1908 / 278 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 25 Nov 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Groß haudelsyreise von Getreide an dentschen nnd fremden Bõrsenylãtzen tr die Wache vom 16. vis 21. November 1908 nebst entsprechenden Angaben für die Vorwoche. 1000 kg in Mark. Preise für greifbare Ware, soweit nicht etwas anderes bemerkt.)

Woche Da⸗ 16.21. gegen Nobbr. or⸗ Berlin. 1808 woche Roggen, guter, gesunder, mindestens 712 g das 1. 172,55 173,29 833 1 ; I55 g daz 1. 67 60 207 75 Hafer, 3 . ö 50 g dag 1. 166,05 165, 08 Mannheim. gen, Pfäljer, russischer, mittel.. 173,75 175, 00 . älzer, . amerst. ruman. mittel. 46 35 235, 38 Safer, badis ö 173, 12 174,38 Gerne badis e, fäl zer, mittel , 9 196,87 203, 13 russis⸗ me Wien. N gen, ster Boden 9 9 0 0 9 0 9 0 185,98 182,54 W en, hei 2 2 2 2 6 236,31 231, 16 fer, ungari cher J . * 154,41 150, 98 erste, slovakische . 2 9 2 172,33 172,31 e 162, 94 162,92 Gudapest. gen, Mittelware k , 176, 85 172,39 zen, n H ber. . 33 , 145,33 143,69 erste, Futter w 137,56 136,69 ais, . , 120,29 120,27 Odessa. Wehen, I biz h , e m, , 6 0s 183 n, mr r n, n:: :: fi, li Riga. n , m ,, en, 75 * 76 * 2 . ö 153, 64 154, 16 Parig. i lieferbare Ware des laufenden Monats . 16 Antwerpen. 1 174,47 174 47 ma k 28 2 , . Weijen Odessa ..... . 1 175,69 176,34 1 180,56 179,75 Am sterdam. 1 k 149,35 Renn, ng, ,, /// / / Weijen Odessa iii . * 158, 93 erer, e, . Winter 2 69 178,71 111 z Mais d 125 30 London. engl. weiß 161,01 155,42 Benn ro car Lane) ..... J os is 182865 Weijen englisches Getreide, 149,50 146.36 * Mittel yreig aus 196 Marktorten 124,63 122, 83 erfte (Gazette avsrages) 153,57 154,03 Liverpool. w n, n,, aon so gg k 183,16 183,63 J 11 189968 18816 I ö 38 dafer, englischer, weißer 2 ö Gerste Futter Odessa . KN ! 3 * d k 134,79 133,85 Mais k11 147,47 164,15 J 131, 97 129, 86 Chicago ö . L w 86 6 . * w 157, S7 156, 79 Mais ö. 2 10459 103, 23 Neu York. roter Winter⸗ 63 . ** , . ,. j 3 11 ö 65 a Lieferungs ware Heifuber;:. 1, i s Mait ö ö 119,77 118,63 Bueno iret. 6 2 Durchschnitts ware JJ 111, 36 jo i.

) Angaben liegen nicht vor. Bemerkungen.

1 Imperial Quarter ist für die Weitennotij an der Londoner Pro- duktenbörse 504 Pfund engl. gerechnet; für die aus den Umsaͤtzen an 196 Marktorten des kz r ermittelten Durchschnittspreise für einbeimisches Getreide (Gazette averages) ist 1 Imperial Quarter Weijen 480, Hafer 312, Gerste 400 Pfund engl. angesetzt. 1 Bushel Weizen 60, 1 Bushel Maig 56 Pfund englisch; 1 Pfund englisch 453,6 g; 1 Laft Roggen 2100, Weizen 2400, Mais 2000 Eg. Bei der , . der Preise in Reichswährung sind die aug den einzelnen Tagegangaben im Reichsanzeiger ermittelten wöchentlichen k an der Berliner Börse ju Grunde gelegt, und jwar für Wien und Budapest die Kurse auf Wien, för London und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago und Nen Jork die Kurse auf Neu Jork, für Odessa und Riga die Kurse

auf St. Petersburg, für Paris, Antwerpen und Amsterdam die Kurse ‚n. diese Platze. Fes n! in Buenos Aireg unter Berücksichtigung der Goldyraämĩe.

Berlin, den 25. November 19038.

Raiserliches Statistisches Amt. van der Borght.

Dentscher Reichstag. 167. Sitzung vom 24. November 1908, Nachmittags 1 Uhr.

(Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

ur Beratung stehen die Interpellationen der Mitglieder

des Reichstags Wiedeberg (Zentrum) und Behrens (wirtsch.

. en das Grubenunglück auf Zeche „Radbod“ estfalen).

Ueber den Anfang der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtei worden.

Abg. Wiedeberg (Zentr.) fortfahrend: Als 19066 1230 Ar⸗ beiter in Courrisres zu Fode kamen, bieß es, solche Kataftrophen wären bei uns unmöglich. Zwel Jahre später erleben wir eg, daß solche Katastrophen auch bei ung möglich sind. Ueber die Ursachen der Katasfrophe hat bekanntlich schon im Abgeordneten. hause eine Autzsprache stattgefunden. Ba allgemein angenommen wird, daß die Gyplosion durch einen Sprengschuß erfolgt ist, möchte ich die Vertreter der verbündeten Regierungen fragen, ob ihnen bekannt ist, wie viele Schießmeister angestellt sind, und in wieviel Fällen Schießmeister Hauerarbeiten verrichtet haben. Es ird allgemein angengmmen, daß die eingeführte Wettermenge vollauf genügte. Im preußischen Abgeordnetenhause wurde angeführt, daß auf Zeche Radbod 8 werden; es bestehen aber Zweifel, ob die Verteilung des Wetterstroms eine solche war, daß er auch in alle Orte, in alle Räume des Gruben⸗ baues bineingekommen ist. Weiter fragt es sich, ob genügend Wetter- abteilungen in der Grube vorhanden sind, und ob die Abgrenzung der einzelnen Abteilungen eine absolut sichere war. Darüber Auskunft zu geben, kann nicht schwer sein, da ja dieser Katastrophe bereits am 29. Oktober eine kleinere Explosion vorangegangen war. Es wäre Pflicht der Bergbehörde gewesen, die Grube nach dieser Richtung hin zu prüfen und, wenn es notwendig war, die erforderlichen Anordnungen zu treffen. Weiter fragt es sich, ob in der Grube genügend Wasser zur Berieselung vorhanden gewesen ist. Die polizeilichen Vorschriften scheinen mir dabei nicht zu ihrem Recht gekommen ju sein. Als ich am 13. November die Zeche Radbod und die Kolonie Hövel besuchte, wurde mir von Bergarbeitern einstimmig gesagt, die Grube fei nicht die beste gewesen; es waren das Bergarbeiter, die 20 bis 36 Jahre im Bergbau tätig waren. Ebenso wurde mir einstimmig ge⸗ sagt, es hätte Wasser zur Berieselung gefehlt. 25 Bergarbeiker baben mir das übereinstimmend gesagt! Danach stellte ich meine Nachforschungen ein, weil ich mir sagte, daß auch die Nach⸗ forschungen der Behörde denselben Mangel ergeben müssen. In der Zeitung las ich aber, daß der vreußlsche Handels. minister erklärt habe, nach der Vernehmung der Beamten und Arbeiter sei alles in der Grube in Ordnung gewesen. Ich ließ mir darauf von den Leuten schriftliche Erklärungen geben; in der einen heißt es: Am Montag, den 9. November, fehlte das Wasser vollständig, am Dienstag und Mittwoch war es an meiner Arbeitzstelle fehr schwach. Abgesehen von einigen Ausnahmen wurden mit der Berieselung Leute beauftragt, die mit den Gefahren des Bergbaucs nicht vertraut sind. Daß Strafen wegen ungenügender , . vorgekommen sind, ist mir nicht bekannt. In einer anderen Erklärung beißt es: . Doppel. schichten werden fast tãglich verfahren. Im November habe ich 351 Schichten überfahren, das sind ca. 10 Ueberschichten in einem Monat.“ In elner weiteren Mitteilung heißt es: „Auf meiner Strecke wurde snnerhalb 28 Schichten in diesem Jahre nicht geriefelt. Die Wetterkontrofle erbielt vom 21. bis 30. Oktober keine Aenderung des Batums“ Eg sei bemerkt, daß auf Radbod die Beamten die Wetterkontrolle nebenbei zu machen haben. In einem mir heute erst zugegangenen Schreiben beißt es: „In der Versammlung vom 22. d. R. erklärten zwei Arbeiter, es möge veranlaßt werden, daß auch sie bernommen würden, denn sie könnten auch beschwören, was der Kamerad Gard ausgesagt und beschworen habe. Sie könnten nicht länger mehr schweigen und wollten aussagen.“ Ich bin bereit, dem Handelsminister die Ramen dieser Bergarbeiter mitzuteilen, wenn auch mir eine Zusage wird, daß diese Leuteé im fizkalischen Betrieb angestellt werden, wenn fie wegen dieser Aussage Schaden durch die Zechenbesitzer erleiden follten. Auch die Grubenbegmten scheinen ähnliche Aussagen machen zu können. Das Grubensteigerorgan schreibt am 23. d. M, die Berieselungs⸗ leitungen seien ungenügend gewesen; das Waffer für die Berieselung sei in Bassins auf der ersten Sohle geleitet worden, und von diesen seien die Rohrleitungen gespeist, diese lieferten jedoch zu wenig Wasser, um zem immer mehr sich ausdehnenden Grubenbau zu genügen; bor der Kontrolle sei aber in der Nacht mehr als sonst berlefelt worden, die Bassins seien dann so leer gewesen, daß es kein Wasser oder nur Wasser ohne Druck gegeben hätte, und es verging immer einige Zeit, bis die Bassins wieder gefüllt und Wasser zur Berieselung da gewesen stei. Ein Beamter habe erklärt, daß er die Verantwortung für die Berieselung nscht mehr übernehmen könne. Am J. November sei die Wasserleitung ein⸗ gefroren gewesen und babe erst nach der halben Morgenschicht wieder Wasser gegeben. Diese Verhältnisse seien für die Verwaltung kein Geheimnis gewesen. Wenn sich diese Angaben bewabrheiten, fo ist auf der Zeche Radbod mit Menschenleben gespielt worden, unter Duldung der Bergbebörde. Nach dem Unglück wurde mitgeteilt, daß 360 Arbeiter zu der Unglücksschicht angefahren seien und noch 41 von der vorhergegangenen Schicht in der Grube gewefen seien. Nach meinen Informationen ist aber die Zahl der Aibeiter, die eine Doppelschicht machten, bedeutend größer gewesen. Nach dem Grubensteigerorgan sind 374 Arbeiter und 6 Beamte in der Grube gewesen, die normale Be—= legung beträgt aber nur 320 Mann; es machen sebr viele Arbeiter

Doppelschichten, wenn sie dazu Erlaubnig erhalten, und auch in der Unglücksnacht wurden viele Doppelschichten verfahren. Aus den Publikationen der Zechenverwaltung geht nicht her—

vor, wieviel Doppelschichten die Arbeiter in der Unglücksnacht gemacht baben, und ich frage die Regierung, ob ihr die Zahl bekannt ist. Nach dem bestehen den Gesetz sind jwei volle Schichten hintereinander verboten, man hilft sich aber damit, daß man die Arbeiter eine volle und eine Siebenachtelschicht verfahren läßt. Die Doppel schichten vermehren die Gefahr, denn nach 16 Stunden Arbeit können die Arbeiter die Sicherbeltsmaßnahmen nicht mehr be— folgen. Man sollte hächstens jwei Ueberstunden zulassen. Im Bergbau übt nun das Reichsversicherun gösamt keine Kontrolle aus, während das doch bei allen anderen Berufsgenossenschaften der Fall ist; wie kommt dies? Wie kommt es ferner, daß die Zahl der ausländischen Bergarbeiter immer zunimmt, die Zahl der seßhaften Arbeiterschaft immer mehr zuruͤckgebt? Die Gründe dafür liegen wohl zum Teil in der Willkür der Zechenbesitzer und Zechen verwaltungen, die mit organisierten Arbeitern nicht verhant eln wollen, diese und ihre Fübrer auf die schwarze Liste setzen und auctländische dafür heranziehen. deren Organifation durch die Fußangehn des neuen Vereinsgesetzes erschwert ist. Ganz erheblich spielt hier auch das Prämiensystem hinein, indem den Steigern Förderungsprämien gejablt werden, während sie, wenn sie das vorgeschriebene Quantum längere Zeit hindurch nicht erreichen, gemaßregelt werden. Auch auf Ersparn isse werden Prämien gesetzt, und da auch die Steiger Menschen sind, so stebt ibnen der Verdienst in erster Reihe, sie forcieren die Förderung auf Kosten der Sicherheits arbeiten und ersparen dadurch zugleich an Materialien. Ich frage daher, ob die verbündeten Regierungen ge— willt sind, Maßnahmen zur Beseitigung dieses Prämienwesens zu treffen. Der Abbau ist auf Zeche Radbod so forciert betrieben worden wie nirgendz anderswo; es ist eine unerhört hohe Zahl von Arbeitern beschäftigt worden. Sind die verbündeten Regierungen ge⸗ willt, einen so forcierten Abbau zu verhindern? Die Bergarbeiter wünschen ihre Beteiligung an der Grubenkontrolle; sie halten das beutige System nicht für ausreichend und haben dazu kein Vertrauen. Diese ihre Forderung ist berechtigt, sie müssen ihr Leben in der Grube bei der Koblenförderung riskieren; sie fördern die unterirdischen Schätze, die heute die Grundlage aller Betriebe darstellen. Wird die Regierung Maßnahmen treffen, die eine Beteiligung der Arbeiter durch freigewählte Vertrauens männer an der Grubenkontrolle ermöglichen? Im

is 9 Kubikmeter Luft in der Minute befördert

preußischen Abgeordnetenhause hat der Handeleminister eine Re elu

1 welche die Bergarbeiter nicht befriedigt; sie af 46 die Vorlage abwarten und behalten sich die . dor. Die Bergarbeiter stehen heute insofern in einem Ausnahmeverhältnig als für sie die Gewerbeordnung nicht gilt, ausgenommen die

Bestimmungen über Sonntagsruhe und Koalltlonsrecht. Diese durch

nichts begründete Inkonsequenz drängt zu einer reichsgesetzli Regelung, zu einem Reichsberggesetze. Die preußischen Ber haben mit den preußischen Berggesetznovellen die schlechtesten und bittersten Erfahrungen gemacht; ihr Vertrauen ju dem Dreiklassen. parlament und zum werden. Das Zentrum hat daher auch beantragt, die Preußische Regierung solle beim Bundesrat auf reichs gesetzliche hinwirken. Leider hat der Antrag wenig Aussicht auf Erfolg; auch hier ist es wieder dle preußische Regierung, die dem sozialen Fortschritt HSemmnisse berritet. Der Reichstag steht zu diesen Forderungen günstiger; schon beim Erlaß des Bürgerlichen Gesetzbuchs bat eine entsprechende Resolution Annahme gefunden, und noch im Jahre 1967 hat dat Haus einer Resolution zugestimmt, die ein Reichsberggesetz forderte und die Wabl der Knappschaftsältesten in geheimer Wahl verlangte. Wie stellen sich die verbündeten 3 zu diesem Beschlusse des Reichstags? Ich hoffe, daß der Reichstag die berechtigten Forde⸗ rungen der Bergarbeiter zu den seinigen machen und daß die Re. gierung eine rücksichtslose Untersuchung anstellen und die Forderung der Bergarheiter vollauf erfüllen wird.

Abg. Behrens swirtsch. Vgg.): Das Jahr 1908 war ein Un— r für die Bergarbeiter; die Zahl der amtlichen Unfall tatistik weist eine erschreckende Höhe auf. Die Trauer über das Radboder Unglück hat dag ganze deutsche Volk und alle Kultur. völker ergriffen. Nach dem großen Unglück von Courrisres wurde uns gesagt, solche Katastrophen seien in Deutschland unmöglich; der Unglückefall auf Zeche Radbod hat den Beweis des Gegenteils erbracht. Der Geheime Oberbergrat Meißner führte im Reichstag vor 23 Jahren aus, daß etwas Aehnliches bei uns nicht geschehen würde, wenn die Vorschriften, üher die Berieselung befolgt würden, auf deren Fehlen das Unglück in Frankreich zurückzuführen sei. Die heutigen gesetzlichen und bergpollzeilichen Vorschriften würden danach genügen, und die Ursachen des Unglücks sind in grober Fahrlässigkeit und in dem Fehlen einer ordentlichen Kontrolle ju fuchen. Zu? der Behauptung, daß plötzliche Gasausströmungen solche Katastrophen herbeiführen könnten, sollte die Bergbehörde eine präjnise Stellung nebmen. Anderseits ist behauptet worden, daß eine Eingabe an die Bergbehörde auf Abstellung von Mißständen auf der Zeche Radbod ohne Antwort geblieben ist; bestätigt sich dies, fo wäre die Bergbehörde an der Tatsache mitschuldig, daß auf Radbod nicht alles in Ordnung gewesen ist. Die Zeche Radbod weist eine sehr schnelle Entwicklung auf. Die Förderung beträgt 12 bis 1400 Tonnen täglich, bei einer i350 Köpfe starken unterirdischen Belegschaft. Ein Gutachten des Steigerverbandes bestätigt, daß diese Grube eine fast. überschnelle Entwicklung genommen hat. Die Zeche bestand zu einem erheblichen Teil aut Arbeitern, die sich erst seit kurtem dem Bergbau widmeten, und zu einem erheblichen Ten aus Ausländern. Auf einer Bergarbeiterversammlung wurde kürzlich gefordert, daß auf Radbod nur solche Arbeiter beschäftigt werden sollen, die mindestens drei Jahre unterirdisch gearbeitet bätten. Es ift klar, daß Neulinge den polijeilichen Vorschriften nicht genügen können. Darum fordern die Arbeiter, daß nur vorgeschuste Ärbeiler bei der Kohlengewinnung beschaͤftigt werden. Der Arbeiterwechsel ist ein sehr starker gewesen. Der Vorsitzende des Steigerverbandes Werner weist auf die Nachteile dieses Ümstandes in einer Broschüre hin. Er führt aus, daß Steiger, die erst kurze Zeit auf der Grube seien, keine rechten Erfahrungen haben können, und daß ihnen die Wechsel⸗ wirkung mit den Arheitern fehlt, so daß Unglücksfälle und Erkrankungen die Folge sein müssen. In dem Organ des Steigerverbandes wird weiter ausgeführt, daß es der Zechenverwaltung nur darauf ankomme, eine möglichst hohe Förderungsziffer zu erreichen, um mit größerem

im Abgeordnetenhaufe

Vorteil in das Syndikat aufgenommen ju werden. Vie Berg⸗ beamten hätten wohl den Wassermangel gekannt, sie merkten auch manche anderen Verstöße, aber sie hätten sehr wohl

gewußt, was ihnen blühte, wenn sie diese Mängel zur Anzeige gebracht hätten. Die gesamte Ventilation sei sehr mangelhaft gewesen. desgleichen die. Verteilung der zugeführten * Luft. Das Vorhandensein von Schlagwettern stebt fest, und dies wird auch nicht entkräftet dadurch. daß der Revierbeamte am Morgen vor der Explosion einen Teil der Grube befahren hat, denn iwischen dem Morgen vorher und der Zeit der Exvlosion' liegen ungefähr 16 bis 18 Stunden. Es wird auch geklagt, daß das Berg—⸗ revier Hamm keine Ginfahrer besitzt. Die Berlefelungsanlage ift ebenfalls nach der Aussage der Beamten und Arbeiter der Grube eine mangelhafte gewesen. Der Handelsminister sprach es im Ab geordnetenhause aus, daß die Rohrleitung über Tage zeitweilig ein⸗ gefroren war, so daß kein ausreichendes Wasser vorhanden war. Der Druck auf das Wasser war zu schwach. Hoffentlich stellt die Untersuchung alle diese Tatsachen klar. Anerkennenswert ist, daß der Handelsminister die Zeugen gegen Maßregelung der Grubenbesitzer schützen will, ebenso gegen schwarze Listen. Hoffentlich dehnt er dteses sein Versprechen auch auf die Grubenbeamten, die Steiger aus, die aus Erfahrung befürchten, daß sie bei anderen Gruben keine Be— schäftigung finden. Sollte dies der Fall sein, so sollten sie von den Staatsbetrieben übernommen werden. Die Bergbehörde scheint doch nicht genügend Nachdruck auf die Sicherheits= vorkehrungen gelegt zu haben, wie sie für gefährliche Gruben bestehen sollen. Die Grube Radbod gehört zu den gefähr— lichen Gruben. Die Bergbehörde trägt die Schuld, wenn nicht besondere Anordnungen getroffen sind. Hoffentlich erbringt die vom Handelsminister angekündigte rücksichtslose Untersuchung Klar heit über die Schuld. Die Untersuchung über das Unglück auf der Grube Reden ist übrigens bis heute noch nicht abgeschlossen, und man wundert sich im Saarrevier, daß es so langsam geht. In der uns vom Staatssekretär im Nopember 1907 vorgelegten Denk⸗ schrift befindet sich eine gute Uebersicht über die Sicherheitsvorschriften in den veischiedenen Bundesstaaten, mit Ausnahme von Elsaß— Lothringen, denn über die dortigen Gruben wird in der 176 Seiten starken Denkschrift nur mit 26 Zeilen berichtet. Gerate in dem Augen blick, wo wir uns über die möglichen Sicherheitsmaßnahmen unter⸗ halten, tritt in Elsaß⸗Lothringen die Belegschaft der Grube Merlen⸗ bach in den Ausstand, um sich vor den Gefahren dieser Grube zu schützen. In der Beschwerde der dortigen Arbeiter heißt es, daß schon vor einiger Zeit infolge Stickluft mehrere Arbeiter betäubt sind, und einer erstickt ist, daß es an den notwentigen Rettunge⸗ apparaten feble, daß die vorhandenen Apparate nicht benutzt werden können, weil es an Sauerstoff fehle und daß die Arbeiter nicht ge⸗ nügend in der Handhabung der Apparate ausgebildet seien usw. In der erwähnten Denkschrift wurde gerade darauf Wert gelegt, daß die Rettungsapparate tauglich sein sollen. Mit Poliei⸗ vorschriften und technischen Hilfsmitteln allein läßt sich aber die Sicherheit im Bergbau nicht herstellen, zumal unter dem System der schwarzen Listen. Der moderne Großkapitaliemus zerstört das Vertrauen der Bergarbeiter. Die Bergaufsicht des Staates hat es nicht verstanden, sich das Vertrauen der Bergarbeiter zu er⸗ halten. Daß in jedem Betrieb Disziplin herrschen muß, erkennen die verständigen Arbeiter an, aber die Dieziplin muß auf gegen— seitiger Achtung beruhen. Es müssen auch die Grubenbeamten und die Justizinspektoren verantwortlich gemacht werden. Ein ebenso großer Uehelstand wie das System der unverantwortlichen Inspektoren ist die Prämienzablung an die Steiger. Diese sollte verboten werden. In der großen Steigerversammlung in Herne am Sonntag wurde in einer Resolution die Meinung ausgesprochen, daß solchen Massen⸗ unglücken am besten dadurch vorgebeugt werde, daß die Berg- beamten unabhängiger von den Grubenbesitzern gemacht werden, und daß das Synem der unverantwortlichen Beamtenstellen beseitigt würde, daß ferner ein Reichsberggesetz besonders geeignet sei, das Verhältnis zwischen Arbeitern und Beamten ju verbessern und die Beamten der Willkür der Bergbehörden zu entziehen.

Verrenhause konnte dadurch nicht geftärkt.

arbeiter haben sich, um Unfälle zu verhüten und um die en nr: Sicherheit des Betriebes herbeizuführen, seit Jahren an ie Behörden gewandt; vor allem k sie die Sicherung des Lugbaues der Organisatlon und die AÄnstellung von Gruben“ sontrolleuren aus dem Bergarheiterstande als l eben ten? Diese Abesterlontrolleure sollen in 8 Wahl gewählt werden; auch ine Sicherheit vor plötzlicher Entlassung muß ihnen geboten werden. In preußischen Abgeordnetenhause hat der Minifter an ekündigt, den Arbeitern solle nach dem im Saarrevier befolgten Eyler die Mit⸗ wirkung bei der Kontrolle gewährt werden. Das ist ein kleines, aber nicht genügendes Entgegenkommen. Wenn man die Arbeiter⸗ ausschüsse wie bisher bestehen läßt, so bleibt man auf halbem Wege steben. Die Befugnisse der Arbeiterausschüsse find zu eng gefaßt. Die Kahl der betreffenden Arbeiterausschußmitglteder soll ja gehim sein; ber es müßte dann auch festgelegt werden, daß die Arbeiter die Stimmzettel sich drucken lassen können, um jede Beeinfluffung ausjuschließen. Warum wird nicht endlich zur reichsgesetzlichen Regelung des Bergwesens geschritten, wie es die Bergleute wünschen, und wie es der Reichstag längst empfohlen hat? Bie Ausnahme behandlung der , n,. die man der landesgesetzlichen Regelung unterstellt hat, ist nicht länger aufrecht zu erhalten. Warum soll der lleine Fortschritt, der beabsichtigt wird, nur den preußischen, warum soll nicht auch den lothringischen Bergarbeitern zu eil werden? Dag Saarrevier läuft ja direkt ins Lothringische aus. Scharfe Kontrolle sst gewiß notwendig; aber im Bergbau muß auch nach anderer Richtung reformiert, es muß Gewähr gegeben werden, daß die gesetz lichen all⸗ gemeinen und Kontrollvorschriften auch strikt durch efährt werden. Kenn die Grubenveiwaltungen immer darauf drängen: Kohle, Kohle Koble! dann sieht es mit dem wörklichen Fortschritt in der Richtung auf Sicherung des Lebens und der Gesundheit der Bergarbeiter schlecht aus. Wenn die Bergarbeiter mit Beschwerden an die Bergbehörde kommen, muß auch Gewähr dafür vorbanden sein, daß diese Beschwerden ge⸗ prüft werden. In dieser Hinsicht fehlt den Bergbehörden noch immer das Verständnis für die moderne Entwicklung. Die Gewerkschafts- sekretäre werden von den Bergaufsichtsbeamten einfach nicht als Ver⸗ treter der Bergleute anerkannt, während doch die Arbeiterausschũsse diese Vertretung nur im allerengsten Rahmen wahrzunehmen haben. Unter keinen Umständen darf ein Aufsichtsbeamter den Ramen eines beschwerdeführenden Arbeiters der Grubenverwaltung angeben oder fo genau bejeschnen, daß diese weiß, woran sie ist. Ich wünsche dringend, daß eine soziale Versöhnung aller Faktoren im deutschen Bergbau Nlatz greift, daß die Besitzer von ihrem alten Herrenstandpankt surücktreten, daß dieser Geist sozialer Versöhnung auch über die Bergbehörde komme; auf den Bergschulen und „Akademien müßte über die soziale Strömung des Volkslebens mehr Auf— flaͤrung gegeben werden. Leider aber findet sich in Bochum, Clausthal usw. bei den künftigen Bergaufsichtsbeamten ein ganz un⸗ soliales Herrentum, das wenig Hoffnung läßt, daß wir bald zu be⸗ sriedigenderen Zuständen kommen werden. Auch eine jufriedene Berg⸗ nbbeiterschaft ist für das Deutsche Reich eine Notwendigkeit.

Staatssekretär des Innern Dr. von Bethmann hollweg:

Meine Herren! Wenn ich zunächst meinerseits um das Wort gebeten habe, um auf die Interpellationen ju antworten, so geschieht das mit der Bitte, meinem Nachbarn, dem preußischen Herrn Handelsg⸗ minister, die Erteilung der Auskunft auf dlejenigen Fragen vorbehalten zu dürfen, welche auf die Entstehung des Grubenunglücks bei Hamm und auf seine Folgen unmittelbar Bezug haben, überhaupt auf die Fiagen technischer Natur. Sie werden in dieser Beziehung auf die sachbeiständigen Darlegungen der unmittelbar beteiligten preußischen Bergverwaltung nicht Verzicht leisten können und nicht Verzicht leisten wollen.

Mir liegt es daran, an erster Stelle, wenn auch mit kurzen Worten, den allgemeineren Erwägungen Ausdruck jzu geben, zu denen die Reichs regierung durch die gewaltige Katastrophe gedrängt worden ist. Und da darf ich das eine sagen: weit über die Grenzen unseres Vater⸗ landes hinaus hat da erschütternde Unglück ein sympathisches Echo gefunden. Dem Dank, den der Reichstag, den die Nation dieser ein mütigen Teilnahme gespendet hat, schließt sich die Reichs regierung auch von dieser Stelle aus in vollem Umfange an. (Bravo h

Meine Herren, aber neben den Ausbrüchen der Klage und des Mitleids ist es ein anderer Ruf gewesen, der vom ersten Tage an die Situation beherrscht hat: der Ruf nach erhöhtem Arbeiterschutz, der Ruf nach einem Reichsberggesetz. (Sehr richtig! in der Mitte.) Ich lasse dabei die Frage aus dem Splel, inwieweit menschlich vertretbare Schuld zu dem Unglück geführt hat. Der preußische Handelsminister wird sich damn äußern, soweit der gegenwärtige Stand der Untersuchung e juläßt, und wie er es schon neulich im preußischen Abgeordnetenhause musgesprochen hat, wird jede nachgewiesene Schuld ihre Sühne finden. Hier und für die Reichsverwaltung steht in Frage, ob den Berg⸗ ubeitern ein erhöhter Schutz zu gewähren ist, und ob zu dem Zweck iin Reichsgesetz erlassen werden muß, weil die Einzelstaaten nicht ein⸗ hegriffen haben oder auch jetzt nicht eingreifen wollen.

Im Grunde genommen ist diese Frage unabhängig von der katastrophe auf Radbod; denn wenn die Reichsregierung eingreifen wuß, dann kann es nicht eines Unglücks wie des jetzt von uns allen klagten bedürfen, um sie jum Handeln zu bestimmen. Auch aus liesem Grunde gehe ich auf die Details der Katastrophe meinerseit iht ein, so schwer es auch sein mag, sich von den frischen Eindrücken iints solchen Unglücks ganz freizuhalten.

Meine Herren, auf der Unglücksstätte selbst haben die Berg⸗ ubeiter laut den Vorwurf erhoben, sie seien um die Versprechungen betrogen worden, die ihnen bei dem großen Streik im Jahre 1905 macht worden seien. Ich habe volles Verständnis dafür, daß im Ingesicht der Opfer, die die Tiefe verschlungen hat, deren Kameraden poll Bitterkeit derjenigen Forderungen gedenken, die ihnen damals merfüllt geblieben sind, ja daß sich vielleicht bei manch einem unter ibnen die Vorftellung festgesetzt hat, als wäre das Unglück nicht ge⸗ scehen, wenn es damals anders gekommen wäre. Eine ruhige Be⸗ tuchtung, wie wir sie hier anstreben müssen, wird derartigen Vor⸗ stellungen nicht recht geben können. Bei der Katastrophe haben uniweifelhaft elementare Kräfte gewirkt, und nach dem Stande inserer technischen Schutzmaßregeln werden sich Unglückgfaͤlle nie ganz ausschlitßen lassen. Darum sollte nach meiner Ansicht die Deffentlichkeit mit einem abschließenden Urteil zurückhalten, bis der bergang soweit aufgeklärt ist, wie ez menschenmöglich ist. (Zuruf von n Sonialdemokraten.)

Meine Herren, ich will im gegenwärtigen Augenblick nicht auf die hesamtheit derjenigen Forderungen eingehen, welche die Bergarbeiter md mit ihnen große Parteien dieses hohen Hauses wiederholt erhoben ben. Ich lasse deshalb einstweilen unberücksichtigt die Frage des ler vnd Nebenschlchtenwesenz, der Schichtdauer, Ve bon den beiden ren Vorrednern besprochene Frage des Prämienweseng und auch der gustindigkeit der Arbeiterausschüfse. Es sind das umwelfelhaft alles 2 deren Gewicht niemand unterschätzen kann, und die sowohl nieln als auch namentlich in ihrer Gesamthelt für die Gestaltung 9 allgemeinen Verhältniss. der Bergarbeiter und damit zugleich für Sicherheit des Bergwerkabetriebes von Bedeutung sind.

Besonders akut geworden sind die Fragen nach der Verant⸗ wortung für den Betrieb und die Frage nach der Anstellung von Arbeiterkontrolleuren. Rücksichtlich der Verantwortlichteit hat der preußische Herr Handelgminister bei den neulichen Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses ausgeführt, wie er die Ausdehnung und die Ausgestaltung dieser Verantwortung für notwendig halte, und er hat mit seinen Ausführungen die lebhafte Zustimmung der preußischen Kammer gefunden. Ich nehme an, daß er auch von dieser Stelle aut seine Pläne besprechen wird.

Ganz im Vordergrunde steht die Frage der Arbeiterkontrolleure. Arbeiterkontrolleure werden in dem einen Lager ebenso nachdrůcklich gefordert, wie sie im anderen Lager zurückgewiesen werden. Ich bin der Ansicht, die Gegner der Institution stellen sich auf einen ju prin⸗ zipiellen Standpunkt.

Wenn ich zunächst einmal von der spezlellen Frage der Sicher heitskontrolle absehe, so wird mir jeder, der im praktischen Leben steht, zugeben, daß früher und auch jetzt noch in allen einfacheren Betrieben, wo ein persönliches Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erhalten geblieben ist, der Arbeitgeber sich die Sachkunde seinez ein- sichtigen Arbeiters in mannigfachen Fragen des Betriebes gern und umfassend zu nutze macht. (Sehr wahr! bel den Nationalliberalen.) Das bringt die Praxis, die vom einfachsten Arbeiter über den Vor⸗ arbeiter, den Aufseher bis zum Betriebelelter ein ununterbrochenes Band herstellt, ganz von selbst mit sich. Die Schwierigkeit beginnt bei den großen, bei den unpersönlich gestalteten Riesenbetrieben, wo sich die Gegensätzlichkeit jwischen Arbeitgeberschaft und Arbeitnehmerschaft leider in so unhellvoller Weise ausgestaltet hat und wo jedes Ver⸗

wischen der Grenzlinien als ein nicht zu duldender Uebergriff angesehen wird. Dabei kann eins nicht be⸗ stritten werden: Je mehr solche großen Betriebe auf die

straffeste Ordnung angewiesen sind, soll anders der Organismus über⸗ haupt funktionieren, umsomehr ist es erforderlich, daß diejenigen Be⸗ ziehungen jwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, von denen ich soeben sprach und die sich im einfachen Betriebe aus der Natur der Dinge von selbst ergeben, in den großen Betrieben auf eine feste und orga⸗ nische, jede Willkür ausschließende Grundlage gestellt werden.

Aber, meine Herren, die Frage, ob und wie die Bergarbeiterschaft an der Kontrolle der Sicherheit des Bergwerksbetriebs zu beteil igen ist, kann nicht aus diesen allgemeinen Gesichtspunkten allein beant⸗ wortet werden, sondern ist mit der Eigenart des bergbaulichen Betriebs aufs engste verknüpft. Mir scheinen in dieser Beziehung folgende Erwägungen von Bedeutung zu sein.

Die Gefährlichkeit des bergbaulichen Betriebs hat ju der Auf⸗ stellung besonderer und detaillierter Aufsichtsvorschriften geführt, welche von einer großen Zahl von Aufsichtsbeamten gehandhabt werden. Wenn trotzdem die Verhältnisse vielerseite als durchaus ungenügend geschildert werden, so will ich im gegenwärtigen Augenblick nicht untersuchen, inwieweit die Vorwürfe begründet sind, daß die Aufsichts⸗ beamten nicht unabhängig genug gestellt seien und daß ihre Verant⸗ wortlichkeit anders geregelt werden müsse. Einen sehr maßgeblichen Grund erblicke ich darin, daß sich, worauf ja auch schon der Herr Handelsminister im preußischen Abgeordnetenhause hingewiesen hat, die Arbeit im Bergbau an zahlreichen, zum Teil welt autzeinander⸗ liegenden und schwer übersichtlichen Drten abspielt. Das er— schwert die Sicherheitskontrolle in hohem Grade. Aber das macht es meines Erachtens auch dringend geboten, die Sach⸗ kunde und die in der täglichen Arbeit wachsende Erfahrung der Arbeiterschaft nicht ungenutzt ju lassen (Sehr richtig! in der Mitte), um diejenigen Gefahren zu bekämpfen, die schließlich in erster Linie das Leben dieser Arbeiter selbst bedrohen. (Bravo! in der Mitte, links und bei den Sozialdemokraten. Werden speziell dazu autori⸗ sierte und von dem Vertrauen ihrer Kameraden getragene Arbeiter mit der Befugnis ausgestattet, die Sicherheit der Betriebtzeinrichtungen zu beobachten und vorgefundene Mängel in bestimmt geordnetem Ver⸗ fahren bei der Zechenverwaltung und nötigenfalls bei der Bergbehõrde zum Austztrag zu bringen, so wird eine solche mitverantwortliche Be⸗ teiligung der Aibeiterschaft dem Ganzen nur von Vorteil sein. (Sehr richtig! in der Mitte und bei den Soy ialdemokraten.) Ich übersehe dabei keineswegs die praktischen Schwierigkeiten, die Reibungen, auch nicht die Zerwürfnisse, die namentlich im Anfang und dort hervor⸗ treten können, wo die Spannung zwischen Arbeitgeberschaft und Ar⸗ beitnehmerschaft groß ist. Auch sfolche Einrichtungen müssen sich ein⸗ leben, aber daß sie sich bei gegenseitigem guten Willen ein— leben lönnen, dafür liefern die praktischen Versuche einen Bewels, welche die preußische Bergverwaltung im Saarrevier an— gestellt hat. Guter Wille auf beiden Seiten freilich ist eine unent - behrliche Voraussetzung, sonst kann eine solche Einrichtung nichts helfen, sondern erschwert nur den Betrieb. Darum sollte die For⸗ derung auch nicht als eine politische aufgestellt werden, nicht als ein Mittel, um die Machtverhältnisse jwischen Arbeitgebern und Arbeit- nehmern ju verschleben, sondern als ein Mittel, um unter voller Wahrung derjenigen organisatorischen Einheitlichkeit der Betriebs leitung, deren kein großes Werk entbehren kann, alle vorhandenen Kräfte, auch die der Arbeiterschaft, in den Dienst gemeinsamer Ge⸗ fahrenbekämpfung zu stellen.

Zum Schluß wende ich mich zu der Frage des Eingreifens der Reiche regierung. Wie bekannt, haben die verbündeten Regierungen nicht bloß Preußen allein, möchte ich mit Bezug auf eine heut gefallene Bemerkung einfügen bisher den Standpunkt vertreten, daß die Berggesetzgebung den Einzelstaaten vorjubehalten sei. Die Gründe dafür sind in diesem hohen Hause so oft diskutiert

worden, daß ich heute nicht auf sie zurückkommen werde. Haben aber bisher die Einzelstaaten über die Materie disponiert, so muß eine Katastrophe, wie die jetzt

erlebte, junächst auch die Einzelstaaten bor die Frage stellen, in welchen Beniehungen ihre bergrechtliche Gesetztebung reformbedürftig ist. Das ist eine natürliche aus der Kompetenz folgende Notwendigkeit, und aus den Verhandlungen des preußlschen Abgeordnetenhauses wissen Sie, daß die preußische Bergverwaltung diese Konsequenz gezogen hat, daß der preußische Handelsminister Reformpläne erörtert hat, und daß die große Mehrheit des preußischen Abgeordnetenhauses diese Pläne in Preußen erörtert ju sehen wünscht, während allerding andere Parteien entweder die ausschließlich reichs gesetzliche Regelung verlangen oder doch fordern, daß Preußen sich neben den eigenen Re⸗ formplänen für den Uebergang auf das Reich verwenden möge.

Meine Herren, ich kann von dieser Stelle aus mit der größten Bestimmtheit erklaͤren, daß die preußische Staatregierung die An⸗

gelegenheit mit allem Nachdruck fördern wird, in Erfüllung einer

Pflicht, die ihr durch eine Parallelaktlon des Reichs doch nicht ver⸗ schränkt werden kann, und deren Ergebnisse ju berücksichtigen das Reich nicht wird ablehnen können. Ich werde gleichieltig die preußi⸗ schen Pläne jum Gegenstand der Verhandlung mit den übrigen am Bergbau unmittelbar interessierten Bundesstaaten und den Reichg⸗ landen machen.

Ich glaube auf diesem Wege im gegenwärtigen Augen blick den Ausbau der Bergarbelterschutzbefstimmungen, den ich für notwendig halte, schneller und wirksamer zu fördern, als wenn ich im Schoße der verhündeten Regierungen die Frage zur Diskuffion stelle, ob die Berggesetzgebung auf das Reich übergehen soll.

Dabei will ich indessen noch folgendes betonen: Das jetzt so oft gebraüchte Wort Reichsberggesetz' kann insofern verwirrend wirken, als man geneigt ist, sich darunter eine Sammlung von Bestimmungen berghoheitlicher, bergpolizeilicher, privatbergrechtlicher und arbeit⸗ rechtlicher Bestimmungen vorzustellen. Hier handelt es sich um das fest umgrenzte Gebiet des Arbeiterschutzes, und auf ihn tritt weitaus weniger als bei der Gesamtheit der eben gekennzeichneten Aufgaben des Bergrechts die Frage nach der staatsrechtlichen Kompetenz in den Vordergrund. Nicht die Wahrung der Zuständigkeit, aber auch nicht die äußere Verelnheitlichung der Bestimmungen steht hier in erster Linie, sondern das sachliche Bestreben, den Schutz der Bergarbeiter gegen die be⸗ sonderen in ihrem schweren Beruf ihnen drohenden Gefahren bald und wirksam zu verstärken, und die Notwendigkeit, dem Vertrauen der furchtlosen Männer, die für diesen wichtigen Zweig unserer Volks- wirtschaft Leben und Gesundheit einsetzen, eine neue Gewähr zu schaffen.

Daran, meine Herren, haben alle Faktoren unseres öffentlichen Lebens, die Einjelstaaten und das Reich, ein gleichmäßiges Interesse (sehr wahr! bei der Wirtsch. Vergg.), und daran mitjuwirken davon wollen Sie sich überzeugt halten werde ich mit allen meinen Kräften bestrebt sein. (Bravo

Preußischer Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Der Herr Staatssekretär des Innern hat dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß über diejenigen Fragen, welche auf die Entstehung des Grubenunglücks in Radbod und seine Folgen un⸗ mittelbar bezug haben, der Königlich preußische Handelsminister Aus— kunft erteilen möchte. Ich bin gern bereit, diesem Wunsche nachzu— kommen, soweit ich dazu nach Lage der Untersuchung imstande bin, und mit den Reserven, die mir eine schwebende gerichtliche Unter- suchung selbstverständlich auferlegt.

Am vorigen Freitag, meine Herren, habe ich im preußischen Abgeordnetenhause nach der damaligen Lage der Akten einen Ueberblick über die Vorgänge auf der Zeche Radbod und die Zustände und Einrichtungen dieser Zeche gegeben, soweit ich daju damals imstande war. Ich nehme an, daß ich ebenso wie die beiden Herren, welche die Interpellation hier eben vertreten haben, auf diese Erörterungen im Abgeordneten hause nicht näher einzugehen brauche. Ich möchte dies vermeiden, weil ich, wenn ich Ihnen nicht wörtlich das wieder vorführte, was ich am vorigen Freitag gesagt habe, und mich auf eine resumierende Wiedergabe meiner damaligen Ausführungen beschränken wollte, not⸗ gedrungen aus dem Refexieren ins Krltisieren verfallen würde, und ich eine Kritik heute unter allen Umständen vermeiden möchte, weil das bisherige Material für eine Kritik der Angelegenheit nicht ausreicht.

Immerhin, meine Herren, glaube ich Ihnen und der Oeffentlich« keit einige weitere Fesistellungen, die ich seit dem vorigen Freitag ge⸗ troffen habe, nicht vorenthalten zu sollen.

Ich möchte zunächst erwähnen, was der Mehrzahl von Ihnen ja aus der Presse bereits bekannt sein wird, daß vorgestern nachmittag in der Grube bei Radbod eine neue Explosion stattgefunden hat, durch welche die eiserne Bedeckung des Schachtz 1 zum Teil zertrümmert worden ist. Nach Aussage der Wachen ist die Explosioneflamme zum Schacht herausgeschossen, ohne allerdings die in der Nähe befindlichen Personen zu verletzen. Auch sind im Schacht Il die eisernen Schleusen⸗ türen und die zur Bedeckung dienenden Holjteile seitwärts etwa ho m bis in den angrenzenden Grubenbahnhof geschleudert worden. Die Betondecke des neben dem Schacht IL befindlichen, 32 im tiefen Venti= latorschachts ist jerstört worden. Ob der Ventilator, der durch einen Schieber gegen den Schacht abgeschlossen wird, gelitten hat, konnte noch nicht festgestellt werden. Eine nochmalige Abdichtung des Schachtes hat der Revieibeamte wohl mit Rücksicht auf die Gefahr des Eintretens weiterer Explosionen verboten. Der Zechenplatz ist abgesperrt und Wachen in der gehörigen Entfernung von den Zechen aufgestellt werden.

Et ist wohl anzunehmen, daß die Explosion dadurch entstanden ist, daß durch die Wassermengen, welche in die Grube geleitet worden sind, die aus der Kohle ausgetretenen Grubengase von ihrem Aus— trittspunkt verdrängt und an einen Punkt gebracht worden sind, wo sie mit dem Feuer in Berührung kamen. h

Ich will dazu bemerken, daß bis gestern etwa 100 000 cbm Wasser in die Grube geleitet worden sind. Diese Menge genügte, um die dritte Sohle bis zur Füllortfirste unter Wasser zu setzen. Zur Zeit fließen in der Minute 25 ebm dem Grubengebäude zu.

Es ist selbstverständlich, meine Herren, daß die Wiedereröffnung der Grube zur Bergung der Leichen nicht eher gestattet werden wird, als big die Bergbehörde die feste Ueberjeugung hat, daß irgend eine Gefahr für die Bergungsmannschaften nicht vorliegt.

Inwieweit die Meldung der Presse, daß die Pulverkammer, wie es dort heißt, in der Grube explodiert sei, eine tatsäͤchliche Unterlage hat, vermag ich heute nicht zu beurteilen.

Es ift dann sowohl in der Presse, wie in den Bergarbeiter⸗ versammlungen gegen die Zechenverwaltung immer wieder der Vor⸗ wurf vorgebracht worden, daß besonders in den letzten Tagen das Wasser zur Berlieselung gefehlt habe. (Sehr richtig! bei den Polen.) Ueber diesen Punkt sind bis jetzt 17 Beamte und 10 Arbeiter, die als Rieselmeister bestellt waren, und 4RKohlenhauer eidlich vernommen worden. Auf Grund dieser Vernehmungen ist big jetzt als festgestellt anjunebmen, daß et am Montag, den 9, Morgens bis gegen 12 Uhr Mittags an Wasser gefehlt hat, und jwar infolge Einfrieren der Wasserleitung über Tage. Im übrigen das bemerke ich ausdrücklich stimmen die Aussagen der Zeugen nicht miteinander überein, ebenso⸗ wenig wie sich die Aussagen der Zeugen über die Menge des vor- handenen Kohlenstaubs decken.

Ich muß also umsomehr Bedenken tragen, über die Einzel helten der Vernehmungen hier Mitteilungen zu machen, weil ich damit

fürchten müßte, in den Gang der gerichtlichen Untersuchung eln⸗ zugrelfen.