1909 / 42 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 Feb 1909 18:00:01 GMT) scan diff

auf die Wertschäͤtzung , . die wir für seine Ausführungen hegen; anderseits wußten wir voraug, daß der Abg. Kreth und er in dieselbe Posgune blasen würden. Der Abg. Dr. Arendt hat seine früheren Angriffe gegen den früheren Prästdenten Koch auch heute wiederholt; wir denken über den langjährigen verdienstvollen Leiter der Reichsbank anders. Heute liegen die Dinge wirtschaftlich ganz anders als in den schweren Tagen der Krisis, wo Dr. Koch an der Spitze des Instituts stand. Wir sind noch heute der Meinung, daß Dr. Koch damals der richtige Mann an der richtigen Stelle ge⸗ wesen ist. Auch der Abg. Kreth bat sich mit der Bankenenquetekommission beschäftigt; ich hätte nur gewünscht, daß der Abg. Kreth deren Beratungen beigewohnt hätte. Er würde dann wissen, daß diese Kommission festgestellt hat, daß eine große Anzahl von Wünschen von jener Seite, zumal in landwirtschaftlicher Hinsicht, sich als unerfüllbar erwiesen hat. Die amerikanische Krise hat ihren Rückschlag auch auf unsere Verhält⸗ nisse ausgeübt. Ansichten wie die des Abg. Arendt sind ja ziemlich weit verbreitet. Eine Folge davon ist auch ein G. E. wie der über die Erhöhung der Telephongebühren. Die Gründe, die gegen die Ver⸗ staatlichung der Reichsbank bestehen, sind oft genug vorgebracht worden. Es ist auch nicht richtig, daß die Landwirtschaft von der Reichsbank als Aschenbrödel behandelt wird. Die Bankenquete hat das durchaus widerlegt. Die Landwirtschaft hat außerdem andere Institute zur Verfügung; die Reichsbank hat für sie nicht die nötigen Mittel. Ich wäre sehr damit einvperstanden, wenn der Reichsbank präaͤsident eine Verlängerung des Relchsbankprivilegs auf 15 Jahre vorgeschlagen hätte. Was die Erhöhung der Betriebsmittel der Reichebank betrifft, so glaube ich, daß, nachdem gestern der Diskont auf 35 ot heruntergesetzm ist, wir so bald nicht so hohe Erträgnisse der Reichsbank bekommen werden. Wir halten die Erhöhung des Reservefonds für den richtigen Weg. Die Kapitalserhöhung kann in der Tat ausscheiden. Was die Goldprämie betrifft, so lassen sich die Verhältnisfe Frankreichs mit den unserigen nicht ver⸗— gleichen. Frankreich ist ein stabileg Land. Deutschland da—⸗ gegen hat eine steigende Einfuhr, und wenn wir die Goldprämie einführen, so würden die Rohprodukte für uns teurer werden. Wir sehen ez als richtig an, daß die Regierung infolge der Bank⸗ enquete von jeder Aenderung der Organisation der Reichsbank völlig Abstand genommen hat. Den Vorschlag des Abg. Dr. Arendt, 32 Millionen aus dem Reservefonds an das Reich abzuführen und damit die Finanzreform zu erledigen, wird nur ein kleiner Teil hier im Haufe billigen können. Wenn man glaubt, daß durch die Organisalion der Reichsbank etwas gebessert werden kann, so mache ich darauf aufmeiksam, daß ein gut Teil der Schuld an der schlechten Situation in Deutschland unsere Handels, und Wittschafis⸗ politik trägt. Da sollten die Herren auf der Rechten endlich einmal ihr Herz für den Mittelstand entdecken und direkte Steuern bewilligen, anstatt in der Organisation der Reichsbank einige Kleinigkeiten ändern zu wollen. Das steuerfreie Notenkontingent bat sich in DVeutschland ganz gut bewährt. Eine Verstärkung des Barvorrats der Reichsbank wird durch die im Aritikel 3 der Vorlage vorgesehene Verleihung der gesetzlichen Zahlkrast an die Reichsbanknoten nicht erreicht. Es handelt sich dabei nur um die Kodifikation eines bereits bestehenden Zustandes, denn der größte Teil der Bevölkerung hat überhaupt keine Ahnung davon, daß die Noten der Deutschen Reichsbank keine gesetzliche Zahlkraft haben. Daß die Bahnen die Noten künstig in Zahlung nehmen sollen, haben wir mit Genugtuung gehört. Ich möchte den Staatssekretär bitten, diese Einrichtung auch auf die Postanstalten auszudehnen. Wenn die Resolution, betreffend völlige Freizügigkeit der Privat⸗ banknoten, keine Annahme gefunden hat, so haben wir nichts anderes erwartet. Den Noten der Privatnotenbanken gesetzliche Zahlungs⸗ kraft beizulegen, würde den Grundsätzen unsereg ganzen Systems widersprechen und auch praktisch Schwierigkeiten ergeben. Da aber durch die Verleihung der Zahlkraft an die Noten der Reichsbank eine Deklassierung derjenigen der Privatbanken eintritt, und die Reichsbank außerdem noch durch die Heraufsetzung des Kontingents ein weiteres Privileg erhält und überdies seit einiger Zeit den weiteren Vorteil hat, der darin liegt, daß sie auch Noten unter 100 M aus⸗ geben kann, so erscheint es wünschenswert, den Privatnotenbanken auf andere Weise auch etwas mehr entgegenzukommen. Dies könnte vielleicht dadurch gescheben, daß die Bindung der Privatnotenbanken an den Satz der Reichsbank aufgehoben würde. Technische Schwierigkeiten sind mit diesem Vorschlage nicht ver— bunden, und die Privatnotenbanken sind ein wichtiges Element in den Staatsbetrieben. Eine Eingabe der Handelskammer Ulm an das württembergische Finanzministerium bringt die gleichen Gedanken wie der Abg. Speck zum Ausdruck; sie wünscht, daß die Noten der Bayerischen und der Badischen Notenbank nicht allein an den Reichs bankstellen, sondern auch an allen öffentlichen Kassen in Zahlung genommen werden, und hält eg für angebracht, daß die Reichsbank mehr als bieher ihre einzelnen Stellen da, wo auch Privatnoten⸗ banken sind, anweist, die Privatnoten nicht mehr zu ungelegenen 2836 in großen Posten an die Privatnotenbanken zurückzugeben. amit würde die Reichsbank den Privatnotenbanken den allergrößten Dienst erweisen und die weltere Prosperität der Privatnotenbanken im Sinne der Bundesstaaten und der Einwohnerschaft fördern. Die vorgeschlagene Verteilung des Gewinns und die Ueberführung eines Teiles desselben an den Reservefonds billigen wir durchaus. Wir wollen nicht das Erträgnis der Anteilseigner noch weiter schmälern. Ueber ju hohe Dividenden haben sich die Anteilseigner, abgesehen von den zwei bekannten Jahren, bisher nicht beklagen können, und sie tragen doch auch das ganze Risiko; auch werden die Anteile nicht zum Parikurse, sondern zu 145 oder 1850 os0 erworben. Der Ankauf der Schecks vollzieht sich heute bei den Banken noch sehr schwerfällig, besonders weil die Spesen noch recht hoch sind; hoffent— lich gestaltet sich diese Ginbürgerung bei der Reichaäbank leichter. Auch mit den Schlußbestimmungen der Vorlage sind wir ein⸗ verstanden und freuen uns, daß an den bewährten Grundlagen der Reichsbank nichts geändert wird. Hierauf wird ein Vertagungsantrag angenommen.

Persönlich bemerkt der

Abg. Speck (Zentr.), daß er elnen gesetzlichen Kurs für die Noten der Privatnotenbanken nicht verlangt habe; er habe nur den Wunsch ausgesprochen, daß man den Noten der Privatbanken auf irgend einem Wege mehr, als es in der Vorlage geschehe, entgegen kommen möge.

Schluß nach 586, Uhr. 2 Uhr. (Fortsetzung der Rechnungsvorlagen.)

Nächste Sitzung: Donnerstag eben abgebrochenen Beratung;

Preustischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 33. Plenarsitzung vom 17. Februar 1909, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffg Telegraphischem Bureau.)

Das Haus setzt die erste Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des Allgemeinen Berg⸗ . vom 24. Juni 1865/1892 und 14. Juli 196056, fort. * Verbindung damit werden beraten die Anträge a. der Abgg. Dr. Szuman und Genossen, betreffend die geheime Wahl der Knappschaftgältesten, die Einführung von Vertrauens⸗ männern der Bergarbeiter und die Einführung des Acht⸗ stundentags in den Bergwerken, p. der Abgeordneten Aronsohn und Genossen, betreffend die Einführung von Vertrauens⸗ männern der Bergarbeiter und die reichsgesetzliche Regelung des Bergrechts, c. der Abgeordneten Imbusch und Genossen, betreffend die Mitwirkung der Berg⸗ arbeiter bei der Grubenkontrolle und die reichsgesetzliche Regelung der Bergarbeiterverhältnisse, d. der Abgg. Kraufe

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e, d,. und Freiherr von Zedlitz und Neukirch, etreffend die Verantwortlichkeit der Bergwerksbetriebsbeamten und Werksbesitzer und die Mitwirkung der Arbeiterausschüsse bei der Grubenkontrolle.

Abg. Kapitza (Pole): In einem Blatte war vor kurzem ein Bild: Vor einem Haus mit der Inschrift „Ministerium“ stand ein Bergmann, neben ihm ein Kohlenwagen, und am Wagen war eine Tafel angebracht mit der Aufschrift „Be⸗ schwerden“, zum Fenster sah der Minister heraus. Diesess Bild zeigt sich uns auch hier: der Bergmann sucht Eingang zum Herzen des Ministers mit einer Tafel von Beschwerden und Wünschen; der wirk- liche Minister scheint aber etwas besser zu sein, als der im Bilde gezeichnete, denn er bringt hier eine Bergnovelle, die den Wünschen des Arbeiters entgegenkommen soll. Meine politischen Gesinnungs⸗ enossen begrüßen diese Vorlage, nicht als ob sie alle Wünsche er— fle sondern weil sie einen weiteren Schritt auf dem Wege bedeutet, den die moderne Entwicklung gehen muß. Die Wünsche der Berg⸗ arbeiter sind begreiflich. Wir haben einen Mlllionenetat für Bildungs⸗ zwecke, und die Zinsen dieser Aufwendungen sehen wir in der steigenden Bildung der Arbeiter und der Förderung der Ideale im Volke. Der ungebildete Arbeiter kann sich als soziales Subjekt zufrieden fühlen, aber gerade der gebildete Arbeiter, obwohl er am besten gelohnt ist, fühlt sich unzufrieden; er will an den idealen Schätzen teilnehmen. Dle soziale Meister⸗ schaft wird nicht dahin streben, diese idealen Kräfte nieder— zudrücken, sondern ihnen eine organische Entwicklung zu geben. Im ganzen verfolgt die Vorlage den Zweck, eine Instanz zu schaffen, die zwischen Belegschaft und Bergbeamten vermitteln kann. hoffe, daß dadurch besonders die kleinen Unfälle im Bergbetrieb ver— mieden werden, die statistisch eine viel größere Anzahl von Todes— opfern erfordern als die großen Katastrophen. Derartige Sicherheits⸗ männer aus der Arbetterschast sind wertvoller für die Ver— meidung von Gefahren als alle Sicherheitsvorrichtungen selbst. Damit dle Arbeiter selbst immer mit gesunden Nerven und Kräften bei der Arbeit sein können, fordern wir die Einführung des Achtstundentages im Bergbetriebe durch einen besonderen Antrag, Leider werden die An— stände, die diese Sicherheitsmänner vorbringen, immer als Agitation bezeichnet, im allgemeinen ist es sozialdemokratische Agitatlon, in Oberschlesien heißt eg großpolnische Agitation. Die großpolnische Agitation ist wirklich eine ganz patente Erfindung, sie belohnt, sie be⸗ straft, sie befördert, sie degradiert wenn alle Stricke reißen, kommt die großpolnische Agitation. Wenn wir auch nach dem Wort: „Man merkt die Absicht, und man wird verstimmt“ verstimmt werden durch die Bestimmung, daß die Sicherheitsmänner der deutschen Sprache mächtig sein sollen, so geben wir trotzdem ausdrücklich zu, daß diese Männer, um Berichte zu machen, des Deutschen mächtig sein müssen. Das Gelingen oder Mißlingen dieser Vorlage hängt nicht allein von den Gesetzgebern, sondern auch von den Arbeitgebern und den Arbeitern ab. Ich würde mich freuen, wenn der Gesetz« e,. wesentlich verbessert aus der Kommission ans Plenum zurück⸗ gelangte.

Abg. Wolff⸗Lissa (fr. Vgg.):; Dle Vorlage regelt mit Recht die Verantwortlichkeit für den Bergbaubetrieb. Bisher war nur der Betriebsführer verantwortlich, er war das, was man bei einer Zeitung Sitztedakteur nennt. Daß die Sicherheitsmänner ihre Ab teilung nur einmal im Monat befahren sollen, ist etwas wenig. Die Garantien für die Sicherheitsmänner sind gleichfalls nicht ge— nügend; sie sollen ihr Amt verlieren, wenn die Voraussetzungen nicht mehr zutreffen, unter denen sie gewählt sind. Zu diesen Voraus⸗ setzungen gehört die Zugehörigkeit des Sicherheitsmannes zu der Steigerabteilung, von der er erwählt ist. Ob er aber in dieser Ab⸗ teilung bleibt, hängt nicht von ihm ab, sondern lediglich von dem Arbeit⸗ geber, der ihn in eine andere Abteilung versetzen oder ihn auch über Tage beschäftigen kann. Der Sicherheltsmann soll ferner abfetzbar sein, wenn sein Lebengwandel Anstoß erregt; das ist aber ein sehr dehnbarer Begriff. Der Sicherheitsmann soll nur in Begleitung eines Werksbeamten die Befahrung vornehmen, und zwar wegen seiner eigenen Sicherheit, damit er an politischen Agitationen verhindert wird. Auf den letzteren Grund legen wir wirklich keinen Wert; es wird schon so viel unter den Arbeitern agitiert, daß es wirklich nicht darauf ankommt, ob der Sicherheitsmann sich daran beteiligt. Aber wir halten diese Begleitung des Mannes durch einen Beamten für notwendig im Interesse seiner Sicherheit und im Interesse der Ordnung im Betriebe. Zur Beruhigung der Arbeiter wird es am meisten beitragen, wenn der Sicherheitsmann auch an den Unfallverhütungsvorschriften mitwirkt; denn bisher waren die Arbeiter und die öffentliche Meinung immer darüber beunruhigt, daß man sagen konnte, die Arbeitgeber und der Staat seien daran schuld, wenn die Unfälle nicht verhütet würden. Vie Vorlage ist ein Akt politischer und staatsmännischer Klugheit. Wir erkennen an, daß die Regierung endlich diesen Weg beschritten hat, den wir seit Jahren verlangt haben. Die Sozialdemokratie fordert ebenso wie die Werkebesitzer, daß nicht der Arbeitgeber, son⸗ dern der Staat den Sicherheitsmann bezahle. Wenn die Sozial— demokratie geschickter wäre, müßte sie . daß die Arbeit⸗ geber dieselbe Forderung vertreten. Die Werksbesitzer wünschen die Bejahlung durch den Staat, weil sie sich sagen, daß sie einen von ihnen bezahlten Sicherheitsmann nicht so leicht absrtzen könnten, ohne sich die ganze Belegschaft auf den Hals zu ziehen. Ich will zwar nicht von der Sozialdemokratie glauben, daß sie die Bezahlung durch den Staat deshalb wünscht, um bei Unglücksfällen sagen zu können, der Staat sei daran schuld, denn der Sicherheitsmann könne natürlich nichts sehen, wenn er vom Staate bezahlt werde. Aber woher kommt plötzlich dieses Vertrauen der Sozialdemokratie zum Staate, daß sie den Vertrauensmann der Arbeiter von diesem abhängig machen will? Deshalb ist es ein gesunder Gedanke, daß der Sicherheitsmann von den Arbeitern selbst bezahlt werden soll. Aller dings ist dabei die materielle Seite der Frage in Betracht zu ziehen; es fragt sich, ob die Arbeiter die Mittel dafür aufbringen können. Aber wenn die Arbeiter den Sicherheitsmann selbst bezahlen können, dann kalte ich das für die beste Lösung; denn dann ist er Angestellter der Arbeiter. Bei der letzten Bergnovelle, in der wir das Nullen beseitigten, wurde ja auch auf unseren Antrag beschlossen, daß die Acheiter die Vertrauensleute bezahlen, welche eine Kontrolle über die Wagen ausüben; die Unternehmer haben dafür die Mittel nur auszulegen. Allerdings scheidet der Sicherheitsmann dann eigentlich aus der Belegschaft aus, aber wenn man eine Bestimmung trifft, daß er nur für die Zeit seiner Tätigkeit als Sicherheits—⸗ mann ausscheidet, dann hat man alleg, was man braucht, damit der Sicherheitsmann wirklich ein Vertrauensmann der Arbeiter ist. Der hauptsächlichste Zweck muß dahin gehen, daß den Sicherheits⸗ männern ein festes Rückgrat geschaffen wird, sowohl gegenüber den Grubenbesitzern wie auch gegenüber den Arbeitern. Dle Frage der reichsgesetzlichen Regelung des Bergrechtes wird von nationalliberaler Seite damit bekämpft, daß man Preußen nicht auch noch das bißchen sozialpolitische Betätigung nehmen solle. Preußen kann sich noch genug betätigen in dieser Hinsicht auf dem Gebiet der Gesindeordnung und in der landwirtschaftlichen Arbeiterfrage. Auch sollen die Verhaäͤltnisse in Deutschland grundverschieden sein. In bezug auf die Berggesetz⸗ gebung sind sie eg nicht, Bayern und Sachsen haben nahezu dasselbe Bergrecht. . (

Darauf wird ein Schlußantrag mit schwacher Mehrheit angenommen.

Das Schlußwort für den Zentrumsantrag erhält

Abg. Dr. Bell (3entr): Trotz der Anzapfungen des sozial⸗ demokratischen Redners begrüßen wir den Grundgedanken des Gesetzes mit Freuden. Selbstverständlich sehen wir in der Einführung von Arbeiterkontrolleuren kein Universalmittel gegen Grubenunfälle. Aber schon der Gedanke, daß Hunderttausende von Bergleuten in den Sicherheitsmännern eine Beruhigung erblicken, müßte uns zu deren Einführung bestimmen. Ich muß Verwahrung gegen die Behauptung des Abg Leinert einlegen, daß soztaldemokratische Arbeiter keinen Schutz finden sollen, weil sie Sozialdemokraten sind. Wir hoffen, daß es der 28 gliedrigen Kommission, die ich hiermit für dieses Gesetz vorschlage, gelingen möge, ein alle Teile

tun,

befriedigendes Ergebnis zu erzielen. Der Abg. Leinert sprach hier wie ein sozialdemokratischer Versammlungsredner, den Sozialdemokraten sst jede soziale Reform der bürgerlichen Gesellschaft ein Dorn im Auge. (Abg. Hir sch (Soz.): Ist ja lächerlichh Vor allem lege sch Verwahrung dagegen ein, daß der Abg. Leinert sich als Beschützeꝛ der christlichen Arbeiter hier hinstellt. Abg. Hoffmann (Soz.); Die Aufregung nutzt nichish offentlich wird der Minister auch in bezug, auf die reichsgesetzliche Regelung dez Bergrechts aus einem Saulus zu einem Paulus, ebenso wie er es in bezug auf die Arbeiterkontrolleure geworden ist. (Der Redner zitiert darguf eine Reihe bergrechtlicher Autoritäten, die sic alle für eine Reichsberggesetzgebung ausgesprochen haben.) (Prö— sident von Kröcher: Aber Herr Abgeordneter, Sie lesen wirklich ein bißchen viel vor) Ich hoffe, daß die Regierungsvorlage in der Kommission so gestaltet werden möge, daß sie eine geeignete Grund, lage für eine Reichsberggesetzgebung bilden kann.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Die reicht, gesetzliche Regelung des Bergrechts müssen wir glatt ablehnen, und wir erwarten, daß die preußische Reglerung im Bundesrat sich nich daju wird verleiten lassen. Bestimmend sind für uns Zweckmäßsg, keitsgründe. Die Verhältnisse des Bergbaues und der Bergarbester sind in Preußen so eigenartig, daß die Regelung dieser besonderen Verhältnisse nicht durch den Kampf um ein allgemeines sozialpoltij. sches Gesetz beeinträchtigt werden darf. Es läßt sich wohl im Reich ein einheitliches schematisches Gesetz über Arbeiterverhält, nisse machen, dabei würden aber die besonderen Verhäliniss⸗ der Bægarbeiter niemals zur vollen Berücksichtigung gelangen. Deshalb müssen wir, wenn in der Reichsgesetzgebung die Arbeiterverhältnisse in Betracht kommen, in Preußen doch fragen, oh die Richtschnur, die dort gegeben ist, für die Bergarbeiter paßt oder nicht nach ihren besonderen Bedürfnissen in der einen oder anderen Richtung abgeändert werden muß. Dazu kommt noch eins. Alle parlamentarischen Versammlungen, die aus dem allgemeinen Wahlrecht erwachsen, haben naturgemäß die Neigung, ihren zahlreichen Wählern und nicht dem allgemeinen Interesse Rechnung zu tragen; es besteht dort eine starke Neigung, die individuellen Interessen der großen Massen einseitig in den Vordergrund zu stellen. Der Reichstag kann naturgemäß keine Ausnahme machen, denn er beruht auf dem radikalsten Wahlrecht. Bei der Demokratie waltet dort die Neigung ob, den Bylantinismus vor den großen Wählermassen zu betätigen, und eine solche Körperschaft kann nicht volle Objektivität wahren und wid immer geneigt sein, die Arbeiterinteressen, weil sie Wähler— interessen sind, über das Maß des Notwendigen hinaus zu berücksichtigen, aber niemals nach sachlichen, objektiven Merk— malen zu urteilen. Dieses Haus auf der Grundlage der Drei klassenwahl hat durch die einmütige Annahme des Lehrerbesoldungk— gesetzis und der Besoldungsordnung der Beamten und demnächst auch der Deckungsfrage eine Probe der Leistungsfähigkeit objektiver Natur gegeben, wie es bisher der Reichstag noch nicht getan hat. Ich wiederhole also die Aufforderung an die Regierung, sich nicht zu einer reichsgesetzlichen Regelung des Bergrechts verleiten zu lassen. Der Bergarbeiterkongreß in Berlin hatte wesentlich einen sozial— demokratischen Charakter, wenn auch die Hirsch⸗Vunckerschen Gewerk vereine sich dazu hergegeben haben, den Anschein zu erwecken, als sei das nicht der Fall. 6 ist erfreulich, daß die christlichen Bergarbeiter= vereine an dem Kongreß nicht teilgenommen haben, während die Hirsch= Dunckerschen Vereine in der Tat nur das Mäntelchen der Allgemeinhest hergegeben haben. Meine Freunde meinen, daß die Arbeiterkontrolleune in sozialdemokratischem Sinne, die vom Arbeitsverhältnis lot— gelöst und für größere Bezirke angestellt sind, nicht nur nicht zum Schutze von Leben und Gesundheit der Arbeiter dienlich, sondern Fogar schädlich und für den sozlalen Frieden geradezu gefährlich sein würden, nicht nützlich, weil sie gar nicht in der Lage wären, wie die Arbeiter selbst anerkannt haben, die Aufsicht zu führen, wo wirkliche Sachkunde erforderlich ist. Kein Arbeiter kann für größer Reviere überhaupt mit Nutzen eine Aufsicht fübren, das kann er nur für kleine Abteilungen, in denen er mit dem Betriebe voll und gan vertraut ist, für größere Aufträge reicht seine technische Ausbildung nicht aus. Da würde seine Aufsicht nutzloß und nur ein Ballast sein. Außerdem würde eine solche Aufsicht seitens der Belegschaft naturgemäß der Disziplin, dem allerfestesten Fundament der Sichei⸗ heit des Bergbaues, auf das äußerste abträglich sein. Zudem mürde man dazu nicht die Leute auswählen, die besonders geeignet sind, sondern diejenigen, die sich um die sozialdemokratische Agitation besondere Dienste erworben haben. Diese sosialdemokratischen Arbeiterkontrolleurstellen würden tatsächlich mit sozialdemokratischen Agitatoren besetzt werden, diese vom Staate besoldeten Stellen würden also für sozialdemokratische Agitatoren begründet werden. Es würde natürlich ein heller Widersinn sein, daß der Staat die Mittel hirgibt, um sozialdemokratische Agitatoren anzustellen, also für die Fortentwicklung der Sozialdemokratie noch bezahlt. Daß würde ferner zur Verhetzung der Arbeiter und Arbeitgeber und zum sozialen Kriege, nicht zum Frieden führen, deshalb sind wir entschieden gegen die Arbelterkontrolleure im sozialdemokratischen Sinne. Ander seits aber muß der preußische Staat alles, was ohne Schädigung des Gemeinwohls und der Entwicklung der Industrie geschehen kann, um Leben und Gesundheit der Bergarbeiter zu sichern, und das kann geschehen durch die Gesetzgebung und die Verwaltung. Wir urteilen selber darüber, wann es Zeit ist, etwas zu tun, und wir sind der Meinung, daß jetzt etwas zu tun ist, und haben darum unseren Antrag gestellt, der ja in gewissem Grade durch die Vorlage erfüllt wird. Bei der weiteren Beratung werden wir naturgemäß auch die Bedenken der Bergbau— treibenden zu prüfen haben. Freilich müssen wir den Arbeitern eine Mitwirkung an der Kontrolle geben, aber auch so weit wi möglich die Bedenken beseitigen, die die Bergbautreibenden geäußen haben. Als unerläßliche Voraussetzung für die Zulassung der Sicherbeitsmänner sehen wir die obligatorische Begleitung derselben durch einen Beamten an, nicht bloß aus den vom Minister angeführten Giünden, sondern auch weil wir befürchten, daß sonst die Disziplin im Bergwerk nicht aufrecht erhalten werden kann. Wir müssen dafi sorgen, daß die Sicherheitsmänner nicht zu politischen Zwecken gemiß— braucht werden können. können, daß nicht bloß die Sicherheit, sondern auch der Friede im Bergbau gefördert und gesichert wird. .

Abg. Bru st (Zentr.): Der Abg. Leigert hat mich gestern personlih angegriffen; durch den Schluß der Debatte kann ich jetzt darauf nich antworten, behalte eg mir aber für eine spätere Gelegenheit vot. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Darauf wird die Vorlage mit den Anträgen Kommission von 28 Mitgliedern überwiesen.

Das Haus setzt dann die zweite Beratung des Staatz— haus haltsetats für 1909 fort.

Präsident von Kröcher legt den vom Seniorenkonven beschlossenen Kontingentierungsplan für die Beratung der einzelnen Spezialetaiz vor und kündigt für den Fall, daß zie Beratungszeit bei einzelnen Etats überschritten werben solle, die Abhaltung von Abendsitzungen an. .

Das Haus tritt in die Beratung des Etats der Berg“ Hütten- und Salinenverwaltung ein.

Die Einnahme aus Bergwerksprodukten ist Auf 2l6 G63 70 6, d. s. 9 741 306 6 mehr als im Vorjahk,

veranschlagt. Berichterstatter der Budgetkommission Abg. Stenge (freikons.) referiert über die Kommissionsverhandlungen.

einer

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Wir hoffen, die Sache so gestalten u

zum Deutschen Reichsanzeiger und Känigli

. 6 12.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abg. von Kessel (kons.): Der Etat der Bergverwaltung gibt in Riesem Jahre leider ein ungünstigeres Bild. Bevdauerlicherweise Lann man auf die Ursachen der Rentabilität des Betriebes nicht aus den uns vorgelegten „Nachrichten von dem Betriebe der Berg.. Hütten! und Salinenverwaltung während des Etatg— jahres 1907“ schließen. Es ist zwar in diesem Bericht angegeben, sich die durchschnittlichen Selbstkosten an Kohle pro Tonne auf „öh M belaufen, aber es ist nicht gesagt, wie hoch diese Selbft—= kosten sich auf den neueren Gruben stellen. Ich würde bitten, daß im nächsten Etat über einige Gruben, die noch im vollen Betriebe und nicht abgenutzt sind, eine derartige Berechnung gegeben wird. G6 ist interessant, aus der Nachweisung der Arbeitslöhne zu ersehen, Daß die Bergarbeiterlöhne in Oberschlesien seit 18837 um 160 oo desliegen sind, hingegen sind die Arbeitsleistungen seit 1898 von 32 t pro Jahr und Arbeiter auf 341 t im Jahre 1907 zurück- gegangen. Vie sorialpolitischen Lasten des Staates betragen 250 bis 6h αν, pro Kopf der Arbeiterschaft. Bezüglich der Reform der Verwaltung der Bergbehörden können wir uns mit der vom Minister bereits in der Kommission abgegebenen Erklärung zufrieden geben, daß diese Reform nicht eher möglich sein wird, als bis die all⸗ gemelne Verwaltung reformiert wird. Ebenso sind wir damit ein verstanden, daß keine neuen Anlagen gemacht werden, um erst ein klares Bild einmal über die Rentabilität der früheren Anlagen zu bekommen. ch möchte den Minister bitten, energisch gegen die Steigerung der ohlenpreise Stellung zu nehmen. Ich bedaure, daß das Syndikat in den letzten Tagen eine Einschränkung der Förderung um 20 Oo hat eintreten lassen, während es an den Preisen festhält. Ferner viederholen wir unsere alten Wünsche, daß die Genossenschaften bei Bezug von Kohlen ebenso bedacht werden, wie andere große Abnehmer. Foffentlich werden für unsere Bergverhältnisse die fetten Fahre zurück⸗ kehren, die wir hatten.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat eine Reihe von Fragen m Etat erörtert, die vermutlich auch von den folgenden Rednern berührt werden. Es erscheint mir daher zweckmäßig, zur Abkürzung r Debatte jetzt gleich mit wenigen Worten auf die Autführungen g Herrn von Kessel einzugehen und damit vielleicht weitere Er—⸗ örterungen zu ersparen. Herr Abg. von Kessel hat die in der Budget- kommission vorgelegte Vermögengaufstellung bemängelt. Ich möchte daju bemerken, daß diese Vermögengaufstellung nicht etwa auf Grund der Ausführungen einiger Redner bei Gelegenheit der ersten Lesung de Etats ad hoc gemacht ist, sondern sie ist aus Bilanzen zusammen⸗ gestellt, die die einielnen Staatsbergwerke seit Jahrzehnten nach einem bestimmten Formular und nach den in der Einleitung dezselben ge— gebenen Grundsaͤtzen aufzustellen haben.

Bei dieser Aufstellung ist bemängelt, daß die Gerechtsame des Flekus nicht als Vermögengobzekte eingefügt sind. Man kann eine derartige Berechnung so und so aufstellen, man wird aber doch in ge—⸗ vissen Grenzen gegen den Grundsatz nichts einwenden können, daß man Vermögengobjekte, die dem Staate nichts gekostet haben, nicht mit einem gegriffenen Betrage in die Vermögensaufstellung einstellt. Das ist der Grund, weshalb wir darauf verzichtet haben, den Wert derlenigen Gerechtsamen in die Zusammenstellung aufzunehmen, die wir nicht käuflich erworben haben, sondern die wir durch Verleihung oder als Teile des bergfiskalischen Regals in unseren Besitz bekommen haben. Ich fürchte, es wird Schwierigkeiten machen, einen annähernd richtigen Weg für Gerechtsame zu finden, die j. T. in unverritzten Feldern liegen, deren Bedeutung und deren Wert wir entsprechend zu berechnen gar nicht in der Lage sind. Es ist dann bemängelt worden, daß in dieser Vermögentz= aufstellung die Arbeiten unter Tage, die Bauten unter Tage, ins—⸗ besondere die Schachtanlagen nicht berücksichtigt sind. Meine herren, daß die Arbeiten unter Tage in der Hauptsache als laufende Ausgaben gebucht werden, entspricht meines Wissens lauch dem Ge⸗ brauch im Privatbergbau. Man kann darüber streiten, ob es nach Lage der jetzigen Verhältnisse und der Art unserer Bauten richtig ist, daß man auch die Schachtanlagen bei den laufenden Ausgaben ver— bucht, ohne einen entsprechenden Ertrag bei der Vermögenebewertung

n Rechnung ju stellen. Ich bin der Meinung, daß unsere Art der Vermögenzberechnung so lange einwandsfrel war, als der Staat im Pesentlichen nur in seinen Regalbezirken und in den Reservaten Ober⸗ blesiens und in den zugemuteten Revieren gebaut hat. Zweifellos k eine gewisse Unklarheit in unsere Rechnungsführung gekommen, o(leit wir angefangen haben, zujukaufen, und diese Käufe aus den leberschüssen der Werke bestrltten haben. Das geht ziemlich weit zurück. Wir haben vor längerer Zeit in Oberschlesien gekauft, unter underm die Guidogrube, wir haben da in Oberschlesien sehr erhebliche Erwerbungen über Terrain machen müssen, um die Aufschließung

nserer Felder zu ermöglichen, und wir haben dann vor allen Dingen— ie großen Ankäufe in Westfalen gemacht und die dort erworbenen Fllder mit ganz erheblichen Kosten ausschließlich aus den Ueber schässen unserer alten Werke aufzuschlleßen versucht. Daß da— uch ein Moment der Unklarheit in unsere Abrechnung und in unsere Etatsirrung gekommen ist, das ist jwelfellozs. Ich abe das selbst empfanden und auch meinerseits schon erwogen, wie

m abjuhelfen sei. Ich bin bereit, Ihnen jum nächsten Etat einen

Vermögens nachwels vorzulegen, wie ihn der Herr Abg. von Kessel hinscht, aber nicht bloß für eine einzelne Grube, sondern zweck— mäßigerwelse für den gesamten fiskalischen Besitz, und wir werden ant dann darüber einigen müssen, wie wir in Zukunft auf Grund ieser Feststellungen unsere Bllanz aufstellen wollen; denn an sich,

rheine Herren, kann es mir ja völlig gleichgültig sein, ob ich 7 oder

10 o Verzinsung heraugrechne, wenn ich mich nur mlt diesem hohen Pause in bejug auf die Grundsätze eins fühle, wie diese Zahlen er⸗ mittelt werden sollen; darauf kommt ez ja einzig und allein an. Ich ite die Herren also, sich bis zur nächstsährigen Ctatsberatung zu ge¶ uulden. Ih hoffe, Ihnen dann in Form einer Denkschrlft, ähnlich

Res in der Mitte des vorigen Jahrhundents auch bereits geschehen

BR. elne vollständige Uebersicht über den fiskalischen Besitz und seinen

ert geben können, und hoffe dann auch, daß wir ung über die =benn fta gen, wle die einzelnen Werte und wo sie anzusetzen sind, ne Mühe einigen werden.

Zweite Beilage ch Preußischen Staatsanzeiger.

1909.

Berlin, Donnerstag, den 18. Fehruar

Der Herr Abg. von Kessel hat dann hinsichtlich der Löhne Wünsche augesprochen. Ich glaube, daß auch diese Frage zweck mäßig heute nicht beantwortet wird; denn einen Wert würden diese Zahlen nur haben, wenn wir genau wissen, wie sie entstanden sind, und wenn wir die entsprechenden Vergleichsziffern aus der Privat- industrie haben. Wenn hier gesagt wird, die oberschlesische Privat— industrie rechne mit einem Ueberschuß von 3 „, so ist das möglich; aber es ist recht viel, und ich kann nicht wissen, wie die Gestehungt⸗ kosten bei der Privatindustrie berechnet sind. Wenn also die Herren wirklich wissen wollen, wie wir im Staatsbetriebe in bezug auf die Löhne und auf die Gestehungskosten im Vergleich zur Prlvatindustrie stehen, wird es zweckmäßig sein, daß wir auch hier warten, big ich in der Lage bin, Ihnen Unterlagen zu geben, die einen wirklichen Ver= gleich ermöglichen. Auch das bin ich bereit, bis zur nächsten Gtats— beratung zu tun.

Der Herr Abg. von Kessel hat dann ferner darauf hingewiesen, daß im allgemeinen mit dem Steigen der Löhne die Arbeits leistung zurückgegangen sei. Meine Herren, daß ist eine Beobachtung, die Sie dauernd machen können, die Sie bel jeder Hochkonjunktur machen können; es ist eine Beobachtung, die in allen Repleren gemacht ist, daß im großen und ganzen hohen Löhnen nicht besonders hohe Arbeitsleistungen entsprechen. Das ergibt sich aus der Natur der Dinge. Neben anderen Gründen wirkt mit, daß ein großer Teil der Arbeiter sich mit einem gewissen Lohn zufrleden gibt und bei hohen Löhnen nicht so intensiv arbeltet, als er bel geringen Löhnen arbeiten würbe. Dagegen irgend etwas zu tun, sind wir völlig außerstande.

Der Herr Abg. von Kessel ist dann auf die Frage der zahlreichen Feierschichten eingegangen; wir haben uns bei den Etatsverhandlungen, glaube ich, schon wiederholt hier über diese Frage autseinandergesetzt. Sie ist in Oberschlesten ganz besonderg akut, und es ist richtig, daß in Oberschlesien auf einigen Privatwerken der Versuch gemacht ist, das Einlegen von Feierschichten dadurch zu verringern, daß man an die Leute, die ihre Schichten regelmäßig verfahren haben, gewisse Prämien gejahlt hat. Es ist eine entsprechende Anregung auch an die fiskalischen Werke ergangen; sie sind ihr jum Teil gefolgt, zum Teil sind sie ihr nicht gefolgt. Ob bei den figkalischen Werken ein besonderer Gewinn bei der Sache herausgesprungen ist, das bin heute zu sagen nicht imstande.

Ich glaube, damit sind wohl in der Hauptsache die Punkte, die der Herr Abg. von Kessel beantwortet zu haben wünschte, erledigt. Auf die Reform der Verwaltung brauche ich nicht weiter einzugehen, auch auf die Preise glaube ich mich auch nicht einlassen zu dürfen.

Was die Genossenschaften betrifft, so will ich bemerken, daß es meines Wissens uns gelungen ist, überall die Wünsche der Genossen⸗ schaften zu befriedigen. Im Saarrevler hat sich sogar der Abruf der Genossenschaften, soweit ich augenblicklich unterrichtet bin, erheblich niedriger gehalten, als die Menge, die ihnen auf Grund ihrer vor⸗ jährigen Forderungen zugebilligt war.

Ich bitte Sie also, Ihre Wünsche hinsichtlich einer Aufklärung unserer Besitzs und Etatsverhältnisse bis zum nächsten Jahre zurück⸗ zustellen; ich hoffe bestimmt, Ihnen dann alleg das vorlegen ju können, was nicht nur in Ihrem, sondern auch in meinem eigenen Interesse notwendig ist, um eine Klarheit über den Wert und die Er— träge unseres fiskalischen Bergbesitzes zu geben.

Abg. Sauerm ann (Sentr.): Wenn man die gegenwärtige Finanz⸗ lage des Staats berücksichtigt, muß man zugeben, daß der Etat ganz vor⸗ sichtig aufgestellt worden ist. Es ist dem Staat bis heute nicht ge⸗ lungen, durch seine Kohlenförderung einen nennenswerten Einfluß auf die Preisbildung auszuüben. Die staatlichen Werke sind eben zum allergrößten Tell und namentlich im Ruhrgebiet noch in der Ent- wicklung begriffen, und man muß daher erst abwarten, bis sie den Betrieb in vollem Umfange aufnehmen können. Einen großen Einfluß wird der Staat allerdings niemals auf die Preisbildung ausüben können; er hätte schon viel früher im Rubrgeblet eingreifen müssen. Ueber die Preispolitik des preußischen Fiskus sind namentlich in der „Frank⸗ furter Zeitung“ lebhafte Klagen geführt worden. Es wurde behauptet, daß der Fiskus mit dem Kohlensyndikat Hand in . gehe und be⸗ sonders die kleinen Abnehmer nicht genügend berücksichtige. Wir wollen ung mit diesen Stimmen nicht identifizieren; aber ich bitte den Minister hierüber um Aufklärung. Die staatliche Berg— verwaltung muß auch mit kleinen Abnehmern Verträge abschließen, im Gegensatz zu dem Kohlensyndikat, das Kohlen nur an ganz große Abnehmer abgibt. Die Ausfuhr der Kohlen sollte man einschränken, vor allen Dingen aber die Kohlen an das Ausland nicht billiger verkaufen als an das Inland. Die Einfuhr der Kohlen betrug im Jahre 1908 11 661 500, die Ausfuhr 21 062400 t. Die Einfuhr ist zurückgegangen um 2 060 000 t, die Ausfuhr da—⸗ egen gestiegen um 16091 600 t. Von den eingeführten Steinkohlen . allein über 10 Millionen Tonnen aus England, der größte Abnehmer für die Ausfuhr preußischer Koble war Oesterreich- Ungarn. Gegenwärtig steht Deutschland unter den Abnehmern englischer Kohle immerhin noch an dritter Stelle, trotzdem die Einfuhr fällt und die Ausfuhr steigt. Nun darf man aber die Ausfuhr der Kohle nicht zu sehr beschränken. Es sind ganz gewaltige Kapitalien in die neuen Bergwerksanlagen hineingesteckt worden, und diese Anlagen würden nicht voll ausgenutzt werden können, wenn die Ausfuhr zu stark und zu plötzlich eingeschränkt würde. Daraus würde sich wieder eine erhebliche Verteuerung der Selbstkosten und schließlich eine Steigerung der Kohlenpreise ergeben. Die Löhne sind in der letzten . esunken; namentlich hat im Ruhrgebiet und in Oberschleslen, n welchen beiden Gebieten allein 77 oso der n, . fig⸗ kalischen Kohlenförderung gefördert werden, in den letzten 20 Jahren die prozentuale Steigerung der Löhne mit der prozentualen Steigerung des Wertes der geförderten Kohle nicht Schritt gehalten. Meine Freunde meinen, daß die Löhne in Zeiten niedergehender Kon— junktur stabil gehalten werden müssen und nicht wie in der Privatindustrie herabgesetzt werden dürfen. Daß die Leistungen der Bergarbeiter sich verringert haben, muß ich als praktischer Bergmann, der selbst lange Jahre in der Grube gearbeitet hat, bestreiten. Das sind Behauptungen, die von Leuten aufgestellt werden, die sich nur aus Zeitungen zu unterrichten pflegen. inder⸗ leistungen können wohl in einzelnen Fällen vorkommen, aber nicht im allgemeinen. Jeder Bergmann braucht erst eine gewiß Zeit, um sich einzuarbeiten. Da die Betriebe nun immer größer werden, ist es möglich, daß zeitweise einmal eine Minderlesstung eintritt. Es kommt ferner vor, daß ein Drittel der Arbeiter zum Bergeversatz verwendet werden muß, und dann sinkt natürlich die r. ziffer der gesamten Belegschaft. Ebenso werden viele Arbelter 1 Aufschließungsarbeiten verwendet, und das ist unter Umständen eln

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guter Gedanke, wie die Zeche Friedrich der Große bei . zeigte, die bei rückgängiger Konjunktur so viele Aufschließungsarbeiten verrichten ließ, daß sie nachher mit einem Male sehr viel fördern konnte. Bet älteren Gruben sind viele Reparaturarbelten erforder— lich, die wiederum die Förderungsleistungen herabdrücken. Zuerst werden die guten Plätze einer Grube ausgebeutet, dann aber greift man auf die minderguten Plätze zurück, und dann ist wiederum die Förderung nicht so groß. Von 1865 1907 ist die Tonnenleistung für den Mann von 2088 t auf 2471/6, t, gestiegen. Meine Freunde sind erfreut, daß in diesem Etat für Wohltätigkeilszwecke erhebliche Mittel vorgesehen sind, und wir danken be— sonders dem Minister, daß er durch die Ausführung der Bestimmungen des Knappschaftsgesetzes über das Wahlrecht der unständigen Mitglieder für die Wuͤnsche der Arbeiter ein besseres Verssändnts gezeigt hat, als das Oberbergamt in Dortmund. Als ein Unfug J. es bezeichnet werden, daß auf den Abkehrscheinen die Religion der Famil enangehörigen angegeben wird. Was hat die Religion der Frau und Kinder mit der Bergarbeit des Manneg zu tun? Ist dag etwa ein neu 8 Sperr ystem? Die Bergleute im Ruhrrepier betrachten die staatlichen Aussichta⸗ beamten, besonders die jungen Assessoren nur als solche, die diese Stellung als llebergangsposten ansehen. Das Oberbergamt Dort⸗ mund trägt selbst dazu bei, den Arbeltern das Vertrauen zu nehmen; es nimmt den Arbeiterorganisationen gegenüber dieselbe Stellung ein, wie der Bergbauliche Verein. Die Stellung dieses Vereins kann man wverstehen, aber die stagtliche Bergbehoöͤrde foll unparteiisch sein. Die Benutzung der Bibliothek des Ober⸗ hergamtes soll aber den Arbeiterorganisationen aus grundsätzlichen Erwägungen! nicht gestattet sein. Ich frage den Minister, 9b das Oberbergamt das aus eigener Initiative tut. In Oberschlesien ist ein großer Teil aller Bergleute rüdsichtelos entlaffen worden, weil sie für Wahlmänner des Zentrums gestimmt haben. Vie Betriebsführer im Ruhrgebiet sind Überlastet; sie können nicht gleich—= jeitig den Betrieb in der Grube und in den umfangreichen Werk⸗ stätten über Tage überwachen. Gin Fehler ist es, daß die Bergleute Erfindungen, die sie machen, an ihr Werk preisgeben müssen und nicht für sich selbst ausnutzen können. Die Bergleute halten darum mit ihren Erfindungen lieber zurück. Durch die Februarerlasse von 1896 sind Arbeiterkammern verheißen worden; endlich ist jetzt dem Reichstag ein Gesetz darüber vorgelegt. Ich spreche dem Minister meinen Dank dafür aut, daß auch die Bergleute in die jetzt geplanten Arbeits- kammern einbezogen werden.

Darauf wird Vertagung beschlossen.

Präsident von Kröcher schlägt vor, morgen die Beratung fort⸗ iusetzen und außerdem die dritte Beratung der Pfarrerbesolbungs— gesetze auf die Tagesordnung zu setzen.

Abg. Hoffmann (Soz.) verlangt, daß nicht die dritte, sondern die jweste Beratung dieser Gesetze angesetzt werde, da neulich die jweite Beratung nicht geschäftsordnungsmäßig erledigt sei. Der Schlußgntrag, durch welchen ihm das Wort abgeschnitten sei, sei nach Probe und Gegenprobe angenommen worden. Nach der Geschãftg ordnung und dem Kommentar des Bureaudirektors Plate dazu sei beim Zweifel über einen Schlußantrag eine Gegenprobe un= julässig, der Antrag gelte vielmehr als abgelehnt. In der Sltzung vom 23. November 1882 sei so verfahren worden.

Präsident von Kröcher erwidert, daß er keine Bestimmung der e f e mn kenne, wonach beim Schlußantrag eine Gegenprobe unzulãässig sei.

Abg. Hoffmann (Soz.) veiweist darauf, daß in der Sitzung vom 23. November 1887 der Abg. von Cunh den Präͤsidenten bon Köller darauf aufmerksam gemacht habe, kn nach alter Praxis des Hauses ein Schlußantrag bel zweifelhafter Abstimmung ohne Gegen probe als abgelehnt gelte, und der Präsident das damals anerkannt und den Schlußantrag für abgelehnt erklärt habe.

Abg. Dr. Por sch (Zentr.), der bei dem neulichen Fall das Präsidium

führte, bemerkt, daß gegen sein Verfahren kein Widerspruch erhoben worden und ordnungsmäßig zur Abstimmung geschritten worden sei. Es könne also nicht behauptet werden, daß die jwelte Lesung nicht abgeschlossen sei.

Abg. Hoffmann (Soz.) erklärt, er habe nicht widersprochen, weil er angenommen habe, daß der Vtzepräsident die Geschäftgordnung kenne, über die er zu wachen habe.

Abg. Dr. Porsch (Zentr.) bemerkt nochmals, daß Widerspruch hätte erhoben werden können, aber nicht erhoben worden sei.

Präsident von Kröcher meint, daß ordnungsmäßig verfahren worden sei; eine Gewohnheit des Hauses sei kein jwingender Bewels für die Geschäftgordnung, diese verbiete aber nicht die Gegenprobe bei Schlußanträgen.

Abg. Hoffmann (Soz.) erwidert, daß das Haus die Gewohnheit gebrochen und seine eigene Geschäftsordnung nicht beachtet habe, weil es dies gerade gebraucht habe.

Abg. Dr. Porsch (Zentr.) verliest die Bestimmung der Geschäfts⸗ ordnung, wonach bei Abstimmungen im Zweifel eine Gegenprobe statt⸗ zufinden habe.

Abg. Hoffmann (Sol.) verllest aus dem Kommentar von Plate unter Heiterkeit eine große Reibe von Fällen, in denen beim Zweifel Schluß anträge als abgelehnt erklärt wurden. In Dutzenden Fällen sei so verfahren worden, nur in dlesem nicht.

Abg. Dr. Porsch (Zentr.) erklärt, daß diese Uebung des Hauses seit 1383 nicht mehr befolgt worden sei.

Abg. Hoffmann (Soz.) konstatiert, daß der Vizepräsident Dr. Porsch diese Uebung gebrochen habe, als es galt, ihn zu verhindern, zum Wort zu kommen.

Abg. Dr. Porsch (Zentr.) weist jede solche Absicht zurück; es sei für ihn lediglich die Geschäftsordnung maßgebend, aber nicht eine Auslegung.

Abg. Hoffmann (Soz.) stellt fest, daß bei dem früheren Prä⸗ sidenten von Köller die Uebung des Hauses maßgebend war.

Die Abgg. Dr. Friedberg (nl) und Freiherr von Zedlitz (frkons.) stellen fest, daß ihnen seit den 80er Jahren kein Fall bekannt set, wo nach dem Wunsche des Abg. Hoffmann verfahren worden sei, und stellen mit Entschiedenheit jede Absicht, die Geschäftsordnung zu Un— gunsten des Abg. Hoffmann gebrochen zu haben, in Abrede; dieser hätte neulich gegen das Verfahren protestieren sollen.

Abg. Hoffmann (Soz.) bemerkt nochmals, daß er als neues Mit⸗ lied sich über diese Geschäftsordnung erst hätte informieren müssen, er 6 nicht protestiert, weil er bei dem Vizepräsidenten auf Hand⸗ ge, der Geschäfts ordnung, die zum Schutze der Minderheit da sei, vertraute.

Abg. Dr. Porsch (Zentr.) betont nochmals, daß in dem Para⸗ graphen der Geschäftgordnung nichts stehe. 8

Abg. Mertin ˖ Oels ffrkons.) teilt mit, daß er als Schriftführer dem Vfzepräsidenten neulich seinen Zweifel bei der Abstimmung autz⸗ n . habe, lediglich im Interesse der objektiven Wabrheit, da hm selbst die andere Uebung des Hauses gar nicht bekannt e sel.

Nachdem die Abgg. Hoffmann (Soz.) und Dr. Porsch (Zentr.) noch in dreimaligen Erwiderungen bei ihrer Meinung stehen geblieben n verzichtet lier, der letztere darauf, den Abg. Hoff mann zu elehren, und bleibt dabei, daß er ordnungsmäßig als Präsident ver⸗ fahren habe, weil niemand widersprochen habe.

Der Widerspruch des Abg. Hoffmann gegen die Vornahme der dritten Lesung der Pfarrbe —— 3 wird gegen die