. Dentscher Reichstag. 149. Sitzung vom 4. Mai 1908, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffg Telegraphischem Bureau.)
Nach Erledigung einiger Rechnungssachen tritt das Haus in die gn m nn, rn 2. Gesetzes, . die Feststellung eines zweiten Nachtrags zum Reichshaushaltsetat
ür das , . 1908 (Ostmarkenzulagen), ein,
Die Reden der Abgg. Schultz (Rfm.) und Gröb er (Zentr) sind in der gestrigen Nummer d. Bl. auszugsweise mitgeteilt worden.
Staats sekretar des Reichsschatzamts, Staats minister Sydow:
Meine Herren! Ich kann wohl darauf verzichten, die sachlichen Gründe, welche es seinerzeit den verbündeten Regierungen erwünscht erscheinen ließen, den Beamten in gewissen Teilen der Ostprovinzen besondere Zulagen zu gewähren, hier noch einmal zu erörtern; sie sind bereits bei der Beratung früherer Etats von dem Herrn Staatg⸗ sekretãr des Reichspostamts wiederholt dargelegt worden.
Für das Ressort, dem ich die Ehre habe, vorzustehen, lag die Sache so, daß der Reichttag einem Wunsche, den die verbündeten Regierungen zweimal in verschiedener Form an das hohe Haug ge⸗ bracht hatten und demgegenüber der Reichstag sich ablehnend ver⸗ halten hatte, nunmehr zustimmen zu wollen erklärt hatte. Und da konnte ich kein Bedenken tragen, an den Bundesrat mit der Bitte heranzutreten, der Resolution des Reichstags, da sie sich, wenn auch nur unter Einschränkungen, mit ihrem früheren Vorschlage deckt, zu entsprechen, und jwar schleunigst, da ja sonst wieder die Sache auf ein Jahr verschoben wird. Der leitende Gedanke ist ja der, die Reichs- beamten in den Ostprovinzen mit den preußischen Beamten an dem⸗ selben Ort gleich zu stellen, und das ist auch die Veranlassung, weshalb genau wie im Jahre 1904 die preußlschen Bedingungen zu Grunde gelegt werden sollen bei der Verteilung der Zulage, Be⸗ dingungen, die hier in den Erläuterungen angeführt sind, nur mit einem wesentlichen Unterschiede, nämlich mit dem Fortfall der Wider⸗ ruflichkeit.
Der Herr Abg. Gröber hat nun geglaubt in dieser Hinsicht wiche die Regierungsvorlage vom Beschluß des Reichstags ab. Ich bedauere, dem in jeder Beziehung widersprechen zu müssen. Die Resolution des Reichstags sieht unwiderrufliche außerordentliche Beihilfen vor. Unter einer außerordentlichen Beihilfe wird von jeher im Etat eine Beihilfe verstanden, die nicht über die Dauer des Rechnungejahres hinaus gewährt wird. Den Gegensatz hierzu bildet die fortlaufende Beihilfe. Wenn wir also nicht über den Wunsch des Reichstags hinaus gehen wollten, so konnten wir hier nur die außer⸗ ordentliche Beihilfe beantragen. Nun fragt es sich: Was bedeutet denn der Zusatz „unwiderruflich“, und da konnte der Zusatz unwider⸗ ruflich nur bedeuten, daß diese Beihilfe innerhalb des Jahres für das sie gewährt wird, nicht widerrufen werden darf, und das ist praktisch recht wohl möglich. Es kann eine Beihilfe in monatlichen, viertel⸗ jährlichen, halbjährlichen Raten bewilligt werden, und dann kann sie nicht entzogen werden. Eine andere Auslegung verträgt die Resolution des Reichstags nicht.
Wenn ferner der Herr Abg. Gröber darauf aufmerksam macht, daß in der Resolution des Reichstags nicht von Unteroffizieren die Rede war, so erklärt sich das sehr einfach, weil sie zum Etat der Reichs⸗ post und Telegraphenverwaltung gestellt war, und dort Unteroffiziere nicht beschäftigt werden, wenigstens nicht aus den etatsmäßigen Mitteln der Verwaltung. Es kam also darauf an: Was ist die Meinung des Reicht⸗ tags, wenn, wie dies auch früher in Aussicht genommen war, dieselben Posten bei dem Etat der Verwaltung des Reichsheeres eingestellt werden. Da haben wir allerdings geglaubt, im Sinne des Reichstags zu handeln, wenn wir ebenso wie im Jahre 1904 die Unteroffiziere hineinnahmen; denn hier handelt es sich nur um alte Unteroffiziere. Es kann ja, da die Erfüllung der Dienstpflicht nicht angerechnet wird, erst ein Unteroffifier in Frage kommen, der nach Erfüllung der Dienstpflicht 5 Jahre in den Ostprovinzen gewesen ist, der also im ganzen 7 Jahre dort gewesen ist. Daß er nun eine Eatschädigung für die Schwierig⸗ keiten des dortigen Aufenthalts erhält, scheint uns allerdings in der Billigkeit gelegen, denn es besteht auch ein Interesse daran, diesen Leuten das Leben dort erträglich zu machen. Der wesentliche Unter—⸗ schied gegen die preußische Vorlage bleibt immer der, daß das Wort widerruflich“ fehlt, und damit ist dokumentiert, daß die Sache keinen politischen Charakter haben soll. Alle Ausführungen des Herrn Abg. Gröber können mich nicht davon überzeugen, daß nun die mittleren Be⸗ amten, die Unterbeamten, die Unteroffiziere von dem Augenblick ab, in dem sie diese Zulage bekommen, die sie ihren preußischen Kollegen gleichstellt, in ihrer Stellung zu der eingeborenen polnischen Bebölke⸗ rung sich auch nur im geringsten ändern werden. Ich bin fest über⸗ jeugt, sie werden nach wie vor ihre Pflicht so tun, wie es das Gesetz,
die Verwaltung und ihr Gewissen von ihnen verlangt. (Bravol rechts.
ö 9 Ortel (nl): Wir werden beiden Forderungen zustimmen, sowohl der für die Militärbeamten und Unteroffiziere, als der für die Reichspostbeamten. Wir brauchen in den Ostprovinzen ein durchaus erstklassiges Beamtenmaterial, womit ich nicht sagen will, daß die Beamten Chauvinisten und Fanatiker sein sollen. r
Abg Pachnicke (fr. Vgg.): Es mag sein, daß der eine oder andere auch meiner Freunde noch auf dem früheren Standpunkt steht, für die große Mehrheit unserer Fraktionsgemeinschaft war aber maß⸗ gebend, daß sich zwei Momente in dieser Sachlage verandert haben: erstens, daß Preußen sich entschlossen hat, seinerseits solche Teuerung. zulagen zu gewähren, und jweitens, daß das Prinzip der Unwiderruf⸗ lichkeit, und zwar durch uns, in die Vorlage hineingekommen ist. Was Preußen anlangt, so hat mein Freund Dove, dessen Ab⸗ stimmung ich nach keiner Selte vorgreifen will, sich darauf bezogen, Preußen müsse dem Reiche; nachfolgen, das Vorbild solle das Reich liefern. Grundsätzlich ist das ohne Zweifel richtig, aber Preußen hat es nun einmal nicht getan, es ist alleln vor— gegangen, und diese Tatsache ist nicht aus der Welt zu schaffen. Wir haben nunmehr einen Ausgleich jwischen dem Reiche und Preußen zu schaffen. Man würde es nicht verstehen, wenn die Beamten in Preußen anders behandelt würden als die Beamten im Reiche, und wenn der Abg. Gröber auf frühere Aeußerungen des Abg. Schrader hingewiesen hat, so ist dabel zu bedenken, daß der Abg. Schrader sich gegen die Widerruflichkeit der Zulage gewendet hatte, was er auch heute tun würde. Im übrigen lege ich Wert darauf, die Interpretation zu akzeptieren und meinerseiks zu unterstreichen, die der Staatssekretär soeben selbst der Bemerkung in den Erläͤute⸗ rungen gegeben hat. Es ergibt sich daraus, daß diese Zulage für die verbündeten Regierungen keinen politischen Charakter haben foll. Wir erwarten nun, daß dieser Erklärung in der Praxis auch Geltung ver schafft wird. aßgebend für die Zulage seien treue Pflicht- erfüllung usw. Wir können diese Vorlage, wenn wir nicht die zwelte Lesung ohne weiteres daran schließen wollen, wenigstens ohne Kommissions beratung annehmen.
): Es ist erfreulich, daß die Regierung Reichstages diese Vorlage eingebracht dieser oder jener Beamte wegen seiner
cht erhalten würde, aber es ist nicht zu ver⸗ der Beamten in der Ostmark sehr viel
Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:
Meine Heiren! Der Herr Vorredner hat sich verleiten lassen, zu sagen, daß diese außergewöhnlichen Beihilfen Prämien für den Hakatigmus sein sollten, und daß die Beamten sie nur deshalb er⸗ beten hätten, well sie forsch gegen die Polen vorgehen wollten, ja, daß die Beamten sich nur meldeten, um dort frei kneipen zu können. Darin liegt erstens eine Beschuldigung gegen die Behörden und zweitens eine Beschuldigung gegen die Beamten! Herr Abgeordneter, Sie sind nicht berechtigt, gegen einen ehrenwerten Stand hier offen eine solche Beleidigung auszusprechen! (Sehr richtig! rechts) Ich protestiere nach beiden Richtangen hin! ;
Ich hätte eigentlich erwartet, daß Sie erfreut sein würden darüber, daß nun auch die Postbeamten diese Beihilfe bekommen sollen. Denn ich habe von Anfang an niemals einen Zweifel darüber gelassen, daß es sich bei der Anforderung dieser Beihilfen lediglich darum handelt, eine Gleichstellung der Reichgbeamten mit den preußischen Beamten herbei⸗ zuführen. Es kann auf die Reichsbeamten doch nur häßlich wirken, wenn sie, in gleichen Orten und unter gleichen Verhältnissen mit den preußlschen Beamten lebend, schlechter gestellt sind als diese. Die Beemten könnten dadurch, in den schwierigen Verhältnissen, in denen sie sich befinden, leicht gegen das Publikum nicht so freundlich sein, wie ich das von jedem Beamten erwarte, ob er in Posen oder in Westfalen beschäftigt ist. In der Vorlage vom Jahre 1904 war das angegeben. Wie kommen Sie jetzt dazu, solche Beschuldigungen aus⸗ jusprechen? Ich babe Ihnen bei den damaligen Erörterungen aus⸗ geführt, wie die Verhältnisse sich gestaltet haben. In jeder zwei⸗ sprachigen Probinz liegen die Verhältnisse für die Beamten viel schwierlger, und man kann die Verhältnisse in den Ostmarken und die in Westfalen nicht miteinander vergleichen. In Westfalen ist es eine Ausnahme, daß ein paar Polen an den Schalter kommen (Wider spruch bei den Polen), im Osten ist es gebräuchlich. — Mögen Sie so viel lachen, wie Sie wollen: ich kenne die Ver⸗ hältnisse und würde das nicht anführen, wenn es nicht so wäre! Es liegt ein Unterschied vor! Sie ändern nichts an der Tatsache, daß für den Wunsch, auch den Postbeamten endlich diese Zulage zuzuwenden, lediglich die Verhältnisse, wie sie in den Provinzen Posen und Preußen bereits liegen, maßgebend gewesen sind. Von allen Parteien werden ja immer Vorwürfe erhoben, wenn die PVost · beamten irgendwie schlechter gestellt sind als die preußischen Beamten. Es hat sich nun einmal eingebürgert, daß Reichsbeamte, die in Preußen beschäftigt sind, mit den preußlschen Beamten in Rang und Stellung gleichgestellt sind; deshalb müssen sie auch das gleiche Gehalt bekommen. Sie wissen doch ganz genau, daß in kleinen Orten der östlichen Provinzen die Verhältnisse nun einmal so zugespitzt sind, daß es für einen Beamten sehr schwierig ist, eine Wohnung zu be— kommen und seine Einkäufe usw. nach Wunsch erledigen zu können. Mögen Sie sagen, der Pole sei der freundlichste Mann: das mag sein; wenn aber ein einzelner Reichsbeamter unter ihnen lebt, dann wird er nicht immer nett behandelt. Darüber besagen meine Akten mehr als Ihre Ausführungen! Ich will nicht auffrischen, was ich früher gesagt habe, wie schwierig es für jeden Beamten ist, sich in diesen Verhältnissen wohl zu fühlen. Es ist jedenfalls vollkommen gerechtfertigt, wenn wir jetzt den Reichsbeam ten das zuwenden, was die preußischen Beamten bereits haben. Das ist der Grund; und kein politischer Grund liegt hier vor.
Abg. Ledebour (Soj.): In der Vorlage steht lediglich das Wort , ,, und der Staatssekretär hat sich nicht über die Modalitäten der Ausführung, in welchen Fällen die Zulage gegeben werden soll, verbreitet, sondern nur gesagt, wie seiner Meinung nach später einmal die 116, durch irgend welche Leute zu machen sein würde. Die Zulage soll nicht über ein Jahr hinaus gegeben werden, die Bebörde kann also bei Beginn eines neuen Jahres die Begmten, denen sie im vorigen Jahre die Zulage gewährt hat, unter die Lupe nehmen; die Beamten wissen also, daß sie, wenn sie nicht die Zufriedenheit der Behörde erwerben durch eine bestimmte Tät gkeit, der Zulage verlustig gehen. Ich möchte auch Auskunft erde. haben ob nicht ein treundschaftlicher Verkehr mit einem Polen außerhalb des Dienstes Grund zur Entziehung der Zulage fein würde. Wir Sozialdemokraten haben ja erfahren, wle Beamte gemaß⸗ regelt werden, wenn sie einmal mit einem Sozialdemokraten an einem Tisch sitzen, und ein Pole ist doch beinahe ein ebenso schlimmes Subjekt wie ein Sozialdemokrat. Die 1 sind ja geradezu aufgefordert worden, die Polen zu schikanteren, indem sie Briefe und if. mit polnischer Adresse schlecht bestellen mußten. Für so naiv halte ich keinen von Ihnen, daß er nicht in seinem innersten Herzen glaubt, daß ein Beamter die Zulage nicht erhält, wenn er sich nicht voll und ganz zur Politik gegen die Polen bekennt. Die Vorlage soll nicht den Zweck der Germanisationsbestrebungen baben, aber daß gerade die Kresse Westpreußens, Danzig Stadt und Niederung, Elbing Stadt und Land und Marienburg, die überwiegend deutsche Bevölkerung haben, von der Ostmarkenzulage ausgeschlossen sind, ist doch Beweis genug, daß es direkt auf Germanisationsbestrebungen ö ist. Der Staatesekretär Kraetke meint, in Westfalen kämen höchstens einmal ein paar Polen vor, aber es gibt ganze Ortschaften, wo nur Polen sind. Es gibt wohl hunderttausend Polen im Industriegebiet. Das Beamtentum wird durch diese Zulage durch und durch korrumpiert, denn sie er
halten sie nur für ihr Wohlverhalten, wenn sie kräftig german sieren. Würden Sie etwa, Herr von Gamp, diese Zulage nehmen, oder würden
lünstlichen Germanisterungsbestrebungen gerade den umgekehrten i n de So sind auch die Polen bei uns 3 ih die Verfolgung gestärkt worden, und ihr Nationalbewußtsein at erst recht entwickelt. Die Regierung gibt sich aber e, n Mühe, die Beamten, die ein Ehrgefühl haben, aus dem Amte zu treiben. en. Graf zu Stolber 8 Sie dürfen nicht sagen, daß die egierung sich Mühe gibt, die Beamten, die Chrgefühl haben, aus- zutreiben, ich rufe Sie zur Ordnung.) Aber die ie. wird so sein. Abg. Freiherr von Gamp W: Der Abg. Ledebour hat mich gefragt, wie ich persönlich zur Ostmarkenvorlage stünde. Ich wäre, wenn ich Postbeamter geworden wäre, nicht dorthin gegangen, sondern in einer anderen Provinz geblieben, die mit den Polen nichts zu tun hat. (Abg. Ledeb our; Ausweichende Antwort) Das ist keine aus⸗ weichende Antwort, sondern klar und deutlich. f. sind doch die Beamten in der Ostmark unangenehmen Schikanen ausgesetzt. Ich habe nur das Wort ergriffen, um eine Feststellung zu machen. Meines Erachtens fallen auch die Intendantursekretäre unter diese Vorlage und werden infolgedessen die Zulage bekommen. Eg wird mir dies eben vom Bunderatstische aus bestätigt. Wenn der Abg. Giöber sich gewundert hat, daß auch die Unteroffiziere Zulage bekommen, so meine ich, es ist eine Forderung der Gerechtig⸗ keit und Billigkeit, daß man den Unteroffizieren nicht eine . . verweigert, die auch die Schutzleute und Gendarmen in Posen ekommen.
Damit schließt die Diskussion. Die zweite Lesung wird im Plenum erfolgen.
ur zweiten Lesung steht hierauf der Entwurf einer Maß ö, Gewichtsordnung. Die Vorlage hatte schon den vorigen Reichstag bheschäftigt, dem sie am 1. April 1905 zugegangen war; hier blieb sie in einer Kommission stecken . gelangte wegen Schlusses der Session nicht mehr zur Erledigung. In der nächsten Session wurde der Entwurf in nur wenig abgeänderter Fassung abermals dem Reichs⸗ tage vorgelegt und von einer Kommission durchberaten. Im Plenum kamen die Kommissionsbeschlüsse wegen Auflösung des Reichstages nicht mehr zur Verhandlung. nter dem 7. De⸗ zember 1907 ist dem Reichstage neuerdings eine Vorlage ge⸗ macht worden; die Fassung des Entwurfs stimmt mit den Kommissionsbeschlüssen von 1906 völlig überein. Die erste Beratung fand am 10. Januar statt; ein sozialdemokratischer Antrag auf Kommissionsberatung wurde damals abgelehnt und die zweite Lesung im Plenum beschlossen
Die Vorlage will neben den als wünschenswert bekannten Verbesserungen im Maß⸗ und Gewichtswesen insbesondere das System der periodischen Nacheichung der , zur Durchführung bringen und spricht unter gewissen Vorbehalten die Verstaatlichung der Eichämter aus.
Zur zweiten Lesung liegt eine lange Reihe von An— trägen vor. ö
Nach § 6 dürfen zum Messen und Wägen im öffentlichen Verkehr nur geeichte Maße, Gewichte und Wagen angewendet und bereitgehalten werden. Zum öffentlichen Verkehr gehört der Handelsverkehr auch dann, wenn er nicht in offenen Ver⸗ kaufsstellen stattfindtt. .
ze. besagt: „Soweit Förderwagen und Fördergefäße in dem Bergwerksbetriebe zur Ermittlung des Arbeitslohnes dienen, bedürfen sie der Neueichung.“ .
Die Abgg. Albrecht u. Gen. (Soz) beantragen, im Eingang des 6 das Wort „öffentlichen und den zweiten 96 zu streichen; als neuen Absatz einzufügen: „Soweit Förderwagen und Fördergefäße im Bergwerksbetriebe zur Er⸗ mittlung des Arbeitslohnes dienen, bedürfen sie ebenfalls der Eichung“, und den 5 7 der Voriage zu streichen. In g 13, der das Anwenden und Bereithalten unrichtiger Meßgeräte verbietet, wollen sie für Förderwagen und Fördergefäße eine Fehlergrenze bis zu 2 Prozent gesehlich zulassen. .
S 14 des Gesetzes trifft Bestimmung über die zur Eichung uzulassenden Gegenstände. Zugelassen werden sollen u. a. nur e. Gewichte, welche dem Kilogramm, dem Gramm oder dem Milligramm, oder dem 2, 5⸗ 10, 26 und 50 fachen dieser Größen oder der Hälfte, dem vierten, dem fünften, dem achten oder dem zehnten Teil des Kilogramms, sowie der Hälfte dem fünften oder dem zehnten Teile des Gramms enitsprechen.“ Damit werden Gewichte von einem Viertel und einem Achtel Kilo⸗ gramm oder von V0 und 135 Gramm eingeführt; die Kom⸗ mission von 1906 hatte diese neuen Gewichte in die Vorlage ein⸗ geführt, und der Bundesrat hat trotz seiner Bedenken über die darin liegende Durchbrechung des metrischen Systems den Kommissionsbeschluß akzeptiert. .
Die Abg. Delbrück u. Gen. (iinksliberale Fraktiong⸗ gemeinschaft) beantragen, das 1/⸗ und ijs⸗Kilogrammgewicht wieder zu streichen, eventuell die Annahme eines Zusatzes, wonach sich die 250⸗ und 125⸗Grammstücke nicht nur durch die Größe, sondern auch durch die Form deutlich von dem 200⸗ und 100⸗Grammstück unterscheiden müssen. ö
Die Abgg. Reese u. Gen. (nl.) wollen im § 14 eine Einschaltung h , Inhalts machen: „Als Körpermaße im Sinne dieses Paragraphen sind die Fässer für den Verkauf von Wein, Obstwein und Bier nicht anzusehen; diese sind in jeder Größe zur Eichung zuzulassen.“
S 18 lautet: .
„Die Eichämter und die Aufsichtsbehörden sind staatliche Behörden. Ihre Errichtung, Ausrüstung und Unterhaltung, die Anstellung und Besoldung der Beamten erfolgt durch die Lander regierungen. Die Errichtung gemeinschaftlicher Eichbebörden für mehrere Bundesstgaten bleibt der Vereinbarung zwischen den Landes- regierungen vorbehalten.“
Die Landesregierungen sind befugt, Gemeinden, welche zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes eigene Cichämter besitzen, die Bei⸗ behaltung der letzteren in widerruflicher Weise zu gestatten. Die Ausrüstung und Unterhaltung der Eichämter, sowmie die Besoldung der Beamten liegt alsdann den Gemeinden ob, welche die Gebũhren vereinnahmen. In übrigen gelten für die Gemeindeeschämter die gleichen Bestimmungen wie fur die Staatseichämter. (Vergl. 5 16: Bei der Festsetzung der Gebühren ist von dem . aus⸗ zugehen, daß die Gesamteinnahmen aus den Gebühren die Kosten des Gichwesens nicht übersteigen sollen.“)
Die Abgg. Albrecht u. Gen. hart) beantragen, die kommunalen Eichämter als gleichberechtigt neben den staatlichen weiter bestehen zu lassen und den § 18 und die weiteren Be⸗ stimmungen des Entwurfs entsprechend zu ändern. Die Abgg. ug, ö u. Gen. (Zentr) beantragen die treichung der Worte „in widerruflicher Weise“, die Abgg. Detto u. Gen. nl) beantragen folgende Fassung der betreffenden Bestimmung: „Den Gemeinden, die n ch des Inkrafttretens des Gesetzes eigene Eichämter besitzen, ist die Beibehaltung zu gestatten mit der Maßgabe, daß die Entziehung stattfinden darf unter angemessener gh n nm oder mit wenigstens , , Kündigung.“ Die Ausrüstung usw. wie in der orlage. Nach 8§ 23 sollen die Vorschriften über die Organisation der Eichbehörden nicht vor dem 1. Januar 1912 in Kraft
Sie es nicht als eine Schande empfinden, daß Ihnen so etwas zu—
gemutet wird? Vom völkerpsychologischen Standpunkt müssen alle
treten, die Sozialdemokraten wollen statt „1912“ setzen „19160.
Vom Abg. Raab (wirtsch. Vgg.) ist ein Antrag ein⸗ gebracht, das Wort „Waagen“ in dem Text des Gesetz⸗ entwurfs durchweg mit aa zu schreiben.
Der Abg. von Kaphengst d. kons.) beantragt, zu dem 5 9 den 3usch zu machen?: „Bier darf auch beim Ver— kauf in Flaschen, Glasballons, Krügen und Siphons nur in solchen Gefäßen überliefert werden, welche auf ihren Raum⸗ gehalt geeicht sind.“
In der Spezialdiskussion werden die 86 L bis 5 ohne Debatte unverändert angenommen, die S§ ' bis 9 und 14 werden in der Diskussion verbunden.
Abg. En ge len (Zentr) spricht sich gegen den soial demokratischen Antrag aus, der nicht nur eine Cichung, fondein eine Nacheichung der Förderwagen verlange, soweit sie zur Ermittlung des Arbeit slohnes dienten. In der Kommission sei darauf hingewiesen worden, daß diefer Vorschlag praktlsch nicht durchführbar sei.
Abg. von Kaphengst (konf) befürwortet seinen Abänderungs⸗ antrag ju S9, betreffend die Gefäße, in denen Bier verkauft wird. Es liege eine ö des Reichsverbandes der deutschen Gastwirte vor, die diese Forderung im Interesse eines reellen Bierhandels aufs wärmste empfehle. Man könne eine lange Uebergangsfrist, viel⸗ leicht 19 Jahre, dafür einführen. Hinsichtlich der halben und Viertelpfundgewichte sehe er nicht ein, warum man das De : imalsystem durchbrechen sollte. Dem Antrage, daß die Gewichtstücke so kenntlich emacht werden sollen, daß Verwechslungen nicht vorkommen können, n er zu. Der Redner bittet schließlich noch, bei der Uebernahme von Eichämtern auch die Beamten mitzuübernehmen.
Abg. Sachs , Wir halten es für eine Ungerechtigkeit, daß nur im öffentlichen Verkehr mit geeichten Maßen und Gewichten gearbeitet werden soll, nicht aber auch in der Landwirtschaft und auf anderen Gebieten. Wir wünschen daher dringend, das Wort „öffent⸗ lichen im Einklang mit der ursprünglichen Regierungsborlage in Wegfall zu bringen. Die verbündeten ,,. mögen bei Auslands⸗ artikeln, wo ein fremdes Maß und ewichtssystem in Anwendung kommt, namentlich bezüglich des englischen, keine Ausnahme zulassen. Das neue preußlsche Berggesetz schreibt vor, daß die Fördergefaäͤße, die zur Ermittlung des Arbeitsverdienstes dienen, zu eichen sind. Trotzdem sind noch immer alte und neue Wagen nebeneinander in Gebrauch. In 70 Bergwerksbetrieben, darunter einem fiskalischen, findet man große, abgenutzte Förderwagen und kleine neue Wagen vor. Wenn hier ausgesprochen wird, daß die alten ab enutzten Förderwagen der Nacheichung nicht bedürfen, so wird ki dem Preußischen Berggesetz widersprechende Zustand sanktioniert. Die Behauptung in den Petitionen von Dandelskammern und Berg—⸗ werkabesitzern, wonach die Nacheichung undurchführbar ist, kann keine Geltung eanspruchen; wollte man das anerkennen, so müßte eine Menge von Mißbräuchen bestehen bleiben, gegen die doch die Aufsichts behörden einschreiten. Die Nacheichung ist praktisch sehr wohl ausführbar und liegt im Interesse des Arbeiters und des sozialen Friedens. Im übrigen haben wir ja selbst eine Fehlergrenze von 2 og. konzediert. Die Einführung von Ginhalb., Und Vꝛeertel⸗ pfundgewichten halten wir für zweckmäßig, wenngleich wir Anhänger des Dezimalsystems sind; denn jetzt werden anstatt 125 nur 120 Gramm im Kleinverkehr als Viertelpfund gerechnet, weil in der Tat das kleine Fünfgrammstück,. das eigentlich noch auf die Wage gelegt werden müßte, im. Laden taufendmal verkoren geht. Eine Unter⸗ scheidung zwischen 100, und 125⸗Grammgewicht, sowie zwischen 200. und 2650. Grammgewicht nicht nur durch die Größe, sondern auch durch die Form findet unseren Beifall. Dem nationalliberalen Antrage zu §z 9 stimmen wir zu. .
Abg. Dr. Do or mann (fr. Volkep.): Wir stimmen gegen den Antrag Albrecht, das Wort „öffentliche zu streichen. Was der An⸗ trag erreichen soll, wird in anderer Weise und durch andere Bestim⸗ mungen der Vorlage erreicht. Was die Eichung der Fördergefäße anlangt, so glauben wir ebenfalls, auf die Nacheschung derzichken zu müssen, so wünschenswert sie an sich wäre; die praktischen Erwägungen sprechen ganz überwiegend dagegen. Daß der bergbauliche Betrieb verteuert würde, kommt für uns erst in zweiter Linie in Betracht; aber anderseits handelt es sich um ein Novum und um sehr schwer zu über⸗ windende technische Schwierigkeiten. Bei der großen Mehrzahl der Bergwerke würde die Nacheichung eine völlige Umwälzung der bis⸗
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dehnung von Strecke. Eine Un en erforderlich sein. De andelsminister hat über die Verhältnisfe auf den
n en Bericht gefordert, aus dem sich ergeben hat, daß Unregel mäßigkeiten allerdings vorgekommen sind, wie sie der Abg. Sachse andeutete, aber daß es sich dabei irgendwie um Betrügereien handelte, dagegen muß ich entschiedenste Verwahrung einlegen, namentlich gegen die Behauptung, daß dergleichen auf fiskalischen Gruben vorgekommen fein sollte. Es handelt sich lediglich um formale Verstöße; auf erhobene Vorstellung seitens der Arbeiter hat bei den größeren Wagen auch eine Erhöhung des Gedinges stattgefunden. An die Verhäͤltnisse im Bergbau darf nicht der Maß. stab des Kleinhandels angelegt werden. Gewiß kommt der Arbeiter u kurz, wenn die Wagen zu groß sind, aber auch der Bergwerks- esitzer ist im Nachteil, wenn die Wagen nicht voll der wenn le zum Teil mit Steinen statt mit Stemmkohlen? beladen sind. Die Pöhe des Gedinges regelt sich im allgemeinen nach der Konjunktur. Der Antrag Albrecht würde auch keineswegs eine besondere Verb sserung der Lage der Arbeiter, wohl aber auf der anderen Seite eine außerordentliche Erhöhung der Selbstkosten bedeuten, die eine Er⸗ schwerung der Förderung und somit eine Erhöhung der Kohlenpreife nach sich ziehen würde.
Abg. von Gamp (Ry): Die Vorwürfe des Kollegen Sachse gegen die Industrie hat der Vertreter der berbundeten Regierungen bereite zurückgewiesen, ich kann mich ihm nur anschließen. Die Arbeiter wissen ganz genau, was sie geliefert haben, sie wissen, welche durchschnittliche Größe die Wagen haben müssen, und welchen Lohn sie zu fordern haben, wenn er angemessen fein foll. Die Braunkohlenbesitzer machen darauf aufmerksam, daß ihre Föͤrder. 24 beinahe alle 159 Tage repariert werden müssen; das zeigt, wie
äuf ihren Raumgehalt geeicht sind. Im Hinblick auf diesen Wort⸗ laut empfehle ich den Äntrag Reese. Den Hauptantrag Delbrück lehnen wir ab, den Eventuakantrag sehen wir als Verbesserung an und stimmen ihm zu.
2 Direktor im Reichsamt des Innern von Jon gulæreg: In der früheren Regierunge vorlage war allerdings das Wort öffentliche, das der Antrag Albrecht streichen will, nicht enthalten und wurde erst infolge der Kommissiongbeschlüsse jetzt aufgenommen. Dadurch hat der ganze Paragraph umgearbeit werden müffen. Die Regierung hat aber bei näherer Crwägung erkannt, daß der Kommisstonsbeschluß eine Verbesserung ist, und hat ihn sich deshalb an eignet. Was sachlich darüber 6. werden kann, hat schon der A . Neuner ge⸗ sagt. Die Nacheichung der Förderwagen hat bereits der Vertreler der Bergverwaltung für kaum möglich erklärt. Auch der Bundesrat hat so schwere Bedenken dagegen, daß durch die nnahme dieses Antrages das ,, des . ernstlich gefährdet sein würde. Es ist ferner vorgeschlagen, elne Fehlergrenze von 2 0 zuzulassen. Nach der Konstruftion des ,. liegt aber die Fest⸗ setzung der Fehlergrenze der Behörde ob— er Antrag Kaphengst würde den Flaschenhandel in Bier so verteuern, daß von der Eichung. der Bierflaschen keine Rede sein kann. 3. eingehendster Beratung können wir diesen Vorschlag nicht für durchführbar halten; er scheitert sbließlich daran, daß er den Kleinhandel treffen würde, denn es könnte nur der Detailhändler verantwortlich gemacht werden, aber dieser hat gar keinen Einfluß auf die Herstellung der Flaschen und auf die Kontrolle des Inhalts. Es sst unmöglich, jemanden straf⸗ rechtlich verantwortlich zu machen für etwas, worauf er keinen Einfluß hat. An dem guten Willen der Regierung hat ez in dieser Hinficht nicht gefehlt, aber sie hat deshalb diese Vorschrift für undenkbar ge— 6 9 3 Antrag e . 5 1 .
aragraphen gesagt, wann Fässer gee ein wüssen. ann aber versichern, daß der Satz des ge eg Reese sich in der Aus— führungsanweisung befinden wird, denn es ist ganz selbstverständ⸗ 1j daß 1 Eichverwaltung nach dieser Richtung Vorkehrungen reffen wird.
Abg. Raab (wirtsch. Vgg.): Die Nacheichung der Förderwagen ist so gründlich beraten worden, daß man nicht behaupten kann, wir seien darüber leicht hinweggegangen. Ich habe recht lange auf dem Boden der Nacheichungspflicht für die Förderwagen gestanden, aber die eingehenden Darlegungen der Regierung und unterrichteter Kom⸗ misstonsmitglieder haben bewiesen, daß Liese Nacheichung technisch nahezu undurchführbar sei und durch die Störungen im Betriebe auch nachteilig für die Arbeiter sein könnte. Wenn ein Wagen durch Reparaturen wesentlich verändert worden sst, so wird er selbst⸗ berständlich der Neueichung bedürfen. Mein Antrag, Waagen“ zu schreiben, ist notwendig, um den . in den gewerbe⸗ treibenden Kreisen vorjubeugen. Durch die gle che Schreibweise für Wagen und Waagen sind schon die verschledensten Irrtümer ent⸗ standen; man hat sich an ganz verkehrte Fabriken gewendet, und in Prozessen zwischen Wagenfabriken und Stelimachern sind z. B. Sach⸗ verständige aus Fabriken bon Wiegeapparaten geladen worden. Im Eisenbahnbetrieb gibt es Eisenbahnwagen und auch Eisenbahnwaagen, worauf Eisenbahnwagen gewggen werden. Die Gewerbetrelbenden rr n, schon gewöhnt, die Waagen als Wiegevorrichtungen mit aa zu schreiben. .
Abg, Engelen Zentt): Im Interesse des Kleinhandels möchte ich Sie bitten, den Antrag auf Beseitigung der Viertel., und halben i abzulehnen. Der Antrag Reese gehört nicht in dieses
esetz. ;
Abg. Gothein (fr. Vgg ): Die Schwierigkeiten der Durch⸗ führung der Nacheichung der Förderwagen ist für die Bergwerkè—= betriebe so erheblich, daß ich den Antrag Albrecht nicht akzeptieren kann. Anderseits sind die Beschwerden der Bergleute über die Ver⸗ änderlichkeit der Förderwagen nicht ganz leicht zu rehmen. Diesen berechtigten Einwänden ließe sich dadurch begegnen, daß man dem 57 folgenden Zusatz gäbe; „die bei jeder Reparatur der Wandungen des
oörderwagens oder Gefäßes zu wiederholen ist, die eine wesent⸗ liche Veränderung des Rauminhalts zur Folge haben kann.“
Abg. Sachse (Soz ): Den Abg. Dormann möchte ich darauf hin⸗ welsen, daß im ganzen Koblenbergbau nicht nach Gewicht bezahlt wird. Den Bergbehörden ist der Vorwurf nicht zu ersparen, daß sie jahrelang dlese Schweinereien geduldet haben, daß trotz bes Gesetzes die Gichung nicht einmal festgehalten worden ist. Auf skalischen Gruben, z. B. guf der Zeche Bergmannsglück in Westfalen und auf der Zeche Königs⸗ hütte in Oberschlesien sind Wagen mit einem Unterschiede von 2 und mehr Zentnern in Gebrauch, ohne daß die Bergleute auch nur einen Pfennig mehr bekommen. Die Fälle, daß ein Schneider oder Schuh— macher Maß nimmt, fallen überhaupt nicht unter das Gesetz. Der Abg., von Gamp ist doch sonst kein Freund Englands, ich mochte die Regierung dringend warnen, die von ihm befürwortete Ausnahme für das 83 Maß zu akzeptieren.
Die Anträge Raab, Albrecht und Gothein werden abgelehnt, die Anträge von Kaphengst, Reese⸗Neuner und Delbrück zurückgezogen, und die SS 6 bis 9 und 14 ö der Vorlage angenommen, ebenso die
is 13.
Die S5 15 und 18 und 5s 23 Absatz 1 handeln von den Befugnissen der Eichämter. Bie Diskufflon uber diese Para⸗ graphen wird gemeinsam geführt. Der Antrag Hug⸗Erzberger wird zurückgezogen.
Abg. Detto (nl): Unser Antrag geht nicht so weit wie der sozialdemokratische,. der die städtischen Eichämter dauernd weiter be— stehen lassen will. Wir wollen nur eine angemessene lebergangszeit und eine Entschädigung für die Städte haben, wenn ihre Gichaͤmter sofort verstaatlicht werden sollen. Wir legen Wert darauf, daß diese Bestimmung, die das Mindestmaß darftelll, in das Reichsgesetz Auf⸗ nahme findet, denn die Kommunen, die mit dem Fiskus zu berhandeln haben, machen recht oft die Erfahrung daß solche Verhandlungen mit dem Fiskus außerordentlich mißlich find. Mit einer ablehnenden Haltung setzen sich die verbündeten Regierungen selbst in Widerspruch, denn sie haben in dem Kommissionsbericht seinerzeit ausdrücklich an⸗ erkannt, daß man mit den Gemeinden, die augenblicklich einen Ueberschuß aus ihren Eichämtern erzielen, glimpflich umgehen muß.
Abg. Stolle (Soz.) befürwortet den sozialdemokratlschen Antrag, die kommunalen Eichämter den staatlichen vollständig gleich zu stellen, und berweist dabei auf die große Anzahl von Pelitionen, die von Städten eingegangen sind.
Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatesekretär des Innern Dr. von Bethmann Hollweg:
Wir sind beim 5 18, dem kritischen Punkte der Vorlage, angelangt. Ich will auf die Einzelheiten der Materie heute nicht eingehen, sie sind seiner Zeit in der Komission des vorigen Reichstags so eingehend
maßlos die Belästigung des Verkehrg durch die Nacheichung sein würde. Die verbündeten Reglerungen bite ich im Gegensatz zum Abg. Sachse, bon der dem Bundegrat gegebenen efugnis, Ausnahmen zuzulaffen, in allen geeigneten Fällen Gebrauch zu machen. ö 3. Neuner (n.): Durch die Streichung des Wortes öffentliche, hach dein Kntrage Albrecht wirt! usht ein Ver · esserung, sondern lediglich eine Verböferung des Gesetzes herbei ⸗ geführt. Die Etitz Fassung der Vorlage ist klar und deutlich ̃ und schließt die Beläͤstigung des Innenverkehrtz besonders in!
der Land. und Forsiwirtschaft unzweideutig aus.
Das Verlangen der Soꝛialdemokraten, auch bei Hausschlachtungen, aer offd e g fen
auf dem Felde usw. usw. nur geeichte Maße zu verwenden, geht kiner eit viel ju weit, anderseitz aber dürfen ja nach dem Wertk es Gesetzeg, wenn es sich dabei um die Bemeffung von Lesstungen Handelt , nur geeichte Maße und Gewichte zur Anwendung enn men. er Antrag würde Überdies, soweit er den Verkehr vom uslande und nach dem Auslande betrifft, vielfach eine ganz un⸗ gerechtfertigte Doppeleichung erforderlich machen. Nach 5 95 Abs. 1 der Vorlage dürfen Weine, Obstweine und Bier bei faßweisem Ver⸗ aufe dem Käufer nur in solchen Fässern überliefert werden, bie
dargelegt worden, sie haben auch im Kommissionsbericht so aue⸗ führliche Wiedergabe gefunden, daß ich nur Bekanntes wiederholen
könnte oder Gefahr laufen würde, unvollständig zu sein. Ich
darf nur auf die Hauptpunkte zurückgreifen, welche seiner Zeit in der Kommission festgestellt worden sind. Man hat anerkannt, daß die Nacheichung, welche den Angelpunkt der Vorlage bildet, nicht ohne Verstaatlichung der Eichbehörden durchgeführt werden kann. Man hat des weltern anerkennen müssen, daß die Eichung als ein Akt obrigkeitlicher Tätigkeit nicht dazu bestimmt ist, den Ge⸗ meinden Ueberschüfse abzuwerfen, und daß, wenn im einzelnen Falle Ueberschüsse erzielt werden, eine Entschädigungepflicht der Staatebehörden in keiner Weise begründet sein kann für den Fall, daß die Eichbehörden verstaatlicht werden müssen. (Sehr richtig! rechts.)
Wenn dies feststeht, meine Herren, so bitte ich Sie dringend, nicht den Anträgen der Herren Sonaldemokraten und dem Antrag
auf Nr. 60s Folge zu geben, da beide Anträge für die
verbündeten Regierungen nicht annehmbar sind. ( Sört! hört) Bezüglich des sonialdemokratischen ¶ Antrags brauche ich dies nach meinen Ausführungen ehen nicht des Näheren darzulegen. Aber auch bezüglich des Antrags der Herren Detto, Everling und Neuner mache ich noch einmal darauf aufmerksam, daß die verbündeten Regierungen eine Entschädigungepflicht — und von dieser spricht der Antrag — unter keinen Umständen akzeptieren können. Nun hat der Herr Begründer dieses Antrags gesagt, die verbündeten Regierungen setzten sich durch diese ablehnende Stellung mit sich selbst in Widerspruch, da sie seiner Zeit nach dem Kommissionsbericht ausdrücklich anerkannt hätten, daß man mit den Gemeinden, welche gegenwärtig einen Ueberschuß erzielen, glimpflich umgehen müsse. Gewiß, meine Herren, glimpflich imzu⸗ gehen — dazu hat sich damals die Kommission entschlossen, Und die verbündeten Regierungen sind bei der jetzigen Vorlage diesem Be⸗ schlusse gefolgt durch die Aufnahme der Bestimmung in Abs. 1 des 5 23, welche die Inkraftsetzung der organisatorischen Bestimmungen des 5 18 nicht vor dem 1. Januar 1912 ju— läßt. Indem die verbündeten Regierungen dieses Zugeständnis gemacht haben, sind sie, das werden die Herren zugeben müssen — außerordentlich welt gegangen. In der Kommaission hat man damals erwogen, ob es möglich sein würde, etwa durch eine ge⸗ meinsame Handhabung des Eichungsgeschäfts durch Staatsbehörden und Gemeindebehörden für gemeinsame Rechnung, wobei mit fallenden Quotienten ein Teil der Ueberschüsse den Gemeinden noch belassen werden könnte, Abhilfe zu schaffen. Hier soll nun bis 1912 den Ge meinden die volle Einnahme ihres Eichungsgeschäfts erhalten bleiben, damit sie sich während dieser doch nicht zu kurz bemessenen Frist auf die neuen Einrichtungen vorbereiten können.
Ich bitte Sie also nochmals dringend: stellen Sie sich nicht auf den Boden der Abänderungsantrãge! Sie vernichten damit eine schwierige und langwierige Arbeit, an der der Reichstag seinen großen Anteil gehabt hat. Ich begreife es ja vollkommen, daß diejenigen Kommunen, welche Schaden erleiden werden, hier lebhafte Vertreter gefunden haben. Aber ich möchte die Vertreter dieser kommunalen Wünsche doch bitten, über den Verhaltnissen der einzelnen Gemeinden nicht die größeren, allgemeinen Gesichts punkte dieser Vorlage zu ver⸗ gessen. Mit der präventiven Nacheichung wird, wie wir bestimmt hoffen können, der große Uebelstand beseitigt werden, den gegenwärtig die periodischen Prüfungen durch die Polizeibehörden haben und der in den unjähligen Strafanzeigen und Konfiskationen lag. Sehr richtig! links) Zweitens werden wir mit dieser Vorlage die Frei⸗ zügigkeit der Meßgeräte im ganzen Reiche erhalten. Gefährden Sie diese beiden, nicht zu unterschätzenden Errungenschaften nicht dadurch daß Sie sich auf den Boden der beiden Anträge stellen; sondern nehmen Sie den § 18 und die übrigen, damit jusammen hängenden Vorschriften unverändert an! Sie können überzeugt sein, daß Sie durch den 5 23 den Kommunen, welche Schaden erleiden, diesen Schaden immerhin so sehr erleichtern, wie es möglich ift, und so, daß auch deren Interessen im letzten Ende genügt wird.
Abg. Freiherr von Ga mp (Rp.): Ich kann mich den Ausführungen des Staatssekretärs in allen Punkten anschließen; die Kommunen können wirklich zufrieden sein, daß die Kommifsion in dieser Weise entgegen- gekommen ist und das Inkrafttreten des Gesetzes bis 1917 verschoben hat. Den vom Staatssekrefsär hervorgehobenen , der Reform will ich noch als dritte hinzufügen die Einheitl chkeit der Ge⸗ bühren für die Prüfung im ganzen Reich und die geringe Höhe der Gebühren, die nicht höher sein dürfen als die Selbstkosten. Die Kommunen haben eigentlich zu Unrecht die großen Vorteile aus der Gebührenerhebung bejogen. Ich lege Wert darauf, festzustellen, daß der Bundegrat, der die Bestimmungen über die von' den Eichbehörden zu erlassenden Gebühren feststellt, diese so trifft, daß die Gebühren für sämtliche Industriellen der gleichen Branche dieselbe Höbe haben, unabbhängig davon, ob ihre Betriebsstätte an dem Srte eines Eich⸗ amts liegt oder nicht. Einheitliche Gebührensätze entsprechen der ganzen Tendenz des Gesetzes.
g. En 6 len (Zentr.) führt aus, daß die Eichämter auf das Reich nicht hätten übernommen werden können, da dies nicht konstitutionell ge⸗ wesen wäre, und daß deshalb auch erwogen worden sei, die Frage der einzelstaatlichen Gesetzgebung zu überlaffen, aber man müsse sich nun mit dem begnügen, was in langjährigen Verhandlungen nur mit großer Mühe zu erreichen gewesen sei. Die Organisation der Eich⸗ ämter solle erst mit dem Jahre 1912 zur Durchführung gelangen, während der Abg. Detto die bestehenden kommunalen Eichãmter noch mit einer fünfjährigen Kündigungsfrist beirehalten will. Wenn aber die Vorlage schon seinerjeit, als sie durch die Auflösung des Reichs. tags forltfiel, gemacht worden wäre, so hätten die Cichämter ja bei der Fristbestimmung von 1912 die Vergünstigung erhalten, die der An⸗ trag Detto will. (Zwischenruf bei den Rationalliberalen: Ber Antrag wird zurückgezogen ) Wenn der Antrag zurückgezogen würde, so brauche er ihn nicht weiter zu bekämpfen. Ben Antrag der Sozial⸗ demokraten könne er nicht annehmen.
Abg. Everling (nl): Wir sind immer für die Gemeinden ein⸗ getreten, haben uns aber nun überzeugt, daß es grundsãtzlich richtig ist, die Verstgatlichung anzunehmen; wenn wir trotzdem unseren Antrag stellten, so hatten wir die berechtigte Empfindung, daß große Härten in einzesnen Gemeinden durch das Gesetz eintreken. Namentiich im Königreich Sachsen würde eine ganje Reihe von Gemeinden erheblich geschädigt werden, u. a. Döbeln, Löbau, Anna berg usw., die alle aus ihren Eichämtern Einnahmen haben. Der Antrag der Sozialdemokraten wäre nicht geeignet, die großen Vorzüge des Gesetzes ju retten und zugleich die Härten für die sächsischen Gemeinden ju vermeiden; denn die Regierung hat den Antrag für unannehmbar erklärt. Wenn aber das Gesetz fällt, so werden die Gemeinden in Sachsen nicht günstiger dastehen, denn die Regierung ist jederzeit berechtigt, den Gemeinden die Eichämter zu nehmen. Meine 643 haben mich deshalb beauftragt, den Antrag Detto zurückzuziehen in der Erwartung, daß Erleichterungen beim Uebergang soviel wie möglich geschaffen werden werden. Kebrigenz sollen auch die Gebühren nach diefem Gesetz möglichst niedrig 14 ßesetzt werden, und daher ist der Bundesrat oder bie Landesregierung in der Lage, die Gebühren so zu normieren, daß die Gemeinden keinen Vorteil mehr bätten. Ich hoffe aber, daß die Regierung unt a. erklären wird, daß möglichfle Erleichterungen zugelaffen werden ollen.
Königlich sächsischer Ministerlaldirektor Dr. Fischer: Zu meiner Freude ist der Antrag Detto zurückgezogen worden. Die Erfüllung der Bitte, daß die Königlich sächsische Regierung bei Ueber⸗ leitung der Gemeindeeichämter in die Staatseichãmter mit tunlichster Schonung verfahren möge, kann ich um so unbedenklicher in Aussicht stellen, als die sächsische Regierung, wie der Vorredner aus seinem Aufenthalt in Sachsen wohl selber weiß, den Gemeinden mit großem Wohlwollen gegenübersteht. Wenn die sächsische Re⸗ gierung von ihrer Befugnis, Gemeindeämler einzuziehen und an deren Stelle neue einzurichten, bisher keinen Gebrauch gemacht hat, so liegt der Grund lediglich darin, daß es seit einiger Zeit unserer Regierung bekannt geworden ist, daß die Reichsperwaltung die 6 habe, eine Neuregelung deg Eichungswesens in die Wege zu eiten.
Abg. Müller Iserlohn (fr. Volkzp.): Wir bedauern, daß der Staatssekretär eine abkehnende Stellung gegen den Antrag Belo ein