befriedigenden Loösung der Frage nach der Deckung dieser Auf⸗
wendungen in diesem hohen Hause zu gelangen. Also schon damals ist die Ausgabe mit der Deckung in Zusammen⸗ bang gebracht. Ich habe die Sache beute vielleicht noch etwas schärfer formullert, indem ich erklärt habe: es kommt nicht bloß darauf an, die Ausgaben für die Gehaltsverbesserung durch die Finanzreform aufzubringen; sondern es kommt darauf ar, wle es schon die Abficht meines Herrn Amtsvorgängers in den von ihm vorbereiteten beiden Vorlagen war, das Ver⸗ hältnis des Reichs zu den Bundetstaaten in bejug auf die schoebenden Matrikularbeiträge gründlich zu ordnen. Daß die ver⸗ bündeten Regierungen in bejug auf die Beamtenbesoldungeverbesse rungen daran festhalten, dag, meine ich, kann kein billig Urteilender ihnen verdenken. Ich habe vorhin die Zahlen genannt, die sich schon nach dem jetzigen Stande der Ausgaben hinsichtlich der schwebenden Matrikularbeltrãge ergeben. Nun lehnen es dle verbündeten Re⸗ gierungen ab, zu diesen schwebenden Beträgen noch einen Betrag, der 70 Millionen Mark jährlich wahrscheinlich überschreiten wird, binn ⸗ zufügen, ohne daß sie wissen, woher sie die Deckung nehmen sollen. Ich denke, das ist einfach der Grundsatz, nach dem ein guter Haus halter wirtschaftet, neue Ausgaben, die irgendwie verschoben werden können, nicht eher ju übernehmen, als wenn die Mittel dazu vor- handen sind. Auch wenn bloß die Deckung für die Beamten⸗ besoldungs vorlage gewährt wird, wäre die Sorge noch nicht beseitigt, denn dann müßte der Grundsatz jur Anwendung kommen, daß man neue Einnahmen nicht verwenden darf, um neue Verpflichtungen ein⸗ zugehen, ehe man nicht die alten Schulden bejahlt hat.
An der Ernstlichkelt des Willens, den Beamten zu helfen, dürfen Sie nicht zweifeln; wenn kein anderer Grund vorläge, wäre es schon der, daß es im eigensten Interesse der Regierung liegt, die sich schließlich doch aus einer großen Zahl von Beamten zufammensetzt, den Beamten das zukommen zu lassen, was ihnen gebührt. Mir speziell liegt die Sache ganz besonders am Herzen. Ich habe in meiner früheren Stellung lange Jahre Zeit gehabt, mich mit den Beamten der Post auf vielen Reisen durch das Deutsche Reich persönlich in Verbindung zu setzen und mich mit ihnen auch über ihre wirtschaftliche Lage zu besprechen. Diese Unterhaltungen und Besprechungen mit den Kollegen von der Post — und unter Kollegen verstand ich nicht bloß die höberen Beamten, sondern ebenso die mittleren und unteren Beamten — haben mich vollständig daruber aufgeklärt, daß die Leute der Schuh in wirt⸗ schaftlicher Beziehung in den letzten Jahren recht ernstlich drückt. (Bravoh Was da irgend geschehen kann, soll geschehen, aber ich möchte doch auch vor einer kleinen Uebertrelbung warnen. Die Knappheit in der Finanzlage des Beamtenbudgets liegt zum Teil gewiß in der allgemeinen Preissteigerung, zum Teil aber auch in einer etwas reichlicheren Lebenshaltung, die an sich ja ein Kulturfaktor ist, die aber doch eine gewisse Glaftißitãt läßt. Ich gebe zu, daß für kinderreiche Familien besonderg in teueren Städten die Verhältnisse sehr eng sind, da muß vorläufig durch Unterstützungen geholfen werden. Im übrigen glaube ich, daß man solche Schlagworte, wie ich sie nicht hier gehört, aber in der Presse gelesen habe, daß die Beamten am Hungertuch nagen müssen, doch alg Uebertrelbungen ansehen und hier bezeichnen darf.
Auch im Interesse einer sachlichen Förderung der Beamten⸗ vorlage kann ich es nur für richtig halten, wenn die Besoldungs⸗ vorlage gleicheitig mit der Finanzvorlage behandelt wird. Das Ver⸗ hältnis der Parteien zu den Beamten hat sich ja in den letzten Jahren, das ist ein offenes Geheimnis, so gestaltet, daß ein starker Wett- bewerb um die Gunst der Beamten seitens der verschiedenen Parteien eingetreten ist. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Ich mache keiner Partei einen Vorwurf, ich frage nicht, wer hat an⸗ gefangen, aber tatsächlich ist es so, daß, wenn Forderungen der Be⸗ amten kommen, zunächst die eine Partei sagt, ihr habt Recht, die andere Partei sagt, ihr habt außerordentlich Recht, die dritte Partei sagt, es ist gar nicht ju sagen, wie recht ihr habt, und die vierte Partei sagt, eigentlich seid ihr doch furchtbar bescheiden gewesen, daß ihr nicht mehr verlangt. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Und was sagt die Regierung?) — Wag sagt die Regierung? Die Re⸗ gierung sucht objektiv zu prüfen, erkennt an, was sie für angemessen hält und hat jedenfalls ihrerseits keine Wahl rücksichten zu nehmen. (Sehr richtig! rechts) Nun liegt, glaube ich, die Sach: so: den Beamten kann man keinen Vorwurf daraut machen, die Beamten waren in diesem Falle in der Lage der Umworbenen, und wenn stellenweise mehr verlangt ist, als notwendig war, so ist das, wie gesagt, menschlich, wenn es nachher aber zum Zahlen kommt, muß geprüft werden, was ist von den Forderungen, auch wenn sie die Unterstützung dieses hohen Hauses ge⸗ funden haben, angemessen, und was geht über das Maß des Nötigen hinaus? Da, meine ich, ist nun das hohe Haus auch in einer ganz anderen Lage, wenn es die beiden Fragen gleichjeitig behandeln kann. Daruber ist mir gar kein Zweifel — und Sie, meine Herren, werden sich im stillen Kämmerlein schon dasselbe gesagt haben —, daß, wenn die Vorlagen kommen, mögen sie noch so reichlich ausgestaltet sein, auf die Herren Abgeordneten ein Andrang von Mehrforderungen ein⸗ stũrmen wird, daß ihnen noch angst und bange werden wird! (Heiterkeit)
Es handelt sich also darum, sachgemäß ju entscheiden; etwas anderes wollen auch die verbündeten Regierungen nicht. Da spielt nun auch der Faktor eine Rolle — und muß eine Rolle spielen —, daß jeder Posten, den Sie den Beamten hier ins Kredit stellen, bei den Steuern, d. h. für die allgemeinen Steuerzahler, ins Debet ge⸗ setzt werden muß. Diese Ausgleichung der Interessen der Beamten mit den Interessen der Wähler, die nicht Beamte sind, muß objektiv und sachgemäß erfolgen. Das wird aber nur dann gelingen, wenn Sie beide Fragen im Zusammenbang behandeln. Und des halb glaube ich, daß es von allen denen — und das ist gewiß die weit⸗ aus große Mehrheit dieses Hauses — denen es nur auf eine sach⸗ liche Erledigung der Frage ankommt, als jweckmäßig anzuerkennen sein wird, wenn die Besoldungsvorlagen und ihre flaamziellen Folgen in unmittelbarem Zusammenhang miteinander behandelt werden. (Sehr richtig! rechts.)
Daß die verbündeten Regierungen bereit sind, eine Rüdwirkung der Besolbungs vorlagen eintreten zu lassen, wenn sich ihre Voraug. setzangen bezüglich der Finanzteform erfüllen — und das ist ja auch die Bedingung für dag Zustandekommen der Besoldunge vorlagen —, babe ich schon vorhin ausgesprochen. — Das Bedenken, das der Herr Abg. Dr. Spahn bezüglich der Hinausschiebung der Pensionierung der Beamten ausgesprochen hat, dürfte sich durch die verlesene Erklärung
,. da die Absicht besteht, die PVensionlerung in diesem Falle auch zurũckwirken zu lassen, sodaß also ein Beamter, der frũher in
den Ruhestand tritt, keinen Schaden erleldet. — Ich kann nicht ver ⸗
hehlen, daß die verbündeten Regierungen sich zu dieser Zusage der Rückwirkung nur schweren Herzens entschlossen haben, da sie im Falle der Růückwirkung immerhin nicht die Deckung für die injwischen ab⸗ gelaufene Zeit haben. Man kann solche Steuervorlagen ja nicht mit derselben Leichtigkeit mit rückwirkender Kraft augstatten wie die Beamtenbesoldungi vorlagen. ¶ Heiterkeit.)
Bezüglich der Teuerungezulagen habe ich dem vorhin Erklärten wohl kaum etwas hinzujufũgen. Bejũglich des Wohnungggeldes liegt die Sache so: In dem Gesetz vom 17. Mai 1806 ist gesagt:
Die nächste Revision des Servistarifß und der Klasseneinteilung der Orte erfolgt mit Wirkung vom 1. April 1908. Daraus hat die Praxis in ähnlichen Fallen bisher gefolgert, daß das bestehende Gesetz vorlaufig fortgilt, ohne daß es einer besonderen Ver⸗ längerung bedarf. .
An dem ernsten Willen, den Beamten zu helfen, fehlt es den ver⸗ bündeten Regierungen ganz gewiß nicht! Wenn ich eine Bitte an Sie habe, so ist es die: helfen Sie den verbündeten Regierungen, daß keine unnötige Beunruhigung in Beantenkrelsen entsteht! Der Schaden davon trifft nicht eine einzelne Partei, trifft nicht die Re⸗ gierungen allein, sondern die Gesamtheit! Die Gesundbeit unserer Beamtenverhaältnisse beruht mit darauf, daß die Beamten gewiß sind, in ihren vorgesetzten Behörden Vertreter ju finden, die sich ihrer berechtigten Interessen nach besten Kräften annehmen. Davon sollen die Beamten auch in dieser schwierigen Frage überzeugt sein, wenn ihnen auch vielleicht augenblicklich die Entscheldung aus begreif lichen Gründen eine Enttäuschung bereitet. Gerade die Zusammen ⸗˖ knüpfung der Finanzreform mit der Beamtenreform ist eine Garantie dafür, wie ernftlich den Regierungen an der Förderung der Beamten ˖ reform liegt. (Lachen in der Mitte) Denn ernstlich genug liegt ihnen die Förderung der Finanzreform am Herzen, das mögen Sie schon glauben. Nach der Auffassung der verbündeten Regierungen sind beide Vorlagen dringlich; aber beide gehören zusammen, sie ge⸗ hören zusammen, wie Einnahmen und Ausgaben zusammengehören. (Sehr richtig! rechts.)
Ich bin am Ziel mit meinen Bemerkungen. Ich glaube, daß der eine und andere von Ihnen — es bat ja auch aus den Reden schon herausgeklungen — wohl denken wird, das Ziel, das sich der neue Staatsselretär gesteckt bat, ist etwas weit und boch, und es gehört ein starker Optimigmus daju, um an dessen Grreichung zu glauben. Nun, meine Herren, einmal per⸗ sönlich gesprochen: ohne einen gewissen Optimismus kann man keine großen Aufgaben lösen. (Bravo! rechts.) Wenn ich eine solche ernste, aber frohe Zuversicht nicht hätte, dann wäre ich an das Amt, in welchem ich stehe, nicht herangegegangen. In dieser Zuversicht bestãrkt mich die felsenfeste Ueberzeugung von der Nowendigkeit, daß die Aufgabe, die mir obliegt, gelöst werden muß, und daß sie also gelsst werden kann, und daß sich das Verständnis für die Notwendig leit in immer weitere Kreise unseres Volkes verbreiten wird. Ich fuße aber in letzter Linie auf einem festen Vertrauen auf den gesunden politischen Sinn, auf die Vaterlandeliebe unseres deutschen Volkes und seiner gewählten Vertreter in diesem hohen Hause. (Lebhaftes Bravo!)
Auf Antrag des Abg. Singer (Soz.) findet eine Be⸗ sprechung der Interpellation statt.
Abg. Singer (Soz.): Man kann bedauern, daß der neue Staats. sekrefãr des Reichsschatzamtes mit einer solchen Rede hier hat debütieren mässen. Ware alles, was der Staats sekretär gesagt hat, wirklich zu ⸗ treffend, dann bätte der Reichskanzler bier erscheinen und seine Sache führen müssen; der Schatzsekretär ist jedenfalls noch nie im Reichstage als der berufene Vertret: t . die Situation der auswärtigen Politik angesehen worden. Die Ausführungen über den westlichen Nachbar und über den Wert, den Deutschland bei seinen Finanzschwierigkeiten im Rate der Völker einnimmt, scheinen mir ganz hinfällig; nach unserer Ansicht werden solche Gesichtspunkte auch bei dem enragierteften Gegner Deutschlands nicht in Betracht gejogen. Der Staatesekretär mag mir verjeiben, wenn ich auf diese Seite seiner Ausführungen mit dem trivialen Worte erwidere: Bange machen gilt nicht! Die Beamtenbesoldung soll jetzt nicht verabschiedet werden können, weil die Finanzreform noch nicht zustande gekommen sst. Die Erböbung der Beamtengehälter ist nach meiner Meinung eine absolute Notwendigkeit, sie muß gescheben, gleichviel, wie die Finanzreform ausfällt; wie diese aber ausfällt, das ist abhängig von der Art der Vorschläge, die gemacht werden werden. Darum ist diese Verkopplung durchaus unberechtigt. Die Beamtenbesoldungs erhöhung ist eine Pflicht der verbündeten Regierungen und des Reichstags. Gerade auch mit Rücsicht auf die weiteren Aufgaben dieser Finanz= reform muß diese Verkopplung zurückgewiesen werden; denn die Finanzreform bezahlt schließlich dag Volk in den erhöhten indirekten Steuern, und dieses Volk kann schon jetzt nichts mehr tragen. Die Steuerreform wird nicht eher zustande kommen, als bis die Regierung von dem unheilvollen Grundsatz abgeht, daß das Reich nur auf indirekte Steuern angewiesen sein soll. Die Steuern sind von denen aufjubringen, die sie nach a und Besitz in der Lage sind ju bejablen. Wenn die berrschenden Klassen in Deutschland sich den Luxus der großen Flotten und Militärausgaben gestatten, dann sollen sie auch die Ausgaben dafür tragen, nicht aber der Masse und also auch wieder den kleinen und mittleren Beamten auferlegen. Der Staatssekretär weist hin auf das Nationalvermögen, dat sich erheblich erhöht habe; aber wo steckt diese Erböhung in der Hauptsache? Nicht bei den Arbeitern und kleinen Gewerbetreibenden, sondern sie ist einer kleinen Minderbeit in die Taschen geflossen, die denn auch wieder für diese neue Lasten aufkommen mögen. Es ist e die erböhten Spareinlagen als Ueberschüse über den Bedarf der einzelnen amusehen; es handelt sich vielfach um vorübergehende Aufbewahrung von Geld, eine dauernde Steigerung des Wobl⸗ standes der Bevölkerung ist damit nicht ju beweisen. Die Lebenshaltung soll eine böhere geworden sein. Das kann zugegeben werden, aber daraus resultiert noch lange nicht eine größere Wohlbabenheit der breiten Massen. Die böberen Einnahmen gehen schon in Hinsicht auf die erböhten Lebens mittelpreife wieder drauf. Letztere sollen kein entscheidender
aktor für die Notwendigkeit der Erhöhung der d, ,,, r, ein. Ich bin r . Meinung; die Schutz jollpolitik bat dlese Erhöhung ver 4 det, die jetzt etwa 25 o beträgt, und an der das Zentrum durchaus mitschuldig ist. Die Bevölkerung wird also jetzt mit doppelten Ruten gezüchtigt, einmal mit den höheren Preisen der Lebensmittel und Bedarfegegenstände und zugleich mit den dadurch notwendig gemachten neuen Steuern. Mit großer Feierlichkeit wurde im vorigen Jahre die Beamtenbesoldungsverbesserung amtlich angekündigt; aber daran war auch kein Zweifel, daß die Finanzreform erwartet werden müßte. Jenes Versprechen hat die Regierung nicht gehalten und bitter nun um Gntschuldigung; die Parieien aber, die keine Block vervflichtung ũbernommen haben, sind in der Kritik dieses Verhalteng der Regierung durchaus frei. Es war die Neigung im Hause verbreitet, bei dieser Gelegenbeit die Steuerfrage selbft nicht zu erörtern; der Staate sekretär hat aber selbst davon angefangen, und so solgen
eine ganz irrige Annahme,
verstand
Meinung und A er wenigsteng sich mit An tõnnen, auf eine
ane die breite rf des Volkeg wieder soll. Es ist wenigstens gut, daß man nun im Volk man von dem neuen Herrn zu erwarten hat. Das Wohlwollen der Bevölkerung für die Erhöhung der Beamtengebälter wird sehr ab⸗ . werden durch diese Perspektive; auch in den Kreisen der eamten, die dann abermals zu den Notleidenden gehören, wird die Freude sehr gedaͤmpft werden. Die erwartete Aufklärung ist also alles in allem ausgeblieben; wir hören nur, die Besoldungsverbesserung wird vertagt, ebenso wie die Finanzreform, und es soll inzwischen eine Teuerungsvorlage gemacht werden. Es hätte gar nichts entgegen⸗ gestanden, die Beamtenbesoldungsvorlage noch in dieser Sessien an den Reichstag ju bringen; jetzt will man sie als Vorspann für die Finanzreform benutzen. er Sedanke der Deckung von Besoldungs⸗ verbesserungen durch Anleibe ist eigentlich das Groteskeste, was man sich denken kann. Es werden schon viel zu viel Anleiben zur Deckung laufender Ausgaben im Reichsetat aufgenommen. Wenn die Einzel⸗ staaten im Bundeg rate alle die großen Flotten⸗, Heeres⸗ und Kolonial⸗ ausgaben bewilligen, sind sie auch verpflichtet, daran mitzutragen. Ich habe gar nichts gegen eine Veredlung der Matrikularbeiträge; namentlich könnte Preußen als der Hauptschuldige einen bedeutend höheren Betrag an Matrikularbeiträgen auf sich nehmen. Der Bundes- rat hat also die Besoldungsverbesserung nicht an uns gebracht; die Berechtigung dieser Unterlassungssünde können wir nicht gelten lassen. Ich bitte den Staatssekretär, bei den verbündeten Re⸗ gierungen dahin zu wirken, daß die Finanzreform auf tragfähige Schultern gelegt wird; will man wieder die Lasten der Masse der armen Bevölkerung aufbürden und deren indirekte Steuern erhöhen, so machen wir nicht mit. Die Haltung unserer Partei wird der Beamtenschaft im Reich stets bewiesen haben, daß wir eine aus⸗ kömmliche Besoldung als eine Forderung der Gerechtigkeit ansehen. In der Sache treten wir den Forderungen und Wünschen der anderen Parteien bei. Bedauern müssen wir, daß durch die Schuld der ver- bündeten Regierungen wieder ein Jahr vergeht, ebe etwas Durchgreifendes geschieht. Noch heute würde die Vorlage anstandelos durchgehen, wenn die verbündeten Regierungen sich entschlösen, sie noch einzubringen. Den Beamten kann man nicht verdenken, wenn sie mit der Teuerungszulage nicht zufrieden sind. Eine solche darf nur in ganz außergewöhnlichen Fällen erfolgen, um einer vorübergehenden Notlage abzuhelfen; aber sie ju einer Gewohnheit werden zu lassen, erscheint mir ein ganz falsches Prinzip. Wenn der Staatssekretär der Petitionsflut der Beamten an den Reichstag Einhalt tun will, so wird das ganz von dem Verhalten der verbündeten Regierungen abhängen. Nicht versäumen will ich, dem Grafen Oriola zu antworten, der uns wieder einmal anzapfte, weil wir alle möglichen Forderungen stellen, aber für die Deckung nicht zu haben seien. Es sst das eine von den ollen Kamellen, die hundertmal vor⸗ 6 werden, nachdem sie hundertmal widerlegt worden sind. Wir willigen für alle Ausgaben anstandslos die Mittel, wenn die Quellen, aus denen sie fließen, uns im Prinzip genehm sind. Sie bewilligen derte von Millionen, die Ste wohlgemut immer wieder der breiten asse der Bevölkerung aufpacken. Machen Sie doch die Probe aufs Exempel, bringen Sie uns die Reichgeinkommensteuer, die Reichsver⸗ mögentsteuer, eine Erweiterung der Reichgerbschaftssteuer, und wir werden die Ersten bei der Bewilligung sein!
Abg. Freiherr von Gamp N: Im Gegensatz zum Vorredner daif ich konstatieren, daß der neue Reichsschatzsekretãr sich mit einer sehr guten Rede eingeführt hat, die noch dazu dem Stand⸗ punkt meiner polltischen Freunde durchaus entspricht. Wir wünschen keine Steuerreform, die nach kurzer Zeit durch eine neue Steuer⸗ reform abgelöst werden muß; es legt nicht im Interesse der verbündeten Regierungen und des Reichstags, jedes Jahr mit neuen Steuervorlagen sich zu befassen. Es wird auch im Lande ungünstig aufgenommen, wenn in jedem Jahre neue Steuervorlagen an die Volksvertretung kommen. Mit dem Abg. Singer halte ich für falsch, die Beamtenbesoldungen aus Anleihen ju zahlen; aber der Abg. Singer hätte auch unsere ausnahme weise Lage anerkennen müssen. Der Abg. Singer hat doch parlamentarische Erfahrungen genug, um zu wissen, daß seine Steueranschauungen hier nicht im Handumdrehen zur Geltung gelangen. Der Reichetag muß doch bis zum 1. April den Etat verabschieden; dann kommen die Osterferlen; das Ver- sprechen der verbündeten Regierungen ist auch nur dahin gegangen, daß die Vorlage in diesem Jahre“ kommen sollte. Bei der nächsten Steuerreform wird es sich nicht darum handeln, ob direkte oder indirekte Steuern, sondern direkte und indirekte Steuern; aber es lassen sich Wege finden, um auch einen Teil der Reichs⸗ bedürfnisse durch direkte Staatseinkommen⸗· oder Vermögens⸗ steuern zu decken. Dabei wird auch die Frage einer anderweiten Verteilung der Lasten auf die Einzelstaaten erwogen werden müssen. Es könnte eine Veredlung in gewissem Sinne möglich sein, obne die Interessen der Ginzelstaaten zu verletzen; die größeren Staaten könnten sehr wohl die Steuern nach der Kopfzahl tragen, um schlechter gestellte zu entlasten. Der Abg. Singer hat den wunder⸗ baren Ausspruch getan, Heer und Maxine selen Luxusartikel. Ich 9 n. die große Mehrjahl der Arbeiter haben die Ansicht, daß beide die notwendige Voraussetzung der Existenz des Deutschen Reiches sind. Der Abg. Singer ũbersieht, daß in den letzten Jahren die unteren Classen nicht steuerlich belastet worden sind. Der prinzipielle Stand punkt des Staatssekretärs, daß für Autzgaben auch die Deckungs-⸗ mittel vorhanden sein müssen, ist durchaus richtig; wir ha dies Verlangen immer in der Budgetkommission an die Regierung ge⸗ stellt; es wird uns freuen, wenn die Regierung dies in Zukunft tut. Es ist nur zu bedauern, daß es gerade gegenüber der Beamten. besoldungafrage geschieht. Nach meiner Meinung wird viel zu viel auf Anleihe genommen; wir müßsen uns auch in dieser Frage mit der Regierung daruber verstãndigen, was auf Anleihe genommen werden kann, und was aus laufenden Mitteln ee werden muß. Diese Vorfrage muß erst entschieden werden. nn der Kolonialetat nicht zu lange Zeit in Anspruch nimmt, so ist es nun Zeit genug, diese Vorfrage zu erledlgen und eine Verständigung mit den verbündeten Re- ee. herbeizuführen. Das wird die Steuergesetzgebung vereinfachen.
edenfallg würden die Beamten nicht benachteiligt werden, wenn die Vorlage, deren Beratung vielleicht ——3 Monate erfordern würde, jetzt nicht erledigt wird; denn mit der Teuerungszulage würden sie ungefähr so 2 werden, als wäre die Vorlage zustande ge⸗ kommen. Vielleicht könnte der Unterstũtzungsfonds für Beamte erhöht werden. Der Staatssekretãr will sich wohl nur vor der Ginbringung der Steuervorlagen mit den maßgebenden Parteien 2 so fasse ich seine bezügliche Bemerkung auf. Wenn
ein Privatmann so gewirtschaftet hätte wie das tsche Reich in den letzten Jahren, er würde sicher unter Kuratel gestellt werden. Es muß jedenfalls von jetzt ab 6. gemacht und andere Grundregeln aufgestellt werden für die Flnanzverwaltung des Reicht. Es muß ganze Ar emacht werden, damit wir für einige Zeit Ruhe haben. Jedeg Mltglied hat die gleiche Pflicht, wenn es die
Beamtenwünsche erfüllen will, die Konsequenzen zu ziehen. Wir 2
verpflichtet, die Mittel zu bewilligen, die notwendig sind, um die n zu m Wir müssen uns da auf einer mittleren Linie ver⸗ ändigen über ein großes Steuerprosett; dies wird gelingen, die
t i , (Schluß in der Zwelten Beilage.)
zum Deutschen Reichsa
M GI.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Abg. Dr. Graef (wirtsch. Vgg): Der Abg. Singer sagte, es wäre Pflicht des Reichskanzlers gewesen, zu , die Vorlage verzögert worden ist. Ich kann ihm darin nur zustimmen,
die Sache ist wichtig genug Ich muß sagen: ‚Von Zeit zu Zeit sehi ich den Alten gern. Wenn er so selten erscheint, verstert er 1 Statt dessen schickt er den Schatz sekretär, um die Verschleppung zu entschuldigen. Wir wissen doch nicht, wie wir mit ihm daran sind; er sitzt mit der weißen Weste der Unschuld da und kann sich darauf zurückstehen, daß er ja die Sache nicht gemacht hat. Ich kann nicht finden, daß er eine Schonzeit beanspruchen darf; nimmt man eine solche Sache in die Hand, so muß man auch die nötige Sachkenntnis haben. Immer bin müssen wir ung mit seiner Erklärung abfinden. Den Voꝛwurf aber, den er den Parteien gemacht hat, 91 sie sich somnsagen eines unlauteren Wettbewerbs schuldig gemacht baben, muß ich jzurückweisen. Meine Partei trifft ein solcher Vorwurf jedenfalls nicht. Wir haben immer den Beamten gesagt, wir prüfen ihre Wünsche und werden das vertreten, was wir für berechtigt balten. Nicht die Regierung allein ist objektiv verfahren, bis jetzt hat sie eigentlich gar nichtz getan. Der Staatssekretãr von Stengel sagte am 18. März vorigen Jahres, die Beamten rufen für sich und *. Kinder nach Brot. Die Beamten haben nicht, wie der jetzige Staatssekretãr sagte, höhere Ansprüche, sondern sie schreien nach Brot, weil sie Hunger haben. In den Kreisen der Beamten hatten die damaligen Erklärungen des Staatslekretärs Freude und Genugtuung hervorgerufen. Und nun heute die Erklärung d neuen Staatssekretärg, die in höchstem Grade enttäuschen muß! Wie soll es da bei den Wahlen werden? Ein höherer Beamter soll ja . gesagt haben, wegen der Wahlen in Preußen brauchen wir keine Sorge zu haben, wir haben ja keine geheimen Wahlen. Daß der Abg. von Richthofen sich mit der Vertagung der Sache einverstanden erklärt hat, müssen wir lebhaft bedauern; zur Erledigung einer so wichtigen und dringlichen Aufgabe muß der Reichstag Jeit haben, auch im Sommer. Der Staatssekretär hat erklärt, daß Beamten⸗ besoldung und Deckung zusammengehören. Früher war von einer solchen Verkoppelung bei der Regierung nicht die Rede. Der Freisinn darf die Verantwortung für diese Sache nicht ablehnen, er hat die Aufgabe, daran mitzuarbeiten. Die Erklärung, die der Staatssekretãär im Auftrage des Reichskanzlers abgegeben hat, hat mich durchaus nicht befriedigt. Mehr als erstaunlich ist die Bezugnahme des Staatssekretärs auf die Zuckersteuer, deren Herabsetzung die Regierung doch selbst zugestimmt hat; und nun erklärt sie, daß die , der Beträge die Finanzen in Unordnung gebracht hat. Das Erfreulichste an der Er⸗ flärung des Staats sekretärs ist, daß er eine Teuerungszulage bewilligt und dem bevorftehenden Gesetz rückwirkende Kraft geben will. Wenn das so liegt, so haben wir keine Veranlassung, die berechtigte Beunruhigung der Beamten noch zu vergrößern. Ih befürchte aber, daß andere Parteien, wie die Sozialdemokratie, anders verfahren und aus der Verschleppung der Vorlage Kapital schlagen werden. Wenn die Regierung die Vorlage noch weiter verzögert, so muß die de,, darunter leiden. Darum sage ich: videant Cconsulen
Staatssekretãr des Reichsschatzamts, Staatsminister Sydow:
Meine Herren, der Herr Vorredner hat dem Herrn Reichskanzler einen Vorwurf daraus gemacht, daß er bei der Vertretung dieser Frage nicht persönlich in diesem Hause erschienen ist. Wenn ich ihn recht verstanden habe, hat er daraus gefolgert, daß der Herr Reiche kanzler dieser Sache nicht dasjenige persönliche Interesse zuwende, das die Sache verdiene. Ich muß dem durchaus widersprechen. Die Leitung der Reichggeschäfte, soweit sie verfassungsmäßig dem Reichskanzler ob-= liegt, wird von dem Herrn Reichskanzler auch dann ausgeübt, wenn er nicht in diesem Hause ist, und ich kann nur versichern, daß er gerade dieser Frage hier sein persönliches Interesse in der lebhaftesten Weise zugewendet hat und daß in dieser Frage selbstverständlich nichts ohne ihn geschehen kann und geschieht.
Wenn dann der Herr Vorredner — wenn ich ihn recht ver— standen habe — um zu beweisen, daß man sich in Regierungskreisen über die Rückwirkung der Vertagung auf das Verhalten der Beamten bel den Wahlen Sorge mache, eine durch die Presse gegangene Ge⸗ schichte wieder vorgebracht hat, wonach angeblich ein höherer Beamter in Preußen auf eine entsprechende Andeutung gesagt habe: ach, in Preußen brauchen wir uns keine Sorge zu machen, da haben wir ja keine geheimen Wahlen, — so muß ich sagen: die Geschichte trägt so alle Spuren der inneren Unwahrscheinlichkeit an sich (sehr richtig! rechts, daß ich doch glauben möchte, man sollte auf sie nicht eingehen, ehe man sie nicht wirklich verifiziert hat, ebe man nicht selbst sagen kann: ich weiß bestimmt, daß die Ge⸗ schichte wahr ift.
Was endlich den Zeitpunkt der Einbringung der Vorlage im Herbst betrifft, so konnen Sie sich darauf verlassen, daß sowohl seitens des Reichsschatzumts als auch seitens der verbündeten Regierungen alleg zur Beschleunigung getan wird. Dazu haben die verbündeten Regterungen, daju hat die Behörde, die ich ju vertreten die Ehre habe, ein viel zu großes Interesse, die Sache so bald als möglich zum Abschluß zu bringen. (Bravo! rechts.)
Abg. Zimmermann (d. Rfp): Der Staateselretär hat vorhin ausdrücklich gesagt, der Reichstag habe Wablrücksichten ju nehmen, die Regierung nicht. Dies Wort vom Bundesratstische muß ich doch beanstanden. Die heutige Erklärung der Regierung wird Zu⸗ frledenhest nicht erwecken, sondern im Gegenteil die Unzufrieden beit außerordentlich steigern. Schon vor Jahresfrist hat der Reichstag die bestimmte Zufage der Erhöhung im Namen des Reichskanzlers erhalten, nachdem die letzie Gehaltserhöhung vor etwa zehn Jahren erfolgt war. An solchen Worten der Regierung soll man doch nicht dreben und deuteln därfen; jetzt aber tritt eine Verschleppung, eine Hinausschiehung der Aufbefferung ein, denn auf etwas anderez läuft die Sache doch nicht hinaus. Die heutige Erklärung der Regierung ist eine böchst selsfam verklausulierte, ez hängen allerlei Wenn und Aber daran, es heißt, die Besoldunggaufbesserung soll erfolgen, wenn die Finanzreform juffande kommt ufw; dem Ansehen des Reiches dem Auslande gegen sber entspricht es auch, wenn die den Beamten gegebenen Ver sprechungen erfüllt werden. Die Fingnjreform ist gewiß dringlich, aber 9 e b ülluiß⸗ im Innern müssen überhaupt gesunden, und dazu
ebört auch dag Vorhandenfein eines zufriedenen Beamtenstandes. Es feuer ja bei der Agitation Uebertreibungen vorgekommen sein; aber der neue , n, weiß doch sehr gut, daß die Unterbeamten bei der Post mit Gehältein von 89, 900, 1000 4 auskommen mässen. Da liegen doch die Schwierigkeiten der rer ub, da liegen die Anfänge zu einer Berl an hun gam t fett. die schlleßlich mit einer Kataftrophe endet, da muß der Hebel angesetzt werden. Und es bandeit fich ja gar nicht eigentlich um eine Verbesserung, es
die 8a, mit den Blockparteien.
Zweite Beilage
Berlin, Mittwoch, den 11. März
um die Behauptung einer schon vorher ein⸗ genommenen Stellung. Es spricht für unseren Beamtenstand, wenn er sich dogg stemmt, in eine tiefere soriale Schicht hinunter⸗ zugleiten. uß nicht ein bitteres Gefühl sich bei ihnen regen, wenn sie ie derart hinabgedrängt werden sollen? Um diesen springenden Punkt handelt es sich hier, nicht allein um rein wirtschaftliche Rüdsichten. Die . der Verbesserung wird ihres politischen Eindrucks bei der Beamtenschaft draußen nicht verfehlen; und diese Wirkung wird eine sehr bedenkliche sein, um so bedenklicher, je weiter nach unten. Das Reich hat seinen Be⸗
handelt sich blo
amten gegenüber Verpflichtungen zu erfüllen; die Befriedigung der.
unbedingt notwendigen materiellen Bedürfnisse ist die Voraussetzung für die gewissenbafte Pflichterfüllung; der Staat ist verpflichtet, seinen Beamten einen standes gemäßen Lebensunterhalt ju gewähren. Wenn der Staaissekretär ziemlich energisch den Reichstag. und seine Partelen vornahm, so möchte ich doch nach der anderen Seite sagen, es ist eine eigentümliche Erscheinung, daß Staat und Reich an ihre Pflicht gegen ihre Beamten erst durch die Volksvertretung haben erinnert werden müssen. Der Staatssekretär ruft die Parteien zu Hilfe, die Beunruhigung aus den. Kreisen der Beamten zu bannen. Wenn dann der Mißmut bei den Beamten in die Höbe schießt, darf die Verantwortung nicht auf die politischen Parteien abgewälzt werden. Ueber Wesen und Richtung der Finanzreform haben wir leider von dem Staatssekretär heute nichts Näheres vernommen, das bedauere ich ganz außerordentlich. Wenn man immer die alten Rezepte wiederholt, wird man nicht zu einer durchgreifenden Finanz reform kommen. Solange wird dies nicht gelingen, bis nicht die Regierung den entscheldenden Schritt tut und die Mächte des Groß⸗ kapltals. die bei dem Aufschwung des Reiches die größten Verdienste eingeheimst haben, stärker mit der Steuerschraube heransieht. Ver Freiherr von Gamp meinte, die Einzel⸗ staaten wären gern bereit, höhere Beiträge zu zahlen. Hinsichtlich Sächsens kann ich ihn in dieser Bejiehung beruhigen, dort besteht diese Bereitwilligkeit jedenfalls nicht. Noch am letzten Tage, an dem der sächsische Landtag versammelt war, wurde auf Anfrage von der Regierung dies scharf zum Ausdruck gebracht. Es sei denn, man würde Sachfen mehr Stimmen im Bundesrat gewähren. Die Verschiebung der Besoldungsvorlage bedeutet eine direlte Schädigung des Ansehens der nationalen Parteien. Was soll im nächsten Winter eschehen? Soll dann diese Verschiebung wieder fortgesetzt werden? s muß eine durchgreifende Lösung der Frage erfolgen, damit unsere Beamtenschaft sieht, daß es uns wirklich Ernst ist.
Abg. Dr. Wie mer (fr. Volksp.): Auch ich muß namens meiner Partei dem Bedauern über diese Hinausschiebung der Vorlage Ausdruck geben. Der Hinweis auf die . der Zuckersteuer, mit der uns der Schatzsekretär die Pille verfüßen wollte, ist nicht stichhaltig. Denn die Herabsetzung soll erst eintreten, wenn 35 Millionen neuer Einnahmen für das Reich erschlossen sind. Die Zustimmung dazu ist auch gegeben zu einem Zeitpunkt, wo man die Einbringung der Be⸗ soldungs vorlage noch für jetzt voraussetzte. Die Vertreter der agra⸗ risch hochschutzzöllnerischen Politik haben bei der Durchsetzung der , . zu ihrem Vorteile vergessen, daß dies auch zu ihrem
achteile ausschlagen könnte. Jetzt 62 wir die Teuerungsverhält⸗ nisse, die nicht vorübergehend sind. Einigermaßen sollte man, nun wenigstens durch eine ausreichende , ,, einen Ausgleich zu schaffen suchen. Auf die Erhöhung der Offinersbezüge, will ich nicht eingehen, wir werden sie später voraussichtlich im Zusammenhang mit den Beamtenbesoldungen zu behandeln haben. Dringlicher aber als die Erhöhung der einzelnen Offiziersklassen ist cherlich diejenige fär die Unteroffiziere. Die Fehler, die man in der inanzpolitik früher gemacht hat, rächen sich jetzt. Man hat diese Schwierigkeiten auf das Konto der Blockpolitit setzen wollen. Das ist n unrichtig. Auch wir haben die Pflichttreue und den ernsten Willen und das arbeitsvolle Bemühen des Freiherrn von Stengel gern anerkannt, aber seinen Vorschlägen konnten wir nicht folgen und haben recht darin behalten. Dem neuen Staatssekretär müssen wir eine gewisse Schonzeit gewähten. Deswegen können wir uns auch damit einverstanden erklären, daß die Finanzreform bis zum Herbst verschoben wird. Daraus folgt aber noch lange nicht die Notwendigkeit, auch die Besoldungsreform zu verschieben. Es wäre jweckmäßig und auch für den Reichstag richtiger gewesen, wenn die einmal fertig gestellten Vorlagen eingebracht wären, damit man sie rechtzeitig hätte gründlich erörtern können. Die Steuerreform aber denken wir uns nicht so, daß wieder die minderbemittelten und ärmeren Volkeklassen vorwiegend be⸗ lastet werden. Bei der Reichefinanzreform muß nicht die Hauptaufgabe sein, die Einzelstaaten zu schonen, sondern dafür Sorge zu tragen, daß das Reich auch leistungsfäbig wird, um seine eigenen Aufgaben erfüllen zu können. Eine Vermehrung der direkten Steuern für das Reich halten wir nach wie vor für erforderlich. Auch bei der Erbschaftssteuer hat man uns von den verbündeten Regierungen seinerzeit gesagt, wir tasteten die Selbständigkeit der Einzelstaaten an und entzögen ihnen Steuer quellen, die ihnen verbleiben müßten. Wir haben die Erbschaftesteuer doch auf das Reich übernommen, und nichts von den Voraussagungen der verbündeten Regierungen ist eingetroffen. Zum mindesten könnten die direkten Steuern pari passu mit den indirekten erhöht werden, wenn wir überbaupt an eine Vermehrung der indirekten Steuern herantreten wollen. Der Abg. Spahn lehnt direkte Steuern ab, indirekte aber will er auch nicht, er hat auch die n ,, Fe, in Zusammenhang mit den Anleihen gebracht. Gerade die Matrikularumlagen kommen doch in den Einzelstaaten durch die Er⸗ hebung direkter Steuern zum Austrag, sie sind das wirksamste Mittel dafür, daß bei der Eihöhung der Steuer nach den Grundsätzen der steuerpolitischen Gerechtigkeit verfahren wird, und nicht durch indirekte Steuern wieder die ärmeren Schichten getroffen werden. Ich kann nur wünschen, daß die Versuche auf Veredlung der Matrikular⸗ beiträge nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit der Bundesstgaten fort- gesetz werden. Durch eine gerechte und jweckmäßige Reform der Branntweinsteuer ließen sich allein schon die Deckungsmittel für eine Verbesserung der Beamtenbesoldungen finden. Der Staats sekretär betonte die Notwendigkeit, sich mit den Parteien ins Ein- bernebmen zu setzen, wenn es sich um neue Steuern handle. Es war ein Fehler des Freiherrn von Stengel, daß er dies bei der Banderolen- steuer und dem Branntweinmonopol unterließ. Hoffentlich läßt der Bundesrat beide Projekte in der Versenkung verschwin den, Hoffentlich liegt in der einschrän kenden Erklärung des Staatesekretärs, daß erst für Deckung gesorgt werden muß, kein Hinterge danke, der die Be fürchtungen der Beamten rechtfertigt. Das Reich hat die Pflicht, die Beamten dienstfreudig ju erhalten, und es tut dies am besten, wenn es den Grundfatz behernigt: wer schnell gibt, gibt doppelt.
Staatssekretar des Reichsschatzamts, Staatsminister Sydow:
Meine Herren! Von verschiedenen der Perren Vorredner ist direkt oder indirekt der Vorwurf erhoben worden, daß ein Versprechen nicht eingelöst sei, das vor einem Jahre von meinem Herrn Amts- vorgänger namens des Herrn Reichskanzlerg unbedingt gegeben sel. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten — Sehr falsch! Denn das Versprechen war kein unbedingtes, es war bedingt durch die Ge⸗ währung von Deckunggmitteln für die entstandenen Auggaben. Ich
habe das schon vorher hervorgehoben. Es ging ferner seiteng des
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nzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
1908.
Herrn Reichskanzlers dahin und konnte nicht weiter gehen, als daß er bei den verbündeten Regierungen die entsprechende Vorlage vertreten wollte. Die verbündeten Regierungen — das wird auch dem Herrn Abg. Singer nicht unbekannt sein — sind verfassungsmäßig ein selbständiger Faktor in der Behandlung gesetzgeberischer Vorlagen. Jetzt stehen die verbũndeten Regierungen auf dem Standpunkt, daß mit Rücksicht auf die gesamte Finanzlage und nach den Erfahrungen der letzten Jahre die Besoldungevorlage nicht von der umfassenden Finanzreform ge⸗ trennt werden kann. Die preußischen Stimmen und mit ihnen der Herr Reichskanzler haben sich dieser Ueberzeugung angeschlossen, und darum ist jetzt die Vorlage nicht gekommen. —
Wenn der Herr Vorredner gemeint hat, wenn man nun schon einmal 23 Millionen an Teuerungsjulagen auf jeden Fall gewähren wollte, dann hätte man noch weiter gehen können und gleich die Be⸗ soldungsvorlage in Kraft treten lassen, so werden die verbündeten Re⸗ glerungen schwerlich imstande sein, diese Konsequenz ju ziehen; denn es ist ein großer Unterschied, ob ich für einmal das Risiko von 23 Millionen auf mich nehme oder für alle Zeit das Risiko von 70 Millionen und mehr jährlich auf die Finanzen übertragen soll. (Sehr richtig! rechts.)
Dann sind mehrere Herren, von dem Herrn Abg. Singer an, so gütig gewesen, mich zu einer Aeußerung in bezug auf meine Stellung zu den Steuerquellen zu reizen, aber ich bedauere, auf diese Rehung nicht reagieren ju können. Ich glaube, das liegt in den Verhältnissen. Ez kommt darauf an, wie die verbündeten Regierungen stehen, nicht wie ich daju stehe; ehe ich daher mit Vorschlägen komme, muß ich mich nach verschiedenen Richtungen hin orientieren und ich bitte, aus den Bemerkungen, die ich gemacht habe, nach keiner Richtung irgend⸗ welche Schlüsse ju ziehen. Ich behalte nicht bloß mir — das wäre das Wenigste — ich behalte auch den verbündeten Regierungen voll- kommene Freiheit nach jeder Richtung in der Beniehung vor, und ich kann die Bemerkung nicht unterdrücken, daß es von seiten der Parteien, die ein Interesse haben, die Sache zum guten Ziele geführt zu sehen, auch jweckmäßig wäre, wenn sie sich nicht schon jetzt fär oder gegen gewisse Projelte festlegen würden. (Heiterkeit in der Mitte.)
Wenn endlich der Herr Vorredner noch gefragt hat, ob in dem Bedingungssatz, an welchen die Rückwirkung geknüpft ist, wenn eine befriedigende Finanzreform ju stande kommt, auch kein Hintergedanke wäre, so ist ganz gewiß in dem, was hier gesagt wurde, kein Hinter⸗ gedanke. Die Sache liegt ja ganz klar: kommt die Besoldungsvorlage zu stande, dann soll sie rückwirkend sein; aber das Zustandekommen der Besoldungsvorlage hängt eben von dem Zustandekommen der Finanzreform ab. (Bravol rechts.)
Abg. Spahn (Zentr.) wendet sich gegen eine Reihe von Aeußerungen der 1s, von Gamp, Wiemer und Graef sowie des Staatssekretärs, ist aber bei der Unruhe des Haus auf der Jouinalistentribüne nur teilweise verständlich. Bezüglich der direkten Reichssteuern habe er seine Meinung und die des Zentrums ausgesprochen; ab die Reichstags⸗ mehrheit sie teile, sei eine andere Sache, die Frage sei ja augen= blicklich nicht prakiisch. Daß die Finanzreform des Freiherrn von Stengel Fiasko gemacht habe, könne er nicht zugeben. Man habe die ruhige Entwicklung der Ergebnisse dieser Reform gar nicht ab⸗ warten können; die Fahrkartensteuer sei von dem Freiherrn von Stengel nicht in der Form vorgeschlagen worden, die sie im Reichstage erhalten habe. Daß Deutschland auf den Kopf der Bevölkerung mit Steuern sehr wenig belastet erscheint im Vergleich mit dem Aus- lande, halte er für eine irrige Anschauung. Der kleine Steuer- jahler mit kinderreicher Familie sei viel schlimmer daran wie der vermögende Steuerjahler. Der Staatssekretär komme mit seiner Meinung, daß man auf das Ausland Rück⸗ sicht nehmen müsse, vielleicht in Kollision mit dem Reichsranzler, der im preußischen Herrenhause bei der Polenvorlage eine sehr abweichende Meinung vertreten habe. (Der Redner verliest den betreffenden Passus) Mit Sicherheit könne man die Beamtenbesoldungsvorlage überhaupt nicht erwarten, denn 6 sei an das Schicksal der Finanzreform geknüpft, und sie habe der Staatgsekretär auch mit der Aufgabe belastet, eine finanzielle Augeinandersetzung zwischen dem Reich und den Einjelstaaten herbeizuführen, eine Aufgabe, worüber man sich den Kopf zerbreche, solange das Reich bestehe. Der Abg. von Gamp wolle gleichfalls eine Reform, die auf Dezennien Ruhe schaffe; solche Bedingungen sollten an die Reform nicht ge⸗ knüpft werden. Wie die andauernde Lebensmittelverteuerung gewirkt habe, sei auch ihm nicht unbekannt, obwohl es sich hier nicht um Essen und Trinken allein handle, und man die San n gg. gebung dafür nicht verantwortlich machen könne; es stehe nach amtlichen Er⸗ mittlungen fest, daß seit 1890 bei einzelnen Lebensmitteln Preis⸗ steigerungen von 20 bis 100 0ͤM0 eingetreten seien. Die Kohlen⸗ preise hätten um mehr als z sich erhöht und seien allein vom vorigen auf dieses Jahr ganz außerordentlich weiter gestiegen.
Staatssekretär des Reichsschatzamts, Staatsminister Sydow:
Bei der vorgerückten Stunde will ich mich in der Erwiderung auf den verehrten Herrn Vorredner auf einen Punkt beschränken, nämlich den, wo er meine Bezugnahme auf das Ausland in Gegensatz zu bringen gesucht hat zu einer Bemerkung, die der Herr Reichs kanzler als Ministeipräsident in dem Herrenhaus — ich denke wohl bei der Polendebatte — gemacht habe. Damals handelte es sich darum, daß von einer Seite gegen die Regierungsvorlage argumentiert wurde, sie werde im Auslande, um es kurz zu sagen, stark mißbilligt. Ich habe dagegen gesagt, unsere Position läßt uns dem Auslande gegenüber schwächer erscheinen, als wir sind. Ich behaupte gar nicht, daß das im Auslande mißbilligt wird, das wird vielleicht dem Au- lande ganz angenehm sein, aber es ist ein großer Unterschied, ob man eine Vorlage, die die innere Politik betrifft, darum nicht will be—⸗ kämpfen lassen, weil sie dem Auslande nicht gefällt, oder ob man eine Maßregel für nötig hält, um uns nicht nach außen in einem falschen Licht mit Bezug auf unsere innere Stärke erscheinen ju lassen.
Abg. Dr. Dröscher (kons.): Wir können un bei der gegenwärtigen Verbandlung von einem Eingehen auf Einzelheiten keine Förderung versprechen. Das Zustandekommen der Finanzreform wird dadurch für später nur erschwert. Mit den Ausführungen des Staats. sekretärs können wir uns im großen und ganzen einderstanden erklären. Wir sehen auch in der Verkoppelung der Besoldungereform mit der 6. nicht so schwarjz, daß wir eine Vertagung der Be⸗ oldung ad calendas GraScas befürchten. Meine Volitischen Freunde wollen keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß