren Mitteln ju erkämpfen. Wir nehmen deshalb an, daß der Herr Minister noch einmal in die e, dieser Frage eintreten wird, und daß sie dazu führen wird, unsere Wünsche zu erfüllen.

Abg. Fal tin (Zentr.): Ich möchte das Remunerationgwesen auf

ein Minimum beschränkt sehen. Die Verteilung dieser Remunera⸗ tionen hier erfolgt ganz willkürlich nach rein politischen Gesichtspunkten. Nicht nur Lehrer und Lehrerinnen erhalten in Oberschlesien derartige Remunerationen, sondern auch Gemeindevorsteher und Aerzte. Schließlich könnte jeder andere Mann aus dem Volke kommen und . Hinweis auf die Förderung des Deutschtums solche Ansprüche erheben. Geheimer Oberregierungsrat Klotzsch: Wie im vorigen Jahr muß die Regierung auch diesmal erklären, daß sie dem Antrage auf Umwandlung der an Lehrer und Lehrerinnen ge— währten Remunerationen in den gemischtsprachigen Gebielen Oberschlesieng in sogen. Ostmarkenzulagen nicht Folge geben kann. Es ist der Unterrichtsverwaltung nicht möglich, diese Ausnahme zu Gunsten einer einzelnen Beamtenkategorie, der Lehrer, im Gegensatz ju allen anderen Beamten durchzusetzen. Wenn im vorigen Jahre die Ausgaben dafür in Oberschlesien etwas gekürzt werden mußten, so lag das daran, daß für die besondere Tätigkeit der Lehrer beim Schulstreik an anderen Stellen Mittel aufgewendet werden mußten. Die Regierung läßt sich selbstverständlich bei der Verteilung dieser Remunerationen nur von den sachlichen Gründen leiten, die dafür maßgebend sein müssen.

Abg. von Bieberstein (kons. ): Das Lehrermaterial in den gemischt⸗ sprachigen Landesteilen ist ein besonders vorzügliches, es ist bedauer⸗ lich, daß die Zulage nicht gewährt werden kann. Aber man muß vorläufig damit zufrieden sein, wir behalten uns jedoch vor, bei der Besoldungsvorlage einen ähnlichen Antrag zu stellen, wie ihn der Abg. von Aldenburg bezüglich der Ausdehnung der Zulage auf die noch ausgeschlossenen Kreise in Westpreußen gestellt hat.

Nach 66 weiteren Bemerkungen des Abg. Metger (nl.)

wird der Titel bewilligt. . .

Bei den Unterstützungen für ausgeschiedene Elementarlehrer und ⸗lehrerinnen unterstützt

Abg. Dr. Glattfelter (Zentr. die Ausführungen der Abgg. Felisch . über Sicherstellung der Lehrer und Lehrerinnen an Privat-

ulen. b Abg. Dr. von Campe (nl) bedauert, daß für Lehrer, welche den Vorteil des borjährigen Gesetzes über die Lehrerpenstonierungen nicht genießen, weil sie ei früher pensioniert waren, in diesem Etat nur eine einmalige Unterstützung vorgesehen ist; er bittet, für diesen Zweck dauernd Mittel einzustellen. e

Abg. Zieschs (Zentr.) bittet gleichfalls, den Fonds zu derstãrken, um den alten emeritierten Lehrern eine ausreichende Pension gewähren zu können. Für die Prüfung der Unterstützun sgesuche solle man be= sondere Vertrauengpersonen bestellen und nicht die Polizei damit be⸗ trauen. Viele alte Lehrer verzichteten lieber auf eine Unterstützung, als daß sie sich den ern ins Haus kommen ließen, um ihre persönlichen Verhältnisse festzustellen.

Abg. Dr. Arendt (frkons. ): Es ist allerdings richtig, daß Penstong⸗ esetze ohne rückwirkende Kraft erlassen werden, aber für die davon gef. ist das ein empfindlicher Schade. Deshalb kann nur durch diesen Fonds geholfen werden. Der Fonds wird aber verstärkt werden müssen, um so mehr, wenn nach dem neuen Lehrerbesoldungs⸗ esetz die Pensionen für die erst künftig zu pensionierenden Lehrer 6 werden. Nach dem Ftatsvermerk bei diesen Fonds können auch frühere Privatlehrer und Lehrerinnen unterstützt werden; es wäre vielleicht angebracht, statt dieses Vermerks einen besonderen Fonds für die privaten Lehrkräfte zu schaffen. Es sollte endlich eine gesetz⸗ liche Sicherung aller im Schuldienst stehenden Personen geschaffen werden. J

Bei dem Fonds für Unterstützungen von Witwen und Waisen von vor dem 1. April 1907 verftorbenen Volks⸗ schullehrern, der auf 530 000 M, das heißt 130 000 M mehr, angesetzt ist, dankt

bg. Zie schs (Zentr.) für die Erhöhung des Fonds, bedauert aber die Art der Verteilung dieser Unterstützungen; Lehrerwitwen über 60 Jahre alt hätten in manchen Provinzen keine Unterstützung be⸗ kommen, einige hätten nur 20 , andere dagegen über 300 be⸗ kommen. Man solle namentlich von den Witwen über 60 Jahre nicht verlangen, daß sie jedes Jahr von neuem um die Unterstüͤtzung einkommen müssen. ;

Abg. Eickhoff (fr. Volkgp.) nimmt sich gleichfalls der Lehrer⸗ witwen an, wie schon im vorigen Jahre. Der Fonds reiche nicht aus, um nur den bescheidensten Anforderungen zu genügen. Der Fonds sei zwar schon mehrmals erhöht worden, erfreulicherweise

im Falle deg Alterg oder der sonstigen Dienstunfähigkeit unsicher ist,

ordentlich mannigfaltig gestaltet, und darin findet es seine Begründung,

dieses Mal um 130 000 S, aber das reiche noch immer nicht