früheren Justizministers Simons jitiert, der gesagt habe, bei Ent⸗ eignungsfragen mũsse dem Einzelgesetz vorbehalten bleiben zu bestimmen, wann ein Fall der Enteignung vorliegen könne; daß sei nachher nicht ein⸗ gebalten worden — so habe ich den Heirn Vorredner verstanden — denn das Gesetz von 1874 spreche allgemein, ohne spezielle Fälle heranjuziehen. Darauz folgt doch weiter nichts, als daß der Gedanke, den der Minister auggesprochen hat, später nicht aufrecht erhalten worden ist. Ueber die Frage aber, wie man festzustellen habe, ob ein Enteignung fall vorltege oder nicht, sind lange Erörterungen gewesen, die auch nach der Zeit des Ministers Simons stattgefunden haben. Ich darf daran erinnern, daß für das Enteignungsgesetz Entwürfe aufzestellt worden sind in den Jahren 1868, 1869, 1871, 1872, 1873, und immer bat man sich nicht einigen können, wie die Sache nun eigentlich gefaßt werden solle. Das ist auch ganz begreiflich; denn es ist nicht möglich, in einem Gesetz endgültig festzu⸗ legen, in welchem Falle in Zukunft eine Enteignung angezeigt sein möchte. Das muß sich nach dem einzelnen Fall richten. Man bat damals bei der Fassung, die man dem Gesetze gegeben hat, und bei den Beratungen, die vorher stattgefunden haben, naturgemäß das wirtschaftlich Wohl im weiten Sinne im Auge gehabt, nament⸗ lich auch das Verkehrewohl. Eisenbahnanlagen und derartiges; aber keineswegs ist der Gedanke der gewesen, daß nur wirtschaftliches Wobl zur Enteignung führen dürfe, und auch niemals hat die Praxis das so aufgefaßt. Denn was ist nicht anderes enteignet worden! Schon gestern hat einer der Herren Redner darauf bingewiesen, daß ganze Truppenũbunge plätze enteignet worden sind, Festungerayons usw. Dag trifft doch alles ebensowenig wirtschaftliche Zwecke wie die im Land⸗ recht erwähnten Fortifikationen. Also mit der rechtlichen Praxis kann der Herr Vorredner seine Ansicht nicht begründen.
Der Herr Vorredner hat ferner hingewiesen auf einen Rechts- lehrer Meyer.
Sein Buch ist vor längerer Zeit erschienen, ich glaube nicht, daß der Herr Vorredner sich darauf wird stützen können. Dort wird der Grundsatz aufgestellt, es könne unter dem öffentlichen Wohl ver⸗ standen werden alles, wobei Staatszwecke in Frage kämen. Das ist ja noch ein viel weiterer Begriff, als wie er in der gegenwärtigen Vorlage vertreten wird.
Ich glaube also, daß der Gedanke, nur das wirtschaftliche Wohl dürfe maßgebend sein, wenn es sich um die Enteignung handelt, durch⸗ aus unhaltbar ist. Ich spreche bier unter der unmittelbaren Kontrolle einer großen Zabl hochangesehener und bekannter Juristen, es würde ja leicht sein, mich ju widerlegen, wenn ich so ganz abwegig mit meiner Auffassung wäre. Aber ich glaube, daß ich im Gegenteil dabei auf ihre Zustimmung rechnen darf. Nun ist der Herr Vorredner des weiteren eingegangen auf unsere preußische Verfassung, und er hat zu⸗ nächst des längeren dargetan, was in Artikel 9 unter öffentlichem Wohl zu verstehen sei.
Er hat auch betont, nur wirtschaftliches Wohl sei von der Ver⸗ fassung unter öffentlichem Wohle ju verstehen. Das ist nach seiner Begründung nicht dargetan, denn die Praxis und was er angeführt hat, spricht nicht für ihn. Ich habe schon bei verschiedenen Gelegenheiten bervorbeben können, daß die Frage, was öffentliches Wohl sei, keine speziell juristische sei, und ich glaube, daß ich dabei allgemeine Zustimmung gefunden habe. Selbst der Herr Vorredner scheint ja auf diesem Standpunkte zu stehen, und daß dieses hohe Haus, wenn es jetzt über die Frage entscheidet, was öffentliches Wohl sei, darin keine rein juristische sieht, sondern eine Frage, die andere Gebiete berührt — nennen Sie es sojiales Gebiet, nationales politisches Gebiet —. Auf allen diesen Gebieten handelt es sich um öffentliches Wohl im Sinne der Verfassung, um öffentliches Wohl unseres Staates, und ich glaube, daß die Frage, die Ihnen hier vor⸗ gelegt worden ist, Ihrer Entscheidung nicht schwer fallen kann, da, wie ich aus den Reden der Herren, die gestern gesprochen haben, entnommen habe, darüber, daß es sich um öffentliches Wohl im Sinne des Artikels 9 der Verfassung bandele, im wesentlichen Ueberein⸗ stimmung herrschte; ich glaubte, die Frage wäre abgetan, und war daher überrascht, heute wieder einem ganz anderen Standpunkt zu begegnen.
Nach den Reden, die wir gestern gehört haben, kann wohl kein Zweifel sein, daß die Herren die Frage des öffentlichen Wohles hier bejahen werden. Ich will nicht wiederholen, was von dem Herrn Ministerpräsidenten und von den anderen Herren Ministern gestern hier gesprochen worden ist, daß aber muß ich festhalten: bejahen Sie die Frage, ob da öffentliche Wohl das gesetzliche Ein— schreiten fordert, so ist die rechtliche Konstruktion sehr einfach. Wir sehen dann in Artikel 9 der Verfassung selbst den Weg gewiesen, und diesen Weg hat die Regierung beschritten, indem sie das Gesetz vorgelegt hat. Sie hat nicht gesagt: die Frage ist schon entschieden durch das Gesetz von 1874, sondern sie geht davon aus, daß bei der Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes von 1874 ein Fall wie der jetzt vorliegende nicht zur Erörterung gekommen ist. Trotzdem ist es voll. ständig verfassungsrechtlich und in jeder Beziehung begründet, wenn die Regierung jetzt eine Vorlage bringt, die eine weitere Ausübung der nach Artikel 9 gegebenen Möglichkeit bietet. Es hat durchaus keine abschließende Gesetzgebung im Jahre 1874 stattgefunden. Ez ist ein sundamentaler Irrtum, wenn behauptet wird, in dem Gesetz von 1874 sei gewissermaßen eine Deklaration des Artikels 9 der Verfassung gegeben, und damit sei die Sache erledigt, es sei denn, daß man die Verfassung ändern wollte. Das ist grundfalsch. (Sehr richtig) Es ist ein Landesgesetz gegeben, und das Landergesetz unter⸗ liegt jederzeit Ergänjungen und Abänderungen durch die gesetzgebenden Faktoren. Das ist ein vollkommen legaler und richtiger Weg, der eingeschlagen worden ist.
Nun ist ja auch von dem Herrn Vorredner mit großem Nachdruck auf den Artikel 4 der Verfassung verwiesen worden. Ueber diesen Artikel 4 haben wir uns doch schon vielfach eingehend unterhalten. Wir wissen, daß die Bestimmungen, wie sie gegeben sind, die ja eigentlich nur kurze Weisungen enthalten, aber eine unmittelbare Anwendung gar nicht finden sollen. Sie geben Grundgedanken an, die der Gesetz⸗ geber alt die richtigen erkannt hat. Nach der wissenschaftlichen Auf⸗ fassung dieser Bestimmung ist gar kein Zweifel darüber, daß es sich um zweierlei handelt: Artikel 4 will die Vorrechte einzelner Stände beseitigen, und die andern Worte: alle Preußen sind vor dem Gesetz gleich, bedeuten: alle Gesetze, die erlassen sind, müssen so angewendet werden, daß jeder, der davon betroffen wird, gleichmäßig behandelt wird. Stände beispielzweise im Gesetz: ein Ausländer, den wir ervropriierten, soll anders gestellt werden als ein Inländer, so würde
internatlonalen Rechts aut vielleicht nicht unbedenklich sein. Sollte aber ein Angeböriger des preußischen Staats, je nachdem er dieser oder jener Gruppe angehörte, anders behandelt werden als andere, vielleicht weniger Entschädigung bekommen oder sonst unter schwereren Bedingungen enteignet werden —, so würde das gegen Artikel 4 der Verfassung sein, denn es würde eine verschledenartige Anwendung des Gesetzes sein. Aber derartiges steht nicht im Gefetz⸗ entwurf, soll auch nicht drin stehen. Der wissenschaftlich festgestellte Sinn der Worte des Artikels 4 ist in unserer Gesetzes vorlage voll- kommen mi richtigen Geltung gebracht, und wenn der Herr Vor- redner wiederholt hat, es liege eine Verfassungsverletzung vor, die wir, die wir die Verfassung beschworen hätten, mit unseren Pflichten nicht in Einklang bringen könnten, so ist das ein Standpunkt, der durch den Herrn Vorredner weder rechtlich begründet, noch sonst durch die Sachlage gerechtfertigt ist. Wir stehen auf einem gam richtigen Stand⸗ punkt, und das hohe Haus wird vom Rechts standyunkt aus nicht das geringste Bedenken zu haben brauchen, wenn es sich darum bandelt, zu entscheiden, ob die nach meiner Ueberzengung rechtlich einwandfrei ge⸗ staltete Vorlage angenommen werden soll.
Ich möchte deshalb von seiten der Regierung noch einmal be⸗ tönen, daß die Frage, ob das öffentliche Wohl die Enteignung fordert, durch die geftrigen Ausführungen schon vollkommen klar gestellt ist, und daß der rechtliche Weg, den das Gesetz gewählt hat, unanfechtbar tst. (Lebhaftes Bravo)
* Radziwill: Die Erklärungen der 6 legen mir die Verpflichtung auf, Verwahrung . Kommissions⸗ bericht hat auf ung und nach außen einen deprimierenden Eindruck gemacht, insofern als er in der Gestalt einer Momentphotographie die Auffassung der Staattregierung wiedergibt. Ich spreche nicht ro domo. 84 bin mir meiner Rechte und Pflichten als Staats⸗ ürger bewußt, sodaß ich an ein Mitleid der Regierung oder eines Mitgliedes nicht ju appellieren brauche. Ich gehe auf die sentimentale Seite der Frage nicht ein. Wenn von der Regierung wie von einer Staatsanwaltschaft einer Nation der Prozeß gemacht wird, so füblen wir uns als Angeklagte unschuldig. Der Kom- missionsbericht macht den Eindruck, daß die Ausfübrungen in bezug auf die Gefahr für den preußischen Staat infolge des Bestandes einer nichtdeutschen Nationalität im Staat übertrieben sind, daß die Gefahr eine fingierte ist, daß sie nicht bestebt. Es wird ung vorgeworfen, 1 wir uns nicht ausdrücklich auf den Boden der Staats zugehörigkeit stellen. Ich fe die Regierung: sind nicht Taten schwerwiegender als Worte? Iche Klage, welchen Vorwurf können Sie dem ruhigen Teile der polnischen Bevölkerung, der durch dieses Gesetz in seinen vitalsten Interessen geschädigt ist, machen? Hat das polnische Volk seinem Fabneneid in einem ver⸗ gangenen Kriege Untreue bewiesen? Und wenn dies nicht der Fall ist, warum stellt uns die Regierung als mutmaßliche Hoch⸗ verräter hin? Wir haben bewiesen, daß das nicht der Fall ist, und ich glaube, daß auch in Zukunft die Treue dem Fahnen eid gegenüber stets bewahrt werden wird. Aber wenn dies der Fall ist, und wenn auch die anderen Vorwürfe gegen die Polen an absoluter Dürftigkeit leiden, so muß ich hervor⸗ heben, daß sämtliche Ausführungen der Minister vollständig un= zutreffend sind. Wag heißt: Absonderungsgelüste der volnischen Bevölkerung? Es ist doch natürlich, daß gegenüber dem Verfahren der preußischen Regierung ein Vertrauen zu einer christlichen Obrig . keit nicht vorhanden sein kann. In dem Kommissionsbericht vermssse ich jede Spur einer ethischen Empfindung für einen bestimmten Volkestamm. Wir leugnen nicht, daß die preußische Adminiftration in wirtschaftlicher Beziehung die polnischen Landesteile gehoben hat. Aber der Mensch lebt nicht vom Bret allein. Für das geistige Wohl, für die geistige Hebung bat die Regierung seit der Besitzergreifung des Landegtells nicht nur nichts getan, sondern die geistigen Kräfte vollständig lahmgelegt, und wenn sich eine gewisse Selbsthiffe herausgebildet hat, dann kann man doch nicht von den Polen ber langen, daß sie ihre Nationalität wie einen alten Ueberrock abwerfen. Nicht Feindschaft gegen Deutschland hat zu den Vereinigungen eführt; von dieser Feindschaft, daz können Sie mir glauben, . wir uns frei. Wir spekulieren gar nicht auf irgend ein Mitleid, ein Mitgefühl des Auslandes. Aber auch in den Fnunziationen des Auslandes ist überall die Achtung, ich möchte sagen, die Liebe zum deutschen Geistesleben streng abgegrenzt worden von der deutschen Politik. So ist es auch im Inlande. Was ist es denn, das uns schließlich die Staatsregierung vorwirft?⸗ꝰ Die Minister haben gesagt, daß der Zickjackkars in der Politik der preußischen Regierung den Polen gegenüber das Uebel gewesen sei. Ich leugne absolut, daß ein Zickjackkars stattgefunden hat. Friedꝛich Wilhelm III. hat uns die bestimmte Zusicherung gegeben, und mein Groß⸗ vater bat in seinem Namen Zusagen gemacht, die ganz anders sind, als wir sie heute auch nur in Anspruch nehmen können. Von jenen Versprechungen ist fast nichts übrig geblieben. Der dLandwirtschalte⸗· minister irrt, wenn er sagt, daß im Jahre 1830 eine revo lutionãre Be. wegung in Preußen eingetreten ist. Mit einigem Anschtin von Recht könnten Sie höchftens auf die revolutionäre Bewegung des Schul · streiks binweisen. Es liegt mir fern, diesen Schulstreik vädagogisch rechtfertigen ju wollen, aher er ist begreiflich wegen der konsequenten Verdrängung des polnischen Religiongunterrichtes. Es bedurfte wirklich keiner Agitation, um dieses menschenunwürdige Vorgehen den Religionsunterricht zum Zwecke der Sprachenbekaämpfung des Polentums zu benutzen, auf das schmerilichst zu empfinden. Die Regierung ist es, welche ihre preußischen Untertanen, die volnische Bevölkerung, auf Kündigung, auf den Aussterbeetat setzt. Das Gesetz hat zweifellos diese Tendenz, ob es diese Wirkung haben wird, steht bei Gott. Lehnen Sie dieses Gesetz ab; es ist ein Unrecht, das wir nicht verdient haben. In der Kommission des Reichstages ist neulich über den Kolonialetat ver⸗ handelt worden. Der Staatssekretãr bat Auffassungen bekundet, die zu seinen früheren diametral im Gegensatz stehen. Er sieht in der geistigen Hebung der Eingeborenen das Sauptmoment einer glũcklichen Entwicklung der Kolonien. Wollen Sie unsere ruhige Land. bevölkerung schlechter ftellen als die Schwarzen in den Kolonien? Das hat sie wirklich nicht verdient. Ich hoffe, daß das Haus meinen Standpunkt teilen wird. Aber auch aus unseren Landesteilen sind lehr beachtenswerte Eingaben von Großgrund⸗ besitzein an das Haus gelangt. Für diese Bezeigungen einer den Verbältnissen nahestehenden Gesellschaftsklafse unseren Dank aue zusprechen, balte ich für meine heiligfte Pflicht. Das beste Mittel, nicht nur leidliche, sondern zufriedenstellnde Zu⸗ stände in unseren Landesteilen hervorzurufen, ist, die Deutschen und Polen mit gleicher Gerechtigkeit zu behandeln. Wenn man siebt, daß eine Bevölkerung der kirchlichen Oberhobeit zugewiesen ist, uad letztere sich bestrebt, die eura animarum nach besten Kräften zu erfüllen, sollte da nicht auch eine gewisse Parallelität der weltlichen Obrigkeit mit dieser kirchlichen Obrigkeit Hand in Hand gehen können? Wollen wir wirklich Zuständen entgegentreiben, wo kirchliche und weltliche Abrigkeit cine diametral entgegengesetzte Politik treiben? Beugen Sie solchen Zuständen vor und lehnen Sie die Enteignunge vorlage ab! Zum Schlusse möchte ich hinweisen auf einige kurze Sätze aus der Rede, welche mein seliger Großvater im Namen Friedrich Wil. belms 1III. in Posen gebalten hat, weil sie bezeichnend sind für die Berechtigung, die wir aus diesen Worten herleiten. Der Redner zitiert verschiedene Stellen aus dieser Rede und schließt mit dem nochmaligen Wunsche, das Gesetz zurück juweisen.
Berichterstatter Herr Dr. von Bu rgs dorff bestreitet gegenüber dem Vorredner, daß er in seinem schrifllichen Bericht zu schwarz gemalt habe. Man werde ihm zugeben müssen, daß er versucht babe, der Sache möglichst objektiv gegenäberzutreten. Seine persönliche Stellung
das verfassungsrechtlich möglich, aber vom Standpunkt des
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werde man heute noch nicht wissen.
ürst Radziwill; Ich habe den Bericht als treues Biß der . gelobt und alle meine Auestellungen ledigliz auf die Stellungnahme bejogen, die nach diesem Bericht die Mn⸗ glieder der Staatsregierung in den Kommissionsverhandlungen ein.
genommen haben.
Minister für Landwirtschaft, von Arnim:
Ich möchte zunächst einige Worte zu den Ausführungen Seiner Durchlaucht des Fursten Radiiwill machen. Ich habe in meiner geftrigen Rede nicht von einem Aufstand in den Jahren 1839 gesprochen, sondern von Unruben, und der Herr Fürst Radjiwill win nicht leugnen, daß im Jahre 1830 Zustände herrschten, die es not. wendig machten, schleunigst eine starke Truppenmacht nach den östlichen Provinzen zu entsenden, um ein Uebergtelfen des Aufstandez von Rußland nach Preußen abjuwehren. Nur durch unser starke Truppenmacht ist dies gelungen. Wenn Herr Fürst Radzlwil behauptet, eine Gefahr bestebe für Preußen nicht, und welche Vorwürfe man denn gegen das polnische Voll zu erheben habe, so erwidere ich: was wir dem polnischen Volke vorwerfen, is der rücksichtslose Kampf gegen alles, was deutsch ist, enn Kampf, der geführt ist, solange die preußische Herrschaft besteht, der nicht entfesselt ist durch Maßnahmen der Staatgreglerung, sondern der sich entwickelt hat trotz all der wohlwollenden und nach jeder Richtung hin freundlichen Behandlung der Polen durch die preußische Staatz. regierung. Ein Kampf, der sich ausdrückt im Boykott alles dessen, was deutsch ist, der sich ausdrückt in allen polnischen Vereinz. gründungen, in der Presse, in der Propagierung der großpolnischen Idee, in der Tatsache, daß in Acht und Bann jeder getan wird, der zum Königsgeburtstage illuminiert, der Kriegervereinen beitritt, kun ein Kampf aufs Messer mit dem Deutschtum mit der überall duich. zuhörenden Tendenz: Vorbereitung für einstiges Wiederaufleben dez Königrelchs Polen.
Meine Herren, der Herr Fürst Radziwill hat auf die Zu— sicherungen aufmerksam gemacht, die seinerzeit vom Könige Friedrich III. dem polnischen Volke gegeben worden seien. Ich möchte den Herrn Fürsten von Radnwill fragen: Hat nicht Friedrich Wilhelm III. und bat nicht sein Großvater versucht, bis auf den den letzten Buchstaben all die Zusicherungen zu erfüllen, die er dem polnischen Volke gegeben hat? Hat nicht aber das polnische Voll diese Erfüllung unmöglich gemacht? Es hat sie beantwortet mit einem Kampf gegen das Deutschtum, mit Revolutionen, und nur dadurch sind wir gejwungen worden, das polnische Volk so zu behandeln, wie wir es jetzt behandeln.
Da ich das Wort habe, möchte ich auf Aeußerungen zurückkommen, die geftern gefallen sind. Graf Haeseler hat gesagt: nicht der lebendige Wall deutscher Bauern solle unsern Osten schũtzen, sondern das würde in der Stunde der Gefahr das Schwert tun. So wie die Ver⸗ hältnisse heute liegen, hat er recht; wir stehen so stark und mãchtig da, daß eine Gefahr für Preußen aus den Verhaäͤltnissen in Posen gegenwärtig nicht resultiert. Aber wissen wir, wa die Zulunfst bringt? Wissen wir, ob unser Volk nicht wieder Gefabren ausgesetzt sein wird, die über uns schwere Zeiten bringen? Ist es nicht die vornehmste Aufgabe jeder Staatgregierung, solchen Gefahren vor⸗ zubeugen? Sollen wir warten, bis sie eingetreten sind und bis es zu spät ist? Wie nützlich es ist, wenn rechtzeitig vorgekeugt wird, daz hat ja gerade die preußische Armee gezeigt. Wodurch ist sie in der Lage gewesen, in der Stunde der Not das Vaterland zu verteidigen und zu siegen? und unsere heutige Stellung in der Welt zu schaffen? Nicht etwa dadurch, daß wir tapferer waren als unsere Gegner! Ich glaube, es würde uns schlecht anflehen, das zu behaupten. Meine Herren, unsere Gegner waren ebenso tapfer. Wenn wir siegten, so geschah es dadurch, daß wir mit der ganzen Kraft unseres Volkes rechtzeitig den Gefahren des Krieges vor— gebeugt haber, well unsere Armee in unermüdlicher Friedentarbeit sich vorbereitet hat für den Krieg, weil jeder einzelne Mann, vom Rekruten an bis zum Feldmarschall, für seine Aufgaben, die er ju er⸗ füllen haben sollte, mit unermüdlichem Fleiß vorbereitet worden ist. Dadurch, meine Herren, haben wir den Sieg errungen. Sollte darauz nicht auch für dle Jetztzeit zu lernen sein? Sollen wir mit der schränkten Armen zusehen, wie sich in den Ostmarken für den Staat eine ernste Gefahr vorbereitet, wenn wir ihrer Entwicklung rubig zusehen? Ich darf vielleicht einige Zahlen kurz anführen, die, wie es scheint, garnicht beachtet worden sind. Die Volkszählungen haben uns bewlesen, daß vom Jahre 1871 an die Polen in den Ostmarken
Domänen und Forsten
prozentual so ungeheuer viel stärker jugenommen haben als die.
Deutschen, daß wir, ich möchte sagen mit mathematischer Sicher beit berechnen können, wann der Zeitpunkt eintritt, wo der letzte Deutscht das Land dort verläßt. Wir haben im Jahre 1885 eine Vermehrung der deutschen Bevölkerung von 470;‚90 gehabt, dagegen bei den Polen eine Vermehrung von 11259. Nach der Volkszählung vom Jahre 1890 ergab sich eine Vermehrung der deutschen Bevölkerung don O, 9 o/ , bei den Polen von 30/9. Im Jahre 1900 ist die Vermehrung der Deutschen 6,3 / , die der Polen 10,6 0 / gewesen. Erst als die Wirkungen der Tätigkeit der Ansiedlungetkommission eintrat, hat sich bei der Volkszählung im Jahre 1905 das umgekehrte Verhältnis er geben, daß die Vermehrung der Deutschen größer gewesen ist als die der Polen. Hätten wir der Entwicklung müßig zugesehen, und würden ihr weiter ruhig zusehen, so würde in einem Jahrhundert die ganze Ostmark rein polnisch sein; und daß damit bei einer Be⸗ völkerung, deren ganzes Streben darauf gerichtet ist, sich vom Staat losjureißen, eine immense Gefahr verbunden ist, wird niemand leugner. Ich möchte nun mit einigen Worten auf die Tussührungen der Herrn Grafen Schulenburg eingehen. Der Herr Graf Schul enbutz hat in einer gewissen dr amatischen Weise gesagt, er wolle nicht, daß, wenn infolge des vorliegen den Gesetzes einst seine Nachkommen aus ihrem Grundbesitz eateignet würden, sie mit Fingern auf sein Grab zeigen würden. Meine Herren, ist wirklich die Gefahr vorhanden, daß das Gesetz solche Konsequenzen zeitigen wird? Es ist schon früher ge sagt worden, daß gar nicht die geringfte Veranlassung dazu vorliegt.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
zum Deutschen Reichsanzeiger und Kö
3w e te Beilage
niglich Preußischen Staatsanzeiger.
M 51. Berlin, Freitag, den 28. Februar 1908. ··᷑᷑ x ᷣ //v/ ./ʒʒʒxo p„ꝛ — — — — — —
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Auf eines möchte ich noch aufmerksam machen. Haben wir nicht ein Gesetz gehabt, das sehr viel mehr die Enteignung auf den ge— samten Grundbesitz ausdehnte? Ich verweise nur auf die Stein Hardenbergische Gesetzgebung, die eine sehr viel einschneidendere Ent. eignung eingeführt hat, und jwar nicht gegen eine reichliche und volle, sondern gegen eine nur sehr knappe Entschädigung. Hat die damalige Gesetzgebung — es sind jetzt 100 Jahre her — die Wirkung gehabt, daß heute Großgrundbesitz zur Expropriation gestellt worden ff? Liegt wirklich eine Gefahr vor, daß dieses Gesetz, das aus besonderen lokalen Gefahren heraus gegeben wird, eine andere Wirkung haben wird? Ich glaube, daß wenn wirklich aber das einträte, was Herr Graf Schulenburg fürchtet, nämlich eine solche Wirkung auf die spãtere Gesetzgebung in einer dem Greoßgrundbesitze feindlichen Weise, Daß dann sein Nachkomme, wenn er vom Hofe geht, auch vielleicht nt den Fingern auf sein Grab weisen, aber dabei sagen würde: Sa liegt ein Mann der vor keinem Opfer zurückgeschreckt ist, wenn es sich um des Staates Wohl handelte. (Bravo)
Generalfeldmarschall Graf von Haeseler: Ich habe die Armee in Verbindung gebracht damit, daß bei einem äußeren Kriege Unruhen im Lande eintreten könnten, und habe behauptet, daß dieser Wall von Ansiedlungen auch nicht dazu würde beitragen können, etwas zu helfen, sondern daß die Hilfe lediglich in der Wehrkraft liege.
Graf Botho zu Eulenburg: Fürst Radziwill hat ebenso wie bei der ersten Lesung der Vorlage auf die Worte seines Großvaters Bezug genommen. Wir können uns die Erinnerung an diefe Worte gut und gern gefallen lassen; sie beweisen unwiderleglich, mit welchem Wohlwollen und mit welchen guten Intentionen die preußische Re⸗ ierung der polnischen Bevölkerung entgegengekommen sst.
as aber war die Antwort? Ich nenne zunaäͤchst nur dle drei Jahreszablen 1831, 1848 und 1563. Ich will mich nicht auf eine nähere Untersuchung darüber einlassen, ob, als 1876 bei Beginn des Krieges alle Welt mit Spannung den Nachrichten dem Kriegsschauplatze entgegensah, das Eintreffen der Depeschen iber unsere Siege in den polnischen Teilen der Provinz Pofen dieselben Gefühle erweckt hat wie bei uns. Ich will einen westeren Blick werfen auf die Antwort der Polen auf das Wohlwollen der Regierung. Es ist charakteriftisch, daß Fürst Radniwill nicht mit einem Wort an die den Rechten gegenüberstehenden Pflichten erinnert hat, sondern nur herpvorhob, daß er sich nohl bewußt sei der Rechte der wolnischen Bevölkerung. Die Rechte will niemand angreifen, und es sst eine ganz unglaubliche Uebertreibung, wenn man bei diesem Gesetz selbst dabon spricht, daß die Idee dahin gehen könnte, diesen Bestandteil der Bevõlkerung zu eliminieren. Ganz abgesehen von der tatsächlichen Unmöglichkeit, wird niemand so hirnlos sein, einen derartigen Ge⸗ danken zu haben. Aber etwas ganz anderes ist es, ob man genötigt ist, durch das Verhalten der Nachbarbevölkerung, mit der zusammen ju leben man e, ist, gewisse Vorsichtsmaßregeln zu treffen, damit man dem Frieden leben kann, den wir von Rechts wegen haben müssen und beanspruchen können. Die Entwicklung i nunmehr im Laufe der Zeit dahin geführt, daß die Ab= onderung der polnischen Bevölkerung von der deutschen eine immer rollstãndigere geworden ist, daß der Boykott mit einer zunehmenden Rckhsichtelosigkeit geübt wird, und infolgedeffen die verfchieden⸗ Prachigen Bewohner der Provinz Posen nicht allein durch die wierigkeiten durch das Idiom der Sprache, sondern auch innerli den Anschluß an einander verloren baben. Fürst Radziwill hat sein Bedauern über den frevelhaften Schul treit ausgesprochen. Dieses Bedauern ist nicht genügend: man muß es ver⸗ werfen. Fürst Radniwill hätte auch, wenn wir dle Loyalttät seiner Lands⸗ leute anerkennen sollen, den großpolnischen Tendenzen ein klares und auf⸗ zichtiges Desaveu entgegensetzen müssen. Die Voraussetzung eines Zu⸗ sammenlebens mit den Polen ist, daß diese sich dem Staat unterordnen. Wir dürfen uns nicht von den bösen Nachbarn unterbekommen lassen. Diesen wecken dient die Ansiedlungsgesetzgebung und auch diese Vorlage. Ich tte nicht geglaubt, daß heute wieder die Verfassungsfrage in so ein; . Weise erörtert werden würde, wie es sestens des Grafen Dppersdorff geschehen ist. Daß ein Verstoß gegen das Freizügigkeits- gesetz und Artikel IV nicht vorliegt, ist durch einen dreifachen Akt der Gesetz gebung klargestellt worden. Das öffentliche Wohl ist richt durch Verkebrsinteressen erschöpft, auch Art. IX darf darüber nicht irs Feld geführt werden. Das Privateigentum ist gewiß eine wesenk— liche Grundlage des öffentlichen Rechtslebeng, und man muß sorg— sältig prüfen, ob die Anwendung einer solchen Maßregel heboten ist. ch glaube, daß das im vorliegenden Falle zutrifft. Der Zweck der Vorlage ist, das Deutschtum gegen das vordringende Polentum zu süärken. Wir dürfen es aus Gründen der inneren und äukeren Polti nicht dabin kommen lassen, daß sich dort ein Gemeinwesen bildet, velches die staatliche Ex stenz in Frage stellt. Der jetzige Zustand bat nicht begonnen mit der Gesetzgebung von 1856 richtig ist aber, Raß sich seltdem der Kampf außerordentlich verschärft bat in dem Kampf um den Grund und Boden. Hier sst die polnische Bevölkerung der deutschen in gewisser Beziehung überlegen. Cin Grund dafür liegt in der Schwäche deg deutschen Grundbesitzeg und in einer eben moralischen Schwäche, daß die Leute des Geldes wegen ieber an die Polen verkaufen als an die Ansiedlungskommifsion. Allmãhlich erstarkte das ganze Polentum durch genossenschaftliche Bildungen außerordentlich und namentlich auch durch die Parzellen biltung und die Gründung von Dörfern. Der Verkauf von Gütern aus polnischer Hand an Deutsche wurde außerordentlich erschwert durch den sozialen Verruf derjenigen, die an Deutsche verkauften. Die Anstedlungekommission kann ihre Tätigkeit jetz; nicht sort. zen, wenn sie nicht verkrachte deutsche Existenzen auftauft. Hier ist Aöblije notwendig. Man erblickt Cierin einen Beweis eines ganzen Ver halben Fiaskog der Ansiedlunge kommission, mit Unrecht. Sehen Sie nicht, daß es im gewöhnlichen Leben ebenso geht? Man braucht auch sonst neue Mittel, um den Fortgang eines Ünternehmeng zu er⸗ möglichen, voraut gie daß das Unternehmen an sich ein gutes ist. So ist es ar i den Ansiedlungen. Die Tätigkeit der Anstedlungskoẽmmisfion ist überhaupt nicht so ungünstig zu be— urteilen, wie es oft geschieht. Jedenfalls sind die Eifolge der Kommission sehr bedeutend, sie hat ein großes Kultur⸗ werk geschaffen, in jwei Jahrzehnten über 100 000 Deutsche hinüber⸗ deiogen. Wie würde es im DOsten aussehen, wenn die Kommission nicht tätig gewesen wäre? Der polnischen Bevölkerung ift es 42 lungen, in den letzten 19 Jahren 60 bis 70 000 Hektar aus deuts nd mehr ju erwerben als aus polnischem in deuischen Hefit gegangen sind. Was würde erst ohne die Kommission geschehen! Ein Zurückdrängen der deutschen ¶ Bevölkerung ug dem Grundbesstz würde unvermeidlich sein, wenn es so weiter gebt. Das dürfen wir nicht zugeben, und deshalb müssen wir n dem Mittel der Enteignung kommen. Dira necessitas, aber immerhin necsssitas! Soll diese Maßregel einen nennenswerten Zweck haben, so in mn en erklärt werden, daß wir von der bisherigen Politit nicht abgehen wollen, sondern daß die Regierung mit der Vollzvertretung die' beftimmte Absicht hat, auf dem betietenen
Wege fortzuschreiten. Tritt das Enteignungsrecht cin, so muß die unnatürliche Preisbewegung z wie auch die polnischen An⸗ kãufe überhaupt. Brauchen wir die Enteignung, so fragt es sich, in welchem Umfange sie eintreten soll. An eine unbe renzte Enteignung wird nicht gedacht. Auf eine von der Kommisston vorgeschlagene Weise. würde, füschte ich, der Zweck nicht erreicht werden. Mit der zu Gebote stehenden Fläche wäre nichts anzufangen. Diese Beschränkung würde mit Notwend dahin führen, Überall da, wo sich eine Gelegenheit bietet, le, zuzugreifen. Deshalb wire es besser, zu dem Gedanken zurückzukehren, von dem das Ab— geordnetenhaus ausgegangen ist, d. h., daß der Umfang der Enteignung im Gesetz genauer t wird. Zweck und Be— grenzung ist genau festgelegt. le Grenze ist ungefähr ohnehin gegeben durch die bewilligten Geldmittel. Es bleiben zum Ankauf 120 Millionen. Es liegt nun ein Antrag Adickes vor, der sich dem Abgeordneten hausbeschluß nähert. Sollte diefer abgelehnt werden, so wärde ich allerdings raten, sich auf den Antrag des Serrn von Wedel. Piesdorf zurückzuflehen. Groheg Gewicht wird in dem Gesetzentwurf mit Recht gelegt auf die Stärkung des deutschen Besitzes. Ich empfehle Ihnen die Annahme des 6
Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Arnim:
Ich habe namens der Königlichen Staatsregierung zu erklären, daß sie aus Gründen, die der Herr Vorredner soeben ausgeführt hat, dem Antrage Adickes juflimmt, der im Prinzip den Auffassungen Rechnung trägt, die die Königliche Staatsregierung hier vertreten hat, die es ihr ermöglicht, die Arbeit, die sie angefangen hat, zu einem beflimmten Teil zu Ende zu führen, und der im allgemeinen auch mit den Beschlässen des Abgeordnetenhauses übereinstimmt. Insofern er davon in den Punkten b und e abweicht, enthält er Best immungen, deren Handhabung sich die Königliche Staatsregierung so wie so vor— genommen hätte, denen sie Rechnung getragen hätte, auch wenn sie nicht in dem Gesetze gestanden hätten.
Freiherr von Tschammer und Osten; Ich will der Regierung alle Geldmittel bewilligen, deren sie bedarf. Aber diese neuen Geldmittel wären nach einer anderen Methode zur Anwendung zu bringen. Mit der Enteignung ist kein Zurückdrängen, noch weniger eine endgültige Bekämpfung der polnischen Propaganda möglich. Die Ent. eignung ist eine jweischneidige Waffe. Würde diese zweischneidige Waffe bewilligt, so würde damit ein tiefer Schatten auf den Preußischen Ehrenschild und das herrliche suum cuique fallen. In weiten Kreisen veisteht man unter Enteignung Konfiskation. So liegt die Sache nicht. Das Grundflück wird abgeschätzt nach dem gemeinen Wert. Gegen den abgeschätzten Preis wird sich der Be⸗ treffende wehren und alle Instanzen dagegen beschreiten. Es kommt nun darauf an, wie der Richter entscheidet, dieser zieht wieder Sach⸗ verständige und Käufer aus den Kreisen der deutschen Grund— besitzer heran. Wieviele von diesen verkaufen wollen, wissen wir ja. Diese werden sehr verschiedene Preise und nicht zu niedrig festsetzen. Der Enteignete wird mit dem erlöften Celde in die Stadt zieben und eine energische Agitation entfaltet. Das Geld wird in die groß⸗ polnischen Banken fließen. Von den 350 Millionen, die wir be⸗ willigt haben, ist anzunehmen, daß 159 Millionen in die groß— polnischen Banken geflofsen find. Die großen polnischen Grundbefitzer, die Magnaten, die enteignet werden können nicht verhindert werden, sich eine ganze Serie deutscher Güter zu kaufen. Bis jetzt sollen sich 20 Grokgrundbesitzer in den nahen Provinzen ongesiedelt haben; die Zahl der kleinen Grundbesitzer ist nach meinen Er⸗ fahrungen viel größer. Später wird sich dieses Verhältnis ju unseren Ungunsten noch verschieben. Was erreichen wir? Märtyrer, und wir stärken die polnischen Großbanken. Rechtlich liegt die Sache so: Gs werden zum ersten Male Personen in Preußen exrpropriiert und an ihre Stelle andere Personen gesetzt. Diese Maßregel erinnert in be trübender Weise an den Grundsaßz: Ste-toi, que je m'y mette. In f und 2 ist seint 20 Jahren eine nicht unerhebliche
abl von Fideikommissen errichtet worden. Wir bedauern, daß über Kontraktbruch geklagt worden ist. Welches Beispiel gibt nun der Staat hier, wenn er einen Vertrag bricht? Die Fideikommiff— werden mit Genehmigung Seiner Majestät errichtet, und der Gründer bejahlt einen Stempel, er muß erwarten, daß er auf absehbare Zeit vom Staat geschützt wird. Was wird mit dem Geld, das der Besitz er erhält? Soll er ein neues Fideikommiß bilden oder nicht? Diefe He gen sind doch nicht so ohne weiteres beiseite zu schieben.
enn ich also die Enteignung ablehne, so fühle ich mich verpflichtet, zu sagen, nach welcher Methode angesiedelt werden soll. Es müßte das Gesetz über die Verschuldungsgrenze dahin abgeändert werden, daß der Käufer den ganzen oder den größten Teil des Kaufpreifes in bar zahlt. Damit würde die Ansiedlungskommission ein Monopol für den Kauf haben, denn sie zahlt schon heute in bar. Unter Mitwirkung des Reichstages müßte ins Vereing— gesetz die Bestimmung gufgenommen werden, daß rein national— polnische und dänische Vereinigungen in 4 nicht geduldet werden dürfen. Es darf in Preußen keine okols geben. Der Reichekanzler hat den Reichstag einer Kolonialfrage wegen aufgelöft. Die Erhaltung der beiden Provinzen ist aber doch viel wichtiger. Ich bitte Sie die Enteignung abzulehnen und der Staatsregierung Gelegenheit zu geben, einen Weg ju finden, um die geforderten Millionen besser anzuwenden. Das Ansehen des preußischen Staates würde dadurch nicht erschüttert werden.
Professor Dr. Schm ol ler: Ich halte mich für verpflichtet, auch meinerseits unseren Antrag zu befürworten. Ich möchte zunächst eine nationalökonomische Bemerkung machen. In dem anormal ge⸗ stiegenen Bedenpreise sehe ich ein Uebel. Ist dies aber Schuld der Ansiedlungekommission? Es gibt viele Sachverständige, die dies glauben. Der eigentliche Grund liegt aber in dem Landhunger der kleinen volnischen Bevölkerung, der in Galizien ganz ebenso wahnsinnige Bodenpreise hat entstehen laffen wie bei uns. Die kleinen polnischen Leute werden von den polnischen Bauern dazu verführt, das Vierfache dessen zu zahlen, was die Grundstücke wert sind. Es sind wahre Wucher; verträge, die mit den polnischen Besitzern abgeschlossen werden. Diese Verhältnisse erfordern eine Remedur, diese ist aber nicht leicht zu chaffen. Notwendig ist, daß man die Ansiedlungskommifsion weiter arbeiten läßt, und dies ist nur möglich, weng man ihr ein gewisses Enteignunggrecht erteilt, von dem ich wünsche, daß es nicht oft angewendet wird, sondern nur einen gewissen Druck auf die Bodenpreise ausübt. Die Fortführung des Geschaͤfts darf nicht allzu schnell erfolgen. Die Gegner des gegenwärtigen Gesetzes aus der Probinz sagen, daß es die Reibungen, das gegenseitige Mißtrauen und den Boykott nur steigern werde. Ich glaube allerdings, daß eine Ver— söhnung augenblicklich schwer ist, aber diefes Gesetz arbeitet einer künftigen Versöhnung vor, und diese wünscht niemand mehr als ich. Ich schätze die Polen, ich habe die liebenswürdigsten Studenten gehabt, aber als Deutscher tue ich alles, um die Wieder⸗ herstellung Polens unmöglich zu machen, denn die Wiederherftellung
olens bedeutet den Ruin Deutschlands. Der polnische Adel hat eine Herrschaft vollständig verloren. Es ist eine ultrademokratische Organisation in Posen entstanden als selbständige Regierung neben unserer enn, Sie führt den wirtschaftlichen Kampf und kann ihn nicht anders führen, da der Großadel feine
Weit geschehen,
Herrschaft verloren hat. Mit jenen Herren ist eine Versõhnun
nicht möglich. Ja, wenn alle Polen so wären wie * 36 Radtiwill! Ich würde ihnen sofort um den Hals fallen. Aber so denken jene Herren nicht, das sind ja andere Krãfte. Man hat von Staatssozialismus, ingriffen in das Eigen- tum gesprochen. Es handelt sich ei jedem solchen Eingriff um die Größe des Zwes und die Größe des Objekts. Die 0 000 Hektar sind noch nicht 2 pro Mille des Staatzareals. Rodbertus hat nachgewiesen, daß kein großes Gut länger als 10 Dehre in einer Hand bleibt. Es ist noch keine große politffche Tat a der ( ohne daß Zeter geschrien wurde von denen, die davon berührt wurden. Bei der Agrargesttzgebung wurde dem preußischen Staate sogar Kommunismus vorgeworfen. Wer in der Geschichte Be— scheid weiß, weiß, daß Enteignungen immer zum Segen ausgeschlagen sind, und daß, wo sFie nicht erfolgten, es zu einer Revolutlon kam. Wir können nicht Güterschlächterei, Ueberteuerung und Auswuche⸗ rung betreiben, und deswegen können wir nicht das Geschäßt machen wie die Genossenschaften, die 40 o, Gewinn vertellen. Zu so teueren Preisen dürfen wir den Arbeitern das Land nicht auf⸗ drängen, sondern wir müssen eine Agrarreform durchführen, die ge⸗ sund ist. Wenn sich zwei so große Organisationen gegenüberstehen, so handelt es sich um den Gegensatz von Macht und Macht. Da muß man dem Staat die Vollmachten geben, die zu einem Aug= gleich dessen nötig sind, was die andere Seite durch ihre politische Leidenschast, durch die Hilfe von kirchlichen Organen usw. voraus hat. Deshalb kann ich nur zu dem Schluß kommen, dat Herrenhaus handelt richtig, wenn es der Staatsregierung das gibt, was sie fordert. Man bat gesagt, damit untergrabe das Herrenhaus seine Exiftenz. Ich bin vom Gegenteil äberzeugt. Wenn das Herrenhaus hier versagt, wird sich die ganze öffentliche Meinung gegen das Derrenhaus wenden. Als Friedrich Wilhelm JV. das Herrenhaus be= gründete, ist er von der romantischen Idee ausgegangen, es könnten nicht genug Großgrundbesitzer im Herrenhaus igen, weil er vor allem nach englischen Vorbildern glaubte, jeder Sroßgrundbesitzer sei ein großer Politiker und habe große staatliche Einsicht. Aber nicht der Großgrund⸗ besitz macht klug, sondern die Laufbahn, die große politische Karriere ist es, die dem Großgrundbesitzer justatten kommt. Niemals wird, wenn derartig bevorzugte und hochprivilegierte Großgrundbesitzer an ihre persönlichen Interessen auch nur zu denken scheinen, dies im Volke verstanden werden. Deshalb soll das Herrenhaus nicht diese Gelegenheit ver- säumen, dem preußischen Volke zu zeigen, daß es in der Tat nicht bloß eine Majoritãt von Großgrundbesitzern, sondern von politif
denkenden Menschen ist. Wenn die volttische Weisheit bier wirkli
so groß ist, dann nehmen Sie die Vorlage der Königlichen Staats- regierung an.
Fütrstbischof, Kardinal Dr. von Kopp: Es äist keine angenehme Aufgabe, den Auffassungen der Königlichen Staatsregierung widerfprechen ju müssen. Ein königs⸗ und staatstreues Herz empfindet es immer schwer, das versagen zu sollen, was die egierung als Staatsnot⸗
wendigkeit erklärt. Ich hatte nicht die Absicht, noch elnmal zu f rechen, . aber der Antrag Adickes z r ich darauf y , .
zwingt mich dazu. Bei der ersten Lesung daß die kirchlichen Güter eines b h Darüber sind von der Regierung 6 chernde Erklärungen abgegeben, und meinen Wink hat die Herren⸗ auskommission bei ihren Arbeiten befolgt. Auch der Antrag Adickes bat dem kirchlichen Eigentum Berücksichtigung zuteil werden lassen. Das erkenne ich dankbar an; aber er hat daran eine Voraus setzung, nämlich einen zeftimmten Termin, den 26. Februar 1908, geknüpft die ich für unnütz und gefährlich halte. Unnutz ist sie mit Rücksicht auf die Gesetze von 1875 und 76, das Bürgerliche Gesetzbuch und das Cinführungsgesetz daju. Höchst gefährlich aber ift fie, weil sie d ,. der Staatsregierung in das dunkle Licht der Ver- folgungssucht setzt und nur noch weitere Gefpenster in der Vorlage auflauchen läßt. Im Gegensatz jum Grafen Schulenburg bin ich der Ansicht: man kann Gegner der Entelgnung überhaupt sein, aber für dasjenige, was von der Enteignung ausgenommen ist, trotzdem stimmen. Denn ich stimme doch für alles, was die Enteignung aus— schließt. Es hat mich gefreut, aus dem Munde des hochgeschätzten Staalemannes, des Grafen Eulenburg, einen so kräftigen Appell für das Privateigentum zu hören. Gewiß, das Privateigentum ist die Grundlage der menschlichen Gesellschaft. Ueberall wird es ge⸗ schützt, und es ist der wichtigste und angesehenste Gegenstand der Verfassung aller Staaten. So weit gehe ich nicht, daß ich wie rofessor Schmoller die Enteignung verteidige nach der Größe des
diektg. Diese kann niemals eine Enteignung rechtfertigen. Dagegen teile ich gern seine Ansicht, daß die Größe des Zweckes die Gnt⸗ eignung rechtfertigen kann; aber es fragt sich; ist der Zweck durchaus notwendig, kann er nicht auf andere Weise erreichf werden, und steht seine Erreichung im Verhältnis zu den aufgewendeten Mittein? Das sind die Fragen, die das Rechtsbewußtsein des Volke bewegen. Ich möchte davor warnen, daß man dieses Rechtsbewußtsein nieder- laͤmpfen will mit Hinweisung auf das Tierseuchengesetz, auf die französische Revolution und ähnlichen Hinweisen. Es liegt hier auch keine Notwehr vor, denn ich kann nicht erkennen, daß die Polen Trennungsgelüste baben. Deshalb möchte ich wünschen, daß die Staatsregierung auf die allgemeine Volksstimme etwas mehr hörte. Auch die äußerste Vorsicht“ ist hier nicht am Platze, denn wir sind bereit, dem Kaiser zu geben, was des Kaifers ist. Wir werden die Staatsregierung unkerstützen, soweit wir können, aber in diesem Punkte ist man ju weit gegangen. Es handelt sich hier um Abwehrmaßregeln, die man in besserer Weife durchführen kann, ohne daß das Privateigentum getroffen wird. Dies aber ist ein Ausnahmegesetz, das die allerbedenklichften Folgen baben wird. Nicht Friede, sondern Unfriede und Unruhe werden durch diese Maßregel herdorgerufen. Das Geld, womit die Polen enifchädigt werden, wird ihre Widerstandskraft nur noch mehr fördern. In welche Situation werden die Großgrundbesitzer kommen, wenn emne staatgstreue und ftaatgerhaltende Partei mit anderen sozialpolitischen Grundsätzen ans Ruder käme, die im Großgrundbesitz einen volks- wirtschaftlichen Nachteil sähe und ihn daher enteignen und parzellieren möchte? Dann werden die Nachkommen der Großgrundbesitzer in diesem Hause dieselben Reden halten müssen, welche geflern und heute die Gegner der Vorlage gehalten haben. Mögen deren Worte dann überzeugender und eindrucksvoller sein als die meinigen am heutigen Tage.
Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Den Mitgliedern des hohen Hauses ist vor einiger Zeit eine Denkschrift zugegangen, die sich über zwanzig Jahre deutscher Kulturarbeit im Osten verbreitet. Ich habe angenommen, daß alle Herren davon Kenntnis genommen haben, ersehe aber aus den Ausführungen des Herrn Freiherrn von Tschammer, daß das nicht der Fall ist. (Heiterkeit; Er hat angeführt, daß aus der Tätigkeit der Ansiedlungskommission in die Hände der polnischen Banken 140 Millionen geflossen seien. Meine Herren, diese Dinge sind in der Denkschrift eingehend behandelt, und wenn der Herr Freiherr die Güte gehabt hätte, sie einzusehen, so hätte er auf Seite 41 gefunden, daß nicht 140 Millionen, sondern ganze 11 Millionen in die Hände volnischer Banken geflossen sind. (Hört, hört h
habe
n Schutzes bedürfen.