Nichtamtliches.
Deutsches Reich. ö Preußen. Berlin, 17. Februar.]
Seine . der Kaiser und König nahmen gestern vormittag im höesigen Königlichen Schlosse die Vorträge des Chefs, des Militärkabinetts, Generalleutnants Freiherrn von Lyncker und des Chefs des Admiralstabs der Marine,
Admirals Grafen von Baudissin entgegen.
Ihre Majestät die Kaiserin und Königin empfingen heute im hiesigen Königlichen Schlosse in Audlenz den Rektor der Königlichen Friedrich Wilhelms-Universität, Geheimen Justszrat, Professor D. Dr. Kahl, den Rektor der Technischen Hochschule, Geheimen Baurat, Professor Borrmann und den Pastor Müllensiefen.
ns 1 .
Der Bevollmächtigte zum Bundesrat, Senator Dr. Fehling ist nach Lübeck abgeresst.
Laut Meldung des W. T. B.“ ist S. M. S. „Victoria Luise“ vorgestern in Cadiz eingetroffen und geht am 25. Fe⸗ bruar von dort nach Lissabon in See.
S. M. S. „Hertha“ ist gestern in Cadiz eingetroffen und geht am 20. Februar von dort nach Ferrol in See.
S. M. S. „Fürst Bismarck“ ist mit dem Chef des k vorgestern in Labuan (Nord⸗Borneo) ein⸗ getroffen.
S; M. S. „Iltis“ ist gestern von Hankau nach Kiukiang
Hangtse) abgegangen.
Cassel, 16. Februar. Der 34. Kommu nallandtag des Regierungsbezirks Cassel ist gestern durch den Oberpräsidenten der Provinz Hessen⸗Nassau Hengstenberg mit folgender Rede eröffnet worden: , g , g mn,
Geehrte Herren!!
Namens der Königlichen Staatsregierung heiße ich Sie auch bei Ihrem diesmaligen e, ,. willkommen. Wir alle stehen noch unter dem frischen Eindruck der Naturereignisse, die vor kaum mehr als einer Woche auch unser Land betroffen haben. Wenngleich hier nicht Verheerungen wie in anderen Teilen unseres Vaterlandes eingetreten sind, so will ich doch auch an dieser Stelle der menschlichen Teilnahme Ausdruck geben, die ung alle bei dem Gedanken an das be⸗ schädigte Hab und Gut unserer Mitbürger erfüllt.
Ihre Beratungen beginnen dlegmal früher als in den beiden letzten Jahren. Der Grund hierfür liegt in der Dringlichkeit, die Ihre Verwaltung denjenigen Vorlagen beimißt, die die Beamten des Bezirksverbandes betreffen. Die Vorlagen über die Re— gelung der Dienst⸗ unh Besoldungsverhältnisse dieser Beamten wollen den Vorgängen im preußischen Staate folgen, zugleich aber den besonderen Verhältnissen des Bezirksverbandes in einer nach Ansicht Ihrer Verwaltung angemessenen Weise Rechnung tragen. Wenn eg trotz der hierdurch entstehenden erheblichen Mehrbelastung gelungen ist, von einer Erhöhung der Bezirksabgaben abjusehen, so darf dieß — abgesehen von dem voraussichtlich demnächst zur Ver⸗
abschiedung 6 Gesetz über die Abänderung des Landeg—
kreditkassengesetzts — in erster Linie der sparsamen und vorsorglichen Aufstellung des Haushaltsganschlages für 1909 verdankt werden. Neben diesen Gegenständen wird Sie der Ihnen vorgelegte Entwurf einer Wanderarbeitsstättenordnung beschäftigen. Er ist aus längeren und schwierigeren Geratungen hevorgegangen, aber, wle ich hoffe, geeignet, als Grundlage für die Ausführungen Ihres sozial so bedeutsamen vorsährigen Beschlusses zu dienen. Die Königliche Staateregierung hat Ihnen Vorlagen nicht zu machen. In ihrem Namen begrüße ich Sie mit dem Augdruck der Hoffnung und des Wunsches, daß Ihre Beratungen dem Bezirksverbande zum Segen gereichen mögen, und erkläre im Allerböchsten Auftrage den 34. Kommunallandtag des Re⸗= gierungbezirks Cassel für eröffnet.
Der Alterspräsident, Bürgermeister Hold gab in seiner Erwiderung den ehrfurchtsvollen Gesinnungen des Kom—⸗ munallandtages gegenüber Seiner Majestät dem Kaiser und König Ausdruck, und die Versammlung schloß sich dieser Kundgebung in einem auf Seine Majestät ausgebrachten Hoch lebhaft an. .
Nachdem hierauf der Kammerherr Rabe von Pappen—⸗ heim zum Vorsitzenden und der Oberbürgermeister Dr. Gebeschus zum stellvertretenden Vorsitz enden durch Zuruf gewählt und die erforderlichen Ausschuͤsse gebildet worden waren, wurde die Sitzung geschlossen.
Sachsen⸗Coburg⸗ Gotha.
Seine Königliche Hoheit der Fürst Ferdinand von Bulgaxien traf gestern, „W. T. B.“ zufolge, in Coburg ein und begab sich später mit Ihren Durchlauchten den Prinzen Philipp und Leopold von Sachsen⸗Cohurg und Gotha nach der katholischen Kirche, wo aus Anlaß des Todestages Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Klementine von Sachfen— Coburg und Gotha eine Trauerfeier stattfand. Am Abend trat Seine Königliche Hoheit der Fürst Ferdinand die Rück— reise nach Bulgarien an.
Oe sterreich⸗ Ungarn.
Nach einer Meldung des „W. T. B.“ hat die Prager Staatsanwaltschaft gestern über hundert Haussuchungen in den Wohnungen tschechisch⸗nationaler Abgeordneter und Re⸗ dakteure vorgenommen und zahlreiche Aktenstücke beschlagnahmt. Es handelt sich um Sen e eng der Organisatoren der Prager Straßenkrawalle und des Boykotts a, Waren. Von den aussuchungen wurden u. g. die Abgeordneten Choc und lofac, gegen die eine strafgerichtliche Untersuchung ein⸗
e ist, sowie die Abgeordneten Bu rival und Sama troffen.
Großbritannien und Irland.
Das Parlament ist gestern unter dem üblichen . vom König Eduard mit einer Thronrede er—
et worden, in der es,, W. T. B.“ zufolge, heißt:
Die Wärme deg Empfangeg, die sich bei unserem Besuch in Berlin bel allen Klassen der Bevölkerung zeigte, hat einen starken Eindruck auf mich gemacht und mich mit' hoher Genugtuung erfüllt. Es hat der Königin ebenso wie mir große Freude bereitet, mit dem Raiser Wilhelm und der FKasserin wieder jusammenzulommen. Ich bin der Ueberzeugung, daß der Ausdruck des herilichen Willkommens, das uns in Berlin geboten wurde, dazu beitragen wird, diese freund⸗ schaftlichen Gefühle jwischen den belzen Nationen, die für ihre gegen⸗
seitige Wohlfahrt und die Erhaltung des Friedens so wesentlich sind, ö ö Beziehungen zu den fremden Mächten sind nach wie vor freundschaftlich. Die Thronrede berichtet sodann über den befriedigenden Fortschritt in den Rrhandlungen über die ausstehenden Fragen mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Ein Vertrag, wonach die Benutzung der Wasserwege an der canadischen Grenze geregelt wird, ist abgeschlossen worden, ebenso ein Ueberein kommen mit Hilfe Canadas und New Foundlands, das die nordamerika— nische Fischereifrage einem Schiedsgericht überweisen will. Die Thronrebe erwähnt sodann die Erneuerung der Schieds- gerichtsübereinkommen mit Frankreich, Italien und Spanien und fährt fort: le Lage in Persten bilde nach wie vor einen Grund zur
Beunruhigung. Die ng wünsche nicht, von dem Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenhelten des Landes abzugehen, sei aber zugleich der Ansicht, daß die dortige Lage , die Ein⸗ führung von repräsentatiben Einrichtungen erhelsche, um die Ver— wirklichung von unumgänglichen wirtschaftlichen, finanziellen und administrativen Reformen zu sichern und das Land zu be— ruhigen, da die . Unruhen jahlreiche kommerzielle und ökonomische Interessen Großbritanniens und Rußlands in Persten gefährdeten, worüber zurzeit ein Meinungtaustausch zwischen diefen beiden Regierungen statifinde. Der König freue sich annehmen zu können, daß die Autsichten auf eine Lösung der Schwierigkeiten auf dem Balkan sich jetzt gebeffert haben, und hoffe aufs ernsteste, daß eine alle interessterten Staaten befriedigende Lösung erreicht werde. Er sei überzeugt, daß die , nn,, die zurzeit in London tage, bald zu einer Verstaͤndigung gelangen werde. Große Genugtuung habe ihm die Aufnahme der Maßnahmen zur Verbesserung der indischen Verwaltung bereitet.
. Die Thronrede geht sodann auf die Vorbereitungen zu einem ,. Zusammenschlu der südafrikanischen Kolonien und auf dle Konferenz in Kapstadt ein, die den ersten Schritt hierzu bedeute, und erklärt:
Infolge , Ursachen, unter denen die Altersversicherung und die notwendig gewordene Erhöhung der Aufwendungen für die Flotte zu nennen sind, werden die Ausgaben dieses Jahres diejenigen des letzten Jahreg erheblich überschreiten. Die Beschaffung der für den Staatsdienst erforderlichen Mittel wird deshalb sehr ernste Er⸗ wägungen nötig machen, und es ist infolgedessen zu fürchten, daß für die anderweitige Gesetzgebung weniger Zeit verfügbar sein wird.
Sodann kündigt, die Thronrede die Wiedereinbringung der irischen Landbill an, beschäftigt sich weiterhin mit der Frage der Arbeits losen, die die sorgfältige Beachtung der Regierung finde, und stellt eine Vorlage, betreffend eine bessere Organisierung des Arbeitsmarktes durch ein System des Austausches gleichwertiger Arbeit in Aussicht, womit andere Pläne zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit würden verbunden werden können; Ferner kündigt die Thronrede eine Vorlage, betreffend die Einrichtung von Handelsämtern für gewisse Industriezweige, an, in denen vorzugsweise zu Hungerlöhnen gearbeitet wird, und eine Vorlage, die das Anlandbringen und Verkaufen von Fischen verbietet, die in den an Schottland grenzenden, für den Fischfang verbotenen Seegebieten gefangen worden sind.
In der an die feierliche Cröffnung des Parlaments sich anschließenden Sitzung des Ober⸗ und Unterhauses wurde die Adresse auf die Thronrede beraten.
Im , erklärte der Marquis of Lansdowne im Laufe der Debatse bezüglich des Besuchs deg Königs und der Königin in Berlin, er sage nicht zu viel, wenn er bemerke, daß kein neuereg Ereignis vom hrilnsgci Volke mit größerer Sympathie aufgenommen oder von ihm mi größerer Freude zur Kenninis genommen worden sei. Ohne Wh erk) cg befürchten zu müßen, könnte er sagen, daß der Besuch deg Königs und der Königin hervorragend zeitgemäß und sichtlich erfolgreich gewesen sei, und es bestehe aller Grund zu der Hoffnung, daß der Besuch weitreichende Refultate nützlichsten Charakters haben werde. Er könne keine Worte finden, die kräftig genug seien, um seine Bewunderung auszudrücken für die unermüdliche Energie, mit der der König solche nützlichen Aufgaben übernehme. Jeder Besuch habe bestehende Freundschaften besestigt oder neue Freundschaften geschlossen. In dem gegenwärtigen Falle handele es sich um zwei große Völker, die eng verknüpft seien durch die Bande gemeinsamen Ursprungs und gemelnsamer Charaktereigen⸗ schaften. Cs gebe nicht zwei Völker, die geeigneter wären, Seite an Seite in der Vorhut des menschlichen Fortschritts voran— zuschreiten. Es sei daher erfreulich, daß die belden n, in diesem besonderen Augenblicke die Freundschaft
etont hätten, die nie hätte unterbrochen werden sollen und die, wie der König sagte, dem Weltfrieden diene. — Der Staatssekretär der Kolonien Earl of Crewe führte sobann aus, er sei in der Lage, aug persönlicher Beobachtung von der außerordentlichen Herzlichkeit sprechen zu können, mit der die Malestäten in Berlln empfangen worden seien. Dlese Herzlichkeit sei vom Höchsten bis zum Niebdrigslen ohne Unterschied der Gesellschaftsklasse oder des Berufs zur Schau getragen worden. Dem Tribut, den der Marquis of Langdowne der Art und Weise gezollt habe, in welcher der König sich immer willens gezeigt babe, persönliche Unbeguemlichkeiten auf sich zu nehmen, um einen so michtigen Tell der Herrscherpflichten zu erfüllen, möchte er sich anschlisßen. Besuche wie dieser, könnten nicht alleg bewirken; sie könnten nicht durch sich selbst heunruhigende internationale Fragen beilegen. Sie könnten durch sich selbst auch nicht tiesbegründete inter- nationale feindliche 6 beseitigen; aber in einem Falle, in dem es sich um Länder wie Deutschland und England handele, in dem keinerlei Grund für irgend etwas wie internationale Animosität vochanden sei, könne ein Besuch dieser Art nichts anderes hervorbringen, alg hervorragend Gutez. Er wirke dahin, die ganze Atmosphäre zwischen den beiden Ländern zu verbessern. Soweit er aus persönlicher Kenntnis sprechen könne, könne er nach dem Gedankenauttausch, der in Berlin stattgefunden habe, sagen, daß der Wunsch, den bie englische Regierung an den Tag gelegt habe und der, wie er glaube, vom ganzen Lande geteilt werde, auch von denen geteilt werde, welche die Geschlcke des gehen Deutschen Reichs lenkten. Diesen Wunsch verslehe er so, daß die belden Völker, ohne Büͤndnssse oder Verständigungen, zu denen eins von ihnen veipflichtet sei, irgend wie aufs Spiel zu setzen, imstande sein sollten, jedes gegenüber bem anderen eine durchguz freundliche Haltung zu beobachten, und daß sie imstande sein sollten, jede Gelegenheit zu einträchtigem Zusammen⸗ wirken zu ergreifen, nicht nur für die Aufrechterhaltung des Welt— friedeng, sondern auch zur Förderung der vielen Interessen der beiden Länder, die sich nicht einander widerstritten.
Im Unterhause sagte das liberale Mitglied Rogers in der Adreßdebatte, der Ton der Thronrede, sowelt sie von den inter— nationalen Angelegenheiten handle, sei erfüllt von Frieden und gutem Willen. Ver Redner lam dann auf den Besuch des Königs und der Königin in Berlin zu sprechen und erklärte, der begelsterte Empfang der Majestäten werde dahin wirken, jedeg Mißverständnig und jede saäͤlsche Auffassung der gegenseitigen Beweggründe, die auf dieser und jener Seite der Nordsee besta den haben mochte, ju beseltigen. Er sei überjeugt, daß die überwiegende Mehrheit der beiden Nationen ein aufrichtiges Verständnis und gegenseitsges guteg Einvernehmen wünsche. — Hler⸗ auf erklärte Balfour, er habe den Ausführungen Reogerg über die augswärligen Angelegenheisen nichts hinzujufügen. Bezüglich der auswärtigen Politik habe er hinsich lich der von ter Regierung oder Sir Edward Grey unternommenen Schritte keiʒnerlei Einwendungen ju machen. Was jedoch Pensien betreffe, so sei es ihm jweifelbast, ob die demolratische Konstifution, dle unter dem gemelnsamen Bruck
Rußlands und Englands eingeführt werden solle, alle wierlg⸗ keiten in wirtschaftlicher und kommerzieller Sin cht 66 werde. Auf die Flottenfrage werde er bel späterer Gelegenheit zuruck kommen. Der Redner besprach sodann die Finanzpolitik der Reglerung und die Verwaltung der irischen Angelegenheiten. — . führte der Premierminister Asquith aug, hinsichtlich der ntwicklung der Dinge im naben Osten habe England sein äußerstes getan um eine friedliche Lösung der Schwierigkeiten zu sichern, die sich erhoben hätten, und er werde in Zukunft daz gleiche tun. Er bediene sich nicht einer schmeichlerischen und , . Aus druckz⸗ weise, wenn er sage, daß kein Mann in Guropa an dieser schwierlgen und wohltätigen Aufgabe so beharrlich gearbeitet habe al Sir Edward Grey, und er würde seiner Pflicht nicht gerecht werden, wenn er nicht gleichjeitig im Namen der englischen Regierung die staatgmännischen Eigenschaften und die Mäßigung anerkennte, mit der Kiamil Pascha die Verhandlungen der Turkei mit den fremden Nationen während dieser Monate voll Schwierigkesten und Gefahr geleltet habe. Er hoffe, daß Kiamil Paschas Nachfolger dessen Politik fortsetzen werde; sie schlene eine fosche zu sein und sei, wie er hoffe, eine solche, die eine Löfung der zwischen der Türkei einerseits und Desterreich⸗Ungarn beziehung werfe Bulgarien andererseits schwebenden Fragen gewaͤhrleiste durch ein Kompromiß, das für alle Beteiligten ehrenvoll und für die Türkei selhst nicht nachteilig wäre. Die anderen nech zu lösenden Probleme beträfen Serbien, Montenegro und Kreta; sie seien weniger hedenklich, aber sie erforderten nichtsdestoweniger kluge und sympathische Behandlung. Die Uebereinstimmung hinsichtlich bes Prinzips einer Einigung zwischen der Türkei und Oesterresch Ungarn einer seits und zwischen der Türkei und Bulgarten andererseitgs sei ein gutes Vor⸗ zeichen und habe die Friedentaussichten in jenen Lagern wesentlich derbessert. Die Regierung sei von den Umständen, die während de letzten paar Tage zu einem Wechsel in der Zusammensetzung der Regierung zu Konstantinopel geführt hätten, nicht vollkommen unterrichtet, aber selbst wenn sie es wäre, so würde es doch nicht ihres Amts sein, die Ereignisse dort zu kommentieren. Wag die inneren Angelegenheiten des ottomanischen Kaiserreicht anlange, so habe die Regierung nur einen beständigen, hleibenden Wunsch, der bon allen Parteien geteilt würde, nämlich die Türkei durch die Reform der Verwaltung so gestärkt und bon neuem so gekräftigt zu sehen, daß sie ihre Zukunft auf der Grundlage der Freibeit und Billigkeit ju entfalten vermöge. Welche Ziele die türkische Regterung auch ver— folgen möge, die Politik dieseß guten Willens werde auch weiter⸗ hin die herzliche Sympathie Großbritannienz für sich haben, das alle Zeit bereit sein werde, ihr bei der Vollendung der schwierigen Auf⸗ gabe der Verwaltungtreform jede Hilfe angedelhen zu laffen, die sit wünschen möge und die zu leisten möglich wäre. Waß die politische Lage in Persien anbetreffe, so sei diese außerordentlich unbefriedigend. Von Monat ju Monat gehe es dort schlechier und schlechter, und es fei keine Aussicht auf Besserung vorhanden, ebe nicht der Schah die Versprechen erfülle, die er seinem Volke in wohl erwogener . gemacht habe. Der Wunsch der britischen Regierung wäre ez, fortgesetzs in der Lage zu sein, der Politik der Nichtinterventlon treu bleiben zu können, aber es wäre unmöglich, die Gefahr ju verkennen, die in der Fortfetzung der vorhandenen chaotischen Unordnung liege, die eine Ginmischung ven außen leicht hervorzurufen verniöge. Die britische Regierung hätte in Verbindung mit Rußland dem Schah mehr alt einmal an— geraten, seine Versprechungen zu erfüllen. Weiter könnte die britische Regierung nicht gehen, ohne sich selbst in eine solch- direkte Gin— mischung rinzulassen, die sie zu vermelden wünsche. Großbritannien werde in keiner Weise an einer Anleihe oder an irgend elner anderen Form der Unterstützung des Schah teilnehmen, solange er an seiner gegenwärtigen unheilvollen Politik festhalte. Pie britische Regierung sei häufiz in Verbindung getreten mit der russischen, deren Interessen in enger und direkter Beziehung ständen mit den britischen, und die Regterung sei froh, Rußlands Ansichten über die Lage in Uebereinstimmung mit den ihrigen ju finden. In Beañ— wortung einiger anderer Bemerkungen gab der Minister zu, daß sich einige Teile Irlands in beklagenswertem Zustande befänden, aber die Anwendung von Gewalt und Zwang würde keine Hilfe schaffen; das bestehende Gesetz müsse jedoch nachdrücklich juàr Geltung gebracht werden. Zum Schluß erklärte der Premierminister, die Finan⸗ frage müsse den Hauptgrund der Beratung dieser Session bilden. — Henderson gab der Freude der Arbeiterpartei über den Berliner Besuch Ausdruck. Wenn zwischen dem König und dem Kaiser so freundliche Beziehungen aufrecht erhalten werden könnten, wie zwischen den Volksparteien beider Länder, dann sei keine Wahrscheinlichkeit vorhanden für die unhellvolle Entwicklung der Dinge, die von ge— wissen Leuten prophezeit worden sei.
Darauf vertagte sich das Haus.
Frankreich.
Im gestrigen Ministerrat hat der Handelsminister Cruppi, „W. T. B.“ zufolge, den Gesetzentwurf, betreffend Abänderung der a gn e e n e, unterzeichnen lassen. Der Minister der öffentlichen Arbeiten Barth ou und der . Caillaux kamen über den Gesetzentwurf, betreffend die Altersoersorgung der GEisenbahn⸗ beamten, überein. Darauf ö. der Ministerrat die Prüfung der Vorschläge des Marineminlsters Picard fort.
Nuszland.
Der Senat hat gestern nach Erörterung des Berichts des Ministers des Innern sein Gutachten in den beiden folgenden Fragen abgegeben: 1) ob der Uebergang aus dem mosaischen in den mohammedanischen Glauben e gf sei, und 2) ob die Juden, die zum Mohammedaniamus übertreten, von den geht mäßigen Rechtsbeschränkungen zu befreien sind. Wie dag „W. T. B.“ meldet, wurde die erste Frage vom Senat bejaht, die zweite verneint.
— In der heutigen Morgensitzung hat die Duma, obiger Quelle zufolge, das Agrargesetz in erster Lesung angenommen.
Dyanien.
Der König 4 hat, laut Meldung des „W. T. B.“, auf Wunsch der deutschen und der englischen Regierung das Schiedsrichteramt in der Frage der Begrenzung der Walfisch⸗Bay übernommen.
Türkei.
Der türkische Botschafter in London Rifgat⸗Pascha hat, „W. T. B.“ zufolge, die Berufung zum Minister des Aeußern abgelehnt. Infolgedessen hat der Minister der öffent⸗ lichen Arbeiten das Ministerium der ,,,. Angelegen⸗ heiten interimistisch übernommen. Rifaat⸗Bey it zum Finanzminister und Essad zum Katasterdirektor ernannt worben.
Serbien.
Wie „Stampa“ meldet, hat der Finanzaus schuß gestern beschlossen, die Bewilligung von 11 Millionen Dinars für die Heeresausrüstung zu beantragen, da der Finanz⸗ minister erklärt hat, daß für diesen Beirag Deckung vor⸗ handen sei.
Amerika.
Das amerikanische Repräsentanten haus 9. gestern nach einer Meldung des „W. T. B.“, einen Gese entwurf angenommen, der bestimmt, daß alle amerikanische Häfen be⸗ rũhrenden Ozeandampfer, die Passagiere an Bor führen, mit Apparaten für drahtlose Telegraphie binnen
resfrist versehen sein müssen. Nichtbefolgung der Vorschrift 26 2 . bis zu einem Jahre und * ur bis 2000 Doll. bestraft. . . .
— Der Senat hat in seiner gestrigen Sitzung, obiger Quelle zufolge, einen Abänderungsantrag angenommen, ber bie Große der zwei genehmigten Schlachtschiffe auf 2A 000 Tonnen und die Kosten augschließlich der Panzerung und Ausrüstung auf 900 000 Pfd. Sterl. für jedes von beiden
etzt. * fen Hie Senatekommission hat einen Zusatzantrag zur lottenvorlage angenommen, der es in das Ermessen des räsidenten stellt, die Hälfte der Flotte in den pazifischen Ge⸗ wässern zu . Soweit dies tunlich ist, hat der Präsident schon jetzt die Befugnis, die Flotte zu teilen. Der iet. antrag bedeutet daher, daß der . eine derartige Aktion ausdrücklich befürwortet.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Bericht über die gestrige Sitzung des Reichstags und der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten
Beilage.
— In der heutigen (33) Sitzung des Hauses der Ab⸗ eordneten, welcher der Minister fn Handel und Gewerbe elbrück beiwohnte, wurde die erste Beratung der Novelle um Allgemeinen Berggesetz sowie der denselben Gegen⸗ and betreffenden Anträge der Abgg. Dr. Szuman (Pole),
Aronsohn (fr. Vollsp. , Imbusch (Zentr) und Krause—
Waldenburg (freikons.) fortgesetzt. .
An der Debatte beteiligten sich bis zum Schluß des
Hslattes die Abgg. Kapitza (Pole) und Wolff⸗Lissa
freis. Vgg.)
Koloniales.
Die Expedition Sapper-⸗Friederiei.
Von Dr. Friederiei ist ein weiterer Bericht aus Herberts höhe (4. d. 9. November 1908) eingelaufen. Dag „Deutsche Kolonialblatt“ entnimmt daraus die nachstehenden Einzelheiten:
„In einigen Tagen werde ich mit der ‚Langeoog“ nach Neu⸗ Guinea abfahren. Ich möchte daher noch von hier aus einen kurzen Bericht erstatten.
Ich hatte die kleine Dampfpinasse der Neu⸗Guinea⸗ Kompagnie eckartert, um in ihr am 28. Oktober nach der Offenen Bai (Neu⸗ e, , zu fahren. Infolge eines Kesseldefekts blieb jedoch nichts welter übrig, als den schlechten Kutter, Baltie“' zu nehmen. Um nicht zu viel Zeit zu verlieren, schiffte ich mich noch an demselben Abend an Bord des „Baltic“ ein. Die Fahrt war höchst unglücklich. Zwar gelang es mir in Massikonajinka, drei ortskundige Führer zu er= langen, aber ich war vier Nächte und dreieinhalb Tage auf diesem Boot unterwegs, ehe ich mein Ziel, Vatu an der Offenen Bai erreichte. Durch die bevorstehende Abfahrt der Langeoog“ war meine Zeit beschränkt; meinen Plan, Neu- Pommern zu durchqueren, um auf der anderen Seite Herbertshöhe wieder zu erreichen, konnte ich nun nur noch durchführen, wenn ich im Innern einigermaßen
latte Bahn fand. Es stellte sich heraus, daß dies leider nicht der
. war. Gleich am Morgen nach der Landung brach ich auf, ging urchs Gebiet der Nakanai in das der Baining und erreichte schließlich das Palisadendorf des Baininghäuptlings Kam bule. Hier waren alle Verkehrswege nach Osten ju Ende. Weder in Auesicht ge⸗ stellte Bezabhlungen noch Geschenke der verlockendsten Art vermochten mir einen Pfad in die gewünschte Richtung zu öffnen. Immer hieß die Antwort „boa ln, eist nicht vorhanden“, und immer wieder „bon, boa l‘, „gibt es nicht!“ Durch persönliche Rekognoszterung überzeugte ich mich, daß die Pfade in der Richtung nach dem Innern allerdings bald hinter dem Dorf Puluga aufhörten. Das Flußbett des Pale, an dem das Palisadendorf liegt, bätte mich auch nicht nach Ssten, sondern offenbar nach Südwesten geführt. Das Innere dieser Gegend don Neu Pommern scheint unbewohnt zu seln, die Bainings dieser Gegend haben keinerlei Verkehr nach Osten über die Berge; ihr ge—⸗ ringer Verkehr geht nur zur westlichen Küste.
Ich hatte nur die Wahl, mir einen Weg zu bahnen oder zur Tüste zurückzukehren. Infolge meiner begrenzten Zeit und anderer Umstände war ersteres nicht mehr möglich. Durch die unvorhergesehen lange Bootfahrt war mehr Proviant verbraucht worden, alg ich ge— rechnet hatte; unterwegz in Massawa gekauster Taro erwies sich zur Hälfte als unbrauchbar. Die Gouvernementsträger, Polijcisolbaten ohne Gewehr, waren anspruchsvoll und minderwertig. Ich maßte damit rechnen, mir 4 bis 5 Tage lang einen Pfad zu eröffnen, um dann am Henry Reid-⸗Fluß auf eine menschenleere Küste zu treffen. Alle diese Erwägungen bestimmten mich, auf einem anderen Wege zur Küste jurlickjukehren. Ich besuchte dle Rakanal- Plätze Nefsal und Tongan, um mich dann auf dem zur Vorsicht noch wei Tage an der Küste festgehaltenen ‚Baltie wieder einzuschiffen. Wieder hatte ich vier Nächte und dreieinhalb Tage im Regen und im Sonnenschein auf dem Deck dieses Segelbootes zujubringen, ehe
Herbertshöhe erreichte.
Wenn ich somit meinen Hauptplan nicht habe durchführen können, so war dech diese Expedition geographisch nicht ohne Wert und ethnologisch hochintereffant. Die von mir durchstreifte Gegend ist aufgenommen worden; auch sonst konnten einige kleine Besträge zum richtigen Kartenbild der Gnzellchalbinsel geliesert werden.
Die drei von mir besuchten Nakanai⸗Dörfer Va tu, Nessai und Ton gan sind die ein iqen, bie in dieser ganzen Gegend noch bestehen. Die Balnings im e nd sind so wenig von der europaͤischen
ultur berührt, daß sie zum maßlosen Erstaunen meiner Leute nicht inmal dag „Kleingeld! der Kolonie, Tabak, kannten. Alg ich dem Häuptling ciner im Walde überraschten Bande jur Begrüßung und Beruhigung eine Stange Tabak hinreichte, wich er entsetzt zurück, als reichte ich ihm einen vergifteten Dolch. Ginige blaue Glasperlen 1. 9 fi en europälschen Kulturgüter, die bisher zu diesen Leuten
elan nd. gie das Palisadendorf Puluga in Sicht kam, trat die gleiche Erscheinung eln, die ich auch beim Zusammentreffen mit der eben ge⸗ sannten Bainingbande und auch fiüher bei anderen Gelegenheiten beobachten konnte: die auf dem engen Pfade vor mir befindlichen Fuhrer (Dolmetscher und Soldaten zu ihrer Bewachung) wichen unter nem Vorwande zurück und ließen mich an der Spitze. Diezmal batte ich noch meinen braven Ragettamann Don — den einigen Menschen, der neben meinem Diener Gallas von Anfang an alles mitgemacht hat — mit dem Taubengewehr vor mir. Aber dag Tor des Palisaden⸗ dorfes war so niedrig und schmal, daß er erst seinen Rucksack ablegen nußte, um passieren zu können. Injwischen schlüpfte ich hinein. Erst aß ich drin war, bemerkte jch, daß elne Art Bastlon Über mir dicht mit bewaffneten Männern besetzt war. Sie führten 3 m lange Lanzen und Schleudern und hatten oben 200 bis 3600 Schleuderflelne sowle etwas Proplant und Feuerholz angesammelt. Ich ließ sie freundlichst etsuchen, herunter ju kommen, wag sie auch ohne weiteres taten.
Die Bainings waren an diesen Tage in drei Banden geteilt: die eine unter bem asten , traf ich, wie erwähnt, im Walde nd, brachte sie nun zum Keil mit. Gine jweste bewachte dag
Alisadendorf mit den Weibern und Klndern. Bie dritte unter dem
uptling Kambule selbst kam am Nachmittag von einem Streifzug
zurück. Meine Leute bemerkten ihren Anmarsch erst, als sie schon dicht vor dem Tor waren, und auch die anrlickenden Bainingg ent⸗ deckten erst jetzt, daß ihre gFestun von Fremden besetzt war. Einen Augenblick herrschte allgemelne Aufregung. Der Ruf „Kambule! Kambule!“ erscholl, die innerhalb um ein Feuer hockenden Bajnings sprangen auf ihre 1j daß es nur so klatschte, die Bainings außer⸗ halh rissen autz, verfolgt bon einigen meiner Leute. Nur Kambule it und einer seiner Leute waren nicht ie en Mit einem halb ängstlichen, halb stoljen Zug im Gesicht und mit jwel riesigen Lanzen, jede jweimal so lang als er selbst, auf der Schulter, zog der kleine Mann in die Festung ein. Ich habe 91 Bainings an ssrnees e n r gemessen, Kambule ist der kleinste von allen; er ist nur 1441,5 mm hoch. Er sieht aus wie ein Kind.
Diese Leute sind somatisch und ihrem Kulturbesitz nach zweifellos Bainings und werden guch von Nakanai und Kanakern der Gazelle halbinsel so genannt. Ihre Sprache aber unterscheldet sich, . ich wahrnehmen konnte, wesentlich von den anderen beiden mir bekannten Bainingdialekten.
Auf Neu⸗Pom mern ju forschen, müßte ein Vergnügen sein; der Unterschied zwischen ihm und Neu⸗Mecklenburg erscheint dem Ethnologen wie Tag und Nacht. Dank der Tätigkeit eines fähigen und energischen Manne, Bolumingki, marschiert man durch ganz Neu. Mecklenburg, besonderg im nördlichen, mit größerer Sicherheit, schläft dort ohne Wache und bei offenen Türen mit größerem Ver⸗ trauen, als im Berliner Tiergarten. In Neu- Pommern aber ist anderthalb Tagemärsche von Herbertshöhe entfernt alles unbekannt, alles Wildnig. Dabei halte ich es gar nicht für , ,. in Neu⸗ Pommern zu forschen. Man muß nur ein ganz klein wenig militä— 6 organisieren, Eingeborene und Untergebene ein wenig behandeln
nnen. Die Fahrt durch acht Nächte und sieben Tage auf einem kleinen Seegelboot, jusammen mit 25 Schwarien, unter freiem Himmel, bei Regen und bei Sonnenschein, war wenig erfreulich. Aber ich bin daran gewöhnt und habe mir die durch dasz enge Zusammenwohnen mit den Eingeborenen gebotene gute Gelegenheit zum Beobachten nicht entgehen lassen.“
Einem gleichzeitigen Privatbrief zufolge wird Dr. Friederiei im März wieder in Deutschland eintreffen.
Bauwesen.
Im Architektenverein in Berlin sprach in der ersten Fehruar— sitzung der Professor Dr. Eberstadt, Dozent an der Königlichen Friedrich Wilhelm ⸗Universität, über neuzeitliche Anfor— derungen an Bebauungsplan und Bauordnung“. Der Redner verwies zunächft auf die Bodenparzelllerung und die Bau— formen in England. Die englischen Wohnberhaältnisse sind, wie Eber— stadt einleitend hervorhebt, anf zum Tell big zur Uebersättigung, geschildert worden. Aber diese Schilderungen benichen sich auf die äußere Erscheinung des Wohnungewesens; etz gilt demgegen⸗ über die inneren Ursachen zu betrachten, die für die Entwicklung der Wohnverhältnisse estimmend sind. Der Ausgangs⸗ punkt ist für beide Völker, Deutschland und England, in der Gegenwart der gleiche gewesen; wenn trotzdem die tatsächliche Ge⸗ staltung völlig verschieden geworden ist, so liegt dies daran, daß auf den grundlegenden Gebieten des Bebauungsplans, der Bauordnung und des Realkredits England Einrichtungen geschaffen hat, die denen Deutschlands vollständig entgegengesetzt sind. Für die neuzeitliche Stadtanlage sind als wesentliche Grundjüge im Gegensatz zu dem älteren Städtebau zu bezeichnen: I) entscheidende Bedeutung der Außenbezirke; 2) Notwendigkeit der Schaffung reiner Wohnstaditeile; 3) überwiegende Bedeutung der Kleinwohnung. Nach der
inkommenstatistik für Preußen von 1907 verlangen nicht weniger als 92st ,, sämtlicher städtischen Einwobner die Kleinwohnung oder die klelne Mittelwohnung in Preiglagen von 150— 300 M und 400— 900 M. Eberstadt behandelte demgemäß besonders ausführlich die Anlage von Wohnstraßen, für die verschledene, jum Teil sehr reizvolle Lösungen vorgeführt wurden. Im Anschluß hieran wurden die verschiedenen Hausformen von der Mietgkaserne bis zum Einfamilienhaus besprochen. Die Ursache für die heutigen Zustände erblickt Eberstadt in den entscheidenden Ver— waltungtzeinrichtungen auf dem Gebiete des Städtebaues. Er verwirft die Jagd nach fremden Vorbildern. Unsere Aufgabe gehe vielmehr dahin, die Einrichtungen des Bauwesens und des Realkredits, die in den 70er Jahren geschaffen wurden, den Anforderungen der Gegenwart gemäß zu reformieren.
Land⸗ und Forstwirtschaft.
XXXVII. Plenarpersammlung des Deutschen Land— wirtschaftsrats.
Im Gebäude des Brandenburgischen Provinnallandtags trat gestern der Dutsche Landwirtschaftgrat zu seiner 37. Hauptversammlung jusammen. Der Präsident, Graf von Schwerin ⸗Löwitz, begrüßte die zur Teilnahme an den Verhandlungen erschienenen zahlreichen Ver— treter der Reichs reglerung und der Reglerungen der deutschen Einzelstaaten, worauf der Staatssekretär des Innern, Vlzepräsident ves preußischen Staatgministeriums Dr. von Bethmann Hollweg im Namen dez Reichekanzlers den Landwirtschaftsrat begrüßte und versicherte, daß die Reichgregterung den sachverständigen Arbesten des Veutschen Land wirtschaftsratg mit lebhafter Aufmerksamkeit folge und seinen Be⸗ ratungen einen gedeihlichen Verlauf zum Besten der deutschen Land— wirtschaft wünsche.
Nach Erledigung geschäftlicher Angelegenhelten erstattete der Landrat von Groote, Rheinbach ein Referat über den Entwurf eines Weingesetzes. Auf seinen Antrag faßte der Landwirtschaftsrat nach kurzer Diskussion folgenden Beschluß:
Der Deutsche Landwirtschaftsrat empfiehlt den baldigen Erlaß eines Weingesetzeg in der von der Kommission des Reichtztagg be—⸗ schlossenen Fassung. Er befürwortet ferner die Annahme der von der Kommission , . Resolutionen: Der Reichstag wolle be⸗ schließen, die verbündeten Regierungen zu ersuchen, 1) bei ne , m. der Grundsätze für den Vollzug des neuen Weingesetzes zur besseren Kontrolle bestimmte Ginfuhrstatlonen für Weine, Trauben und Traubenmailsche zu benennen und die Vorlage amtlicher Bescheint⸗ gungen über Herkunft und Reinheit der Weine ᷣ verlangen; 2) a. bel neu abzuschlleßenden Handels verträgen sowie bei Ablauf der jetzt bestehenden n , e die Vergünstigung für ausländische Rotweine zum Zwecke des Verschnitts nicht mehr zu gewähren, b. tunlichst bald den Entwurf eineg Reichsgesetzes vorjzulegen, welches den Verschnitt von Weißwein mit Rotweln zum Zwecke der Her stellung von Rotwein und den Vertrieb dieses Weines verbietet.“ Alsdann berichtete der Domänenrat Rettich⸗Rostock über die Tätigkeit des Ausschusses für , n. ingbesondere über die Feststellung der Gebräuche im Futtermittelhandel. Ez wurde der nachstehende von ihm gestellte Antrag einstimmig ange—⸗ nommen:
Die 37. Plenarversammlung des Deutschen Landwirtschaftgrats erklärt ihr Ginverständnig mit der Feststellung der Bedingungen ei den Verkehr mit Handelsfuttermitteln durch den Aug= u für Handelsgebräuche in seiner Sitzung am 17. und 18. De⸗ jember 1968 und .. die Bedingungen allen landwirtschaftlichen Rörperschaften mit der Bitte zu überreichen, durch den Abdruck der⸗ selben in den landwirtschaftlichen Blättern alle Landwirte und land wirtschaftlichen Vereinigungen auf dieselben hin uwelsen.
Ein Bericht von Professor Dr. von , betraf die Mißstände im Düngemittelhandel (Kalisalze, Sal peter, Superphosphate). Auf dessen Antrag wurde folgender HBeschluß gefaßt:
Per Deutsche Landwirtschaftgrat erachtet die Beseltigung der im Bericht besprochenen Mißstände im Handel mit Düngemitteln für
geboten und ersucht die landwirtschaftlichen Vertretungen, im Sinne der dort gegebenen Anregungen ju wirken und sich in be sondere auch die Mitwirkung der 8 . und Einkauftzoereinigungen ju sichern, mit denen sie in Bejiehung stehen.“
Darauf trat der Emde n ft l in eine Erörterung des Ge⸗ setzentwurft über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen ein, über den der Oberlandeggerichtzrat Schneider-⸗Stettin referierte. Nachstehender von ihm gestellter Antrag wurde einstimmig angenommen: Der Deutsche Landwirtschaftgrat beschließt ju dem Gesetzentwurfe, betreffend den Verkehr mit Kraftfahrzeugen: I) Es ist mindestens zu n,. daß bei den nicht auf eine bestimmte Geschwindigkeit be= chränkten Kraftfahrzeugen 8 2 Nr. 2) die Gefahr der zufälligen Schadensstiftung von dem Halter des Kraftfahrzeuges getragen und daß dabei auch der 56 des Schadens nicht, wie nach § 6. begrenzt wird. 2) Es ist, wie früher schon vom Veutschen Land—= wirtschaftzrat, die Bildung einer Zwangsgenossenschaft (unter Einbeziehung ausländischer Fahrer hurch Sicherheitsbinterlegung bei Erteilung der Fahrerlaubnis — f 14 ff) als dringend wünscheng⸗ wert zu erachten, und jwar mindesteng für die unter 1 bezeichneten Kraftfahrzeuge.“
Nach einem Bericht von Professor Dr. Kelln er⸗Möckern über dle Ergebnisse der vom Reichsamt deg Innern unter“ stützten Fütterungsversuche mit Trockenkartoffeln' be= gründete der Qberlandengerichtzrat Schneider⸗Stettin jum Ent wurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Weitbewerb n Antrag, der einstimmig angenommen wurde und, wie folgt, autet:
Der Deutsche Landwirtschaftgrat beschließt: Die Neuerungen, die in der Novelle zum , gegen den unlauteren Wettbewerb vorgeschlagen werden, nd im Interesse der Landwirtschast willkonmen zu heißen. Gine Klar. stellung oder Erweiterung würde zu 51 Abs. 1, 5 5 Abs. 2, §z 19 Abs. 1 und 5 13 Abs. 1 wünschenswert sein: a. zu § 1 die Einfügung der Worte auch landwirtschaftlicher in der Wortfolge „von Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen', — also wie im § 4 Abs. 3; b. ju § 5 die Einfügung der Worte oder den Bestand einer Konkurzmasse ausmachen“ hinter den Worten noch zum Bestande einer Konkursmasse gehören‘; C. zu 5 1 die Einfügung der Worte A(ingbesondere ihrer Bestandteile) als Zusatz ju dem Worte Beschaffenbeit ‘; d. zu § 13 eine Faffung. zu finden, durch die auch die nicht unmittelbar im gewerblichen Leben stehenden Unternehmungen, wle die „3ffentlichen Sparkafsen“, wirtschaftliche Frauenschulen auf dem Lande?“ usw., mit- geschtzt werden.
en letzten Gegenstand der Tagesordnung für die gestrige Sitzung bildete die Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf, betreffend Aenderungen des Gerichtsvperfassungsgesetzes, der Zivil prozeßordnung, des Gerichtskostengefetzes und der Ge⸗— bübrenordnung für Rechtganwälte, über den gleichfalls Ober landesgerichtsrat Schneider referierte. Auf seinen Antrag wurde folgender Beschluß gefaßt:
Der Deutscht Landwirtschaftgrat erklärt, in allen Punkten an seinem Beschluffe von 1908 festzuhalten, glaubt aber die ufmerksam⸗ keit der leitenden Stellen noch besonders auf die Uebelstände lenken zu sollen, die dag Armenrechtswesen für die Betelligten, die Gerichte und die Anwaltschaft mit sich bringt. Der aufrechterhaltene Beschluß der Plenarversammlung von 19038 lautet, wie folgt:
Der Deutsche Landwirtschaftsrat beschlleßt: Der vom Reichs⸗= justijamt ausgearbeitete Entwurf einer Novelle zur Zivil prozeßordnung wird in seinen Grundzügen gebilligt. Jedoch erscheint es dringend wünschen wert, daß eine besondere Amts⸗ gerichtgzordnung ausgearbeitet werde, und daß außerdem bei der Umgestaltung des Zivilprozeßgesetzes die in früheren Ver⸗ handlungen des Deutschen Landwirtschaftsrats und seines Ausschuffeg geäußerten Vorschläge, betreffend Beseitigung der Eidegs« zuschiebung und deren Eisatz durch eidliche Partelvernehmung, eine fakultative Mündlichkeit wie im preußischen Verwaltungsgerichttz⸗ verfahren, die Teilnahme von Laienrichtern an der Zivil« gerichtsbarkeit — allgemein in gewissen Streitsachen oder auch in diesen nur auf besonderen Parteiantrag —, endlich eine freiere Stellung der Gerichte bei der Beweigserhaltung, etwa nach dem Vorbilde des § 12 im Reichsgesetze über die freiwillige Gerichtebarkeit, eine genügende Berücksichtigung finden.“
Getreidehandel in Genua während der Monate November und Dezember 1908.
Weichweisen: Anfang November beunruhigten Nachrichten über starke Fröste in Argentinien den Weltmarkt. Die Lieferanten von neuem Platawetjen jogen sich n,. gänzlich vom Markte zurück, bis sich die Berichte über die Frostschäden als übertrieben herausstellten. Gleichwohl versuchten die Verkäufer von Wesch—⸗ wehsen aller Art höhere Preise zu erlangen, stießen aber bei den Abnehmern allgemein auf Widerstand, da diese sich weigerten, für Plataweijen 2l, 50 und für Donau⸗ weijen 2175 — 22 Fr. zu jablen. Die Preise gingen dann auch langsam zurück und hielten sich bis Ende Dejember auf der im Okiober erreichten Höhe. le einheimischen Weichweizen gingen im Preise jurück. Die Umsätze waren jedoch gering, da man abwarten wollte, welche Stellung die italienische Regierung den Anträgen auf Herab⸗= setzung des Wezenjolls gegenüber einnehmen würde. Als sie dann Anfang Dezember in der Abgeordnetenkammer ihre ablebnende Haltung zu erkennen gab, gingen die Preise merklich in die Höhe und werden voraussichtlich noch weiter steigen. Dies hatte eine Belebung des Geschäfts in augländischen Weich weijen zur Folge. Im Vor dergrunde stand die argentinische Ware, jedoch fanden auch Weijen aus den Donauländern und Südrußland namentlich nach Oberitalien lebhaften Absatz. Süditalien, das jetzt seinen Bedarf auß den früher gekauften Weichweljen der nord- amerilanischen Pacsfieküste deckt, bejog sowobl im November als auch im Dezember auch Weizen deutschen Ursprungs zum Preise von 20,50 — 21,25 Fr. cif Neapel.
Hartweizen: Mit Schluß der Ajowschiffahrt, die verhältnig.= mäßig früher eintrat, rechnete man auf eine ge ng der Preise. Diese trat jedoch nicht ein, da man namentlich in Süditalien noch hinreichend mit Hartweijen versehen war, und überall starke Ankünfte von nordamerikanischer Ware zu verzeichnen war.
Mais sowohl in November als auch Dezember, namentlich bei nahen Verladungen behauptet.
t en, war trotz der billigen Preise der Auslandware fast um⸗ atzlos. .
Ende Dezember 1908 bis Anfang Januar 18909 stellten sich die Preise für 100 kg eif Genua, wie son r!
Ghirea Ulka Nireolalew 21½ — 21,50 Fr., Plataweichwezen 20 50 205 Fr., Donauweichwelzen 21. — 21,550 Fr., Ulka Taganrog 2115 — 2150 Fr., italienischer Weichwelzen lombardischer Mittel- qualität 29-29. 25 Lire franko Mailand, Noworossisk Hartweßzen 22 25 Fr., Makkaroni Durum 1 21146, Fr., Mals (Donau) 14,25 bi 185,75 Fr., Mais (Plata) 13,50 - 14.25 Fr., Mals (Inlandware) 17,50 —- 20, 75 Lire franko Mailand, Hafer 12,75 Fr., Haser (Inland ware) 18 — 19,50 Lire franko Malland.
An Getreide waren in Genua vorbanden:
am 31. X. 08 30. XI. 08 31. XII. O08
Weichweijen . 5 000 19000 20 000 dn rtweizen .. 16 000 13 000 6 000 . 1 24 0090 14000 Hafer 24000 25 000 18 000 .
Nach Savona wurden eingeführt im Nobember 441,3 6 und im Deijember 156,6 t Hafer, wobon Ende Dezember 100 4 auf Lager blieben. Der Preis stellte sich auf 18 — 19.50 Lire. (Bericht der Kaiserlichen Generalkonsulats in Genua.)
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