wäre übrigens, ob wir uns nicht mit dem Gedanken einer Sistierung der Ausfuhrung dies uckersteuergesetzes vertraut machen sollten; beute würde eine solche Vorlage keine Mehrheit finden; denn die Verbilligung des Zuckers ist zwar sehr wünschenswert, aber nicht so besonderg dringlich. Es ist doch etwas ganz Außer—⸗
wöhnliches, eine gewisse Zwangslage in der wir uns be⸗ 3 auf diese Weise noch ju derschãrfen, daß wir gleich⸗ jeitig etwas durchführen wollen, was ohne Schaden auf⸗
eschoben werden kann. Weiter wird zugeschlagen der Ausfall , Fahrkartensteuer, obwohl noch gar nicht feststeht, daß die Steuer aufgehoben wird, und der Ausfall für die Verminderung des Orts; portog, obwohl die Zunahme des Verkehrs den Ausfall rasch bermindern wird. Im ganzen aber kommen auch in der Rechnung des Reichsschatz. amts für fünf Jahre nur 2000 Millionen, also jährlich 400, nicht 00 Millionen Mark heraus; für die letzten drel Jahre des Quinquennats sind schon 145 Millionen Mark Ueberschuß vorhanden. ier fängt nun erst die Kunst an; hier werden die ge— fie erh Matrikularbeitrãge elnfach dem Reiche wieder auf⸗ ebürdet, und sie sollen auch ausgerechnet bis Ende 1913 voll . sein. Trotzdem laufen dabei die jetzt von uns zu bewilligenden Steuern selbstherständlich weiter. 1814 ist eine ganz sonderbare Situation, wir hätten dann über 100 Millionen Ueberschuß;. die dem Steuerzahler ju Unrecht abgenommen wären. Werden, dann aber die 242 Millionen Mark ge— stundeter Matrikularbeiträge usw. guch vom Resche iber⸗ nommen werden? Ich werde mich daher etwas günstiger in dieser Richtung äußern als die meisten Vorredner. Vur auf diesem Wege der kuͤnstlichen Berechnung ist es möglich, den Zwiespalt zu erklären, der zwischen 1906 und 1968 vorliegt. Nach den damaligen Bewilligungen müßte noch ein Defizit von 100 bis 120 Millionen vorhanden sein; und dieses soll in den letzten zwei Jahren auf 500 Millionen gestiegen sein! Steuergeschãfte macht man doch nicht auf Grundlage der Tageskonjunktur, dag ist hier aber geschehen, und auf die Ersparnisse, die doch bei der Reform die Hauptrolle spielen sollen, ist gar keine Rücksicht ge= nommen. Wir können ja nichts anderes tun als sparen, nachdem uns der Reichskanzler im Ton des fast väterlichen Wohlwollens, den er neuerdings anzuschlagen liebt, keinen ausgenommen, alle zur Sparsamkeit ermahnt hat, groß und klein. Aber er ist wie so oft sofort stark mißverstanden worden. Jedenfalls macht jetzt die Reichskriegsverwaltung dem Grafen Zeppelin Schwierigkeiten bei der Zahlung für den Ballon, hat also wohl die Mahnung dez Kanzlers zur Sparlamkeit falsch verstanden. Die 6 Millionen, die das deutsche Volk dem Grafen gespendet hat, sollten nicht zur Er— leichterung der Reichskasse dienen; es möge daher dem Krieg: minister bedeutet werden, daß er den Kanzler falsch, verstanden bat. Man macht dem Reichstage jetzt Vorwürfe wegen seiner früheren Bewilligungen. Wenn wlr bloß Deckung für die Bewilligungen zu suchen hätten, die auf unser Betreiben erfolgt sind, dann wären wir mit dieser Kleinigkeit bald fertig; aber darum handelt es sich nicht. Man kann nicht bloß im Heeres etat, man kann auch trotz des Flottengesetzes im Marineetat große Ersparnisse machen, wenn man nur den guten Willen bat. Wir müssen es machen wie die Finanzminister, die sich die Etats der einzelnen Ressorts vorlegen lassen und ibnen sagen: so umd soviel muß Abgestrichen werden. Darüber, wo abgestrichen wird, zerbrechen sie sich nicht den Kopf, es ist kein Zweifel, daß die Ressorts am richtigen Flick sparen werden. Wir durfen auch nicht die alten Posten in den Etats immer fortlaufen lassen, sondern gründlich untersuchen, bei welchen einzelnen Posten über das Notwendige hinausgegangen ist, und diese Posten entweder streichen oder vermindern. Ich sehe auch nicht ein, weshalb wir mit der Sparsamkeit warten sollten. Wenn die Zeiten wirklich so schlecht sind, wie der Finanjminister sagt, so müssen wir sofort damit anfangen. Ich glaube sicher, daß in Heer und Marine nech ganz andere Ersparnisse möglich sind; namentlich bei den militärischen Submissionen sind im Laufe der letzten Jabr⸗ jehnte durch Unkenntnis und Unverstand Hunderte von Millionen verloren gegangen. Das liegt weniger an den Persönlichkeiten als an der Finrichtung. Die Offiniere können ja nicht auf allen Gebieten technisch sachverständig sein. Es müssen mehr als bisher Sachverständige herangezogen werden, um denjenigen die Ver antwortlichkeit abzunehmen, die sie nicht tragen können. Wie hoch wird nun unser Bedarf sein? Das kann niemand bei Heller und Pfennig sagen. Nach meinen eigenen Berechnungen wird der Bedarf von dem von dem Abg. Spahn angenommenen Satze von 390 Millionen nicht abweichen. Der Reichsschatzsekretãr würde froh sein, wenn er nur die 300 Millionen bekäme. (Der Schatzsekretär schüttelt den Kopf.) Auf dem Schlachtfelde sehen wir bereits die Leichen des Branntweinmonopols, der Banderolensteuer. Schon früher waren wir der Meinung, daß diese Steuern nicht angenommen werden würden, daß es schade sei um Mühe, Zeit und Paxier. Nicht nur unt Demokraten und Linksliberalen, sondern auch den welter rechts stebenden Liberalen wird es schlechterdings unmöglich sein, einer Finanzreform zuzustimmen, die nur diese neuen Lasten bringt. Wir sind von der Notwendigkeit durchdrungen, neben diesen Steuern auch eine Heranziehung des Besitzes berbeljzuführen. Ich habe aller⸗ dings die Hoffnung aufgegeben, daß die Nachlaßsteuer usw zu stande kommt. Damit fallen aber 97 Millionen weg. Es fragt sich, welche neue Steuer an die Stelle dieser geplanten Besteuerung der Ver- mögenden treten soll. An einer Reform kann die Linke nicht mit- arbeiten, die auf eine Besteuerung der Besitzenden verrichtet. Die Einkommensteuer schalte ich aus, weil sie von den Einzelstaaten und von den Gemeinden bereits in einer Weise in Anspruch ge⸗ nommen ist, daß es kaum möglich sein wird, sie zu steigern, den Einzelstaaten und Kommunen eine Einnahmequelle zu entiehen, auf die sie nicht verzichten können. Aber ganz anders liegt es bei der Reichs vermögenssteuer. Ich glaube, der Kampf der ächsten Wochen wird sich schließlich darum drehen, und das Schicksal der Reichsfinanzreform wird davon abhängen, ob wir uns über eine Reichsvermögenssteuer einigen können oder nicht. Ich wäre bereit, auch für die Reich svermõgenssteuer einzutreten, obwohl es mir sauer geworden ist, denn ich habe auch ein Herz für die Finanjverhältnisse der Einzelstaaten, und außerdem wünsche ich eine Zentralisation nicht; aber ich weiß keinen anderen Ausweg. Ausschlaggebend ist das Zentrum; es hat sich bis jetzt über die Frage ausgeschwiegen, aber es wird der Tag kommen, an dem es sich darüber entscheidet, und ich kann mir nicht vorstellen, daß es einer Reform zustimmen könnte, die Steuern lediglich auf solche Artikel legen würde, die den kleinen Mann ebenso scharf treffen wie den Reichen. Die Reichs vermõgenssteuer sollte progressiv bemessen werden; damit würde das Einnahn ebewilligungsrecht des Reichstages garantiert werden, das von den verbündeten Regierungen in ibrer Vorlage nicht sorglich be⸗ handelt wird. Der Satz der Steuer könnte alliãhrlich im Etat fest⸗ gesetzt und damit der erzieherische Charakier dieser Steuer gewahrt werden. Es muß den vermögenden Klassen am Schlusse jedes Jahres am Geldbeutel füblbar werden, ob man die Steuer ausgegeben hat oder nicht. Die Einielstaaten könnten nach vom Reiche fest— zulegenden Grundsätzen die Steuer veranlagen, ein iehen und abliefern. Dann wird auch für die Einzelstaaten die Möglichleit kommen, an uns mit der Frage der Begrenzung der Matt kularbeitrãge auf eine gewisse Zeit heranzutreten; dazu ist dieser bewegliche Faktor erforderlich. Die Einzelstaaten können sich nicht der Verpflichtung, für die Solvenz des Reiches zu sorgen, ganz und gar entschlagen. Vorsichtshalber will ich sagen, für uns in Württemberg ist es gleichgültig, eb die 242 Millionen gestundeter Meatrikular— beiträge vom Reich überngmmen werden oder nicht. Es ist aber nicht richtig, daß es Schulden des Einzelstaats wären, sondern es handelt sich um unbezablte Verbindlichkeiten des Reiches, die man in Ermangelung eines Besseren auf die Einzelstaaten angewiesen hat, die sie sich seufzend haben ankreiden lassen, wobei sie aber gleickzestig erklärt baben, daß sie sie. nicht bezahlen wollten. Zwingt man sie, diese Beiträge in einigen Jahren abjuliefern, so werden sie teilweise wirklich zur Aufnahme von Anleihen geiwungen sein, und das wäre doch weder zweckmäßig noch
der Kommission noch weiter unterhalten. Von den einzelnen Steuern ö ich ee. die Weinsteuer eingehender zu besprechen. Schon neulich hat der Abg. Spahn nach dem württembergischen Ministerpräsidenten von Mittnacht gerufen, der ist leider nicht mehr Bundesratsmitglied, aber was er 1895 auch dem Reichstage aus« führlich über den ablehnenden Standpunkt Württembergs, wie er ihn im Bundesrat vertreten hatte, vorgetragen hat, rufe ich kur in Ihr Gedächtnis zurück. (Der Redner verliest die betreffenden Aeußerungen. ) Die bundesstaatliche Räcksicht, die damals jum Fallenlassen des Entwurfs geführt hat, sohte auch heute maß⸗ gebend sein, und zwar auch für die vorgeschlagene Flaschensteuer. Der Entwurf ist so salopp ausgearbeitet, daß man diese mißachtliche Behandlung zweifellos nur dem Umstand zuschreiben kann, daß diese Flaschenweinsteuer in ein paar Jahren zur reinen, vollen Weinsteuer wird. Er wird den ohnedies hart ringenden Weinbau in einer unerträglichen Weise belasten. Es klingt gut und hat etwas Wahres in sich, wenn man sagt, in dem Augenblick, wo die Getrãnke der ärmeren Klassen herangezogen werden, müsse auch der. Wein besteuert werden. Die Frage ist nur, ob wirklich der inländische Konsument die Weinsteuer bezahlt, oder ob sie, wie mit Sicherheit vorauszusehen ist, übergewälst wird auf den vielfach armen Winzer, dessen Lage sich seit 1894 nicht verbessert, sondern schon dadurch wesentlich verschlechtert hat, daß seit jener Zeit von Jahr ju Jahr mehr Schärlinge auftreten, die den Aufwand und die Mühe für die Bebauung der Weinberge in ganz unerwarteter und gar nicht vorauszusehender Weise hinfällig machen. Dem Ruf: Schutz der Landwirtschaft!“ sollte man sein Recht auch da gönnen, wo es sich um einen Zweig der Landwirtschaft handelt, der den Schutz notwendiger hat als jeder andere. Können alle diese Finanz⸗
fragen sosgelöst von den politischen Fragen beurteilt werden, die unser öffentliches Leben zurzeit beherrschen auf dem Papier und in den Verhandlungen? Hätten wir diese
Fragen kombiniert, so wären beide nscht voll zu ihrem Recht ge⸗ kommen. Aber materiell kann man sie nicht von einander trennen. Das Deutsche Reich braucht nicht nur Geld, mindesten ebenso notwendig hat es Stetigkeit und Ordnung in seiner Führung, eine bessere Machtstellung und Fortschritte auf allen. Gebieten in liberalem Sinne. Die Erregung über die Vorgänge, die Gegen— stand unserer Besprechungen in der letzten Woche waren, zittert im ganzen Lande noch nach. Jeder siebt, daß wir erst am Anfange des Kampfes um konstitutionelle Garantien stehen. Jeder sieht aber auch, daß die Lage des Deutschen Reichstags dies mal ausnahmsweise günstig ist, denn er besitzt bei Entscheidung dieser Frage etwas, was er noch nie besessen hat, er hat eine Macht! Wir müssen bei der Finanzfrage mitarbeiten, weil es ein Fehler sein würde, unsere Mitwirkung so lange zu ver⸗ sagen, bis unsere liberalen und konstitutionellen Forderungen erfüllt sind. Es werden Wochen und Monate vergehen, bis die Formeln gefunden sind, durch die man vielleicht die Gedanken, die uns allen vorschweben, zu Gesetzesborlagen verdichten kann. Wir wissen, daß die beiden Aktionen parallel neben einander herlaufen und gleichzeitig zum Abschluß gelangen müßten. Wir wollen aber nicht durch Versagung unserer Mitwirkung die Ansicht aufkommen lassen, als ob wir auf eine Weiterverfolgung unserer liberalen und kon⸗ stitutionellen Forderungen vernichten. Die Entscheidung wird von uns gefällt werden, sobald wir übersehen können, wie viel von dem deutschen Volke gefordert und wie viel oder wie wenig ihm geboten wird.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Sydow: Meine Herren! Trotz der vorgerückten Stunde nötigen mich einige Bemerkungen des Herrn Vorredner, noch einmal das Wort ju nehmen, damit sie nicht, getragen von seiner Autorität, hinausgehen, ohne Widerspruch gefunden zu haben. Bei der Frage der Weinsteuer hat der Herr Vorredner gesagt, es handle sich hier um eine Frage — wenn ich richtig wiedergebe — der bundesstaatlichen Moral in bezug auf dle Aussichten, die seinerzeit Württemberg bei Abschluß der Versailler Verträge gegenüber der Be⸗ fürchtung der Reichsweinsteuer gemacht seien. Aug den von ihm ver⸗ lesenen Erklärungen des Herrn Ministeis von Mittnacht ergibt sich, daß dieser den Eindruck seiner damaligen Besprechungen dahin jusammengefaßt hat, es würde ohne Zustimmung Württembergs eine Weinsteuer nicht vom Reiche eingeführt werden. Zu dem Entwurf, wie er jetzt vorliegt, zu der Ein⸗ führung einer Flaschenweinsteuer, ist die Zustimmung Württem⸗ bergs im Bundesrat eiklärt worden, auf der andern Seite ist aber auch im Bundesrat festgestellt worden, daß die verbündeten Regierungen nicht die Absicht haben, diese Flaschenweinsteuer über kurz oder lang zu einer allgemeinen Weinsteuer auszubauen, daß irgend ein Mangel, den nach der Kritik des Herrn Vortedners der Entwurf in seiner jetzigen Fassung hat, dazu nötige, aus der Flaschenweinsteuer zu einer allgemeinen Weinsteuer überjugehen, oder daß ein solcher Uebergang vorbereitet werden soll, daß vermag ich nlcht anzuerkennen. Ich muß dieser Annahme hier im Namen der verbündeten Regierungen ausdrücklich widersprechen. Sodann hat der Herr Vorredner die Bedarfgberechnung einer ein⸗ gebenden Kritik unterworfen. Er hat junächst gefragt: warum hat denn das Reichsschatzamt sich gerade eine Periode von 5 Jahren aus gewählt? Ja, hätten wir eine Vorlage gemacht, die nur den Bedarf des nächsten und übernächsten Jahres berücksichtigt, so wäre unt ge— antwortet worden; wir wollen keine Reform für 2 Jahre. Und wieder für einen längeren Bedarf als für 5 Jahre elne auch nur einigermaßen wahrscheinlich richtige Berechnung aufzumachen, das ist menschlich nicht möglich. Der Herr Vorredner hat einjelne Posten beanstandet, insbesondere das Inbetrachtziehen der 100 Millionen im Durchschnitt, die für die Besoldungsaufbesserung nötig sein würden, und gesagt: die Besoldunge⸗ aufbesserung ist noch nicht bewilligt. Richtig; aber es ist doch der Wunsch des Reichtztags, sie zu bewilligen (sehr richtig! rechts), und die verbündelen Regierungen möchten dem Wunsche entgegenkommen, wenn es mit den Mitteln irgendwie vereinbar ist. Oder sollte gemeint sein: es stehe noch nicht sicher fest, daß der Reichstag die Besoldungs⸗ aufbesserung in der vollen Höhe bewilligen wird, die die verbündeten Regierungen vorgeschlagen haben? Die Gefahr könnte eher nach der anderen Seite hin eintreten. (Sehr richtig! rechts.) Dann ist sowohl von dem Herrn Vorredner wie von einem anderen Herrn seiner Fraktionsgemeinschaft die Höhe der für die Schuldentilgung in Aussicht genommenen Summen kritisiert worden.
zeit die Budgetkommission des Reichstags, wenn ich nicht irre, mit Einstimmigkeit oder doch annähernd mit Einstimmigkelt gemacht hat. Wir müssen, da es jetzt derselbe Reichtag ist, dem damals die Kom⸗ mission angehörte, doch wobl annehmen, daß das der Meinung der Mehrheit des Hauses entspricht. ; Und endlich die Zuckersteuer. Es ist schon wiederholt hler be—⸗ mängelt worden, daß der Ausfall für alle Jahre mit 35 Millionen angesetzt wird. Ich kann nur nochmals sagen: wie welt diese Herab⸗ setzung der Steuer konsumstärkend wirken wird, das läßt sich absolut nicht voraussehen; da können Kartellbildungen dazwischenkommen, die
Wir haben uns im wesentlichen an die Vorschläge gehalten, die seiner .
Wunsch der Mehrheit des Reichstags. Die verbündeten Reglerungen wollen der Mehrheit entgegenkommen unter der Voraussetzung, daß sie einen Ersatz dafür in anderen Einnahmen erhalten. Werden die anderen gewünschten Steuern um so vlel verkürzt, daß kein Ersetz bleibt, dann ist es natürlich nicht möglich, die Fahrkartensteuer wieder verschwinden zu lassen. (Sehr richtig! rechts.) In der Frage der aufgeschobenen Matrikularbelträge und ihrer Uebernahme auf Reichsmittel hat sich ja der Herr Vorredner etwa freundlicher gestellt als die meisten anderen Herren, die hier jum Worte gekommen sind. Er hat aber auch gefragt: müssen denn nun diese 242 Millionen gerade in fünf Jahren abgetragen werden? An sich ist ja, da es sich um Ausgaben schon von dem Jahre 1906 ab handelt, eine Zeit von im ganzen sieben oder acht Jahren nicht gerade knapp zu ihrer Bezahlung; aber sie werden ja auch nicht mit Sicher. heit bis 1913 durch die in Aussicht genommenen Maßregeln gedeckt werden. Gerade in den 194 Millionen Mark, die rechnerisch noch übrig bleiben zu decken, steckt der größte Teil dieser aufgeschobenen Matrikularbeitrãge. Dazu kommen aber noch, wie ich mir vorgestem ju bemerken erlaubte, über 100 Millionen Defnzit, die das lausende Jahr voraussichtlich geben wird. Also es hat keine Not, zu sorgen, de mehr Steuern verlangt werden als dringend notwendig wäre, um n den fünf Jahren oder in einer längeren Zeit in Ordnung zu kommen. Daß im Jahre 1913 nach der Berechnung hier die Einnahmen um 30 Millionen höher sind als die Ausgaben, das ist richtig. Aber abgesehen von dem Rest von 194 Millionen, abgesehen von den weiteren 100 Millionen, liegt doch die Sache so: haben Sle fünf Jahre lang wirklich die Ausgaben stark zurückzeschnitten, dann sind auch solche für nötige Zwecke — und, ich bin überzeugt, auch Zwtche, für die sich der Reichstag aufs wärmste interessiert — zurückgestellt worden, und dann ist es noch kein Mangel an Sparsamkelt, wem man Mittel verwenden kann, um zurückgestellte Kulturaufgaben u erfüllen. Der Herr Abg. von Payer hat auch noch gefragt: wie ist es nur möglich, zu erklären, daß man vor jwei Jahren das voraus sichtlich Defizit auf 225 bis 250 Millionen Mark und jetzt auf das Doppelte schätzi? Das habe ich, glaube ich, auch schon vorgestern klargelegt: seit jener Zeit sind die erhöhten Ausgaben für die Flotte hinsu= getreten; dann sind aber auch dadurch, daß vor jwei Jahren nicht die verlangten Steuern bewilligt wurden, eben neue Schulden hinm— gekommen. Und endlich spielt hier auch die Besoldungsaufbesserunz eine Rolle, von der vor zwei Jahren noch keine Rede war. Von dem Herrn Vorredner ist, wie von allen, aber noch mit besonderem Nachdruck, die Notwendigkeit der Ersparnssse untersirschen worden. Meine Herren, Sie werden es mir nicht verdenken, wenn ich jetzt in meiner Stellung von Etsparnissen nicht mehr gern rede; denn je mehr ich davon rede (Heiterkeit), desto mehr setze ich mich dem Vorwurf aus, es mit Worten machen zu wollen, denen nachher die Taten nicht folgen. (Zuruf links: Das kommt davon! — Heiter keit, Die Notwendigkeit habe ich von Anfang an betont — noch notwendiger sind die Taten. Die Taten können von der Finanzverwaltung hauptsächlich bei der Etatsaufstellung in Kraft gesetzt werden, und wenn die Herren im Reichstage die Finanj= verwaltung in der Beziehung bel ihrem Bestreben unterstützen wollen, so wird sie immer sehr dankkar sein, wird aber auch unabhändig davon das ihrige im Bundesrat tun. Wenn der Herr Vorredner dann gesagt hat, ich würde wohl sehr froh sein, wenn ich schon nur 300 Millionen hätte ja, meine Herren, ich kriege sie nicht. (Heiter= keit Das verschlebt das Bild. Ich habe nur dasselbe Inter⸗ esse wie Sie: das Interesse, die Finanzen des Relchs in Ordnung zu bringen (Bravo, und da kann ich nur der ernslen Sorge Ausdruck geben, wenn Sie glauben, Sie werden mit 300 Millionen weiterkommen, dann werden Sle wieder nur halbe Arbeit machen und nach kurzem vor neuen Schwierigkeiten stehen, davor wollen wir dech uns alle und auch das Deutsche Volk zu behüten suchen. (Lebhafte Bravo, rechts.)
Darauf tritt Vertagung ein. u
Schluß 63 / Uhr. Nächste Sitzung Dienstag, 1 Uhr. hne T ei , des Grubenunglücks auf Zeche Radbod.)
Preusßzischer Landtag.
Haus der Abgeordneten. 10. Sitzung vom 23. November 1908, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Heranziehung der Beamten zur Gemeindeeinkommensteuer.
Minister des Innern von Moltke:
Meine Herren! Seit einer Reihe von Jahren ist aus der Mitte dieseß hohen Hauses an die Königliche Staatsregierung wiederholt die Aufforderung ergangen, eine Vorlage vorzubereiten und vorzulegen, welche das Steuervorrecht der Beamten der in dem Kommunal. abgabengesetz von 1893 vorgesehenen und vorbehaltenen endgũltigen gesetzlichen Regelung unterziehen soll. Entsprechend einer Zusage des Herrn Finanmministers sind wir gelegentlich der das hohe hau gegenwärtig beschäftigenden Beamtenbesoldungsvorlage an die Lösung dieser Frage herangetreten. Der Entwurf zu einem Gesetze, betriffend dle Heranziehung der Beamten jur Gemeindeeinkommensteuer, mi seiner Begründung befindet sich in Ihren Händen. Ich erlaube mit, zu seiner Einfübrung einige Worte vorweg zu schicken.
Es geht nicht wohl an, das den im Dienst befindlichen Beamten
justehende und gesetzlich gewährleistete Steuervorrecht ohne weiteret, das heißt, ohne eine entsprechende anderweite Entschädigung, gan oder zum Teil ju nehmen. Wenn man also an eine * regelung auf diesem Gebiet herantritt, so ist die erste Frage, die s aufdrängt, die: woher die Deckung nehmen, um die Beamten schadlo⸗ u halten? ö. den ersten Blick würde — so scheint es — die Neuregelung dieser Angelegenheit ihre einfachste Lösung gefunden haben, wenn man die Beamten behufs Schadloshaltung auf die ihnen durch die * soldungt vorlage zugewandte Ausbesserung hätte verweisen können; = wäre dann das jetzt zur Besprechung stehende Gesetz in einen innert Zusammenhang mit der Besoldungsvorlage gebracht worden s
den ganjen Effekt aufheben.
bundes freundlich. Ueber diesen Punkt werden wir uns hoffentlich in
Die Fahrkartensteuer aufjuheben, ist ja auch, wie es scheint, der
(Schluß in der Dritten Beilage.)
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich
(Schluß aus der Zweiten Beilage.)
Oleser Weg ließ sich aber praktisch nicht beschreiten. Sie wissen, daß die Besoldungsvorlage nicht für alle Beamtenklassen überhaupt eine Gehaltsverbesserung vorfieht; andererseits würde daz höchste Maß der zugedachten Verbefferung bei manchen Btamtenklassen nicht einmal zu einem billigen Ausgleich ausgereicht haben. Der Zweck der Beamtenbesoldunggvorlage ist aber und muß doch bleiben, die von Ihnen als notwendig erkannte Verbesserung der Lage der Beamten und ihrer Famlien tat sächllch zu erreichen. Zur Wahrung dieses Erfolges mußte eine gleichzeitige Zuweisung steuerlicher Mehrlasten alg aug⸗ geschlossen erscheinen. Es ergab sich also für die Königliche Staats⸗ regierung die Notwendigkelt, zwar im äußeren Zusanm menhang mit der Besoldungs vorlage, aber ohne Rückgriff auf die durch sie zur Ver⸗ fügung ju stellenden Mittel an die Sache heranzutreten. Das Maß für besonders zur Verfügung zu stellende Mittel würde natürlich in dem Verhältnis gestiegen oder gefallen sein, in welchem die Erfassung des Diensteinkommens durch Kommunalbesteuerung gesetzlich freigegeben worden wäre.
Gehe ich davon aus, daß einem aus der Mitte des Hauses wiederholt ausgesprochenen Wunsche gemäß die Erfassung des Dienst⸗ einkommens jur Kommunalsteuer allgemein auf 1090 69 der das Diensteinkommen belastenden Staatgzeinkommensteuer bestimmt würde, so hätte dies nach den angestellten Berechnungen neben den Anforderungen der Besoldungsordnung einen Bedarf an besonderen Mitteln für Schadlos haltung aller im Dienst befindlichen Beamten in Höhe von jährlich etwa 10 Millionen Mark ergeben. An die Uebernahme einer derartigen Summe auf den Etat konnte — zumal bei der gegenwartigen Finanz ⸗ lage — garnicht Cedacht werden. Ein solches Vorhaben würde aber auch abgesehen davon nicht ohne Bedenken gewesen sein, weil man eine dauernde Belastung der Gesamtheit der Steuerjahler zu Gunsten gerade dersenigen Gemeinden eingeführt haben wärde, die durch den Sitz der Behörden in ihrer Mitte an sich schon vor anderen Ge⸗ meinden bevorzugt sind. Auch würde das durch das Reichsgesetz für das Reich bedingte gleichmäßige Vorgehen hinsichtlich seiner Beamten das Reich vor eine sehr erheblich erhöhte Nehrbelastung geftellt haben, was tunlichst zu vermeiden war.
Aus diesen Gründen mußten wir bedauerllcherweife auch von einer Regelung absehen, welche die Aufwendung besonderer Staats- mittel zur Entschädigung der betroffenen Beamten benötigt hätte, und wurden zu dem positiven Ergebnis gedrängt, das sich in der Ihnen gemachten Vorlage findet. Der Gesetzentwurf belãßt es für diejenigen Beamten, die vor der Geltung des Gesetzes angestellt sind, bei dem bestehenden Zustand und unterwirft die erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes anzustellenden Beamten einer erweiterten Kommunalsteuerpflicht. Die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes an⸗ justellenden Beamten in Zukunft einer unbeschränkten Kommunal⸗ steuerpflicht auszusetzen, geht nicht an. Es muß auch in Zukunft dem Rechnung getragen werden, daß der Beamte in der Wahl seines Wohnsitzes beschränkt ist, sich diesen nicht frei wählen kann und daher bei Versetzung aus einer mit Steuern gering belasteten Gemeinde in eine hochbelaftete in eine Verschlechterung seiner wirtschaftlichen age gebracht wird. Die sich daraug ergebende Verschledenheit bewirkt fär die Staatsbehörden eine unleidliche Beschränkung in der Freiheit der Besetzung der Stellen und der Versetzung der Beamten und demgemäß eine Schädigung schwerwiegender dienstlicher Interessen.
Diesen Erwägungen verdankt der Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf sein System. Danach sollen die nach dem 1. April 19090 anzustellenden Beamten überall zur Gemelndeelnkommensteuer mit einer nach oben gleichmäßig auf 100 0½ der Staatszeinkommensteuer bemessenen Umlage herangezogen werden können. Natürlich ist uns nicht entgangen, daß
auf der andern Seite die durchgängige Festlegung einer Grenze der
Umlagemõglichleit auf 100 υ der Staatz einkommensteuer für Ge⸗ meinden mit hoher und für solche mlt geringerer Steuer spannung hin⸗ sichtlich des jetzigen und des zukünftigen Ergebnisses ihrer Zommunal⸗ besteuerung nicht gleichmäßig wirken würde. Jetzt wird bekanntlich der Beamte nur von der Häfte seines Dienfleinkommeng, aber mit der vollen Umlage vorbehaltlich einer Begrenzung der Gesamt⸗ belestung auf höchsteng 20, seines Dienstelnkomment zur Kommunal⸗ steuer herangejogen. Diese Art der Besieuerung ermöglicht den
boch belasleten Gemeinden eine erheblich höhere Besteuerung des Diensteinkommens als den gering belasteten. Da aber bei der zukünftig beabsichtigten Besteuerungs form der ein
bestimmtes ¶ Diensteinkommen treffende Kommunalsteueꝛsatz überall, in allen Gemelnden mit 100 und mehr Projent Umlage, gleich- bleiben wird, so ist naturgemäß der Unterschied zwischen der zukünftigen und der bisherigen Belastung des Diensteinkomment in einer hoch besteuerten Gemeinde ein geringerer als in weniger belasteten. Sie werden indessen aus den auf Selte 9 der Vorlage gegebenen Zahlen ellennen, daß dle beabsichtigte Ausgestaltung der Steuerpflicht der Beamten auch für höher belastete Gemeinden tatsächlich einen wesent⸗ lichen Fortschrltt bringen würde. Im Interesse der hoch belasteten Hemeinden die Grenze der Umlagefähigleit des Diensteinkommens ilgemein höher als auf 10 0 festzusetzen, erschlen bedenklich, weil nicht nur in solchen Fällen der in Zukunft anzustellende Beamte zu empfindlich herangejogen worden wäre, sondern auch, well die Diffe⸗ tenierung zwischen den älteren und den jüngeren Beamten, die schon n und für sich, wenn auch nur im Uebergang zustande, keine ganz er⸗ dünschte Erscheinung ist, zu einer unleidlichen Schärfe herangewachsen wäre. Auch der Gedanle, das Maß der Umlagebelastung ju dem⸗ senigen der Heranziehbarkeit des Diensteinkommeng in ein beweg⸗ liche Verhältnis zu setzen, mußte verworfen weiden aus den vorhin untwickelten grundsatzlichen Erwägungen dienstlicher Rücksicht.
Meine Herren, wenn nun mit dieser Neuregelung der Umstand — denn Sie wollen, Uebelstand — verknüpft ist, daß den Gemeinden de bielleicht aus der Neuregelung erwachsende Zuwachs an Steuer-
*
Dritte Beilage
Berlin, Dienstag, d
en 24. November
—
müssen sich, glaube ich, mit mir vor Augen halten, daß im gegen⸗ wärtigen Augenblick in Rüäcksicht auf die Flnanzlage sowohl, als auch hinsichtlich der Lage der Beamten ein Mehr nicht zu erreichen ist.
Geistlichen den bisherigen Zustand, das heißt die völlige Freiheit des Dꝛensteinkommens von der Behandlung der Ruhegehälter auf dem Gebiete der Kommunal⸗
Motive ersichtlichen Gründen bel dem bestehenden Rechte belassen zu
wollen.
Indem ich mich auf diese kurzen Bemerkungen beschränke, empfehle ich den vorgelegten Gesetzentwurf, welcher das Maß des Grreichbaren einhält, Ihrer eingehenden Prüfung.
Abg. Herold (Zentr.): Die Gemeinden haben seit längeren Jahren um die Aufhebung des St:uerprivilegs der Beamten petitioniert. Nach⸗ dem die Deklarationspflicht eingeführt ift, kann aus der Schwierigkeit der richtigen Einschätzung der Zensiten ein Grund für die Bevor⸗ zugung der Beamten nicht mehr geltend gemacht werden. Anderseits ist aber auch zu beachten, daß. dadurch, daß eine gewisse Anzahl von Behörden in einer Stadt ihren Sitz hat, der betreffenden Gemeinde ein wesentlicher Nutzen entsteht. Wollte man diese Anschauung bis in die ãußerste Konsequenz durchführen, was f allerdings nicht möglich ist, so würden die Beamten bald gänzsich steuerfrei fein. Als Grund für die Aufhebung wird jetzt die Erhöhung der Beamtengehälter angeführt. Die Aufbesserung nimmt ja eine sehr statiliche Anjahl von Millionen in Anspruch; aber auch nach der Aufbesserung ist das Gehalt des ein. jelnen, mag er unterer, mittlerer oder höherer Beamter sein, immer noch sehr knapp bemessen, und der Beamte, der Familie hat, muß sich nach wie vor erheblich einschranken. Die beabsichtigte Differenzierung der Beamtenkategorien, je michdem sie vor der nach dem 31. Mätz 1909 angestellt worden sind, scheint mir auch sehr ungünstig zu sein. Es hat ferner große Schattenseiten, wenn man den Steuer hetrag auf 100 5/0 beschränkt. Eg gibt ja nur noch wenig Gemeinden, welche mit einem Steuerzuschlag von 106 9, auskommen. An den Gemeindeverhältnissen hat der Beamte dann gar kein Interesse mehr, obwohl, die Beamten doch auf diese Ge⸗ meindeverhäͤltnisse einen häufig mitbeftimmenden Einfluß ausüben. Um dieses Interesse der Beamten an der Entwicklung der Gemeinde⸗ angelegenbesten wach zu erhalten, sollte man den Steuersatz schwankend machen. Durch die Entwicklung unserer Gesetzgebung ist praktisch das Beamtenprivilegium immer höher gestiegen, indem die Progresston in den höheren Stufen immer mehr gesteigert, in den unteren immer mehr heruntergesetzt worden ist. Man sollte erwägen, richtiger wäre, den bisherigen Steuersatz beizubehalten, aber die Ver⸗ anlagung von dem vollen Gehaltsbeirage zu nehmen und dann die Hälfte der Steuersumme zu erheben. 63 beantrage, die Vorlage an e,. sieben Mitglieder zu verstärkende Gemeindekommisston zu ver⸗ weisen.
Abg. Graf von der Groeben (kon): Seit der Gehaltsregulierung von 1897 kamen zablreiche Petitionen um Aufhebung des Beamten prtbvilegs an des Haus und wurden von der linken Seite lebhaft be— fürwortet. Meine Freunde erklärten damals, daß von einer völligen Aufhebung des Privilegs keine Rede sein könne, und die Gründe für
heute noch. Zunächst sind die Beamten in der Wahl ihres Wohn⸗ sitzes nicht frei und dürfen nicht geschädigt werden, wenn sie an einen andern Wohnsitz versetzt werden. Die finanielle Schädigung der Gemeinden durch das Privileg darf man zwar nicht unterschätzen, aber auch nicht überschätzen. Die Vertreter der Städte behaupten, die Beamten genössen ebenfalls sämtliche städtischen Anlagen, bezahlten aber nur wenig für deren Unterhaltung; aber es ist doch zu bedenken, daß die Städte gerade von dem Sitz einer Behörde auch große Vor⸗ teile Haben, und die Städte petition eren ja vielfach um die Verlegung von Behörden nach ihrem Ort. Anderseits betonten mein? Freunde schon früher, daß das Beamtenprivileg in seiner jetzigen Ausgestaltung nicht mehr allen Interessen gerecht werde, denn die steuerliche Belastung der Gemeinden ist immer größer geworden. Gründe für das Privileg sind inzwischen tat sächlich weggefallen. Früher war das Beamtengehalt das einzige klare Einkommen, während die übrigen Einkommen unbestimmt waren; jetzt ist aber durch die Selbstdeklaration und durch den § 23 des Gin ommensteuergesetzes, der die Arbeitgeber verpflichtet, das Einkommen der Arbeiter anzu⸗ geben, eine größere Klarstellung aller Einkommen erreicht worden. Außerdem ist die Zahl der Beamten
namentlich bei den Betriebsverwaltungen.
balb auf den Boden der Vorlage treten, Bestimmungen Bedenken,
Meine Freunde wollen des⸗ haben aber gegen manche J. die in der Kommission eingehend zu prüfen sind. Wir müssen einerfeits den Beamten geben, was sie mit Recht fordern können, und zahlreiche Petitionen zeigen ung, daß die Besoldungs vorlage doch noch nicht das Richtige trifft; ander. seits aber haben wir auch die Interessen der ährigen Bevölkerung und namentlich des Mittelstandes jzu vertreten. Die Vorlage will u. a. Das Pripilegiurn der Geistlichen und Lehrer aufrecht erhalten; dabel ist ju prüfen, ob dieses Privileg ein Privileg der betreffenden Korporation oder der einzelnen Stelle ist, und weiter, wenn es ein Privileg der Korporation ist, so ist zu prüfen, ob ez ein Privileg ist, das nur gegen Entschädigung oder auch ohne eine solche aufgehoben werden kann. Bezüglich der Schullaffen bestimmt! nun das Schulunterhaltungsgesetz augdrücklich, daß die Verpflichtung der Lehrer und Beamten, zu den Schullasten beizutragen, durch Gefetz
natürlich aufs tlefsfe beklagen. Aber, melne Herren, die Gemeinden
Aus den Bemerkungen auf Selte 10 und 11 der Begründung werden Sie, meine Herren, entnehmen, daß und warum wir Bedenken getragen haben, hinstchtlich der Milltärperso nen, der Lehrer und der
Kommunalsteuern ju ändern. Auch hinsichtlich
besteuerung haben wir geglaubt, es aus den auf Seite 11 und 12 der
ob es nicht
die Aufrechterhaltung des Privilegs bestehen in der Mehrzahl auch
Manche
sehr erheblich gewachsen,
Preußischen Staatsanzeiget.
19808.
ja am meisten entsprechen, wenn das Privileg sofort aufgehoben werden könnte; aber ein solcher Schritt würde naturgemäß eine Schädigung der Beamten herbelführen und eine Entschãdigung nötig machen, die selbst die Vorlage auf 10 Millionen schätzt, enen Betrag, der doch vielleicht nicht disponibel ift. Wenn mal also überhaupt etwas in der Richtung erreichen will, wird man sich wohl oder übel auf den Standpunkt der Vorlage stellen müssen. Gewiß ist es un—= erwünscht, wenn eine ganze Generation hindur zweierlei Beamten berbanden sind, solche mit und solche ohne Steuervorrecht. Mit Recht ist auch auf die große Schwierigkeit hingewiefen worden, welche sich daraus ergibt, daß die Beamten, wenn sie durchweg 1090 0ͤ9 Gemein deeinkommensteuer zahlen, jedes Interesse an den Gemeindeangelegenheiten verlieren würden. In der Kommisston wird darüber eir gehender zu sprechen sein. Wenn das Steuerprivileg doch überhaupt einmal fallen soll, ist es doch zweifelhaft, ob man es für die Militärpersonen aufrechterhalten darf, wie es die Vorlage will. Vielleicht kommen wir wenigstens auf dem Wege einer Resolution weiter, welche die Angelegenheit bei der Militär- verwaltung bezw. im Bundesrat zu verfolgen empfiehlt. Ebenso fraglich ist, ob man sich mit der Fortdauer des Privilegs der Geist. lichen befreunden kann. Würden dle Lehrer des Privilegs für verlustig erklärt, so müßte ihnen andersells ein vollez akt fhes und vassives kom⸗ munales Wahlrecht gewährt werden. Wie soll es schließlich mit der Steuerfreiheit der reichsunmittel baren Standes herren halten werden? In einer Zeit, wo jede Bevölterungeklasse zu den 6 entlichen Lasten sehr stark herangezogen wird, sollten auch die Standes herren sich nicht ausschließen. Ich würde es für eine patclotische Tat erkläten, wenn sie sich ohne Entschadigung zur Tragung der Kommunalsteuern bereit erklären würden. Eine Heranziehung der Standesherren ju den Volksschullasten ist uns beim Volkeschulunterhaltungsgesetzʒ versprochen, aber diefes Ver⸗ rechen noch nicht ausgeführt worden; ich möchte diese Forderung hiermit in Erinnerung gebracht haben. Der Vorberatung der Vor⸗ 1 7 der verstärkten Gemeindekommiffion können wit unt nur adnschließen.
Abg. Zieth en (freikons.): Wir freuen uns, daß die Regierung diese Vorlage eingebracht haf, wenn sie guch nicht bis zu der Grenze dessen geht, was man gefordert hat. Die Belastungsgrenze von 100 06, entbehrt allerdings eines inneren Grundes, siz ift erwas willkũrlich getroffen. Die Regierung ist dabei allerding; einer Anregung dez Hauses gefolgt. Gerade die wohlhabenden Gemeinden würden da—
durch einen höheren Vorteil haben als die Gemeinden mit höheren Zuschlägen. Trotzdem wird auch diese Grenze von 10 oo immerhin noch den Gemeinden mit höheren Zuschlägen einen Vortellᷓ bieten. Vielleicht findet sich in der Kommisston ein Maßstab, der diese Ungleichheit, die für die reichen und minder wohl habenden Gemeinden entstehen würde, be⸗ seitigt, und zwar mit Hülfe eines Durchschnittssatzez. Sollte
man, einen solchen Ausgleich nicht finden, fo wärde . man allerdings mit dem in der Vorlage vorgesehenen Maßstab begnügen müssen. Größere Bedenken hat' ein Teil meiner Freunde gegen die in dem Gesetze vorgesehenen Ausnahmen. Es wird dadurch zwischen den älteren und neu anzustellenden Beamten eine Differenzierung ge⸗ schaffen, die das Gefühl einer ungleichen oder gar ungerechten 85 handlung für eine Reihe von Jahren an dauern läßt. Man hat an eine Enischädigung der Beamten gedacht; diefe soll etwa 10 Millonen betragen, ganz abgesehen von den Rückwirkungen auf das Reich. Ez wird Sache der Kommission sein, zu prüfen, ob die augenblick liche finanzielle Lage es gestattet, weiter zu gehen, als es die Vor— lage will. Meine Freunde sind durchaus damit einverstanden, daß man von einem völligen Steuerpribileg Abstand genommen, daß die Beamten aber nicht höher belaftet? werden dürfen als bis zu einer bestimmten Höchstgeenze. Es wird weiter ju prüfen sein, ob es nicht doch möglich ist, die Ausdehnung der Einschränkung des Steuerprivilegs in bejug auf die schon angestellten Beamten, Geist.
lichen Fehrer und Penstonäre durchzuführen
Ministerialdireftor B. Schwartzkopff: Beiüglich des Privilegz angestellt. Da es unmög⸗
der Standes herren haben wir Erhebungen
lich ist, zu entscheiden, welcher Anteil der Kommunalffeuern auf dle Volkeschullasten entfällt, so wird es schwer angängig sein, einen Modus zu finden, der die Standesherren allein zu den Volksschullasten heran.
zieht. Hingegen haben wir die Fälle festgestellt, in denen Standes.
herrschaften bertits allein zu den Volksschullasten herangezogen werden konnten, die durch das neue Vol ksschulunterhaltun gg. gesetz auch davon befreit worden wären. Es baben sich
zwei Fälle ergeben, der eine ist dadurch bereits erledigt, daß der Betreffende sich freiwillig bereit erklärt hat, gie lastc weiter auf sich zu nehmen; der andere Fall wird dadurch schwieriger, daß der betreffende Standesherr noch minorenn ist, doch hoffen wir, auch hier zu einer gleichen Verständigung zu gelangen. Betreff des Steuerprivilegs der Geistlichen und Lehrer weise ich auf dessen historische Eniwicklung bin. Nicht deshalb sind die Geistlichen von den Steuern befreit, weil sie als Staate beamte angesehen werden, sondern weil es alter Recht der Kirche bereits aus dem 13. Jahr⸗ hundert ist, von allen Lasten befreit zu sein, ein Recht, welches im westfälischen Frieden verbürgt wurde. Auch das Qberverwaltungd⸗ gericht hat in seinen Erkenntnissen diesen Standpunkt eingenommen. Die Heranziehung der Geistlichen zu den Steuern würde dadurch auch noch eine besondere Schwierigkeit bieten, daß zu einer Parochie zumeist mehrere Gemeinden gehören, und die Gemeinde, die das Pfarrhaus und die Kirche besitzt, auch nech durch die Zuwendung der Sieuer bevorzugt würde. Es ist auch die dauernde Aufgabe des Oberkirchenrats, daß die Geistlichen nicht in kom munalpolttische und soziale Fragen hinein- geiogen werden; das würde aber eintreten können, wenn mit der Aufhebung des Steuerpripilegs die Geistlichen auch das kommunale Wahlrecht erlangten. Für die Lehrerschaft würde die Aufhebung des Privbilegs eine Belastung bon 39 Millionen bedeuten. Es ist auch zu bedenken, daß es an sich nicht der Staat ist, der die Lehrer bezahlt, sondern die
geregelt werden solle. Die Geistlichen aber stehen bei der jetzigen Behaltgordnung schon so welt binter den ihnen gleichst- her ken akademisch gebildeten Beamten, Oberlehrern ufw. zurück daß man zweifelhaft jein kann, ob es gerecht sein würde, die Geistlichen noch weiter mit der Kommunalsteuer zu belasten. Wir können zu allen diesen Fragen noch keine Stellung nehmen, werden sie aber in der Kommisston eingehend prüfen, auch mit den Konsequenzen für daz aktive und passive Wahlrecht. Schließlich habe ich eine Bitte an die Regierung, die eigentlich mehr an die Städte zu richten wäre. Die Vorteilz der neuen Besoldungsordnung werden in erster Linie den Hausbesitzern in den Wohnungepreisen zufallen, es ist deshalb eine moralische Pflicht der Städte, durch eine geeignete Wohnungspolitit dem vorzubeugen, und ich bitte die Regierung, in weitsichtiger Weise darauf hinzuwirken.
Abg. Dr. Schroeder, Cassel (nl): Wie schon geltend gemacht wurde, ist seit der Einführung der Deklarationspflicht ein Grund für das Beamtenprivileng , n,. Anderseits bleibt die Schwierigkeit bestehen, daß die Beamten aus Orten mit niedrigen in Orte mit sihr hohen Kommunalsteuersäßen verfetzt werben können. Der Wunsch der Gemeinden nach Beselligung dieses Vor— rechts ist ja erklärlich, und die Regierung hat wiederholt in dieser Richtung Zusagen gemacht. Die jetzige Siluation, wo eine um⸗ fassende Neuregelung der Beamten besoldun die Inangriffnahme der Lösung dieser Aufgabe ganz besonders. Das
last nicht sogleich, sondern nach Maßgabe der Neuanstellungen erst all⸗ nazlich zufällt, so muß ich das vom Standpunkt meines Ressorts aus
bisherige Vorrecht ohne Entschädnigung aufjuheben, habe ich immer als ungerechtfertigt angesehen. Den Interessen der Kommunen würde es
en bevorsteht, eignet sich für P
Gemeinde, und daß, wenn man den Gemeinden das Recht ibt, die Lehrer zu den Steuern heranzuziehen, man ihnen gewissermaßen auch die Pflicht auferlegt, die Besoldungen der Lebrer zu erhöhen. Ez sprechen also für die Staatsregierung überwiegende Gründe dafür, an ihren Voischlãgen festzuhalten.
Abg. Reinbacher (fr. Volksp): Nach der Meinung meiner Freunde will die Vorlage allerdings den geltenden Zustand derbeffern, aber sie entspricht doch nicht ganz den Erwartungen vom Standpunkt der städtischen Jateressen. In' den Tagen der Säkularfeier der Städteordnung, wo Seine Majestät der König und die Minister, auch der Minister des Innern, eine Verbeugung bor der Selbstverwaltung gemacht haben, müssen wir daran erinnern, wie die Starte durch die jetzige Gesetzgebung benachteiligt worden sind. Wir bekämpfen diese Vorlage, weil nicht auf alle Beamten erstreckt, weil sie nicht auch die Geisilichen betrifft, weil sie unnötigerwesse die alte. Verkoppelung jwischen den mittelbaren und unmjsttel⸗ baren Beamten aufrecht erhält, und weil sie die Kommunal steuerpflicht der Beamten auf Io0 o Zuschlag begrenzt. Daß die Behörden für die Städte auch ein Segen selen, kann man wohl sagen, aber nicht, daß sie nur ein Segen seien. Man lann auch hier vielmehr n, „Man spricht vom vielen Trinken wohl, doch nie vom vielen Burst.'“ Die Stadt Potsdam hat z. B. eine elition eingereicht, worin sie nachweist, daß sie duich die Steuer⸗ pflicht der Beamten 263 000 M einnehmen würde, daß sie aber viel mehr ausgeben müsse für die verschiedenen Schulen, die namentlich von den Beamtenkindern besucht werden. Aehnlich liegen die Ver⸗