Königreich Preußen. Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:
den bisherigen Professor
Dr. Alexander Supan zu
Gotha zum ordentlichen Professor in der philosophischen Fakultät der Universität zu Breslau,
den bisherigen ordentlichen Professor Dr. Felix Rach⸗ fahl zu Gießen zum ordentlichen Professor in der philo⸗ sophischen Fakultät der Universität zu Kiel und
den bisherigen
ordentlichen Professor Dr. Heinrich
Trie pel zu Tuͤbingen zum ordentlichen Professor in der juristischen Fakultät der Universität zu Kiel sowie
den bisherigen Konsistorialassessor Dr. Martin Büren in Königsberg zum Konsistorialrat zu ernennen.
„ihr Ministerium für Handel und Gew ewest .
Der Regierungsrat von Bergen in Cascchelspung h 9. Schiedsgerichts Gif St. . 6
vertretenden Vorsitzenden des
aleben ich
versicherung im Reglerungshezirk Cassel und Fürdo. V. Akt. Maideck und des Schiedsgerichts für Arbeiterversicherung im Eisen⸗ bahndirektionsbezirk Cassel ernannt und der Regierungsrat
von Gostkowski daselbst von Dem Baugewerkschullehrer
diesem Amt entbunden worden. Schmidt in Posen ist von
dem Herrn Minister für Handel und Gewerbe die Staats— medaille für Verdienst um die Gewerbe in Silber verliehen
worden.
Evangelischer Oberkirchenrat. Dem Konsistorialrat Dr. Büren in Königsberg ist eine
etatsmäßige juristische Ratsstelle bei dem Konsistorium der
Provinz Ostpreußen verliehen worden.
Aichtamtliches.
Deutsche Preus en.
s Reich.
Berlin, 13. Januar.
Am 27. Januar, dem Geburtstage Seiner Mazestät
des Kaisers, werden bei sämtlichen
Postanstalten im hiesigen
Oberpostdirektionsbezirk die Schalter von 8 bis 9 Uhr
Vormittags, von 12 bis 5 bis 7 Uhr Nachmittag Publikum geöffnet ⸗
1 Uhr Mittags und von s für den Verkehr mit dem
ein. Die Briefbestellung findet am
27. nur zweimal (Vormittags) statt, die Geld- und Paket⸗
bestellung einmal.
Dem Archivhilfsarbeiter Dr. phil. Ferdinand Schultz in Magdeburg ist der Amtstitel Archibassistent beigelegt worden.
Der französische Botschafter Cambon hat Berlin ver⸗
lassen. Während seiner Abwesenheit führt der Botschaftsrat Baron de Berchheim die Geschäfte der Botschaft.
Der norwegische Gesandte von Ditten ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der Gesandtschaft wieder
übernommen.
6
Laut Meldung des W. T. B.“ ist S. M. S. „Char—⸗ lotte“ gestern von St. Thomas nach Vigo in See gegangen. S. M. S. „Brem en“ ist vorgestern in Bahia (Brasillen)
eingetroffen und geht heute von
dort nach Pernambuco in See.
S. M. S. „Niobe“ ist gestern in Schanghai eingetroffen.
Frankreich.
Der Senat und die Deputiertenkammer sind gestern usammengetreten. Die Kammer wählte, „W. T. B“ zu⸗ . mit 314 von 360 abgegebenen Stimmen Brisson zum
Präsidenten wieder und Clémentel zu Vizepräsidenten.
Italien. Der Senat hat in seiner gestrigen Sitzung, laut Meldung des W. T. B.“, nach kurzer Beratung einen Gesetzentwurf,
betreffend Maßnahmen zur auf Sizilien und in Calabr
von der Kammer gebilligten Gesetzentwurfs einstimmig ange⸗
nommen.
Schweiz.
Der Bundesrat hat die treffend den Mehl zollkonflik Meldung des „W. XF Punkte der Note zu antworten Vertretern der schweizerischen
nehmigt.
Nach einer Meldung des „K. K. Telegraphen-Kor— respondenz⸗Bureaus“ ist durch die gemeldete offizielle Mitteilung des Großwesiers, betreffend Annahme des oösterreichisch⸗ ungarischen Angebots durch das Kabinett, zipielle Basis für die weiteren Verhandlungen, die nun folgen Der Großwesier Kigm il Pascha Tewfik Pascha haben sich die vorgestern nachmittag auf befriedigt über das ungarische Angebot von A Mi
werden, festgelegt worden. und der Minister des Aeußern allen Botschaftern gegenüber, der Pforte vorsprachen,
über die Haltung
Senatoren und der Aufhebung Sultans abgeändert werden soll, revision im Prinzip angenommen.
Berteaux, Etienne und
B.“, beschlossen, auf die verschiedenen
und der deutschen Müller eine neue und letzte Konferenz stattfinden.
Türkei. Der Ministerrat hat geste Exposés, das der Großwesier der Kammer vorlegen wird, ge⸗
und das Entgegenkommen Oesterreich⸗ Ungarns sowie uber die Wirksamkeit gu erk Vallavicini ausgesprochen. — Die Deputiertenkammer hat gestern, W. T. B.“ zufolge, auf Antrag des Konstantinopler israelitischen Ab⸗ eordneten Faraggi, wonach die Verfassung im Sinne der inisterverantwortlichkelit, der Wählbarkeit eines Teils der
Linderung des Unglücks ien, in dem Wortlaute des
letzte Note Deutschlands, be⸗ t, geprüft und, nach einer
Inzwischen soll zwischen den
rn den endgültigen Text des
eine prin⸗
. österreichisch⸗ ionen Pfund und lobend
und den Erfolg des
des Verbannunggrechts des einstimmig die Verfassungs⸗
Norwegen.
eröffnet, in der, „W. T. B.“ zufolge, den fremden Mächten befriedigend genannt
die Spitzbergenkonferenz erwähnt.
einen bedeutenden Ueberschuß aufweisen.
nsefinde sich in der Ausarbeitung. A sien.
9 Here
Afrika. Nach einer Meldung des „Reuterschen B
landes im Hinblick auf die griffs durch den Mullah verstärkt. truppen aus Britisch⸗Ostafrika und 400 Truppen sind in Berbera berelts eingetroffen.
Möglicht
Leuten des Mullah getötet worden sein. land ist, obiger Quelle zufolge, unzweifelhaft e nicht beabsichtigt, senden.
Das Storthing ist gestern mit einer Thronrede die Beziehungen zu Weiter sind in der Thronrede der Besuch des Königs und der Königin von England, des Präsidenten der französischen Republik, die Ratifikation des Integritätsvertrags, das Uebereinkommen mit Schweden, betreffend Einsetzung eines Schiedsgerichts zur Fest⸗ setzung der Seegrenze zwischen Schweden und Norwegen, und Die Thronrede sodann, daß die Staatseinnahmen des laufenden Finanzjahres Ein Gesetzentwurf, käsiüßrn eden Ausbau der Floite und des Verteidigungs⸗
werden.
ureaus“ werden
die Truppen im englischen Schutzgebiet des Somali—
eit eines An⸗
300 Mann Eingeborenen⸗
Mann indischer Zahlreiche Ein⸗
geborene, die unter britischem Schutze standen, sollen von den Die Lage in Somali—
rnst, jedoch wird
eine Expedition gegen den Mullah zu ent—
Die Berichte über die gestrigen Sitzung tags und des Hauses der Abgeordneten der Ersten und Zweiten Beilage.
— Auf der Tagesordnung der heutigen des Reichs tags, welcher der Staatssekresär amts Sydow beiwohnte, standen vorlagen. 9
erlassenen Anleihegesetze wurde in einm
den gesetzlichen Vorschriften genügt ist. Es folgte die erste und eventuell Gesetzentwurfs,
halts,
Abg. Vr. Mug dan (fr. Volkgp ). Biagher ha bei solchen Beratungen die vdyllisch— Ruhe, die unterbrochen; trotzdem wäre es ganz daß das Provisorium, das wir wahrscheinlich wieder Jahr verlängern werden, ein Es ist faum zu begreifen, daß da⸗ Deutsche Reich seinem Bestehen einer geordneten Instanz zur Rechnungen noch entbehrt. ein Mißstand besteht; 1872, verbündeten Regierungen
1875 und 1876 wurde ein Gesetzentwurf
wurde, und ein Gesetz, das die Einnahmen und sollte. Aber all' diese Besetzentwürfe sind gescheitert,
Rechnungshofes zu richten. Prinzipienstreit, und es ist nicht gleichgültig,
einen eigenen Rechnungshof haben, oder ob eine
Aber diese beiden Gesetze sicd nichts wester als einer Kabinettsorder vom Jahre 1824. Diese Ke absolutistischer Zeit paßt doch nicht für tas Be 20. Jahrhunderts. Es spielt dabei auch die Frage Kabinettsorder eine Rolle, die Frage, ob das Sta Recht hat, niederzuschlagen. Keine Zeit ist langen, daß
Instanzʒ
geeigneter gewesen als die auch daß Peutsche Reich endli zur Kontrolle der Rechnungen bekommt.
verlangt werden und
in der so große Etatsäber
bewunderngwert, aber trotz fleißiger
lich gar nichts und kann nicht leisten, weil eg
die Einnahmen und Ausgaben vollständig gefehlt Mahnung des Reichskanzlers jur Sparsamkeif kann
hoffe deshalb, daß die verbündeten Regierungen noch
sie daju zwingen wird. (Schluß des Blattes.)
— In der Abgeordneten, Gewerbe Delbrück und der Minister des Moltke beiwohnten,
Interpellation des Abg. Trimborn (Ge
zunächst Die Denkschrift über die A usführung ?
zuftiedenstellender Man hat früber eing
ꝛᷓ x ; vorgelegt, die Grrichtung eines deutschen Rechnungshofs in Aussicht genommen
Rechnungelegung ist in einer Zeit, in der immer
Parlamentarische Nachrichten.
en des Reichs⸗ befinden sich in
(183.) Sitzung des Reichsschatz⸗ Rechnungs⸗ ö er. . der seit 1875 aliger Beratung
2
erledigt; der Reichstag erkannte an, daß durch die Vorlegung
zweite Beratung des betreffend die Kontrolle des Reichshaus⸗ des Landeshaushalts von Elsaß⸗Lothringen und des Haushalts der Schutzgebiete für 1908.
t man nur selten dabei herrschte,
falsch, hieraus zu schließen,
für das nächste
Zustand ist. 38 Jahre nach Kontrolle seiner esehen, daß hier n auch von den durch den
Ausgaben regeln weil dem Reichg⸗
tage das Recht bestritten wurde, Rückfragen an die Abteilungen des Es handelt sich hier nicht nur um einen ob wir für das Reich
eigene Abteilung
in der preußischen Oberrechnungs kammer diese Arbeiten verrichtet. In Preußen bestehen zwei Gesetze bezüglich der Oherrechnunge kammer.
die Kodifizierung ihinettgorder aus utsche Reich des
der justifizierten otsoberhaupt das
kraft eigenen Willens gewisse Einnahmen und Ausgaben Es fragt sich, od dlese Order zu Recht besteht.
etzige, ju ver⸗ ch eine eigene Gine korrekte neue Steuern schreitungen vor⸗
kommen, doppelt am Platze Die Rechnunggkammission arbeitet gewiß Arbeit leistet sie
eigent⸗ bisher an einer
Instanz über die Ordnung der Kontrolle der Rechnungen und über
hat. Auch die nicht einen wirk⸗
lichen Erfolg haben, solange das jetzige Provisorium besteht. Ich
in dieser Sessson
ein Gesetz vorlegen werden, oder daß wenigsleng die Finanz kommission
heutigen (13) Sitzung des Hauses der welcher der Minister für Handel und
Innern von
wurde zunächst die Besprechung der
ntr.) und der
besagt
Anträge des Abg. Aronsohn (fr. Volksp.)
Arbeitslosigkeit, forigesetzt. Abg. Graf von Kanitz (kons):
einen Mangel an Arbeitsgelegen der Arbeiigkräfte handelt. Wir sehen von Arbeitermassen in den großen Städten, andererseits einen Arbeitermangel auf dem flachen Lande.
eit als um eine unrichtige Verteilung
herangejogen werden müssen, nur um die dringendsten herrichten Am 10. Dezember hat der Abg. Borgmann Arbeitslosenzählung empfohlen, um eine notwendige Arbeilerunterstützung zu gewinnen, auch gestern ist wiederholt auf die Notwendigkeit und Nützlichkeit einer solchen Arbeitglosenzählung hingewiesen worden. Ich bedauere, mich einer solchen Auffassung nicht anschließen zu könden. Nirgends ist es so schwer, zu einem praktischen Resullat zu gelangen, wie auf dem Gebiete der Arbeitglosenzählung; dag ist bereitz 1895, als eine solche Zählung veranstaltet wurde, von dem damaligen Präsidenten des Statistischen Amtes anerkannt worden. Es ist ungemein schwierig, ja unmöglich, die Arbeitgwilligen — diese allein haben auf eine Unterstützung Anspruch — zu trennen von den , , von denen, die überhaupt nicht arbeiten wollen. Es ist bereits 1895 nur für diejenigen, die dauernd oder vorübergehend erwerbzunfählg sind, eine besondere Rubrik aufgenommen worden. Eg müssen besondertz aufgeführt werden die sogenannten Saisonarbeiter, Maurer usw, die nur im Sommer einen vollen Verdienst haben, im Winter dagegen meist gar keine Arbeit finden, aber gleichwohl Anspruch auf eine Arbeitslosenunierstützung erheben. Bann müssen besondertz aufgenommen werden diejenigen Arbeiter, welch gelegentlich der Ein⸗ schränkung von Industriebetrieben bei dem Eintrüt von Feierschichten arbeitslos sind; auch diese Arbeitslosen föanen naturgemäß auf eine Unterstützung keinen Anspruch haben. Cine dritte Kategorie bilden diejenigen, die durch eigenes Verschulden arbeitslos geworden sind, die Streiker. 1907 wurden 192 440 streikende Arbeiter gezählt. Es war allerdings eine erhebliche Abnahme gegenüber der Zahl der Streiker, die 1905 ermittelt wurde, damals waren es über 400 000. Dazu kommen diejenigen, die wegen übertriebener Lohnforderungen arbeitslos sind. In Berlin kam j. B. zu einem Schuhmachermeister ein Geselle, der unter einem Stundenlohn von 70 3 nicht arbeiten wollte. Der Magistrat von Berlin bot 3— 4 56 Tagelohn für Erntearheiten auf den Rieseif dern, gleichwohl wei erten sich viele Arbeitslose in Berlin, zu einem solchen Lohnsatze zu arbeiten. Ich meine, solche Leute haben auch keinen Anspruch auf Arbeits- losenunterstützung. Dann kommen die Rentenempfänger. Eg wurden in Berlin bei einer Arbeitelosenzählung an 30 669 Rentenempfaänger gejählt. Das sind alles Schwierigkeiten, die einer statistischen Er⸗ mittlung der Arbeitelosen entgegenstehen, die Hauptsache aber ist, daß die Verarbeitung des Materials viel Zeit erfordert. Wenn das Material verarbeitet ist, dann ist meistens auch die wirtschaftliche Krise vorüber. Die Arbeitsnachweise mögen verbeffert werden; aber in ihrer zu weitgehenden Ausgestaltung würde die Gefahr liegen, daß bei aufsteigender indüstrleller Konjunktur die Arbeitskräfte noch mehr vom Lande nach den Industriebezirken gejogen würden, und daß dann bei einem Rückschlag die Arheitslosigkeit noch schlimmere Konsequenzen haben würde. Die westfälischen Kahlenzechen ziehen jetzt schon durch Agenten ländliche Arbeiter aus dein Osten heran, ein offinieller Arbeitsnachweis würde aber in den Augen der Leute noch eine andere Bedeutung haben, als die Anpreisungen der Agenten; deshalb muß man bei der Verbesserung der Arbeitsnachweisung vorsichtig vorgeben. Ueber di Notstands⸗ arbeiten sagte John Burng im englischen Unterhause: Not- standsarbeiten, die künstlich Arbeitggelegenheit schaffen, selen etwaz Ungesundes und wirkten demoralisierend, sie sollten das allerletzte Mittel sein; denn sie lähmten die Willenskraft, unter⸗ grüben die wirtschaftliche Selbständigkest und drückten auf die Löhne. Die Notstandsarbeiten von 1867 in Ostpreußen haben sich allerdings nicht bewährt, aber es handelte sich um einen großen Eisenbahnbau, und die Ar⸗ beltelosen waren samtlich ländliche Arbelter, die Erdarbell machen konnten. Gelernte industrielle Arbeiter kann man aber be solchen Bauten nicht be⸗ schäftigen, Tapezierer oder Maler können nicht bei Kanalbauten die Karre in die Hand nehmen. Man mag Notstandgarbeiten machen, aber eine durchgreifende Wirkung verspreche ich mir micht davon. Eine Verpflichlung des Staates zur Unterstützung der industriellen Arbeitslosen erkenne ich nicht an; man kann dem Osten, der unter empfindlichem Arbeiter mangel leidet, nicht Opfer zumuten, um dlejenigen in den Großstädten zu er⸗ halten, die aug Leichtsinn ibrer Heimat den Rücken gekebrt haben. Zur Unterstützung der Arbeitolosen sind vielmehr die Kommunen be— rufen. Dle großen Städte haben von dem wirtschaftlichen Aufschwung den Vorteil gehabt und mögen nun auch beim Niedergung helfend ein⸗ greifen. Ein unmögliches Mittel ist die Arbeitslosenbersicherung, und ich verstebe nicht, wie Herr Gyßling für eine solche sein konnte. Sein Fraktionskollege Lenjmann hat früher im Reichstag die Arbeits losenversicherung als eine Prämie auf die Faulenzerei bezeichnet, und Herr Gyßling sollte sich von dem Standpunkt Lenzmanns nicht zu weit entfernen. Wenn die Arbeltslosenversicherung eingeführt wird, bebalten wir auf dem flachen Lande Überbaupt keinen Arbeiter mehr, sondern alles jieht nach den großen Städten. Jetzt muß der Arbeiter, der in die Stadt zieht, noch mit der Arbeitelosigkeit und Entlassung rechnen; das ändert sich sofort, wenn der Arbeitslose eine staatliche Unterstützung erhält; dann ist er noch in besserer Lage als der Arbeiter, denn er kann spasieren gehen. Di Kosten der Arbeitslosenversicherung hat Herr Mollenbuhr berechnet; guf Grund der Arbeitslosenzählung von 1895 nimmt er 366 060 Arbeitslose im Deutschen Reiche an, das bedeutet 169 Millionen Arbeitstage und bei einer Unterstützung von 2 0 pro Tag einen Kostenbedarf von rund 220 Milllonen. Dazu kommen die Ver⸗ waltungskosten für den großen Beamtenapparat zur Untersuchung der Fälle, wo Arbeltglosen, die arbeiten können, aber nicht wollen, die Unterstũtzung ersagt wird. Wir haben nicht nur im Deutschen Reich, sondern auch in Preußen schon viel zu viel Beamte. Die Zahl von 60 Millionen Mark, die der Abg. Molkenbuhr für diese Verwaltungskosten angegeben hat, ist noch viel zu niedrig gegriffen. Ich halte die Arheitelosenversicherung daher
für das ungünstigste und unjweckmäßigste Mittel, das überhaupt vor⸗ geschlagen werden kann. Es würde auch elne große Ungerechtigkeit sein, die Kosten dieser Versicherung etwa durch Seuern auf⸗ zubringen. — Am schwersten ist von der Krisig England be—
troffen worden, weiUl England ein reiner Industriestaat ist und die
Landwirtschaft dem Arbelter dort keine Arbeitzgele enheit mehr bietet.
In Deutschland hat die Landwirtschaft eine erhebliche Bedeutung für
die Industrie, worauf j. B. auch im Bericht der Handelt kammer von
Essen hingewtesen worden ist. In Amerika hat das Vorgehen de
Präsidenten Roosevelt gegen die Trustg eine allgemelne Grschütterung
des wirtschaftlichen Lebeng hervorgerufen, und er hat jetzt wohl
schon eingesehen, daß er die Macht ber Trusts unterschätzt hat.
Ich möchte glauben, daß unsere Jollpolltik einen gewissen Anteil
an der Aibelttlosigkeit hat, die Zölle sind nämlich zum Teil noch
viel zu niedrig. Hier in Berlin können Sse eine Reihe pon Läden mit
amerilanischem Schuhwerk seben, die durch ihre Konkurrenz dag
deutsche Handwerk ungeheuer schäbsgen. Ver Zoll für fremde Leder⸗
waren beträgt in Deutschland nur e detz Jolle, den Amersta erhebt.
Amerika genießt die Meistbegünstigung, unsern Vertragtztarlf,
wir aber lassen ung dbiesen hoben Zoll von Amerika ge
fallen, der unsere Einfuhr fast unmöglich macht. Noch immer nicht
kbört man von dem Abschluß elneß Handelsvertrageß mit Amerifä.
Auch die Augwanderung beg bheutschen Kapital nach dem Auslande
befördert die Arbeltelossateit. Ich halte eg nicht für nolwendig, daß
mit deutschem Gelde Gisenbahnen im Auslande gebaut werden,
wie j. B. die Anatolische Bahn; be ungtz ist es ebenso
Arbeiten zu eine genaue Grundlage für die
notwendig, Bahnen zu bauen, auch dag Abstoßen unserer Roh⸗
und des Abg. Rahardt (kons.), betreffend die Linderung der
Soweit ich die Debatten über die Arheitelosigkeit sowohl im Reichztage wie in diefem Dause verfolgt habe, ist anerkannt worden, ö. es sich bei dieser Sache went er um
eine große Anhäufung
j ; Die ser Arbettermangel hat dahin gefuhrt, daß alljährlich viele Tausende ausländischer Arbeiter
rodukte nach dem Auslande zu billigen Preisen übt auf unsern rbeitz markt eine verhängnisvolle Wirkung aus. Wenn z. B. das Rhein sch · westfsälische Koblensyndikat die Koble nach dem Auslande sebr viel billiger verkauft als nach dem Inlande, so schädigt dies nicht bloß direkt die deutsche Jadustrie, sondern staͤrkt auch die ausländische Industrie im Wettbewerb mit der deutschen. Die Kölnische Volkszeitung! hat darauf hingewlesen, besonders mit Rücksicht auf die Verkäufe, nach Frankrelch. Aus DOberschlesien wird berichtet, n nach Ungarn die Kohle ju 7 bis 8 geliefert wurde, während im Inlande etwa 13 gefordert wurden. Dabei handelte es sich nicht einmal um minderwertige Kohlen, die nach Ungarn geliefert werden, sondern um Lokomotivkohlen. Ich möchte den Minister bitten, diesem Falle näher zu treten; er sommt mir beinahe ,. vor. Diese hohen Kohlenpreise fühten mit Notwendigkeit zu Arbeitzeinschränkungen und infolge⸗ befsen ju Arbeitslosigkeit. Im Siegerlande ist die Gewinnung in den Erzgruben auf ungefähr 50 0/0 redujiert worden. Bei Aus— schrelbungen wird unsere Industrie vom Auslande unterboten, weil es billigeres Rohmaterial, billigere Kohlen bezieht. Das Rheinisch⸗ westfälische Kohlensyndikat hat in letzter Zeit jwei Kundgebungen veranstaltet, worin, der ersuch gemacht wird, ihre Prelg— politik zu rechtfertigen. Die niedrigen Preise, zu denen dat Syndi at nach dem Auslande verkauft, werden aber darin überhaupt nicht erwähnt; dadurch verlieren natürlich diese Kundgebungen an Bedeutung. Eine Rückkehr der auggewanderten Arbeiter auf das Land könnte uns nicht allzuviel nützen, denn ich fürchte, daß diese Arbeiter nur so lange auf dem Lande bleiben, bis die Konjunktur sich verändert, und daß sie dann wieder in die Industriezentren abströmen. Was kann nun ernstlich gegen die Arbeitslosigkeit geschehen? Die Kommunen, die großen Städte sind in eister Linie verpflichtet, helfend einzugreifen. Man spricht von einem Recht auf Arbeit, auch Fürst Bismarck soll es an⸗ erkannt haben. Ein gewisses Recht auf Arbeit wollen wir ja gern
anerkennen, aber wir glauben nicht, daß es ein Recht auf Arbeit be⸗
ondert dann gibt, wenn Tausende und aber Tausende von en lern an einem Punkte jusammenströmen. Wenn z. B. in Berlin 59 000 Arbeiter aus der Ferne zusammenströmen, dann bört das Recht auf Arbeit von selbst auf. Gewenrkschaften, in erster Linie solche denen es sich um Simulationen usw. handelt. Eine ge⸗ wisse Berücksichtigung der Gewerkschaften empfiehlt sich wohl, aber daß die Kommunen in allen Fragen Fühlung nehmen mit den Gewerkschaften, wünsche ich deshalb nicht, weil diese zu einem großen Teil unter sozia . Es ist auf die großen Ziffern hingewiesen worden, die von den Gewerk- schaflen bereits für die Arbeitslosen aufgewendet worden sind. Man vergißt dabei anzuführen, welche kolossalen Summen für die Unter⸗ stützung russischer Revolutionäre aus Gewerkschaftskassen und aus den sozlaldemokratischen Kassen gejablt worden sind. — Es muß dahin
gestrebt werden, daß die scharfe Kurve der wirtschaftlichen Krisen
verflacht wird; nur so lst die Arbeitslosigkeit am wirksamsten zu mildern.
Hierauf nahm der Minister für Handel und Gewerbe Delbrück das Wort.
(Schluß des Blattes.)
Statistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Der Ortgvorstand der Brauereien von München und Um— gebung veröffentlicht, wie die „Frkf. Ztg. berichtet, jur Tarif- bewegung im Braugewerbe eine Darstellung über die vor- geschlagenen Mindeftlöhne, Urlaub usw. Darüber hinaus könnten die Brauereien nicht gehen, die deshalb die Verantwortung für die Folgen der Ablehnung den Arbeitern überlafsen müßten.
Nach einer 1 des Reuterschen Bureaus' aus Pe rnam⸗
schen Angestellten der Great Western
buco sind die brasilian ö Die antienglische
Railway Company in den Ausstand getreten. Stimmung ist im Wachsen begriffen. kte z rechterhaltung der Ordnung aus, war aber nicht imstande,
einen Ueberfall der Streikenden auf die Hauptbureaus der Gesellschaft
Die Ausständigen haben das rollende Material in tatsächlich im Besitz der Bahnstationen.
Die Truppen werden in Be⸗
u verhindern. Händen und sind ; Gewalttätigkeiten sind zu befürchten. teitschaft gehalten.
Wohlfahrtspflege.
Zur Armenpflege.
Das Fest der Llebe, dessen Vorbereitungen und Stimmungen den Monat Dejember beherrschen, hat auch diesmal manche Entschließungen verwirklicht, die den Armen zugute gekommen sind. Die Zahl der Stiftungen und Zuwendungen erreicht zur Weihnachta zeit immer eine besondere Höhe. Diesmal ist besonders und Obdachlosen u ö neuzeitlichen Aufklckrungen über die stark vernachlässigte el pflege ju guten Werken in dieser Richtung angeregt hat. So haben der , de, . Pintsch und Frau in Berlin der Branden⸗ burgischen Krüppelbeil, und Grziehungsanstalt eine Stiftung von 500 000 M als Weihnachtsgabe überwiesen. Es erscheint die Er⸗ wartung begründet, daß, nachdem die Resultate, der ᷣ jählungen für einzelne deutsche Staaten und Proyinzen vorliegen, man die Frage der Krüppelpflege mehr von der Seite der Erjiehung anfassen und im Interesse des Krüppels sowohl wie in dem der Gesamtbeit auch den im unvollkommenen und miß— gestalteten Menschen liegenden Wert heben und au In diesem Sinne ist die Krüppelfürsorge auch ein Teil der praktischen Armenpflege; denn es handelt sich darum,
die Lasten der öffentlichen Fürsorge durch die produktive Arbeits.
leistung der Krüppel zu ermäßigen oder die letzteren gänzlich aus der Armenpflege auszuschalten. Auch der Deutsche fürsorge von diesem Gesichtspunkte aus gründlich beleuchten und Materialien zur Beurteilung derselben beranziehen. und fruchtbringende Aibest dieses Vereins wird aufg. neue durch den im Dezember erschienenen „ Stenographischen Bericht über die Verhandlungen der 28. 1 versamm lung“, die bekanntlich am 17. und 18. Sey— tember in Hannover abgehalten wurde, erwiesen. Dieses Veft (Lelpiig, Verlag von Düncker u. Humblot, Preig 3 6) enthält auch in einem guten Sachregister den Schlüssel ju dem Inhalt aller bis Ende 1908 erschienenen Vereingschriften. Im übrigen enthält das
Deft die Reden und Diskussionen über die Finanzstatistik der
Armenverwaltungen — dleser Abschnitt des Berichtz wird durch eine unter den Titel Finanzjstatistik der Armenverwaltungen von 130 deutschen Städten
Direktors des Statlstischen Amts der Stadt Berlin, die Ergebnisse der vom Verein veranstalteten Erhebung der Armenfinanistatistik ergänzt (Verlag von Duncker u. Leipzig, Prelig 1,30 M6) —, die Referate und Verhandlungen über die Fürsorge für die entlassene Jugend, über die Behandlung erwerbtbeschränkter und erwerbt⸗— unfähiger Wandergrmen und über Mutterschutz und Mutterschafteversicherun g. Vor Jahregschluß sind auch die
selbständigen Berichte einiger größerer Armenverwaltungen erschlenen.
Unter diesen bietei der dag Rechnungtjahr 19606 umfassende Be⸗ richt über die Haugarmenpflege der Stadt Straß⸗ burg! besondereg Interesse. Gr bringt junächst den Be⸗ weig besonderer Hingabe der mit der Führung der Straßburger Armenpflege betrauten Personen. Der Leiter, Beigeordneler, setzlger
Bürgermelster Dr. Schwander, erkannte die Notwendigkeit einer
ründlichen Umformung der stäbtischen Armenpfl-ge und er— . mit seinem eingehenden hierauf bezüglichen Bericht, daß von Mitte 1906 an anstatt des von der Stadt der Armenverwaltung big her gegebenen Zuschusset von 120 0900 M ein solcher von 270 060 ken fte wurde. Es trat nun insbesondere hinsichtlich der Hauszarmen⸗ pflege, die bisher nach dem sogenannten Elberfelder Syssem geleitet wurde, eine Veränderung dahin ein, daß neben der Agitation für Ge= winnung neuer ehrenamtlicher Kräfte auch 4 Berxufspfleger — ähnlich wie in Kiel — in Dienst gestellt wurden. Zur Aufklärung der Bevölkerung über die städtische Armenpflege wurden Vortrags⸗ serien veranstaltet, deren Programme sich auf das gane soziale Gebiet erstreckten und um die als berufene Redner die Spitzen der Stadt., und. Armenverwaltung und hervorragende Per= sönlichkeiten der Armenkommissionen sich Berdienste schufen. Es sst geplant, den Inhalt dieser Vorträge durch Herausgabe eines Sozialen Handbuchs“ dauernd festjuhalten. Der erste Tell dieses Handbuchs wird demnächst erscheinen. Durch Veranstaltung besonderer Zusammen⸗ künfte wurde außerßkem die gesamte Beamtenschaft der engeren Ver= waltung mit den Aufgaben der Armenpflege und deren Durchführung
Man hat empfohlen, den Fälle zu unterbreiten, in
noch
sorialdemorratischer Leitung stehen.
Die Polijei rückte zur Auf⸗
Weitere
oft der Arbeltslosen edacht worden; auch war zu bemerken, daß die Krüppel ⸗·
Krüppel⸗
ausbilden will. emtnenter
Verein für Armenpflege und Wohltätigkeit wird einmal die Krüppel,
Die intensive
Jahres ⸗
1901 —1905 gleichzeitig er⸗
schienene Arbeit des Berschterstatters Professors Dr. i serolgh. über
Vumblot,
bekannt gemacht. Eine fortdauernde Anregung in diesem Sinne ist gesichert durch die seit November 1997 erscheinenden Blätter für das Straßburger Armenwesen?'. Das Ergebnis aller dieser plan⸗ mäßigen Vorbereitungen war, daß die neugeregelte Armenpflege mit 710 ehrenamtlichen Armenpflegern, darunter 325 weiblichen, in Funktion treten konnte. An der Spitze der Armenverwaltung steht nunmehr der Armenrat, dessen Präsident der Bürgermeister ist und dem die 4 Bezirkzkommissionen, auf welche die Armenpfleger und Armenpflegerlnnen verteilt sind, unterftellt sind. Diese Kom— missionen halten abwechselnd allwöchentlich Sitzungen ab, sodaß in ihren Beratungen und Bewilligungen keine Stockung eintritt. Das Charakteristische des ganzen „Straßburger Systems‘, das Pro—⸗ feßsor Klumker, der Herausgeber der neuesten Auflage von Roschers Armenpflgen, als den „enischieden bedeutsamsten Versuch, das Elber⸗ felder System nicht nur auszuflicken, sondern eine höhere Stufe der DOrganisation darüber hinaus ju erreichen“, bejeichnet, liegt nun darin, daß den neu angestellten Berufgarmenpflegern seitenz des Armenrats alle diejenigen Fällen zur amtlichen Erledigung zugewiesen werden, die einer eigentlichen persönlichen Pflege nicht hedürfen, und daß dadurch die Zahl der übrigen Armen derartig beschränkt wird, daß nunmehr das Ideal des Elberfelder Gedankeng wirklich erreicht wird, nämlich; daß nur 1— Arme auf einen Pfleger entfallen. Diese wenigen Fälle behält nun der Pfleger meistens lange Zeit, sodaß er sich in sie ein⸗ leben, einfühlen, Veränderungen beobachten und solche je nach ihrem wirtschaftlichen Einfluß dem Amt mitteilen, Anträge daraufhin stellen, den Pflegling gegenüber dem Amt und das Amt gegenüber dem Pflegling vertreten kann. Zunächst hat natürlich der ehrenamtliche Pfleger seiner Bezirkskommission Bericht zu erstatten, es steht ihm aber bei etwaiger Abweisung seiner Anträge Berufung an den Armenrat ju. Der umfangreiche Straßburger Bericht enthält auch wichttge statistische Ergebnisse und viele sonstige Winke, sodaß kein in der praktischen Armenpflege Tätiger sich diese Lektäre versagen sollte. — Hervorragendes Interesse bietet auch der im Dejember erschienene Bericht der Armenkommission der Stadt Kiel, der das Jahr 18907 umfaßt und gleichfalls seine Ausführungen auf umfang⸗ eiche statistische Tabellen begründet. — Viel Belehrung ist serner aus dem. Jahres bericht der Armenpflege der Stadt Cöln für das Jahr 1998 zu schöpfen, der ausführlich in den Amtlichen Nach⸗ richten der Cölner Armenverwaltung (19098, Nr. 6) mitgeteilt ist.
In der Wohltäͤtigkeitz, und Wohlfahrtspflege machten sich jum ZJabreeschluß ingbesondere die Bestrebungen für die Wohlfghrt der Jugend immer mehr auf fast sämtlichen Gebieten des staatlichen und sozialen Lebens geltend. Wenn für Deutschland spenell die Deutsche Zentrale für Jugendfürsorge“ sich diesen Fragen widmet
.
dem Gesagten ersichtlich, daß die Bekleidunggindustrie eine sehr geringe Rolle spielt. Weberei ist gar nicht vorhanden; und die Zubertitung der Felle für die Gewandung erfolgt nicht handwerksmäßig. Bel der wenigen Kleidung, die getrggen wird, ist das Fehlen von Schneider und Schuster schließlich erklärlich. Mancherlei Dinge, die sonst un⸗ bekannt waren, kommen jetzt durch zahlreiche Händler ins Land und werden mit der Zeit auch Bedürfnifsse wecken. Bei den Batwa. wird allerdings alle Liebesmühe für lange Zeit vergeblich sein, sie tragen bestenfalls eine Art Badehose aus Rinden⸗ stoff, ihre starke Behaarung läßt sie die Nachtkälte leichter ertragen. Der Vortragende vermittelte auch mancherlei Vorstellungen über dag Wohnen dleser Völkerschaften durch Bilder, das selbst in dem vor⸗ geschrittenen Ruanda über die primitivsten Grashütten kaum , ,. entsprechend den nomadisierenden Gewohn⸗ heiten der Menschen, die mit geringen Ausnahmen feste An⸗ siedelungen nicht kennen. Man trägt die Häuser weg, ein Nachbar hilft dabei dem anderen, wenn man an einer Stelle lange genug gewohnt zu haben glaubt, bezw. wenn die Futterstellen abge⸗ weidet sind, oder auch, wenn das Ungeziefer zu arg geworden ist. Es ist nur nicht recht zu verstehen, wie die nomadisierenden Neigungen des Volkes in Einklang zu bringen sind mit dem ausgejeichneten An⸗ bau des Landes, den der Vortragende wiederholt (für Ruanda be⸗ sonders) rühmend hervorhob — kein Quadratmeter sei unbebaut — und der eigentlich doch feste Besitzrechte an Grund und Boden voraussetzt. In seinem Dank für den mit großem Beifall gelohnten Vortrag hob der Vorsitzende, Professor von den Steinen die Vorzüglichkeit der auf⸗ genommenen Photographien (auch nach ihrer koloristischen Treue, soweit sie nachträglich gemalt waren) hervor und sprach dem Redner seine Anerkennung dafür aus, daß er im „geographisch⸗ethnographischen Nebenamt“ so viel wichtige Beobachtungen gemacht und so viel wert⸗ volle Erfahrungen gesammelt babe.
Es folgte als jweiter Vortrag des Abends eine Mitteilung vom Geheimen Rat, Profefsor Dr. O. Olshausen „zur Eisen⸗ gewinnung in vorgeschicht licher Zeit!“. Der Vortrag beiog sich auf eine in letzer Sltzung bei Gelegenheit der Diskussion über den Vortrag von Professor von Luschan vom Ingenteur Giebler aufgestellte Behauptung. He ff! von Luschan hatte es, fu end auf dem Nachweiz, daß die Eisengewinnung längsteng in der Mitte des zweiten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung in Aegypten bekannt war, als in hohem Grade wahrscheinlich hingestellt, daß Europa die Eisengewinnung von Afrika gelernt habe. Dagegen hatte Ingenieur Giebler, hinweisend auf die merkwürdigen Funde einer offenbar uralten Gisenschmelzstätte in Schlesien es als ebenso wahrscheinlich behauptet,
daß die Kunst der Eisengewinnung ganz selbständig in Europa erfunden
worden sei. Wie nun immer diese Frage beantwortet werde, es ist die genannte Entdeckung einer prähistorischen Eisenindustriestätte so interessant, daß die Mitteilungen von Geheimrat Olshausen hierüber der größten Aufmerksamkeit begegneten. Die Entdeckung beneht fig auf einen Platz in der , n. der Königlichen Domäne Tarxdorf, Kreis Steinau in Schlesien, der hart an der sogenannten „alten Oder“, rechts an dem schiffbaren Oderlauf, 10 kin von Steinau, gelegen ist und auf dem bei einer am 5. August vor. Jahres vorgenommenen größeren Ausgrabung nicht weniger alg 32 je 65 om hohe und ebenso breite zylindrische Eisenschmeljzöfen, aus Ton hergestellt, freigelegt worden sind. Da Versuchggrabungen auf dem benachbarten Feld und gelegentliche Funde beim Pflügen erwiesen haben, daß der ganje Grund Schmeljofen an Schmelzofen enthielt (ihre Zahl darf im Verhältnis der auf engem Raum gefundenen 32 auf etwa 30 000 ge⸗ schäßt werden), so scheint hier allerdings eine Eisenschmeljstätte vorhanden gewesen zu sein, die auf einen ungewöhnlich großen Betrieb zu einer Zeit schließen läßt, aus der uns sonst so machtvolle Ent- faltungen von Gewerbetätigkeit nicht bekannt sind. Nach Maßgabe von gefundenen Tonscherben ist diese Zeit auf 500 vor Chr. abzu⸗ schätzen, also eine Zeit, in der Germanen in Schlesien saßen. Dem Vortragenden lag im wesentlichen die Frage am Herjen, was für Erz
und nach dem Winterprogramm 190809 sich . B. mit dem Problem
der Schulspꝛrisung und der schulärjtlichen Tätigkeit eingehender be—⸗ schäftigen will, auch im Februar oder März 1909 einen Jugend gerichistag“ einzuberufen gedenkt, während der Berliner Ausschuß Konferenzen über Verbesserung des Verfahrens zur Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs unehelicher Kinder vorbereitet, so ist es beachtens wert, daß die Erörterung aller dieser Fragen weiteren Kreisen durch eine von der Zentrale gegründete Zeisschrift erleichtert wird. Die neue Zeitschrift nennt sich Jugendwohlfahrt“
sammen mit dem von der Zentralstelle für Volkswohlfahrt heraus—«
. * alle gegebenen Ratgeber für Jugendvereinigungen allen Freunden der Jugend reiches Informationsmaterial bieten.
Kunst und Wissenschaft.
. Gesellschaft für Anthropologie im neuen Jahre, am letzten Sonnabend, sprach der Oberleutnant M. Weiß über die von der Expedition Seiner Hoheit des Herjogs Adolf Friedrich zu Mecklenburg berührten Völkerstämme jwischen Vietoria Der Vortragende hat an anderer
Nyanza und Congostaat. . Stelle bereitz von seinem auf Grund der ihm übertragenen
Sperialmissionen nicht geringen Anteil an den Erfolgen der Expedition r, 1 auch in e. Blatt (Nr. 294 vom 14. Deijem ber) ist sein Vortrag in der „Urania“ ausführlich wiedergegeben worden. Allein die Mitteilungen ethnographischen und kulturzllen Inhalts die, von vielen ausgezeichneten Lichtbildern begleitet, Oberleutnant Weiß der Gesellschaft für Anthropologie vortrug, waren doch zu einem be⸗
trächtlichen Teil neu und aus früheren Berichten unbekannt. Als
ehr interessant ist vor allem die Klassiftzierung ju bezeichnen, k der ner unter Darlegung ihrer körperlichen Verschieden⸗ heiten, die auf sehr verschiedene Abstammung hindeuten, jwischen den drei Voölkerschaften getroffen hat, die westlich vom Victoria Nyanja bis in den Gongostaat hinein wohnen. Da sind zunächst die der großen Völkergruppe der Bantuneger angehörigen, das Grog der Be⸗ pölkerung bildenden Neger. Zu ihnen gehören die bei Bukoba am MNyanzasce und in dessen Nähe wohnenden Wahaiha“ (Vahagiba), dann im Lande Karagwe, das vom Kagera bewässert wird, die Wanjambo (Wanjembo) und endlich die Wahutu“, die mehrere Millionen stark, im dichtbevölkerten Ruanda wohnen. Da sind ferner, als zweite in
Dautfarbe, großgewachsene, schlanke Gestalten, bei denen Körpergrößen Hautfarbe, großgewachs s Da sind an dritter Stelle, und einen
von 2 icht selten sind. n , , . Watussi
merkwürdigen Gegensa zu den ; . ein He adenvolt von etwa 1,40 m Größe, die keine Bantu, aber doch schwary von Hautfarbe sind. Sie bewohnen die dichten Bambugwälder am Kiwusee und den CTongourwald und gelten als gefährliche Räuber und Mordgesellen. Sie steben, meist nur von Raubjügen und Jagd lebend, gegen die beiden andern Völkergruppen kulturell sehr urück Bei diesen konnte der Vortragende dag Vorhandensein und die Auzübung einer großen Anzahl von Handwerken feststellen, wobei e ein recht merkwürdiger Zug sst. daß die scharf voneinander abgegrenzten Handwerke in der Familie erb⸗ lich sind. Oberleutnant Weiß hat Handwerker verschledener Branchen aufgesucht, sie bei ihren Hantierungen beobachtet und eine beträchtliche Anzahl Photographien von letzteren esgsecht die er vorführte. Sle betrafen folgende Handwerker: Eisenschmelser, die Hochöfen von 150 m betreiben und sich des Blasebalgs bedienen, Schmiede, Pfeilmacher, Köchermacher, Töpfer (genauer Töpferinnen, da das Gewerbe nur von Frauen getrieben wird),
Doliarbelter, Loöffelschnitzer, Flechtarbeiter. Maitenfl chterinnen, d . Bootgerbauer, endlich eine Art andwerker, denen ausschließlich die Gewinnung des Rindenstoffes durch Entkleidung einer Füleug. Art von der Rinde (was nicht das Eingehen des Baumes jJur Folge hat, der sich regeneriert, und die Anfertigung von Ge— wändern au dteser Rinde obliegt. Das Verfahren in den einzel nen DVandwerken, ausschließlich auf Hand⸗ und Fußarbeit begründet, ist natürlich meist sehr ursyrünglich, gans frei von der Nachabmung
anderer Vorbilder, aber Ifters doch hübsch ausgeklügelt. Gs ist aug
BVrahtzieher,
; (Leipzig, Verlag von B. G. Teubner); sie ist inhaltlich böchst vielseitig und wird zu⸗
In der ersten (außerordentlicken) Sitzung der Berliner
Betracht kommende Völkerschaft, die ‚Watusst', das Hererovolk von Ruanda, keine Neger, sondern Hamiten, von anderer und viel hellerer
bildend, die
und in welcher Art dasselbe durch diese Art Oefen verhüttet worden ist. Die erste Frage ist ersichtlich ju Gunsten deg in ganz Nieder schlesien und auch bei Tarrdorf gefundenen Raseneisenerzes zu beantworten, das etwa 250 ½ eines guten, schmiedbaren Eisens ergibt. Die Art der Aueschmelzung kann verschieden beurteilt werden. Die Sachverstaͤndigen sind darüber noch ju keinem sicheren Resultat gelangt. Der Innen⸗ raum der Oefen stellt einen ähnlichen durch Ton geformten Raum dar, wie die sogenannte „Gicht“ unserer Hochöfen, von birnförmiger Gestalt, mit der Spitze nach unten, die in eine Seitenöffnung ausltef. Es darf angenommen werden, daß man das Erz, mit Lagen von SHolikohlen abwechselnd, in einem hohen Stoß oben auf den Ofen
packte, dann Feuer darunter machte und das abtrapfende, sich unten
sammelnde Eisen durch die Seitenöffnung ablog. Es gab dag natür· lich nach nicht reines Eisen, sondern Luppen von vielleicht 60 0/0 Eisengehalt. Diese zerkleinerte man, formte kuglige Körper daraus, die man mit Lehm bekleidete, und unterwarf diese neuer Erhitzung, bis ein schmiedbares Eisen gewonnen wird. Dies stimmt mit Ent- deckungen einer gleichartigen prähistorischen Eisenindustrie in Württem⸗ berg überein, und Dr. Staudinger konnte in der Diskussion die Mit- teilung machen, daß in Togo in ganz ähnlicher Art heute noch Eisen gewonnen werde, namentlich sei die jweite Feinschmelzung in mit Lehm bekleideten Kugeln des zerkleinerten ersten Produkts in ganz derselben Art dort in Uebung. Eine fast gleichlautende Milteilung, wie aus Tarxdorf erfolgt war, gab dann auch der Rektor Groß Luckau. Bel Dabern und Groß ⸗ Bahren im Luckauer Kreise finden sich ähnliche auf eine früher vorhanden gewesene Eisen ˖ industrie hinweisende Schmeljöfen oder Schmel kessel in solcher Tiefe und solchen Umständen der Verschüttung, daß die oben gegebene Zeit⸗ schätzung wohl auch hierfür zutreffen möchte. Der Rentier Busse taxtert das Alter der Eisenverwendung in unserer Gegend nach Maßgabe jahlreicher Eisenfunde, die er bei Gräberöffnungen gemacht, auf wenigstens 2500 Jahre.
Vol kgtkunstpflege.
Die Erweckung und Pflege des Interesseg und Verständnisses für Kunst in weiteren Kreisen, die Perbeischaffung, Gruppierung und Verwertung alter, gediegener volkskünstlerischer Erjeugnisse zur Be— lebung und Vertiefung neuzeitlicher Regungen dieser Art, überhaupt die Pflege einer wirklichen Volkskunst kann man als eine neue Programmnummer der praktischen Sonalpolitik bejeichnen. In den deutschen Großstädten, wo Museen und Bildungistätten zahlreiche käünstlerische Kräfte beranziehen, haben sich letztere vielfach jur Förde⸗ rung volkzkünstlerischer Bestrebungen vereinigt. Der Erfolg dieser Bestrebungen ist ein ganz ungeahnter. Man braucht nur auf die Verbreitung der in Yin her im 22. Jahrgang erscheinenden, von Dr. Avenartugß in Dregden⸗Blasewitz geleiteten Halbmonatsschrist „Kunstwart“ hinjuwelsen, um die Üeberjeugung zu gewinnen, daß fatsächlich die weitesten Volkekreise das Bedürfnig nach einer Führung in die hehren Gebiete der Kunst empfiaden. Ganz ähnliche Erfolge erzielt der gleichfalls in München (Finkenstraße ) seinen Sitz habende Dürer bund“, dessen Flugschrsften zur ästbetischen Kultur J Hunderttausenden von Exemplaren ins Volk gedrungen sind. 1
. dieser kleinen und großen Flugschriften jum Preise von 160 ; 80 3 ist bereits auf 39 ger mer gestlegen. In Berling er 2. anderen deutschen Großstädten haben sich seit einigen eren, 8 stättenderelnigungen unter künstlerischer Führung, gebildet, die da Kunstempfinden durch gut vorgeschulte Kräfte in die . 1. und die mit Aufträgen Üüberbäuft sind. Das Beftreben der s * werkstätten, ein wirklich künstlerlsch anmutendes Heim auch für 1 mitileren und unteren Volkskreise zu schaffen, findet eine wert e Grgänzung in den auf gediegenen Wandschmuck abzielenden Be⸗ sirchungen deutscher Verlagsbandlungen, ju denen in erster Linie B. 8 Teubner und Voigtländer in Leipfig zu rechnen
nd. Die von diefen Firmen gebotenen Künstlersteinjeichnungen nd siimmungeboll und von dezenter Farbenwirkung. in orzug ift eg, daß diese Kunstblätter auch in Hilligen Ausgaben, das Stück schon für L, und in Mappen von 5 Stück ju 8 * ju haben sind. Auch der Kunstwart“ Verlag bietet gediegen aus geführte Bilder
als Wandschmuck und in Mappen in reicher Auswahl ju sehr niedrigen,
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