mittleren Handwerkgmelster von seiten der Reichgelsenbahnverwaltung schon bigher nach jeder Richtung hin erfolgt ist, und ich kann Herrn Werner ferner versichern, daß ich seit Jahren immer wieder auf die betreffenden Eisenbahnbehörden in diesem Sinne einwirke und noch jüngst einen gleichartigen Erlaß, wie den, den er eben verlas, habe ergehen lassen. ö.
Der Herr Abg. Dr. Will hat sich in eingehender Weise mit den Verhältnissen der Reichtzeisenbahnverwaltung befaßt, und ich darf mit der Anerkennung nicht zurückhalten, daß seine Kritik eine durchaus sachliche war. Meine Herren, wir wünschen die Kritik. Wir stehen durchaug nicht auf dem Standpunkt, daß wir voll—⸗ kommen sind. Die Kritik, die in diesem hohen Hause geübt wird, von welcher Partei sie auch kommen möge, kann uns nur nützlicha sein. Aber wir sehen dieser Kritik mit Ruhe entgegen, weil wir der Meinung sind, daß die Reichgeisenbahnverwaltung auf allen Gebieten ihrer Tätigkeit sich Mühe gibt, vorwärtz zu kommen; und darauf kommt es doch im wesentlichen an. (Sehr richtig h
Ich möchte auf die Ginzelheiten kurz eingehen, und wenn ich sie hier nicht alle berücksichtige, wird der Herr Abgeordnete doch versichert sein können, daß seint Anregungen innerhalb der Verwaltung welter werden gewürdigt werden.
Er wies darauf hin, daß eine weitgehende Differenzlerung in den Löhnen der verschiedenen Arbeitergruppen vorhanden sei. Ich gebe zu, daß in der Reichteisenbahnverwaltung diese Differenzierung in den Löhnen wirklich besteht und daß es durchaus erwünscht sein würde, wenn wir die Zahl der Gruppen vermindern könnten; und nach dieser Richtung geht unser Bestreben. Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß die Differennterung sich ohne weiteres daraus ergibt, daß eben die Tätigkeit der Arbeiter außerordentlich verschieden ist. Sie werden anerkennen, daß die Tätigkeit, beispielzweise eines Rottenarbelterß sich ganz wesent⸗ lich von der eines Betriebsarbeiters unterscheidet, der auf dem Posten eines schwierigen Rangierbahnhofs von morgen bis abends tätig ist, sodaß in einem solchen Falle eine Differenzierung wohl am Platze sein dürfte. Auch eine verschledene Bewertung der handwerks mäßigen Leistung ist wohl gerechtfertigt, freilich vielleicht nicht in dem Umfange, wie sie heute erfolgt. Wir wenden dem Interesse des Arbeiters dauernd unsere Sorge zu. Wir haben es auch dilesjährig bekundet durch die nicht unerheblichen Mehrbeträge, die wir für Erhöhung der Löhne eingestellt haben. .
Meine Herren, es ist doch ein bemerkenzwerter Vorgang, daß in einer Zeit wirtschaftlichen Stillstands, wirtschaftlichen Rückgangs eine Verwaltung sich entschließt, so erhebliche Mehrbeträge für die Auf— besserung der Löhne einzustellen, wie eg diesjährig geschehen ist. (Sehr richtig! rechts) Eg ist dies geschehen in Verfolg einer Zusage, die ich im vorigen Jahre hier in diesem hohen Hause gemacht habe, in eine Revision einzutreten, ob unsere Löhne nach allen Richtungen den ge⸗ gebenen Verhältnissen entsprechen. Diese Revision muß naturgemäß eine sebr vorsichtige sein; denn auch in diesem hohen Hause muß ich es betonen, daß unser Streben niemals dahin gehen darf, den anderen Grwerbsgruppen bei der Fest⸗· setzung unserer Löhne voranzuschreiten. (Sehr richtig! rechts.) Wir werden uns stets bemühen müßssen, den Verhältnissen des Lohn⸗ marktes Rechnung zu tragen. Nun haben wir ung überzeugt, daß für
einzelne Arbeitergruppen zu wenig geschehen war, und dem ist in dem
diessährigen Etat Autdruck gegeben. Wir haben dann in Summa seit dem Jahre 1906, wenn ich die Aufbesserung für das Jahr 1909 dazu rechne, mehr aufgewendet an Löhnen für die Arbeiter der Reichz⸗ eisenbahnen 2 148 000 16. Daß wir bei der Lohnfestsetzung nicht zurückgeblieben sind, ergibt sich ohne weitereg aus folgenden Zahlen, die ich kurz mittellen will.
Seit dem Jahre 1899, also in einem 10 jährigen Zeltraum, haben sich die L(hne der Arbeiter der Reichseisenbahnen erhöht um W, 9h oso, also rund 21 0 , seit dem Jahre 18904 um 163106. Der Beweis dafür muß erbracht werden, meine Herren — er ist nicht erbracht, es wird immer nur die Behauptung aufgestellt —, daß sich die Lebenshaltung der Arbeiter in derselben Zeit in hoͤherem Maße verteuert habe als die Erhöhung der Löhne.
Es ist dann von verschiedenen Seiten — das muß ich noch nach= holen im Anschluß an meine Mitteilung über den Abschluß mehr- jähriger Verträge — auf den Beschluß der Budgetkommission hingewiesen worden, wonach die Verwaltung der Reichgelsenbahnen gehalten sein soll, wichtlge Verträge dem Reichstag rechtjeitig zur Kenntnis zu bringen. Meine Herren, ich habe mich in der Kommisston hiergegen ablehnend verhalten, und ich darf darauf hinweisen, daß mein Stand⸗ punkt ein durchaus grundsätzlicher ist. Ich bin der Meinung, und mit mir viele andere, daß dem Parlament die Kontrolle und der Verwaltung die Exekutive obliegt. Ich werde sehr gern berelt sein⸗ für die Verwaltung der Reichgeisenbahnen jeden Einblick und jede Aue⸗ kunft über wichtigere Verträge zu erteilen, die von mir gewünscht wird. Ich werde mich aber dann abkehnend verhalten müssen, wenn etwa eine Verschlebung der Scheidegrenze zwischen Parlament und Exekutive gemeint sein soll.
Der Herr Abg. Dr. Will ist dann auf die Urlaubsfrage der Arbeiter eingegangen und hat anerkannt, daß die Verwaltung in den letzten Jahren in dieser Benehung Vieles und Gutez getan habe. Er tritt erneut ein für die Gleichstellung der Rottenarbelter, der Arbeiter auf der Strecke, mit allen anderen Betriebs! und Werk⸗ stättenarbeitern, bestreitet aber nicht, daß auch für die Rottenarbeiter in letzter Zeit manches geschehen sei, und ich kann das bestätigen. Ein großer Teil dieser Rottenarbeiter versieht vorübergehend Hilfefunktionen in Beamtenverhältnis oder er tritt in den Betriebgdienst über und erhält auf Grund dessen Urlaub. Grundsätzlich müssen wir aber an der Differenzierung festhalten, weil eben die Rottenarbeiter die Sonntage frel haben, keinen Nachtdienst tun, in freier Luft leben und zur Sommer⸗ zeit jur Ausführung landwirtschaftlicher Arbeiten beurlaubt werden. Dann hat der Herr Abg. Dr. Will darauf hingewiesen, daß sich ge⸗ wisse Härten in den jetzigen Zeiten des Niedergangs des Verkehrs dadurch ergeben hätten, daß wir vom Militärdienst zurückkehrende Reservisten nicht wieder in ihr Arbeitsverhältnis eingestellt hätten. Meme Herren, es ist selbstverständlich, daß die Reichtzeisenbahnver⸗ waltung verpflichtet ist, sich auch bezüglich ihres Personalstandes der jeweiligen Verkehrslage anzupassen. Dag geschieht aber keineswegs in der Weise, daß wir zu Arbelterentlassungen schreliten. Wir sind infolge des Verkehrgrückgangeg an keiner Stelle dazu übergegangen, Arbeiter zu entlassen, sondern wir vermindern die Kopfzahl lediglich dadurch, daß wir freiwerdende Stellen nicht wieder besetzen, wenn nicht etwa die besonderen Verhältnisse der Stationen usw. ez erfordern. Wir
s 6 . ö . . 3
sind sogar sowelt geg en, daß wir versprochen haben, die vom Militärdienst zurũücklehrẽ den Leute wieder einzustellen, allerdings mit dem Vorbehalt, daß sie dor Ginberufung zur Fahne mindestens ein Jahr im Dienste der Verwaltung alg Arbelter tätig gewesen sind. Ich meine, das ist doch eine durchaus wohlwollende Regelung, daß wir in Zeiten wie die jetzigen über unseren eigentlichen Bedarf hinaus Leute in die Verwaltung zurücknehmen, die früher wenigsteng ein Jahr bei ihr tätig gewesen sind. Wenn sich gewisse Härten dadurch ergeben, daß Leute nicht eingestellt werden konnten, die ihre Lehrzeit bei uns absolviert haben, so meine ich, wird das eben hingenommen werden müssen.
Dann ist der Heir Abg. Dr. Will auf die Umgestaltung der Betriebs verwaltung eingegangen, die zum 1. Oltober d. J. zur Durch⸗ führung kommen soll. Meine Herren, wir passen unt hler der Or- ganisation der preußischen Staateelsenbahn verwaltung an, wie dle preußischen Eisenbahnen am 1. April 1896 sich ihrerseits der Organi⸗ sation der Reichgelsenbahnen angepaßt haben. Die Organlsation der preußischen Staatgzeisenbahnen ist von einer ganjen Reihe von Ver— waltungen akzeptiert worden, im wesentlichen z. B. von den bayerischen Staatsbahnen; ich höre, daß auch die württembergischen Staatgeisen. bahnen die gleiche Absicht haben, und ich habe mit großem Interesse gelesen, daß bei den Verhandlungen im 6sterreichlschen Parlament über die Verstaatlichung der großen Privatbahnen, die in den letzten Tagen stattgefunden haben, wiederholt der Wunsch laut geworden ist, daß für die österreichlschen Staatsbahnen die Organisation der preußlschen Staatsbahnen angenommen werden möge.
Wir werden infolge der Neuorganisation eine größere Zahl von Mitgliedern in die Generaldirektion berufen müssen — es sind deren sieben — weil die Betriebsdirektionen beseitigt werden und deren Tätigkeit überwiegend in die Generaldirektion verlegt wird. Ferner kommt eine größere Zahl von Bureaus, die bisher mit höheren Beamten besetzt waren, in Wegfall, und auch deren Tätigkeit geht jum Teil in die Generaldirektion über. Es ist dies ein ganz natür— licher Vorgang.
Nun hat der Herr Abg. Dr. Will gemeint, daß angesichts der großen Bedeutung der Generaldirektion der Reichtelsenbahnen in Straßburg es doch der Erwägung wert wäre, ob nicht eine jweite Direktion — er sagte: Generaldirektion, ich nehme an: eine zwelte Direltion — in Metz errichtet werden könnte. Ich möchte davor warnen; eine Spaltung einer einheitlichen Verwaltung führt nicht zu Verbesserungen, sie sollte immer nur dann eintreten, wenn es absolut nicht anders geht. Gerade in der Einheitlichkeit der Verwaltung liegt eine außerordentliche Stärke. Ich will von den Kosten ganz absehen, aber der einheitliche Dienst, wie wir ihn in den Reichslanden durch die Generaldirektion in Straßburg gewahrt sehen, dient dem Lande ju großen Nutzen und Segen. Wir werden selbstverständlich vor der Frage nicht zurückschrecken, wenn die absolute Not wendis keit sich demnäͤchst ergeben sollte.
Dann hat der Herr Abg. Böhle von seinem Standpunkt aus die Verwaltung elner eingehenden Kritik unterzogen, und ich konnte ja voraußsehen, daß diese Kritlk nicht so freundlich autfallen würde, wie sie von anderer Seite geübt worden ist. Selbstverständlich werden die vielfachen Anregungen, die der Herr Abgeordnete mir gegeben bat, gleichfalls eingehend geprüft werden. Ich möchte nur darauf hlaweisen, haß ei im Unrecht ist, wenn er anntmmt, die Ver— waltung mache sich in Konsequenz der jetzigen wirtschaftlichen Situation einer unzulässigen Sparmethode schuldig. Davon kann gar keine Rede sein. Meine Herren, eine Verwaltung, bie in einem so großen Stile arbeiten muß, wie eine große Staatgeisenbahnverwaltung, kann sich auf kleine Machenschasten nicht einlassen. Sie kann nur auf ver— ständige Weise versuchen, wirtschaftlich zu verwalten und sie muß natürlich jetzt etwas zurückorücken, da wir aus dem Stand der Fülle in den Stand der Leere übergegangen sind. Das wird von keiner Seite angegriffen werden können.
Nun hat Herr Abg. Böhle wie im vorigen Jahre darauf hin= gewiesen, daß wir an unser Personal zu große Anforderungen stellen bezüglich der Arbeitsdauer. Ich meine, etz kommt in diesem Falle doch nur darauf an, ob wir stille stehen, ob wir nichts tun, um die vielfältigen Beschwerden, die selbstverständlich täglich an eine große Betriebsverwaltung wegen Ueber— lastung herantreten, abzustellen. Dafür, daß wir auf dem Platze sind, ist doch nichti beweizkräftiger als eine sorgfältig aus. geführte Statiftik ohne jede Schönsärberei. Darnach ergibt sich für die Jahre von 1897 — 1907, also für die letzten 10 Jahre, unzweifel⸗ haft, daß wir sländig fortgeschritten sind, insofern sich die Zahl der Schichten von kürzerer Dauer vermehrt hat, während die Arbeitg— schichten von längerer Dauer beständig jurückgegangen sind. Dieser Bewels ist doch so überzeugend, daß nicht viel dagegen einzuwenden ist. Wenn ich mitteile, daß die Schichten bis 8 Stunden von 8,;2 auf 18,200 und die Schichten von 8 biz 10 Stunden von 374 auf 43,6 oso zugenommen haben, dagegen die Schichten von 10 big 12 Stunden von 38.5 auf 34,2 0 0 und die Schichten von 12 biz 15 Stunden von 13,5 auf 9,1 olo zurückgegangen sind, so muß zu⸗ gegeben werden, daß das bedeutsame Fortschritte sind.
Auch die Zahl der Ruhetage, die dem Personal gewährt werden, hat ständig zugenommen. Ich bemerke, daß jeder im Betriebsdienst tätige Beamte mindestens jwei Ruhetage von mindestens 24 Stunden im Monat hat und haben muß, und darüber wird gewacht. Ich kann ferner mitteilen, daß 60 o/o unseres Personals vier und mehr Ruhetage im Monat haben, daß vom Zugbegleitpersonal, dessen Herr Böhle ausdrücklich Erwähnung getan hat, 98,3 /, vom Lokomotivpersonal 2,5 oso vier und mehr Ruhetage im Monat haben. Auch hier ist ein steigender Fortschritt festjustellen. Im Jahre 1897/98 hatten von den Bahnwärtern nur 27,9 oso mehr als zwei Ruhetage, im Jahre 1907 hatten 57, 8o/o mehr els jwei Ruhetage. Die entsprechenden Zahlen waren bei den Weichenstellern 36,5 oso im Jahre 1897198 und 68, 5 oo im Jahre 1907. So läßt sich für die gesamten Beamtenkategorien verfolgen und beweisen, daß wir hier ständig vorgeschritten sind.
Dann hat Herr Böhle darauf hingewiesen, daß gelegentlich der Kaiserparade in Elsaß Lothringen die Arbelter der Verwaltung an⸗ gewiesen selen, sich zur Verfügung ju halten. Dag ist eine Ente; da⸗ von kann gar keine Rede sein. Ebensowenig kann ein Zwang aut⸗ geübt worden sein, daß die Arbeiter der Eisenbahnverwaltung ihre Häuser illuminieren. Ez kommt auf die Darstellung an. Früher illuminierte die Verwaltung auf eigene Kosten; da kam der Rechnungt⸗ hof des Deutschen Reicheg und monlerte. Nun wird der Arbeiterschaft mitgeteilt: wenn sie lluminleren wollten, so
gesprochen werden.
deutend billiger zu
kenstruleren. Dann hat Herr Böhle bemerkt, daß die Verwaltung in unzulässiger Welse die Wahlrechts demonstrationen gehindert hatte. Ich habe mir erlaubt, bereitz im vorigen Jahre einen derartigen Aufruf bekannt zu geben, in dem von dem Wahlrechtzräuber Bülow die Rede war. Unseren Beamten und Arbeitern wurde die Aufforde⸗ rung gestellt, sich an diesen Demonstratlonen zu beteiligen, und die Verwaltung sagte: „quod non“, und ich meine, das ist nur zu billigen; die Verwaltung hätte zur Rechenschaft gejogen werden müssen, wenn sie anders verfahren wäre. (Sehr richtig! rechts.) Hier liegt mir ein Wahlaufruf vor, der auch nicht zahm zu nennen ist und damit schließt: Heraus aug Euren Hütten! Heraus aus der Weikstatt! Demonstrleit am kommenden Sonntag fuͤr Euer Selbst. bestimmunggrecht!“ Und daraus sollte der Verwaltung ein Vorwurf erwachsen, daß sie einen derartigen Unfug verhindert? (Zuruf von den Sozialdemokraten: Unerhört, Bureaukraten. manier) Dann hat Herr Böhle wiederum sich nicht die Gelegen⸗ heit entgehen lassen, darauf hinzuwelsen, daß die Bahnhofgzensur in ganz unzulässiger Weise ausgeübt würde. Es kann sich hier nur um die Bahnhofszensur bet den Reichgeisenbahnen handeln. Wag geschleht da? Hier wird die Zensur von den Landespolizeibehörden ausgeübt, die Reichteisenbahnverwaltung behält sich nur in den Ver⸗ trägen vor, unter Umständen einzugreifen. (Hört! hört! rechts.) Sie hat von diesem Rechte bisher absolut keinen Gebrauch gemacht. Warum läuft Herr Böhle gegen die Reichteisenbahnverwaltung Sturm? nur deshalb, well sie staatsfeindliche und unsittliche Schriften feilzuhalten nicht gestattet. Zu den staats feindlichen Schriften rechnen wir, der Parteltaktik der Soztaldemokraten entsprechend, auch deren Parteiorgane. Wenn gesagt wird, es ist eine Inkonsequenz, daß wlr die Zeitungsballen des Vorwärts“ und anderer sozlaldemokratischer Blätter transportieren und den Verkauf dieser Blätter auf den Bahn— höfen verbieten, so ist das gar keine Inkonsequenz. Wir sind gesetzlich gehalten, die Blätter der Sozlaldrmokraten wie dle Sozialdemokraten selbst zu transportieren (Heiterkeit), aber in den Räumen, in denen wir die Custodia haben, können wir den Verkauf der Blätter verhindern und müssen daz tun selbst auf die Gefahr hln, daß sie vor den Toren der Bahnhofsgebäude verkauft werden. Den Haupttrumpf hat der Herr Abgeordnete autgespielt durch den Hinweis darauf, daß der Chef der Reichteisenbnuhnen der Koalition der Arbeiter in unzulässiger Weise entgegengetreten sei. Ich kann dem Herrn Abg. Böhle nur dankbar sein, daß er mir Gelegenheit gegeben hat, vor dem hohen Hause den Standpunkt der Relchselsenbahnverwaltung, der sich vollkommen deckt mit dem der preußischen Staatzeisenbahnverwaltung, erneut zu be⸗ kräftigen, und da slelle ich noch einmal fest, daß wir gegenüber allen Vereinigungen unserer Angestellten, mögen ez Fachvereinigungen oder Berufsbereinigungen sein, absolut neutral sind, jum großen Teil fördern wir sie. Wir haben in unserer Staatgeisenbahnverwaltung Vereinigungen, die das ganze Land überziehen, sehr nützlich wäörken und Wohlfahrtsverelnigungen geworden sind, wir haben die einzelnen Fachvereine ju Hunderten, denen nichts geschieht, und wir haben eine Reihe von Berufgvereinigungen, die wir wiiken lassen, ich nenne den Trierschen Verband, die christlichen Gewerlschaften, die Hirsch. Duncker⸗ schen Vereine, aber sie dürfen nur unter der einen Voraussetzung unter den Arbeitern wirken, daß sie den Streik nicht gebrauchen wollen jur Durchsetzung wirtschaftlicher Forderungen und sich fern halten von der Soialdemokratie. (Sehr richtig! rechts) Diese beiden Grundsaätze werden angewendet, sie werden rücksichtslos angewendet (sehr gut! rechts), wir sind bemüht, unsere Angestellten darüber aufzuklären. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Wir auch ) Wenn ein Angestellter sich einer Arbeiterkoalition anschließen will, die diesen beiden fundamentalen Grundsätzen nicht entspricht, dann wird ihm der Stuhl vor die Türe gesetzt (sehr richtig! rechts), und das ist notwendig, das sind wir schuldig dem Staat und den staatgerhaltenden Parteien. (Bravo! — Zuruf von den Sozialdemokraten: Verfũgung bezüglich der technlschen Beamten?)
Abg. Dr. Heckscher (fr. Vxgg.): Noch immer werden die Nick. Carter ⸗Hefte und ähnliche Kolportäageliteratur auf den Bahnhöfen ver⸗ trieben, während man die sozialdemokratische Presse verbütet. Wat soll mit diesem Verbot erreicht werden? Die sozlaldemokratische Presse berkient alle Anerkennung dafür, daß sie mit solcher Energie diese Nick. Carter ⸗ Literatur belämpft; entschiedenes Lob muß ihr dafür aus— Die großen Firmen, die das Monopol auf den
Bahnböfen haben, sollten selbst fo viel Anstandsgefühl haben, diese
Schundprodukte zu beseitigen.
Abg. Storz (D. Volksp): Es ist doch der Schweiz und Frankreich gelungen, den Kohlenbejug für die Gssenbahn be— gestalten, als Preußen und die Reichz— lande die Kohlen beziehen. Der Verkehr nach Osten zu den stammverwandten Alemannen ist von der reichsländischen Gifen bahn ganz unbefriedigend organlsiert, während der Verkehr nach Rorden vorjüglich geregelt ist. Die Verbindung Colmar =-=Fresburg läßt immer noch sehr viel zu wünschen übrig, besonders bejüglich der Schnell züge.
Abg. Schirmer (Zentr.): In der Arbeitekammergesetzkommission ist versucht worden, die Eisenbahnarbeiter unter das Gesetz zu bringen; dieser Versuch ist aber in der zweiten Lesung der Kom— mission dadurch vereitelt worden, 5366 Verwaltung erklaͤrte, das Gesetz würde mit einer solchen Bestimmung der Gefahr det Scheiterns ausgesetzt, Die Arbeitskammern ollen doch In⸗ stitutionen des Fiiedens sein, sie sollen die Interessen der Arbeiter und Arbeitgeber gemeinsam wahrnehmen. Die Arbeiter— ausschüsse bei der Eisenbahn önnen doch keinen Ersatz bieten. Wenn man wenlgsteng die preußischen Arbelterausschüsse so ausbauen wollte, wie es in Bayern geschehen ist, möchte etz no angehen; aber daiu besteht keine Autsicht. Die Gifenbahnen beanspruchen asso eine Ausnahmestellung; nach dem Erlaß von 1965 fallen sie nicht unter die Gewerbeordnung, und die Arbeitszammern sollen da auch nichts zu sagen haben; das ist doch sehr eigenartig. Es ex stieren Ürteile der Verwaltungsgerichtsbarkeit, so des Bentrktzausschusseß von Arntberg, die diese Verfügung des Ministers nicht anerkennen, sondern aus— sprechen, daß auch die Gisenbahnwenkflättenarbeiter den Gewerbe— tz unterstehen. Der moderne Staat mit dem modernen Betriebe ührt doch sonst 5 Trennung der Verwaltung von der Rechtspfl-ge durch. Die Rechtslage ist also für die Eisenbahner eine ant unsichere; der Minister sollte fich daruber äußern. Daß der kinister den Fachpereinen sein Wohlwollen schenkt, können wir dank— bar akzeptieren; dig in den Fachvereinen organssierten Gisenbahn⸗ arbeiter denken auch nicht an einen Streik. Aber den Satz des Ministers kann ich nicht verstehen, daß die Gisenbahn in bezug auf die Löhne der Arbeiter den großen Privatbetrieben nicht voranschreiten dürfe; ich denke, nach den Februarerlassen sollen die Staatsbetriebe Musteranstalten sein. Der Beschaffung von Wohnungen für, die Eisenbahnarbeiter müßte noch größere Ame mie geschenkt weiden.
Chef des Reichsamts für die Verwaltung der Reichs⸗ eisenbahnen, Staatsminister von Breitenbach?
konnten sie die Illuminatlonegegenstände da und da beziehen.
Meine Herren! Die Verwaltung hat zu ihrer Arbelterschaft das Vertrauen, daß ste königstreu ist, und dementsprechend behandelt sie
Ich meine, aus solchen Hinweisungen läßt sich kaum eim Vorwurf
daß die Eisenbahnen kein Gewerbebetrieb sind, und weil sie kein
auch die Arbeiterschaft. Ich war erstaunt, als der Herr Abg. Schirmer mit der Bemerkung einsetzte, daß die Reichseisenbahnvverwaltung ihre Arbeiter nicht als vollwertige Arbeiter ansähe. Dem muß ich duich— aus widersprechen. Eine so große Betriebsberwaltung wird in Kenntnitz der Schwierigkeit des Dienstes ihren Angestellten, seien es Beamte oder Arbeiter, dasjenige zuwenden, was sie nur irgend kann, um ihre Lage zu verbessern.
Der Herr Abg. Schirmer wies darauf hin, daß das Arbeits⸗ kammergesetz nicht die Beteiligung der Eisenbahnarbelter vorsehe. Meine Herren, wir gehen davon aus, daß der Betrieb der Eisen⸗ bahnen — zurzeit ja überwiegend Staatseisenbahnch — kein Gewerbe⸗ betrieb ist. Gerade in den Reichslanden ist diese Auffassung bon jeher vertreten worden. Mir liegt eine Entscheidung des Kaiserlichen Rats, also des obersten Verwaltungsgerichts, vom 14. Januar 1874 vor, in welcher ausdrücklich ausgesprochen wird,
Gewerbebetrieb sind, findet auch die Gewerbeordnung auf sie keine Anwendung. Es ist zeitweilig zweifelhaft gewesen und die Gerichte waren schwankend, ob etwa der Betrieb der Hauptwerkstätten, Gas⸗ anstalten und dergleichen als ein Nebenbetrieb der Eisenbahn auf⸗ zufassen und der Gewerbeordnung zu unterwerfen wäre. Diese Auf⸗— fassung ist aber perhorrezziert worden, weil man eben erkannt hat, daß diese Betriebe ein Essentiale der Verwaltung sind, ohne welche diese gar nicht leben kann und die sie niemals aus der Hand geben darf. So hat die Auffassung immer mehr Boden gewonnen, daß der
Betrieb der Eisenbahn der Gewerbeordnung nicht unterliegen kann,
und in Verfolg dieser Auffassung ist auch das Arbeitskammergesetz nicht auf die Eisenbahnen angewendet worden.
Meine Herren, wir sind bestrebt, die Wirksamkeit der Arbeiter⸗ autschüsse zu begünstigen. Jahr für Jahr weisen wir unsere Organe draußen an, der Tätigkeit der Ausschüsse ihre volle Aufmerksamkeit jusuwenden, und s kann auch für die Reichseisenbahnen bezeugt werden, daß die Tätigkeit der Arbelterausschüfse im großen ganzen eine durchaus zufriedenstellende ist.
Der Herr Abg. Schirmer fragte, in welchem Umfange ich beabsichtige, die Arbeiterschaft ins Beamtenverhältnis herüber⸗ junehmen. Darauf kann ich nur antworten: in dem Umfange, wie die Bedürfnisse des Betriebes es erfordern. Wir schaffen Beamten⸗ stellungen nur dann, wenn es sich um besonders verantwortliche Tätig⸗ keiten und um Aassichtstätigkeiten handelt, und in diesem Umfange haben wir jahraus, jahrein die Zahl der Beamten und selbst ganzer Beamtengruppen vermehrt. Auf diesem Standpunkt werden wir auch ferner stehen bleiben.
Wag mein Verhalten zu den gewerkschastlichen Organisationen betrifft, so glaube ich nichts dem hinzufügen ju brauchen, was ich dem Herrn Abg. Böhle erwidert habe. Aus meinem ganzen Verhalten, meine ich, ist eikennbar, daß wir diesen Organisationen wohlwollend gegenüberslehen, und das werden mir auch die Herren Abgg. Giesberts und Behrens, mit denen ich mich persönlich in dieser Frage ins Ver⸗ nehmen gesetzt habe, bestätigen. Herr Heckscher hat wiederholt darauf hingewiesen, daß die Zensur auf den Bahnhöfen doch eine ungenügende sei, weil Preßerjeugnisse wie die bekannten Nick Carter⸗Hefte ver⸗ trieben würden. Ich nehme an, der Herr Abgeordnete sprach von den Relchgzeisenbahnen. Nun ist uns bezüglich des Vertriebs dieser Preß⸗ erzeugnisse auß dem Gebiet der Reichseisenbahnen niemals eine Beschwerde zugegangen; ich bin aber bereit, der Sache nachzugehen.
Was das Verbot soztaldemokratischer Schriften auf den Bahn⸗ höfen betrifft, so bin ich nlcht imstande, von dem Standpunkt ab⸗ juweichen, den ich früher eingenommen habe.
Der Herr Abg. Storz verwendete sich für eine bessere Aus⸗ gestaltnng der Ost⸗West⸗Verbindungen, also der Verbindungen jwischen Baden und Württemberg auf der einen, und den Reichseisenbahnen auf der anderen Seite. Verkehrsbedürfnissen werden wir selbst⸗ verständlich, soweit sie irgendwie erkennbar hervortreten, Rechnung tragen. Anträge dieser Art sind mit Ausnahme einer einzigen an ung indessen nicht herangetreten. Ganz naturgemäß werden sowohl die badischen wie auch die Reichgeisenbahnen die Richtung nach Nord-Süd bevorzugen, well dieser Verkehr ein Konkurrenzverkehr und ein geld—⸗ bringender Verkehr ist. Darunter darf aber der Verkehr Ost⸗ West nicht leiden. Ich habe in meiner Antwort auf die Ausführungen deg Herrn Abg. Böhle einiges übersehen und hole es hiermit nach. Gr beschwerte sich über den Erlaß, betreffend die Anstellung höherer Techniker im Reichzeisenbahndienst. Dieser Erlaß spricht aus, daß höhere Techniker aus Elsaß ⸗Lothringen im Reichseisenbahndienst nur angestellt werden, wenn sie in Preußen ihre höhere Staatsprüfung abgelegt haben. Dasselbe gilt für die Landesverwaltng in Ellaß⸗ Lothringen, welche genau dieselben Bestimmungen getroffen hat. In den Reichslanden werden keine höheren Staatsprüfungen abgenommen, und der Here Abg. Böhle ist im Irrtum, wenn er meint, daß im Reiche land sich auch technische Hochschulen befinden. Die höheren Techniker der Verwaltung sind gehalten, wenn sie in den Reichslanden später in den Dienst teten wollen, sich auf Hochschulen der Bundeg⸗ staaten auszubilden. Beispielsweise haben wir zugelassen, daß sie auch in Karlzruhe studieren dürfen. Ihr Examen müssen sie aber in Preußen ablegen. Ich meine, diese Bestimmung kann ju keiner Be⸗ schwerde Anlaß geben.
Dann hat der Herr Abg. Böhle darauf hingewiesen, daß wir unseren Arbeitern immer noch die Last auferlegen, Karenztage über sich ergehen zu lassen. Ez ist vor geraumer Zeit der Versuch gemacht worden mit der Aufhebung der Karenztage, und es hat sich ergeben, daß die Betriebskrankenkassen in dem einen Jahre allein mit einem Plug von 120 000 M belastet worden sind, und da ist durch Beschluß der Generalversammlung auf Antrag der Verwaltung die Beseltigung der Karenztage wieder rückgängig gemacht worden.
Dann wurde noch eine wesentliche Beschwerde über das Vorgehen gegenüber der Akkordarbeiterschaft vorgetragen. Ich glaube, es war auf den Güterböden in Straßburg. Der Herr Abgeordnete bemängelte, daß die Verwaltung in starken Verkehrgmonaten, wo der Akkord⸗ verdienst ein größererer ist, einen Teil dieses Akkordverdienstes jurück= behlelte, um ihn in den schwächeren Verkehrszelten, also in Zelten, in denen die Arbeiterschaft weniger verdient, der Arbeiterschaft wieder zuzuführen. Meine Herren, diese Bestimmung beruht auf dem Arbeitsvertrag und ist im vollen Einverständnis mit der Arbelterschaft durchgeführt. Eg ist ganz selbstverständlich, daß die Plusbeträge, die in elnem Monat verdient werden, sehr sorgfältig verwahrt und im
der Lebensmittelpreise darstellt.
Beträge ihrer Arbelterschaft, die ihr gewissermaßen zum Sparen hin⸗ gelegt werden, auch im vollen Betrage wieder zuführt.
Abg. Göring (Sentr) weist darauf hin, daß im Extra— ordinarlum zur Ausführung genauer Vgrarbeiten für eine eingleisige vollspurige Nebenbahn von Münztal über Woll⸗ münster nach der pfälzischen Grenze in, der , auf Zwei⸗ brücken 50 9000 , von Weißenburg bis zur pfälzischen Grenze 20 009 M alt erste Rate ausgeworfen sind, und bedauert, daß die bayerische Eisenbabhnverwaltung sich bisher jur Ausführung der spetiellen Vorarbeiten für die Fortsetzung der letzteren Linie auf pfälzischem Boden nicht habe entschließen können. Speziell im Inter⸗ esse der Stadt Pirmasens wünscht er ein wohlwollendes Verhalten des bayerischen Verkehrsministeriumęe.
Wirklicher Geheimer Oberreglerungsrat Glöckner entgegnet, daß man gern für die Interessen von Pirmasens eintreten werde, es be—⸗ ständen jedoch technische Schwierigkeiten. Abg. Behreng (wirtsch. Bgg.): Die Frage der Arbeiter⸗ auschüsse bei den Eisenbahnwerkstätten läßt sich leider jetzt nicht gründlich erörtern; es muß aber Klarheit darüber geschaffen werden, ebenso wie über die wichlige Frage, ob die Eisenbahnarbeiter die Beamtenqualttät bekommen sollen oder nicht. Hoffentlich gelingt es im nächsten Jahre, hierüber ein Einverständnis im Hause und mit der Verwaltung herbeizuführen. Das Streikrecht, das der Abg. Böhle für die Eisenbahnarbeiter in Anspruch nahm wird nicht nur von den christlich national gesinnten Arbeitern zurückgewiesen, sondern es liegen auch entsprechende Aeußerungen sozialdemokratischer Arbester vor. Entgegen den wohlwollenden Aeußerungen des Ministeis über die Gewerkschaftsverbände nehmen manche Beamte leider ju dieser Frage den Arbeitern gegenüber eine durchaus partelische Haltung an.
Abg. Em mel (Soz.): Die Digkussion leidet offenbar darunter, daß man es dahin gebracht hat, den Abschluß der zweiten Lesung des Etats und die dritte auf die letzten Tage des März und den heutigen Tag zusammenzudrängen; wenn Ste aber die Gesamtbeteiligung aus dem Hause prüfen, so wird sich zeigen, daß nicht wir es sind, die die Debatte hinauegeschoben haben. Der Chef der Reichseisenbahn⸗ verwaltung hat sich wieder gegen die Sozialdemokratie gewendet und auch seinen Eilaß wegen der Bahnhofszensur verteidigt; er beharrt also dabel, sich Uebergriffe auf Gebiete zu erlauben, auf welchen er gar nichts zu suchen hat. Daß die Löhne erhöht worden sind, ist richtig; aber die Erhöhung ist nicht einmal in dem Maße erfolgt, daß sie einen Ausgleich für die inzwischen erfolgte Steigerung Wo bleibt bei dem Standpunkte der Verwaltung das Wort von den staatlichen „Musteranstalten“? Der Minifter duldet die christlichen und Hirsch Dunckerschen Gewerk⸗ schaften, und der Abg. Behrens hat sich ihm dafür durch die Bemerkung dankbar gezeigt, daß die Eisenbahnarbeiter auf das Streikrecht ver⸗ zichten. Keine Organisation kann das Recht zum Streik dem Einzelnen oder der Gesamtheit nehmen. Wenn die Eisenbahnarbelter das Gefühl haben, daß sie schlechter behandelt werden wie andere Arbeiter, so werden sie auch von dem Streikrecht Gebrauch machen. Der Minister sprach von den Wahlrechtsdemonstrationen und hatte den Mut, dies „Unfug“ zu nennen. Die Polizeibehörden in Elsaß Lothringen sind vernünftiger als der Minister; sie haben die Demonstrationen genehmigt, also auch den »Unfug“. Mögen sich beide Stellen darüber autzeinandersetzen. Jeden falls ist uns das Urteil des Ministers vollständig gleichgültig. Mag er noch so brutal vorgehen gegen die Arbeiter.. (Vizepräsident Kgempf bejeichnet diesen Ausdruck als unparlamentarisch und ruft den Redner zur Ordnung.) Der Minister handelt nicht als humaner Arbeitgeber entsprechend dem Wort, daß die Eisen⸗ bahnwerkstätten Musterbetriebe sein sollen. Ich konstatiere, daß der Minister von Breitenbach, nachdem ihm der persönliche Adel ver⸗ liehen worden ist, an Adel der Gesinnung nicht gewonnen hat. (Vie präsident Kaempf bezeichnet auch diese Aeußerung als gänzlich un⸗ gehörig und ruft den Redner zur Ordnung)
Chef des Reichsamts für die Vetwaltung der Reicht⸗ eisenbahnen, Staatsminister von Breitenbach:
Ich begreife es vollkommen, daß es dem Herrn Abg. Emmel sehr unbequem ist, wenn große Arbeiterorganisationen im Lande auf das Streikrecht verzichten. Ich verstehe es auch, daß er nunmehr erklärt, ein solcher Verzicht wäre absolut nicht bindend. Daß ist seine Politik. Ich war darauf vorbereitet. Ich habe hier elnen Artikel aus dem Weckruf“, dem Organ der Elsenbahner Deutschlands, überschrieben: Der Verzicht auf das Streikrecht“. Da wird jum großen Schmerz dieses Organs — und ich nehme an: auch des Herrn Abg. Emmel — ausgeführt, daß die Landesverwaltung der württembergischen Eisen⸗ bahnarbeiter durch eine Resolution ausdrücklich auf das Strelk⸗ recht verzichtet hat. Ich glaube, der Herr Abg. Emmel siebt vorauß, daß diese Bewegung welter greift; und
von ihren Mitgliedern vorgebracht werden und die Arbelter ber durch sie vertrelenen Dienststellen, also beispielzweise einer Hauptwerkstatt oder einer Gruppe im ganzen, berühren, zur Verhandlung zu bringen. Dag geschieht, meine Herren. Der Arbeiterausschuß soll alle Inter⸗ essen der betreffenden Dienststellen innerhalb seiner Zuständigkeit wahr⸗ nehmen. Darüber hinaus soll er nicht grelfen; denn sowelt ein Be⸗ dürfnis besteht, werden wiederum für andere Dienststellen andere Aibeiterausschüsse eingerichtet. Ich nehme an, daß der Herr Abg. Behrens nicht wünscht, daß die Aibeiterausschüsse untereinander in Veibindung treten; das wünschen auch wir nicht. Wir wünschen nicht, daß durch die Organisationen, die die Staatgeisenbahn verwaltung hier geschaffen hat, eine neue Gesamtorganisation sich herausbildet. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)
Endlich kann ich nur bestätigen, daß, wenn der Minister, in diesem Fall der Chef der Relchzeisenbahnverwaltung, eine bestimmte Richtung einschlägt, wenn er, wie in dem Falle der Gewerkschaften, die auf das Streikrecht verzichten, und solchen, die keine sosialdemo—⸗ kratische Tendenz verfolgen, gewisse Direktiven gibt, diese Direktiven dann von den beteiligten Beamten auch befolgt werden müssen.
Nach einer kurzen Bemerkung des Abg. Schirmer (Zentr.) ,. die fortlaufenden Ausgaben für dle Zentralverwaltung bewilligt. .
Bei den „Besoldungen für die Betriebsverwaltung“ be⸗ merkt der
Chef des Reichsamts für die Verwaltung der Reichs⸗ eisenbahnen, Staatsminister von Breitenbach:
Meine Herren! Wir rechnen, daß die Organisation nach ihrer völligen Durchführung eine Ersparniä von rund 250 000 S im Jahre bringen wird. Wenn die Ersparnisse nicht größer sind, so beruht dies darauf, daß wir einen sehr wesentlichen Teil aller derjenigen Verein⸗ fachungen, die wir bel den preußischen Staatsbahnen bei Durchführung ihrer Organisation eingeführt haben, im Laufe des letzten Jahrzehnts bereits auf dle Reichseisenbahnen übertragen haben.
Der Rest des Etats der Verwaltung der Reichseisen⸗ bahnen wird ohne Debatte nach den Kommissionsanträgen bewilligt.
Es folgt die Beratung des Etats des Reichsschatz—⸗
amts. Abg. Graf Kanitz (dkons.); Der Abg. Gothein hat gestern gesagt, ich hätte zu Unrecht behauptet, daß eine unverhältnis⸗ mäßtge Menge von amerikanischen Schuhwaren nach Deutsch—⸗ land eingeführt würde. Da hat er mich vollkommen mißverstanden. Ich habe mich niemals darüber beschwert, daß amerikanisches Schuhzeug bei uns eingeführt würde, sondern der Sinn meiner Augführungen ging dahin, daß Amerika sich durch ungleich höhere Zölle egen unsere Einfuhr abschlösse, und die Folge davon sei, daß Amerika eirächtliche Quanten aller möglichen Waren, auch Schuhwaren, schlckr, während wir auch nicht einen einz gen Doppelzentner Schuhwaren nach Amerika schicken können. Der Abg. Gothein meinte ferner, wir wären an der Zollerhöbung anderer Länder schuld. Wir hätten zuerst den ver⸗ hängnispollen Weg der Zollerhöhung beschritten, und dadurch wären andtre Länder zur Nachahmung gereijt worden. Diese Auffassung deckt 6h mit dem Jahresbericht der Aeltesten der Berliner ern e n fer un hat bereitz der Abg. Trimborn im preußischen Abgeordnetenhause den betreffenden Passus in dem Jahresbericht einer herben Kritik unterzogen. Daß unsere ganze Gesetzgebung unter agrarischen Ein flüssen steht, daß Handel und Industrie verng a ft würden, ist nicht richlig; ich möchte glauben, daß das Gegentell zutrifft. Wenn bei uns vielleicht die industrielle Krisis, die sich mehr oder weniger über die ganze Welt erstreckt, nicht so fühlbar auftritt wie in anderen Ländern, dann kommt das eben daher, daß bei unt die Landwirtschaft noch nicht ruiniert worden ist, daß sie eine ganze Menge von industriellen Werten aufnimmt und dadurch dem völligen Niedergang vieler Industriezweige vorbeugt. Niemand hat dag besser ausgeführt als der frühere sozialdemokratische Abg. Schippel, der im Jahre 1904 in einem Artikel im Vorwärts“ sagte: Wenn unsere Landwirtschaft nicht wäre, wo bliebe dann die Industrie? Für diese sind doch die ländlichen Gebiete ein guteg Absatz gebiet. Was die Handelsbilanz betrifft, so weist gerade dae freihaͤndlerische England in dieser Beziehung die allertraurigsten Resultate auf. Die Ausfuhr hat in England im vorigen Jahre ab- genommen um 48 815 0090 Pfund Sierling, das sind 976 631 000 4. Die deutsche Ausfuhr hat guch etwas abgenommen, nämlich um 97 792 000 46. Die engliche Abnahme beträgt also über das Zehnfache. Wir sind immer für die Industrie eingetreten, auch bei den Maß
dies ist ihm sehr unbequem. (Sehr richtig! rechts.) Denn Sie werden mit Ihrer Auffassung, daß das Streikrecht für die
(Sehr richtig! rechts.) Der Herr Abg. Emmel hat eine Reihe von freundlichen
stückchen gesprochen, die ich bei der Zusammenstellung der Zahlen hier angewendet habe. Nun, meine Herren, über diese Wendungen kann ich hinwegsehen. Ich meinerseits stehe auf dem Standpunkt, daß eine große Verwaltung des Staats gut verwaltet wird, wenn sie vor⸗ wärts strebt, wenn sie ständig bemüht ist, die Verhältnisse ihrer An gestellten zu bessern, wenn sie es versteht, sich den Situationen anzu⸗
zwelfellos erbracht.
Ich betone nochmals: wir wünschen die Kiltik, und auch die schärsste Kritik gleitet an meinem Ohr nicht vorüber. (Zuruf) — Ja, wie der Herr Abg. Freiherr von Gamp mir eben zu⸗ ruft: wenn sie sachlich ist. — Ich werde den Sachen nachgehen.
Es lst noch eine Frage behandelt worden von größerer Bedeutung und es wurde erwartet, daß ich darüber Auskunft erteile in der all⸗ gemeinen Diskussion. Ez handelt sich um die Kohlenausfuhrtarife.
im Lande die Kohlenaugfuhrtarife beseitigt werden möchten, die von den verschiedenen Kohlenproduktiongrepieren Deutschlands nach dem Auslande bestehen. Diese Bewegung hat in der Tat dazu gefübrt, daß elne Reihe von Kohlenausfuhrtarifen beseitigt wurde, und zwar gerade für ein Gebiet, das die Reichglande und das Verkehrsgebiet der Reichtzeisenbahnen in erster Linie interesstert: es sind aufgehoben worden dle Kohlenautfuhrtarife nach Südfrankreich, Italien und, unter deren Rückwirkung, nach der Schweiz. Et ist also das erreicht, was der Herr Abg. Storz anstrebte für das Verkehrsgebiet der Reichs- elsenbahnen.
Dann ist der Herr Abg. Behrens auf die Tätigkeit der Arbeiterausschüsse eingegangen. Nach den Beslimmungen haben die
vollen Betrage der Arbelterschaft wieder jugute kommen. Im meine dafür ist doch eine Reichgelsenbahnverwaltung wohl gut, daß sie solche
Arbelterautschüsse die Aufgabe, Anträge, Wünsche, Beschwerden, die
Angestellten der Verkehrsanstalten zulässig sein soll, sich absolut isolieren.
Wendungen gebraucht; er hat u. a. gemeint, der Hinweis — ich habe ihn heute nicht gegeben —, daß die großen Trantportanstalten staat⸗ liche Musteranstalten seien, sei Schwindel. Er hat weiter von Kunst⸗
passen; und ich meine, aus den Zahlen, die ich vorhin mitteilte, ist der Bewels, daß dies für die Reichtzelsenbahnverwaltung zutrifft,
Meine Herren, Sie erinnern sich alle, daß im vergangenen Jahre auf
die Initiative des Herrn Grafen Kanitz eine große Bewegung durch datan auch auf mich jzurückgeführt werden kann. Was in dem Bericht das Land ging und verlangt wurde, daß angesichts der Kohlenknappheit
regeln, von denen ich gestern gesprochen habe. Ich habe mich gestern bemüht, die Aufmerksamkeit der verbündeten Regierungen auf die ollerhöhungen anderer Länder und auf die hieraus entspringende dere hinzulenken, und wenn mir der Abg. Goihein darin entgegentrat, so hat er damit die für uns höchst nachteiligen Bestrebungen der anderen Länder nur unterstützt. Ob er damit unserer Exportindustrie einen Dienst geleistet hat, lasse ich dahingestellt. Er schloß mit der Wendung: Es kommt darauf an, daß bei uns billig produziert wird. Das kann aber nicht geschehen, wenn alle Rohmaterialien durch Zölle verteuert werden.“ Der Abg. Gothein weiß offenbar nicht, daß alle wichtigsten Rohstoffe, Baumwolle usw. zollfrei bei uns eingeben. Aber wenn er stich bier auch auf dag freibändlgrische England berufen sollte, wo alle Stoffe, nicht bloß die Rohstoffe zollfrei eingehen, so möge er be⸗ herzigen, daß die englischen Arbeiter sich trotzdem in elner viel schwierigeren Lage befinden als die deutschen. Der Abg. Gothein hat gestern wieder das lahme Pferd des Freihandels bestiegen, das auf allen vier Beinen lahmt; ich glaube, es wird bald ju Falle kommen. Abg. Kaempf (fr. Volkep.): Der Vorredner hat soeben daßselbe Bild gebraucht wie vor einigen Wochen mir gegenüber, als er mich den Associs einer bankerotten Firma, der des Frei⸗ handels, nannte. Aller Widerspruch von Ihrer Seite wird an der Tatsache nichts ändern, daß auch Sie Freihändler werden müssen in dem Augenblick, wo Sie gezwungen werden, Ihre Produkte zu erhortieren, und damit haben Sie schon ar gefangen. Wenn Gegland stä ker unter der Krisis gelitten hat als ein anderes Land, so . man doch seine Augen verschließen, wenn man nicht erkennen wollte, daß es starker leiden mußte, well es in innigstem Zusammenhang mit Nordamerika stebt, von wo die Krise ausgegangen ist. Die Abgg. Kanitz und Trimborn haben dem Bericht der Berliner Aeltesten der Kaufmann
hatt die besondere Ehre angetan, ibn rühmend zu erwähnen. Ich
in den Herren sehr dankbar dafür, weil ein Teil der Arbeit vorgetragen ist, ist so wahr, daß auch die Ausführungen der beiden . . nichts ändern können. ** Abg. Fürst Hatzfeldt hat vorgestern ausdrücklich ausgeführt, die Zeit sei vorbei, wo lediglich agrarische Interessen enischeidend auf Gesetzgebung und Verwaltung ein wirkten, dDeil kli land wirt chaftliche PHändsterung nur noch ungefahr en Drittel der Bepölkerung des Deutschen Reicheg ausmache. Gg kommt bel der Beurteilung der Prosperltät einer Industrie, einer Exportindustrie, nicht — an, wieviel, sondern zu welchem 83 ausgeführt wird. Wenn Graf Kanitz behauptet, daß die Stati sehr leicht so oder anders auszulegen sei, . muß man doch in die Sache etwaz tiefer hineingehen, ehe man ein endgültiges Urteil über die Lage der r,, oder der Industrie in einem Teile Deutschlandg fällen darf. . 4 Arendt (Rp.): Dle Erklärung, Lie der im Augenblick nicht anwesende Abg. Fürst Hatzfeldt namens aller meiner polltischen Freunde abgegeben hat, ging nicht dahin, daß in irgend einer Weise von einer einseitig agrartschen Politik gesprochen wurde auf Kosten
* ., m m ĩ / / . —— 8