1908 / 236 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 06 Oct 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Der Königlich sächsische Regierungsbaumeister Bernhard Lohmann in St. Ludwig ist zum Kaiserlichen Eisenbahn⸗Hau—⸗ und Betriebginspektor bei der Verwaltung der Reichseisen⸗

bahnen in Elsaß⸗Lothringen ernannt worden.

Der bisherige bayerische Rechtspraktikant Eugen Fischer zu Straßburg (Els.) ist zum Kaiserlichen Regierungsassessor ernannt und der Generaldirektion der Eisenbahnen in Elsaß⸗ Lothringen als Hilfsarbeiter überwiesen worden.

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den Präsidenten der Königlichen Oberzolldirektion, Ge— heimen Finanzrat Mertens in Altona a. E. zum Geheimen Oberfinanzrat zu ernennen und dem Distriktskommissar von Bo dun gen in Pakosch aus Anlaß seines Scheidens aus dem Amt den Charakter als Polizeirat zu verleihen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: dem Oberbürgermeister Werner in Kottbus das Recht

zu verleihen, bei geeigneten Gelegenheiten die goldene Amts⸗ kette zu tragen.

Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten.

Die Diphtherieheilsera mit den Kontrollnummern 878 bis 89l, in Buchstaben: Achthundertachtundsiebzig bis Achthunderteinundneunzig, aus den Höchster Farbwerken, 18, 121 bis 125, in Buchstaben: Einhundertachtzehn, Ein⸗ hunderteinundzwanzig bis Einhundertfünfundzwanzig, aus der Merckschen gab! in Darmstadt, 104 bis 107, in Buchstaben: Einhundertvier bis Einhundert—⸗ sieben, aus dem Serumlaboratorium „Ruete Enoch“ in ö Hamburg . sind, soweit sie nicht bereits früher wegen Abschwächung ꝛc. eingezogen sind, vom 1. Oktober d. J. ab wegen Ablaufs der staatlichen Gewährdauer zur Einziehung bestimmt.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 34 der Preußischen Gesetzsamm lung enthält unter Nr. 10929 die Verordnung wegen Einberufung des Landtags der Monarchie, vom 2. Oktober 19038. Berlin W. den 5. Oktober 1908. Königliches . wunpenmt ru er.

Per sonalveränder ungen.

Rõãniglich Vrenßische Armer.

Offiziere, Fähnriche usnp. Jagdhaus Rominten, 2. Oktober. v. Lipp a, Oberlt. im Drag. Regt. von Wedel (Pomm. ) Nr. 11, von dem Kommando als Reitlehrer an der Haupfkadetten⸗ anstalt enthoben. Frhr. v. Fürstenberg, Oberlt. im Kür. Regt. von Driesen (Weslfäl) Nr 4 als Reitlehrer zur Hauptkadettenanstalt, eLautz, Lt. im Magdeburg. Hus. Regt. Nr. Lü, auf ein Jahr zur Dienstleistung bei des Herjogs bon Anhalt Hoheit, kommandiert.

Beamte der Militärverwaltung.

Durch Verfügung des Kriegsm inisterium z. 23. Sep- tem ber. Fröm ming, Intend. Sekretär von der Intend. det XII. Armeekorps, ju der 13. Div. versetzt. Fan je n, Ober ⸗Intend. Sekretär von der Intend. des TVIII. Armeekorpa, auf Antrag jum 1. Oktober 1908 mit Pension in den Ruhestand versetzt.

24. September. Versetzt: Kramer (Emil), Intend. Diätar von der Intend. der milisärischen Institute, zu der des 7. Armeekorp6, Günther, Garn. Verwalt. Kontrolleur in Mei— ningen, als Garn. Verwalt. Insp. nach Neusal; O.-Schl, die Kaserneninspektoren Siefken in Saarlouis nach Paderborn, Schle— doigt in Cöln nach Meiningen, als Kontrolleführer auf Probe unter Aufhebung ihrer Versetzung nach Brandenburg a. H. biw. Paderborn.

Aufgehoben die Versetzung des Garn. Verwalt. Kontrolleur Sch uch in Brandenburg a. H. nach Neustadt O. Schl.

XII. (söniglich Württembergisches) Armeekorps.

Offiziere, Fähnriche usn. Ernennungen, Befsrde⸗— rungen, Versetzungen. Schloß Friedrichshafen, 16. Sep- tember. Gr. v. Rei schach, Major beim Stabe des Trainbats. Nr. 13, big auf weiteres zur Dienstleistung beim Kriegsministerium behufs Versehung der Stelle des Inspizienien des Feldart. Geräts kommandiert. ;

Schloß Bebenhausen, 30. September. Drechsel, Lt. im Gren. Regt. König Karl Nr. 123, von dem Kommando zur Dienst—⸗ leistung beim Kriegaministerium enthoben.

Im Sanitätskorps. Schloß Bebenbausen, 28. Sep⸗ tember. Dr. Herter, Stabs- und Bats. Arzt im Inf. Regt. König Wil belm J. Nr. 124, jum überzähl. Obeistabsarzt, Geyfsel, Afßist. Arzt im Füs. Regt. Kaiser Franz Joseph von Oesterreich, König bon Ungern Nr. 122, jum überjähl. Oberarjt, mit Patent vom 10. September 1908, Gaus, De. Greef f, Dr. Weil ( Stuttgart), Dr. Krauß (Reutlingen), Dr Meyer (Heilbronn), Hermann (Eßlingen), Assist. Aerzte der Res., Dr. Bruns, Dr. Bauer, Dr. Wei gelin (Reutlingen), Assist. Aecjte der Landw. 1. Aufgebots, zu Oberärzten mit Patent vom 10 September 1908, befördert.

Beamte der Militärvermaltung.

Schloß Bebenbhausen, 24. September. Germer, Zabl⸗ meister im Gren. Regt. Königin Olga Nr. 119, seinem Anfuchen ent. prechend wegen Krankheit mit der gesetzlichen Pension in den Ruhe—

stand versetzt. Kaiserliche Marine.

Offisiere usw. 28. September. Zu Lis. zur See unter Festsegung ihres Dienstalters in nachstehender Reibenfolge befördert die Faͤhnriche zur Sce des Jahrgangs 1905: v. Martin, Gude, Lawrence, Suse, Canaris, Schuster (Karl), Groß, Dehn, Mey, Zincke gen. Sommer, Dose, v. Müller (Ludwig), Kienitz, Schult beß, Gerth (Exich), Fischer (Wolf ang), Christiani, Benning hoff, Aust, Loe wenstein, küffner, Jacobi (Carl), Tornom, Frhr. v. ae n, v. a ,, Lepsius, Steniler, Bücking, v. Schütz (Juliue),

rau, Roeder (Valentin), Pustkuchen (Albrecht), Wer nicke, Bräutigam, Lorenz Hermann), Merks (Pauh, Schüßler, Olde kop (Friedrich, Georg, Weis bach, d. Ar. nauld de la Perisre, Sebelin, v. Fischel, Krech, Schliep, Dieckmann, *. Andresen, i, m, v. Heyde breck (Kurd), Tietz, Rother, Werner, Koellreutter, Falkenhagen, Giese. Köhler, v. Kries Hevelke, v. Tschirschky u. Boegendorff, v

Willich, Deym Gr. v. Stritez, Angel, Kalk, Bender

(Waldemar), Tebbenjohanns, Nieland, Has hagen (Ernst),“

(Heinrich), Levetzow,

Krause, Kalbe, Merks (Hang), Hartwig, Hespe (Karl), Schapler, Becker (Adolf Friedrich, Kluge, gen Fil en sch, U Nölfer, v. Ahr Raf ö v. e tee, Gelau, J . ine Wil Trenk,

Angekommen:

der Direktor im Justizministerium, Wirkliche Geheime Oberjustizrat Dr. Bourwieg, vom Urlaub.

Aichtamtliches

Deutsches Reich.

Prensßen. Berlin, 6. Oktober.

Der Ausschuß des Bundesrats für Handel und Ver⸗ kehr hielt heute eine Sitzung.

Laut Meldung des, W. T. B.“ ist S. M. S. „Condor“ am 2. September in Ponape (Ost⸗Köarolinen) eingetroffen und am 16. September von dort nach Jaluit (Marochalinseln) in

See Esangen,

M. un ist am 3. Oktober in Kingstown (Jamaica) eingetroffen und geht am 12. Oktober von dort nach St. Thomas (Westindien) in See.

S. M. S. „Bremen“ ist am 3. Oktober in Puerto Madrin , eingetroffen und geht heute von dort nach dem Matthias Golf Argentinien) in See.

S. M. S. „Arcona“ ist vorgestern in Tschinwangtau eingetroffen und geht am 14. Oktober von dort nach Tschifu in See.

S. M. S. „Luchs“ ist vorgestern in Shimonosecki (Japan) eingetroffen und geht heute von dort nach Kobe in See.

S. M. S. „Iltis“ ist gestern in Schanghai eingetroffen und ht morgen von dort wieder in See.

. M. Flußkbt. „Tsingt au“ ist gestern von Canton nach Hongkong in See gegangen.

.

.

Sachsen.

Seine Majestät der König von Spanien empfing, W. T. B.“ jufelsz gestern nachmittag das Offizierkorps des ihm von Seiner Majestät dem König Friedrich August verliehenen 2. Ulanenregiments Nr. 18 und stattete alsdann . Königlichen Hoheiten dem Prinzen und der

rinzessin Johann Georg einen Besuch ab. Abends 61/2 nch fand zu Ehren Seiner Majestät des Königs Alphons Galatafel statt. Um 8 Uhr besuchten die Aller— höchsten Serrschaften die Festvorstellung im Opernhaus, der auch das diplomatische Korps, die Spitzen der Zivil⸗ und Militärbehörden beiwohnten.

Desterreich⸗Ungarn.

Wie die „Neue Freie Presse“ meldet, wurden auf den deutsch⸗böhmischen Städtetagen in Eger, Teplitz und Reichenberg Resolutionen gefaßt, in denen die Regierungs⸗ politik scharf gemißbilligt, von den Abgeordneten verlangt wird, daß sie in der Obstruktion bis zur Sicherstellung der nationalen Unabhängigkeit der Deutschen Böhmens verharren, und zur Verweigerung der Landesumlagen aufgefordert wird.

Großbritannien und Irland.

Der österreichisch-ungarische Botschafter in London Graf Mens dorff ist, wie das W. T. B.“ meldet, nach Balmoral abgereist, um dem König Eduard den eigenhändigen Brief des Kaisers Franz Joseph vorzulegen. Die englische Regierung ist von der österreichisch⸗-ungarischen Regierung über die Absichten des Kaisers, betreffend Bosnien und die Herzegowina, in Kenntnis gesetzt worden.

Ueber die Stellung der britischen Regierun zu der Proklamation Bulgariens zum n erfährt das Reutersche Bureau“, daß die Regierung keiner Macht das Recht zugestehen könne, einen internationalen Ver— trag zu ändern ohne die Einwilligung der anderen daran beteiligten Faktoren. Sie müsse daher jeder Aufhebung des Berliner Vertrages ihre Zustimmung verweigern und es ablehnen, das, was geschehen ist, anzuerkennen, bevor nicht die Anschauungen der anderen Mächte bekannt seien, insbesondere diejenigen der Türkei, die näher als jede andere Macht beteiligt sei.

Frankreich.

Wie eine Note der „Agence Havas“ meldet, empfing der Ministerpräsident Clemenceau gestern nachmittag den Minister des Aeußern Pichon und hatte sodann mit dem russischen Minister Iswolski, der von Pichon am Vor— mittag empfangen worden war, eine Unterredung. Aus den Unterredungen zwischen Iswolski, Clemenceau und Pichon ergab sich eine vollständige Uebereinstim mung zwischen den Anschauungen der französischen und der russischen Regie— rung bezüglich der Angelegenheiten im Orient.

Pariser Blattern zufolge wurde in Unterredungen, die der Minister Pichon gestern mit den Vertretern fremder Mächte hatte, der Plan der Einberufung eines Kongresfes er— örtert, der zum mindesten so umfassend sein soll wie der Berliner Kongreß von 1878.

Der bulgarische Vertreter in Paris hat den Austun erhalten, die Un abhängigkeitserklärung Bulgarien der französischen Regierung zur Kenntnis zu bringen. R . betreffenden Telegramm heißt es u. a.,, „W. T. 3; zufolge:

H. Ungabhängigkeitgerklärung sei durch den einmütigen Wun g des hulgarichen Volkes erfolgt, das die Hindernisse zu beseil⸗ wünschte, die seine Entwicklung immer gehemmt hätten um immer die Ursache von Beziehungen zu den Nachbarn bildeten, di den Frieden und die Ruhe auf dem Balkan stören könnten. Bu garlen werde alles jun, was seiner Würde entsprechend sei, um ein Störung des Friedens auf dem Balkan zu vermeiden; aber gleichen sei die ganze Nation, wenn es die Ereignisse erfordern sollten, beten wie ein Mann ihr heiliges Werk zu verteidigen.

Türkei.

Die Pforte hat gestern nachmittag die telegraphi Nachricht von der Proklamierung Bulgariens 3g Königreich erhalten. Wie das „K. K. Telegraphen⸗KIrn n, ner, meldet, hat der Fürst Ferdinand an da

ultan eine Depesche gerichtet, in der er erklärt, daß er stet von den Gefühlen der Treue gegenüber dem Sultan ke seelt gewesen, aber die Volksbewegung in Bulgarien s groß geworden sei, daß er der Proklamierung zum Königreice ustimmen mußte. Der Ministerrat hat 5 an den irn, ein , abzusenden, in dem es obiger Quell zufolge heißt: a dieser Akt eine Verletzung des Berline Vertrages darstelle, werde die Pforte bei den Signatarmächten protestieren und gemäß deren Entscheidung sehr ernste Maß nahmen ergreifen.

Die ruhigen und besonnenen türkischen Elemente sind en— stimmig der Ansicht, daß die Türkei angesichts der Gesamtlag des Landes, der geschwächten Hilfsquellen sowie des moralischn und materiellen Zustandes der Armee, ferner im Interesse de neuen jungtürkischen Regimes wegen der bulgarischen Unck— hängigkeitserklärung jedweden bewaffneten Konflikt vermeiden und 6 auf die Entscheidung der Mächte verlassen müsse.

Der Verein der türkischen Presse hat beschlossen, der bulgarische Vorgehen streng zu verurteilen, auf die öffentlich Meinung jedoch beruhigend einzuwirken durch Hinweise darau, daß das Ereignis seit langem erwartet war, und daß die Pforn die nötigen Schritte unternehmen werde. Ferner wurde he schlossen, das Ministerium nicht anzugreifen und dem Großwesn die Fortdauer des Vertrauens zum Ausdruck zu bringen.

Der russische Botschafter Sin owjew hat gestern in seinn Eigenschaft als Doyen des diplomatischen Korps der Pforn eine Kollektivnote aller Botschafter überreicht, die, den K. K. Telegraphen⸗Korrespondenzbureau“ zufolge, besagt, daz die Regierungen beabsichtigten aus Beweggründen, die Re Pforte schäßen werde, die Offiziere, die mit der Re organisation der mazedonischen Gendarmerie betrau seien, auf unbestimmte Zeit zu beurlauben. Die Offizier könnten unter den gegenwartigen Verhältnissen als In— strukteure und Kontrollorgane * nützlich verwendet werden. Da sie aber durch Kontrakt gebunden seien, so frage man an, ob die Pforte gegen diese Maßregel nichts einzuwenden habe Falls die Pforte den Vorfchlag akzeptiere, bleibe nur übrig gemeinschaftlich die Entschädigung zu regeln, die den be urlaubten Offizieren zu leisten sei. Diese letzte Klausel wurde besonders auf m , Verlangen beigefügt, da die englischen Offiziere infolge der Beurlaubung außerhalb des Truppenwer— bandes stehen.

Serbien.

Die Nachricht von der Proklamation Bulgariens zum Königreich hat in Belgrad großen Eindruck gemacht. Am Nachmittag fand, W. T. B.“ zufolge, im Palais ein Ministerrat unter dem Vorsitze des Koͤnigs statt, der seine AK reise zu den Manövern verschoben hatte, und Abends wurden die Führer der politischen Parteien zur Beratung über die Lage in das Palais berufen. Eine großt Menschenmenge veranstaltete Abends Kundgebungen gegen die Annexion Bosniens und der Herzegowina und sodam Sympathiekundgebungen vor der türkischen Gesandtschaft und vor den Gesandischaftsgebäuden Englands, Rußlands, Frank reichs und Italiens.

Bulgarien.

Das gestern von dem Fürsten Ferdinand in Tirnomo verlesene Manifest, betreffend die Proklamation Bulgarien zum Königreich, hatte, nach einer Meldung der „Agence Bulgare“, folgenden Wortlaut:

Durch den Willen unserer unvergeßlichen Befreier, des großen russischen Volkes, auch mit dem Beistande unserer guten Freunde un Nachbarn, der Rumänen, Untertanen Seiner Majesiät des Königs dor Rumänien, ist seit 1878 die Keite des Jochs gebrochen. Sen diesem Zeltvunkt, schon dreißig Jahre lang, hat das bulgarss⸗ Volk, unerschütterlich in seinem Gedenken an die Apostel der Freihein, unermüdlich an der Entwicklung des Landes gearbeitet und es unter meiner und des hochseligen Fürsten Alexanders Führung in den Stand gesetzt, als würdiges Mitglied mit gleichen Rechten in rie Famil der zivilisierten Völker einzutreten, um kalturell und wirtschafllia weiter vorwärts ju kommen. Auf diesem Wege darf nich Bulgarien aufhalten und nichts soll seinen Fortschritt binden. Das ist der Wunsch und der Wille des Volkez. Das Volk da Bulgaren und sein Oberhaupt können nur ein und dasfelbe derle— und wünschen. Tatsächlich unabhängig, ist das Land doch in seirne⸗ natürlichen und friedlichen Entwicklung durch falsche Vorstellungen ge bemmt, deren Zerstörung eine Grkältung zwischen Bulgarien und dea Türkei zur Folge hatte. Ich und mein Voll wünschen eine Va= jüngung der Politik der Türkei herbeizuführen. Sie und Bulgarien frei und unabbängig, haben die Vorbedingungen, um freundschaftlick Bande zu schaffen und sie zu festigen, indem sie sich einer friedlichen Ern⸗ wicklung hingeben. Durchdrungen von dieser heiligen Aufgabe um um den Bedürfnissen dis Staats gerecht zu werden, proklamiere i mit dem Segen des Allmächtigen das seit 1885 geeinigte Bulgane⸗ zum unahbäng!gen Tönigreiche. Mit meinem Volke glaube ich, dei dieser Schritt die Billigung der Großmächten figden wird. Es lieb' das Volk und das unabbängige Bulgarien!

. Die Präsidenten der Kammer und der Ministerrat bote⸗ im Namen der nationalen Vertretung und der Regierung den Fürsten den Titel eines ersten bulgarischen Königs an, den der Fürst, wie er sagte, mit Stolz und Dankbarkeit annahn.

In einer , des Ministers det Innern an die Präfekten heißt es, W. T. B.“ zufolge Als Folge der im Inlande wie im Auslande eingetretenen Ercj nisse, des Geschaw-Zwischenfalls, der Besetzung der Drlenibahnlin ergab sich die Proklamation der formellen Unabhängigkeit, welch taisächlich schon bestand, als in dem Inleresse des Landes liegen Um dieser vationalen Nolwendigkeit zu entsprechen, hat Seine Majcstä der König Ferdinand J. in der alten Hauptstadt der bulgarischen Könie— die beiden Bulgarien des Nordens und deg Südens als freits und u⸗— abhängiges Köntgrelch Bulgarien proklamiert.

Die Nachricht von der Proklamierung Bulgariens zun Königreich wurde sowohl in der Hauptstadt wie in der Provinz mi

oßer Begeisterung aufgenommen. Wie das, W. T. B. meldet, achte in Sofia eine große Menschenmenge dem Erbprinzen Boris vor seiner Wohnung enthusiastische Kundgebungen dar. Der Erbprinz erschien am Fenster und dankte mit den Worten: „Mit Hilfe des bulgarischen Volkes hat mein Vater eine große Tat vollführt. Es lebe das Königreich Bulgarien!“ erner fanden Sympathiekundgebungen statt vor dem enkmal des Zarbefreiers und den Gebäuden der diploma⸗ tischen Vertrefungen der Großmächte. Alle Verwaltungs⸗ behörden trafen Maßregeln, um das Ereignis festlich zu be⸗ gehen. Die Städte sind beflaggt. Heute werden im ganzen

nde Gottesdienste abgehalten. Auf dem Truppenübungs⸗ latze bei Sofia wird heute Parade der gesamten Garnison enk. Ebenso werden auch in der Provinz Truppen⸗ paraden abgehalten werden. Alle Bureaus sind geschlossen. Der Unterricht in den Schulen fällt für drei Tage aus.

Dänemark. .

In der gestrigen Sitzung des Folkethings wurde der von der linken Reformpartei und der gemäßigten Linken ein⸗ gebrachte Antrag, das Haus möge den Willen aussprechen, an der Milderung der Folgen des von Alberti begangenen Verbrechens mitzuwirken, ‚W. T. B.“ zufolge, mit den Stimmen dieser Parteien angenommen. Die übrigen Parteien enthielten sich der Abstimmung. Die nächste Sitzung wurde auf den 13. Oktober festgesetzt.

Afrika.

Vorgestern hat sich ein neuer deutsch⸗französisch er Zwischenfall in Rabat zugetragen. Ein von W. T. B.“ verbreitetes Telegramm der „Kölnischen Zeitung“ hierüber folgendes:

Der Bote der deutschen Post, Muhammed Filali, geriet in Streit mit den einem französischen Offizier unterstehenden Polizei⸗ truppen. Als er verhaftet wurde und dem franiösischen komman

lerenden Offizier vorgeführt werden sollte, kam es zu einer Schlägerei zwischen den Poltzeitruppen und Marokkanern, wobei Muhammed

ilali entwischte. Der französische Offizier verlangte bom deutschen Vize⸗ onsul die Auslieferung des Postboten. Diese wurde verweigert, jedoch zugestanden, daß der betreffende Offizier, der Hauptmann Reimont, der Vernehmung des Postboten und der Zeugen beiwohnen könnte. Bei dieser Vernehmung haben sich über den tatsächlichen 8 Abweichungen ergeben. Gs ist zu hoffen, daß die weiteren

esprechungen jwischen dem deutschen Vizekonsul und dem französischen olizeioffizier zu einer Beilegung des Zwischenfalls führen, der sich, oweit bisher ersichtlich, nur als eine Schlägerei jwischen Maroklanern und Polizeisoldaten darstellt.

meldet

oloniales.

Das Oltoberheft des Tropenpflanjers“,. Organs des Kolonialwirtschaftlichen Komitees (Berlin, Unter den Linden 43), ent⸗ hält an erster Stelle einen intereffanten Aufsatz von Udo von Katte über die wirtschaftlichen Verhältnisst am Vißtoriasee'. Der Ver⸗ fasser, der längere Zeit in Deutsch.Ostafrika praktisch tätig war und im Jahre 1907 den Vlktoriasee bereiste, schildert zunächst die klimatischen und die Bodenverhältnisse von Muanza und Umgebung und geht dann ausführlich auf die Frage ein, welche Aussichten dieses Gebiet in wirt- schaftlicher Beziehung für die Zukunft ju bieten vermag. In einem Aufsatz jur Kolafrage“ gibt Korpsstabsapotheker a. B. L. Bernegau, der bekannte Kolaforscher, wichtige Fingerzeige zur Unter⸗ scheidung der verschiedenen Kolaarten, sowie für die Aufbereitung frischer Kolafrüchte und ⸗Nüsse. Bernegau tritt dafür ein, daß aus wirtschaftlichen Gründen in Westafrika eine Reform in der Auf⸗ bereitung der Kolafrüchte, die wegen ihrer wertvollen physiologischen Eigenschaften immer mehr an Bedeutung gewinnen werden, anzustreben ift. Dr. Paul Krische gibt in einem kleineren Artikel eine Uebersicht über die Forschungsstätten der landwirtschaftlichen Wissenschaft im Deutschen Reichen. In den ständigen Rubriken „Aus deutschen Kolonien“, Aug fremden Produktionsgebieten',. Auszüge und Mit⸗ teilungen ꝛc. findet sich wieder eine Fülle von interessanten Angaben über wichtige Kolonialprodukte, wie Baumwolle, Kautschuk, Kaffee usw.

Dieser Nummer ist als 5. Beiheft des Jahres ein größerer Aufsatz von Dr. Rud. Endlich. „Der Ixtle und, seine Stam mpflanjen“ beigegeben. Dr. Endlich bespricht hier aus⸗ führlich Herkunft, Gebrauch und Handelswert der verschiedenen mexi⸗ kanischen, unter dem Namen „Ixtle in den Handel kommenden Faserarten.

Etatistik und Volkswirtschaft. Gin und Ausfuhr von Zucker vom 21. bis 30. September 1808. Einfuhr Ausfuhr w n

Spe ial⸗ Spezial⸗ handel ande

dz rein

Gattung des Zuckers

Verbrauchszucker fie und dem raffi⸗

nierten gleichgestellter Zucker) (176asi) . . 31 109 Rohrzucker 76 a 563

Davon Veredelungsverkehr 60 Rübenzucker: Kristalljucker (granulierter) 76) 30 342 45 107 Rübenzucker: Platten-, Stangen und Würfel⸗

zucker (760) 7138 Rübenjucker: gemahlener Melis (1764) ... 7 850 Rübenjzucker: Stücken und Krüũmeljucker

ö ; 5 406 Rübenzucker: Guten Raffinade (176) . 2896 Rübenzucker: Brotzucker (1769) 3070 Rübenzucker: y (76 h) 8 120 Rübenzucker: Kandis (17615) 302 Anderer Zucker (176 / n) 5781 Rohrjucker, roher, fester und . (176k).

79 889

enzucker, roher, fester und flüssiger (1765) 5 566 Anderer fester und flüssiger Zu Raffinade einschließli

s usw.) (175m). Füllmasfsen und Zuckerab Me⸗ Ahorn

er (flüssige des Invertzucker⸗

Aufsicht: esamtgewicht Menge des darin enthaltenen Zuckerg

Berlin, den 6. Oktober 1908.

Kaiserliches Statistisches Amt. van der Borght.

Ein und Ausfuhr einiger wichtiger Waren im Spezial handel in der Zeit vom 21. bis 36. September 1908 und im Monat September der beiden letzten Jahre.

4a = 100 Eg. 1

Einfuhr Ausfuhr

21. 30. Monat September 21. - 30. Monat September Sept. Seyt. 1908 1908 1807 1908 1908 1907

83560 180625 17588 77686 31821 60520

*

9491 22352 14250 2781 6555 1467 n, ge⸗ schwungen , ) Jute und Jutewerg. Merinowolle im Schweiß Kreuzzucht⸗ wolle im Schweiß . 11837 27163 22440 623 981 630 Eisenerze 1259345 7762997 8203913 1087499 2329252 3447357 Steinkohlen 3881616 12099169 13732708 6682489 20085344 18187167 Braunkohlen 3090673 7350720 7343541 7548 24300 13960

Erdöl, ge⸗

reinigt... 204021 S00080 716053 488 12 1567 Chilesalpeter 166977 497076 327235 1542 6415 6030 Roheisen .. 118973 270338 354208 103808 251941 132581 Rohluppen,

Robschienen,

Rohblöõcke s 7846 7934 250389 Trãger . 99 6866 83005 Eisenbahn⸗, ahnrad⸗ latt⸗ schienen .. 81 224 331 Eisenbahn⸗ schwellen . aus Eisen. 16 116 7866 116248 289831665 Kupfer.. 46375 149375 92578 4472 7371 4040 ) Außerdem Durchfuhr im September 27 8838 dæ.

Berlin, den 6. Oktober 1908. Kaiserliches Statistisches Amt. van der Borght.

24240 67858 31968

12194 26487 16095

raes 3199 10 i0 uszz 44455 9825 15328 8407 12 1580 2622 1512

Sbh5d403 243674

138147 396109

S5859 295881 404384

Zur Arbeiterbewegung.

In der Weberei Achter und Ebels in München-⸗Glad— bach, die 15 Webern, die das Zweistuhlsystem nicht annebmen wollten, gekündigt hatte, haben sämtliche übrigen Weber die Kündigung eingereicht, um die Bedingungen des christlichen Verbandes bei der Ginführung des Doppelstuhls (ogl. Nr. 233 d. Bl.) durchzusetzen.

Der Ausstand des Maschinenpersonals der Canadischen ,,,. ist, wie die Köln. Ztg. berichtet, nach sechsmonatiger

auer auf der ganzen Strecke beendet. Die Ausständigen nahmen, ohne daß sie ihre Forderungen durchgesetzt hätten, die Arbeit wieder auf, soweit ihre Stellungen nicht anderweitig besetzt worden sind. Am Ausstand, dessen direkte Beilegung von der Regierung von Manitoba vermittelt worden ist, waren etwa 6000 Arbelter beteiligt.

Wohlfahrtspflege.

Der Kinderschutz durch Findelanstalten und die öffentliche Armenpflege.

Gelegentlich der Verhandlung der 80. Versammlung deutscher Aerzte und Naturforscher hat man sich auch mit der öffentlichen e mf beschäftigt, soweit sie die gin org für Findelanstalten betrifft. Der Wiener Arzt Dr. Reicher hob mit Recht hervor, daß die wichtige Kinderfürsorge alle vier Fakultäten der Universität berühre. Deffentliche Jugendfürsorge bedeutet Ergänjung des unzulänglichen, Ersatz des fehlenden Familienschutzes. Dieser erfolgt bei unehelichen Kindern in Gestalt der Vormunbschaft, Zieh—⸗ kinderaufsicht, durch Findelanstalt und öffentliche Armenpflege. Findel⸗ anstalt und Armenpflege widmete der Vortragende den größten Teil seiner Ausführungen. Die Findelanstalt war in ihren Anfangen die verkörperte Reaktion des Christentums gegen die heidnische Unsitte der Kindesweglegung. Sie war die Sammelstelle für die allerwärts ausge⸗ setzten Kinder. Der römisch⸗rechtliche Srundsatz Infans nondum homo“ und die schrankenlose patria potestas ließen nicht einmal den Kindesmord als Verbrechen erscheinen, geschweige denn die Kindesweglegung. Die Drehlade“, die vom Papst Innocenz III. im XII. Jahrhundert ein⸗ geführt wurde, sollte dem Kindesmord vorbeugen. Um das eine Ver⸗ brechen ju bekämpfen, förderte und organisterte man das andere Ver⸗ brechen: die Kindesweglegung. Die „Drehladen war die an der Findelanstalt offensichtlich angebrachte Einladung an gewissenlose Eltern, sich ihrer Kinder zu entäußern. Unbedingte Aufnahme, ohne Rücksicht auf Herkunft und Dürftigkeit, sowie Anonymität sind die Kennzeichen des romanischen Systems der Findelpflege. Der Vor⸗ tragende schilderte hierauf den Entwicklungsgang des Findelwesens in Frankreich und wendete sich sodann dem germanischen System zu, das auf den Grundsätzen der modernen Armenpflege beruhe. Dagegen sei die Josefinische Findelanstalt in Oesterreich ein Typus für sich. Kaiser Josef II. gründete die Gebär⸗ und Findelanstalt als Zufluchtsstätte für gefallene uneheliche Weibspersonen und ihre Leibesfrucht'. Sie war in erster Linie Humanitätsanstalt, nicht Armenanstalt und galt dem Schutze der gefallenen Frau aller Stände. Zu diesem Zwecke hestand eine Zahl und eine Gratisabteilung. Die Geheimhaltung der Mutter⸗ schaft war grundlegendes Prinzip. Dieses hatte zur Folge, daß recht- liche Anspruüche des Kindes gegenüber der Mutter und dem außerehelichen Vater nicht geltend gemacht, diese von der Unterhalts⸗ und Erziehungs⸗ pflicht befreit wurden. ĩ

Der Redner stellte folgende Grundsätze auf: 1) Eg empfiehlt sich, in dem deutschen Reichagesetze, betreffend den Unterstützungswohnsitz, und, in dem österreichischen Heimatgesetze in unjweideutiger, klarer Weise zum Ausdruck ju bringen, daß unter dem unentbehrlichen Lebensunterhalte auch die der Gesundheit entsprechende Ernährung und Köiperpflege des armen Kindes ju verstehen ist, und daß somit die Armenverhände bejw. die Gemeinden zu einer solchen verpflichtet sind. 2) Die Gemeinden und Ortsarmenverbände mit Ausnahme der roßen Städte sind in der Regel jzur Bewältigung einer 1 schwierigen und verantwortungs vollen, Volkwoblfahrt und Staats- wohl so nahe berührenden Aufgabe, wie es die Pflege und Erziehung von Kindern ist, nicht geeignet. Die Fürsorge für arme Kinder ist daher den kleinen, e n , Verbänden abzunehmen und rößeren Verbänden zu übertragen und im Wege elner wirksamen

ussicht sicherzustellen. 3) Es empfiehlt sich im Anschluß an die öffent⸗ liche Gebäranstalt eine Ginrichtung, welche die Fürsorge für die da—⸗ selbst geborenen armenrechtlich hilfsbedürftigen Säuglinge mit der Be⸗ rufsvormundschaft über dieselben verbindet.

Kunsft und Wissenschaft.

Ausstellung belgischer Kunst im Sezessionsgebäude. (Malerei.) Der erste Eindruck, den man von den Belgiern erhält, ist der imposanter Vlelseitigkeit. Dieser Eindruck hält auch bei längerem und wiederholtem Besuche an. Es gibt ja auch nächst Italien

kein Land, das wie das kleine Belgien so reich an ver⸗ schiedenartigen Städtephysiognomien wärt. Gz sind allerdings jwei Künftlergenerationen vertreten; eine fast ausgestorbene und die heute blühende, und jwischen beiden liegt ein Wandel vom Alten zum Neuen. Das erklärt etwas den ver⸗ schwenderischen Reichtum an gi rech Persönlichkeiten. Daß damit aber nur jum Teil das Phanomen erklärt ist, jeigen beispiels= weise die beiden der älteren Generation angehörenden Heiner Ste⸗ vent. Der eine, Alfred (1823 1906), der Maler eleganter Damen mit der zärtlichen Liebe für alles Crlesene, Feine, Glatte, Schim⸗ mernde, für seidene Toiletten, polierte Mahagontmöbel, japanssche Vasen. Der andere, Joseph (1819 1892), eine derbere Natur, die ihre Freude am Rauhen, Spröden, Borftigen hat. Zottige Hunde malt er und das krause Durcheinander eines Gauklerhelmz.

Sehr verschiedenartige Einflüsse erklären weiter diese Vielheit der künstlerischen Absichten. Eine sehr bedeutende Rolle haben die alten Meister deß Landes und des e de,, e. und sfaenm⸗ verwandten Hollands gespielt. Nicht weniger haben die großen y, des neunzehnten Jahrhunderts auf Belgien eingewirkt.

n vielen Fällen haben sich beide Einflüsse gekreuzt. Henri de Braekeleer (1840 - 18388), der spät ‚Enideckte', mutet wie ein Schüler des Jan Vormeer van Delft an. Motive und Probleme des Holländers des siebzehnten Jahrhundert sind hier wieder auf⸗ genommen. Interieurs mit ein oder zwei Figuren, Räume, in die sich ein mildes Licht ergießt. Aber Braekeleer ist weniger einfach als der alte Meister. Kostbarkeiten stapelt er in diesen Räumen auf und läßt sie dort im Lichte blitzen und schimmern: Ledertapeten, Teppiche, Brokate, silberne Leuchter, geschliffenen Kristall. Und Brackeleers Licht ist wirklich mächtig genug, alle diese heterogenen Stoffe ju einer Einheit zusammenzubinden. Auch Pieter de Hooch wurde vom Künstler ftudiert. Das zeigt der schlichtere, tiefer ge— färbte Geburtstag“. .

Vor den Bildern Eugöne Laermans stellen sich Erinne⸗ rungen an den alten Pieter Brueghel ein. Nur, daß alles Brueghelsche hier gesteigert ist; die Linien sind von noch größerer Strenge, die herben Farben sind noch einfacher nebeneinander gesetzt; das Alltäg- liche, Zufällige ist noch vollkommener ins Typische umgesetzt. Mit dem Betrunkenen‘, der, von Frau und Kindern gestützt, den ver⸗ schneiten Weg am Kanal entlang heimwärts want, ist nicht das Unglück einer, nein hunderter Arbeiterfamilien erjäblt. Grgreifend ist der Anblick deß Blinden“, der, von einem kleinen Mädchen geführt, über die Landstraße schreitet. Breit öffnet sich die blaugrüne Ebene, fern liegt der Horizont. Dieser Kontrast jwischen der Weiträumigkeit der Landschaft und dem Blinden, der die allernächste Nähe mit dem Stocke tastend nur mühsam errät, wirkt erschütternd. In Lon Frsdsrie ist etwas von Rubens wieder lebendig geworden, wenigstens in einem seiner Bilder, dem „Bach“. Durch ein Gehölz schlängelt sich ein Bach, in dem hunderte von nackten, rosigen, blonden Kindern jubeln und tanzen; immer mehr drängen sich aus dem lichtgrünen Buschwerk hervor; noch tief im Hintergrunde, wo der Bachlauf verschwindet, schimmert es von rosigen Kinderkörpern. Ganz Rubengartig in der Idee der Fruchtbarkeit, des unerschöpflichen Reichtums an Leben, Rubensartig, das Symbolische ganz wirklich darsustellen, Rubensartig auch die Farben. Kaum erkennt man im ersten Augenblick den⸗ selben Künstler wieder in ‚Zum Schmucke der Kirche. Schlichte, sauber gewaschene und gekämmte Mädchen, die jede mit einem Blumen⸗ topf in der hand zu Kirche ziehen. Aber es ist doch wieder dieselbe Adsicht, dieselbe Freude am jungen, ungebrochenen Leben. Und wieder genügt ihm nicht ein Kind, um das ju sagen; wieder muß es eine unabsehbare Menge sein.

Der Einfluß der Franjosen 833 neunzehnten Jahrhunderts ist bei dem bereits erwahnten Joseph Stevens ganz offenbar. Und zwar war ihm Courbet das Vorbild, wie das Streben nach starker Illusion der Stoffe und ein gewisser schwerer Ton lehren. Das gleiche gilt für das frühere Bild „‚Circe Charles Hermans, während Der , denselben Künstler im Anschluß an jene jeigt, die bei

elagquez Anregung fanden. Französisch sind auch die Vorbilder der grohen dekorativen Arbeiten von ganz zarter, matter Färbung. So „Sacra sub arbore“ von Constant Montald. Als ob ein Nchbeischleier darüber gelegt wäre, so weich und gedämpft sind alle Töne. Ein ähnlicher feiner, grauer Schimmer liegt auch über Jean Delvilleg Schule des Plato“. Streng symmetrisch und von etwas lateinischer Kälte und darum monumental ist diese Komposition, die sich weiter durch einen heute seltenen Vorjug auszeichnet, durch den Wohlklang der großen, sehr edlen Linien. Jene attischen Cpheben, die dem Dialog des Philosophen und eines Jünglings lauschen, sind allerdings keine ganz echten Griechen. rotz ihrer Nackt⸗ heit, trotz ihrer Kränje sieht man ihnen das jwanzigste Jahr— hundert an. Sie halten sich mit einer Anmut, die nicht in Hellas, sondern in Paris ju Hause ist. Aber solche Einwände werden den Künstler wenig kümmern. Er wird sagen, daß er kein Historiker sein will. Und er hat recht. Ein großes monumentales Werk ist ferner Emile Fabrys „Kolonialer Aufschwung“. Ein rosenbekraͤnztes Schiff, auf dem mit triumphierend ausgestrecktem Arm der weibliche Genius des Handels steht, läuft vom Stapel. Rosse schleppen das Schiff über den Ufersand dem Meere ju, Männer von athletischem Wuchs schieben und ziehen. Keins der Antlitze dieser Maͤnner ift gejeigt; verdeckt oder in Schatten gehüllt sind die Köpfe. Keine denkenden Einzelwesen sind sie; ihre mächtig arbeltenden Körper gehorchen wie Teile einer Maschine einem leitenden Willen. Meuniers große Arbeiterbilder enttäuschen. Figuren und Land⸗ schaften stehen nicht recht im Einklang. Jene sind in Haltung und Bewegung stark stilisiert, diese sind naturalistisch behandelt. Nur im Landschaftlichen ist Meunier Maler, bei den Figuren denkt er als Plastiker, als Reliefkünstler. .

Werke von delikatem Reiz von Fernand Khnoff sind zu seben, vor allem das wundervolle „En 6écoutant du Schumann“. Man glaubt Mollakkorde zu vernehmen. Unendlich weich sind alle Töne, das Schwarz der lauschenden Dame im Sessel, das dunkle Rot der altmodischen Polstermöbel, des Teppichs. Erstaunlich, daß dem Künstler das Gleiche bei dem „Innern einer Kirche“ gelang, einem Bild von Schwarz und Weiß, also sehr starker Kontraste. Aber Khnoff hat verstanden, alles grelle Licht in milde Helligkeit, alle Schatten in weiche Dämmerigkeit umzuwandeln. Von glelcher Zartheit ist das Porträt eines kleinen Mädchen. Nicht ganz behaglich wird uns vor dem Triptychon Vereinsamung? zumute. Wir glauben nicht recht an diesen englisch⸗praeraffaelitischen Mystizismus. Man wittert hier er und das verdirbt einem etwas die Freude an der wieder ganz östlichen Feinheit der Zeichnung. .

An der Spitze der Impressionisten steht Théo van Ryssel⸗ berghe mit dem Bildnis des Fräulein Stocht. Der Farbeneindruck wird durch ein kaltes Grün und ein leuchtendes Blau bestimmt. Be⸗ sonders technisch ist dieses Mädchenportraͤt merkwürdig; ganz fleckig ift der Hintergrund gemalt, denn und Körper sind dagegen glatter behandelt und lösen sich so stärker von der Umgebung. Ein prächtiges Bild ist ferner Georges Morrens „Sommer!. Mädchen im Garten im vollen Mittagssonnenschein, der den Gegenständen ihre natürliche Farbe nimmt, sie . glühen oder in ungeheurer Intensität aufleuchten läßt. Von düsterer Großartigkeit ist Albert Baertsoens „Winter im Industriegebiet'. Hier ist wieder einmal dem Irrtum, Fabrikgegenden böten in allen Fällen einen nüchternen Anblick, siegreich entgegengetreten. Dieser Blick vom Hügel herab auf die rußgeschwärzten Ziegelhäuser und dampfenden Essen hat etwas Heroisches. Man wird des ganzen männlichen . 3 33 .

r. Frhr. v. H.

Gesundheitõwesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln. Griechenland.

Die griechische Regierung hat für , aus den äfen von Batum, Novorossiisk, Taganrog, Rostow, ertch, Theodosia Odessa und Sewastopol eine fünf⸗

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