1908 / 48 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 25 Feb 1908 18:00:01 GMT) scan diff

K ö

lichen Vereine usw. darüber zu beraten, wie eventuell die in dem einen oder anderen Bezirke hervorgetretenen Ueberstände geheilt werden können, damit sich auf diese Weise die medizinalen Anordnungen den Bedürfnissen möglichst anpassen.

Dann ist die Rede gewesen von der finanziellen Stellung der voll besoldeten und der nicht voll besoldeten Kreigärzte. Ich erlaube mir, darauf hinzuweisen, daß auch diesen beiden Beamtenkategorien durch die bevorstehende Besoldungsaufbesserung in ihren Gehaltsbezügen ge⸗ bessert werden sollen. Dann möchte ich betonen, daß eine Verbesserung der Pension bei den nicht voll Besoldeten in der Weise in Aussicht genommen ist, daß in Zukunft nicht mehr ein Teil der von ihnen bisher bejogenen Gebühren als Grundlage für die Berechnung der Pensionierung gelten soll, sondern allgemein der Satz von 2260 M für jede nicht vollbesoldete Stelle. Ferner soll weiter auch die Erhöhung der Dienstaufwandsentschädigung der Kreis⸗ ärzte in Erwägung genommen werden. Eine Ausdehnung des Fürsorgegesetzes von 1902 auf Unfälle, die die Medhzinalbeamten in ihrem Dienste erleiden, ist eine dankenswerte Anregung, über die ich gern mit den beteiligten Ministern in Verbindung treten werde.

Endlich ist die Rede davon gewesen, ob man nicht den Aerzten Jahre ihrer früheren Praxis in Anrechnung bringen könnte. Meine Herren, das ist ausgeschloss'n nach den Bestimmungen des Pensions⸗ gesetzes. das solche Jahre, die vor der Vereidigung des Staatsbeamten liegen, von der Anrechnung ausschließt. Im übrigen wird bei jedem zur Anstellung gelangenden Beamten die Dienstzeit, die er als Kreisassistenzarzt zugebracht hat, in Anrechnung gebracht.

Was welter das Medizinalkollegium anlangt, auf dessen Reform⸗ bedürftigkeit der Abg. von Voß bhingewiesen hat, so darf ich bemerken, daß ich diese Anschauung teile, ebenso wie mein Herr Amtsvorgänger. Dieser hat bereits die beteiligten Behörden zur Berichterflattung ver⸗ anlaßt. Die Berichte liegen vor und ist ihre Verarbeitung bereits begonnen. Es wird darauf ankommen, die bisher im wesentlichen auf gerichtsärztliche Tätigkeit beschränkte Arbeit der Medizinalkollegien auszudehnen auf die Sorge für die öffentliche Gesundheitspflege.

Abg. Dr. von Hey debrand und der Lasa (kons.) : Auch wir erkennen an, daß die Tätigkeit der Kreisärzte durchaus nützlich und notwendig ist, und daß an der Aufbesserung ihrer Lage, soweit es an⸗ gemessen ist, gearbeitet werden muß. Aber das in bezug auf die allgemeinen Gesundheitsverhältnisse auf dem Lande Gesagte möchte ich doch nicht ohne Gegenbemerkung vorübergehen lassen. Der Minister zog soeben die Statistik heran was beweist man beute nicht alles mit der Statistik! um zu beweisen, daß die Sterblich⸗ keit auf dem Lande größer geworden sei, und daß also jetzt für das platte Land neue sanitäre Bestimmungen getroffen werden müssen. Man muß doch bedenken, daß wir auf dem Lande vielfach darunter leiden, daß nicht leistungsfähige Aerzte genug vorhanden sind, daß die leittun e g e, sobald sie können, in Städte geben; ferner ist es selbstverständlich, daß in den größeren Slädten Krankenhäuser sehr viel leichter geschaffen und reich ausge—⸗ stattet werden können. Die Statistik gibt also ein nicht ganz zu⸗ treffendes Bild, und ich würde doch raten, fh nicht mit dem gleichen Uebereifer wie die Kreisärzte auf diese Frage zu stürzen. Sie bemühen sich ja, wie ich anerkenne, möglichst gute Zustände auf dem Lande herbeizuführen, aber sie wählen leider nicht immer die rich⸗ tigen Mittel. Man weiß ja, wie die Dinge zu laufen pflegen; die Anregung kommt an die Regierung, der Herr Medizinalrat erhält sie zur Bearbeitung, der Regierungspräsident ist ja wegen Ueberbürdung * nicht in der Lage, die Sache zu kontrollieren. Sie gebt also an en Landrat zurück, der muß der Verfügung pflichtgemäß Folge geben, und nun wird eine ganze Reihe von Maßregeln angeordnet, bei denen man wirklich zweifelhaft sein kann, ob sie notwendig sind. Man muß doch die Verhältnisse berücksichtigen, wie sie noch bielfach auf dem Lande vorliegen; man sollte den Uebereifer der Kreis- ärzte zügeln. Es sind ja doch gerade jetzt verhältnismäßig neue Einrichtungen auf dem Gebiete des Medizinalwesens auf dem Lande getroffen worden; wir haben vorerst die Erfahrungen ab— zuwarten, die damit gemacht werden. Wir haben ferner unserseits immer besonderen Wert darauf gelegt, daß den Kreisärijten auch die , erhalten bleibt, nicht wegen der damit verbundenen

innahmen, sondern um sie mit dem praktischen Leben in dauernder Verbindung zu erhalten. Was da alles an Konsequenzen hinsichtlich der öffentlichen Hygiene gezogen werden soll, ist wirklich gar nicht nötig; einen Fortschritt wollen auch wir, aber immer mit Rücksicht auf die praktischen Verhältnisse und auch mit Rücksicht auf die, die schließlich die Sache zu bezahlen haben.

Die Einnahmen für die Kreisärzte, Gerichtsärzte, für die i nen Institute und Untersuchungsämter werden be⸗ willigt.

Zur Unterstützung des Bezirkshebammenwesens sind 50 000 M6 neu ausgeworfen. In den Erläuterungen ist esagt, daß die Ausgestaltung des Bezirkshebammenwesens im er we einer guten Geburts- und Wochenbetthygiene be⸗ ider in den östlichen Provinzen erforderlich ist; es handelt ch im wesentlichen darum, den Kreisen und Hebammen⸗ bezirken die Ausbildung, Fortbildung und Erhaltung eines ausreichenden und leistungsfähigen Hebammenpersonals zu er— möglichen. Der he , nee, Betrag ist zu staatlichen Hilfen an die nicht genügend leistungsfähigen Verbände bestimmt. Abg. Münsterberg (fr. Vga.) : In der vorigen Session hat Herr von Studt auf eine Anfrage erklärt, ein besonderes Hebammen e sei ausgearbeitet, und er hoffe, es in der nächsten Tagung ein—⸗ ringen zu können. Der neue Minister hat eine andere Anschauung, er wünscht zunächst ohne Gesetz auszukommen und will den Versu machen, das Bezirkshebammenwesen auszubauen. Billigerweise mu die Möglichkeit der Durchführung dieses Versuchs gegeben werden. Wenn auch die ausgeworfene Summe nicht gerade hoch er— scheint, so wird doch auch schon damit sehr Gutes ge⸗ leistet werden können. Mit gewissen Grundforderungen hat der neue Minister sich aber auch einverstanden erklärt. Wenn wir also einstweilen der Anstellung jenes Versuches zustimmen, so halte ich doch nach wie vor ein w , für das ganze Staatsgebiet fuͤr nötig und glaube, daß sein Erlaß in wenigen Jahren schon unabweisbar sein wird. Die gegenwärtigen Zustände sind sowohl nach der persönlichen Seite wie auch in Hlnsicht auf die tatsächlichen Verhältnisse für die Dauer unhaltbar. Es ist eine Tat⸗ sache, daß die Sterblichkeit der Frauen bei der Entbindung, im Wochenbett fünfmal so groß ist als die Durchschnittssterblichkeit der Frauen überhaupt; außerdem zeigt sich, daß in den ländlichen Kreisen und namentlich dort, wo ärztliche und sonstige Fürsorge am meisten ju wünschen übrig lassen, die Sterblichkeits. und Erkrankungsziffer noch höher steigt. Hiergegen muß vor allem eingeschritten werden. Der Redner gibt im Anschluß hieran eine Reihe von Anregungen für den Inhalt des künftigen Hebammengesetzes bezüglich der Vorbildung und Ausbildung der Hebammen, auch bezüglich ihrer späteren äußeren und sozialen Stellung; die Einzelheiten können aber auf der Berichteistattertribüne im Zusammenhang nicht verstanden werden. Abg. Dr. Heydweildler (nl): Eine gesetzliche Regelung des Hebammenwesens ift wiederholt von Hebammenvereinen beim Ab- ern,, d und Herren hause angeregt worden. Es wurde nament- ich eine Einbeziehung der Hebammen in das Reichsinvaliditätsgesetz und daneben eine , ihrer e gefordert. Auch wurde die Einführung eines guten Wochenpflegegefetzes befürwortet. Nun sind die Forderungen doch zum Teil so weitgehend, daß auf ibre Ver

vielmehr Rücksicht nehmen müssen auf die verschiedenen Kultur— verhältnisse in den verschiedenen Teilen des Staates; die Verwaltungs. bebörden werden im großen ganzen mehr in der Lage sein, * Besserung zu erzielen, als die Aufstellung theoretischer Forderungen, deren Durchführung doch nur in dem möglich ist, wie die lokalen Verhältnisse deren Durchführung gestatten. Von diesem Stand⸗

unkte aus ist es zu begrüßen, daß der neue Kultusminister

ch entschlossen hat, zunächst auf dem Verwaltungswege das Ziel ju erreichen. Die Gebühren der Hebammen müssen er⸗ höht werden und event. die öffentlichen Kassen mit der Einziehung dieser Gebühren beauftragt werden. Wo aber die Gebühren nicht ausreichten, müßte eine ergänzende Fürsorgeyflicht der Gemeinden ein⸗ geführt werden. Leider ist dies, als es durch Ministerialerlaß versucht wurde, durch die Judikatur des Oberverwaltungsgerichts vereitelt worden. Diese Judikatur hat aber den guten Erfolg gehabt, 4 ein Drittel der preußischen Kreise eine befriedigende kreisstatutarische Rege⸗= lung des Hebammenwesens durchgeführt hat. Sollten diese Schritte aber nicht zu dem gewünschten Ziele führen, so müßte dies auf gesetz lichem Wege erreicht werden. 51 0/9 der Bezirkshebammen hat ein Einkommen von unter 400 c Wir müssen dahin streben, daß wir den Hebammenstand dadurch heben, daß gebildetere Frauen und bessere Elemente vom Lande sich ihm zuwenden. Hand in Hand damit müßte gehen die ,, einer guten Krankenpflege. In Hessen ⸗Cassel ist es gelungen, mit Hilfe von Zuschüssen der Landesversicherunge⸗ anstalt und der ropinzialverwaltung für die Einrichtung einer Krankenpflege eine Hebamme mit 700 Gehalt anzustellen. Wir werden gewiß alle bereit sein, um den Minister bei einer Besser⸗ stellung dieses für das Vaterland so wichtigen Standes zu unterstützen.

Abg. Schmedding⸗Münster (Zentr. tritt ebenfalls für eine Rege⸗ lung des Hebammenwesens ein.

Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗ angelegenheiten Dr. Holle:

Meine Herren! In voller Uebereinstimmung mit dem geehrten Herrn Vorredner kann auch ich mich nur auf den Standpunkt stellen, daß unser bestehendes Hebammenwesen große Mißstände aufweist, die dringend einer Verbesserung bedürfen. Der Herr Abg. Münfterberg hat bereits auf die Ergebnisse der Statistik hingewiesen, wonach namentlich in ländlichen Kreisen, und von diesen wieder mehr in den ärmeren, eine ungewöhnlich große Sterblichkeit der Mütter im Wochen⸗ bett besteht. Meine Herren, noch zahlreicher sind, glaube ich, die Fälle, in denen nicht der Tod eintritt, sondern die Mülter ein dauerndes Leiden infolge mangelhafter Behandlung durch die Hebammen davontragen und dadurch namentlich in den Familien, in denen die Hausfrau der Träger des wirtschaftlichen Bestandes der Familie zu sein pflegt, eine dauernde Not in dem Hausstand herbeigeführt wird. (Sehr richtig!)

Meine Herren, auch das Kurpfuschertum ist unter den Hebammen verbreitet.

Wenn bis dahin zur Besserung dieser Verhältnisse immer von einem Gesetzentwurf die Rede gewesen ist, so ift ein solcher auch in meinem Ministerium ausgearbeitet worden. Aber bei seiner Durch⸗ sicht habe ich die Ueberjeugung gewonnen, daß ein anderes Vorgehen, wenigstens versuchzweise, den Vorzug verdient. Eine gesetzliche Regelung des gesamten Hebammenwesens würde notwendig elne starre Form der neuen Organisation herbeiführen, wie das bei jedem Gesetz der Fall ist. Auch würde eine neue Belastung der Kommunal verbände unter den heutigen Zeitverhältnifsen, wo sie ohnehin stark belastet sind, manchen Bedenken begegnen. Da in großen Gebieten der Monarchle unter möglichster An⸗ passung an die örtlichen Verhäͤltnisse eine befriedigende Lösung der ganzen Frage ohne Gesetz gelungen ist, so glaube ich zunächst auch weiter von der gesetzlichen Bindung absehen ju können und durch Bereit, stellung eines größeren Staatsfonds den Versuch zu machen, mittels Staatsbeihllfen auch dort befriedigende Verhältnisse zu schaffen, wo solche bisher nicht bestanden. Ob der Versuch gelingen wird, läßt sich noch nicht übersehen; aber ich glaube, immerhin verdient in der heutigen Zeit dieser Versuch den Vorzug vor einer doch mehr oder wenlger schematischen Regelung durch Gesetz. (Abg. Münsterberg: Sehr richtig!)

Die Hauptsache ist zunächst, daß überall Hebammen vorhanden sind, und daß, wo sie jetzt noch fehlen infolge der Leistungsunfähigkeit der Kommunalverbände, ihre Ansetzung ermöglicht wird. Die zweite Hauptsache bei der Regelung des Hebammenwesens ist eine finanzielle Sicherstellung der Hebammen. Zu dem Zweck ist zunächst eine Grundlage für die Gebühren erforderlich. Es ist zweifelhaft, ob die beftehende Gesetzgebung eine entsprechende Grundlage bietet; es ist darum ein Gesetzentwurf für die Gebühren der Hebammen bereits ausgearbeitet worden, und ich hoffe, ihn in allernächster Zeit dem hohen Hause vorlegen ju können. (Gravol) Durch das Gesetz soll eine sichere Unterlage geschaffen werden, damlt die Hebammen zu ihrem Gelde kommen. Eine einheitliche Regelung der Gebühren von der Zentrale aus ist nicht beabsichtigt, sondern die Gebühren sollen durch den Regierunggpräsidenten bestimmt werden, der sie in An= passung an die örtlichen Verhältnisse auch für die einzelnen Teile des Benrks verschieden bemessen kann. Für die Beitreibung der Ge⸗ bühren der Bezirkshebammen ist das Verwaltungs zwangsverfahren vorgesehen.

Ferner halte ich jur Verbesserung des Hebammenwesens für ge⸗ boten, daß den Bezirkshebammen eine genügende materielle Sicher⸗ stellung gegeben wird, sowelt diese durch die Gebühren nicht erfolgt. Jn der Benehung treten schon jetzt vielfach die Kreise ergänzend ein. Die Einstellung der 50 000 M gestattet, wie ich mir schon anzudeuten erlaubte, den Versuch zu machen, den Kreisen und sonstigen Verbänden, die aus eigenen Mitteln nicht die erforderlichen Summen beschaffen können, eine staatliche Beihilfe zu gewähren, um so auch in den ärmeren und abgelegeneren Gemeinden die Niederlassung von Heb⸗ ammen überhaupt ju erreichen und ihre bessere Aus, und Fortbildung ju ermöglichen Dabei wird es auch darauf ankommen, für solche Fälle, in denen eine Hebamme, die j. B. einen Fall von Kindbettfieber behandelt hat und wegen der Ansteckungsgefahr ihrem Gewerbe eine Zeitlang nicht nachgehen kann, entsprechende Entschädigungen vorjusehen. (Abg. Münsterberg: Sehr guth Dann ist auch ju erwägen, ob man nicht den Hebammen für den Fall der Dienstunfähigkeit in irgend einer Weise eine gewisse Versorgung sicherstellen kann, damit man diejenigen, die in ein höheres Lebens- alter kommen, ohne allju große Härten aus dem praktischen Beruf herausbringen kann.

Diese Pläne werden zunächst gehegt. Ich boffe, daß wir im Wege der freiwilligen Verhandlung mit den Kommunalverbänden doch in den weitaus meisten Fällen zu einem guten Ziele kommen werden. Dies empfiehlt sich auch schon darum, weil jetzt in den einzelnen Pro—⸗ vinzen ganz verschieden vorgegangen ist; in manchen sind die Ge— meinden die Träger des Bezirkzhebammenweseng, in anderen Fallen

wirklichung jur Zeit wohl kaum gerechnet werden kann. Man wird

sind es die Kreise oder Aemter.

Dit Ausbildung der Hebammen und die Kontrolle darüber, ob sie dauernd die nötigen Kenntnisse besitzen, um ihren Pflichten zu ent⸗ entsprechen, ist eine außerordentlich wichtige Frage, bei deren Regelung freilich die Provinzial verbände beteiligt sind; denn die Hebammenlehr⸗ anstalten, die früher im Besitz des Staats waren, sind bei der Dota⸗ tion der Provinzen auf diese übergegangen. Es ist erklärlich, daß die Bereitwilligkeit der Probinzlalverbande, den allgemeinen Interessen bezüglich der Dauer der Ausbildung und der Größe und Ausgestaltung der Anstalten Rechnung zu tragen, je nach ihrer Finanzlage verschleden ist. Ich beabsichtige, in diesem Jahre bei der Jahreskonferenz der Landesdirektoren mit ihnen über die in dieser Beziehung bestehenden Wünsche zu verhandeln. (Bravoh

Ich möchte also bitten, sich mit dem Vorgehen, das ich beab— sichtige, einverstanden ju erklären. Das Gesetz für die Hebung von Gebühren wird in allernächster Zeit dem hohen Hause zugehen, und ich glaube, daß, wenn wir den Weg der Freiwilligkeit beschreiten, wir damit zunächst zweckmäßig handeln. Denn die ganze Hebung der Heb— ammenfrage ist schließlich eine Geldfrage, und wenn der Staat sich helfend den Kommunalverbänden an die Seite stellt, so ist das der Weg, der jum Ziele führen kann. (Bravoh

Bei den verschiedenen anderen Ausgaben weist

Abg. , , (nk) darauf hin, daß das Bakteriologisch⸗hvygie⸗ nische Institut in Gelsenkirchen, das seinerzeit auf Anregung des Landrat ins Leben gerufen sei, außerordentliche Dienste bei der Be— kämpfung der Wurmkrankheit, der Genickstarre und der Typhugepidemie im xrheinisch-westfälischen Industriebezirk geleistet habe. Die Groß⸗ industriellen unterhielten dieses Institut; um aber sein Bestehen zu sichern, sei auch eine Staatsbeihllfe von 5000 M erforderlich, die er diesmal im Etat vermisse.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Holle:

Meine Herren! Auf die Anfrage des geehrten Herrn Vorredners, bei der es sich um eine Angelegenheit meiner Heimatprovinz handelt, kann ich gern erklären, daß der bisherige Zuschuß dem Unternehmen auch weiter bleiben und auch im Bedarfsfalle erhöht werden wird ˖ Jedenfalls besteht nicht die Absicht, ihn irgendwie zu kürzen. (Abg. Franken: Danke sehr h

Der Rest der dauernden Ausgaben für das Medizinal⸗ wesen wird bewilligt.

Im Extraordin arium sind u. a. für die Bekämpfung der Granulose wiederum 360 000 S6 ausgeworfen.

Abg. von Contad ffreikons) macht darauf aufmerksam, daß dieser Betrag lediglich für die Bekämpfung der Granulose in der Provinz Ostpreußen verwendet werde, 2. aber auch in der Provinz West— preußen und namentlich im Regierungsbezirk Marlenwerder die Granulose herrsche. Es kämen ,. vor, wo ganze Familien an dieser Augenkrankheit litten. Die Gemeinden könnten die Mittel dagegen allein nicht aufbringen.

Geheimer Qbermedizinalrat Dr Kirchner: Es ist uns woblbekannt, daß die Granulose in unserem Lande viel weiter verbreitet ist als lediglich in Ostpreußen; es besteht ein ausgedehnter Herd auch in den Provinzen Posen und Westpreußen, und die Regierung beabsichtigt, auch dort gegen die Krankheit vorzugehen. Aber die Mittel sind bisher immer vollständig für Ostpreußen aufgebraucht worden und in einigen Jahren sogar erheblich überschritten worden. Wir wollten zuerst verfuchen, wie wir in , jum Ziele kommen, und das ist uns ausge zeichnet gelungen, denn die Granulose ist in Ostpreußen nicht nur nach der Zahl, sondern auch nach der Schwere der Fälle erheblich zurückgegangen. Seit 1904 haben daher Ersparnisse an dem Fonds gemacht werden können, und wir haben uns nunmehr mit dem Finanzminister dahin ng gemacht, wie in den anderen Landesteilen vorgegangen werden oll. Ich kann daher in Aussicht stellen, daß wir in 5 Zeit über die Provinz Ostvreußen hinaus an die Bekämpfung der Granulose herantreten werden.

Zu Beihilfen zur Anstellung von Weinkeller⸗ kontrolleuren im Hauptberuf zwecks . des , esetzüs vom 24. Mai 1901 in den Weinbaugebieten am ö an der Mosel, Saar, Nahe und Ahr sind 16000 6 ausgeworfen.

Abg. Freiherr von Wolff⸗Metternich (Zentr) begrüßt diese Forderung als einen Anfang, wenn auch noch mehr wünschengwert wäre. Es sei aber nicht ersichtlich, ob diese hauptamtlichen Wein. kellerlontrolleure staatliche Beamte sein sollen, oder wie die Drganisa⸗ tion sonst gedacht sei.

Geheimer Medizinalrat Dr. Abel: Die Weinkontrolle ist ein Zweig der allgemeinen Nahrungsmittelkontrolle, und deshalb mußte das Prinzip aufrecht erhalten werden, daß die Gemeinden die Kosten übernehmen. Der Staat will aber je nach Bedürfnis diese Beihilfen zur Ver- fügung stellen. Die Sache ist ähnlich gedacht wie in der Pfalz, wo die Weinkontrolleure auch nicht Angestellte des Staates, sondern des Kreises Pfalz sind und die Gemeinden auf ihre Kosten sie anftellen. Die Kosten der Kontrolle werden für die Gemeinden voraussichtlich nicht nennenswert höher sein als bisher. Was die Weinkeller kontrolle außerhalb der Gebiete am Rhein, an der Mosel usw. betrifft, so ist wiederholt mit Recht bemerkt worden, daß die nebenamtliche Kontrolle nicht allen Anforderungen entspricht. Es ist deshalb be— absichtigt, auch in den Regierungsbenirken Merseburg, Frankfurt, Posen und Liegnitz Kontrolleure im Hauptamt anzustellen.

Abg. Wal lenborn (Zentr,) wünscht auch für das nächste Jahr

eine Zusammenstellung und Nachweisung der in den weinbautreibenden Gebieten tätigen Kontrolleure. Abg. Graf von Spee (Sentr.): Die Weinkontrolle, wie sie in der baverischen Pfalz und in Württemberg gehandhabt wird, hat sich sehr gut bewährt. Ein Beamter hat dort in einem Jahre über eine halbe Million Liter auslaufen lassen. Auch in Berlin haben wir bereit? seit einem Jahre einen Weinsachverftändigen im Hauptamte. Da sällt mir nur auf, daß ich in den Zeitungen sehr wenig von ausgelaufenen Berliner Weinen gebört babe. Es ist doch möglich und für mich durchaus nicht ausgeschlossen, daß diese Tatsache mehr in den Ausführungsbestimmungen des heutigen Weingesetzes als in der vorzüglichen Beschaffenheit der Berliner Weine ihre Begründung findet; hätten wir in Preußen schärfere, strengere Ausführungebestimmungen, so würde sich doch wohl ein anderes Resultat ergeben. ir begrüßen die Einstellung dieser 10000 M natürlich als einen Fortschritt; aber ich bitte die Re—⸗ gierung, wenigstens bei der Vorberatung der Bestimmungen des neuen Weingesetzez im Bundesrat dahin zu wirken, daß es Bestimmungen werden, welche die Tätigkeit der Kontrolleure auch vollständig wirksam werden lassen.

Der Antrag wird bewilligt.

Damit ist die Beratung des Etats für das Medizinal⸗ wesen erledigt.

Es folgt das Kapitel „Universitäten und Charits⸗ Krankenhaus in Berlin“.

Berichterstatter Abg. Dr. von Savigny (Zentr.) gibt einen sehr ausführlichen Bericht über die an dieses Kapitel geknüpfte Verhandlung der Budgetkommission. Es seien zunächst die Stellung und die Ver⸗ hältnisse der außerordentlichen Professoren, auch an der Hand einer Eingabe dieser Herren, erörteit worden; bezüglich der erweiterten Mitwirkung derselben bei den Angelegenheiten der Fakultäten habe der Minister eine entgegenkommende Antwort gegeben, aber eine völlige Gleichstellung mit den ordentlichen Professoren stoße auf gro Schwierigkeiten und * der Zukunft vorbehalten bleiben. Bedenken staatgrechtlicher Natur seien e gemacht worden da⸗ gegen, daß die Abteilungsvorsteher der Universitäͤtzinftitute mit dem

r außerordentlichen Professoren, aber auf Kündigung

u gie oc seien. Nach der Erklärung der Vertreter der gehts verwaltung sei diese Kündigungeklausel nicht ju vermeiden, r. werde aber von ihr nicht gemacht, ein eventuell nötig mnender Ausgleich vielmehr in anderer Weise herbeigeführt. ? professuren würden im Etat nur 4 oder 5. vorgeschlagen, dar⸗ e fur ordentliche. Nach der Angabe der Verwaltung sei ein e. Bedürfnis nicht vorhanden; die Vermehrung deswegen ein⸗ En ju lassen, um den Privatdozenten das A fr e, in eine sessar zu eileichtern, sei nicht tunlich, denn die Privatdozenten

in kein Recht auf Anstellung. Im einzelnen seien, wie in Boan, h an anderen Universitäten Profesfuren für Gewerhehygieng und d mwerberecht gewünscht worden, wie Bayern sie seit 10 Jahren ic ebenso müßten mehr Lehrstühle für Pädagogik geschaffen den. Die Frage, ob den Studierenden der Tierarjneikunde der

baftortitel zu verleihen sei, werde neu geprüft; es seien Gutachten i niersitãten eingefordert; das Verlangen aber, den Berner . med. vet. in an,. anzuerkennen, 6 zurückjuweisen, denn aint werden tönne nur der auf deutschen Universitäten er⸗ mabene Doktortitel. Klage sei erhoben worden darüber, daß bei Lblegung der medizinischen Doktorprüfung jwischen Ausländern . Inlaͤndern ein Unterschied gemacht werde; man erleichtere sie I asteren und benachteilige damit die Inländer. Hingewiesen orden sei auch auf die ganz verschiedenen Kosten, die ein Student m Staate verursache. Nach einer vorgetragenen Statistik der für e einzelnen Univeisitäten aufgewendeten Staatsmittel sei der billigste kurcut der in Münster, der 343 koste; dann folge Berlin mit Eon 554 und Bonn mit 550 M In Marburg koste der Student fh. in Halle S5, in Göttingen 839, in Breslau 965 „; dagegen ie sich der Kostenpunkt in Königsberg auf 1302, in Greifswald auf gf und in Kiel gar auf 1773 M. Von anderer Seite und von der Lmwaltung sei diese Statistik als irreführend jurückgewiesen worden; derlin erfordere einen Zuschuß von 4 Millionen, während Münster

Million koste und die übrigen Universitäten einen ungefähren hucchschnitt von 13 Million erforderten. Auch diese Zahlen seien kderum insofern als nicht maßgebend zurückgewiesen worden, als nrans eine besondere Beporzugung Berlins deduziert werden solle. zerlin müsse anderseits als Reichshauptstadt auch die Führung auf n Gebiete des Universitätsweseng haben, die Mehrausgaben seien mach böͤllig gerechtfertigt; die Universität Berlin habe nicht weniger 3 8600 Hörer.

Abg. 9 n , n (nl): Bei der allgemeinen Besprechung cses Cats haben die Abgg. Metzenthin und Strosser sich mit der herufung theologischer Professoren in maßvoller Weise beschäftigt. 6 würde auf die Sache nicht zurückkemmen, wenn nicht gewisse saßäußerungen mich dazu veranlaßten. Der Herr Minister hat u. a. cgeführt, daß an einen evangelischen Theologieprofessor neben seiner fffenschaftlichen Tätigkeit auch noch die Anforderung kirchlicher hewähtung gestellt werden müsse. Darüber herrscht im Grunde ch unter den kirchlichen Parteien kein Streit. Diele beiden Diderungen wird man unter allen Umständen an die Theologie ofessoren stellen müssen. Die theologischen Fakultäten ent chen ihnen aber auch. Entspräche einer von den Mit⸗ sedern der Fakultät diesen beiden Forderungen nicht, so würde

nach meiner Ueberzeugung aus der Fakultät austreten. un hat der Minister weiter gesagt, die Unterrichts waltung müsse bei der Anstellung von Theologieprofessoren in ug auf die verschiedenen Richtungen justitia distributiva üben. ' ist nun ein großer Uebelstand, daß man die Theologieprofessoren jwei streng von einander geschiedene Klassen einteilt; man redet mn positiven und kritischen Theologen. Nun wird man zugeben üssen, daß bei der unendlichen Mannigfaltigkeit und Vielgestaltigkeit versönlichen Anschauungen man bei solchen Klassifikationen immer chanisch, vergewaltigend verfahren wird, wenn man zwei solche wien Scheidungen vernimmt, wenn man gar statt der Worte positivy

d kritisch' die Worte gläubig? und ungläubig“ einsetzt. Dann ft man in das Gebiet des Tiefstreligiösen ein, und das gehört sch nicht dorthin. Die beiden Abgg. Metzenthin und Strosser hen in erster Linie gefordert, und darin stimme ich ihnen

daß bei der Berufung von Theologieprofessoren Licht oder Licht und Schatten . verteilt inden. Es fragt sich nun aber, ob bisher die sogenannten tischen Theologen bei der Berufung bevorzugt worden sind. ö Statistik zeigt nun, daß von 1891 bis 1966 die sogenannten üischen Theologen in keiner Weise bevorzugt worden sind. In den tztz beiden Jahren ist die Piece aus beiden Richtungen gleich⸗ ißzig erfolgt. Trotz der viel größeren Zahl der Bewerber war die adl der Berufungen positiver Richtung größer als die der kritischen Uihtung, und vor allen Dingen war die Wartezeit der Privat- menten auf seiten der keitischen Theologen eine unendlich größere. daz Ausland, d. h. die außerpreußischen Länder, hat nach unseren ütischen Theologen gegriffen, aber in keiner Weise nach positiven heologen, während umgekehrt Preußen vom Auslande nur positive beologen übernommen hat. Von einer Bevorzugung der kritischen heologenrichtung kann also gar keine Rede n Der Abg. Euosser hat nun gesagt, in sämtlichen preußischen Fakultäten nit einer einigen Ausnahme wären zum überwiegenden Teil genannte liberale Professoren ernannt worden. Wenn er diese behauptung auf Informationen einzelner Professoren gemacht hat,

müßte ich sagen, daß diese durchaus falsch klassifiniert aken, stützt er sich auf andere Berichte, so ist er falsch formiert worden, denn ich muß immer wieder sagen, bei dieser zechanischen Klasssfikation wird man im einzelnen nie zu einer vollen Hlarbeit kommen, weil man die Piofessoren nicht in irgend ein be⸗ timmtes Schubfach einreihen kann. Der Abg. Metzenthin hat nun uf jwei Berufungen Bezug genommen, auf die Berufung des hrosesors Deißmann aus Heidelberg an Stelle des in den Ruhe—⸗ and getretenen Seniors der Berliner Fakultät, Oberkonsistorialrats b. Weiß. und auf die Berufung des Preofessors Drews aus Gießen n Stelle des Professors D. Hering aus Halle. Man muß ch abgestoßen fuͤhlen durch den leidenschaftlichen Ton und die Ingerechtigkeit, mit dem beide Berufungen von der positiv ge⸗ ihteten kirchlichen Presse besprochen worden sind. Was nun ie Berufung, des Professols Drews anlangt, so möchte ich rauf hinweisen, daß die gesamte Hallenser Fakultät in allen bien Richtungen, alfo auch der positiden Richtung, in erster Linie En, Professor Drews vorgeschlagen hat. Ein Mitglied der salclit bat sich gegen die Ünterstellung verwahrt, als ob es eine Liberalisierung der dortigen Fakultät angekommen wäre. einstimmige Beschluß der Fakultät, so sagte der Betreffende betet, wäre nicht justande gekommen, wenn auch nur ein Mitglied

ch nicht zu dem Ebangelium der Lebre Christi bekannt hätte. Bei

Et Berufung habe eg sich in keiner Weife darum gehandelt, wie die

hrteistellung der Kandidaten gewefen fei, sondern ob sie ihrer Auf⸗

be gewachsen sei d mit Liebe für ihr geistliches Amt . f einer Berliner Kirche ein fog. kritischer Geistlicher sagte: Ich habe

nd mit Verständnis für dessen Anforderungen zu erfüllen. Es wäre Ein am Platze gewesen, sich gegenüber einem solchen einstimmigen öeschluß wenigstens eine gewiffe Reserv⸗ aufzuerlegen. Wie wenig

rund zur Beschwerde die pofitive Richtung hat, beweist auch die

sEtufung des bißherigen Missiongin pettors m zußerordentlichen Profeffor in Halle.

lindenen, daß der Minsster dem Vorschlage

1

uipeäniffe der neueften Yhilelozie für dag Neu Testament fruchtbar

usleitner aus Barmen as nun die Berufung . Professor Delßmann nach Berlin anlangt, so möchte ich darauf akut e , n äkultät gefolgt ist, an deren Spitze Exzellenz Weiß stand. Professor ä nann ist wi senschaftlich sehr in; und hat namentlich die

macht; er jst in der Beziehung ein Bahnbrecher. Kein

ö Cnellen; Weiß stellt ihm das glänzendste Zeugnis aus. Er sagt,

enne i

n ganz genau, und er sei einer von den wenigen unter den

wbeologen, den man in keiner Weise als einen Parteimann bezeichnen

ante, er sei ein echt deutscher Gelehrter, der n ur der Wissenschaft i bag und esgne 8 er deshalb für eine Berufung an die un Universität. Ich freue mich, daß in der letzten Zeit in der fe in hen Presse von einer Erregung über diese Berufungen, wie wir

der kirchlichen Preffe gefunden haben, nichts zu spären gewesen

ist, auch nicht in der Kreuzjeltung. Man hat ͤ wäünscht, daß an Stelle des Professors Kleinert in Herlin ein Vertreter der positlven Richtung berufen werde. Das sieht nun so aus, als wenn ein Mangel an Herre t n der positiven Richtung in Berlin vorhanden wäre. Ich wärde auf diesen Fall nichi zurückgekommen sein, wenn Die Reformation“ nicht in einem Artikel alle möglichen Personen mit Namennennung durchgemustert batte. Diese Art, die betreffenden Kandidaten nicht auf ihre Wissenschaftlich⸗ keit oder Unwissenschaftlichkeit, sondern auf ihr persönliches Gebaren hin zu prüfen, ist innerhalb des innerkirchlichen Kampfes neu. Gegen diese Art unduldsamer Charakterisierung muß entschieden Verwahrung eingelegt werden. Wenn ein Professor nicht in den Streit hinab= steigt, . wird ihm Feminismüt vorgeworfen, tut er das Gegenteil, 6 wird er trotzdem verurteilt. Hat ein Bewerber schon eine Zeitlang m Pfarramt gestanden, so wird ihm das höhere Alter zum Vorwurf gemacht. Ein k Klasftftzieren und Rubrizieren halte ich für ungewöhnlich. Ich meine, die Presse ist nicht die Instanz dafür, wie die Lehrstühle zu besetzen sind. Durch eine solche Polemik, die sich nicht auf Sachkenntnis aufbaut, wird auch das kirchliche Leben ge⸗ schäͤdigt. Auf das Urteil der Fakultäten kann sich der Minister ver⸗ lassen; denn diesen Mannern ist es nur um den Dienst der Kirche zu tun; aber auf Preßerzeugnisse wie die geschilderten soll er nicht hören, sondern vor ihnen soll er die Augen zumachen. ö Abg. Strosser (kons.): Ehe ich auf die letzten Ausführungen des Abg. Hackenberg aatworte, weise ich zunächst auf den Unterschied in der Verteilung der Kollegiengelder hin. In Berlin erhalten die Professoren daraus bis 4560 M, an, den übrigen Universitäten nur bis 30090 M Schon im var n, Jahre ist erörtert worden, daß bei den heutigen Verhältnissen dieser Unterschied nicht aufrecht zu er⸗ balten ist; denn die Universttäten Bonn, Kiel, Breslau usw. unter- scheiden sic in bezug auf die Teuerungsberhãl nisse in keiner Weise bon Berlin. Die Verwendung der Ueberschüsse aus den Kollegiengel dern im Betrage von jährlich 295 600 M ist wenig durchsichtig. Die Pro—⸗ fessoren, welche nur wenige Hörer haben, erhalten zur Abrundung ihrer Kolleglengelder 800 0, das sollte auf 1000 4 erhöht werden. Besonders dringend sst ferner die Aufbesserung für die Assistenten in den Kliniken. Viele Assistenten müssen in den Kliniken wohnen und Tag und Nacht zur Verfügung stehen. Mit 1290 4 ist eds kaum möglich zu leben. Die Assistenten, die in den Kliniken wohnen müssen, sollten wenigstens noch freie Station haben. Der Abg. Hackenberg betonte, daß der Abg. Metzenthin und ich sehr maßvoll in unseren Ausführungen ge⸗ wefen selen. Daß wissenschaftliche Tüchtigkeit und kirchliche Bewährung Vorbedingung füuͤr die Berufung der Professoren sind, darin stimme ich dem Minister bei; aber den von Herrn Hackenberg gemachten Gegen- satz zwischen positiven und wissenschaftlichen Professoren erkenne ich unter keinen Umständen an. Ünter den positiven Professoren gibt es eine sehr große pin die ebenso wissenschaftlich sind wie die andern. (Zwischenrufe links.) Ich habe Herrn Hackenberg so ver—⸗ standen. Is wird außerordentlich schwer sein, jwischen positiver und kritischer Richtung zu unterscheiden, denn es herrscht darin große Mannigfaltigkeit. Unter der kritischen Richtung wird man auch eine anze Anzahl von Professoren finden, die man auch zur positiven her ginn rechnen kann, und auch unter den positiven Professoren solche, von denen man nicht weiß, welche Richtung bei ihnen überwiegt. Ueber diese - Terminologie hat sich allerdings eine gewisse Ueber⸗ einstimmung der Anschauungen herausgebildet, und die Professoren selbst werden nicht zweifelhaft sein, welcher Kategorie sie zuzurechnen sind. Daß eine Unterscheidung zwischen gläubigen und ungläubigen Professoren unstatthaft ist, gebe ich zu; denn über den Glauben semandes zu urteilen, ist ganz besonders schwer. Herr Hackenberg sagt. daß bis 1906 die positiven Professoren bevorzugt seien, und daß in den beiden letzten Jahren pari passu vorgegangen sei. Wenn ich bei meinen neulichen Ausführungen sagte, daß auf den preußischen Universitäten, mit Ausnahme von Greifswald, die kritischen Professoren überwögen, so tat ich das auf Grund der Berichte in allen möglichen eitschriften, die mir zugesandt sind oder die ich selbst halte. Auch Herr Hackenberg wird sich im wesentlichen auf die Literatur in dieser Frage gestützt haben. Das Ausland, sagt. Herr ckenberg, berlangt nach kritischen Professoren, also müssen diese be⸗ onders wertvoll sein. Es fragt sich aber, wonach das Inland ver⸗ langt. Im Inland geht schwerlich der Wunsch dahin, daß die kritischen Professoren überwiegen möchten. Herr Hackenberg meint, daß man sich abgestoßen fühle durch den leiden schaftlichen Ton der Presse gegen die Berufung der Professoren Deißmann und Drews. Ich habe auch eine große Zabl solcher , , zugeschickt bekommen, die über diese Berufungen agen; es ist mir aber nicht aufgefallen, daß der Ton darin maßlos und leidenschaftlich gewesen sei. Welchen Ton haben denn die liberalen Zeitungen angeschlagen gegenüber den Ausführungen des Herrn Metzenthin und von mir, die doch Herr Hacken⸗ berg als maßvoll bestätigte? Ueber unsere Ausfübrungen und unseren Ton brauchte man sich nicht zu ereifern, aber die liberalen

nun ge⸗

Zeitungen haben uns in heftigster Weise 2 Herr Hackenberg

würde . ein Verdienst erwerben, wenn er seinen Einfluß auf die ihm nahestehenden Blätter üben wollte. (Zwischenruf bei den National= liberalen: Welche?! Ich kann ihm eine ganze Anzabl solcher Zei⸗ tungen zur Verfügung stellen. Herr Hackenberg sagt ferner, bei der Berufung von Drews nach Halle und von Deißmann nach Berlin sei der Vorschlag der Minorstat der Fakultät unter der Führung des ehrwürdigen Prof. Exzellenz * vom Minister angenommen worden. Allerdings haben sich über diese letztere Berufung in der kirchlichen Presse lebbafte Auseinandersetzungen entsponnen. Auch in dem christlich⸗sozialen Reich‘, das Herrn Weiß nahe steht, und worin er seine Erklärung veröffentlichte, sind auf diese Erklärung lebhafte Erwide⸗= rungen von seinen Freunden erfolgt, worin ihm vorgeworfen wird, daß er sich in der Qualität des Herrn Deißmann getäuscht habe. Wenn aber ö e , sagt, 5 habe nach dem Zeugnis von eiß stets nur seiner Wissenschaft gelebt und sich um anderes kaum gekümmert, so hat nach unwidersprochenen Zeitunge⸗ nachrichten Deißmann in Heidelberg eine besondere Zurückhaltung nicht geübt, denn er hat in öffentlicher Versammlung aufgefordert, einen Sonialdemokraten zu wählen. Ich hätte davon nicht gesprochen, wenn Herr Hackenberg mich nicht dazu veranlaßt hätte. Eine solche Betätigung qualifiziert ibn gerade nicht für einen theologischen Lehr⸗ stubl in Berlin. Der Mänister ist allerdings bei dieser Berufung korrekt verfahren, und wir haben uns mit seiner Erklärung ein— verstanden gezeigt und nur verlangt, daß, wie in den letzten beiden Jahren, die Parität gewahrt wird. Nichts anderes wünschen wir, und diese Forderung ist doch nicht so unbillig. Aber nicht nur die Presse hat sich über diese Berufung aufgeregt, sondern auch auf eine große Zahl von positiven evangelischen Geistlichen hat sie beinahe aufretzend gewirkt. habe eine Menge solcher Zuschriften be⸗ kommen. ünscht die große Masse unseres Volkes vositive Geistliche oder kritische? Der überwiegende Teil des Volkes will unter allen Umständen positive Geistliche. Ich habe selbst gehört, wie in

euch jetzt das Evangelium vorgelesen, aber man darf es nicht wörtlich nehmen, an dieses Hirn braucht ihr nicht zu glauben. So etwas will unser Volk nicht haben; denn ich habe dann in derselben Kirche erlebt, wie eine Anzabl Hörer aufstand und die Kirche verließ. Unsere Geistlichen auf der Kanzel sollen ibrer Gemeinde nicht Steine statt Brot geben. Sie müssen auf der Universität die Ausbildung finden, die wir fi unerläßlich halten, damit die Studierenden, die bei positiven Professoren hören wollen, nicht geiwungen sind, ins Ausland zu gehen. Das und nicht mehr haben wir verlangt, und Herr Hacken⸗ berg wird nicht sagen können: wir hätten Forderungen aufgestellt, die nicht maßvoll sind.

Abg. Dr. Schroeder ⸗Cassel (nl): Auf die Notwendigkeit der Errichtung von Lehrstühlen für sonale Medizin ist schon mehrfach, auch von mir, bingewiesen worden, und ich möchte solche für alle preußischen Universitãten erneut in Anregung bringen. Der Arzt hat auf dem Gebiete der Kranken⸗ Unfall. und Invaliditätsversicherung außerordentlich wichtige und schwierige Entscheidungen. Bei der Krankenversicherung hat er festzustellen, ob und welche Krankheit vorliegt, bei der Unfallversicherung hat er Gesundheitsschäden ab⸗

zuschätzen und Erwerbsbeschränkungen zu beurteilen, und bei der Invalsiditäteversicherung ist sein Gutachten besonders schwierig, da er festzustellen hat, ob der Betreffende durch sein Leiden unter Berücksichtigung seiner bisherigen Tätigkeit zu mehr als zwei Dritteln in seiner Erwerbstätigkeit beeinträchtigt ist. Dann kommt das wichtige Gebiet der Krankenfürsorge hinzu, wo der Arzt wiederum ju entscheiden hat, ob ein Heilverfahren Aussicht auf voll⸗ ständige Heilung oder Hinausschiebung der Invalidität hat. Eine richtige Entscheidung ist nur möglich, wenn der Arzt auch die nötige theoretische Kenntnis und praktische Erfahrung auf dem Gebiete der sozialen Medijnin besitzt. Heute ist die deutsche Bevölkerung ju einem ganz erheblichen Teile direkt oder indirett an den Versicherungen beteiligt. Daraus ist ju erseben, welchen Wert die sosiale Medizin für die Aerzte und die Bevölkerung besitzt. . den Mitteilungen des Herrn Kollegen Ruegenberg bat sich der Verfuch in Bonn vorzüglich bewährt. Es ist eingewendet worden, daß die Fakultäten sich ablehnend verhielten gegen die Einrichtung be⸗ sonderer Professuren für sonsale Medizin, die ihnen nicht notwendig erschiene. Eine Berücksichtigung der sozialen Fragen wäre auch bet der Behandlung der praktischen Medizin möglich. Die Unterrichts.! und Medizinalverwaltung standen beide auf dem Standpunkt, daß der Unterricht am zweckmäßigften in der praktischen Medizin erfolge. Die soziale Medizin aber ist eine vollständige Wissenschaft fuͤr sich. Außerdem ist eine Unterweisung im Versicherungsrecht notwendig, das nicht an irgend einer Stelle gelehrt werden kann. Ferner halte ich es für erforderlich, daß die soziale Medizin zum Gegenstand der Abschlußprüfung gemacht wird. Es ist durchaus be⸗ reiflich, daß die Studenten in erster Linie nur die Vorlesungen be— uchen, wenn sie wissen, daß der betreffende Professor in der Pruͤfungs⸗ kommission sitzt. Der Bonner Professor gehört ebenfalls ju den Examinatoren, und dies kommt in der ift seiner Zubörer jum Ausdruck. Nicht im Interesse der Professoren, sondern einer sach⸗ gemäßen Durchführung der deutschen Arbeiterversicherung ist die Er⸗ richtung von Lehrstühlen für sonlale Medinin notwendig. Der Redner be⸗ fürworket schließlich noch, daß die außerordentlichen Professoren, welche mit der Vertretung eines Lehrfachs vertraut sind, an den Beratungen der Fakultät teilnehmen.

Abg. Mün ster berg fr. 36 bespricht die Zahl der Hochschullehrer und der Studierenden und das Steigen dieser Zahlen im Vergleich mit einander und kommt ju dem Schluß, daß die Zahl der Studenten in weit stärkerem Maße zugenommen habe, als die der Dozenten. Be⸗ sonderß auf dem Gebiete der Rechtswissenschaft sei seit 30 Jahren eine Art Stagnation eingetreten. Es sei keineswegs dem Fortschritt und der modernen Entwicklung Rechnung getragen; vor allem gebe es noch nirgends eine Professur für internationales Privatrecht. An der Verwaltung der w, seien lediglich die ordentlichen Professoren, die nur ein Sechstel der gesamten Dozentenschaft umfaßien, beteiligt. Alle übrigen seien vollständig ausgeschlossen. Die Fakultätsverfassung sei zu eng und veraltet, es gebe nur vier Fakul⸗ fäten und sieben verschiedene Klassen von Professoren. Der Redner pricht die Hoffnung aus, daß an den bisherigen Freiheiten und der Selbst— verwaltung der Universitäten, soweit diese noch vorhanden sei, nichts abgebröckelt werden möge, denn darauf allein beruhe die Bedeutung und die Zukunft der deutschen Hochschulen.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Holle:

Bevor ich auf die von den beiden Herren Vorrednern angeregten Fragen eingehe, glaube ich zunächst einen kleinen Irrtum richtig stellen zu sollen, der mir in den Ausführungen des Herrn Vorredners ent- gegengetreten ist. Der Honorarprofessor ist gleichsam Professor honoris causa, nicht ein Professor, der Honorar erhält, wie man au dem Worte vielleicht schließen könnte. (Abg. Münsterberg: Das habe ich auch nicht gesagt Der Honorarprofessor hat keine Pflicht zu lesen, sondern nur ein Recht; insofern unterscheidet er sich von den übrigen Mitgliedern des Lehrkörpers. Bei der Frage der Vertretung eines Lehrfaches wird er also nicht gerechnet.

Wenn nun der Herr Vorredner darauf hingewiesen hat, daß in den beiden letzten Jahren die Zahl der Studenten relaliv stärker an⸗ gewachsen ist als die Zahl der Professoren, so ist daz richtig. Aber allein aus diesem Umstand darf man nach meiner Meinung nech nicht den Schluß jiehen, daß die Zahl der Professoren nicht mebr aus⸗ reiche. Die Unterrichte verwaltung kann dies umso weniger annehmen, weil nach den gemachten Beobachtungen die große Zahl der Studenten sich bald dem, bald jenem Fach juwendet. Es steht aber auch nichts im Wege, daß ein Professor statt vor 100 Studenten vor 150 Studenten ein Kolleg liest, soweit es sich nicht um eine Unterweisung handelt, die eine versönliche Beziehung iwischen Professoren und Studenten, etwa wegen der Demonstrations⸗ objekte, erforderlich macht. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß in den letzten 8 Jahren die staatewissenschaft⸗ lichen Professuren an den größeren Universitäten beinabe verdoppelt worden sind; an den größeren Universitäten sind 2 Ordinariate für Nationalökonomie, an kleineren ein Ordinariat und ein Extraordinariat eingerichtet.

Nun haben beide Herren Vorredner zunächst den Wunsch betont, daß Professuren für soziale Medizin geschaffen werden möchten. Es ist bekannt, daß die medizinischen Fakultäten vielfach Bedenken da⸗ gegen geäußert haben, weil sie meinten, daß die soziale Medizin in den anderen Vorlesungen genügend schon berücksichtigt werde. Ich stehe auf einem etwas anderen Standpunkt. Die außerordentliche Aut dehnung der sojialen Gesetzgebung und der Umstand, daß die meisten Fälle, die unter diese Gesetzgebung fallen, von den praktischen Aerzten maßgebend beurteilt werden müssen, legen die Er⸗ wägung nahe, die Aerzte bei der Ausbildung auch mit der Kenntnis dieser Gesetzgebung und ihrer Ziele vertraut ju machen, damit sie

später in ihrem praktischen Beruf die einzelnen Fälle auch richtig in

voller Kenntnis dieser Gesetzgebung zu beurteilen vermögen. (Bravo! links) Mit Rücksicht hierauf waren ja vor 3 Jahren zwei Lehr aufträge in Berlin und Bonn versuchsweise erteilt. Die Erfabrungen der nächsten Jahre haben dazu geführt, auch an den Universitäten Fiel und Marburg der Herr Abgeordnete Schrceder hatte es ja im vorigen Jahre angeregt dieselben Lehraufträge vom 1. April d. J. ab ju erteilen, sodaß dann an 4 Universitäten die soriale Medinn besonders vertreten sein wird. Daraus darf wobl geschlossen werden, daß allmählich noch weitere Universitäten folgen werden. (Bravo! link.)

Ob dle soziale Medizin in die Abschlußprüfung einzufügen ist, ist nicht Sache der preußischen, sondern der Reichsgesetzgebung; denn die Aufgaben und Ziele der ärztlichen Staatsprüfung sind für alle deutschen Universitäten gleich und vom Reich bestimmt.

Dann haben beide Herren Vorredner sich noch für die Hebung der Verhältnisse der außerordentlichen Professoren ausgesprochen. Meine Herren, diesen Bestrebungen muß man sympaithisch gegenüberstehen, und auch ich habe den Wunsch, darauf binwirken zu können. (Bravol links.) Es handelt sich zunächst um die materielle Hebung, die aller Wahrscheinlichkeit nach durch die bevorstehende Besoldungs vorlage zur Verwirklichung kommen wird.

In ideeller Beziehung sind von den beiden Herren Vorrednern einzelne Wünsche vorgetragen. Ich habe bereits versucht, die Stellung