In § 17 ist der Termin für das Inkrafttreten des Ge⸗ jetzes von der Kommission offen gelassen worden.
Der Referent 96 ᷓ. a nl) beantragt, das Gesetz am 15. Mal 1908 in Kraft treten zu lassen.
Abg. von Dijiembowski (Pole) widerspricht dem Antrage Junck. Der Antrag Junck wird angenommen.
Zur Einleitung und Ueberschrift des Gesetzes bemerkt der
Abg. von Dziembowski (Pole), daß die Ueberschrift Reichs. vereinsgesetz' nicht zutreffe, da sie dem Inhalt des Gesetzes nicht , Es müsse eigentlich betitelt sein „Festsetzung der
olljeilichen Befugnisse gegenüber dem Vereins.! und Ver⸗ rn ,,, . er lac den Titel Reichsenteignungs⸗ gesetz' vor, da es lediglich eine Ergänjung des preußischen Ent- eignungsgesetzes gegen die Polen sei; oder auch ‚Reichsgesetz zum Schutze des gefaͤhrdeten Beutschtums gegen die pflichtvergessenen Polen‘. (Heilerkeit und sofort darauf stürmische anhaltende Schlußrufe, die den Redner eine Zeitlang am Weitersprechen ver⸗ hindern.) Es werde doch auf allen Seiten anerkannt, daß es sich um ein Antipolengesetz bandelt. (präsident: Ich muß Sie jetzt bitten, die Geduld des Reichstages nicht länger in Anspruch zu nehmen.) Ich schlleße mit den Worten Koseielekiß: Es gibt keine Macht... (die Worte gehen in dem tosenden Lärm verloren).
Damit ist die zweite Lesung des Vereinsgesetzes beendet. . . nach 8i / Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 12 Uhr. ¶ Börsengesetznovelle.)
Prenhischer Landtag. Herrenhaus. 138. Sitzung vom 6. April 1908, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Vor Eintritt in die Tagesordnung weist
Oberbürgermeister Vr. Wilm s⸗Posen darauf hin, daß Herr von Kogcielski seine neuliche Behauptung, außer den Posener Neuesten Nachrichten“ arbeite die deutsche Hen f⸗ im Osten mit Verleumdungen, im Stenogramm dahin umgeändert habe, daß die deutsche Presse meistens“ mit Verleumdungen arbeite; der Redner nimmt mit Befriedigung davon Kenntnis.
Auf der ö, steht zunächst der Gesetzent⸗ wurf, betreffend den Bau eines Schiffahrtskanals vom Mauersee nach der Alle bei Allenburg (des sog. masurischen Kanals) und von Staubecken im masu⸗ rischen Seengebiete.
Berichterstatter Graf Finck von Finckenstein⸗Schönberg beantragt namen; der Agrarkommission die unveränderte Annahme des Entwurfs. ;
Graf von Mirbach Sorquitten: Der Vorgänger des Herrn Ministers hatte die Anlage eines Kanals zugesagt, der von der Weichsel ausgehen und dessen Schlußstück der masurische Kanal bilden sollte. Wie steht es mit der Erfüllung dieser Zusage? Denn der masurische Kanal hat nur lokale Bedeutung; es wäre unrichtig, wenn die Regierung behauptete, sie hätte damit genug für Ostpreußen getan. Auch die materielle Aufwendung von 16 Millionen ist bescheiden, wenn man bedenkt, daß für die Kanalisation der unteren Oder allein 45 Millionen zur Verfügung gestellt werden. Gewiß muß den Land⸗ schaften, die der Kanal durchschneidet, geholfen werden; denn sie sind arm, und dazu kommen noch die außerordentlichen Einkommensteuer⸗ lasten. Der Minister muß aber auch die Eisenbahntarife ermäßigen, um Ostpreußen wirksam zu helfen, denn der Bau des Kanal allein genügt nicht. Schon neulich habe ich das Prinzip der Staffeltarife empfoblen. Ich gebe meiner Freude darüber Ausdruck, daß der masurische Kanal nun endlich gebaut wird; wir haben über 30 Jahre darauf gewartet. Ich bitte aber dringend, daß durch den Bau des Kanals uns keine landwirtschaftlichen Arbeiter entzogen werden. Weiter habe ich Bedenken, ob nicht durch die geplante Anlage die kostbaren Holzbestände am Spirdingsee gefährdet werden. Ich bitte darin um sorgfältige Prüfung. .
Oberburgermelister Körte⸗ Königsberg dankt der Regierung für diese Vorlage. Mit der Vorlage sei es gewesen wie mit der Werbung Jakobs um Rahel und Lea; seit vielen Jahren sei das Land Ostpreußen hinter dieser Kanalschönen her; schon seit 1874 seien sich die Liebenden einig, aber der väterliche Segen der Regierung sei recht spät erfolgt. Hoffentlich würden aus der späten Ehe noch ein paar Kanalbengelchen hervorgehen, denn auch er (Redner)
vergrößerten Kanal bis zur Weichsel.
Minister der öffentlichen Arbeiten Breitenbach:
Mit der Einbringung dieser Vorlage erfüllt die Regierung eine alte Verpflichtung. Der Herr Vorredner hat ja die historische Ent⸗ wicklung des Kanalunternehmens eingehend erläutert. Kanal ist, wie Herr Graf Mirbach sehr zutreffend ausführte, ganz überwiegend, ja fast ausschließlich unter dem Gesichtspunkte eines
Meliorationgunternehmens zu beurteilen, gleichartig wie der Bau der
jahrausjahrein empfehlen.
überwiegenden Zahl aller Nebenbahnen, die wir von beiden Häusern des Landtags erbitten. Der Kreis, den dieses Unternehmen schlägt, ist nur größer als der Kreis einer Nebenbahn, die wir in das Land hinein erstrecken. Es sind sieben Kreise der Pro⸗ vinz beteiligt, die mehr oder weniger Nutzen ziehen. Es handelt sich überwiegend darum, daß wir die vorhandenen Bodenschätze hochwertiger machen. Ich habe in der Kommission des Abgeordnetenhauses unan⸗ greifbar nachweisen können, daß beispielsweise das Steinmaterial, welches aus der Glacialjeit stammt, fast 2 Millionen Kubikmeter, erst durch den Kanal exportfähig wird, sodaß es an der Küste verwendet werden kann. Daß der Kanal für die Erzeugnisse des Landes, wie Getreide, in größerem Umfange nicht benutzt werden wird, halte auch id mit dem Herrn Vorredner fär durchaus jutreffend. Bei der Ver⸗
handlung dieser Vorlage in der Kommission des Abgeordnetenhauseg sind bereits sehr weitgehende Anträge gestellt worden auf Gewährung
von Tarifermäßigungen durch die Staatseisenbahn. Es ist anerkannt worden, daß diese Frage in keinem unmittelbaren Zusammenhang steht mit dieser Vorlage, aber man argumentierte wohl, daß, wenn dem einen Teile der Provinz besondere Vorteile zugewendet werden, es dann
der Provinz zuzuwenden. Ich möchte heute hier wiederholt aus⸗ sprechen, daß die Staatzregierung der Auffassung ist, sie habe im Laufe der letzten Jahrjehnte sowohl auf dem tarifarischen Gebiete wie
auch auf dem Gebiete des Bahnbaues für Ostpreußen außerordentliches
getan. Es schließt das natürlich nicht aus, daß nicht noch mehr ge⸗ schehen sollte. (Sehr richtig) Ich habe mich auch einer Anregung des Herrn Abg. Freiherrn von Gamp, der für Baukalk eine Tarlf⸗ ermäßigung wünschte, nicht ablehnend verhalten, da anerkannt werden muß, daß die Provinz Ostpreußen diesen Bedarfsartikel nur auf große Entfernungen beziehen kann. Ich habe ferner bejüglich der Anträge, die darauf abzjlelten, für Magervieh nach anderen Landesteilen eine Tarifermäßigung zu gewähren, eine eingehende Prüfung zugesagt. Viel schwieriger liegt die Frage
Der masurische ein, . beiter handeln —
Kommunalkommission zu überweilsen. ', . . 36 er Gn, z e . kö ne ja der Vorlage zustimmen, aber weitere Kosten dürften den Städten nicht zugemutet wobl angezeigt wäre, ein gleiches auch dem nicht betroffenen Gebiete .
für den Bezug von Kohle. Ostpreußen verbraucht, soweit nicht eng ⸗ lische Kohle verwandt wird, vorwiegend oberschlesische Kehle. Die Einfuhr englischer Kohle ist durch Anordnung vom 1. Januar d. J. wesentlich erleichtert. Aber für den Bezug oberschlesischer Kohle werden wir nicht in der Lage sein, mehr zu tun als das, was bereits geschehen ist. Die oberschlesische Kohle wird heute bereits zu sehr billigen Tarifen gefahren, und es drückt sich der Vorteil, der für Ost⸗ preußen alljährlich erwächst, aus der Differenz zwischen dem Normal- und dem Ausnahmetarif mit 2bis 3 Millionen Mark aug. Herr Graf von Mir⸗ bach hat schon bei der ersten Lesung des Etats Veranlassung genommen, auf die beiden Hauptprodukte der Provinz Ostpreußen, Holj und Ge⸗ treide, einzugehen. Ich glaube es mir versagen zu müssen, diese Frage erneut zu erörtern. Ich habe schon neulich die Gründe auseinander gesetzt, warum und aus welchem Grunde die Königliche Staats⸗ regierung, obwohl sie die Wünsche an sich für durchaus berechtigt an⸗ erkennen kann, doch nicht in der Lage ist, hier einzugreifen. Es stehen eben große Interessen entgegen, die es nicht zulassen.
Auf eine Berichtigung des Grafen Mirbach möchte ich noch zurück⸗ kommen. Er meinte, es wäre eine unzutreffende Auffaffung der Staats. regierung, daß es sich bei Holj ganz überwiegend um Fichtenholz ge, ringer Qualität, zweiter Qualität, handle. Es komme für die Ausfuhr auch Fichtenholz besserer Qualität in Frage. Unsere Auffassung basiert ja auf den sachverständigen Mitteilungen der Königlichen Forstverwaltung, die immer wieder betont, daß ihr Bestreben sein müsse, in Ostpreußen der Verfichtelung vorzubeugen, da der größere Nutzen für Ostpreußen aus der Kultur der Kiefer erwachse.
Herr Graf von Mirbach hat dann eine Frage berührt, die in den letzten Jahren wiederholt behandelt worden ist, die nicht unwichtige Frage der Schaffung einer Kanalverbindung von dem masurischen Seengebiet bis zur Weichsel. Diese Frage ist einer allgemeinen Prüfung in meinem Ministerium unterworfen worden. Man hat eine Trace in der Richtung auf Graudenz geprüft und eine Trace in der Richtung auf Thorn. Diese Prüfung hat ergeben, daß das Unternehmen, pauschal berechnet, zwischen 80 und 90 Milllonen Mark erfordern würde. Es hat bei der Staatsregierung wesentliche Bedenken erregen müssen, so ungeheure Kosten für ein Unternehmen aufjzuwenden, die zu dem zu erhoffenden Erfolge außer Ver⸗ hältnis stehen.
Ueber die mehr technischen Fragen wird der Herr Vertreter des Landwirtschaftsressorte sich noch äußern. Ich empfehle dem hohen Hause die Vorlage der Staatsregierung zur einstimmigen Annahme.
Ein e ,, skommissar aus dem Landwirtschafts⸗ ministerium erklärt, daß die Bedenken des Grafen Mirbach bezüglich der Höhe des Spirdingseewasserspiegels unbegründet seien; eine Ueber⸗ flutung der Wälder sei nicht zu befürchten.
Graf zu Dohna⸗Finckenstein hat schwere Bedenken gegen die Vorlage, weil sie die geplanten Meliorationszwecke mit dem Bau des Kanals verquicke. Zu erwägen sei, ob nicht die gewünschte Bautrace abzulehnen und nur der Teil der Vorlage anzunehmen sei, der die Meliorationen betreffe.
Minister der öffentlichen Arbeiten Breitenbach:
Meine Herren! Die Staatzregierung hat das Projekt als ein Ganzes an den Landtag gebracht, obwohl es jwet verschiedene Zwecke erfüllen soll: die Herstellung einer Schiff ahrtzstraße und ferner die Her⸗ stellung einer Wasserstandsregulierung im Gebiet der masurischen Seen. Wenn die Frage ganz spitz gestellt wird, ob eine Trennung möglich ist, so wird sie in dem Sinne zu bejahen sein, daß keine Anstände vorliegen, die Wasserstandsregulierung mit Stanbecken auszuführen und den Schiffahrtekanal nicht zu bauen. Aber diese letztere war doch für die Staatgreglerung das Hauptmoment lsehr richtig), um mit der Vorlage an den Landtag heranzutreten. Eg sollten namentlich diejenigen Keeise, die unter besonders schwierigen Verhältnissen arbeiten und nicht zuletzt weil sie besonders hohe Kommunal und Provinzial lasten zu tragen haben, dadurch begünstigt werden, daß man ihre Er⸗ zeugnisse im Werte steigert und den Bezug erleichtert. Ich meine,
daß man unter diesem Gesichtspunkte die Vorlage nur als Ganzes
annehmen kann. stimme mit dem Grafen Mirbach überein in dem Wunsche nach dem
Was die Arbeilerfrage anbelangt, auf die Herr Graf von Mirbach einging, so verkennt die Staatsreglerung die Bedeutung derselben in keiner Weise; im Gegenteil, sie erkennt voll an, unter welchen außer- ordentlichen Schwierigkeiten der Osten und besonders die Provinz Ostpreußen arbeiten muß, es wird mit allen Mitteln dahin gestrebt werden, daß die Arbeiter — in maximo wird es sich um 1500 Ar⸗ während der Bauzeit der Landwirtschaft nicht ent⸗ zogen werden.
General Freiherr von der Goltz: Ich möchte nicht verfehlen, die Vorlage auch vom Standpunkt der Lander verteidigung aus zu r Bei einem Kriege an mehreren Grenzen wird auch die, genialste Heeresverwaltung für Ostpreußen, das gewisser⸗ weise wie ein Eisbrecher im Osten dasteht, nicht mehr
Truppen herbeischaffen können, als möglich ist. Schon als kommandierender General in Ostpreußen habe ich deshalb
auf die Notwendigkeit hingewiesen, daß Ostpreußen lernen muß, sich
aus eigener Kraft zu verteidigen. Der Südosten dieser . ist aber zu menschenarm. Durch ECisenbahnen und durch den Bau dleses Kanals werden aber Menschen herangezogen werden. Das Beste wäre,
wenn wir so viel Landsturm hätten, um die masurischen Seen im Falle eines Krieges allein halten zu können.
Aus diesem allgemeinen deutsch⸗nationalen Gesichtspunkt heraus möchte ich den Herren die Vorlage empfehlen.
Graf zu Dohna⸗Finckenstein zieht mit Räcksicht auf das
Interesse Ssspreußens selnen Widerspruch zurück.
Nach einer kurzen Bemerkung des Grafen von Mirbach wird die Vorlage unverändert angenommen.
Es folgt der Entwurf eines Polizeikostengesetzes. Oberbũürgermeister Wal lraf⸗Cöln beantragt, die Vorlage der Hoffentlich werde auf dem ein⸗
werden. Oberbürgermeister Dr. Lentz e Magdeburg schließt sich diesem Antrage auf Kommissionsberatung an.
Minister des Innern von Moltke: Meine Herren! Bei der Behandlung der Frage, die hier zur Be⸗
ratung steht, wollen die Herren, bitte, sich gegenwärtig halten, was allgemeinen Rechtes ist. Allgemeinen Rechtes ist, daß jede Stadt- gemeinde für die örtliche Polizeiverwaltung und für die Kosten der⸗ selben aufjukommen hat.
Von dieser allgemeinen Regel machen 25 Städte gegenüber sämtlichen andern Städten der Monarchie eine
Ausnahme, indem die örtliche Polizeiverwaltung und ihre Kosten in
diesen 25 Städten seltenz des Staates übernommen ist. Es handelt sich nun hier um einen Maßstab, welcher in gerechter und billiger Weise anglbt, wie die Kosten für die örtliche Polizeiverwaltung zwischen
dem Staat und der Stadt zu verteilen sind. Ich darf die geschicht⸗ liche Entwicklung, die diese Frage genommen hat, übergehen; sie ist im andern Hause des häufigeren berührt, und ich darf sie wohl als bekannt voraussetzen.
Es läßt sich unmöglich für die Teilung der Kosten eine sogenannte Apothekerrechnung aufstellen; das ist ganz ausgeschlofsen. Man muß zurückgreifen auf eine der Billigkeit Rechnung tragende Schätzung. Das war auch die Absicht des Gesetzes von 1892, unter dessen Gültig⸗ keit wir augenblicklich noch stehen. Das Gesetz von 1892 stellt eine Skala auf, in welche diese 25 Städte eingereiht werden, und setzt für ihre Beteiligung Kopfbeiträge nach Maßgabe der ortsanwesenden Be⸗ völkerung fest. Ich will gleich bemerken, daß diese Kopfbeiträge, die von den Städten erhoben werden, sich auch auf Baukosten beziehen; sie sind mit einbegriffen. Das finanzielle Ergebnis dieser Verteilung war ein Verhältnis von i für die Städte und t für den Staat. Nun stehen wir vor einer 14 jährigen Erfahrung und Beobachtung unter der Gültigkeit dieses Gesetzes von 1892 und haben da feststellen müssen, daß dleses Verhaltnis von der Drittelung sich zu Ungunsten des Staats ganz wesentlich verschiebt. Die Kopfjahl hat sich nicht als das richtige Prinzip für die Verteilung herausgestellt. Die tat⸗ sächlichen Kosten der örtlichen Polizeiverwaltung baben eine ganz andere Progression wie die Zunahme der Bevölkerung. Es kommen da ganz andere Gesichtspunkte in Betracht, welche die Kosten fteigern, für welche die Zunahme der Bevölkerung ganz gleichgültig ist Diese Verschlebung ju Ungunsten des Staates hat also ergeben, daß der Staat jetzt tatsachlich das doppelte aufbringt von den Kosten, die er 1592 übernommen hat. Es hat sich ferner ergeben, daß die 25 Städte mit staatllcher Polizeiverwaltung an Poltzeikosten viel weniger aufjubringen haben, wie die Städte mit kommunaler Ver⸗ waltung. Die Städte mit kommunaler Verwaltung haben, wie nach⸗ gewiesen ist, und jwar auf Grund von Angaben der Städte selbst, das Zwelfache und Drelfache und darüber aufjubringen wie die Städte mit staatlicher Verwaltung. Meine Herren, hieraus ergibt sich, daß das Prinzip der Kopfbeiträge nicht haltbar ist, wenn man nicht auf Kosten des allgemeinen Staatg⸗ säckels diese 25 Städte bezüglich ihrer Polizeikosten unter⸗ stützen und bevorzugen will gegenüber den Ausgaben, die die Städte mit kommunaler Polizei aufjubringen haben. Wir haben deshalb nach einem Maßstab suchen müssen, der in engerer Beziehung ju der tatsächlichen Entwicklung steht und sich in seiner Progression an die tatsächlich verursachten notwendigen Ausgaben hält. Dieser Maßstab läßt sich nur gewinnen nach dem Quotensystem, welches dem Gesetz zu Grunde gelegt ist. Das ist das richtige, stabile Prinzip und ein Prinzip, das auch den Städten keine sonderlichen Schwierigkeiten macht. Jetzt wissen die Städte vor dem jedesmaligen fünften Jahre auch nicht, was sie das nächste Jahr zu jahlen haben, denn alle fünf Jahre bei der Volkszählung wird neu be⸗ rechnet. In Zukunft wissen sie es nach dem Quotensystem alle Jahre. Denn, wie in dem Gesetz festgelegt ist, soll ihnen darüber Mitteilung werden, wag an den Kosten sich verändert.
Nun hat der erste Herr Vorredner gesagt, wir wollen viel lieber die kommunale Pollzeiverwaltung beibehalten als den jetzigen Zustand, in welchem der Staat unt diktiert, waz wir aufzubringen haben. Mag Cöln so denken, mögen andere Städte so denken, alle denken nicht so. Es kommen wiederholt Anträge auf Uebernahme der ört⸗ lichen Polizeiverwaltung auf den Staat. Das beweist doch schon, daß die Anschauungen in dieser Frage anderwärts andere sind. Es wurde gesagt, bei dem jetzigen Zustand müssen sich jwischen der Staatebehörde und der städtischen Verwaltung Reibungs flächen bilden, die unbequem sind und unerfreuliche Ergebnisse haben. Ganz datselbe trifft aber zu bei dem Prinzip der kommunalen Verwaltung. Auch dort muß der Staat seine Absichten, die ihm von der Not⸗ wendigkeit diktiert werden, durchsetzen, auch dort muß der Staat ebenso wie bei den Städten mit staatlicher Verwaltung die äußerste Konsequenz der Staatsralson ziehen und hat dazu auch äußerstenfalls die gesetzlichen Mittel der Zwangsetatisierung. Also dieser Unter⸗ schied ist meines Erachtens kein sehr tief greifender. Zuzugeben ist ja, daß es für die städtische Verwaltung ein angenehmerer Ge⸗ danke ist, selbst Herren ihrer Angelegenheiten zu sein und nicht unmittelbar von einem anderen sich hineinreden zu lassen. Ja, meine Herren, wir tun es nicht aus Willkür, sondern aus zwingenden Ge— sichtspunkten, denen wir nicht ausweichen können, wenn wir die staatliche Verwaltung in einer Stadt übernehmen, und dareln müssen sich die Städte schon fügen. Ich kann nur bitten, den Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung anzunehmen. Ich bemerke dabei, daß die vielen und großen Zugeständnisse, zu denen wir uns bei der bisherigen Behandlung dieses Gesetzentwurfs entschlofssen haben, und nur schwer entschlossen haben, gemacht sind in der Voraussetzung, daß das Gesetßz noch in dieser Session unverändert angenommen wird. Sollte das nicht der Fall sein, so würden wir bei einer neuen Vorlage genötigt sein, auf die Fünftelung jurückzukommen, die wir für den richtigen Maßstab erachtet haben.
Oberbürgermeister Dr. Wil me⸗Posen bittet, der Resolution des Abgeordnetenhauses zujustimmen, wonach auch in den Städten mit Königlicher Polizeiverwaltung gewisse Zweige der Wohlfahrtepolizei den Städten überlassen bleiben sollten. Es wäre zu prüfen, ob nicht über einen bestimmten Prozentsatz hinaus die Heranziehung der Städte zu den Koften nicht erfolgen solle.
Oberbürgermeister Klrschner⸗Berlin: Leider sind wir in der un⸗ angenehmen Lage, am Schlusse der Session so wichtige Vorlagen verabschieden zu müssen. Gewiß ist es ein Zufall, daß diese Vorlagen oft besonders die Großstädte betreffen, aber ich bitte doch, daß die Regierung so'che Vorlagen zuerst an das Herrenhaus bringt, da hier zahlreiche Sachkenner großstädtischer Verhältnisse sitzen. Gegenüber dem Herrn Minister des Innern bemerke ich, daß wahr⸗ scheinlich keine der 28 Städte mit Königlicher Polijei nicht bereit wäre, die Mehikosten für eine eigene Polizei zu tragen, denn Sie wissen nicht, was es mit der Königlichen Polizei auf sich hat. Berlin wird durch dieses Gesetz ganz besonders belastet und betroffen. Das Königliche Polizeipräsidium in Berlin hat neben der örtlichen Polizei eine ganze Menge andere Aufgaben, Lie nicht nur Berlin angehen; durch Gesetz ist ihm sogar ferner die Landespolizei für mehrere große Vorstädte mit 686 000 Einwohnern übertragen, daju kommt noch ein Kreis von Aufgaben für die weitere Umgebung Berlintz. Der Gatwurf des Gesetzes hat ja das auch anerkannt und auf diese Kosten 4 00 angerechnet, die Berlin nicht zu tragen hat, das Abgeordnetenhaus hat 5 og beschlossen. Ich war beglerig, wie man ju dleser Zahl von 40,½ gekommen ist; der Berliner Magistrat hat am 5. Dezember eine daraufbezügliche Anfrage an den Ober⸗ präsidenten gerichtet, heute nach 4 Monaten haben wir noch keine Antwort erhalten Ich habe mir aber aus Kreisen der betreffenden Kommission des Abgeordnetenhauses eine Zusammenstellung verschafft, die auf Angaben der Regierung beruht. Danach ist z. B. beim Gehalt des nr ider re von Berlin J des Gehalts mit 4000
auf die nicht örtlichen Kosten Berlins für die Landespolizei n, olgerichtig wäre es, wenn alle anderen Gehälter und Ausgaben eben⸗ alls mit 1 auf die Landespolizei kämen, die Regierung will aber
nur 401g — 13s zugestehen. Die weitere Berechnung ist eine ganz
willkürliche. Ich gebe zu, daß Berlin böher herangezogen werden mag, als andere Städte, aber warum doppelt so hoch als Charlotten⸗ burg oder Rixdorf? Es kommt nicht bei den 20 Millionen, die wir zahlen, auf 1 Million mehr oder weniger an, aber notwendig war es für mich, zu betonen, daß wir uns nicht gegen die Feststellung von
an. genügend wehren konnten, die wir nicht fuͤr . alten.
Geheimer Oberregierungsrat Dr. Maubach: Der Antrag des Magistrats ging zu einer Zeit ein, als das Gesetz dem Landtage schon vorlag; es ist in solchen Fallen nicht üblich, Dritten ein Material über solche Vorlagen zugehen zu lassen. In der Kommission des Abgeordneten⸗ hauses ift dag Material dann vorgelegt worden. Die Berechnung ist eine sehr sorgfältige; Ortspolizei und Landespolizei gehen ohne bestimmte Grenze ineinander über, es kann sich da immer nur um Schätzungen handeln, aber auch Herr Qberbürgermeister Kirschner hätte nach 4 Monaten keine bessere Aufstellung als wir machen können.
Oberbürgermeister Ehlers⸗Banzig sieht in der Vorlage eine gewisse Rücksichtslosigkeit gegen die Städte, die im Jubiläumsjahr der Steinschen Stäpteordnung eigentümlich genug anmute. Kürilich habe man sogar mit Zustimmung vom Regierungstisch gewünscht, daß nicht mehr so viel regiert werden möchte; in dieser Vorlage komme aber eine ganz andere Tendenz zum Ausdruck. Es sei zu befürchten, e wenn das Gesetz cht nicht zustande komme, es im Herbst in unheilvollerer Form wiederkehre. Warum habe die Regierung der Stadt Berlin nach vier Monaten nicht wenigstens eine abschlägige Antwort zugehen lassen? Das einfache Schweigen beweise doch wenig Achtung gegenüber den Kommunen, die sich hier in ihren Vertretern beinahe wie Angeklagte fühlen müßten.
Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: Meine Herren! Der Herr Oberbürgermeister Ehlers hat vorhin
in seinen Ausführungen gesagt, daß die Herren Oberbürgermeister der großen Städte gewissermaßen hier als Angeklagte säßen. Ich muß
gestehen, ich habe eher den Eindruck gehabt, daß im Gegenteil die
Herren Oberbürgermeister, namentlich der verehrte Herr Vorredner, ihrerseits glauben, die Rolle des Anklägers übernehmen zu müssen. Er hat zunächst bemängelt, daß die Vorlage so spät hierher gekommen sel — ich glaube allerdings, es war das eine Ausführung von Herrn Oberbürgermeister Kirschner. Ich möchte das mit ihm be⸗ dauern, muß aber die Staatsregierung von einer Schuld freisprechen. Wir haben schon im Herbst die Vorlage an das Abgeordnetenhaus gemacht; bereits im RNodember hat die erste Lesung im Abgeordnetenhause stattgefunden, und es war nur die Schwierigkeit der Materie und bei der späteren Kommissions⸗ beratung die große Zahl der im Interesse der großen Städte gestellten Anträge, die es dahin gebracht haben, daß die Vorlage erst so spät an dieses hohe Haus gelangt ist.
Dann hat der Herr Oberbürgermeister Ehlers gesagt, bei den Verhandlungen jwischen Staat und Provinzialverwaltung hätte die letztere alle Veranlassung gehabt, Mißtrauen gegen den Staat zu haben. Meine Herren, ich weiß wirklich nicht, was ihm Grund zu dieser Anschauung gegeben hat. Ich kann diese Anschauung in keiner Weise als zutreffend anerkennen, und darf nur noch einmal darauf hinweisen, daß wir erst vor wenigen Jahren ohne rechtliche Ver⸗ pflichtung unsererseitz 10 Millionen bereitgestellt haben, um die Probinzialverbände neu zu dotieren.
Ich kann auch einen Grund ju der Behauptung, daß die Ver⸗ waltungen der großen Städte kein Wohlwollen bei der Königlichen Staatgregierung finden, in keiner Weise anerkennen, und ich glaube, damit auch im Sinne meines Herrn Nachbars zur Rechten, des Herrn Ministers des Innern zu sprechen: Sie werden vielmehr, wenn ich zahlenmäßig auf die Vorlage eingehe — ich werde die Ehre haben, dies nachher zu tun — finden, daß sie von einem großen Maß von Rücksichtnahme auf die großen Städte diktiert ist. Ich begreife es ja vollkommen, daß die Herten Oberbürgermeister ihre Flügel über die großen Gemeinwesen zu breiten suchen, die ihrer ausgejeichneten Führung anvertraut sind; aber, meine Herren, das darf doch nicht führen zu einer vollkommenen Unbilligkeit dem Staate gegenüber, also der Gesamtheit der Steuerzahler, und zu einer vollkömmenen Un⸗ billigkeit den übrigen Gemeinden gegenüber, die sich nicht im Besitz König⸗ licher Polijelverwaltung befinden.
Der Herr Oberbürgermeister Ehlers sagte dann, die Städte hätten durchaus keinen Vorteil davon, wenn der Staat seinerseits die Polielverwaltung in die Hand nähme. Dem gegenüber konstatiere ich, daß schon in der Städteordnung vom Jahre 1808 im § 163 aus— drücklich ausgesprochen ist, daß die Städte die Kosten der Pol izei⸗ verwaltung ju tragen haben, auch wenn die Polijeiverwaltung eine Kagnigliche ist. Wollte man daz also strikte durchführen, so hätten wir von den Städten die Kosten für die ganze Polijeiverwaltung, auch wo sie Königlich ist, beanspruchen können, und dieser Gesichtspunkt ist im Gesetz von 1860 durchaus aufrechterhalten. Trotzdem ist der Staat niemals so weit gegangen, diese Konsequenz zu ziehen und den Städten mit staatlicher Polijelverwaltung die ganzen Kosten der Polijeiverwaltung aufjuerlegen, sondern wir haben anerkannt, daß da, wo der Staat aut besonderen Gründen seinerseite die Polijelverwaltung in die Hand nimmt, er auch billiges Entgegenkommen gegen die betreffenden Städte üben muß, indem er den größeren Teil der Kosten übernimmt. Nach verschiedenen Versuchen ist man bekanntlich ju der Regelung des Ge⸗ setzes von 1892 gekommen, dahingehend, daß die Städte je nach der Größe einen nach dem Kopf bemessenen Beitrag ju jahlen haben. Nun ist ersichtlich, daß dieser Maßstab vollkommen roh war. Es ist nicht durchweg begründet, daß eine Gemeinde von 10 000 Köpfen an Kopfbeiträgen weniger zahlen soll, wie eine solche von 40 000 Ein⸗ wohnern, und eine Gemeinde von 40 000 Einwohnern wiederum weniger als eine Gemeinde von 76 000 Ein wohnern und darüber hinaus. Eg ist naturgemäß, wie der Herr Minlster des Innern das schon augeinandergesetzt hat, daß auch die Kosten der Polizeiverwaltung sich nach anderen Gesichtspunkten regeln, als nach der Größe der Städte. Eine große Stadt mit einfachen Verhältnissen, wenig Verkehr wird unter Um- ständen geringere Kosten verursachen als eine kleinere Stadt, in der ein starker Verkehr, starke industrielle Entwicklung, wichtige polhzei⸗ zelliche Aufgaben die Kosten steigern. Dazu kommt das schon vom Herrn Minlster des Innern hervorgehobene Moment, daß das Wachs- tum der Bevölkerung nicht mit der Steigerung der Polijelkosten gleichen Schritt hält. So ist man bei der Regelung des Gesetzes vom Jahre 1892 allmählich zu einer Gestaltung gekommen, die, wie ich schon sagte, elne außerordentliche Unbilligkeit gegenüber der Ge samtheit der Steuerzahler und gegenüber den anderen Kommunen enthält. Sie finden darüber in dem Berichte der Kommission
des Abgeordnetenhauses sehr interessante Daten, aus denen hervorgeht
— und facts loquuntur — daß die Kosten der Königlichen Polhyei⸗ verwaltung in den großen Städten, in denen Königliche Polizei verwaltungen bistehen, nicht weniger als 36 Millionen Mark im Jahre betragen, und daß dazu die großen Städte nur 9 Millionen, also eln Viertel des Betrages, bezjablen. (Hört, hört) Also nicht weniger als 27 Millionen Mark werden überwiegend in Interesse der großen Städte aus den allgemeinen Staatssteuermitteln des ganzen Staats beigetragen. Und ich kann mit Recht fragen, wie der Bauer in Pommern oder der Handwerker in irgend einer Stadt mit nicht Königlicher Poliei⸗ verwaltung dazu kommen, threrseits das Gros der Kosten für die großen Städte mitzujahlen. In welchem Verhältnisse das zu Gunsten der einzelnen Städte geschieht, darüber werden Sie einige Daten interessieren. Ich hatte angenommen, daß der Oberbürger⸗ meister Kirschner uns eine dankengwerte Rede gehalten hätte für die Vorlage, die wir eingebracht haben — ich komme darauf noch zurück —, denn die Stadt Berlin fährt bei der Herabsetzung des Beitrages auf ein Drittel ganz außerordentlich günstig. Ja, Herr Oberbürger⸗ meister Kirschner, ich bitte, nicht die Hände ju falten, ich werde es gleich nachweisen. (Heiterkeit) Die Kosten der Polijei⸗ verwaltung für Berlin betragen nicht weniger als 19 Millionen, und daju trägt Berlin. 4888 000 S bei. (Hört! höith Also aus Staatsmitteln, aus den Mitteln der allgemeinen Steuern hat der Staat für Berlin nicht weniger als 14 Millionen jährlich zu jahlen. Das ist ein sehr großes Entgegenkommen der Staats reglerung, eine überaus günstige Behandlung der Stadt Berlin. Die Stadt Charlottenburg verursacht einen Pollzeikostenaufwand von 1150 000 A, und die Stadt schießt dazu nur 354 000 M zu, also noch nicht einmal ein Drittel. Die Stadt Frankfurt a. M. verursacht einen Kostenaufwand von 1717000 S und trägt 334 000 S daju bei. Die Stadt Cöln verursacht einen Aufwand von 1862 000 S und trägt 4651 000 M bei. Sie sehen, wie außer⸗ ordentlich groß die Aufwendungen des Staates sind für die Städte, die zu den leistungsfähigsten und kräftigsten der ganzen Monarchie gehören. (Sehr richtig!) *
Ja, es ist ein großes Mißverhältnis, wenn diese großen Städte nicht einmal ein Drittel, ja, nicht einmal ein Viertel der Auf⸗ wendungen jahlen, die dem Staate erwachsen, und ich meine daher, daß es ein zu weltgehendes Entgegenkommen des Staates ist, wenn er in Berücksichtigung der Besonderheit der Verhältnisse der Städte so welt gegangen ist, wie dies bisher der Fall war. Darin liegt nicht nur eine Unbilligkeit, soweit der Staat in Betracht kommt, sondern auch eine Unbilligkeit gegenüber den anderen Gemeinden ohne staatliche Polljei. In der Begründung der Vorlage ist ja ausgeführt, wie sich die Kosten stellen bei den Gemeinden, die staatliche Polizelverwaltung haben, und denen, die keine staatliche Polijeiverwaltung haben. Und daraus ergibt sich, daß die Gemeinden, die keine staatliche Polizeiverwaltung haben, für ihre eigene Polljeiverwaltung etwa das Zweifache bis Dreifache der Aufwendungen ju zahlen haben, die die großen Städte als Beiträge an den Staat leisten. Also der Effekt ist der, daß die nach Hunderten zählenden Städte, die keine staatliche Polizeiverwaltung haben, zunächst für ihre eigene Polizeiverwaltung die Kosten zu tragen haben, und daneben noch beijutragen haben zu den Kosten für diejenigen Städte, die einer Königlichen Polizeiverwaltung sich erfreuen.
Meine Herren, wenige Daten. Die Stadt Charlottenburg bringt für den Kopf der Bevölkerung 1ů50 M als Beitrag zu den Kosten der staatlichen Polizeiverwaltung auf, die Stadt Memel dagegen 3 4, die Stadt Glogau 3, 37 M, die Stadt Frankfurt an der Oder 3, 23 66, die Stadt Elberfeld 444 6. Also, meine Herren, bis jum Drei- fachen bringen die Städte, die nicht Königliche Polizeiverwaltung haben, auf, nur um die eigene Polizeiverwaltung zu bestreiten, und ich glaube, es wird wohl als communis opinio betrachtet werden können, daß die Königliche Polizelverwaltung in der Stadt Charlottenburg besser ist als die kommunale in den kleinen Orten Memel, Glogau, Frankfurt an der Oder usw. (Sehr richtigh Also auf der einen Seite die großen Slädte, die leistungsfählgsten Städte mit einer Königlichen Polijeiverwaltung ausgestattet, auf der anderen Seite eine große An⸗ jahl der lelstungsunfählgen Städte mit minder guten Polkzeieinrich, tungen, und dann noch genötigt, einen großen Teil der Kosten der großen Städte ihrerseits zu tragen! Meine Herren, ich bin der An⸗ sicht, daß das ein Zustand ist, der doch in der Tat nach gewissen Richtungen hin eine Abänderung erheischt.
Nun würden sich selbst bei der Vorlage, die wir dem Landtage unterbreltet haben — nämlich bei Festsetzung des Beitrags der großen Städte auf zwei Fünftel — diese großen Gemeinden mit Königlicher Pollzeiverwaltung immer noch wesentlich besser stehen als die Ge⸗ meinden mit eigener Poltzeiverwaltung. Auch in dieser Beziehung bitte ich einige wenige Daten vortragen zu dürfen. Wenn die Vorlage in ihrer ursprünglichen Form, die also eine Beitrageleistung von zwei Fünfteln vor—⸗ sab, Gesetz geworden wäre, so hätte sich der Beitrag der Gemeinden mit mehr als 765 000 Einwohnern im Durchschnitt auf 1ů'6 auf den Kopf der Bevölkerung gestellt, während der Beitrag in den Gemeinden, die eigene Polizeiverwaltung haben, sich im Durchschnitt auf 3,45 6 auf den Kopf der Bevölkerung stellt. Also selbst bei Steigerung des Zuschusses der großen Gemeinden auf iwei Fünftel würden diese großen Gemeinden immer nur b oso von dem zahlen, was die anderen Gemeinden, die keine Königliche Polirciver- waltung haben, ihrerseits aufbringen müssen, und der Vorschlag bleibt noch wesentlich hinter der Regelung jurück, die das Gesetz von 1892 vorsah. In dem Gesetz von 1892 waren die Kopfbeiträge so bemessen, daß die großen Gemeinden mit Königlicher Polizeiverwaltung etwa 78 o) dessen zu tragen haben sollten, was die Gemeinden ohne König liche Polijelverwaltung ihrerselts aufzubringen haben, und nach unserer Vorlage würden — wie ich eben hervorgehoben habe — künftig die großen Gemeinden nur 0 oß0 von dem ju tragen haben, wat die anderen Gemeinden ohne Königliche Polizeiverwaltung ihrerseitg auf⸗ zubringen haben.
Also, meine Herren, ich glaube, das ist doch charakteristisch und wird noch mehr illustriert werden, wenn man sich einzelne Fälle an⸗ sieht. Es ist der Begründung eine Tabelle, D, beigegeben, aus der sich beispielzweise ergibt, daß eine Stadt wie Cassel bei Erhöhung ihres Beitrags auf jwel Fünftel 200 000 M jährlich an Pol ljeikosten aufjuwenden haben würde, dagegen ähnliche Städte mit eigener Polijei nicht wenlger als 475 000 M dafür aufwenden müssen, daß eine Stadt wie Stettin 353 537 4 zu jahlen hat, dagegen, wenn sie eigene
Polheiverwaltung hätte, 747 50s M (hört, hörth, daß eine Stadt wie Charlottenburg 455 000 M Beitrag ju zahlen hat, bei eigener Polljelverwaltung dagegen 9663 000 M zu jahlen haben würde. (Zu⸗ ruf des Grafen von Mirbach-⸗-Sorquitten: Die ist aber auch sehr arm! — Heiterkeit) Die Stadt Hannover bat 418 000 A zu jahlen und hätte bei eigener Polteiverwaltung 939 000 M ju leisten. — Also, meine Herren, auch bei Steigerung der Beitrags leistung der großen Städte auf jwei Fünftel wären sie immer noch sehr viel besser gestellt, als das Gros der preußischen Städte, das die Polijeiverwaltung aus eigenen Kosten zu bestrelten gehalten ist.
Meine Herren, wenn wir trotzdem die Hand dazu geboten haben, den Beitrag der großen Städte anstatt auf zwei Fünftel nur auf ein Drittel zu bemessen, so ist das wesentlich mit Rücksicht auf die öst⸗ lichen Städte geschehen, deren der Herr DOberbürgermeister Ehlers gedacht hat, und ich bedauere wirklich, daß er diesen Punkt garnicht hervargehoben hat. Meine Hen, diese Rücksicht auf Städte wie Danzig, Königsberg, Poösen, die minderleistungsfähig sind, hat uns dazu bewogen, dem zuzustimmen, daß statt 2, nur J gezahlt wird. Das bedeutet für den Staat einen Ausfall von 2.4 Millionen Mark; während die Festsetzung des Bei⸗ trages auf jwei Fünftel 4.8 Millionen im Jahre gebracht hätte, bringt die Festsetzung auf R nur 2,4 Millionen Mark, also genau die Hälfte. Man hat uns im Abgeordnetenhause vielfach zum Vorwurf gemacht, daß wir so weit gegangen sind. Ich bin gewohnt, gescholten zu werden, daß ich ju fiskalisch bin, und nun, wo ich einmal mein gutes Herz walten ließ, muß ich auch Vorwürfe einheimsen. Ich werde daraus Veranlassung nehmen, niemals wieder gutmütig zu sein. Heiterkeit.) ö
Nun, meine Herren, möchte ich noch einmal kurz illustrieren, wie die Herabsetzung des Beitrages auf J bei einzelnen Gemeinden, dle vorher die größten Klagetöne ausgestoßen haben, wirkt. Cöln würde bei der Festsetzung auf /, 235 000 „ mehr zu zahlen haben, bei einem Dꝛittel zahlt es nur 120 000 1ƽ , Magdeburg statt 127 000 nur 59 000 S, Posen statt 102 000 nur 62 000 6. Und nun bitte ich den Herrn Oberbürgermeister Kirschner, zusuhören. Berlin hätte statt 2 561 000 nur 1294 000 S ((hört! hört h zu zahlen, und selbst das erschöpft das Maß des Entgegenkommens gegen Berlin noch nicht. Dadurch, daß die Abzugequote für nicht ortspolizeiliche Tätigkeit der Berliner Polizeiverwaltung von 40j0 auf 5 o o erhöht worden ist, ent⸗ steht für Berlin eine weiteie Ersparnis von 200 000 „, sodaß Berlin statt 2 561 000 nur genau 1094111 M zu zahlen hat. Mithin bedeutet das Entgegenkommen der Staatzregierung für Berlin eine effektive Minderleistung von 17 Millionen Mark. Da muß ich doch sehr verwundert sein, daß Herr Oberbürgermeister Kirschner mir nicht vorher um den Hals gefallen ist, sondern lebhafte Beschwerden erhoben hat.
Dann ist die Rede auf die Frage der Uebertragung einzelner Teile der polizeilichen Verwaltung auf die Gemeinden gekommen, und einige Herren haben mit großer Bestimmtheit gesagt, die Städte würden bereit sein, wenn die Staatzregierung will, die Polljei⸗ verwaltung ihrerseits allein zu verwalten. Ich glaube, wenn es zum Schwur käme, würde sich die Stadt Berlin wohl überlegen, ob sie 14 Millionen mehr aufwenden will. Wenn man unter Umständen den Wünschen der Städte auf Uebertragung einzelner Zweige der Polizeiverwaltung nicht entgegengekommen ist, so liegt das daran, daß naturgemäß die Uebertragung einjelner Zweige immer die schwierige Frage heraufbeschwört, ob es angängig ist, solche einzelnen Teile der Polizeiverwaltung aus dem ganzen Gros der polizeilichen Tätigkeit logzulösen, ob es beisplelsweise möglich ist, die Sscherheits- polizei in den Händen des Staates zu halten und die Wohlfahrts« und Baupolizei den Kommunen zu übertragen. Der enge Konnex zwischen den einzelnen Poltzeljweigen bringt hier unter Umständen Schwierigteiten mit sich, aber, soweit ich mich besinne, ist in den meisten Fällen ein Einvernehmen jwischen der Staatsregierung und den großen Kommunen erztelt worden. Ich darf auch daran er⸗ innern, daß doch oftmals Gemeinden wegen des von mir gekenn- zeichneten Kostenunterschiedes Bedenken getragen haben, einzelne Teile der Polizeiverwaltung zu übernehmen. Alt das Gesetz von 1892 erlassen wurde, haben nicht weniger als sieben Gemeinden es abgelehnt, ihrerseits die Wohlfahrtspolizei zu übernehmen: Charlotten - burg, Magdeburg, Potsdam, Aachen, Cassel und Fulda.
Nun ist von Herrn Oberbürgermeister Kirschner und auch von anderer Seite die Rechnung insofern bemängelt worden, als die Sonderaufwendungen der Städte mit Königlicher Polijeiverwaltung für eigene Polizei'weige nicht genügend berücksichtigt worden wären und daher Ersparnisse ju machen wären, wenn ihnen die Poliei⸗ verwaltung ganz übertragen würde. Irgend welche Ziffern haben uns hier nicht gegeben werden können, ebensowenig wie sie in der Kommission gegeben worden sind. Aber gesetzt, daß die Rechnung, die wir auf Grund genauer Unterlagen gemacht haben, nicht in allen Punkten zutreffend wäre: was beweist das? Nach der Vorlage, wie sie sich jetzt gestaltet hat, trägt der Staat jwei Drittel der Kosten der Königlichen Polizei, obwohl er nach Maßgabe der gesetzlichen Be⸗ stimmungen berechtigt wäre, die ganzen Kosten den Städten aufijuerlegen. Wir glauben, daß in dieser Uebernahme der Kosten mit zwei Dritteln doch ein sehr weites Entgegenkommen gegen die großen Städte liegt. Und wenn Herr Oberbürgermeister Ehlers die Bemerkung gemacht hat, wir hätten diese jwei Drittel nur jugestanden unter der Vor auzsetzung, Käß die Vorlage sich im übrigen nach unseren Wünschen gestalte und, falls diese Annahme nicht zutreffe, würden wir uns vor⸗ behalten müssen, auf die Erhebung von jwei Fünfteln zurückzukommen, und wenn er hierin ein Preisgeben unseres als richtig erkannten Sandpunktes erblickt, so kann ich diese Bemäͤngelung nicht als zu⸗ treffend erachten. Es ist ein durchaus erlaubter und richtiger Stand- punkt, daß ein Entgegenkommen von beiden Seiten geübt werden muß, wenn ein Kompromiß zustande kommen soll. Wir haben ein sehr weitgehendes Entgegenkommen gegen die großen Städte geübt, und es ist durchaus berechtigt, daran auch den Wunsch zu knüpfen, daß im übrlgen die Vorlage nach unseren Wünschen gestaltet und alsbuld verabschiedet wird.
Herr Ehlers hat schließlich gemeint, er nehme an, daß die Vor lage so das Haus wieder verlassen würde, wie sie hierher gekommen ist. Diese Hoffnung hege auch ich. Ich glaube nachgewlesen zu haben, daß wir weit entgegenkommen und daß wir nun auch auf ein Ent ⸗ gegenkommen Ihrerselts rechnen. Ich kann daher nur mit dem Herrn Minister des Innern sagen: Carpe diem, der künftige Tag könnte
für die größeren Städte dunkler werden. (Lebhafteg Bravo h