1908 / 132 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 05 Jun 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. Flußkbt. „Tsingtau“ gestern von Hongkong nach Canton gegangen.

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Sachsen.

In der gestrigen Sitzung der Wahlre chts beputa tion wurdé der Wortlaut des zu erstattenden anderweiten Vor— berichts, der heute zur Verteilung an die Abgeordneten gelangen soll, festgestellt. Nach dieser Feststellung überreichte der Re⸗ gierungskommissar eine Zuschrift es Staatsministers Dr. Grafen von Hohenthal an die Wahlrechts— deputation, worin, wie das „W. T. B.“ meldet, die Königliche Staatsregierung das an sie gerichtete Ersuchen der Deputation ablehnt, nach dem im Kompromiß aufgestellten Grundsätzen eine Abgrenzung der Wahlkreise vor⸗ zunehmen, und worin des weiteren die Gründe für diesen Beschluß dargelegt werden. Nach Verlesung dieser Zuschrift erklärte sich der Geheime Regierungsrat Heink persönlich bereit, an der Wahlkreiseinteilung mitzuwirken, doch bat er ausdrücklich, diese Arbeit nicht als eine Arbeit der Staatsregierung anzusehen. Der Vizepräsi zent Opitz stellte fest, daß sich die Parteien in ihrem Kompromiß über die Wahlkreiseintellung geeinigt hätten und nur noch die Ausführung der vereinbarten Grundsätze ausstehe. Die Deputation dankte dem Regierungs⸗ vertreter für seine freundliche Bereitwilligkeit und vertagte sich alsdann bis Ende September.

Mecklenburg⸗Schwerin.

Der außerordentliche mecklenburgische Landtag hat gestern Beschluß über die prinzipielle Stellungnahme zu der die Verfassung betreffenden Regierungsvorlage gefaßt, und zwar durch Abgabe von Standeserklärungen. Die Landschaft er— klärte, auf der allgemeinen Grundlage des Regierungsentwurfs weiter verhandeln zu wollen. S fh erfolgte mit 39 gegen 7 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen von Rostock und Wismar. Die Ritterschaft entschied sich mit 21 gegen 65 Stimmen zu Gunsten des Vorschlags der 16 Kommissionsmitglieder für das e en, an der landständischen Basis und erbat von der Regierung eine entsprechende neue Vorlage.

Oefsterreich⸗ Ungarn.

In der gestrigen Sitzung des Staatseisenbahnrats erkannte der Eisenbahnminister Dr. Derschatta gelegentlich eines Dringlichkeitsantrages wegen unverzüglicher Einbringung eines Gesetzes zur . einer Eisenbahninvestitionsanleihe die Dringlichkeit der Ausgestaltung und die In⸗ vestitionsbedürftigkeit des gesamten österreichischen Eisenbahnnetzes an und führte, „W. T. B.“ zufolge, aus:

Hierher gehöre die Ausgestaltung der Pyrrhnbahn zum Schnell— zugsverkebr für die zweite Verbindung mit Triest. Die Nordbahn brauche auch, wenn der Donau Oderkanal gebaut werde, unbedingt eine Gleisvermehrung. Hierzu komme die Ausgestaltung von Stationen usw. Die Investition für die Nordbahn werde sich auf 100 bis 130 Millionen belaufen. Für das gesamte Staatgeisenbahnnetz ein⸗ schließlich der Nordbahn komme die Beschaff ung von Waggons und Loko⸗ motiven hinzu, ferner für das alte Staatsbahnnetz die Herstellung des zweiten Gleises und auf vielen Strecken Auswechselung der Schienen, Grweiterung der Werkstätten. Was nun das Investitions programm betreffe, so sei daz Minimum an Lolomotiven⸗ und Waggonbedarf für die nächsten drei oder vier Jahre 620 Lokomotiven oder 62 Millionen und über 15 0900 Waggons oder 98 Millionen. Hlerju komme noch der oben bezeichnete Bedarf. Bezüglich der Deckung frage es sich, ob eine Investitionsanleih? aufzunehmen sei oder die Deckung aus der laufenden Gebarung zu erfolgen habe. Der Minister sprach die An⸗ sicht aus, daß vom Standpunkt des Finanzministeriums eine In⸗ vestitionsanleibe für Deckung des sehr großen Bedarfs praktisch und zweckmäßig wäre. Wenn jedoch wie 1907 Kassenbestände zur Ver⸗ fügung ständen, brauche man nicht zur Aaleihe zu schreiten und könnte die Kassenbestãnde heranziehen.

Das österreichische Abgeordnetenhaus setzte in der gestrigen Sitzung die Beratung des Budgets fort.

Nach dem Bericht des W. T. B.“ bedauerte der Abg. Waldner, daß die Wahrmundaffäre zu einer politischen Machtfrage geworden sei, und appellierte an alle ohne Ausnahme, die Stellung eines Universitätelehrers sowie dle eines Richters nicht unter den Partei⸗ sptuch und die Regieruagswillkür zu stellen. Die deutschen Hoch schulen müßten der Stolz der Deutschen bleiben und die Erhaltung des deutschen Volks auf der Höhe der geistigen Kraft und Kultur für die Zukunft sichern. Einer Gemein bürgschaft mit den Christlichsozialen ständen fortwährende Kämpfe der Christlichsozialen gegen den deutschen Geist entgegen. Der Abg. Massaryk führte aus, der Fall Wahrmund sei ein typi⸗ sche? Beispiel, wie ein freier Forscher aus seiner Parlei und aus der Kirche hinausgeekelt, wie er verhetzt und ungerecht verurieilt werde. Der Redner protestiert dagegen, daß das Ministerium und die Inns—⸗ brucker Fakultãt die wissenschaftlicht Betätigung Wahr⸗ munds selhst am Seminar behindern, und erklärte, es handle sich gar nicht um eine Angelegenheit Wahr—⸗ mund, sondern um den unüberbrückbaren Gegensatz zwischen der ortbodorin Religion und der modernen Wissenschaft, um jenen auch in Desterrteich ungäfhaltbaren historischen Kampf, der zur Trennung von Staat und Kirche und zur Trennung von Schule und Kirche führen müsse. Alle Freidenkenden müßten mit ihren Sympathien auf Seite der freien Frschung und der fortschrittlichen Studentenschaft steben. Der Aba. Hruban sprach sein Be⸗ dauern aus, daß ein Vertreter des tschichischen Volkes jum Anwalt Wahrmundß geworden sei, der die Freiheit der Wissenschaft zur Ver gewaltig ung des Sewissens und der Glaubengfreiheit mißbraucht habe.

Darauf wurden die Verhandlungen abgebrochen und die Sitzung geschlossen.

Wie das „W. T. B.“ meldet, haben sich die böh⸗ mischen Studenten mit ihren deutschen Kommilitonen soli— darisch erklärt und beschlossen, wegen der Sistierung der Vor— lesungen an der Innsbrucker Universität in den Streik zu treten.

Großbritannien und Irland.

Im Unterhause beantragte gestern der Abg. O Grady (Arbeiterpartei) bei der Beratung des Etats des Auswärtigen Amts einen Abstrich als Protest gegen den offiziellen Besuch des Königs beim Kaiser von Rußland.

In der Begründung seines Antrags leugnete O' Ssrady, W. T. B.“ zufolge, entschieden jede Absicht, dem König zu nahe zu treten, und erkannte warm die Verdienste des Königs um den Frieden an, wider sprach aber diesem Besuch, der einen staatlichen oder repräsentativen Charakter habe, und griff heftig das russische Reglerungssystem an. Der Abg. Mae Neill (Nationalist) behauptete, es sei ein Ver⸗ fafsungs bruch, wenn der König zu einem solchen Besuch ohne Kabinetts. minister ins Ausland gehe. Den diplomatischen Charakter des Besuchs be⸗ weise die Tatsache, daß der Unterstaatssekretär Hardinge den König begleite, und die Anwesenheit Fishers und Frenchz zige den Zusammenhang des Besuchs mit der Flotte und der Armee. Der Abg. Kettle

(Nationalist) erklärte, die irische Partei werde den Antrag O' Grad

unterstützen. In den Augen . bedeute der Befuch, daß Eng⸗ v land die Wechsel Rußlands indossiere und den Kredit des letzteren wiederherstelle = er Staatsfekretär des Auswärtigen Am ses Sir

ECoward Grey erwide e hinsichtlich des Besuchs in Raßland handle der König auf den verfaffungsmäßigen Rat seiner Minister, wie er es in allen Staatsangekegenheiten lue; die Regierung trage diesen wie für alle Besuche des Königs im Aus— lande die volle Verantwortung. Es sei nicht zuviel ge⸗ sagt, daß der Gindruck und. der Einfluß der bisherigen Auslandebesuche des Königs wohltätig gewesen sei. Es sei richtig, daß der Unterstaatgsekretär Hardinge im Gefolge des Königs mitgehe; doch tue er dies nicht eiwa an Stelle eines Kabinettzministers, und sofern er an der Erörterung diplomatischer Angelegenheiten teilnehmen sollte, werde er dieg nach geaau denselben Vorschriften tun, wie ein Botschafter, der mit einem fremden Minister oder mit einem Hofe, an dem er beglaubigt sei, eine Angelegenheit erörtere, Er sei gefragt worden, ob der Besuch elne besondere diplomatische Bedeutung in dem Sinne habe, daß er zu einem Bündnis oder ju einem bisher noch nicht bekannten Vertrage zwischen den beiden Ländern führen solle. Er halte es im britischen wie im aas ländischen Interesse für wünschengswert, ein für allemal jeden derartigen Eindruck zu be— seitigen. Es seien keine Verhandlungen über irgend einen neuen Ver⸗ trag oder ein sonstiges Abkommen mit Rußland im Gange, und während des Besuchg würden auch keine solchen Verhandlungen an— geknüpft werden. och sei es durchaus wahr, daß der Besuch eine politische Wirtung haben werde, und es sei zu wünschen, daß diese Wirkung für die Beziehungen beider Länder zueinander wohltätig seli. Der Besuch sei lange aufgeschoben, worden und wäre noch vor wenigen Jahlen insolge von Zwischenfällen, die in aller Gedächtnis seien und die Beri⸗hungen beider Länder beeinflußt hätten, unangebracht und kaum möglich gewesen. Derselbe Einwand, der gegen dle englischrussische Konvention erhoben worden sei, werde jetzt gegén den Besuch des Königs erhoben, nämlich der, daß Rußland boykottiert werden sollte, solange seine inneren Angelegen— heiten nicht den Beifall derer finden, die den Einwand er— heben. Die Folge einer solchen Politik würde für beide Länder vderbängnisvoll sein. Alles, was sich seit Abschluß der Konvention in Asien ereignet hätte, habe gezeigt, daß die Eingriffe in Persien und an der indischen Grenze die beiden Länder einem Konflikt merklich näher gebracht haben würden, wenn die Regierung die von einigen gewünschte Haltung eingenommen hätte. Alles habe gezeigt, daß die britische Beziehungen entweder zum Frieden oder nach entgegen⸗ gesetzer Richtung hatten gebracht werden müssen. Wenn er wählen solle jwischen einer Politik, die von einer englisch⸗russischen Kon . vention und von Verhandlungen nichts wissen wolle und die Dinge bis ju einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen (reibe, und einer Politik der Verständigung, so erkläre er sich für die letztere. Er sei für einen ehrlichen und lopalen Versuch, daß beide Länder in Dingen, die ihre Interessen berühren, zusammenarbeiteten. Dabei bleibe er, und wenn das Haus diesen Standpunkt verwerfe oder un möglich mache, so falle er auch damit. Das sei eine Politit des Fridenz. Eine andere Politik würde möglicherweise den Krieg berhei⸗ sühren, gegen den bie Arbeiterpartei protestiere. Der Besuch des Königs beim Kaiser von Rußland sei lange überfällig und habe ohne auffällige Unhöflichkeit nicht länger aufgeschoben werden können. Sei dies der richtige Zeitpunkt, um von der Regierung zu verlangen, sie solle den Kaiser von Rußland benachrichtigen, daß der König, obwohl er dringend wünsche, ihn als Verwandten und persönlichen Freund zu begrüßen, doch einen merklichen Unterschled zwischen diesem Besuch und denen in anderen Ländern machen müsse, weil die Regierung die innere Polltik Rußlands nicht billige? Das würde den Besuch zu einer Beleidigung machen. Wenn die Regierung dem König raten wollte, eine solche Haltung anzunehmen, so könnte sie ebensogut das englisch⸗russische Ueberetndtarmen zerreißen und die Weiterführung der in befriedigendem Vorschretten befindlichen Erörterungen über die maze⸗ donischen Reformen wäre lächerlich. O' Hrady habe gesprochen, als ob er die Mehrheit des rufsischen Volks vertrete. Er sei im Irrtum. Der Besuch sei allen gemäßigten und liberalen Elementen Rußlands er⸗ wünscht, nur die extrem revolutionäre Partei und die ertrem reaktionäre Partei erhöben gegen ihn Einwände. Die von der Arbeiterpartei befürwortete Politik würde dam führen, einer von diesen beiden Parteien in, die Hände in arbeiten. Die Frage einer Anleihe habe keinen Teil der Verhandlungen zwischin den beiden Regierungen gebildet, ab-r die Revolutionäre feien der Ansicht, die russischꝛ Reglerung beabsichtige eine Anleihe aufzunehmen, und sie wissen, daß ein Konflikt die Aufnahme einer An= leihe erschweren würde. Was sie wünschen, sei klar, nämlich alles in Verwirrung zu stürzen, und er frage, ob die englische Regierung solchen Umtrieben Hilfe leisten solle. Was die von der Arbeiterpartei gegen die russische Regierung erhobenen Anklagen angehe, so sei er nicht willens, auf die inneren Aagelegenheiten Rußlands einzugehen, aber er gebe ju bedenken, daß die Mitglteder dieses Hauses, wenn sie eben von den Verbrechen der reaktionäten Partei gehört hätten, sich auch der Verbrechen der revolutionären Partei erinnern möchten. Die Frage, die das Haus sich selbst stellen sollte, sei die, ob das russische Regierungssystem besser oder schlechter geworden sei. Aus der vollen Kenntnis der Berichte, welche die Regicrung empfangen habe, sage er, daß es in den letzten zwei Jahren entschieden besser ge⸗ worden wäre. Ein Versuch, auf Rußland einen Druck zu üben, wie O'Grady ihn empfehle, würde eine der gewünschten ent- gegengesetzte Wirkung haben. Er erblicke in Rußland eine große Rasse, deren bedeutende Kraft noch unentwickelt, deren Charakter noch im Werden sei und die sich mit neuen Ideen und neuer Tatkraft zu regen beginne. Diese Rasse habe eine große Zukunft und werde eine große Rolle in der Welt spielen. Für den Welt— frieden könne und füt die Wohlfahrt Rußlands und Großbritanniens müsse viel abbängen von den Beziehungen ju einander. Die Vorredner meinten durch den Kurs, den ste verlangten, lediglich einen Bruch zwischen den beiden Regierungen zu empfehlen. Tatsächlich empföhlen sie aber etwas, was im Laufe der Dinge böses Blut zwischen den beiden Völkern machen müßte. Die von der Regierung gegen⸗ über Rußland und der Besuché frage eingenommene Haltung sel nützlich und ehrlich. Er glaube nicht, daß irgend ein Land in der Welt da⸗ durch weniger liberal, weniger fortschriitlich, weniger stark werde, daß es mit England in guten Beziehungen stehe. Im Laufe der weiteren Debatte trat Balfour nachdrücklich für die Regierung ein. Der Abg. Kair Har die erklärte, wenn der König dem Kaiser von Rußland einen offiziellen Besuch alstatte, so heiße das, die Grausam⸗ keiten entschulpigen, für die die Regierung des Kaisers von Rußland und“ dieser persönlich verantwortlich seien. Für diese Aeußzerung wurde Keir Kardie vorn Sprecher zur Ordnung ge— rufen, der erklärte, Keir Hardies Aeußerung sei einer befreundeten Macht gegenüber beleioigend. Reir Hardie weigerte sich zunächst, seine Aeußerung zurückzuziehen, erklärte sich dann aber bereit, das Wort Grausamkeiten zurück, unehmen, soweit es sich auf den Kaiser von Ruß⸗ land und die rufsische Regierung beziehe.

Nach weiterer lebhafter Debatte wurde der Antrag O'Gradys mit 225 gegen 59 Stimmen abgelehnt. Die Minder⸗ heit bestand aus den Mitgliedern der Arbeiterpartei, wenigen irischen Nationalisten und einigen Radikalen.

Nußland.

Der Hauptmarinestab hat dem Admiralitätsrat einen Entwurf zur Reorganisation der Flotte vorgelegt. Dieser Entwurf sieht, „W. T. B.“ zufolge, die Unterstellung der Seestreitkräfte der Ostsee, des Schwarzen Meeres und des Pacifischen Ozeans unter drei besondere Befehlshaber vor, die vom Kaiser ernannt werden, dem Marineminister unterstellt und mit weitgehenden Befugnissen ausgestattet sein sollen.

Einem in der Gesetzsammlung veröffentlichten Befehl des Kaisers zufolge treten am 14. Juli d. J. bis zur Be⸗ stätigung der Projekte bezüglich der Reorganisation der

für

. folgende zeitweilige Maßnahmen in Kraft:

Die Leiter aller Seestreitkräfte des Baltischen und des Schwarjen Meeres sowie im Stillen Oran werden Chefs der Seekräfte benannt. Die Posten eines Oberkommandeurs der Flotte und der Häfen und des Chefs der Seeverteldigung des Baltischen Meeres und deg Oberkommandenrg der Schwarzmeer⸗ Flotte und Häfen werden aufgehoben. Die Hafenkommandeure sind bezüglich des Oekonomie⸗ wesenß unmittelba? dem Gehilfen des Marineministers, in allen sonstigen Bejiehungen dem Marineminister unterstellt. Die Hafenkommandeure sind verpflichtet, nach Maßgabe der Mittel ihrer Häfen den Vorschlägen des Chefs der Seekraͤfte bezüglich der Vervollständigung und Ergänzung der Schiffe nachjukommen. Der Posten eines Oberkommandeurs der Flotte und der Seekräfte des Bal⸗ fischen Meeres wird erst aufgehoben, sobald die Errichtung einer Stadthauptmannschaft in Kronstadt Wege der Gesetzgebung be⸗

stätigt sein wird. Italien.

In der Deputierten kammer sprach gestern bei der Beratung des Budgets des Auswärtigen der Minister des Aeußern Tittoni über die mazedonischen Re⸗ formen, die Balkan-Eisenbahnen und über die Be⸗ ziehungen Italiens zur Türkei.

Bejüglich der majedonischen Reformen erinnerte der Minister, laut Bericht des W. T. B.“, daran, daß er schon in seiner Rede vom 11. März die Nolwendigkeit betont habe, das europässche Konzert aufrecht zu erbalten und die Vollmachten der Finanzkommission sowie die Tätigkeit der Gendarmerie zu erweitern. Sobald deshalb die von der russischen Regierung ausge⸗ arbeiteten neuen Vorschläge bekannt gewesen seien, habe Italien sich beeilt, mit Oesterreich⸗Ungarn voll und ganz ihnen zuzustimmen. England habe erst weitergehende Vorschläge vorgelegt, dann hätten zwischen England und Rußland Verhandlungen besüglich eines gemein samen Projektes stattgefunden, und alles deute darauf hin, daß man bald zu einer völligen Verständizung gelangen werde, und es sei sogar nicht unwahrscheinlich, daß diese Verständigung das Ergebnis der beyorstehenden Entrevue von Reval sein werde. ;

Bezüglich der BSalkanbahnen führte der Minister dann aus, daß die von gewissen Seiten vorausgesagten Zwistigkeiten unter den verschiedenen Mächten nicht eingetreten seien. Deutschland sei auf dem Boden geblieben, auf dem es von Anfang an im Einver⸗ nehmen mit Italien gestanden habe. Deutschland habe der Hohen Pforte geraten, dem Bau der Eisenbahnen, die zum Wohle der Türkei beitra en würden, keine Hindernisse zu bereiten, und es habe der Pforte besonders empfohlen, die vorbereitenden Arbeiten für die Lnie Donau Adriatisches Meer ju genehmigen. Was Gagland anbetreffe, so habe schon am 16. März, gleich nach der Rede Tittonis, Sir Edward Grey dem italienischen Geschäftsträger erklärt, daß seine Politik in nichts von der Tittonis abweiche. Tittoni sagte welter: die Beziehungen Italiens zu England in dieser Frage seien stets von dem größten Vertrauen, und von Herzlichkeit geleitet ge—⸗ wesen. Er habe schon in seiner letzten Rede mitgeteilt, daß Oester⸗ reich, Ungarn keinen Ginspruch gegen die Linie Donau Adriatisches Meer erhoben habe. Später habe sich die Haltung Oester⸗ reich Ungarns infolge des fortgesetzten auftichtig freund⸗ schaftlichen Meinunzsaustausches den italienischen Inte ressen immer noch günstiger erwiesen. Am 13. Mai hahe Freiherr von Aehrenthal die italienische Regierung benachrichtigt, daß der österreichisch ungarische Botschafter in Konstantinopel der Pforte erklärt habe, seine Regierung stehe allen Balkaneisenbahnen sympathisch gegenüber und unterstütze deshalb nicht nur die Konzessionsanträge Bulgariens und Griechen— lande, sondern auch die Serbiens bezüglich der Linie Medare Stimlia, die der erste Teilabschnitt der Eisenbahn Donau Adriatisches Meer sein würde.

Bejüglich der Beziehungen Italiens zur Türkei führte Tittoni aus, die Entsendung des Geschwaders sel vollständig gerecht⸗ fertigt gewesen durch die Erklärung der Türkei, die Eröffnung italie⸗ nischer Postämter mit Gewalt hindern zu wollen. Die öffentliche Meinung Italiens habe das Vorgehen der Regierung gebilligt. Er wolle die Gelegenheit benutzen, um seine ganze Dankbarkeit den ver⸗ bündeten wie den befreundeten Mächten auszudrücken für die einmütige und herzliche Unterstützung, die sie Italien in der Frage der Postämter in Konstantinopel haben juteil werden lassen Der Minister erklärte dann weiter, die Frage des Ankaufs von Immobilien in Tripolis durch Italiener sei mit der Türkei noch nicht geregelt. Um die Gesinnungen darzutun, von denen die italienische Regierung gegenüber der Pforte beseelt ist, verlag Tittoni ein Zirkular, das er an die italienischen Konsuln in der Türkei gerichtet hat und in dem er die italienischen Konsuln auf daz bestimmteste anweist, beständig die herzlichsten Beziehungen zu den türkischen Lokalbehörden zu unterhalten. Die Politik Italiens in der Türkei, fuhr Tittoni fort, sei einfach und klar. Sie beruhe auf der Aufrechterhaltung der Integrität der Türkei. Jeder Gedanke einer territorialen Okkupation in der Türkei liege Italien fern. Italien denke nicht daran und habe nie daran gedacht, einen Teil des türkischen Gebiets zu besetzen. Italien sei der Türkei gegen— über von Gesinnungen aufrichtiger und hersicher Freundschaft erfüllt, und Italiens Wunsch sei, diese Freundschaft zu entwickeln und zu festigen. Dafür verlange Italien von der Pforte nur, daß die türlischen Behörden die Tätigkeit italienischer Staatsangehöriger, die sich in der Türkei wirtschaftlichen Unternehmungen widmen, nicht hindern; Italiener dürften in der Türkei keine andere Behandlung erfahren, als die Angehörigen anderer Nationen. In gewissen Kreisen habe man anscheinend geglaubt, daß die orientalischen Angelegenheiten die guten Beziehungen Italiens zu Frankreich schädigen könnten. Nichts e , stser. Italiens Beziehungen zu Frankreich seien ausge⸗ zeichnet.

Tittoni sprach dann noch von dem Aufenthalt des Deutschen Kaisers in Venedig und von seiner dortigen Begegnung mit dem König Viktor Emanuel, die Gelegenheit geboten habe zu einer Bekundung der herzlichen Freundschaft zwischen den beiden verbündeten Herrschern. Auch der Besuch des Fürsten von Bülow in Rom habe gestattet, wiederum die völlige Identität der jzwischen Stalien und Deutschland auf dem Gebiete der internationalen Politik bestehenden Gesichtspunkte festzustellen und zu zeigen, daß die Gerüchte, die man über eine den italienischen Interessen wenig entsprechende Haltung Deutschlands in der Frage der Balkanbahnen oder in Tripolis in Umlauf gesetzt batte, jeder Begründung entbehren. Im Gerenteil habe Deutschland in diesem Augenblick und in denselben Fragen Italien neue Beweise seiner aufrichtigen Freundschaft und seiner Bündnistreue gegeben. Schließlich erwähnte der Minister das Regierungsjzubiläum des Kaisers Franz Joseph, der in seinen Staaten und in der ganzen Welt eine so hohe Autorität und ein so großes Ansehen genieße und der seine ganzen Kräfte einem Friedengwerke gewidmet habe. Es sei ganz natürlich, daß der König von Ilalien sich den bei dieser Gelegenheit stattgehabten Kundgebungen besonders an dem Tage an⸗

eschlossen habe, an dem Kaiser Franz Joseph die Huldigung des Kaisers

Grren. und der deutschen Fürsten entgegengenommen hätte. Der Minister schloß mit dem Außdruck der Hoffnung, daß die loyale Politik der Regierung die Billigung des Parlaments fißden werde.

Nach der Rede Tittonis, die vom Hause mit lebhaftem Beifall aufgenommen wurde, wurde die Weiterberatung des

Budgets des Auswärtigen auf heute vertagt.

Amerika. Wie das „Reutersche Bureau“ meldet, ist gestern der

,, . zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Uruguan unterzeichnet worden.

Asien. Nach einer Depesche der „Kölnischen Zeitung“ hat der

im

Schah Teheran verlassen.

Wie der „Nowoje Wremja“ aus Djulfa gemeldet wird, sind große Mengen von Kurden in Urmig ein gedrungen, wo eine Panik ausbrach, die Bevölkerung floh und die Bazare

eschlossen wurden. In Taebris soll Anarchie herrschen und er Gouverneur machtlos sein, persische Truppen sollen zahl— reich desertieren.

Nach einer . des „W. T. B.“ sind die Afghanen, die eig hn besetzt hatten, von da nach Osten vor⸗ gegangen. Sie führen 9go9 Kamellasten geschmuggelte Ge⸗ wehre und Munition mit, die vermutlich an der Mekranküste gelandet und für die indische Nordwestgrenze bestimmt sind.

Afrika.

Das diplomatische Korps in Tanger und die scherifische Delegation haben, ‚W. T. B.“ zufolge, die Reglements, be⸗ treffend den Stadtzoll, den Handel mit affen und Explosivstoffen und die Zollniederlagen, genehmigt. Dadurch werden die Reglements in Marokko lle r g,

Nach einer , des Admirals Philibert ist der Kreuzer „Desaix“ auf der Reede von Mogador vor Anker egangen. In Mogador werden zweihundert Mann vom . auf Kriegsfuß gebracht, um die nach Marrakesch be— stimmte Mahalla zu vervollständigen. Die Lage ist allenthalben

ruhig.

Statistik und Volkswirtschaft. Fin und Ausfuhr von Zucker vom 21. bis 31. Mai 1908. Einfuhr Auefuhr im ü

m Speʒial · Spezial. handel handel

dz rein

Gattung des Zuckers

Verbrauchszucker if r und dem raffi⸗ nlerten gleichgestellter Zucker) 176 a / i

Rohrzucker 76 a) Davon Veredelungeverkehr

Rübenzucker: Kristallzucker (granulierter) (176)

Rübenzucker: Platten⸗, Stangen und Würfel⸗ zucker 760)

Rüuͤbenzucker: gemahlener Melis (1764)

Rübenzucker: Stücken. und Krümelzucker (176 e)

Rüͤbenzucker

Rübenzucker

Rübenzucker:

Rübenzucker:

146 978

119 zo

8 867 1784

4198 2546 1716 3182 1781 142 841

14 568

Gesamtgewicht Menge des darin enthaltenen Zuckergz Berlin, den 5. Juni 1908. . Kaiserliches Statistisches Amt. van der Borght.

Gin und Ausfuhr einiger wichtiger Waren im e handel in der Zeit vom 21. bis 31. Mai 1890 den Monaten Mai der beiden letzten Jahre—

dz 100 kg.

Einfuhr

Monat Mai 1908 1907 358145 440111

Ausfuhr

21. 31. Mat 1908

1537415

Monat Mai 1908 1907 56313 40315

Baumwolle. Flachs, ge⸗ brochen, ge⸗ schwungen . anf, ge⸗ brochen, ge. schwungen ne,, Jute und Jutewerg 8 m Schwei u et wolle im Schweiß. Eisenerze .. Steinkohlen Braunkohlen Erdöl, ge⸗ reinigt... Chile salpeter

23108 28131 19918 3952 15427 45104

43207

31736 150062 S0 302

24115 144068 69229

7427 5böl 1057

69183 10022 742

219 4465 1149 gl 7555 2568.31 27593411 oͤbhd hz 154357 30 13565550 los 35153 366

, ne,, e, is 31633 S336 oheien . Sgaz, zar 4553 55353, 115935 263760 upfer. . ias5 iss febz5s 11s se bh

) Außerdem Durchfuhr im Monat Mail 15 564 dæ. Berlin, den 5. Juni 1908.

Kaiserliches Statistisches Amt. van der Borght.

36645 3353317 4139308 2542276

127669 224507

77583 S071318 10766878 469594

413290 64159

108390 ob ob 7 34 1190561 7085909

392594 1127982

Die Finanzen des Reichs und der deutschen Bundesstaaten.

In dem eben erschienenen Vierteljahrsheft zur Statistik des Deut⸗ / Reichs heröffentlicht das Kaiserliche Statistische Amt eine Dar— i ung, der Finanzen des Reichs und der deutschen Bundesstaalen. Sie i . wiederum die Ausgaben, Einnahmen, wichtigere Bestandtelie es Staats bermögens fowie die Schulden. ᷣ. . Nachweist beziehen sich durchweg für die Voranschläge auf a. unge ahr 1907, für die Staatsrechnungen auf das Rechnunge⸗ Intsgesamt betragen die Staatsausgaben nach dea Voranschläge e n , 6e . . . 158 k.

1 n U 1 e fh 1 e ng. ndesstaaten lionen Mark (darunter

Die Staatzeinnahmen belaufen sich bei den Bundesstagten auf

Mark; davon sind außerordentliche Ginnahmen (aug Grundstock, An—⸗ lehen und sonstigen Staatsfonds) 142 bejw. 400 Millionen Mark.

Unter den ordentlichen Ausgaben und Einnahmen der Bundes staaten stehen die Erwerbzeinkürfte mit 2441 Millionen Mark in Ausgabe und 3355 Millionen Mark in Einnahme an erster Stelle. Der Hauptanteil hiervon entfällt auf die Staatzeisenbahnen mit -1790 bew, 2433 Millionen Mark in Ausgabe und Einnahme. Der Rest perteilt sich auf die Domänen, Forsten, Bergwerke, die Staats dampf⸗ schiffahrt, ost, Telegraph und die sonstigen Staatsbetrfebe.

Die nächsiwichtigste Einnahmequelle bilden die Steuern. An Zöllen, Aufwand; und Verkehrafleuern erhebt das Resch 1351, die Bundesstaaten 135. Millionen Mark, letztere außerdem an direkten Steuern 534 Millionen Mark.

Zahlenmäßlge Nachweise über das Staatsvermögen der einzelnen Bundetzstaaten konnten nur in Beschränkung auf wichtige Bestandteile erhracht werden. Neben Ueberschüssen früherer Rechnungsjahre, ver- sfügbalem Slaatzkapitalvermögen ufw. besitzen die Bundesffaaten an Domänen ein Areal von 758 454 ha, an Forsten 4 9585 663 ha. Die Staatseisenbahnen repräsentieren eine Länge von ol 141 Em und ein Anlagekapital von 14110 Millionen Mark.

Vie fundierten Staatsschulden beziffern sich zu Beginn des Rech— nungsiahreg 1907 für die Bundesstaaten auf 12 857, für dag Reich auf 3644 Milllenen Mark, die schwebenden Schulden betragen ins— gesamt 233 Millienen Mark, sie entfallen in der Hauptsache auf daz Reich (180) und Hamburg (61 Millionen Marh.

Zur Arbeiterbewegung.

Die umfangreichen Lohnbewegungen in Mannheim dauern, wie die „Köln. Ztg.“ berichtet, fort. Bei der Firma Brown, Boveri u. Co., A. G. die dem Rest ihrer Arbeiter kündigte, als ihr ein Teil von ihnen die Kündigung zugestellt hatte, handelt es sich um mehr als 14009 Arbelter. Bei den Stein arbeitern hat sich der Ausstand insofern geändert, als die Hälfte der Unternehmer den angebotenen Vertrag angenommen bat, worauf, bei, ihnen die Arbeit wieder aufgenommen wurde. e Syndikatfreie Kohlenvereinigung erklärt, daß sie sobiel Arbeitswillige aufs Mannheim selbst habe, das die auswärtigen bereits fortgeschickt seien bis auf einen, den man auf seinen Wunsch noch behalten habe. Fast täglich kämen Angebote neuer Arbeitswilliger, doch sei sie nicht in der Lage, mehr Leute zu beschäftigen. Zu der Lohnbewegung der Holz- und Hafenarbeiter erläßt der Allgemeine Arbeit geberverband Mannheim ⸗Ludwigshafen eine längere Erklärung über eine nochmalige Besprechung vom J. d. M. vor dem Gewerbegerichts⸗ vorsitzenden. Die Frage, ob die Arbeiterverbände auf einer sofortigen Lohnerhöhung und Arheitgzeitverkürzung beharrten, wurde von dem Vertreter des Hafenarbeiterverbandes hinsichtlich der sofortigen Lohn— erhöhung bejaht, während sie vom Holjarbelterberband verneint wurde. Die Arbeitgeber erklärten darauf, daß ihnen diese Erklärung genüge, um die Verhandlungen mit dem Holzarbeiterverband fortzusetzen. Ber Gewerbegerichtsvorsitzende beabsichtigt nunmehr, das wvollbeseßzte Einigungzamt in Tatigkeit treten zu lassen.

Aus Prag wird der „Frkf. Ztg.“ telegraphlert: Auf den Kladnoer Steinkohlenwerken der österreichisch ungarischen Staatsbahngesellschaft brach ein Teilausstand aus. 500 Berg- arbeiter des Theodorschachts sind gestern nicht eingefahren; sie fordern eine 50 prozentige Lohner hohung,

Die Beerdigung des Arbeiters Lefol in Vigneux bei Paris, der am 2. bei dem Zusammenstoß zwischen streikenden Steinbruch“

meldet, Anlaß ju neuen Zwischenfällen. Die Gendarmen wollten die Streikenden verhindern, zu den Steinlagern vorzudringen, und forderten sie auf, sich zu entfernen. Die Streikenden antworteten mit Beleidigungen und Drohungen, mit Stein- und Flaschenwürfen. Die Behörden legen die äußerste Geduld an den Tag, doch scheinen neue Zusammenstöße unvermeidlich. (Vgl. Nr. 130 d. Bl)

In Parma wurden, wie die Frkf. Ztg. erfährt, unter Bei⸗ hilfe der Regierung die Verhandlungen jur Beilegung des Landarbeiterausstands aufgenommen.

Kunft und Wissenschaft.

Die philosophisch -historische Klasse der Königlichen

Akademie der Wissenschaften hielt am . hen unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Vahlen eine Sitzung, in der Herr Schäfer den Zug König Lotharz 1 Böhmen im Ighre 1126 besprach. Die Quellen ge⸗ tatten, die Hergänge verständlicher zu erfassen, als es bis jetzt geschehen ist; auch läßt sich einigermaßen wahrscheinlich machen, wo der Schauplatz der Freignisse zu suchen ist. Herr Pischel über reichte die achte Auflage seiner Bearbeitung von Stenzlers Elementar- buch der Sanskritsprache. München 1908. In der an demselben Tage unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Waldeygr abgehaltenen Sitzung der physikalisch⸗mathema— tischen Klasse laz Herr Fischer über Synthese von Poly- peptiden. Durch Verbesserung der allgemeinen Methoden ist die Darstellung neuer Tyrosinpeptide und eineg dem Glycylglycin ent— sprechenden Acetals ermöglicht worden. Anhangsweife wird unter der Beieichnung,Mikropolgrisationꝰ ein Verfahren jur Bestimmung des optischen Drehungsvermögens mit sehr kleinen Mengen beschrieben. Herr Planck legte eine Abhandlung von Professor J. Stark in Greifzwald vor: Ueber die Spektra des Sauerstoffs (Dopplereffett bei Kanal strahlen). Es wird hauptsächlich die Lichtemission der Kanalstrahlen in Sauerstoff untersucht. Aug der Größe des maximalen Dopplereffekts wird zefolgert, 6 die Träger der Funkenlinien hochwertige positive ltom ionen sind. Ferner wird der Doppler effekt bei Kanalstrahlen an den Serienlinien des Sauerstoffs fest⸗ gestellt; die bewegte Intensität der Serienlinien in den Kanalstrahlen ist sehr gering, verglichen mit derjenigen der Funkenlinien. Auch wird zum erssen Male der Dopplereffekt bei Kanalstrahlen an zwei Aluminthmlinien (Duplet einer zweiten Nebenserie) beobachtet. Am Schluß werden aus dem bis jetzt vorliegenden Beobachtungsmatertal über den Dopplereffekt bei Kanalstrahlen einige allgemeine Folge⸗ rungen über die elektrische Dissosiation der chemischen Atome ge— zogen. Herr Planck legte eine weitere Abhandlung von Professor J. Stark in Greifswald und von W. Ste ubing vor: Ücher die spektrale Intensitätsverteilung der Kanalstrahlen in Wasserstoff. Mit einem Spektrophotometer wird die Intensitãt der drei Wasserstofflinien 652, 1 485 und L 434 gemessen für den Fall, daß die Kanglstrahlen orthogonal zum Visiongradius aufen. Es ergibt sich, daß die spektrale Intensttätsvertellung der Kanal- strahlen eine Funttion ihrer Geschwindigkeit ist; daz Verbältnis der Intensität einer Wellenlänge zu derjenigen einer größeren Wellenlange nimmt mit wachsender kinelischer Energie der Kanalstrahlen zu, und zwar. um so rascher, je kleiner das Verhältnis der Wellenlängen ist. Herr Rubner überreichte seine Werke: Das Problem der Lebens⸗ dauer und seine Beziehungen zu Wachstum und Ernährung, München und Berlin 1908, und: Volksernährungsfragen, Leipzig 18963.

Die Große Berliner Kunstausstellung. . Y. A. Die Werke der Düsseldorfer Künstler sind, wie alljährlich, in den Sälen 11 und 12 untergebracht. Düsseldorf hat im besonderen Wert darauf gelegt, mit einer wirklich sorgfäͤltigen Aus wahl von Arbeiten in Berlin vertreten zu fein. S finden sich auch diesmal neben einer Menge lediglich füllender, erstaunllch- banaler Bilder nur einige, die der Tradition dieser altberühmten Kunst⸗ stazt Ehre machen und neben sorgfältig geschukter Technik auch frisches, modernes Leben verraten. Am glücklichen ist die Landschaft vertreten. 586 von Wille hat wieder ein großes Gemälde aus der Gifel gesandt, großzügig in

667 Millonen Mark, bei Reich und Bundesstaaten auf 7727 Millionen

arbeitern und Gendarmen getötet worden war, gab, wie W. T. B.

in den Linien, rein und frei in der Stimmung. H. Liesegangs Winter am Niederrhein“ ist von schlichtem . 6 Arbeiten des Künstlers auszeichnet, erfüllt. Ernst Hardt gibt in seinem „Sonnigen Februarmorgen⸗ eine feine Lichtstudie, Erich Ni ku tow ski in dem etwas flächig gehaltenen Bild Laufenburg am Rhein eine schöne dekorative Arbeit. Ganz ausgezeichnet in ber Bewegung und in den frischen, leuchtenden Farben sst das große Gänsebild von Adolf Linz. Eugen Kampfs „Dorfftraße“ gehört in der ruhig schwermütigen Stimmung zu feinen schönsten Arbeiten. Halb in das Gebiet der Landschaft gehört auch noch Wilhelm Schmurrs Bildnis des Malers Clarenbach, denn der Künftler ist im Freien dargestellt, mitten in einer winterlichen Landschaft, deren feine, ver⸗ schwimmende Farhen mit großer Wahrheit gegeben sind. Vortrefflich ist aber auch der Kümnstler selbst dargestellt Er steht vor einer auf⸗ gespannten Leinwand, Pinsel und Palette in der Hand, und hält den Blick prüfend in das Land gerichtet, als praͤge er sich vor Beginn der Arbeit erst die ganze Stimmung dieses winterlichen Tages ein. Daneben hat noch Fritz Reusing ein Bildnis seiner Mutter ausgestellt, das er⸗ heblich besser ist als seine anderen Porträts, und von Adolf Sch znnen heck interessiert die gut gemalte Studie Bildnis eines

Unbekannten“. Von Eduard von Gebhardt ist ein neues Bild „»der verlorene Sohn ausgestellt, das aber nur wie ein ziemlich un= . Genrebild wirkt. Sehr gut ist freilich der Ausdruqf des

oh ies.

Die Münchener Künstlergenossenschaft hat die vier Säle 20, 21, 22 und 23 eingeräumt erhalten. Sie bietet noch viel weniger als Düsseldorf und mag von der Münchner Kunst wohl nur einen sehr ungenügenden Begriff geben. Ez bestätigt sich nur immer bon neuem der alte Eindruck einer lebensfernen Kunst, die ihre Richtung und ihre Gesetze nicht don der Natur, sondern von den nachgedunkelten Bildern alter Meister empfängt. Saal 20 enthält noch am mefften beachtenswerte Arbeiten. Hier hat Franz von De fregger einen Raucher ausgestellt, der noch immer seine große Begabung erkennen läßt. Von Harald Tillberg ist ein Morgen im Gebirge von guter Stimmung zu sehen. Franz Grässel hat ein gutes Entenbild gesandt. Von Franz Pernat ist ein rohes, aber plastisches Herrenbildnis zu sehen, von Friedrich August von Kaulbach ein, feines Kinderköpfchen. In Saal 20 ist Oswald Gottfrieds Spätsommertag im Malm. tal' wegen des schönen Gobelintons zu erwähnen und das Herren bildnig von Heinrich Heidner, das bei manchen anderen Fehlern doch sehr lebensboll im Ausdruck ist. In Saal 23 bat Paul Thiem eine stimmungsvolle Landschaft Abend in Donauwörth? auß⸗ gestellt. Die Luitpoldgruppe hat die diesjährige Augstellung nicht beschickt, statt dessen der Künstlerbund Bayern, und mit diesem Tausch darf man wohl zufrieden sein. Auch hier herrscht der n g dunkle Atelierton vor, auch hier haben wir nur ganz elten das Gefühl, daß die Künstler uns einen unmittelbaren Natur eindruck geben. Aber es ist doch eine vornehme und reiche Kunst- übung, die wir hier kennen lernen, und wirklich schöpferische und ge— staltende Künstler treten uns gegenuber. An erster Stelle müssen die beiden Brüder Georg und Raffael Schuster⸗Woldan genannt werden. Beide sind mit Porträts vertreten:; der erste mit einem Kinderbildnis, das vielleicht etwa3z weich und matt in der Farbe ist, aber unendlich fein im Ausdruck und das in der Art, wie das Kind ins Freie gegen. den zarten Wolkenhimmel gestellt ist, das in dem feinen Zusammenklang der Töne von dem Feldblumenstrauß mit dem kräftigen Kinderkspfchen doch von hoher künstlerischer Kultur zeugt. Das Gleiche läßt sich von Raffgel Schuster⸗Woldans Dgmenbildnis sagen. Im Geschmack lehnt es sich nahe an die englischen Porträts aus dem Anfang des vergangenen Jahrhunderts an. Aber man nimmt das gern hin, wenn die lebendige Frische des Ausdrucks von dem inneren Schaffen des Künstlers Zeugnis ablegt. Auch Walter Geffcken ist mit Bildnissen vertreten. Bei ihm truüt das innere Leben der Gestalten hinter streng gebundenem Stil zurück, aber doch gewinnt man den Eindruck einer verborgenen Lebengenergie, die interessiert und fesselt Erxnst Liebermann, der bisher fast nur feine, träumerische Illustrationen ausgestellt hatte, zeigt bier, daß er bestrebt ist, neue Gebiete zu erobern. Sein Gemälde Dämmerung und Lampenlicht“ erinnert nicht nur in der klaren, kraftvollen Licht- , . sondern auch in dem seelischen Stimmungsgehalt an gute, nordische unst. Von Rudolf Sieck sind mehrere zart gezeichnete, lichtgetönte Landschaftsskizzen zu beachten. Ein ganz eigenes Wort verdient Hans von Bartels mit seinen drei großen Aquarellen. Schon allein technisch bedeuten die Arbeiten ungemein viel. Wir baben wenige Künstler, die diese schwierige Technik mit solcher Meisterschaft behandeln und ihr so viele Möglichkeiten abjugewinnen wissen. Aber auch der Gehalt der Bilder ist ein großer. Wundervoll sind Haltung und Ausdruck der holländischen Mutter. So individuell die Gestalt gegeben ist, wirkt sie doch wie ein unvergeßlicher Typus.

In Saal 36 schließt sich nun die letzte Sonderausftellung

an, die Künstlervereinigung der Elbier'. Auch bier ist der Gesamteindruck durchauß groß und gut. Die Künstler wurzeln fest auf einem Heimatboden, der ihnen immer wieder neue Anregung, immer wieder neue künstlerische Eindrücke bietet. Und sie ringen um den großen Autdruck, um eine um— fassende Lösung ihrer Aufgabe. Hans Unger ist der großzügigste unter ihnen. Sein Gemälde „Mutter und Kind“ ist sehr frei und ausdrucksvoll in der Bewegung, licht und reich in der Farbe. Georg Müller⸗Breslau gibt Phantasielandschaflen von Böcklin⸗ scher Farbenglut. Von August Wilkens interesstert das Bilb Brautjungfern, kindliche Bauernmädchen in alter Tracht, die durch das dämmrige. Kirchenschiff gehen. Arthur Bendrats „St. Marien ist etwas schwer und klebrig im Farbenguftrag, sein leuchtender Hafenkanal“ ist besser geglückt und interessiert, da er ihn auf neuen Wegen zeigt. Ferd!nand Dorsch malt seine limmungkvollen Bilder aus der Biedermannzest und von. Fritz Beckert sind lichte Sonnenstudien aus Meißen zu sehen. Den Abschluß der Gemäldeauststellung bildet die fingierte „Galerie eines Kunstfreundes“, die in den Sälen 42 und 43 japanische Arbeiten, in Saal 44 eine Sammlung moderner Arbeiten zeigt. Man wird die Ausführung der an sich interessanten Idee im alf. für sehr wenig geglückt halten müssen. In der Zu— ammenstellung der Kunstwerke hat der Zufall gewaltet. Gs ist wohl nicht einmal der Versuch gemacht, einen feineren, persönlichen Ton in die Galerie hineinzubringen, das leise Walten eines bestimmt ausgeprägten Geschmackt zu zeigen, das Privat⸗ Aammlungen gerade so besonders anziehend macht. Die japanischen Säle enthalten altjapanische Handmalereien und kleine Plastiken, Werke pon feinster Ausführung und von jenem erlesenen Geschmack, dessen Einfluß wir in unseren modernen Werken in der mannigfachsten Weise spüren. Ihre Anordnung und Auswabl ist reich und intereffant. In der Galerie selbst ist jweifelloß eine Anzahl feiner, wertvoller Arbeiten zu finden, solche von überragender Bedeutung fehlen ast ganz, und vor allem ist die Zusammenstellung unbeschreiblich her= kõmmlich. Schon aus der diesjährigen Ausstellung könnte man zehn solcher Galerien bilden, in denen doch nur das beste vieler Jahre ent⸗ halten sein sollte. Zwel Kinderköpfchen von Leib l, Ludwig Dert⸗ manns tiefleuchtendes Gemälde , Rast“, Landschaften von Sskar Frenzel und Richard Kaiser, die beide zu den stimmungsvollsten Land⸗ schaftern unserer Zelt gehören, Adolf von Menjels Aquarell Leichen, begängnig der trefflich ausdrucksvolle Kopf eines alten Mannes von Ru dolf Possin, Lenbachs Porträt von Adolf Oberkänder und ein paar ausgezeichnete Straßenbilder von Fran Skarbina sollen hervorgehoben werden. Die gute Einzelarbeit erfreut, der Gesamt⸗ eindruck ist nur der eines mit vielleicht besonderer Sorgfalt jusammen« gestellten Ausstellungssaales.

Dr. Walter Gothan ist an der Königlichen Bergakademie in Berlin als Privatdozent für Paläobotanik zugelassen worden.

) Vergl. Nr. 121, 126 und 128 d. Bl.