1908 / 282 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 30 Nov 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Kriegsministerium.

Dem 6 Kriegsrat und Militärintendanten Streubel ist die Militärintendantenstelle des XVIII. Armee⸗ korps übertragen worden.

Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten.

Der Regierungs- und Schulrat Dr. Polack ist der Regierung in Düsseldorf überwiesen worden.

Der Kreisassistenzarzt Dr. Thomalla aus Walden⸗ burg i. Schl. ist zum Kreisarzt ernannt und mit der Ver⸗ e, we. des Kreisarztbezirks Kreis Johannisburg beauftragt worden.

Am Lehrerseminar in Gummersbach ist der bisherige kommissarische Lehrer Löffler vom Seminarnebenkursus daselbst und am Lehrerseminar in Wongrowitz der bisherige kommissa⸗ rische Lehrer Kramer vom Seminarnebenkursus in Schwerin a. W. als ordentlicher Seminarlehrer angestellt worden.

Aichtamtliches.

Deuntsches Reich.

Prenß en. Berlin, 30. November.

Der Ausschuß des Bundesrats für Handel und Verkehr, die vereinigten Ausschüsse für Rechnungswesen, für das Land⸗ heer und die Festungen und für Seewesen, der Ausschuß für Rechnungswesen, die vereinigten Ausschüsse für Rechnungs⸗ wesen und für an. und Steuerwesen sowie der Ausschuß für Rechnungswesen hielten heute Sitzungen.

Das Königliche Staats ministerium trat unter dem Vorsitz seines Präsidenten Fürsten von Bülow heute zu einer Sitzung zusammen.

In der Zeit vom 1. April 1908 bis zum Schlusse des Monats Oktober sind, nach dem „Zentralblatt für das Deutsche Reich“, folgende Einnahmen des Deutschen Reichs an Zöllen, Steuern und Gebühren abzüglich der Ausfuhrvergütungen usw. sowie Einnahmen der Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung und der Reichseisenbahnverwaltung zur Anschreibung gelangt:

ölle 343 466711 16 (gegen das i g 69 717 264 6), Tabalsteuer 5 621 097 6 (— 3247066 6), Zigaretten⸗ steuer 10103 323 s6 ( 1160073 , uckerstener 93 019 174 6 (4 2364076 S), Salzsteuer 32 008 407 0 ( 308 783 6), Branntweinsteuer: a4. 1

u

9

tempel 943 580 6 C— 12568 echselstempelsteuer 9763 878 M (— 385 102 6), Re

stempelabgaben: J. Ueber eisungssteuern: A. von Weripapieren

14749 567 S (- 1644 „e), B. von Kauf⸗ und sonstigen

Anschaffungsgeschäften 6 397 931 6 (4 663 624 S6), C. von

Lotterielosen: a. für Staatslotterien 16064 222 (6 (I 706543 S6), bp. für Privatlotterien 8 326 472 MSaüa

( 57565 060 6). II. Reichseigene Steuern: A. von Fracht⸗ urkunden 8528 375 SM (— 766 638 S6), B. von Personen⸗ fahrkarten 11478923 MS (4 532301 6), C. von Er—⸗ laubniskarten für Kraftfahrzeuge 1 523 303 S (4 206 218 6), von Vergütungen an Mitglieder von Aufsichtsräten 1184974 966 ( 1478 28 6), Erbschaftssteuer 14 254 135 6 ( 74477 S), Statistische Gebühr S897 777 So . C 651 S234 S), Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung 689 511 774 S6 6 15513 020 4), en ,,, 71 062 000 S (— 2850000 M9). Die zur Reichskasse gelangte , . abzüglich der usw. und der Verwaltungskosten be⸗ trägt bei den nachbezeichneten Einnahmen: Zölle 321 449 424 6 66 75 729 66), Tabaksteuer 7100 964 M C— 123 482 6), igarettensteuer 8 734 901 S6 (4 1831 464 6), . teuer 82795 481 S6 (4 60930653 S), Saßzsteuer 30 559 769 MS C 104 069 S), Branntweinsteuer: a. bottichsteuer = 3 405 MI M C 1708 8338 60), b. Verbrauchs⸗ abgabe und Zuschlag 76 341 185 66 (— 639 913 M), c. Brenn⸗ steuer 1 222 821 6 (4 3186 2186), Schaumweinsteuer 3 146 060 S (4 117490 06), Brausteuer und Uebergangs⸗ abgabe von Bier 28 210 275 S6 (— 607 027 M), Spielkarten⸗ stempel 963 788 M (— 13246 S606), Wechselstempelsteuer 9763 878 S6 (— 383 102 ), Reichsstempelabgaben: I. Ueberweisungssteuern: A. von Wertpapieren 14 454 576 S0 (= 1 611609 6), B. von Kauf⸗ und sonstigen Anschaffungs⸗ keschoften 6 267 622 S (4 651 153 S6), C. von Lotterie⸗ osen: a. für Staatslotterien 16 064 222 S (— 1706543 6), b. für Privatlotterien 8 216 805 S (4 569 684 eg, II. Reichseigene Steuern: A von Frachturkunden 8 357 808 Mt = JT5l 306 MS), B. von Personenfahrkarten 11 249 345 S6 ( 521 656 MS), CG. von Erlaubniskarten für Kraftfahrzeuge 14192 8507 M C 202 94 S), D. von Vergütungen an Mit⸗ lieder von Aufsichtsräten 1161 274 S6 —— 1448468 ), bschaftssteuer 14 254 135 M (4 74477 ), Statistische Gebühr 887 608 MS (— 46067 Mc).

Dem Regierungsassessor Dr. von Wagenhoff, bisher Hilfsarbeiter im Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, ist die kommissarische Verwaltung des Landrats⸗ amts im Kreise Gifhorn, Regierungsbezirk Lüneburg, über⸗ tragen worden.

Görlitz, 28. November. In der gestrigen 3. Plenarsitzung des Kommunallandtages des Markgraftums Oberlausitz ge⸗ langte der Bericht der ständischen Kommission über die Besichtigung des hiesigen Rettungshauses zur Ver lesung, der ergab, daß sich dieses in einem guten Zustande befindet. Im Arschluß hieran wurden die Sonderberichte über einzelne, unter ständischer Verwaltung stehende

Änandergehen. Wollt ich mein

Anstalten, wie 4 B. dag Oberlausttzer Waisenhaug in Reichenbach,

die Wollersche Waisenanstalt in dewalde und dergleichen vor⸗ . und die verschiedenen Spezialetats festgesetzt.

erlauf der Sitzung wurde noch eine große Anzahl von Gefuchen auf Bewilligung von Beihilfen zu gemeinnützigen und wohltätigen Zwecken einer n n. Beratung und Beschlußfaffung unterzogen.

Württemberg.

Bei der Einweihung der neuen Bahnlinie Schorn—⸗ dorf Rudersberg am Freitag hat der Ministerpräͤsident Dr, von Weizsäcker eine längere Rede gehalten, in der er auch auf die Güterwagengemeinschaft einging und, „W. T. B.“ zufolge, unter anderem ausführte:

Für einen engeren , der deutschen Eisenbahnen habe Seine Majestät der König Wilhelm seinen Ginfluß ganz besonders ,. und setze ihn ein. Um so mehr müsse man diesen ersten Schritt begrüßen. Gr sei nicht ohne Opfer erreicht worden, aber allseitig habe man bei diesen Verhandlungen nicht die trennenden Momente, sondern das nationale Bedürfnis ins Auge gefaßt. Das gelte insbesondere auch von der maßgebenden Stelle, dem preußischen Fisenbahnminister, und man dürfe sicher sein, daß dieser wie bei den bisherigen Verhandlungen, fo auch bei der Ausführung der getroffenen Vereinbarungen vor allem die nationale Seite im Auge haben werde. Der heutige Tag bringe den Ruderz⸗ bergern und den anderen beteiligten Gemeinden reichen Segen. Die Hauptsache aber sei, waz die Bewohnerschaft selber leiste, die persön⸗ liche Kraft und Tüchtigkeit; ähnlich sei es im Reich und mit unserer Stellung in der Welt. Wenn auch da und dort am Horizont Ge—⸗ wölk sich zeige, sollten wir uns darüber nicht beunrubigen, denn die Sicherheit elner Ratlon beruhe 2 der Kraft und Tüchtigkeit ihrer Bürger, und damit sei es in Deutschland gut bestellt. Wenn in der 1 Zeit eine gewisse Sorge und Bewegung der Gemüter sich ge. zeigt habe, so werde das Endergebnis in, daß sich das deutsche Volk erst recht zusammenschlleße ohne glle Sonderrichtung. man auch im Auslande fühlen n. Deutschland von heute, wenn es gelte, ebenso einig und eben so k silg dastehe wie in dem eroischen Zeitalter der Gründung des Deutschen Reichez. Darum sähen wir der Zukunft mit ruhiger und fester Zuversicht entgegen.

Baden.

Ihre Majestäten der König und die Königin von Schweden sind vorgestern nachmittag, W. T. B.“ zufolge, in Baden⸗Baden eingetroffen und auf dem Vahnhofe von Ihrer Königlichen 5 eit der Großherzogin Luise und den Spitzen der Behörden begrüßt worden.

m weiteren

Das werde

Mecklenburg⸗ Schwerin.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog hat vorgestern den Geschäftsausschuß des liberalen Wahl⸗ vereins für beide Mecklenburg in Audienz empfangen. Nachdem in längeren Ausführungen die Wünsche des liberalen Wahlvereins dargelegt worden waren, erklärte, ‚W. T. B.“ keel ge Seine Königliche Hoheit der Großherzog,

er es sich versagen ͤ 62 auf die Einzelheiten der Aus—⸗ führungen einzugehen, daß er aber seinen grundsätzlichen Standpunkt der Deputation nicht vorenthalten wolle.

Als ich mich aus freien Stücken entschloß, fuhr Seine König—⸗ liche Hoheit der Großherzog fort, das von meinem Großvater be— gonnene, aber nicht zu Ende geführte Werk einer jeitgemäßen Um- gestaltung der bestehenden Landesverfassung wieder aufzunehmen, war mir nicht unbekannt, daß über die Frage, in welcher Weise diese schwierige Aufgabe zu lösen sei, sowie welche Verfassungsform für Mecklenburg als zeiten äß anzusehen sei, die An⸗ sichten in den ver ledẽnen eisen des Landes weit aus⸗

Land vor schweren Kon⸗

skten bewahren und eine ruhige Gatwicklung felner küffent. ichen Rechtszustände sicher stellen, so mußte ich deshalb mein Augen—⸗ merk darauf richten, daß die Verfassungsvorlage nicht den einseitigen Standpunkt einer bestimmten Partei zur Richischnur nehme, fondern unter Berücksichtigung der tatsächlich bestehenden Verhäͤltnisse tunlichst eine zwischen den verschiedenen politischen Gegensätzen im Lande ver⸗ mittelnde Richtung einhalte. Von dieser Erwägung ausgehend, habe ich seinerzeit meinen Entschluß, die Verfassungsverhandlungen wieder aufnehmen zu wollen, kundgegeben und durch meine Regierung die an die Stände herauszugebende Vorlage ausarbeiten lassen. Wenn, wie ich zu meinem Befremden vernommen, die Auffaffung geltend gemacht worden ist, daß ich ein in der Verfassungsfrage gegebenes Versprechen nicht eingelöst hätte, so muß ich dem mit aller Ent⸗ schiedenhelt entgegentreten. Eine Verfassung bestimmter Art habe ich meinem Volke weder versprechen wollen, noch versprechen können. Ich habe nur meinen Entschluß kundgetan, auf die Durchführung der Verfassungt⸗ reform nach Maßgabe meiner angedeuteten Erwägungen hinzuwirken. Ich bin auch fest entschlofsen, die von mir eingeleileten Verhandlungen auf Grund der Vorlagen meiner Regierung fortzusetzen und sie ju einem dem Lande dienlichen Ende zu führen. Gleichwohl habe ich es mir nicht versagen können, in dieser für das ganje Land so wichtigen Angelegenheit auch die Wünsche des liberalen Wahlvereins zu hören, wie ich für jeden meiner Untertanen ein offenes Ohr habe.

Oesterreich⸗Ungarn.

Vorgestern vormittag empfing der Kaiser Franz Joseph anläßlich seines sechzigjährigen Regierungsjubiläums die aus S00. Personen pin. Huldigungsdeputation der aktiven Staatsbeamten; darunter den Ministerpräsidenten, die Chefs der Zentrallstellen und die Chefs der Landes⸗ ver g .

Der Ministerpräsident Freiherr von Bienerth hob in seiner Ansprache, W. T. B.“ zufolge, herbor, die Beamtenschaft sei von jeber mit dem Kaiserhause innig veibunden gewesen und hätte es stets für ihre Pflicht gehalten, unter Einsatz der ganzen Persönlichkeit den Absichten des Monarchen ju dienen, der ihr zum Vorbild, zum In⸗ begriff der Tugenden geworden sei. Der Ministerpräsident betonte sodann die der Beamtenschaft vom Kaiser erwiesenen Wohltaten und erneuerte zugleich das feierliche Gelübde unverbrüchlicher Treue, beruffreudiger Arbeit und Pflichterfüllung. Der Kaifer erwiderte, ibm sei in reichem Masse das Glück zuteil geworden, pflichttreue Diener zu finden. Dem Staat stets treu und dem Fürsten persönlich ergeben ju sein, sei allezeit der geschichtliche Ruhm des österreichischen Beamtentums gewesen. Der Ausgangzpunkt für das Wirken eines Beamten müsse das Gesetz, nichts als das Gesetz sein. Je reger dat , ,n wäre, um so fester J. die Beamten sich auf vpartei⸗ ose Gesetzlichkeit stützen. Den Angehörigen aller österreichischen Völker stehe in gleicher Wesse der Eintritt in den öffentlichen Dienst offen. Die Beamtenschaft müsse und solle die Sohne aller Nationen um- fassen. die, ohne ihre Stammeszugehörigkeit zu vergessen, stetg ein⸗ gedenk bleiben müßten, daß ibr Amt niemals Partei sein dürfe. Nicht das nationale Gefühl, wohl aber der nationale Widerstreit müßten aus dem Amte verkannt bleiben. Die österreichische Beamtenschaft werde stetg den Völkern ein sicherer Hort, dem Staate ein tüchtiger Diener und den Nachfolgern des Kaisers ein getreuer Helfer sein.

Gestern vormittag empfing der Kaiser die ungarischen Minister in Audienz, um ihre Huldigung zu seinem Regie⸗ rungs jubiläum entgegenzunehmen.

Das österreichifche Herrenhaus , vorgestern aus Anlaß des Regierungssubilums des Kaisers eine Fest⸗ sitzung ab, in der der Praͤsident Fürst zu Windisch-Grätz

eine Ansprache hielt, die von den . des Hauses 2 angehört und wiederholt, von Beifall unterbrochen wurde. .

Nach dem Bericht des W. T. B.. hob der Redner hervor, welch selteneß Glück den Völkern Desterreich⸗ Ungarns durch das sechzigjäbrige , , ,, des Kaisers beschieden sei, dem im ganzen Reiche durch Akte der Nächstenliebe und durch glanzvolle Kund⸗ gebungen aufs neue gehuldigt werde, und der trotz vielfacher Prüfungen und schwerer Sorgen den kostbarsten Schatz, den die Krone bringen könne, sein eigen nenne: die Liebe seiner Völker! Well sich das Herrenhaus jeder Zeit eins wisse mit den edelsten Regungen der Volksseele, well es sich gedrängt fühle, den Monarchen wissen zu lassen, daß es in ehrfurchtsvollster Liebe und Sankbarfeit der sechzigsten Wiederkehr des Tages seiner Thronbesteigung gedenke, erbitte sich der Präsident die Ermächtigung, durch eine Veputation unter Führung des Präsidiums dem Kaiser aug Anlaß seineg Re⸗ ö die ehrfurchtsvollsten Glückwünsche deg Hauses zu unterbreiten.

Nach Wahl einer aus sechzehn Mitgliedern bestehenden Deputation wurde die Sit un mit dreimaligen begeisterten Hochrufen auf den Kaiser geschbossen.

Im österreichischen Abgeordnetenhause, das vorgestern aus demselben Anlaß eine Festsitzung abhielt, sagte der Präsident Weiskirchner in seiner vom Hause stehend angehörten Festrede:

Der Kaiser habe den modernen Staatsgedanken elner gesetz⸗ mäßigen Teilnahme des Volks an der Regierung für elne eich ver⸗ wirklicht und bis zu einem idealen Abschluß geführt. Dann ge— edachte Redner des wechselvollen Schicksals des . der stets ein Gottvertrauen und die Liebe zu seinen Völkern bewahrt habe und als Beispiel hohen Pflichtsgefühls, großer Ausdauer und Beharrlichkeit allen Staatsbürgern voranleuchte. Der Präsident sprach den warmen Dank aller Nationalitäten und ihre Huldigung für den allgeliebten ,. aus und schloß mit vielen Segenswünschen und dem Ausdruck der Treue und Ergebenhelt für den Kaiser.

Das Haus stimmte begeistert in das dreimalige Hoch auf den Kaiser ein und ermächtigte das Präsidium und das Bureau des Hauses, dem Kaiser die ehrfurchtsvollen Glück— und Segenswünsche zu seinem Jubiläum zu überbringen.

Der Ministerpräsident Freiherr von Bienerth hat am Freitag die itglienischen Abgeordneten, welche die Wünsche der italienischen Bevölkerung in der Universitäts⸗ fag vorbrachten, empfangen und ihnen, „W. T. B.“ zu⸗ olge, erklärt, daß er die jüngsten Vorgänge an der Wiener Universität verurteile und entschlossen sei, sobald als möglich eine die Universitätsfrage regelnde Regierungs⸗ vorlage einzubringen. Auf Grund dieser Erklärung beschlossen die italienischen Abgeordneten, mit aller Energie die notwendigen Verhandlungen mit der Regierung re een, damit das von dieser gegebene Versprechen möglichst bald ver⸗ wirklicht werde. Die Abgeordneten sprachen die Erwartung aus, daß die italienischen Studierenden im Interesse der Sache von allen Demonstrationen abstehen würden, die einen Vorwand für eine Verzögerung der Lösung der Frage bilden könnten.

In Prag haben vorgestern und gestern wieder Aus⸗ schreitung en 33 deutsche Studenten stattgefunden, über die folgende Meldungen vorliegen:

Wien, 28. November. Nach einer Meldung des ‚K. K. Tele⸗ graphen · Korrespondenibureaus“' war heute zur Feler des 60 jährigen Jublläumg der Lesehalle der deutschen Studenten Prags eine Auffahrt nach der deutschen Universität und der deutschen Technik arrangiert worden. Aus Idiesem Anlaß hatten sich auf dem Graben etwa 600 tschechische Studenten angesammelt, die die Couleurstudenten bei der Fahrt auf der Strecke vom Pulverturm zur Bergmannggafse mit . und m fen empfingen und sich in die Fahrbahn drängten, wo sie die deutschen Studenten anspeien und insultieren wollten. Die Wache schritt energisch ein und sperrte die Bergmannggasse ab, sodaß die deutschen Studenten unversehrt nach der Unsipersität gelangten und von da zur Technik weiterfahren konnten. Als die deutschen Studenten nach dem Vereintlokal der Lese, und Redehalle fuhren und ihre Wagen den Graben yvassiert hatten, begann die dort angesammelte, etwa 2000 Köpfe zählende . derartige Aus⸗ schreitungen zu begehen, daß die Gendarmerie herbeigerufen und die Menge vom Graben weggedrängt werden mußte. Es wurden mehrere Verhaftungen vorgenommen.

Wien, 28. November. Der Neuen Freien Presse“ zufolge wurden heute bei der Auffahrt der Studenten acht deutsche Couleur- studenten von tschechischen Studenten überfallen und mißhandelt. Die deutschen Studenten mußten in das Gebäude der Unionbank flüchten, deren Tore geschlossen wurden. Die tschechlsche Menge belagerte das Gebäude so lange, bis einige hundert Mann Gendarmerie die Ein= geschlossenen befreiten.

Wien, 28. November. Bei der Rückfahrt der deutschen Stu⸗ denten von der Lesehalle kam es, wie die Neue Freie Presse“ meldet, ju erneuten Ausschreitungen. Die tschechischen Studenten fielen den . des Wagens der Chargierten der Verbindung „‚Neustädter

ollegentag! mit Geheul in die Zügel, sprangen auf die Tritt⸗ bretter und schlugen auf die Studenten los. In der Heinrichs⸗= gasse wurden die deutschen Studenten mit faulen Giern be—⸗ worfen. Der Student Löwenthal, Obmann der freien wissen schaftlichen Vereinigung der Berliner Hochschulen, wurde durch einen Stockhieb verletzt. Ihm und anderen Studenten wurde wiederholt ins Gesicht gespieen. Einem Wiener Studenten wurde ein furchtbarer Stockhieb über den Hinterkopf versetzt. Die verhafteten tschechischen Studenten wurden von der Menge wieder befreit. An den Aug⸗ schreitungen waren zum großen Teil südslawische Studenten beteiligt, die an ihren rot⸗schwarzen Mützen kenntlich waren.

Wien, 29. November. Bei der heutigen Promenade der deutschen Studenten auf dem Graben kam es, der Neuen Freien Presse⸗ zufolge, wieder zu großen Ausschreitungen der Tschechen, wobei deutsche Studenten insultiert und mißhandelt wurden. Um 12 Uhr Mittags wurde bei dem Gebäude der Landesbank der Kordon der Gendarmen durchbrochen, und die Studenten wurden angefallen. Ein Techniker erhielt einen Stockhieb über den Kopf, durch den der Schädelknochen jersplittert wurde. Der Student Ernst Veit aus Straßburg erlitt , , . an Kopf und Händen. Die Ausschreitungen dauerten am Abend noch fort. Die Polizei erweist sich als machtlog. Bei den Ausschreitungen am Vormittag wurde militärische Hilfe in An—⸗ spruch genommen.

In Reichenberg in Böhmen wurde gestern auf dem Marktplatz eine von Tausenden besuchte , ab⸗ gehalten, in der eine Reihe von Rednern, darunter der Bürger⸗ meister von Reichenberg, Dr. Bayer, und der Obmann der Reichsvereinigung deutscher Arbeitervereine, laut Meldung des „W. T. B.“, Verwahrung einlegten gegen die Gewalttätigkeiten, denen die deutschen Studenten in Prag durch den tschechischen Pöbel ausgesetzt sind. Es wurde darauf hingewiesen, daß diese Ausschreitungen an der Stätte der . deutschen Universität, einem ehr⸗ würdigen Kulturbesitz des deutschen Volkes, bereits zu einem europäͤischen Skandale geworden seien. Zum Schluß nahm die Versammlung eine d, , . an, in der die Regierung aufgefordert wird, die Wiederholung der allsonntäglichen Vor⸗ gänge auf dem Prager Graben unmöglich zu machen und den deutschen Studenten in Prag die Freiheit hn Auftretens und Verkehrs und ihre persönliche Sicherheit zu verbürgen.

Großbritannien und Irland. Kr

Kriegssekretär Haldane hat vorgestern in Cambridge be über die Armeereform gehalten, in der er, , H. zufolge, ausführte, ö z8 Roberts ei in seiner jüngsten Reh im Oberhause tatsächlich hn anderen Heeretplan eingetreten., Es sei nicht leicht gewesen, . lament dabin ju bringen, sich mit der Armeereformpolltik ein- en ju erklären. Darin habe er mehr Grfahrung als bervor. Militärs, die seiner Ansicht nach besser täten, sich an das e zu halten. Die Möglichkeit einer Invasion, die Lord Roberts leicht geschildert habe, sei auf das eingehendsie geprüft worden, . zwar nicht nur von der Regierung allein, sondein zu⸗ . mit Armee und Marineofftieren, und man habe mit Genug⸗ ing

9 tellt, daß eine derartige Expedition unmöglich ohne recht- ö iner der englischen Regierung ins Werk gesetzt werden 1 solange England die Seeherrschaft behaupte. Es könne wobl ä ügend jemand versuchen, die Verteidigungskraft des Landes, die affen habe, nach weiter zu erhöhen, aber der, der das unter. .. möge sich hüten, sie bis zu einem Grade augtzzudehnen, der nta totwendige binqgusginge und die Erhaltung einer starken i welche die Grundlage von Englands Macht bilde, gefährden

( Frankreich. ö

ie Deputiertenkammer hat, „W. T. B.“ zufolge, hr in t Beratung des Finanzgesetzes beendet, das H im ganzen mit 477 gegen 52 Stimmen ange⸗ mmen und sich darauf . den 7. Dezember, vertagt, sihann die Beratung Über die Abschaffung ber Todesstrafe

usetzen. sun Rußland.

Por Schluß der vorgestrigen Sitzung der Reichs duma tchten die Sozialdemokraten eine Interpellation ein, in

der Kriegsminister aufgefordert wird, sich über die

stigkeit des Obersten Liachow in Persien zu äußern, beantragten Dringlichkeit der Interpellation.

Nach dem Bericht des. W. T. B. begründete der Abg. Pro⸗ väki (Soz) die Interpellation und wies darauf hin, daß Lie mndlungen Ljachows Persien gegen die russischen Bürger feindlich umten und daher den internationalen Beztehungen Rußland Ge⸗ kr drohe. Der Redner, der mehrere Male vom Präͤsidenten unter. böen und daran erinnert wurde, daß die internationale Politik Fethalb der Kompeten; der Reichs duma liege, nannte unter anderem bow einen Pseudoobersten, was auf den Bänken der Rechten an⸗ ernden Lärm hervorcief. Der Präsident forderte den Redner auf, Wort zurückzunehmen, was dieser auch tat, aber erklärte, er habe en wollen, Ljachow sei ein Pseudodiplomat. Ber Abg. sarkow (äußerste Rechte) erklärte, wenn nicht in den Abgeordneten nussischen Duma das Herz von Juden oder Persern schlage, sei Annahme einer derarsigen Interpellation schmachvoll für einen en Diener des russischen Kaisers. ; ; . Die Duma lehnte die Dringlichkeit ab und überwies die

lerpellation nach der Geschäftsordnung der Kommission.

Italien.

Gestern vormittag haben, „W. T. B.“ en ig in Rom, siland, Florenz, Padua und Palermo Protestverfamm⸗ ngen gegen die Vorgänge an der Wiener Uni⸗ ö. ität , . Die Kundgebungen sind ohne Zwischen⸗ le verlaufen.

Spanien.

n der Deputiertenkammer hat der . estern einen Gesetzentwurf, betreffend die Ungültigkeit w Verjährung der Schuldansprüche an den Staat, gebracht. Wie das W. T. B.“ meldet, sollen nach dem kel 2 des Gesetzes die Zinsansprüche in fünf Jahren ver⸗ hren. Nach Artikel 8 soll die dreiprozentige äußere Schuld z dem Verkehr gezogen werden und in Stücke der srprozentigen äußeren abgestempelten Schuld umgewandelt erden, . zwar in dem zur Zeit bestehenden Verhältnis. henn die Inhaber der dreiprozentigen Schuld Ausländer sind, die Umwandlung nach der Frist eines Jahres erfolgen, ls die Inhaber darum nachsuchen. Die Umwandlung soll vierprozentige innere Schuld erfolgen, wenn diese Frist ver⸗ ichen ist oder wenn die Inhaber Spanier sind.

Türkei.

Nach einer Meldung des „K. K. Telegraphen⸗Korrespondenz⸗ sreaus“ hat der Großwesir vorgestern dem italienischen vischaf ter die Erklärung abgegeben, daß sich die Regierung mühen werde, die Boykottbewegung gegen Oesterreich⸗ ungarn zu unterdrücken. ;

Die „Jeni Gazetta“ veröffentlicht das vom Marine⸗ nnisterium füͤr einen Zeitraum von acht Jahren ausge⸗ beitete Flotten program m. Die Gesamtausgaben betragen 360 C00 Pfund, von denen in das Budget des nächsten chres 22323 000 Pfund einzustellen en Ohne die bei Schneider d der Ansaldo⸗Werft bereits bestellten Kriegsschiffe ist der u von insgesamt sechs Kriegsschiffen, zwölf Torpedo⸗ tszerstörern, zwölf Torpedobooten, sechs Unterseebooten, zwei hinenschiffen, zwei Schulschiffen, vierundzwanzig Kanonen⸗ wdten, vier Flußkanonenbooten, einem Hospitalschiff und sechs ransportschiffen en mn. ferner ist der Bau von Marine⸗ erkftätten und Arsenalen geplant. .

Die Demobilisierung der . ist, dem I. K. Telegraphen⸗Korrespondenzbureau“ zufolge, in den letzten agen derart beschleunigt worden, daß über den 1. Dezember naus nur sehr wenige Redifbataillone mobilisiert bleiben erden. Dagegen wird die Einberufung der Reservisten Vervollständigung des Kriegsstandes der Nizamtruppen 3 Korps von Konstantinopel, Adrianopel und Saloniki zttgesetzt.

Amerika.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Port au Prince tt vorgestern bei Anse à Veau ein schwerer Zusammenstoß zischen Revolutionären und Reg ierungstruppen nter dem Kriegsminister Celeltin stattgefünden, bei dem die egierungstruppen unterlagen.

Asien. „Die Dragomane der russischen und der englischen desandtschaft in Teheran hatten vorgestern eine Audienz tim Schah, die ungefähr eine Stunde dauerte. Der chah bestätigte, wie die „St. Petersburger Telegraphen⸗ hentur“ meldet, seine unabänderliche Absicht, dem Lande eine J arfassung zu verleihen, wies jedoch auf das Entgegenwirken r Geistlichkeit hin und erklärte, er werde eine besondere, indige, mit weitgehenden Vollmachten versehene beratende Iorherschaft berufen. Der Schah wies ferner auf die in der ache des früheren Medschlis, die sich durch Eigen⸗ ihiigkeit der Endschumens und Gewalttätigkeit des Pöbels ennzeichnet habe, aufgetretenen Irrungen und Gefahren hin Ed sprach die Ansichk aus, daß es zur Vermeidung von Viederholungen der früheren Unruhen notwendig sel, die

Wahlen informierter, intelligenter und erfahrener Abgeordneten zu sichern, die nicht dem Einflusse böswilliger Agitatoren verfielen und frühere Fehler nicht wiederholten. Dazu sei . 6. fältigste Ausarbeitung neuer Dahl geh erforderlich. Diese Aufgabe könne der zu berufenden Versammlung aufgetragen werden. ? ;

Die neue beratende Versammlung ist heute vom Schah gebildet worden. Sie sebt sich, nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“, aus etwa 40 Prinzen, Notabeln und Kaufleuten zusammen, die vom Großwesir ernannt und vom Schah bestätigt werden. Die Sitzungen dieser Versammlung sollen geheim sein und den Zweck haben, über Verbesserungen in verschiedenen Verwaltungszweigen zu beraten. Ein Wahlgesetz zu entwerfeh hat die Versammlung keinen Auftrag.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die vorgestrige Sitzung des Reichs⸗ tags befindet sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Auf der Tagesordnung der heutigen (172) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär, des Innern Dr. von Bethmann Hollweg beiwohnte, stand die zweite Lesung der Gewerdeordnungsnovelle, die am 2. März 1908 zusammen mit der Novelle, betreffend die Hausarbeit in der Zigarrenindustrie, und den beiden internationalen Abkommen, betreffend das Verbot der Nachtarbeit der gewerblichen Arbeiterinnen und der Verwendung von weißem (gelbem) Phosphor zur Anfertigung von Zündhölzern, der XXXVI. Kommission zur Vorberatung überwlesen worden war. Die Kommission hat nach der Vertagung des Hauses im Sommer bereits am A. Oktober ihre Arbeiten wieder aufgenommen und vorweg die⸗ jenigen Bestimmungen des Entwurfs herausgegriffen, die durch die Berner Konvention über die Regelung der Frauen⸗ nachtarbeit notwendig geworden waren, um so das Inkraft⸗ treten der bezüglichen Gesetzesänderungen zu dem in Aussicht genommenen Termine zu ermöglichen. Den schriftlichen Bericht der Kommission hat der Abg. Dr. Pieper (Zentr.) erstattet.

Der Abschnitt N der geltenden Gewerbeordnung trägt die Ueberschrift: Verhältnisse der Fabrikarbeiter“. Diese Ueberschrift soll nach der Vorlage wie folgt geändert werden: „Besondere Bestimmungen für Betriebe, in denen in der Regel mindestens 10 Arbeiter beschäftigt werden“. Die Aenderung soll erfolgen, um den Schwierig—⸗ keiten der Abgrenzung der Begriffsbestimmungen „Fabrik“ und „Handwerk“ für den Bereich der Arbeiterschutzvorschriften zu begegnen und das Anwendungsgebiet der letzteren klar zu um⸗ schreiben. Die Kommission hat die veränderte Fassung gut⸗ geheißen und zwei Anträge der äußersten Linken, statt „10“ zu setzen 5“, und statt „in denen“ zu setzen „für die“, ab⸗

gelehnt.

Nach der Berner Konvention von 1906 soll den Arbeitern eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden gewährt werden. Dementsprechend enthält der Entwurf in § 137 Abs. 4 die Vorschrift: „Nach der. Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist der Arbeiterin eine un⸗ unterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden zu gewähren.“ Die gleiche Begünstigung will der Entwurf auch den jugendlichen Arbeitern in 3 136 Abs. 3 gewähren. Beide Vorschläge sind in der Kommission einstimmig ange⸗ nommen worden. Die Nachtruhezeit ist durch die Berner Konvention auf den Zeitraum zwischen 10 Uhr Abends und 5 Uhr Morgens beschraͤnkt; nach einem von der Kommission zu § 137 Abs. 1 angenommenen Antrag sollen Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter im Alter von 14 bis 18 Jahren in der Nachtzeit von 8 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgen nicht beschãaftigt werden dürfen (bisher ist in 8 137 Abs. 1 für jugendliche Arbeiter und Arbeiterinnen die Nacht⸗ ruhezeit von 3i /a Uhr Abends bis Hi / Uhr Morgens vor⸗ geschrieben). Am Sonnabend sowie an den Vorabenden der Festtage dürfen Arbeiterinnen nicht über 5 Uhr Nachmittags hinaus beschäftigt werden. ;

8 157 Absatz 2 schreibt den Zehnstundentag für Arbeiterinnen vor. „Die Beschäftigung von Arbeiterinnen darf die Dauer von 10 Stunden täglich, an den Vorabenden der Sonn⸗ und Festtage von 8 Stunden nicht überschreiten. Arbeiterinnen, die ein Hauswesen zu besorgen haben, dürfen am Sonnabend höchstens 6 Stunden beschäftigt werden.“ Anträge auf Einführung des 8⸗ bezw. 9 Stundentages und auf Einführung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 60 Stunden bei einer täglichen Arbeitszeit von höchstens 11 Stunden haben in der Kommission keine Mehrheit gefunden.

137 der Kommissionsvorschläge bestimmt ferner in Absatz 3: „Zwischen den Arbeitsstunden muß den Arbeiterinnen eine mindestens einstündige Mittagspause gewährt werden.“

Abs. 5: „Arbeiterinnen, welche ein Hauswesen zu besorgen

aben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der ittagspause zu entlassen, sofern diese nicht mindestens UI Stunde beträgt.“

Abs. 6: „Arbeiterinnen dürfen vor und nach ihrer Nieder⸗ kunft im ganzen 8 Wochen nicht beschäftigt werden. Ihr Wiedereintritt ist an den Ausweis geknüpft, daß seit ihrer Niederkunft wenigstens 6 Wochen verflossen sind.“ .

Abs. 7: „Arbeiterinnen dürfen nicht in Kokereien und nicht zum Transport von Materialien bei Bauten aller Art ver⸗ wendet werden.“ /

Zunächst wurde in die Beratung über den gesamten 5137; eingetreten.

Von den Sozialdemokraten (Abgg. Albrecht und Genossen) wurde beantragt: .

I) in Absatz 1 auch die jugendlichen Arbeiter im Alter von 14 bis 18 Jahren einzubegreifen;

2) statt des Zehnstundentages den Neunstundentag und vom 1. Januar 1912 ab den Achtstundentag einzuführen;

3) die , d, , h,. für Wöchnerinnen auf 12 Wochen aug— zudehnen und folgende Bestimmung hinzuzufügen: Eine Entlassung der Arbeiterin darf während der vorgedachten 12 Wochen nicht er⸗ folgen; die von ihr innegehabte Stellung ist ihr offen zu halten.

Die Abgg. Ablaß und Genossen (linksliberale Fraktions⸗ gemeinschaft) und Stresemann (nl) wollen den von der Kommission heschlossenen Zusatz „Arbeiterinnen, die ein Haus⸗ wesen zu besorgen haben, duͤrfen am Sonnabend höchstens 6 Stunden beschäftigt werden“, streichen.

Die Zentrumsabgg. Fleischer u. Gen. beantragen, dem Absatz 2 8 137 beizufügen:

Jedoch ist die Beschäftigung bis zu 8 Stunden gestattet, soweit

betriebßtechnisch dadurch die Weiterarbeit anderer Arbeiter bedingt ist.“ (Schluß des Blattes.)

Dem Reichs tage ist eine Denkschrift über die Aus⸗

,,. der seit dem Jahre 1875 erlassenen An⸗ leihegesetze zugegangen. .

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Wohlfahrtspflege.

Frau Exzellenz Krupp hat bekanntlich im Jahre 1906 eine Stiftung errichtet, die vor allem der Wohnungsfürsorge für die minderbemittelten Klassen dienen soll und den Namen Margarethe Krupp. Stiftung ttägt. Das der Stiftung e en. Gelände erstreckt sich von dem Stenghof und der Lührmann ⸗Stiftung bis jzur Grenze von Fulerum. Die Be⸗ bauung des Geländes ist nunmehr dem Aichitekten Georg Metzendorf aus Bensheim Übertragen wordeg. Die Grundlage des Bebauungsplanes soll, wie die ‚Rheinisch⸗Westfälische Zeitung“ berichtet, im allgemeinen die Erbauung jweigeschossiger Cin⸗ und Zwei⸗ familienhäuser, teils in Gruppen, teils freistehend, mit 3., 4. und 5H räumigen Wohnungen und entsprechenden Mansarden bilden. Die Errichtung ve fer Häuser soll indessen, gamentlich wo dies durch örtliche ästhetische Gesichtspunkte sich empfiehlt, nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Die meisten Wohnungen sollen Gärten von einer Größe bis ju 20 qm erhalten. Badeeinrichtung soll ent⸗ weder gemeinschaftlich für das gesamte Baugebiet oder in Ver⸗ bindung mit der Wasch⸗ und Spülküche für jede Wohnung besonders geschaffen werden. Man hofft, die Arbeiten so schnell zu fordern, daß im Frühjahr 1910, spätestens aber am 1. Oktober 1910 eine größere Anzahl Wohnhäuser fertiggestellt sein werden und bezogen werden können. Der Anschluß des Stiftungsgeländes an das vorhandene Baugelände in Holsterhausen und damit an die übrigen bebauten Teile der Stadt und die Kruppsche Fabrik soll durch eine direkte Straßenbahnverbindung erreicht werden.

Kunst und Wissenschaft.

Die Ludwig von Hofinann-Ausstellung bei Gurlitt.

Ludwig von Hofmann gehört zu den Künstlern, die uns zwar keine ganz tiefe und rückhaltlose Bewunderung abzwingen, die uns aber doch grun und vor allem Sympathie abnötigen. Er ist keine sehr starke Persönlichkeit, gewiß kein Genie, aber doch ein Eigener, der nie⸗ mals etwas geschaffen hat, zu dem er nicht aus tiefstem Innern ge— trieben worden wäre. Der Kreis seiner Stoffe ist klein, eng begrenzt. Selne Kunst hat eigentlich nur eine Note: Heitere, holde, unschulds⸗ volle Jugendlichkeit. Das ist daz Thema, das vorzutragen, leise zu variieren der Künstler nicht müde wird. .

Bei Gurlitt sind pier große Gemälde hon Hofmanns zu sehen, die bestimmt sind in einer Villa des Grunewalds die Wände eines Musiktsaals zu schmücken, Panneauz von großer Breite, geringer Höhe. In Früh⸗ lingsglandschaften lagern und wandeln Mädchen und Knaben, sie winden Girlanden um Bäume, schmücken festlich sich selbst, musizieren und tanzen. Figuren von hinreißender Schönheit sind darunter, und doch wollen ung diese großen, ausgeführten Wandgemälde weniger gefallen als jene Entwürfe fuͤr die Malereien im Hoftheater und im Museum

ju Weimar. Ungleich mehr Kraft, Schwung, Leben und auch geschlossen. Wirkung haben diese Entwürfe. Neben einer großen Reihe von Staffeleigemälden die prächtige

Brandung“, „‚Nasse Klippen, „Hafen von Sorrento“, Schwarze Pferde und Mädchen? seien besonders hervorgehoben sind Pastelle von der griechischen Reise des Künstlers (1907), sienische Entwürfe zu „Aglavaine und Solvysette“ und Zeichnungen, die Tänzerin Ruth St. Denis darstellend, zu sehen. Gleichzeitig bringt Gurlitt eine Ausstellung von Werken französischer Meister des neunzehnten Jahrhunderts, Bilder von Daubigny, Deecgmps, Diaz und Fautin Saturn, Beachtung verdienen vor allen Corots Alte Brücke von Mantes“ und „Dag Tal von Lucany', Montiecellis ‚Frühstück' und ‚Bie Musik', Troyons „Heerde“. Dr. v. H.

Im Verein für deutsches Kunstgewerbe spricht am nächsten Mittwoch, Abends 8 Uhr, Geheimer Regierungsrat, Professor Dr. A. Miethe von der Technischen Hochschule zu Charlottenburg über die Herstellung von falschen, von künstlichen und von synthetischen Edelsteinen. Der Vortrag findet im aßen Festsaale des Künstlerhauses statt und wird von einer Aus—⸗ stellung begleitet sein.

Technik.

Der Verein deutscher Ingenieure Berliner Bezirks⸗ verein hält seine nächste Monatsbersammlung am 2. Dezember, Abends 71 Uhr, im großen Hörsaal des Erweiterungsbaues der Tech⸗ nischen Hochschule in Charlottenburg. Der Dr. Ing. Bertschinger wird einen Vortrag über die Arbeiten am Panamakanal halten.

Theater und Musik.

Lessingtheater. .

Im Lessingtheater ging am Sonnabend Ihsens . Baumeister Solneß“ in Sijene. Es war die erste Aufführung des Dramas auf dieser für die Verkörperung der Werke des großen Norwegers so be⸗ deutsamen Kunststätte. Von den drei letzten Dramen Ibsens, in denen der Symbolismus die Herrschaft führt, ist der ‚Baumeister Solneß vielleicht dasjenige, das einer völlig befriedigenden Darstellung auf der Bühne am meisten widerstrebt. Die Charaktere des Solneß und der Hilde bergen so viele, schwer zu vereinende Widersprüche in sich, daß es auch der höchsten schauspielerischen Kunst wohl kaum gegeben sein dürfte, alles Widerstrebende derartig miteinander zu verschmeljen, daß wir lebentzvolle Menschen vor uns ju sehen glauben. Jeder Schauspieler wird sich in dem Labyrinth, das sich in einer Rolle wie der des Solneß vor ihm anftut, immer an Einzelheiten halten; er wird die eine Seite der Aufgabe, die selner Eigenart am zugänglichsten ist, allzu stark betonen müssen, um sich über⸗ haupt auf festem Boden zu fühlen. So faßte Albert Bassermann den Solneß entschieden von der pathologischen Seite an. Er verkörperte das sprunghaft Nervöse des Mannes, seine schwachmütige Zerrissenheit, das Kleinliche, Unbeständige dieser zwiespältigen Natur mit großer Anschaulichkeit. Der geniale Bau⸗ melfler aber, der seine Umgebung gänzlich in seinem Bann hält, der eine Hilde Wangel nur durch die Kraft einer blendenden Erinnerung an sich zieht, dieser Solneß wurde ung nicht recht glaubhaft gemacht. Hilde ist ja in einem gewissen Sinne einheitlicher gestaltet. Sie siect voll ungebrochener Jugendkraft, sie hat das rohus e Gewissen, da?; sie an ihrem Baumeister vermißt, sie besitzt die Stärke, einem Gefühl bis in die letzten Folgerungen nachjugehen, und ihre Schwungkraft und herbe Frische fanden in Ida Orloff eine glückliche Verkörperung. Aber auch hier trat das Tiefste und Letzte in dieser Gestalt nicht voll in die Eescheinung. Das Phantastische, ins Metaphysische Strebende wurde alljusehr vom Realen erstickt, die Backfischmanteren und Ausdrücke, mit denen Ibsen diese Schwärmerin ausgestattet hat, traten oft zu unvermittelt hervor. Nur im letzten Akt, der auch dichterisch der größte ist, boten die beiden Hauptdarsteller daß, was der Dichter wohl in ihnen hat verkörpern wollen; hier fühlte man sich von der Höhenluft angeweht, die ein roßeß Kunstwerk umwittert. Von den übrigen Darstellern, deren hieb für das Stück wenig bedeuten, selen Mathilde Sussin als Aline und Hilda Herterich als Kaja genannt.

Im Königlichen Opernhause findet morgen, Dienstag, eine Aufführung von Richard Strauß „Salome“ unter der Leitung des Komponisten statt, in der die Damen Rose, Ober, Goetze, Parbs sowie die Herren Grüning, Bronggeest, Jörn, Grlawold, Lieban, Mödlinger, Philipp und Krasa in den Hauptrollen beschäftigt e

Im Königlichen Schauspielhause wird morgen Ernst von Wildenbruchs Schauspiel „Die Rabensteinerin', mit Fräulein May in der Titelrolle, aufgeführt. Es wirken außerdem die Herren

Matkowsky, Kraußneck, Zelgler, Geisendörfer, Patry, Pohl und dle Damen Butze, von Arnauld und von Mayburg mit.