Meine Herren, das Gesezz hat sich in seiner äußeren Form zur Aufgabe gestellt, unsere Versicherungsgesetze einheitlich ju kodifizieren. Der Herr Abg. Mugdan hat das gestern bedauert, und ich will offen zugeben: ich selbst habe längere Zeit darüber geschwankt, ob es richtig wäre, diese Kodifikation vorjunehmen. Denn an sich bleiben diese dre großen Versicherunge jwelge: die Krankenversicherung, die Unfall versicherung und Invaliditäͤtsberst herung als gesonderte Organe bestehen, sie werden nicht zusammengeschmoljen. Der Plan einer Verschmeliung ist, wie Ihnen bekannt, seit langem aufgegeben. Aber ich bin schließ· lich doch ju dem Gedanken der Kodifikation gekommen, weil wir in der Organisation eine gewisse Einheitlichkeit unter den drei Ver⸗ sicherungs zweigen herstellen wollen, und well wir außerdem in dem jetzt sehr gekünstelten und undurchsichtigen und ungleichmäßigen instanztellen Verfahren, daz sich bald an die ordentlichen Gerichte, bald an die Verwaltungebehörden, bald, ich weiß nicht an wen, wendet, eine etwas größere Einheitlichkelt zu schaffen versuchen. Diese beiden Ge⸗ sichtspunkte ließen eine elnheitliche Kodlfikation als erwünscht er⸗ scheinen. .
Das Ganze ist ein recht dickes Buch geworden, eg sind über 1700 Paragraphen. (Hört, hört! und Heiterkeit Aber die große Zahl sollte die Herren auch nicht ju sehr erschrecken. In unseren be⸗ stehenden Versicherungsgesetzen haben wir, wie Ihnen allen bekannt ist, besonders im Krankenversicherungsgesetz, jum teil außerordentlich lange Paragraphen mit außerordentlich langen Sätzen. Wir haben uns Mühe gegeben bei der Neukodlfikation die Sätze und Paragraphen zu kürzen (sehr gut), und ich glaube dadurch der Nebersichtlichkeit einen gewissen Dienst geleistet zu haben. Natürlich, meine Herren, die Praktiker, die Spenialisten, die gegenwärtig, sei es im Kranken⸗ kassengesetz, sei es im Unfallgesetz, ganz genau Bescheid wissen, werden zuerst recht empört sein, denn sie finden eine ganz neue Anordnung des Stoffes. Aber ich bin überzeugt, wenn sie den, wie ich hoffe, klaren Gedanken der Anordnung erst erkannt haben, dann werden sie den Widerspruch dagegen mit der Zeit wohl aufgeben. Jedenfalls war der Weg, den der Herr Abg. Mugdan gestern vorschlug, nicht gangbar, der wollte, daß wir zuerst das Krankenversicherungsgesetz reformieren sollten, dann ans Unfallgesetz gingen, dann an die Invalidenversicherung gingen und dabei die Hinterbliebenenversicherung regelten. Die geschäftlichen Zeitabschnitte, in denen die Hinter bliebenenversicherung geregelt werden muß, verboten das von vornherein.
Meine Herren, wohl die wichtigste und größte Veränderung werden Sie seinerzeit in dem Abschnitt über die Krankenversicherung finden. Um hier das eine kurz einzuschalten, wovon gestern und heute hier wiederholt gesprochen worden ist, so wird das Verhältnis der elngeschriebenen Hilfskassen ju den Krankenkassen selbstverständlich in der Reichsveisicherungsordnung zu regeln sein. Das schließt aber nicht auß, daß die Nobelle zum Hilfekassengesetz, die dem Reichstag ja vorliegt, durchberaten wird; das ist notwendig. Meine Herren, bei der Krankenversicherung wird es sich zunächst handeln um eine Ausdehnung der Versicherunggpflicht uf Gesinde, auf land⸗ und forstwirtschaftliche Arbeiter, auf Hausgewerbetreibende, auf unständige Arbeiter. Dieses ganze Kapitel wird große Schwierig- keiten in sich bergen. Die Versicherung der land⸗ und forstwirtschaft⸗ lichen Arbeiter läßt sich nicht ohne weiteres nach einem gleichbleibenden Schema machen. Wir haben hier zu verschiedene Verhältnisse. (Sehr richtig) Die Herren wollen bedenken, daß in den wenig be⸗ völkerten Landstrichen mit weit auzeinander wohnender Bevölkerung die Durchführung der Krankenversicherung praktische Schwierigkeiten in großer Menge hat, zumal da in diesen wenig bevölkerten Gegenden deg Ostens sehr weit außzeinanderliegenke Dörfer mit wenig Nerzten und wenig Apotheken und jum Teil auch noch sehr wenig Krankenhäusern vorhanden sind. Es müssen große Ent⸗ fernungen überwunden werden, um ju den Aerijten ju gelangen. Das verteuert die Kosten. Kurz, meine Herren, es scheint mir in der Be⸗ ziehung eine Berücksichtigung auch spezieller und inditzidueller Ver haͤltnisse unbedingt notwendig ju sein. Auch die Frage der Kranken⸗ versicherung der Hausgewerbetreibenden und der unständigen Arbeiter ist eine sehr schwere Aufgabe, aber wir werden sie zu lösen versuchen.
Die Versicherungsordnung will weiter das Kranlenkassenwesen in den Ortskrankenkassen im Interesse der Leistungsfähigkeit der Kranken⸗ kassen jentrallsteren. Es sollen die größeren Betriebskrankenkassen und Innungekassen aufrechterhalten werden, die Knappschaftskassen werden von der Neuregelung im wesentlichen überhaupt nicht berührt. Die Beiträge und das Stimmrecht in den Krankenkassen werden halbiert werden, der Vorsitzende wird gewählt werden, für das Wahlverfahren wird das Proportionalverfahren vorgeschrieben. Eine wichtige Aufgabe wird sein, daß jetzt jedenfalls nicht ausreichend geregelte Verhältnis jwischen Krankenkassen, Aerjten und Apotheken besser zu regeln. Der Grundgedanke dabei wird der sein, daß wir Schiedgbehörden schaffen, welche die Zwistigkeiten jwischen Aerzten und Kassen und Apothekern und Kassen möglichst zu begleichen ver—⸗ suchen sollen, hoffentlich mit Erfolg. Ein bestimmtes Aerztesystem wird nicht vorgeschrieben, sowohl die beschränkte wie unbeschränkte frele Arjtwahl alg auch das Kassenarntsystem haben sich je nach den einzelnen Verhältnissen gut bewährt, aber eines schickt sich nicht für alle, und bei jedem System ist Vorausbedingung für ein gute Funktionieren, daß Kassen und Aerzte Hand in Hand arbeiten. (Sehr richtig) Das wird um so mehr erforderlich sein, wenn wir den Kreis der versicherungspfllchtigen Personen ausdehnen. An dlesem Hand⸗ inhandarbeiten fehlt es leider gegenwärtig; ich brauche bloy den Namen GCöln“ aussprechen.
Meine Herren, ich will dabei nicht auf die speziell Cölner Ver⸗ hältnisse, die mir in ihren Details gar nicht einmal so genau bekannt sind, elngehen, aber wir stehen hier vor einer besonderg ernsten Erscheinung, wohin die Uebertreibung des Koalittonsprinzips, wohin die Uebermacht des Koalitiongwesens führen kann. Die Boykottlerung eines Kranken oder eines Sterbenden — und darauf kann die Sache hinauskommen — ist ein Rückfall in unsoziale Zu— stände, wie er nicht schlimmer gedacht werden kann (sehr richtig, und ich glaube dag autzsprechen ju können: ein großer Teil der deutschen Aerjte ist damit in keiner Weise einverstanden, aber sie werden von den elsernen Klammern des Koalitionszwangetz unter dem Druck eines ehrengerichtichen Verfahrens jusammengehalten. (Sehr richtig h Meine Herren, dag sind Augwüchse, die eben so wie andere Auswüchse deg Koalltiongzweseng, von denen wir in den letzten Tagen gesprochen haben, beseltigt werden müssen Ich glaube, darüber wird Ein— stimmigkelt bel uns bestehen. Aber lassen Sie mich dabei in Hinblick auf die Worte, die gestern und heute gefallen sind, eine kurje Ab⸗ schwelfung machen. Man hat wiederholt die Befreiung des Koalitions«
rechtes als den Angelpunkt der gegenwärtigen und der zukünftigen Sosnalpolitik hingestellt. Dieser Satz ist aufgestellt worden zu einer Zeit, als dañ Koalitiontzwesen sich erst zu entwickeln begann, und da mag er seine volle Berechtigung gehabt haben, aber man hat den Satz belbehalten ungeachtet dessen, daß sich das Koalitionswesen zur üppigsten Blüte bei ung entfaltet hat, und der Satz ist ju einem toten und starren Dogma geworden, auf das man schwören muß, wenn man noch zur Gemeinde der rechtgläubigen Sonalpolitiker gehören will. (Sehr gut! Heiterkeit Wie liegen denn aber die Dinge in Wirk lichkeit? Unser ganzes Leben wird von dem Prinzip des Koalitions- gedankens beherrscht, wo Sle hinseben, finden Sie Interessenverbände nach Stand, Rang, nach wirtschaftlicher, nach geistiger Interessen⸗ gemeinschaft, man könnte sagen, das sei eine moderne Form des alten menschlichen Herdentriebs. Kein Mensch wird die Notwendig⸗ keit, die Ersolge und die Errungenschaften des Koalitionswesens be⸗ strelten, ich bin der letzte, der es täte, ich habe schon neulich eine ent- sprechende Aeußerung auch bezüglich gerade der Gewerkschaften ge⸗ macht. Aber ist es nicht gegenwärtig gerade die Kehrseite der Medallle, welche die Aufmerksamkeit aller Menschen auf sich zieht? Erkennt man nicht, daß ein starkes Koalltionswesen große Gefahren in sich birgt? (Leider! rechte.) Ich spreche nicht davon, daß in dieser großen und vielfach trüben Flut der geistige Individualigmus unterzugehen droht, ich halte mich nur an die konkreten Verhältnisse. Worüber klagt man? Ich nenne Ihnen nur Stichworte: Herrenstandpunkt, schwarje Listen, Boykott, der Herr Abg. Schack hat soeben hinzu gefügt die wirtschaftliche Absonderung der Beamten, und in dasselbe Kapitel gehört die Politik der Syndikate und Trusts. Der Herr Abg. Trimborn wird vielleicht daraus ersehen, daß ich an der Er⸗ scheinung gar nicht so achtlos vorübergehe, wie er zu glauben scheint. (Zuruf aus der Mitte: Bund der Landwirte. — Oh! recht.) Sind denn daz nicht alles Gewächse, die auf dem Boden eines starken und straffen Koalitionswesens wachsen können? Und nun fordert man doch von allen Seiten, und gewiß mit Recht, daß man gegen diese Erscheinungen einschreiten soll, und in demselben Atem sagt man, vor allen Dingen handelt es sich darum, das Koalitionswesen von seinen Fesseln zu befreien. Das kann doch nur einen Sinn haben— wenn man, wie daz allerdings in der Regel geschleht, unter der Frei⸗ heit des Koalitiongwesens die Schrankenlosigkeit der einen und die Ohn⸗ macht der anderen Koalition versteht. Es kommt nicht darauf an, daß wir die Koalitionen in ihrem gegenseitigen Kampfe gegen einander stärken, sondern es kommt darauf an, daß sich die Koalitionen, die an sich be⸗ rechtigt und notwendig sind, anpassen, sich gegenseitig zu verstehen, gegenseitig auch einmal miteinander zu arbelten lernen. Es kann nicht alle Tage Krieg sein. Ich habe den Gedanken ja bei wiederholten Gelegenheiten, beim Arbeitekammergesetz, bel den schwarzen Listen, hier von den verschiedensten Seiten beleuchtet; er ist nach meiner Ueberzeugung eine Signatur derjenigen Sozialpolitik, die wir allgemein jetzt zu befolgen haben. Und obwohl ich das getan habe oder weil ich dag getan habe, habe ich mich doch sehr gewundert, daß ich einem Mißverständnis begegnet bin, wie es uns gestern der Herr Abg. Hoch hier vorgeführt hat. Weil ich neulich gesagt habe: will man einer Koalition verbieten, sich gegen die Angriffe einer andern Koalition, die ihr ans Leben will, zu wehren, dann müßte man eigentlich der andern Koalition das Angrelfen verbieten — wittert der Herr Abg. Hoch Ausnahmebestimmungen gegen die Sozialdemokratie. (Große Heiterkeit. Zuruf von den Sozialdemokraten Diese Geschichte soll anscheinend zu einem Paradestück bei Ihnen werden. (Lebhafte Zu⸗ stimmung.) Genau das, was der Herr Abg. Hoch gestern gesagt hat, hatte ich schon 8 Tage vorher im ‚Vorwärts“ gelesen. (Große Heiterkeit.) Und heute widmet der ‚Vorwaäͤrts“ dem betreffenden Passus der Rede des Herrn Abg. Hoch eine ganze fette und sensationelle Ueberschrift. (Hört! hört! und Heiterkeit) Meine Herren, für Ihre Presse mögen ja solche Märchen (Zurufe von den Sozialdemokraten: Reichskanzler im Abgeordnetenhaus h, solche Märchen, an denen kein Wort wahr ist, sehr hübsch sein, aber hier in ernsthafter Digkussion im Reichstage sollten Sie das lassen. (Lebhaftes Bravo. Zurufe von den Sozial- demokraten.)
Meine Herren, ich kehre ju meinem Gegenstande zurück.
Bei der Unfallversicherung handelt es sich im wesent⸗ lichen um eine außerordentlich schwierige Frage, die ja in diesem Sommer die Oeffentlichkeit sehr wesentlich be⸗ schäftigt hat, die Frage der Rentenfestsetzung. Ich habe bei verschiedenen Gelegenheiten, auch auf dem Verbandtztage der Beruft⸗ genossenschaften, die segengreiche Tätigkeit der Berufsgenossenschaften und der Versicherungtzanstalten ausdrücklich anerkannt. Ich tue das auch heute noch, obwohl der Herr Abg. Hoch ja auch in dieser Be⸗ ziehung gestern einen scharfen Angriff gegen mich gerichtet hat. Aber er mag auch in der Beziehung ruhig seln! Ich habe allerdings — und es tut mir leid, daß ich es nicht getan habe — die Ausführungen der Arbeitersekretäre über Beschwerden gegen die Berufsgenossen⸗ schaften nicht gelesen; aber wenn sich der Herr Abg. Hoch bet seinen Parteigenossen Fräßdorf, Simanowtky und bei einer Reihe anderer Herren erkundigen will, so wird er hören, daß mir die Beschwerden über dag Berufsgenossenschaftzwesen in sehr ausführlicher Weise gerade von seinen Gesinnungsgenossen vorgetragen worden sind. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten. Große Heiterkeit) Aber darum, well Beschwerden vorkommen, nun mit einem Mal die ganze Institution als eine unmögliche, das ganze Wirken der Berufsgenossenschaften als ein unseliges zu bezeichnen, das ist doch eine ganz ungeheuerliche Verallgemeinerung (lebhafte Zustimmung), deren sich die Herren doch nicht schuldig machen sollten.
Es wird sich also bei der Unfallversicherung im wesentlichen um die schwierige Frage handeln, wie man in Anerkenntnis der guten Tätigkeit der Berufggenossenschaften und der Versicherungsanstalten eine Form für die Rentenfestsetzung findet, welche den auf der andern Seite begründeten Wünschen der Arbeiter, die zwar keine Beiträge für die Unfallversicherung lelsten, die aber ihre Knochen zu Markte tragen, in die Dinge hineinzusehen, gerecht werden kann. Ich will Ihnen hier heute bei dieser Gelegenheit das Verfahren, zu dem wir nach relflichen Verhandlungen und Erwägungen mit beiden Teilen gekommen sind, im einzelnen nicht autzeinandersetzen; ich hoffe aber, daß wir eine Form gefunden haben, welche den beiderseitigen An—⸗ sprüchen gerecht zu werden geeignet ist.
Melne Herren, bei der Invalidenversicherung kam in Frage, ob man den bestehenden Lohnklassen einige neue hinzufügen soll, um dem Mittelstande die Wohltaten dieses Versicherungejweiges in höherem Maße als bisher angedeihen zu lassen. Gegen die Aufsetzung neuer Lohn⸗
im Interesse der finanzlellen Stabilität der Versicherungsanstalten. Diese Bedenken sind Ihnen in der letzten Denkschrift zur Frage der Privatbeamtenversicherung ausführlich dargelegt worden. Gleichwohl ist der Gedanke, der der Statuierung neuer Lohnklassen zugrunde
halte es für dringend erwünscht, daß die kleineren Existenzen, darf ich
hafte Rufe rechts: sehr richtig), der Wohltaten der Versicherung tell, haftig werden.
verficherungstechnischen und finanziellen Bedenken habe ich es bisher
klassen vorzuschlagen.
durchaut erstrebengwertes hingestellt habe.
dieser kurze Ueberblick zeigt Ihnen, ein wie großer Kreis von sozial,
führung der Hinterbliebenenversicherung, ein neues, ein großes Gebitt
die es mit sich führen wird. Wir werden daran zu arbeiten haben,
gejwungen bin; das heißt, eigentlich hätte es in meinem Wunscht gelegen, Ihnen die Versicherungsordnung später denn ein so großes Werk bedarf einer gründlichen Vorbereitung, Aber schuld daran ist — der Herr Abg. Trimborn! (Große Heiterkeit) Wir werden in eine schwierlge geschäftliche Lage kommen. Darüber
Klausel der lex Trimborn, daß wir auf Grund eines Statuts, wenn bis zum 1. Januar 1910 kein Gesetz zustande kommt (Zuruf rechtt 1. April), die Hinterbliebenenversicherung versuchsweise einführen wollen, werden wir nicht weiter kommen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) Wir werden das Gesetz, wenn es wor liegt, durcharbeiten und verabschieden müssen, und bis dahh werden wir Geduld haben müssen. (Sehr richtig! rechte) Der schöne Traum, daß die Gelder der lex Trimborn so relchlit und gleichmäßig fließen würden, daß man auf ihnen eine Hinten
gesprochen worden — keine Beiträge von seiten der Arbeitgeber um Arbeitnehmer erfordert, wird sich nie verwirklichen lassen. rechtz. — Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Wi werden dle Hinterbliebenenversicherung auf feste Beiträge des Reich zu stellen haben (hört! hört: bei den Sozialdemokraten) unter Zuschi von Beiträgen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. (Hört! hon bel den Sozialdemokraten und rechts.) Ich will Ihnen die Ginzth
Lacht kein Mensch) Meine Herren, ich müßte Ihnen dabei ein so groß Zahlenmaterial vorführen, wie das im gegenwärtigen Augenblick sich ber bieten würde. Aber ich möchte doch die eine Hoffnung aussprechen, wenn dlese Reichsversicherungsordnung demnächst veröffentlicht werdn und an den Reichttag gelangen wird, wenn der Bundegrat, wem die verbündeten Regierungen ju dem großen Werke ihre Beschlif gefaßt haben werden, wenn das Gesetz ju Ihnen gelangt, daß n dann nicht wie ein paar feindliche Koalitionen gegeneinander arbett (Heiterkeith, nicht mit Streiks und nicht mit Boykott, sondern h paritätischer Arbeit, dann wird eg ung gelingen, auch dieses W zustande zu bringen! liberalen.)
Abg. von Czarlinski (Pole): Ich sehe mich genötigt, nachde— mir bei der Verhandlung der Interpellation am 21. Januar M Wort abgeschnitten wurde, um des lieben Friedens willen mie einiges zu erwidern. Am 24. Januar Jöste in Charlottenburg i
olljei eine Vereinssitzung auf, in der Polnisch gesprochen wun e verlangte, daß Deutsch gesprochen würde, weil sie di Vereintzsitzung für eine öffentliche Versammlung hielt. Sel das „Berliner Tageblatt“ tadelte diese ungesetzliche Anwendn des Sprachenparagraphen auf geschlossene Versammlungen. Staatssekretär sprach mit Entrüstung von dem Haß der Polen gez die Deutschen. Man frage doch in Posen und Westpreußen! 9 in die 70er Jahre herrschte jwischen Deutschen und Polen di das beste Einvernehmen; alles lebte in Frieden und Eintrag Heute aber sieht sich der Pole in seiner Natlonalität bedroht. J wohin es mit der Verhetzung schon gediehen ist, beweist ein Br den ein junger Pole erhielt, der die Geburt eines Kindes Berliner Lokal. Anzeiger angezeigt hatte. Der Brief begann mit Worten: Verfluchter polnischer Hund! und ergeht sich dann in Ar drücken, die ich hier nicht vorlesen will, well stärkere Nerven z gehören, spricht schließlich von der russischen Knute, die den polnsshh Hunden gehöre, und schließt mit dem Satze: Kinder setzt Gesindel auch noch in die Welt und zeigt sie im „Lek Anzeiger an ?! Der Abg. von Liebert hat den Polen vorgehalln daß sie die ganze Zyllisation den Deutschen und speh Preußen zu verdanken hätten. Der Abg. von Liebert könnte n lernen aus der Geschichte, daß die Polen die Zivilisation ; anders verstanden haben; das bewesst die Entsetzung Wh Der Boykott ist eine gewiß fe Erscheinung; aber die Peh haben ihn erst von den preußischen Behörden gelernt. Zu Domänenverpachtungen ließ man keinen Polen zu, und den Gif hat das Anstedlungsgesetz von 1886, die Proklamlerung des Stan boykott‚s in schärfster Form, erklommen. Sämtliche Beam stellen in den polnischen Landesteilen sind lediglich mit Deutst besetzt; ist es da ein Wunder, daß sich die Polen en zufammenschließen? Wie steht es denn mit den Versammlung in denen über die Eröffnung neuer Steuerquellen gesprochen wer soll? Ist da der Gebrauch des Polnsschen gestattet? Immer n unterschlebt man ung bie Lotzrelßungeidee. Das ist ung die Polen werden stets dem Kaifer' geben, wa deg Kah ist; aber sie werden auch stets den polnischen Schatz wahren für ihn in den erlaubten durch die Verfassung gegebenen Gten agitieren. Man motiviert also die Verfolgung der Polen imme denselben Unterstellungen, die einem bösen Gewissen ent print Der Reichskanzler meinte, man wolle nur verhindern, da Deutschen von den Polen aufgesogen oder verdrängt werden. polnische Großgrundbesitz hat in den polnischen Landesteilen i
Ig59 nur noch 7I7 Goh, der deutsche schon göh G05 Hektar, denn
klassen bestehen gewisse versicherungeztechnische Bedenken und Bedenken
samte Grundbesitz 1 bejw. 3 Mill. Hektar. So wunderbar hat
liegt, unter allen Umständen ein gesunder, ein Gedanke, der auf dem einen oder anderen Wege zum Ziele geführt werden muß; denn ich
einmal sagen, die nicht dem Arbeiterstande angehören, die aber wirt, schaftlich zum Tell sehr viel schlechter als der Arbeiter stehen (leb,
Meine Herren, bel den allerdings nicht von der Hand zu weisenden
nicht gewagt, in der Versicherungsordnung diese Aussetzung von Lohn. Wir werden uns bei Beratung des Gesetzent, wurf eingehend über diese wie über viele Fragen zu unterhalten haben, um eben ju dem Ziele ju gelangen, das ich immer als ein
Meine Herren, aus dieser kurzen Uebersicht — ich habe nur einzelnes herausgegriffen, ich will mich auch jetzt, da es sehr viel Zet in Anspruch nehmen würde, nicht mehr eingehend mit der Organ., sationsfrage, mit der Einrichtung des paritätisch zu bildenden Ver. sicherungsamtetz, des Oberversicherungsamteg, mit der Frage der Ent. lastung des Reichgversicherungsamtes beschäftigen —ů meine Herren,
politisch hochbedeutsamen Aufgaben die Versicherunggordnung umfaßt,. Und nun kommt bei der Invalidenversicherung noch hinzu die Ein,
nach allen Richtungen, nach selnen Wohltaten und nach der Belastun;,
Es hätte in meinem Wunsche gelegen, daß ich Ihnen die Ver sicherungsordnung früher hätte vorlegen können, alg ich es jetzt zu tun
vorzulegen
glaube ich, wird sich der Reichstag im ganzen klar sein: mit di
bliebenenversicherung aufbauen könne. welche — das ist einmal au
( Heiterlei
heiten heute hier nicht vorführen. (Unruhe bei den Sozialdemokraten Ich weiß nicht, was da zu lachen ist! (Zuruf von den So ialdemokraten
(Lebhafter Beifall rechts und bei den Nation
das Auslaufen der Deutschen durch die Polen vollzogen! Der Posener Prohinsiallandtag weist heute nur noch 5 polnische neben 17 deutschen Großgrundbesitzern auf. Im Westpreußischen gibt es überhaupt keinen polnischen Großgrundbesitzer mehr. Unglaublich, daß der deutsche Reicht⸗ kanzler so unhaltbare Behauptungen aussprechen kann. Dabei sind wir doch in den polnischen Landesteilen die Autochthonen. Solche Behauptungen sind eben nur eine Ausgeburt des wider— lichsten Chauvinismus. sPräsident Graf zu Stolberg: Sle dürfen kein preußisches Gesetz als eine Ausgeburt des widerlichsten Chauvinismuß bejeichnen) Ich habe von keinem Gesetz gesprochen. (Präsident: Sie sprechen von einem Paragraphen. Bas war längst vorüber. spräsident: Ich bitte zu beachten, was ich sage; ich bitte, überhaupt keine Rede zu halten, die in den preußischen Landtag gehört, sondern eine zum Reichs— amt des Innern. Der Staatesekretär glaubt zur Begründung der Rechtmäßigkeit des Sprachenparagraphen sich auf das Ämtssprachen⸗ esetz von 1876 berufen zu können. Das halte ich für ganz ver— 66. Wir verlangen, was jeder vernünftige Mensch verlangen und gewähren muß, daß die Polen zu Polen polnisch sprechen dürfen, selbst in öffentlichen Versammlungen, und dabei können wir uns auf den höchsten Gerichtshof in Preußen berufen. Diese Haltung des Gerichts hat ja eist im Westen die Anregung zu dem Sprachen 6 gegeben, den die Regierung auch gehorsam eingebracht at. gierung? Ja, die Regierung befinder sich hier im Kriegszustande, heißt eg. Das ist doch das vollständigste Armutszeugnis, das sich ein Staat austzstellen kann, der die größte und ausgezeichneiste Armee besitzt und hundert Jahre im Besitz der polnischen Landeg⸗ teile ast, und der sich durch eine Minorität von vier Millionen olen als in seinem Bestande, in seiner Existenz gefährdet hält. ir Polen hätten mit einem Antrag in dieser Benehung doch keine Aussicht auf Erfolg; ich überlasse dies den Blockpartelen. Dixi? Abg. Gothein (fr. Vgg.): Sollte der Staatssekretär eine En⸗ quete über den Mittelstand veranstalten, so bekommen wir vielleicht dabei auch eine Erklärung darüber, was eigentlich unter Mittelstand zu verstehen ist; bisher kat es an Klarheit darüber gefehlt. Was die Resolution des Zentrum, betreffend Aenderung des Preßgesetzes, betrifft, so verkennen wir nicht die Mißstände, die mit der Ver⸗ . Augtgabe von Zeitungen mit einer Versicherung verknüpft sind. Wir halten aber das Aufsichtgamt für das Privatversicherunge— wesen für ausreichend, um solche Mißstände zu beseitigen. Eventuell wollen wir für den Antrag Bassermann, der Erhebungen auf riesem Gebiete verlangt, stimmen. Wir befürchten auch eine Maß regelung politisch mißliebiger Zeitungen; die Klinke der Gesetzgebung brauchen wir nicht zu ergreifen. Was die Großeisenindustrie anlangt, so glauben wir mit dem Staatssekretär, daß die Verhaͤltnisse in dieser Industrie noch nicht so weit geklärt sind, daß man mit speziellen gesetzlichen Vorschriften vorgehen könnte. Wir glauben aber, daß Erhebungen auf diesem Gebiete erforderlich sind, und haben zu diesem Zweck einen Antrag eingebracht. Auf Grund dieser Erhebungen könnte zu gesetzlichen Maßnahmen über⸗ gegangen werden. Augenblicklich halten wir es jedenfalls nicht für zeit- gen f dem Antrag der Sozialdemokraten und des Zentrumz zujustimmen. In bezug auf die Regelung des Bergwesens hatte ich im vorigen Jahre mein Erschrecken darüber ausgesprochen, in welcher Weise sich die Unfall, und Sterbezlffer im Bergbau erhöht hat. Der Staatssekretär sagte uns damals Erhebungen zu; über ihre bisherigen Ergebnisse hat er uns aber etwas Postttves bisher nicht mitgeteilt. Ich möchte nur wünschen, daß man mit diesen Erhebungen schnell und . ar t Mit dlesen Erhebungen können wir ja diese beispiellosen Mißstände nicht aus der Welt schaffen. Unser Bergbau zeigt mit Ausnahme des der Vereinigten Staaten von Amerika ein Bild, das viel ungünstiger ist, als das in anderen Staaten. Be— sonders groß ist die Sterblichkeit der Bergleute im Ruhrrevier, 1907 stieg allerdings wieder das Invaliditätsalter, zum ersten Male seit dem Bestande des preußischen Berggesetzes. Immerhin sind die In⸗ validitätsperhältnisse so schlimm, daß ein gesetzliches Eingreifen not- wendig ist. Die Verlängerung der Schichtdauer hat außerordentlich nachteilig auf die Gesundheit der Bergleute eingewirkt. Deghalb ist zu erwägen, ob nicht so rasch als möglich müt einer gesetzlichen Verkürzung der Arbeitszeit in den Gruben vorgegangen werden muß. An und für sich sind wir für solche gesetzlichen Beschränkungen nicht; wir sind in erster Linie für freie Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über die Dauer der Schicht⸗ zeit. Die Arbeitgeber haben aber noch nicht das nötige soziale Ver— ständnis für die Arbeitnehmer, und so bleibt nichts übrig, als gesetzlich für Leben und Gesundheit der Bergarbeiter einzutreten. Meine politischen Freunde . mit einer ganzen Reihe von Punkten der sozial demokratischen Resolution 6 Trotzdem halten wir es für angebracht, eine besondere Resolution einzubringen. Wir lehnen die achtstündige Schichtzeit an sich nicht ab. Die Er⸗ fahrungen, die man mit der Verkürzung der Schichtzeit bis jetzt gemacht hat, sind nicht ungünstig gewesen für die Arbeiter. Die übermäßige ö der Arbeitszeit ruft einen Rückgang der Arbeitsleistung in allen Industrien hervor, am meisten aber in den Bergwerken bei ihren hohen Temperaturen. In DOesterreich hat die Verkürzung der Schichtzeit geradeju eine Steigerung der Arbeltsleistung zur Folge gehabt. Wenn die Berg⸗ werksbesitzer sich gegen die Verkürzung der Schichtzeit gesträubt haben, so geschah dies wohl in der Hauptsache deshalb, weil sie befürchteten, in einer kürzeren Zeit nicht genug fördern zu können, weil ihre Fördereinrichtungen nicht ausreichten. Das Unter nehmerlnteresse muß aber vor dem allgemeinen sanitären Interesse zurückweichen, und es müssen die Einrichtungen entsprechend geändert werden, wenn dies auch sehr kostspielig sein wird. Wo dies ge—⸗ schehen ist, ist man mit dem e e. 8 der Verkürzung der Schichten durchaus zufrieden. In der jetzigen Zeit der herabgehenden Kon⸗ junktur wird ,. die Durchführung der Maßregel am ehesten möglich sein. Wir wünschen die Regelung der Bergarbeiterverhält⸗ nisse in der Gewerbeordnung, weil ein Reichsberggesetz doch nicht so bald zu erwarten ist. In der Gewerbeordnung läßt sich aber schnell ein Fortschritt für die Bergarbeiter erzielen. as gesamte Arbeiter⸗ recht sollte in der Gewerbeordnung kodifijziert werden. Mit dem System der Ueberschichten sollte im sanitären Interesse aufgeräumt werden; sie schwächen nur die Arbeitskräfte. Für die Arbeiterausschüsse fordern wir geheime und direkte Wahl. Für größere Bezirke sollen auf demselben Wege Vertrauensmänner der Bergbeamten den Unter⸗ nehmern gegenüber die Interessen der Bergbeamten zur Geltung bringen. Die Vorkommnisse im Ruhrrevier und in Oberschlesien re gen allein schon einen solchen Schutz der Beamten. Mit der im Abgeordnetenhause angekündigten Novelle zum Berggesetz ist etwas , en. nicht zu erreichen. Eine bier gn Sicherheitskontrolle erwarten wir davon nicht, daß ein Vertrauensmann monatlich einmal die Grube befährt. Ein Arbeiter, der nicht der volle Vertrauensmann seiner Mitarbeiter ist, bietet keine Gewähr für eine durchgreifende Kontrolle. Wenn der Bergrevierbeamte sich auf der Grube anmeldet, wie dies nahezu üblich geworden zu sein scheint, so ist allerdings die Aufsicht ungenügend. Hier liegt nicht das Verschulden beim Revier—⸗ beamten, sondern beim Betriebsführer und Steiger; aber die Stellung der Beamten ist gegenüber den Direktoren so exponiert, daß sie diesen, um sich ihre Stellung zu erhalten, keinen Wider stand entgegensetzen. Die Revierbeamten können auch gar nicht in einem größeren Revier durch ihre Aussichtstätigkeit eine wirk- liche Sicherheit gewährleisten, da sie mit anderen Geschäften, der Untersuchung von UÜnglückgsaällen, mit ihrer Sachberständigen⸗ tätigkeit, mit statistischen Arbeiten und allem, was dazu gehört, außerordentlich belastet sind. Außerdem wird ein sozialer Gegen⸗ satz geh gehe fen der es verhlndert, daß die Beamten das Vertrauen der ergarbelter gewinnen. Ich kann aus meiner eigenen Tätigkeit im Saarbrücker Revler mitteilen, daß schon der jüngste Bergreferendar ch turmhoch über den höchsten Subalternbeamten und ar erst über den Bergarbeiter dünkt. Daß das Reich durch eigene Beamte die Beaufsichtigung der Gruben übernehme, wäre wenigsteng so lange not⸗ wendig, als die Einzelstaaten zugleich Unternehmersisind. MN Es smuß
Da muß man doch fragen: Wo sitzt eigentlich die preußische Re⸗
der Kritiker der Kasse gegenüber von Jahr zu
eine Teilung jwischen Unternehmer und Aufsichtsbehörde eintreten, und jwar schon bei den unteren Instanzen. Ist es nicht ein un— gesunder Zustand, daß jahrein, jahraus und in jedem Jahre mehrfach solche Forderungen in langwierigen Debatten im Reichstag erhoben werden müssen? Der Widerstand der verbündeten Regierungen gegen ein Reichsberggesetz muß und wird gebrochen werden. Der Reichstag wird auf diese Forderung nicht verzichten, sie wird erhoben werden, so lange ein Reichztag überhaupt besteht.
Hierauf wird Vertagung beschlossen. Nachdem der Präsident die Tagesordnung für morgen
verkündet hat, erteilt er noch zu einer persönlichen Bemerkung
das Wort dem
Abg. Hoch (Soji.). Dieser wendet sich gegen die Ausfüh⸗ rungen des Stgatssekretärg, der ihn mehrfach mißverstanden habe, und erwähnt, daß er gestern den Staatzssekretär bezüglich der Bemerkung über Ausnahmemgßregeln gegen die Sozialdemokratie erft im Anschluß an seine Ausführungen gegen die jüngste Rede des Kanzlers im preußischen Abgeordnetenhanse zitiert hätte. Er habe bis zu der heutigen Rede des Staatssekretärs ja nicht wissen können, daß die betreffende Aeußerung des Reichskanzlers nicht ernst zu nehmen gewesen sei.
Präsident Graf zu Stolberg ruft den Redner wegen der letzten Bemerkung zur Ordnung und fügt hinzu:
Et war das um so unangebrachter, als ich Ihnen nur aus Höf⸗— lichkeit noch das Wort gegeben habe. (Widerspruch bei den Soial⸗ demokraten.) Jawohl, meine Herren!
Schluß gegen 6is Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 1 Uhr. (Etat des Reichsamts des Innern.)
Prenuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 23. Sitzung vom 5. Februar 1909, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Es findet zunächst die erste Beratung des Entwurfs eines Abänderungsgesetzes zu dem Gesetze, be— treffend die Errichtung einer Zentralanstalt zur Förderung des genossenschaftlichen Personal⸗ kredits, vom 31. Juli 1895 (Erhöhung des Grund⸗ kapitals der re hh, Zentralgenossenschafts⸗ kasse von 50 auf 75 Mill. Mark) statt.
Abg. Dr. Friedberg (ul.): Wenn auch das jetzige Kapital der Zentralgenossenschaftskasse für normale Zeiten als auzreichend erscheint, so wird man doch zugeben müssen, daß in Zeiten der Geldknappheit die Kasse größere Mittel haben muß. Es würde mich gefreut haben, wenn nähere Mitteilungen darüber gegeben wären, wie durch die Kapitals⸗ erhöhung die Handwerkergenossenschaften gefördert werden können. In der Kommission wird aber die Möglichkeit sein, dies zu erörtern. Eine Erhöhung des Kapitals wird ferner durch die Entschuldungs—⸗ frage notwendig gemacht. Den Vorteilen, die aus einer Beteiligung der Genossenschaften an der Entschuldungsfrage erwachsen, stehen allerdings auch gewisse Nachteile gegenüber, denn nicht alle kleinen Genossenschaften haben leitende Persönlichkeiten, die die ge⸗ nügende Geschäftskenntnis besitzen. Mit Recht wird auf diesem Gebiete eine Individualisierung gefordert; es eignen sich nicht alle Genossenschaften für diesen Zweck, und es ist eine strenge Auswahl erforderlich. Die Zentralgenossenschaftskasse hat dafür zu sorgen, daß nicht ungzeignete Genossenschaften mit dieser Aufgabe betraut werden. In der Begründung der Vorlage ist eine Reihe von Gesichtspunkten aufgestellt, welche die Liguldität der Genossenschaften sicherstellen können, aber so schön solche Normativbestimmungen sind, so ist es doch zweifelhaft, ob die Genossenschaften immer in der Lage sein werden, danach ju verfahren. Die Zentralgenossenschaftskasse wird eine ziemlich scharfe Kontrolle über die Geschaͤftsführung der Genossen⸗ schaften ausüben müssen. Trotz mancher Bedenken im allgemeinen können wir uns also mit der Verstärkung des Kapitals der Zentral⸗ genossenschaftskasse einverstanden erklären und hoffen auch, daß unsere Bedenken in der Kommission jerstreut werden können. Ich freue mich auch, daß der Reservefonds der Kasse verstärkt werden soll. Ich möchte ferner dem Finanzminister zur Erwägung anheimgeben, ob die Ver⸗ stärlung des Kapitals der Zentralgenossenschaftskasse nicht besser durch Bareinlagen als durch Schuldverschreibungen erfolgen kann; dadurch würden die Verbandgkassen noch mehr an der Kasse interessiert werden. Es ist sehr erfreulich, de die Genossenschaften, die nicht mit großen Banken arbeiten können, sich zu Verbänden zusammenschließen, aber es ist nicht zu leugnen, daß eine rh Anzahl von Genossenschaften einen politischen oder konfessionellen Belgeschmack hat. Im Interesse eines festen Zusammenschlusses aller Genossenschaften müßte dieser Mangel beseitigt werden. Die Ueberweisung der Vorlage an die Budgetkommission dürfte jweckmäßig sein, und ich hoffe, daß wir dann alle einmütig dem Gesetz zustimmen können.
Abg. Dr. Crüger gi. Volkep.): Die Vorlage selbst hat uns nicht überrascht, wohl aber die Begründung. Infolge dieser Be— en, haben sich die Vorredner mit volkgwirtschaftlichen Fragen
eschäftigt, die eigentlich mit der . , n f. nicht im Zusammenhang stehen. Der Zusammenhang wird erst klarer hadurch, daß die Begründung von der Entschuldungsfrage spricht; soweit die Kritik abfällig gewesen ist, kann ich mich ihr . Ich habe den Ein⸗ druck, als ob wir es hier mit einer in sich wenig schlüssigen und den volkswirtschaftlichen Verhältnissen nicht mehr entsprechenden volks⸗ wirtschaftlichen Auseinandersetzung zu tun haben. Man hat dem von mir vertretenen Genossenschaftsverband einen Vorwurf aus seiner ah⸗ lehnenden Haltung der Zentralgenossenschaftskasse gegenüber erg Aus der genossenschaftlichen Literatur ist aber zu ersehen, daß die Zahl Jahr gewachsen ist. Wer glaubt, daß die landwirtschaftlichen Genossenschaften zur Zentral⸗ g , Haft e nur eine sympathische Stellung einnebmen, irrt edeutend. Man lese nur die Organe der Bauernvereine. Man kann von der r , n ,, auch een Es kommt alles anders. Die Kasse wurde mit 5 Millionen als Geldausgleichszentrale ins Leben gerufen. Heute sucht man das zu bestrelten, aber die Begründung der ersten Vorlage stellte den Geldausgleich in den Vorder⸗ ang Damit steht die Erhöhung des Grundkapitals auf 75 Millionen m Widerspruch. Wir haben uns die Kasse als Zingregulator gedacht. Man erwartete, daß das Kreditbedürfnis sehr billig gefördert werden könnte, aber in dieser Beziehung hat die penn f e gattz ft die beteiligten Kreise arg enttäuscht. Mit der Aufgabe der Kasse als Zintzregulator ist es also nicht weit gekommen. So ist in der Handwerkerkammer in Koblenz darguf hingewiesen, daß die leistungs. sähigen Schulze Delitzschschen Genossenschaften billigeren Kredit hätten geben können, daf aber die Verbandskasse hindernd im Wege estanden hätte. Gerade in dem kritischen Jahre 1907 hat diese neue keller ar lion versagt.
Der frühere Sckrelär des Vauptverbandes der gewerblichen Genossenschaften, der doch der be ng, sehr
sympathisch gegenübersteht, hat geg darauf hingewiesen, daß die andwerker durch die Zentralgenossenschaftgkasse nicht billigen Kredit ekommen hätten. Aust diesen und anderen Zeugnissen gebt hervor, daß die Entwicklung der Dinge bei der Zentralgenossenschaftekasse nicht so ewesen ist, wie man bei der Gründung erwartet hatte. Eine rößere ü ahl von Verbandskassen ist zwar noch nicht von der entralgenossenschaftskasse abgesprungen, bat es aber abgelebnt, aus-. schlleßlich mit dieser zu arbeiten, und befriedigt ihr Kredit⸗ bedürfnig auch an anderen Stellen. Man hat nicht = . in den landwirtschaftlichen und gewerblichen Erwerbskreisen mit der Zentralgenossenschaftskasse erreicht, im Gegenteil, im letzten Jabre haben andere . ige Kreditorganlsatlonen besser dad Bedürfnig befriedigen können. Aug dem Umsatz der Jentral genossenschaftskasse
sind Schlüsse nicht zu ziehen. Den Erfolg hat die Zentralgenossen⸗ schaftgkasse allerdings gehabt, daß sich Tausende von Genossenschaften neu gebildet haben. Die Zentralgenossenschaftskasse hat allerdings nur 25 000 S für Verluste abgeschrieben, aber es ist doch zu bedenken, daß zwischen ihr und den einzelnen Genossenschaften die Verbands—⸗ kassen stehen, mit denen allein sie in Verbindung tritt. Im Westen hat sich jetzt aus einer Genossenschast eine Gesellschaft m. b. H. ge. bildet, die in solche Schwierigkeiten geraten ist, daß vielleicht geradezu eine k daraus entstehen kann. Die Be⸗ gründung der Vorlage nimmt auch auf die Durchführung der Ent- schuldung durch die Genossenschaften Bezug. Ich freue mich, daß der Abg. von Brockhausen sich dagegen ausgesprochen hat, daß die Ge⸗ nossenschaften mit der Entschuldung in Verbindung gebracht werden. Der frühere Beschluß des Hauses in dieser Beziehung ist lediglich ein Verlegenheitsbeschluß. Der Regierungsvertreter sagt, der Staat müsse die Sorge dafür übernehmen, daß die Liquidität der Genossenschaften er⸗ halten bleibe. Wo bleibt denn die eigene Verantwortung der Ge⸗ nossenschaften? Zuletzt liefe das auf ein Aufsichtgrecht des Staates hinaus. Sehr interessant ist es nun, daß die Verhandlungen der Landschaften 1902 zu einem ablehnenden Resultat hinsichtlich der Entschuldung durch die Genossenschaften geführt haben. Die Be⸗ ründung vertritt ja einen ganz anderen Standpunkt; aber man ann doch die Worte der Landschaften nicht einfach in den Wind schlagen. In Posen will man ja die Entschuldung dadurch durchführen, daß sogar die Ansiedlungskommission die betreffenden Darlehen von den Genossenschaften als unkündbare Bürgschaft über. nehmen läßt. Ein tollerer Mißbrauch des Genossenschaftsweseng ist überhaupt nicht denkbar. Die Begründung empfiehlt weiter als neue Aufgabe der Genossenschaften die Bautätigkeit; anderseits werden sie gerade wieder davor gewarnt. Sie sollen auch Einfluß auf den Grundstücksmarkt gewinnen; das kommt mir gerabe so vor, als wenn e l r ih nn, für den Grundstücksverkehr sich mehr um industrielle Sachen kümmern sollten. Das heißt doch die länd⸗ lichen Genossenschaften auf eine vollkommen schiefe Bahn bringen. Meine Freunde sind zwar stets Gegner der Preußenkasse gewesen, aber wir halten es für unsere Pflicht, ihr Mittel zur Verfügung zu stellen, wenn wir uns davon überzeugt haben werden, daß sie 1 J efahren ist. Aus dem Geschäftsbericht geht nicht hervor, ob die . Verbindlichkeiten gegenüber der Reichsbank hat. Ebenso ist fraglich, ob der Bestand an Wertpapieren der Kasse genügende Sicherheit besitzt. Die mangelhafte Rentabilität der Kasse kann nur durch ihre nicht einwandfreie Zinspolitik erklärt werden. Alles in allem ergibt die Begründung eine vollständige Kette von Widersprüchen. Ich freue mich, daß auch von anderer Seite die ,. auts⸗ gesprochen worden ist, das Genossenschaftzwesen müsse unabhängig von politischen und konfessionellen Gesichtspunkten sein. Leider aber kommt trotzdem der Löwenanteil der Kasse den ländlichen Genossenschaften zu gute. Ist denn die Entschuldung des Handweiks nicht eine ebenso große Frage wie die Entschuldung des ländlichen Besitzes? Freilich: Guid- uid id est, timeo Danaos et dona ferentes! — Meine Freunde lee; selbstverständlich der Ueberweisung an die Budgetkommission zu. Ob wir auch für die Erhöhung des Grundkapitals stimmen können, wird davon abhängen, ob wesentliche nähere Detailllerungen vorgebracht werden. Auf Grund der bisherigen Absichten würden wir es nicht für richtig halten, eine Entschuldung des ländlichen Grund⸗
besitzes auf diesem Wege einzuleiten.
Präsident der Zentralgenossenschaftskasse Dr. Heiligen stadt Die Angriffe des Abg. Dr. Crüger waren absolut nicht neu; ich kann aber darauf hinweisen, daß die Preußenkasse nach ihrem Geschäfts« bericht viel mehr die Interessen der e, wn, als die der Land⸗ wirte gefördert hat. J. B. ist die Verzinsung im Wechselverkehr bei Handwerkern niedriger als bei Landwirten; sie betrug 1907 fi Landwirte 5,62 0/, für Handwerker nur 43750569. Der Abg. Crüger hat dann die ungeheuerliche Behauptung aufgestellt, daß die Zentral- genossenschaftskasse festgefahren sei. Ich wundere mich, daß der ö Früger das nach der Bilanz der Kasse hat tun können; denn es gibt kein Institut ähnlicher Art, auch im Ausland nicht, das so günstig dasteht wie die Preußenkasse, die alle Kredite zurückerhalten hat. Unsere Wertpapiere sind mündelsicher angelegt. Die bemängelten 50 Millionen Bankkredit sind notwendig, weil manchmal innerhalb weniger Tage ungeheuer große Anforderungen an die Kasse gestellt werden. Wenn die Preußenkasse in den Jabren 1906 und O nicht die gesetzmäßig erwartete 30 / oige Verzinsung erzielt hat, so lag das daran, daß sie wie jede andere Bank unter dem Kurgverlust dieser Zeit zu leiden hatte. Es ist aber auch stets vom Hause anerkannt worden, daß die Zentralgenossenschaftękasse kein gewinnbringendes Institut sein, sondern nur ihre Kosten decken soll. Zum Schluß will ich nochmals betonen, daß sich die Zentralgenossenschaftskasse nicht festgefahren hat.
Abg. Dr. Rewoldt (freikons. ): Bei den Ausführungen des Abg. Crüger bezüglich deg billigen Verkehrs der Zentralgenossenschaftskasse war mir zweifelhaft, ob sie wirklich be , ,, seien. Die Aus⸗ führungen des Vertreters der er, , . asse bestärken mich darin, daß ein so allgemeiner Vorwurf gegen den Stand der Zentral- gen f e s bese nicht berechtigt ist, ja kaum noch als . verständig gelten kann. Es ist auffällig, wenn man nach unseren vorjährigen Verhandlungen wiederum mit dem angeblich schlechten Zinsresultat des vergangenen Jahres operieren will, da nach den geltenden Bestimmungen das Zingresultat notwendigerweise schlecht sein muß. Ich kann nicht anerkennen, daß die Zentralgenossenschaftskasse ihre Aufgabe als Zinsregulator nicht erfüllt bat. Wir haben ferner nicht die Auffassung von der Zentralgenossenschaftskasse, daß sie die Verantwortung übernehmen * wenn bei den mit ihrer Hilfe egründeten , , . nordnungen vorkommen. Von den
kotiven dieser Vorlage hätte ich allerdings auch 6 daß sie sich mehr beschränkt hätten; etwas weniger wäre in dieser Beziehung mehr gewesen. Die Motive enthalten eine fast akademische Grörterung der Entschuldungsfrage; diese Frage ist aber doch nur ein Gesichtspunkt, der die Krhöhung des Kapitals der Kasse rechtfertigt, und diese Frage ist noch gar nicht genügend geklärt. Die Beteiligung der Genossenschaften an der Entschuldung darf deren Liquidität nicht in Frage sftellen; die Beschaffung der nötigen Mittel wird allerdings schwierig sein. Diese Frage ist aber für uns nicht maßgebend für die Erhöhung des Kapitals der Zentralgenessenschafta. kasse, sondern wir halten die Erhöhung wegen der gesamten Ent. wicklung des Bankwesens für erforderlich. Für den Zusammenschluß aller Genossenschaften sollte auch der Abg. Crüger seinen großen Ginfluß geltend machen. .
Abg. Kreth lons.): Ich war erstaunt über die Bemerkung dez Abg. Friedberg über den politischen oder konfesstenellen Charakter der Gen ossen f ha ten. Die ländlichen Senossenschaften steben zwar auf ine n,. Boden, sind aber keine politischen Vereinigungen. Daß wir trotz der Schwierigkeiten der letzten Jahre in den ländlichen Genossenschaften einen möglichst stabilen Zingfuß auf⸗ kcchtiuerhalten dersucht baben, läßt Fd. watsächlich nachweisen. Nur in jwei Fällen ist üder den Jingfuß von 5 oo hinaug- gegangen worden. Der Abg. Grüger bat ung ermahnt, daß wir dafür sorgen, daß die Freibeit der Genossenschaften nicht verloren geht. Dieser Mahnung bedarf es nicht. Gr ist von keiner Seite kerseM worden, unsere . einzuschränken. Auf eine tbeoretische Er. oͤrterung lasse ich mich nicht ein, das ist Sache der Fachmänner, dieses Daus kann nicht über diese Frage ju Gericht sitzen. Die Grundsätze der ländlichen Genossenschaften für die Befriedigung des Kredits auf dem Lande könnten vielleicht in dem Allgemeinen Verbande des Abg. Grüger auch Nachabmung finden. Erfreulich ist es ledenfalls, da der Abg. Friedberg in frledlichem Sinne gesprochen bat; das fübrt boffentilch zu einer Verständigung in der Kommsssion.
Abg. J 6 . widerspricht der Behauptung des Aba. Dr. Frledberg, daß a. Genossenschaften lonse sio nellen Gbarakter hatten. we in elner Genossenschaft alle Mitglieder einer Konfession angehörten, so werde sie dadurch noch zu er ae en Genossenschaft.
bg. Dr. Crüger f * bleibt dabei., daß die Dental genossenschaftskasse ihre Aufgabe als Zingregulator n erfaũt dade undndaß der Staat, wenn er mit seiner finandiellen Ville die Menden