g500 4 hinaufgehen, so bringen dlese Zensiten von 9600 , gleich O, 87 / der Bevölkerung, nicht weniger als 430 / des gesamten Steuer⸗ aufkommens. Also noch nicht 1 0J0 der Beoölkerung bringt 4300 der gesamten Einkommensteuer auf. Wie man demgegenüber behaupten kann, daß die minderbemittelten Kreise den größten Teil der Lasten tragen, ist mir einfach unerfindlich. (Sehr richtig! rechtg.) Ich wollte nur noch hinjufligen: Zu dieser Leistung der oberen Klassen für den Staat kommt in sehr erheblichem Maße noch die kommunale Be— lastung binzu (sehr richtig h, die ja die staatliche Belastung erheblich überwiegt und erst voll erkennen läßt, in welchem Maße die oheren Kreise zu den Lasten insgesamt beisteuern. Dann hat der Herr Vorredner gesagt: unter dem Druck dieser Verhältnisse, der übermäßigen Belastung der unteren Kreise, sei die Lebenshaltung der Arbeiter im allgemeinen eine tief bedauerlich. (Lachen.) Er hat auch wieder auf den Zolltarif und auf die Räck— wirkung auf die arbeltenden Kreise angespielt. Ich muß es mir ver— sagen, auf diese Frage in ihrer ganjen Bedeutung hier einzugehen. Ich muß aber bestreiten, daß der Zolltarif im allgemeinen elne un günstige Einwirkung auf die Lebenghaltung, auf die ganze Situation der Arbeiter gehabt hat. (Sehr richtig! rechts.) Ich bestreite zunaͤchst, daß die Preise maßgebend von dem Fünfmarkzjoll beeinflußt werden, denn wir haben höhere Getreldepreise gehabt, ebe wir den Fünfmark—⸗ joll hatten, als unter dem Fünfmarlzoll. Wir haben den Fünf⸗ markzoll eingeführt, um der geradezu dernichtenden, immer weiter vorschreitenden Abbröckelung des Schutzes für unsere Land⸗ wirtschaft entgegenzuarbeiten. Aber im übrigen wird der Preis für das Getreide nach den allgemeinen Grundsaͤtzen der Volkswirtschaft, nach den Regeln von Angebot und Nachfrage bestimmt. Es würde zu weit führen, wenn ich hier das Verhältnis der einzelnen getreldeproduzierenden und getreide⸗ einführenden Länder auseinandersetzen wollte. Aber, meine Herren, selbst zugegeben, daß der Schutz eine gewisse Preissteigerung oder sagen wir richtiger eine gewisse Preighaltung bei Getreide und Mehl herbeigeführt hat, so frage ich: was ist wichtiger, ein etwas höherer Getreidepreis oder ein sicherer und ausreichender Lohn für die arbeitenden Klassen? Fürst Bismarck hat einmal gesagt: wenn allein die Niedrigkeit der Getreidepreise für das Gesamtbefinden entscheidend wäre, dann müßte Slavonien das glücklichste Land der Erde sein. Meine Herren, sollten die Wahlen der Herren hier kassiert werden, so versuchen sie es vielleicht einmal, ob es ihnen in Slavonien besser gefällt als bei ung. (Große Heiterkeit) Ich bin der An⸗ sicht, daß eine Sicherung dauernder Beschäftigung und aug reichenden Lohnes für die arbeitenden Klassen von unendlich größerer Bedeutung ist als ein geringeres Maß nach oben oder nach unten hinsichtlich der Lebensmittelpreise Da frage ich, meine Herren, wenn wir die Zollpolitik nicht eingeführt hälten, wo wäre unsere ganze Industrie geblieben? (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen und rechts und wo wären die Arbeiterbataillone geblieben, die jetzt von der Industrie beschäftigt werden, und die gerade zum Teil die Schutz- truppen der Sozialdemokratie bilden? Wo wäre die Landwirtschaft geblieben, wenn nicht endlich dem verderblichen Preigrückgang gesteuert worden wäre, und es wundert mich nur, daß das Interesse der Sozial. demokratie für die arbeitenden Kreise sofort völlig erlischt, sowie es sich um ländliche Arbeiter handelt. Diesen Zwiespalt kann ich mir nur dadurch erklären, daß die ländlichen Arbelter allen Versuchen der Sozialdemokratie, sich ihrer zu bemächtigen, widerstanden haben und, wie wir hoffen, auch in Zukunft widerstehen werden.
Nun aber, meine Herren, die Einwirkung des Zolltarifs auf die Getreldepreise dahingestellt: es kommt doch nur darauf an, ob sich unter dem Einfluß dieses Zolltarifs in Summa die Lebenslage unserer deutschen Arbeiter gebessert hat oder nicht, und das kann nicht be—⸗ streiten, wer mit offenen Augen unsere Verhältnisse sieht. Der Herr Vorredner hat vorhin von ganz unzureichenden Löhnen bei der Staate— elisenbahnverwaltung gesprochen und bat behauptet, daß sie hinter allen Privatbetrieben zurückgeblieben selen. Meine Herren, erlauben Sie mir, auch in dieser Besiehung Ihnen wenige Daten vorzuführen. Ich habe sie schon kürjlich mal im Reichstage angeführt.
Die Ausgaben fär Löhne in unserer Staatzeisenbabhnverwaltung betrugen 1555 1338 Millionen und sind 1907 auf 326 Millionen Mark gestiegen. Daß bedeutet in dieser zwölsjährigen Periode eine Steigerung um nicht weniger als 1360j9. (Hört, hört! rechts.) Meine Herren, um das klarzustellen, muß naturgemäß hervorgehoben werden, daß hier ja auch eine große prozentuale Steigerung der Personenzahl mitspricht, daß die Lohnempfänger zahlreicher waren als früher. Aber was das Entscheidende ist, das sind die ge— zahlten Durchschnitigléhne, und da ergibt sich denn, daß diese gegen das Jahr 1855 um nicht weniger als 33,6 oo gestiegen sind. (Hört hört! rechts) Ich glaube doch, das ist eine sehr erhebliche und er⸗ frruliche Entwicklung.
sese Steigerung der Löhne bei der Staatgeisenbahnverwaltung entspricht im allzemeinen der Lobnsteigerung, die ja auch sonst für unsere arbeitenden Klassen zu konstatteren ist. Ein zutreffendes Bild erbält man in dieser Beniehung aus den Unterlagen, die für die Unfallversicherungegenossenschaften aufgestellt werden. Ich bemerke, daß, wie den meisten Herren bekannt sein wird, bei der Unfallversiche⸗ rung nicht alle Löhne anrechnungsfähig sind, sodaß die gejahlten Löhne höher sind, alt sich aus den Zusammenstellungen der Berufs genossenschaften ergibt. Aber ein außerordentlich interessantes Bild ergeben auch diese Zusammenstellungen. Danach sind an Löhnen für Arbeiter, welche den gewerblichen Beruftgenossenschaften angehörten, im Jahre 1893 3 Milliarden 366 Millionen gezahlt worden, im Jahre 1906 7 Milliarden 716 Millionen, und es ergibt sich, daß der Durchschnltta—⸗ lohn bei der Unfallversicherung im Jahre 1393 6651 S betrug, im Jahre 1906 894 „, also eine Steigerung von 370nj09. Meine Herren, es ist sehr interessant, daß auch der sozialdemokratische Abg Calwer in der Periode von 1896 bis 1906 eine solche Steigerung um nicht weniger alg 38 / angegeben hat, demgegenüber die Lebensmittelpreise nach seiner eigenen Schätzung nur etwa um 22 big 25 0/0 gestiegen sind, sodaß sich noch ein sehr erhebliches Plutz ju Gunsten der Arbeiter heraus stellt.
Nun aber, meine Herren, noch ein Moment, um nachzuweisen, in welchem Maße sich die Situation der arbeitenden Klassen gebessert hat. Das beste Barometer wird in dieser Beziehung immer die Steuerleistung sein. Wir haben im Jahre 1905 noch 68 0/0 der Be⸗ völkerung gehabt, die noch nicht ein Gesamtelnkommen besaßen, das sie unter die steuerpflichtigen Klassen einreihte, während diese Zahl im Jahre 1907 auf 5 0 gesunken ist. Also die Zahl dersenigen Leute, die nicht einkommenstenerpflichtig waren, weil ihr Lohn zu
gestiegen, die mit steigendem Lohn
gerlng ist, ist stetig herabgegangen, und stelig ist die Zahl der Arbeiter auch einkommensteuerpflichtig wurden. Mit elnem Einlommen von 900 bis 3000 S — das sind doch überwiegend arbeitende Kreise — waren im Jahre 1895 270 / der Bevölkerung veranlagt, im Jahre 1907 dagegen 44 0so.
Meine Herren, wenn ich noch auf eins hinweisen darf, so ergibt sich, daß im Jahre 1895 7 900 000 Köpfe in den Stufen von 900 bis 3000 M einkommensteuerpflichtig waren, und daß diese Anjabl auf rund 15 Millionen im Jahre 1807 gesstegen ist. Also während wir im Jahre 1895 nur 8 Millionen Köpfe unserer Bevölkerung in Lohnverhältnissen sahen, durch die sie einkommensteuerpflichtig wurden, ist dtese Ziffer in dieser verhältnismäßig karzen Periode von 8 auf 15 Millionen, also um 7 Millionen gestiegen — meine Herren, eine höchst erfreuliche Wahrnehmung, daß immer wieder neue Krelse aus den arbeltenden Klassen in Gesamteinkommensverhälnisse gelangen, die es ihnen ermöglichen, auch etwas zu den Staatslasten beizutragen, eine Wahrnehmung, die aber zugleich die Behauptung der fortlaufenden Verelendung unserer arbeitenden Kreise einfach widerlegt. (Sehr richtig! rechts.)
Und, was noch wichtiger ist: das Einkommen der kleinen Zensiten unter 3000 M betrug im Jahre 1893 rund 3 Milllarden und stieg im Jahre 1907 auf 64 Milliarden; also von 1893 bis 1907 hat sich das Einkommen dieser kleineren Zensiten bis 3000 6 um nicht weniger wie 35 Milliarden Mark erhöht (hört, hört! rechts) — meine Herren, ich glaube, ein redender und nicht zu widerlegender Beweis für die auch von unserem Standpunkt, und ich glaube von jedem Standpunkt aus höchst erfreuliche Tatsache, daß sich die Lebeng= lage der Arbeiter gehoben hat. Ich glaube, es wird keinen in diesem hohen Hause geben, ber sich nicht darüber freute; aber umsomehr müssen wir der Darstellung entgegentreten, als ob sich infolge unserer Schutzjolltarife usw. die ganze Situation unserer Arbelter verschlechtert hat. Genau das Gegenteil ist der Fall! (Sehr richtig! und Bravo! rechts.)
Mine Herren, ich habe mich, wie gesagt, auf die Widerlegung einiger positiver Behauptungen beschränken wollen, habe aber eine politische Rede nicht halten wollen; dazu ist, glaube ich, nach den Ausführungen des Herrn Vorredners keine Veranlassung gegeben. (Sehr richtig! rechts) Eine Bemerkung möchte ich an den Schluß meiner tatsächlichen Feststellungen setzen. Der Herr Vorredner sagte, die Regierung sei der geschäftsführende Ausschuß der besitzenden Klassen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) — Meine Herren, die Tatsache wird dadurch nicht wahr, daß Sie sie bestätigen. (Sehr richtig! und Heiterkeit rechts) Eins will ich aussprechen: nicht, daß die Regierung der geschäftsführende Ausschuß der besttzenden, aber der staatserhalten den Keeise unserer Bevölkerung ist, und weil wir dies als Mandat der staatserhaltenden Kreise ansehen, so können Sie (zu den Sozialdemokraten) sicher sein, daß wir nicht erlahmen werden in dem Kampfe gegen die Bestrebungen, die Sie vertreten. (Lebhaftes Bravo rechtg.)
Abg. Dr. Miierski (Pole): Die Maßnahmen der Regierung gegen die polnische Bevölkerung, der Sprachenparagraph des Vereint⸗ gesetzes, das Enteignungegesetz, die Ostmarkenpolitik überhaupt wirten zusammen wie ein unersättlicher Leviathan, wie ein Ungeheuer. Man wird mich feagen: Warum eine Polenrede, da die Regterung ja die Polen jetzt in Ruhe läßt? Aber diese Polittt schädigt die Polen dauernd in wirtschaftlicher Beziehung. Der Minister⸗ präsident bat es selbst am 26. November 1907 bervor- gehoben, daß in Westpreußen von 1896 bis 1906 75 000 Morgen mehr in deutsche Hand aus polnischer übergegangen sind als umgekehrt. Das sind doc schreckliche Zahlen. Die von der Ansiedlungskommission Angesiedelten werden ja in wahre Paradiese hineingesetzt, aber wehe ihnen, wenn sie mit Polen verkebren oder gar einmal ein polnisches Wort sprechen! Sie dürfen nur deutsche Handwerker, Aerzte und Apotheken in Anspruch nehmen, sonst werden auch sie drangsallert, wie wir Polen ständig bis zur größten Erbitterung gereizt werden. Polnische Jeitungen sind auf Bahnhöfen verboten. Inhaber von Schlipsnadeln mit einem weißen Adler sieht man mißtrauisch an. Selbst Italiener mit polnisch klingenden Namensendungen werden als Polen behandelt. Aber trotz der Härten, die wir besonders durch die Enteignung vorlage erfahren, werden wir nie verzagen.
Abg. von Arnim - Züsedom (kons.): Der Abg. Freiherr von Zedlitz sagte neulich, er müsse anerkennen, daß jetzt mit Reserven in Preußen nicht mehr gewirtschaftet werde, daß die Fonds aufgebraucht seien. Früher hat er aber oft (esagt, wir hätten noch so viel Reserden zu erwarten, auch aus der Einkommensteuer, daß eine nachträgliche Er— höhung der Gehälter, besonders der der Lebier, vorgenommen werden könne. Bedauerlicherweise hat der Abg. Friedberg damit geschlossen, daß er die für unsere zukünftige Finanjgebarung notwendigen Summen nicht dauernd, sondern nur für eine größere Reihe von Jabren bewilligen will, und dementsprechend hat auch die Steuerkommission beantragt, die 54 Millionen für Besoldungen vorläufig nur für 2 Jahre zu be— willigen. Wir stehen auf dem absolut anderen Standpunkt, daß es nicht richtig ist, nur für eln Drittel des Gesamtbedarfs dauernde Deckung zu schaffen, wenn es sich um Gehälter handelt. Ich schätze den Abg. Friedberg als Förderer einer guten Finaniwirtschaft und hoffe, daß er noch in anderer Weise für eine solche Deckung zu sorgen versteht. Der Abg. Wiemer hält die Einschätzung der Eisenbahnennahmen für 1909 füc
zu vorsichtig, ich fürchte, daß wir eber mit einer Mindereinnahme zu rechnen haben, wenn die wirtschaftliche Depression weiter anhält. Ich
bin auch darin der gegenteiligen Meinung, daß der Gesandtenposten in München zu streichen wäre, er ist einer der wichtigsten Posten; sonst müßte auch der beim Vatikan gestrichen werden. Der Abg. Hei⸗ mann hat es bemängelt, daß aktive preußische Staatsbeamte Mit- glieder des Abgeordneten hauses sind. Ich bin seit 13 Jahren Mit- glied des Hauses und habe die Ueberjzeugung gewonnen, daß wir kaum so tatkräftig arbeiten könnten, wenn wir die Sachkenntnis und den Eifer dieser Mitglieder, die zugleich Staatsbeamte sind, entbehren müßten. Selbst der Abg. Heimann hat es ja nicht verkennen können, daß Preußen zu einer märchenhaften Entwicklung gekommen sst. Und diese Entwicklung ist vor sich gegangen unter dem bestehenden Wahlrecht. Der Abg. w . stellt die Lebensverhältnisse als so schlecht hin. Nach einem Geschäftsbericht der Konsumvereine von Breslau kostete das Pfund weiße Bohnen 1877 18 jetzt 17 , 2 Kilo Brot 39 im Jahre 1877, jetzt 43 5, gute Viktorla⸗Erbsen sind von 15 auf 12 gefallen, Graupen sogar von 34 auf 18 3, Kaffee von 1,64 S auf 99 . Roggen⸗ und Weijenmehl sst allerdings etwas gestiegen. Die Annahme, daß auch eine große Teuerung der Lebensmittel stattgefunden hätte, ist also unzu— treffend, aber die Ansprüche an die Lebenehaltung sind geftiegen und zwar deshalb, weil die Arbeitslöbne gestiegen sind, z. B. die der Bergarbeiter um 30 os)9. Der Verbtauch an Fleisch pro Kopf der Bevölkerung ist von 45 Kilo jährlich auf 54 Kilo gestiegen. — Ich wende mich nun zu den gestrigen bedeutunge⸗ vollen Autführungen des Ministerpräsidenten. Er hat diese mit einem warmen Appell für die Sparsamkeit eröff get. Meine politischen Freunde dürfen es für sich in Anspruch nehmen, in bezug auf Neubauten das Prinzip der Sparsamkeit immer nachdrücklich vertreten ju haben. Man könnte aber noch mehr tun. Es müßte beim Etat der Eisenbahnverwaltung in guten Jahren ein viel besser gespeister Fonds geschaffen werden. Wir haben für die Eisenbahn in den letzten drei Jahren ein Anleihebedürfnis
von C90 Millionen Mark. Wäre in den früheren reichen Jahren mehr gespart worden, so wäre das nicht nötig gewesen. n bezug auf das Wahlrecht enthalte ich mich jetzt jeder Aeußerung, da wir ja in wenigen Tagen uns damit infolge eines Antrag he aten werden. Bei Erwähnung deg Falles Schücking hat der Ministerpraͤssdent auch den Bismarckschen Erlaß von 1884 erwähnt, der die politischen Be⸗ amten zur Unterstützung der Politik der Regierung ver. pflichtet. Es erscheint mir nicht uninteressant, daß dieser Er— laß bei dieser Gelegenheit zur Erörterung gelangt. Bet der Erörterung dieses Falles hatten wir auf der rechten Seste des Hauses den Eindruck, als ob der Ministerpräsident dem Abg. Dr. Wiemer verhältnismäßig welt entgegengekommen ist. Meine politischen Freunde hatten die Absicht, eine Interpellation über den Fall Schücking einzubringen, sie sind aber davon zurück. gekommen, weil das Verwaltungsstreitverfahren noch schwebt. Wir werden aber bei Beratung des Etats des Ministerlums des Innern eine volle Klarstellung aller dabei in Beteacht kommenden Gesichts— punkte herbeiführen. Es ist nicht ganz zweifellos, ob der Re— gierungspräsident bei seinem Vorgehen gegen diesen liberalen Bürger— meister auch die nötige Deckung oben gefunden hat. — Bezüglich der übrigen Ausführungen des Ministerpräsidenten über das Verhalten der politischen Beamten wird er hoffentlich nicht erwarten, daß diese Beamten, soweit sie zugleich Mitglieder des Ab— geordnetenhauses sind, von ihrem Rechte der freien Meinungz— äußerung und der freien Stimmabgabe keinen Gebrauch machen dürfen. Vor zehn Jahren hat die Regierung leider Regterungz— präsidenten und Landräte zur Disposition gestellt, offenbar, weil sie gegen den Kanal gestimmt hatten. Ich bin ziemlich sicher, daß sich das nicht wien erholt, und babe das volle Vertrauen zum Ministerpraͤsidenten, daß er der letzte sein wird, der eine solche Wiederholung herbei⸗ führt. Unsere Stellungnahme zu dem im „Daily Telegraph‘ Wröffentlichten Kaiserinterview haben meine politischen Freunde in der Erklärung des Elferausschusses niedergelegt. Der Ministerpräsident hat schließlich versichert, daß er die Sostaldemokratte nach wie vor energisch bekämpfen werde, daß er aber von gesetzgeberischen Maß— regeln vorläufig Abstand nehme. Ich will mich auch darauf jetzt nicht weiter einlassen, aber wir erklären, daß wir die Bestrebungen der Sozialdemokratie für derartig dem Gefüge und der Zusammensetzung des preußischen Staates als gefährlich erachten, daß wir in jedem Stadium und unter allen Umständen zur nachdrüͤcklichsten Bekämpfung der Sotialdemokratie bereit sind und den festen Vorsatz haben, diese schließlich von der Bildfläch⸗ verschwinden zu lassen. (Die letzten Worte sind von andauernde n lebhaften Beifall der Rechten begleitet; Zuruf von den Sozialdemokraten: Eher verschwinden Sie)
Abg. Dr. Rewoldt (frkons.): Eine wenig erfreuliche Neben— erscheinung jum Kapitel der Sparsamkeit ist es, daß man zwar mög- lichst viel vom Staate verlangt, dem Staate selbst aber wenig ge⸗ währen will. Es müßte das staatsbürgerliche Bewußtsein schon in der Jugend mehr gestärkt werden. Man klagt, daß von den Beamten unbescheidene Wünsche laut geworden sind. Die Auswüchse
in dieser Beziehung müssen zurückgewiesen werden, aber die Beamten haben infolge der Verhandlungen im Parlament geglaubt, daß sie, je mehr sie rufen, desto besser wegkommen werden. Hier im Hause find allerdings Wünsche nach neuen Eisenbahnen laut geworden, die un⸗ geheure Kosten verursachen würden, aber es ist ein U terschied, ob solche Wünsche hier ausgesprochen oder ob Beschlüsse des Hauses in dieser Richtung gefaßt werden, daß neue Bahnen gebaut werden, die zwar sehr nützlich sind, aber doch in absebbarer Zeit nicht durchgeführt werden können. Die einzelnen Abgeordneten sind es ihren Kreisen schuldig, die Wünsche der Kreise zur Sprache zu bringen. Sparsamkeit kann allerdings in dem Geschäftsbetrieb der Behörden geübt werden; wir können die vom Reichskanzler beabsichtigten Maßnahmen für einen Fortschritt halten. Daß Uebelstände in der Verwaltung bestehen, hat ung gestern der Minister des Innern klar dargelegt. Die Beamtenschaft hat nicht die nötige Wertschätzung für die anderen Kreise gezetat, es ist deshalb das Gefühl in gewerblichen Kreisen verständlich, daß die Beamtenschaft nicht ein helfendes Moment seit. Die umfassenden bureaukratischen Verfügungen und Schreibereien mit all den zeitraubenden Arbeiten schädigen finanztell den Staat. Wir können deshalb die Vorschläge des Ministers des Innern mit Freude begrüßen. Auch in der Justiwerwaltung herrscht erzwungenerweise eine große Kraftvergeudung und Geldverschwendung, weil der Richter an den Schreibtisch gefesselt ist und theoretische Schriftsätze verfassen muß, an denen kein praktischer Mensch eine Freude hat. Alles das bringt eine fortgesetzte Steigerung des Beamten⸗ heeres mit sich, die nicht mehr den Jateressen der Hervölkerung ent— spricht. Eine übermäßige Vermehrung der Richterstellen bat alleidings im Verhältnis zur Steigerung der Bevölkerungsziffer nicht siattgefunden. Wenn wir in der inneren Verwaltung dejentralisieren wollen, muß allerdings das Landratsamt erweitert werden. Um deswillen hat man also die Dezentralisation nicht fallen lassen. Daß ein Universitäts⸗ kurgtor nicht einmal selbständig Verträge abschließen kann, ist ein unhalibarer Zustand. Wenn man einen höheren Beamten an eine Stelle setzt, muß er auch das Recht haben, selbständig die regel⸗ mäßigen Verträge abzuschließen. — Meine Freunde boffen, daß der Kultusminister bald wieder gesund zurückkehren und wieder die Frische gewinnen möge, die wir bei ibm sahen, als die Budgetkommission gemeinsam die Gewässer bei Hamburg und Harburg befuhr, um sich über den Köhlbrandvertrag zu informieren. — Was den Erlaß des Fürsten Bismarck über die Stellung der politischen Beamten betrifft, so nehme ich an, daß der Ministerpräsident gestern nichts anderes hat sagen wollen, als was seinerzeit Herr von Bennigsen im Reichstag zur Interpellation über kiesen Erlaß gesagt hat. Ich nehme ferner an, daß der Ministerpräsident mit seinen Ausführungen über die Stellung der Regierung zu ihren Beamten nicht hat sagen wollen, daß diese Dinge der parlamentarischen Kontrolle entzogen sein sollen. Wir billigen die Erklärung, daß kein Beamter wegen seiner liberalen Ge— sinnung zur Verantwortung gezogen werden soll. Mit so allgemeinen Behauptungen wie denjenigen von der linken Seite, daß ein Dis ziplinar= verfahren wie das gigen Schücking nicht möglich sei, wenn es sich um einen konservativen Beamten handele, ist gar nichts gesagt. Die Herren sollten sich vielmehr nur über den einzelnen Fall beschweren. Wenn ein Ausnahmegesetz gegen die Sozialdemokratie gemacht würde, so würde es sich nicht gegen die Arbeiter richten, sondern nur gegen die Veistöße gegen die Gesttze. Die Führer der Sozialdemokraten glauben wohl selbst, daß ein solches Gesetz sich nicht gegen die Arbeiter richten, sondern nur ihre Agitation treffen würde. Wir wünschten zunächst ein Gesetz, das umbedingt die Freibeit der Arbeit gewährleistet gegen Angriffe, von welcher Seite sie auch kommen, dagegen, daß die Sozialdemokraten sich zusammentun, um andere Leute! an der Arbeit zu hindern. Ich heffe, daß die Sozialdemokraten auch die Freiheit auf Ihr Panier schreiben, daß sie Leuten, die nicht zu ihrer Fahne schwören, die Freiheit der Arbeit gewährleisten und es billigen werden, daß der Staat alle seine Machtmittel benutzt, um denjenigen, die anderen die Köpfe blutig schlagen wollen, das Handwerk gründlich zu legen. (Zwischenrufe bei den Sozialdemokraten) Jawohl, auch gegen die Schädigungen der wirtschaftlichen Freiheit in anderer Besiehung wollen und wünschen wir den staatlichen Schutz, wir 2 daß namentlich auch der Mittelstand geschützt wird dagegen, daß in offener und planmäßiger Weise derjensge, der sich nicht zu Sammlungen oder dergleichen herbeiläßt, von der einen Gruppe unserer Bevölkerung wirtschaftlich ruiniert wird. Das wäre ein Punkt, wo möglicherweise schon jetzt unsere Gesetzgebung in Angiiff genommen werden könnte, um die Freiheit anderer Bevölkerungsklassen zu schützen. Der Abg. Heimann hat namentlich den Stab gebrochen über das ganze Bürgertum, er hat gesagt, daß jahrzehntelang in den 60er und IO er Jahre das Hürgertum es in der Hand gehabt habe, die Politik Preußens in freiheitlichem Sinne zu leiten, daß es dies aber nicht getan habe. Daran ist doch aber das Wahlrecht nicht schuld. Vie Arbeiter auf dem Lande wissen, daß sie sämtllch von der Landwirt⸗ schaft leben, und daß die Sojial demokratie darauf ausgeht, bie Land wirtschaft zu verderben. Sie wissen auch ganz genau, wer ihre Ver⸗ hältnisse kennt, und wer ihre Verhältnisse 1 kennt. Sle stehen der
mdes handelt.
s ossaldemolrat sorherung des
enisterpr Bir nutzt er Roc 6k okratie bleiben. ᷣ
gal nn nner n (ul.): König Friedrich Wilhelm III. hat mnmal gesagt, jeder Staatgdiener hat zwei Pflichten: eine gegen seinen . hie andere gegen sein Land; es kann vorkommen, daß heide in
hegensaß jueinander geraten. Das ist ein echtes Hohenzollern⸗
am Sinne des Königs, welcher sich den ersten Diener des
aateg nannte. Und da auch der fetzige Hahenzollernmęnarch in sesem Sinne mit seinem Reichskanzler verfährt, sehen wir wieder kenrguensvoll in die Zukunft. Ich möchte auf den Streit zwischen m Reichskanzler und den Konservativen über die Stellung der fen Beamten und über die Nachlaßsteuer nicht eingehen. . ici der Nachlaßsteuer ftehe ich auf dem Standpunkt des Frei⸗ . pon Zedlitz, daß dieser starke Vorstoß der Konservativen ! Reichsfsnanzreform gerade zicht sehr dienlich sein kann. Bir halten es für die vaterländische Pflicht aller Parteien, an dem Fasian en der Reschsfinanzreform mitzuarbeiten, weil es sich Fistandekommen suarh J ; It nur um die Größe, sondern auch um die Sscherheit des Vater⸗ Bezüglich der Haltung des Zentrums gegenüber den slen meine ich: in dem Augenblick, wo das Zentrum aufhört, eine ithol sch⸗konfessionelle Partei zu sein, in dem Augenblick werden wir Icunde politische Verbäͤltnißse haben. Was den Etat anbetrifft so Ein man auch heute noch ohne jede Uebertreibung sagen: lein tant hat gesundere Finanzverhältnisse als der preußische, denn pelche⸗ Finanzminister kann sich rühmen, daß er für die Ver⸗ seiner gesamten. Staatsschulden auch nicht einen Groschen uch Steuern aufzubringen hat! Wir verzinsen vnsere ganze chuld aus den Einnahmen der Eisenbabn. Die Rente aus en Cisenbahneinnahmen für allgemeine Staats z wecke ist allerdings suf 83 Millionen gegen 249 Millionen im Vorjahre herunter— 'gangen. Daß das keine normale Etatzaufstellung ist, auf Grund fren man dauernde neue Steuern bewilligen kann, ist einleuchtend. Bir wollen lediglich, daß die Eisenbahnverwaltung wie eine solide snibatgesellschaft alles tut, um eine stabile Dioidende zu erzielen, und 5 sis für stille Reserven für ungünstige Jahre vorsorgt. Wir sinschen ferner eine feste Abgrenzung der Rente der Eisenbahn⸗ serwaltung für die allgemeinen Staats wecke; die anderen Ressorts elassen sich jetzt immer auf die hoben Bruttoziffern der Eisenbahn— smahmen, von denen doch die Ausgaben abzuziehen sind. Die ßen Bruttozahlen wirken ungeheuer verwirrend. ¶ Dte finanziellen eehungen jwischen dem Reich und Preußen müssen fest begrenzt Herden. Hoffentlich gelingt es uns dann, auch wieder zu guten sreußischen Finanzen zu kommen. ö
Lbg. Graf Praschma(Zentr.): Herr Schmieding nennt daz Zentrum Ene konfessionelle Partei. Wir haben schon oft genug gesagt;: die zartei steht vollkommen auf dem Boden der preußischen erfassung, der Gleichberechtigung der beiden Konfessionen; unser hrogramm wie unsere Statuten enthalten nichts, was Mitglieder der hangelischen Konfession ausschließt, wie ja auch Mitglieder der hangelischen Konfession, und zwar solche, die die evangelische Kirche irn zu den Ihrigen zählte, in unseren Reihen gewesen sind. Herr chmieding richtet an uns den Appell, wir möchten unsere religiöse Eberjeugung aus unserer politischen Betätigung ausschalten, dann ürden wir zu gesunden politischen Verhältnissen kommen. Herr chmieding kann darauf lange warten. Meine Freunde stehen im härfsten Gegensatz zu dem Prinzip, das der Ministerpräsident zollamierte als er die Konservativen aufforderte, bei der Nachlaß—⸗ kuer ihre Parteigrundsätz? wegen der allgemeinen politischen ge aufzugeben. Wir meinen, daß niemals Parteigrundsätze gegeben werden dürfen; ich bekenne mich doch zu einer Partei nd ju ihren Grundsätzen, weil ich sie für richtig halte und saube, daß sie dem Wohl des Staates und Landes dienlich sind. In der Blockpolltik haben wir ja gerade auszusetzen, daß sie nur in
nung
r Paarung von Gegensätzen, die sich gegensertig ausschließen, bestehen
unn, daß sie darauf beruht, daß die Grundsätze von beiden Teilen
fgegeben werden müssen, daß sie ihr Heil in der Grundsatzlosigkeit
shdet. Das führt nach unserer Meinung nicht zur Gesundung der ölitischen Verhältnisse, sondern kann auf die Dauer Preußen und Res Reich nur schädigen. . Abg. Fischbe ck (fr. Volkip.): Die absprechenden Worte des Abg. Frafen Praschma über die Blockvolitik entspringen aus der mißlichen Lage 8 Zentrums. Der Block entspricht dem politischen Bedürfnis und bat sertvolle Kundgebungen im Reichstag zu stande gebracht; er wird sich pfentlich auch bei der Reichsfinanzreform bewähren. Wir freuen ung müber, daß nach der Ueberzeugung des Reichskanzlers auf die wirtschaftlich schmachen Rücksicht genommen werden soll; ich kann für meine freunde erklären, daß wir uns nur unter dieser Voraussetzung an m Reiche finanzteform beteiligen können und werden. — Der Abg. mann hat eine weitschweifize Auseinandersetzung über die Berliner Endtagswahlen beliebt. Der ‚Vorwärts“ hatte darüber bereits eine parstellung gegeben, nach deren Ueberschritt man an einen vierfachen nubmord oder so etwas denken konnte. Ich bin als der Mit⸗ zuldige oder Alleinschuldige genannt Ich stelle fest, daß ich bis zu Urwahlen nicht baz geringste mit den Wahlvorbereitungen zu tun abt habe; mir sst die ganze Sache eist zur Kenntnis gebracht, als l rwahlen vorbei waren. Da wurde nämlich von sozialdemo⸗ ntischer Seite ein großes Geschrei darüber erhoben und auch Protest haelegt, weil in Rirdorf und Schöneberg dieselbe jetzt umstrittene ustellung der Wabllisten erfolgt war. So ist es durch die höaldemokraten selbst zur Sprache gekommen, wie denn die in Berlin stand. (Zwischenrufe) Der Abg. Hoffmann Il bag, ich hoffe aber, noch so viel Achtung hier zu ben, daß ich mich dacauf nicht einzulassen brauche. Wir sren allerdings der Meinung geworden, daß man die unerhörten prgzänge bei der Wahl der vier sozialdemotratischen Berliner ordneten hier zur Sprache bringen müsse. Wir wollten es mumgrlen, wie diese Mandate zu stande gekommen sind. Das sind gig bodlledertteter mehr. Die Frauen der Genessen sind umher ö 9 worden, die Bäcker und alle kleinen Geschafts leute wurden enn Hirtschaftlichen Ruin bedroht, wenn sie nicht sollal. . ratisch wählen wollten. Der Abg. Heimann hat eine sitliche Ent n äber die angebliche politische Vergewaltigung der Lehrer gezeigt, 6 ente haben nach den Berliner Volgängen' kein Recht mehr dan. iheichttag ist neulich endlich mit dem Grundsatz gebrochen worden, ur behördliche Wahlbeeinflufsungen zu beanstanden seien. Ich ui hn derselben Meinung, aber dann auch nach Ihrem eigenen . gleiche Recht für alle! Die sozlaldemokratische Kundschaft haalnen Geschäftgleute ist der Arbestgeber, der deren Exssten; ver. i * Sie (zu den Sozialdemokraten) müßten nach Ihren * dhderungen ein solches Verfahren als das verächtlichste hin n Abg. Hoffmann: Geben Sie uns das geheime Wahl⸗ 4. 6c lann es Ihnen doch nicht verschaffen. Üm der schönen iu Rehn Senialdemokratf willen werden wir och näicht auf 8 ie verzichten. Jede andere Partel macht das ebenso; h J aldemokraten sind ja Virtubsen darin. Mit Herrn shmar in München war es dieselbe Sache, da hätte er doch l i gat niederlegen sollen. Der Abg. Saber hat auch silärt, sein Mandat sei mit solchem Makel belaster, seine Wahl empfohlen habe, aß er es nieder⸗ Der „Vorwärts hat es mit kelnem Sterbens. etwähnt, daß ich selbst gegen die Wahl meines Reinbacher Protest eingelegt habe. Die Soglaldemokraten n jweierlel Moral. Vie elne verlangen sie von den und sind darin so zimperlich, wie eine alte Jungfer. Wenn ez
sich aber um die Ziele der Sozial demokratie selbst handelt, so scheut besonders die sozialdemokratische Presse vor keinem Mittel zurück; das ist schließlich die Taktik der Wegelagerer und Strolche. . Beifall rechts. Abg. Heffmann xruft: Daraus pricht der Kognak! Großer Lärm. — Präsident von Kröcher: Ich bitte den Abg. Hoffmann, sich in seinen Zwischen rufen doch etwas zu mäßigen) Wag die Herren uns vorschreiben, das tun 5. doch nicht aus Liebe zu uns, sondern well ste für ihre eigenen Zwecke dabon Vorteile erwarten. (Nachdem der Redner die Tribüne verlassen hat, . y. . Abgg. Hoffmann und Borgmann erregt auf ihn ein. Darauf wird ein Schlußantrag angenommen.
Abg. Heimann (Soz.) bemerkt persönlich, daß er die Be—⸗ leidigungen des Abg. Fischbeck mit Entrüstung zurückwelsen müsse. Abg. Fischbeck (fr. Volksp.) erwidert, daß er den Vorredner nicht persönlich beleidigt, sondern sich nur gegen die Sozialdemokratie gewandt habe.
Der größte Teil des Etats, sowie das Anleihegesetz für 1909 wird an die Budgetkommission, das Anleihegesetz zur Deckung des Fehlbetrags fuͤr 1907 an die Rechnungskommisston überwiesen.
Schluß 4 / Uhr. Nächste Sitzung Montag, 12 Uhr (Wahlrechtsanträge).
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Reichstage ist die Denkschrift über Deutsch⸗ Neu⸗Guinea zugegangen, deren erster Teil über die Ent— wicklung des alten Schutzgebietes (Bismarckarchipel, Salomons—⸗ inseln und Kaiser⸗Wilhelmsland) und deren zweiter Teil über die des Inselgebiets (Ost- und West⸗Karolinen mit Palau und Marianen und Marschallinseln) berichtet.
Nach dem ersten Teil der Denkschrift traten im nördlichen Teile der Gazelle⸗Halbinsel, auf der Neu Lauenburg ⸗Gruppe, auf Neu⸗ Hannober, Neu⸗Mecklenburg und den vorgelagerten Inseln im Jahre 1907s08 Unruhen unter den Eingeborenen nicht auf. Auch in Bougain⸗ ville ist es zu erheblichen Störungen des Landfriedens in dem der Verwaltung angegliederten Teile des Bezirks der Station Kieta nicht gekommen. Im Berichtsjahre 1906 mußten dort 7 Strafexpeditionen unternommen werden; im letzten Jahre waren nur 2 erforderlich. Das organisierte Gebiet erstreckt sich von Numa. Numa südwaͤrts big zur Südostspitze der Insel. In diesem Umfange hat sich im großen und ganzen das Verhältnis der Eingeborenen untereinander bedeutend friedlicher gestaltet. Alle übrigen Teile des Bezirkes, die ganze West⸗ und Nordküste hon Bougainville sowie Buka konnten wegen Mangel eines Fahrjeuges von der Station nicht besucht werden. Es ist eine dringende und unaufschiebbare Not- wendigkeit für die weitere friedliche Entwicklung des Benirkes, daß der Station eine größere seetüchtige Pinaff⸗ Üüberwlesen wird, mit der regelmäßige Besuche unternommen werden können. Auf der Admiralitätsgtuppe mußte zweimal eingegriffen werden. Beide Male war der äußere Erfolg ein geringer. Die Unzugänglichkeit des Geländes verhinderte eine wirksame Tätigkeit der Truppe, die in ihrer Leistungsfähigkeit an den Aktionsradius des Gouvernements dampfers gebunden, mithin in der Zeit außerordentlich beschränkt war. Nur die dauernde Einsttzung einer Macht, gleich schlagfertig zu Lande wie zur See, vermag in jenem Teile des Schutzaebiets Ordnung zu schaffen. Im engeren Bezirk des Amts Friedrich Wtlhelmshafen erstreckt sich der eigentliche Machtbereich der Verwaltung auf eine Zone, deren westlicher Grenzpunkt das Kap Croisilles, deren östlicher Srenzpunkt das Kap Rigny bildet, und die sich in daz Innere auf einen Umkteis von 10-15 km erstreckt. Im übrigen wird von der Verwaltung nur eine Küstenpolizei zum Schutze der an der Küste lebenden Eingeborenen gegen Angriffe aus dem Faneren aufrecht er⸗ halten; im Inneren selbst hat die Verwaltung dauernd festen Fuß noch nicht gefaßt. Das Berichtsjahr brachte mannigfache Unruhen unter den Eingeborenen. Diese Störungen betrafen niemals An— schläge gegen Weiße, sondern waren immer nur Kämpfe unter den Eingeborenen selbst, und jwar durchaus lokalen Charakters, mit denen auch für die Zukunft ju rechnen sein wird, so lange der Mangel auch an den vrimitivsten Verkehrsmitteln der Verwaltung nicht gestattet, ihre Machtsphäre örtlich zu erweitern. Im Bezirk der neu errichteten Station Eitape hat sich das Ver⸗ hältnis ju den Eingeborenen am Ende des Berichtejahres gebessert. Ein kriegerische? Einschreiten ist notwendig gewesen: im Hlnterlande von Eitape gegen die Bergdörfer Siaute, Peest, Marock und Eitjerap, westlich der Station gegen Maloll dreimal und östlich der Station gegen Karfsau, Muschu, Kerassin und das Bergdorf Mangere. Dieses Einschreissen der Station hat anscheinend großen Eindruck auf die Eingeborenen gemacht und zur Anbahnung eineg friedlichen Verkehre zwischen beiden Teilen geführt. Durch das Einsetzen von Häuptlingen ist auch ein gewisser Gehorsam gegen die Anordnungen der Station zu be⸗ merken, und die Fehden haben abgenommen. Dutch ausgedehnte und stets wiederholte Kreuzfahrten des Reglerungsdampferg Seestern“ wurde ver⸗ sucht, eine Küstenpolizei auszuüben jum Schutz des Handels, jur Förderung der Anwerbung und zur Ausbreitung des öffentlichen Friedens. Es ist hierdurch gelungen, einen dauernden Einfluß ju ge⸗ winnen auf die Bevölkerung im südlichen Neu⸗Pommern, auf den Siassi⸗Inseln, im Gebiet von Selamaug bis Molfhafen (Sinogu) und auf der Insel Buka. Auf eine völlige Erstickung der Kämpfe kann aber nicht gerechnet werden, weil das viel beschäftigte Schiff seine Besuche nicht in regelmäßiger Folge wiederholen kann.
Die europäische Bevölkerung im Archipel und in den Salomons inseln betrug am 1. Januar 1868 4853 (3660 im Vorjahre), mithin ist eine Zunahme von 103 Personen vorhanden. In Kaiser⸗Wil helms⸗ land bellef sich die Bevölkerung auf 184 gegen 182 ine Vorjahre. Die gesamte Bedölkerung beziffert sich demnach auf 647 Personen. Die nichteinheimische farbige Bevölkerung war am 1. Januar 1903 580 Personen stark, und zwar 526 Personen männlichen und 54 weib- lichen Geschlechts. Hiervon entfallen 265 Personen männlichen und 34 weiblichen Geschlechts auf den Bismarckarchivel und die Salomons. inseln, 261 Personen männlichen und 20 weiblichen Geschlechts auf Katser⸗Wilhelmsland. Die gesamte Zunahme beträgt 31.
Der Arbeiterbedarf des Schutzgebietes ist, entsprechend dem Stande der Kultur und der Ausdehnung der Schiffahrt bejw. de Handels, in den letzten Jahren außerordentlich gestiegen. Eg muß damit gerechnet werden, daß die Steigerung des Bedarfs andauert und in den nächsten Jahren 4— S000 Mann erforderlich werden. Es ist aber ju befürchten, daß die erschöpften Anwerbegebiete diesen Ansprüchen nicht mehr gerecht zu werden vermögen. Zur Erschließung neuer und bevölkerter Teile des Schutzgebiets stehen Mittel nicht zur Ver⸗ fügung. Dag Schutzgebiet ist indes in der günstigen Lage, mit reich- bevölkerten und kulturell hochstehenden Ländern der tropischen Jane benachbart zu sein. Es erscheint möglich, den Mangel im eigenen Lande durch Zufuhr von Chinesen und Malayen (Jab-men) zu beseltigen.
Vie Zahl der im Schutzgebiet bestebenden Unternebm angen hat sich im Berichtsjahre um 11 vermehrt. Die neuen Unten nehmungen wenden sich meist der Perspherie, den Außeninseln, zu und, suchen mit Vorliebe das nördliche und mittlere Neu ⸗Mecklenburg, auß. Em großes Pflanzungdunternehmen ist auf Bougainville end tanden. Die wachsende Abneigung des Eingeborenen Cen die Ar werbung über See und seine 5 Rich als Tagelsboer r alt kurzer Ver tragazelt, aber ofterer Wiederholung im Jabre im eig gen Helmatlande berwenden zu lassen, hat der angedeuteten Vetentral erung der Sled- lungen Vorschub geleitet. Unterstützt wid diese B⸗ wegung durch die Auftechterhaltung des hilgenesnen Trledeng in den 9 egannten Gebieten. Wrtschaftlich ber hen diefe Unternehmungen in Bezug und Aba guf. der Gir richtung elnes Kästenverkehrs durdd den Norddeutschen Lond., Sie würden“ mnsamàm-enßhechen in dem A igenblick, in dem dle
Der Gesamtaußenhandel des Schutzgebietg hat sich im Jahre 1907 auf 5 396273 ½ belaufen mit einer Mehrung von 526 401 S6 gegen das Vorjahr. Von diesem Gesamtbandel entfallen auf Deutschland 2 681 5035 M (4 408 734. M, auf England 144 082 ½ (— 41 27440), auf Australien 1 617 905 Æ (4 63 306 S6), auf Asien 679 022 t C 37 254 M6), auf Amerika 174 342 M (4 31 861 S6) und die übrigen Länder 99 419 1M (4 26 520 M). Vie Einfuhr aus Deutsch⸗ land hat von 1 366 184 ½ auf 1352 184 M, also um 14 000 4A ab⸗ enommen, während die Ausfuhr dorthin um ein Beträchtliches ge⸗ 6 ist, nämlich von 906 585 „M auf 1329 319 S, allo um 422 734 ½. Die Einfuhr aus Australien hat sich von 1028 396 auf 1076 346 S, also um 47 950 S gehoben, die Ausfuhr dorthin hat nur von 526 203 S auf 541 559g Je, also um 15 356 S6 zu⸗ enommen. Hinsichtlich der übrigen Länder ist eine wesentliche Ver⸗ chlebung nicht zu verzeichnen. Von dem (Gesamthandel des Schutz⸗ gebiets entfallen 4278 377 M (5 03 227 M im Vorjahre) — dapon 2688 478 1M (2 390 333 A6) Einfuhr und J 689 899 46 (1512 894 46) Ausfuhr — auf den Bismalck⸗Archipel und 1117 896 M (966 645 4) davon 814 686 M (917 478 M) Einfuhr und 303 2710 4Æ (49167 4A) Ausfuhr — auf Kaiser.Wilhelmsland. Die Zunahme des Gesamt⸗ handels in Höhe von 526 401 „ verteilt sich also mit 375 150 ƽ — dapvon 198 145 M Einfuhr und 177005 S½ Auzfuhr — auf den Bismarck Archipel und mit 151 251 S — davon 4 303210 M Ausfuhr und — 102792 S6 Einfuhr — auf Kaiser⸗Wilhelmsland.
Die eigenen Ginnahmen des Schutzgebiets im Rechnungsjahre 1907 werden voraussichtlich 400 000 M½ übersteigen und somit gegen⸗ über dem Voranschlag gegen 40 000 M mehr bringen. Auz direkten Steuern, die mit bh 000 M„ in Ansatz gebracht waren, sind über 100 000 S eingekommen. Die Mehreinnahme ist wesentlich auf die Steuerzahlung der Eingeborenen jurückzuführen, die sowohl auf der Gazellehalbinsel als auch im mittleren und südlichen Neu. Mecklenburg eine starke Zunahme erfahren hat. Die Zölle werden den Ansatz von 245 000 M ungefähr erreichen. Bei den souftigen Einnahmen ist eine Zunahme von 11 000 S gegen den An⸗ schlag zu verjeichnen. Die Anegaben werden die Voranschläge vor augsichtlich nicht wesentlich übersteigen Das Rechnungsjahr dürfte daher mit einem geringen Ueberschuß abschließen.
In dem 2. Teil der Denkschrift über die Entwicklung des Insel⸗ geblets wird konstatiert, daß die Reihe der Unglücksjahre für das Inselgebiet der Ost karolinen immer noch nicht abgeschlossen zu sein scheint. Wieder ging ein Talfun durch das Gebiet und verheerte einige Inseln. Auf den 1905 von Stürmen verheerten Inseln Pingelapz und Mokil haben sich die Verhältnisse soweit ge— bessert, daß ein großer Teil der nach andern Plätzen über⸗ führten Eingeborenen wieder nach ihrer Heimat zurückkehren konnte. Die Zahl der Weißen hat sich um 3 vermehrt. Die Zahl der Deutschen hat um 7 zu, die der Amerikaner um 6 ab- genommea. Die Zählung der farbigen Bevölkerung konnte noch nicht durchgeführt werden; sie ist bei der mangel⸗ haften und seltenen Schiffsverbindung nach den verschiedenen Inselgruppen, dem Fehlen weißer Eingesessenen und der Unzuverlässigkeit der Häuptlings angaben sehr schwierig. Neuanlagen sind im Bericht:= jahre seitens der Verwaltung nicht geschaffen worden, da der Wieder⸗ aufbau der vom Orkan zerstörten Häuser alle verfügbaren Kräfte noch bis Mitte Februar in Anspruch nah m. Die Produktiong, und Absaß⸗ verhältnisse sind im wesentlichen dieselben geblieben wie im Vorjabre. Der Außenhandel des Inselgeblets hat einen bedeutenden Rückgang gegen das Vorjahr erfahren. Die Gesamteinfuhr betrug im Jahre 19607 329 830 M gegen 391 305 im Jahre 1906, die Abnahme mithin 61 475 A; die Gesamtausfuhr 111292 1 gegen 136 417 4 im Vorjahre, die Abnahme 25 125 ; der Gesamthandel ist von 527 722 auf 441 122 S6, also um S5 600 MS gesunken. Der Rück⸗ gang der Ausfuhr ist auf die verminderte Kopraproduktion jzurückju⸗ führen, die gleichzeitig eine Beeinträchtigung der Kaufkraft der Be—⸗ völterung und damit einen Räckgzang der Ginfuhr zur Folge hatte. Auf den Westkarolinen (Palau, Marianen) betrug die Zahl der weißen Bevölkerung zu Beginn des Jahres 1808: 88 gegen 100, von denen 5 mit weißen Männern verhetratete farbige Frauen waren, im Vorjahr. Die Zahl der Japaner ist don 107 in Vorjahre auf 36, also um 71, zurückgegangen. Die Zahl der Karoliner ist erfreulicherweise von 15 755 im Vorjahr auf 16120 allo um 324 Köpfe, die der Chamorros vnn 1851 auf 1903, also um 52 und die der Tazalen don 18 auf 26, also um 8 Köpfe, gestiegen. Während im verflossenen Berichtsjahre die Zen= tral⸗Karolinen bis nach Ululssi bon einem Taifun heimgesucht wurden, verfielen die Marianen⸗Inseln Pagan, Almagan, Agrigan und Ana⸗
tahan demselben Naturereignis, soweit bekannt, ohne Menschenverlust.
Infolge dieser verheerenden Stürme ist die Produktion an Kovra außerordentlich zurückgegangen. Auch der Handel hat gegenüher dem Vorjahre einen nicht unwesentlichen Rückgang erfahren. Die Ginfubr ist von 697 291 6 auf 489 697 M, also um 207 594 16, die Aus- fuhr von 346 427 4 auf 255 200 „, also um 91 227 , der Ge⸗ samtbandel von 1043718 M auf 744 897 , also um 293 XI 1 gesunken. Die Ursache dieses Rückganges liegt ebenso wie bei den Dstkarolinen zum größten Teil in den Folgen derheerender Taifune. die am 24. September 1907 und im Vorjahre Teile des Jaselgebiets heimges acht hatten. Dadurch, wie auch durch die bereits seit einigen Jahren verheerend wirkende Schildlaus plage, ist ein erheblichen Rück= gang in der Kopcaernte eingetreten, durch den wiederum die Nauftraft der Bevölkerung nicht unwesentlich beeinträchtigt ist, was namentlich einen Rückgang der Ginfuhr an Bedarfg⸗ und Verzehrungggegenständen zur Folge baben mußte. Auf den Marschallinseln ind die polltischen Verhältnifse im allgemeinen underdndert, zeblie ben. Ansässig waren dort am 1. Januar 1908: 152 Weiße ( 80 1053). 191 nicht eingeborene Sädfeeinsulaner (18907 82). 106 Milch linge 1907: 103) und 627 Chinesen (1807: 326. Unter den z
1 sich 88 Deutsche gegen 76 im Wbre 1907.
auf 1 4980 458 Æ im jahre, also um 236 721 66. die Ausfuhr von 570 588 auf 11 allo um 540 829 ½ gestiegen; der Gesam baudel betrug *
ist von 1258738 M im Jahre 1906
gegen 1829 27 Æ im Jahre 1906, also mebr 773
Erhöhung beruht auf der vermehrten Gin uhr der Nhogpbnmn, sell schast und dem nunmehr erfolgten Beginn der Phosphat nere ffungen. Die eigenen Einnahmen der drei Insel gruppen beleufen für das Rechnungezjahr 1807 auf etwa 170 0900 , die Ausgaben auf etwa 1185 000 SJ. Danach würden die Einnahmen den Warän schlag um rund 30 000 M Uübersteigen und die Uuggahen um wind 60 000 S. hinter dem Voranschlag zarückbleibern sodaß eine Ex] parnisz von go 000 M zu erwarten fleht.
Vandel und Gewerda.
(Auz den im RKeichsamt des Innern zu fan ien gestellten . Nach rdchten für Handel un d Inda trie .) Frankreich.
Entwur eines neuen Zolltar n. Vie Zollkonim ission der Deputie rtenkammer hat die ihr über wage nen Vorarbeiten für die Umgestaltung des Zolltariftz erledigt und den Gar vurs für einen neuen Zolltarsf vorgelegt, der alg KRammerdrucksache Nr. 1899 (Chamhrs Jes Döputés, Session de WS, Nr. 18998) von der Librairie des Scisp oes politiques ot sociales, Marcel Riisre, in Paris — Vl, Rue Jocob 31, bejogen wenden kann.
enbandel Großbritannieng in den ersten elf
een ] Monaten 1863. . Der Gesamtwert der Gin fuhr Großbritannieng in der Zelt vom J. Januar big 30 Nobember deg Jahres 1808 bes fferte sich auf 556 J71 119 Pfd. Ster genen 888 910 de Pfd. Sterl, n dem seichen Zeitraume deg V0ocsahreg, dersenlge der Ausfuhr auf 96 Ils oz Pfd. Sterl gegen zo 462 860 Pid. Sterl, in den ent ⸗
Ginste ung dieser regelmäßigen Fahrten erfolern, würde.
sprechenden Mondten deg Jahreg 1907.