1909 / 99 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 28 Apr 1909 18:00:01 GMT) scan diff

Gro ßhandelspreise von Getreide an dentschen und fremden Bõr senplãtzen

für vie Woche vom 19. bis 24. MApril E909 nebst entsprechenden Angaben für die Vorwoche. . 1000 Kg in Mark. (Preise für greifbare Ware, soweit nicht etwas anderes bemerkt.)

Woche 19. /24. April 1909

179,900 247,33 180,35

Da⸗ egen or⸗ woche

178, 50 243,50 180 60

Berlin. Roggen, guter, gesunder, mindestens 71 W 75

zen, Safer, = 8 = Mann beim.

ö . . er . ruman., mittel. 1

188A 75 268,75 189, 37 183.75 147,50

190,90 266, 87 188, 12 193,75 147,50

scher, mittel fälzer, mittel! utter⸗, mittel

Wien.

Roggen, Pefler Boden Welsen, Theiß⸗ fer, ungarischer erste, slovakische Malt, ungarischer

rus

180,77 269, 45 164,57 172,25 189, 84

Gu da pe st. Roggen, Mittelware . 172,50 r. ö 252, 06 1565,19 151,61

128, 25)

141, 82

Roggen, 71 bit 72 Kg das hl.. 1656, ]

Wellen, Ulka, 75 biz 76 Kg das HI. Riga.

Roggen, 71 bis 72 kg das hl...

I Pari.

7 lieferbare Ware det laufenden Monatz

140, 25 165, 13

146,89 208, 02

Antwerpen.

Donau⸗, mittel Kansas Nr. 2

204,38 203,09 204, 87

2036 zol id

Kalkutta Nr. 2 Australier

Am sterdam. 150,00 165, 64 204, 63 211,69 132,94 133,79

2 2 2 2 *. 1 1

Asow t. Petersburger. ö 6 ** d n amerikanischer bun Maia La Plata

Roggen Weizen

Mark Lane). 1931

englisches Getreide, Mittelpreiz aus 196 Marktorten (Gazette averages)

Liverpool. 1

Weljen

Wejen fer

85.

roter Winter · Nr. 2 Manltoba Nr. 2

Australler Hafer, englischer weißer

gerste, Futter⸗

207, 21 152, 44

138, 14 145,55

Dde Ma 152,24

La Plata, gelber

Chicago. 189,80 172, 18 159, 85 115,80

Wenen, Lieferunggware Mais ö

k 1 Reinen Lieferungtware Juli

Mais , . Bueno Lire. 3 Durchschnittaware

216.48 197,86 183,29 170,73 131,07

180, 106, 911 104,24.

Bemerkungen.

13Imyerial Quarter ist für die Weizennoth an der Londoner Pro⸗ duktenbörse 504 Pfund engl. gerechnet; für die aug den Umsaͤtzen an 196 Macktorten det Deo e c ermittelten Durchschnittspreise für einbeimisches Getreide (Gazette averages) ist 1 Imperial Quarter Weljen 480, Hafer 312, Gerste 400 Pfund engl. auge fg 1Bushel Wehen 60, 1 Bushel Maig 56 Pfund englisch. 1 Pfund englisch 463,8 g; 1 Last Roggen 2100, Weljen 24600, Maig 2000 kg.

Bel der Umrechnung der Preise in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tagegangaben im f, ermittelten wöchentlichen en, , an der Berliner Börse ju Grunde gelegt, und jwar für Wien und Budapest die Kurse auf Wlen, für London und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago und Nen Jork die Kurse auf Neu Jork, für Odessa und Riga die **. ö t. Petergburg, für Paris, Antwerpen und Amsterdam die Kurse 8 e lätze. Preise in Buenos Alreg unter Berüdksichtigung der

oldpramle.

Berlin, den 28. April 1909.

Kaiserlicheg Statistisches Amt. van der Borght.

Dentscher Reichstag. 249. Sitzung vom 27. April 1909, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffg Telegraphischem Bureau.)

zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend Aenderungen des Gerichtsverfassungs⸗ kehr, der Zivilprozeßordnung, des Gerichts— ostengesetzes und der Gebührenordnung für Rechts— anwälte, wird fortgesetzt bei den 385 392 ff., die von der Ableistung des Zeugeneides handeln. Die Vorlage führt statt der geltenden vor der Vernehmung erfolgenden Beeidi⸗ gung den Racheid ein. Die Kommission hat diese Aenderun gutgeheißen. Nach dem Kommissionsbeschluß zum § 392 so die Eidesnorm dahin gehen, daß der Zeuge nach bestem Wissen die reine Wahrheit geh g nichts verschwiegen und nichts hin⸗ tugesg habe. . om Abg. Kirsch Gentr.) ist beantragt, daß der Zeuge den Eid dahin zu leisten hat, „daß er nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe“.

In der Diskussion werden hiermit die 88 410 und 411 6 von Sachsverständigen) und 385 481 und 482 (Ab— eistung des Eides und Eingangsformeln) verbunden.

Die Kommission hat eine weitgehende Vereinfachung der Eidesableistung im j 481, wie folgt, vorgeschlagen:

Der Eid wird in der Weise geleistet, daß der Richter die Eides⸗ norm mit der Eingangsformel: „Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden' vorspricht, und der Schwurpflichtige die Worte spricht (Eldesformel): „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe!“ Der Schwörende soll bei der Eidesleistung die rechte Hand erheben. Sollen mehrere Personen gleichzeitig einen Eid leisten, . die Eidesformel von jedem Schwurpflichtigen einzeln ge—⸗

Abg. Kirsch (Zentr.): In der ersten Lesung der Kommission war die Eidegnorm nach meinem Antrage konstruiert worden; in zweiter Lesung hat man das alte „nichts hinzugesetzt! wieder aufgenommen, obwohl es doch unter allen Umständen, nachdem der Zeuge die reine Wahrheit gesagt zu haben beschworen hat, ein Nonsens ist. Ich bitte dringend um die Annahme dieses meines Antrages.

Referent Abg. Dr. Heinze (nl)) spricht sich nameng der Kom— mission gegen die Anträge Kirsch aus.

. Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Ich bin mit den Ausführungen des Herrn Be⸗ richterstatters überall einverstanden, abgesehen von einem einzigen Punkte. Dieser Punkt betrifft die Gestaltung des Eidesnorm. Dle Kommission hat nach längerem Schwanken sich dahin schlüssig gemacht, daß die Eidesnorm so bestehen bleiben soll, wie sie bisher bestanden hat, daß also gesagt wird, der Eidetpflichtige soll schwören, die reine Wahrheit gesagt, nichts verschwiegen und nichts hinzugesetzt zu haben. Die Kommission war anfangs jweifelhaft, ob es nicht im Interesse der Vereinfachung der Eidesnorm liege und damit auch der Wahrhelt der Eldegleistung zustatten kommen würde, wenn man die Worte nichts hinzugesetzt habe“ streichen wollte, sodaß dann die Formel in einer auch nach meiner Meinung für das Publikum viel leichter verständlichen Weise nur heißt: die Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen zu haben“. Die Worte nichts hinzugesetzt zu haben, sind eigentlich gleichgültig. Wenn einer schwört, nichts hinzugesetzt zu haben, dann schwött er doch eigent- lich nur nochmals, die Wahrheit gesagt zu haben, und solche sachlich identische Formeln soll man nach meiner Meinung im Interesse der Heiligkeit und Richtigkeit des Eides nicht begünstigen und nicht auf⸗ rechterhalten, auch wenn sie bigher eine Zeitlang bestanden haben. Die Tatsache, daß sie längere Zeit in Anwendung gewesen ist, beweist nichts; denn es steht ihr die Erfahrung geckthüber, daß man im Volke den Sinn dieser Formel vielfach nicht richtig verstanden (sehr richtig! links) und daran sich gestoßen hat.

Die Kommission hat sich dann aber dech bei der zweiten Lesung entschlossen, zu der hergebrachten Formel jurückjukehren, also nicht nur beschwören zu lassen, die Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen zu haben“, sondern auch beschwören zu lassen, 'nichts hinzugesetzt zu haben“. Nun, meine Herren, würde ich meinerselts, da nun einmal von der Kommission ein so großer Wert darauf gelegt wird, einen Einspruch dagegen nicht erheben, wenn nicht ein neues Moment in— jwischen eingetreten wäre, das mich nötigt, in diesem Punkte dem Herrn Berichterstatter zu widersprechen.

Dieses neue Moment liegt in dem inzwischen eingebrachten Ent⸗ wurf der Strafprozeßordnung. Auch in der Strasprozeßordnung findet ja die Neuregelung der Eidesleistung ihre Stelle, und die verbündeten Regierungen haben sich nach eingehender Erwägung dahin schlüssig gemacht, daß die Worte nichts hinzugesetzt habe“ gestrichen werden, sodaß dann nach der Strafprojeßordnung geschworen werden soll, die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen ju haben. Die verbündeten Regierungen sind also bei der Beratung der Strafprozeßordnung auf den Weg gekommen, den die Kommission in der eisten Lesung beschlossen hatte und den insowelt auch der Herr Abg. Kirsch heute befürwortet. Nun glaube ich doch, wenn bei einem so wichtigen Reformprojekt, wie die Straf⸗ prozeßordnung, die verbündeten Regierungen sich entschlossen haben, die Norm ju ändern, zu vereinfachen, in der Ueberjeugung, dadurch den Wert des Eides ju erhöhen, so kann das an dem Reichttage nicht wohl unbeachtet vorübergehen, und ich sollte meinen, der Reichstag hat keine Veranlassung, in diesem Punkte dem nach ausführlichem Meinunggaustausch gefaßten Beschlusse entgegenzutreten, umsoweniger, als ja auch in der Kommission eine starke Strömung dahin ging, in dieser Weise die Gidesformel zu fassen.

Ich möchte mich also den Worten des Herrn Berichterstatters anschließen und Ihnen empfehlen, die Antcäge des Herrn Abg. Kirsch abzulehnen mit der einen Ausnahme, daß nach Maßgabe des Antrags des Herrn Abg. Kiisch die Worte nichts hinzugesetzt habe“ in der Zivilprozeßordnung gestrichen werden. Ich hoffe, meine Herren, dag wird dem ganzen Eideswege jum Vorteil gereichen so ist wenigsteng die Ansicht der verbündeten Regierungen —, und ich glaube, das ist doch ein Moment von solcher Bedeutung, daß der Reichstag vielleicht bereit sein wird, in diesem Punkte dem Beschlusse der verbündeten Regierungen zu folgen.

Abg. de Witt (Zentr.,) spricht sich kurz für den Kommissiont—⸗ antrag aus. ö

bg. Storz (D. Volkep.) erklärt sich dagegen für den Antrag Kirsch, ebenso der

Abg. Dr. Frank. Mannheim (Soz.), der in dieser Vereinfachung eine bedeutende Verbesserung der Cidesnorm erblickt, und der Abg. von Diiembowski⸗Pomian (Pole).

Der Antrag Kirsch wird mit großer Mehrheit angenommen.

Abg. Dr. Ablaß (fr. Vellep. begründet hierauf folgenden, von ihm in Gemeinschaft mit dem Abg. Dr. Müller⸗Meiningen ein gebrachten Antrag auf Ergänzung des 5 481 durch folgenden neuen

Die

Absatz: „Von denjenigen Schwunpflichtigen, welche die Anrufung Gottes in der Eidesformel zurückweisen, wird der Eid in der Weise geleistet, daß der Richter die Cidegnorm mit der Eingangsformel „Wir schwören“ vorspricht und der Schwurpflichtige hierauf die Wort- spricht (Gidesformel): „Ich schwöre es!“. Unser Antrag will endlich einmal etwas erreichen, worauf seit Jahrzehnten mit großer Zaͤhigken von den Beteiligten hingearbeitet worden ist, namlich die Beseitigung einer unerträglichen Gewissennot bei denen die aus xreligiösen Bedenken die Anrufung Gottes in dei Eidesformel vor ihrem Gewissen und vertreten zu können glauben. Ich vertraue, daß Bundetrat und Reichstag hier der Gewissengfreiheit Raum geben werden, denn nach orthodoxer wie frelreliglßser Auffassung können Glaubenssachen nicht Gegenstand eines staailichen Zwanges sein. Es spricht das den fundamentalsten Gesetzen der Sittlichkeit Hohn. Der Reichstag hat sich schon öfter mit der Frage ju befassen gehabt und ben nglich⸗ Petitionen dem Kanzler als Material lng sen Es scheint ung höchste Zeit., daß der Reichstag diesen abwartenden Standpunkt endlich aufgibt. Meinem persönlichen Empfinden hätte es am meisten ent— sprochen, wenn die religiöse Eidesformel durch eine rein staatliche er,

setzt worden wäre; wir haben den vorgeschlagenen Weg gewählt, weil

wir uns für einen weitergehenden Antrag keine Mehrhelt versprochen

haben. Für unseren Antrag erhoffe ich namentlich die Zustimmung dez

Zentrums; denn diese Partei hat wiederholt und besonders beim Toleranzantrag zu erkennen gegeben, daß sie jeden gesetzlichen Zwang in Glaubenssachen verabscheut; sie könnte unserem Antrage gegenüber keine veränderte Stellung einnehmen, ohne sich den Vorwurf der Inkonsequenz zuzuziehen. Wenn man dem Hreglauer freireligiöfen Prediger, der die Ableistung der religiösen Eidesformel verwelgerte, nachsagte, er hahe mit seiner Mannhaftigkelt nur kokettjeren wollen, so verdient der Mann, der es mit seiner Eidespflicht ernst nahm, eine solche Charakterisierung nicht. Hervorragende Geistliche beider Kon. fessionen haben sich im Sinne unseres Antrages ausgesprochen, ebenso Konferenzen von Fürsorgevereingvertretern und andere. Der moderne Staat soll Glaubens. und Gewissensfreiheit gewährleisten; der Schutz der Religionsfreiheit gebört zu den ersten Rechten einer Minorität 3 wird auch seinerseits nicht Macht vor Recht stellen wollen.

Berichterstatter Abg. Dr. Heinze (nl.): Ich bedauere, daß der An⸗ trag Ablaß nicht in der Kommisston gestellt und begründet worden ist. Ez lag nur eine entsprechende Petition des deutschen Monistenbundes vor. Die Tendenz der Kommission ging dahin, daß der Begriff deg Eideg die Anrufung Gottes involviere. Vielleicht ließe sich aber ein anderer

Weg finden, um den Wünschen der Antragsteller zu genügen, dadurch,

daß an Stelle der Eidesformel nach dem Muster der verschiedenen Sekten, wie den Mennoniten, gestatteten Formel, Erklärung gestattet wird. .

Abg. de Witt (Jentr.): Ich bedauere lebhaft, daß ich dem Abg.

Ablaß eine Enttäuschung bereiten muß. Für unt ist der Antrag Ablaz

in der gestellten Form unannehmbar.

Abg. Schrader ffr. Vgg): Das ist eine etwas seltsame Er= klärung ohne Begründung. Der jetzige Zustand ist unhaltbar und widerspricht dem Jeitgeiste; an die Stelle des Eides muß die eldet— stattliche Versicherung gesetzt werden. Ich bitte Sie, den Antrag Ablaß im Prinzip anzunehmen; vielleicht findet sich bis zur dritten ö =

Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding: .

Meine Herren! Ich kann den Erwartungen, die der Herr Abg. Ablaß heute an die Adresse der verbündeten Regierungen gerichtet hat, nicht entsprechen.

ist. (Bravo! rechts und in der Miite.)

Meine Herren, die Frage, die durch diesen Antrag wieder an⸗ geregt worden ist, hat bereits eine Rolle gespielt in den Verhandlungen

der großen Justimkommission in den Jahren 1876 und 1877. In der

großen Justizkommission ist sehr ausführlich, ausführlicher, alg ei hier im Plenum des Reichstags geschehen könnte, die Frage erörtert worden, ob man nicht den religiösen Eid duich andere Formeln derart ersetzen sollte, daß diese dann in gleich wirksamer Weise nach dem Grmessen der Eidespflichtigen angewendet werden könnten. Die Justh⸗

kommission ist damals in Uebereinstimmung mit dem Reichtztage und

in Uebereinstimmung mit den verbündeten Regierungen zu dem

Ergebnis gelangt, daß dieser Wunsch nicht erfüllbar sei; sie ist bei Auf Grund dieses den früheren Anschauungen entsprechenden Beschlusses hat sich ein dreißigjäbriger Rechtsjustand erhalten, und ich glaube, es wäre nicht

der Formel der alten Anschauungen geblieben.

gut, unter dem Eindruck einer augenblicklichen kurzen Debatte an

diesem, wie ich glaube, in dem Volke festgewurzelten Zustand irgend

etwas zu ändern.

Meine Herren, wenn eg auch eine Anzahl Menschen im deutschen

Lande gibt, die sich als Freidenker bejeichnen wollen und dürfen, so sind wir doch wohl alle der Ueberzeugung, daß die weitaus größte Zahl der Deutschen noch an dem alten positiven Gottegglauben hängt. (Sehr richtig! rechtg und in der Mitte) Unsere Gesttze können aber nicht gemacht werden nach dem Sinn vereinzelter, verhältnismäßig seltener Anschauungen, die im deutschen Volke nur ausnahmsweise

vertreten sind, sondern sie müssen gemacht werden nach den Gesamt⸗

anschauungen, die im deutschen Volke herrschen. (Zuruf linkt: Das tun wir ja) Das tun Sie nicht, meine Herren. Die Gesamtanschauung des Volkeg geht dahin, daß, wenn der Cid

eine wirksame Bedeutung behalten soll, er auch seine religiöse Selte haben muß und Sie wollen diese religiöse Seite hier sireichen und den

Eld einfach ju einem bürgerlichen Rechtsakt machen, gleichberechtigt neben dem religiösen Akte, und damlt versündigen Sie sich gegen dat—= jenige, was im deutschen Volke im großen und ganzen noch von dem

Eide verlangt wird. (Gravo! rechtg und in der Mitte. Widerspruch links.) Ich will Ihnen gern zugeben, daß unter den Anschauungen,

die hier vertreten wurden und die ju dem Antrag geführt haben, sich auch bedauerliche Gewissengkonfllkte argeben können. Wenn aber hier gesagt worden ist, man solle die Menschen nicht zu einer Lüge zwingen,

indem man denjenigen, der nicht an Gott glaubt, doch nötigt, den

Namen GotteJ anzurufen, so erlaube ich mir die Gegenfrage: wäre

es denn nicht auch eine Lüge, wenn derjenige, der nicht an Gott

glaubt, dennoch ju einer Kirche sich hält, die in ihren religiösen Satzungen den Glauben an Gott lehrt? (Unruhe links.) Herren, das ist zweifellog: wenn in dem einen eine Unwahrheit liegt, so liegt auch in dem anderen eine Unwahrheit. Diese Unwahrheiten sind bedauerlich, aber wir können sie im Wege der Gesetzgebung nicht aut der Welt schaffen, so lange wir genötigt sind, und das werden wir noch lange sein, nach den Anschauungen zu gehen, die im großen und ganzen im Volke herrschen. ; Dann möchte ich aber auch noch in einem Punkte, den der Herr Antragsteller berührt hat, den Vertreter der Relchsjustijverwaltung, der in der Kommission zu dieser Sache gesprochen hat, in Schut nehmen. Damals soll dieser, wie ich glauben würde, mit Recht darau aufmerksam gemacht haben, daß, wenn man jemand die Befugntt gabe, sich der religißsen Form der Eidesleistung ju entziehen, er in seinem Gesühl sich von allem inneren Druck freimachen könne, der

ihrer Ueberzeugung nicht

eine einfache

Ich habe namens der verbündeten Regierungen zu erklären, daß der Antrag Ablaß und Genossen für sie nicht annehmbar

Meine

ihn iwingen würde, die Wahrheit zu sagen. nicht zu leugnen. Die religiöse Seite des Eides hat auch für viel, die sich als Freidenker geben, noch immer eine innere Bedeutung, auch sie werden nicht nur auf Grund dessen, daß das Gesetz eine Strafe für den Meineid verhängt, bei der Wahrheit bleiben, sondern das innere Motiv, welches auch, vielleicht unbewußt, dabei mitwirkt, ist der Gedanke an die Vergeltung im Jenseits. Dleses Jenseltz mag von denjenigen, die sich zu den Atheisten wirklich jählen, geleugnet werden; wenn wir aber vielen schwankenden und wankenden Charakteren die Freiheit geben, der Kraft und Wirkung

des religiösen Aktes im Eide sich zu entziehen, indem sie einfach Eldes

wollen an Stelle elnes religiösen Beteuerung vor Gericht abgeben, dann wird jeder zugeben, der die Verhältnisse objektiv betrachtet, daß die Gefahr der falschen Aussage vor Gericht in nicht abzusehender Weise wächst. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte) Dieser Gefahr wollen die verbündeten Regierungen das deutsche Volk doch nicht aussetzen, und aut diesem Grunde in Ver⸗

dürften: wir einfach eine feierliche

sagen

bindung mit der Grundanschauung, die ich eben die Ehre hatte, als

dielenige der verbündeten Regierungen darzulegen, kann ich nur bltten, den Antrag Ablaß und Genossen abzulehnen. (Bravo! rechts und in der Mitte.)

Abg. Dr. Frank. Mannheim (Soz.): Viese Stellung des Staats- sekrelärs hat uns nicht überrascht, sie entspricht lediglich der Haltung Preußens gegenüber den Dissidenten in Breslau usw. Der Antrag Ablaß ist lediglich ein Ausfluß der alleiprimitivsten Forderung der Toleranz. Verschiedenen Sekten hat man doch schon die bloße Be— teuerungsformel gestattet, es ist ein einfaches Gebot der Gerechtigkeit, sie auch anderen zu gestatten, denen ibr Gewissen die Anrufung Gottes verbietet. Der Antrag ist verbesserungsfähig, er muß auch auf den Sachverständigeneid ausgedehnt werden.

Abg. Kirsch (Zentr.): Zu der Frage selbst wollen wir keine Stellung einnehmen, der Antrag Ablaß ist für uns in der gestellten Form unannehmbar. Was man an die Stelle des Eides setzen will, ist das unendlich Schwlerige. Vile rheinisch westfälische Gefängnis gesellschaft hat fich wiederholt mit dieser Frage beschästigt, und sie hat auch auf die Schwierigkeiten hingewiesen. Wenn Sie hier etwas tun wollen, so können Sie es bei der Straf— prozeßordnung tun. Wir lehnen den Antrag Ablaß ab. Ich be— antrage, die Kommissionsvorschläge über die Neufassung des § 481 (Ableistung des G des) zu streichen, es bei den bisherigen Be— stimmungen ju helassen und nur in § 482 als Absatz 3 nach der Vorlage folgende Vorschrift einzustellen: „Bei gleichzeitiger Be⸗ eidigung mehrerer Zeugen hat der Richter die Eidesnorm mit der Eingangsformel: ‚Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden' vorzusprechen. Die Zeugen leisten den Eid, indem jeder einzelne die Worte spricht: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe!“ Ich halte diesen Antrag nunmehr aufrecht, nachdem Sie meinem Antrage bezüglich der Abänderung des § 392 zugestimmt haben.

Abg. Everling (nl. : Es handelt sich um den einzigen religiösen Akt, den der Staat zwangsweise fordert. Vom Standpunkte des christlichen Staates hat man 1875 die Abschaffung der Eidesformel mit Entrüstung zurückgewiesen. Ich habe die Empfindung, daß der Abg. Ablaß die ungeheure Wucht der religiösen Anschauung im Dienste der Wahrheit unterschätzt hat. Ich stehe auch auf dem Standpunkte, daß es nicht angängig ist, einen zu einem religiösen Akt zu zwingen, zu dem er sich nicht bekennt. Wird von dem Eides leister, der unglücklicherweise nicht an Gott glaubt, ein religiöses Bekenntnis gefordert? Ich möchte die Frage bejahen. Aber der Antrag trifft insoforn nicht das Richtige, als er die Formel zuläßt: Ich schwöre“; darin liegt ein religiöses Bekenntnis. Viel gangbarer wäre der Weg, eine Palallelformel zu finden zu der eidesstattlichen Versicherung der Mennoniten. Nähmen wir den Antrag Ablaß an, so würden wir Eide erster und zweiter Klafse haben. Ein so wichtiger Antrag sollte in der Kommission eingehend erörtert werden. Ich kann den Antrag in der vorliegenden Form jedenfalls nicht annehmen.

Abg. Kölle (wirtsch. Vgg.): Wir werden den Antrag Ablaß ablehnen, weil eine so wichtige, weittragende Frage nicht nebenbei erledigt werden kann. Es wird hier nur das amtsgerichtliche Ver⸗ fahren geordnet. Wir wünschen geschlossen, daß der religiöse Eid bei⸗ behalten wird; ob man für Nichtgläubige eine andere Form wählt oder nicht, ist der Zukunft zu überlassen.

Abg. Müller⸗Melningen (fr. Vgg.): Hier wird doch das ganze Gebiet der Eidesformen geregelt, und wir haben die moralische Verpflichtung, diese Frage zur Lösung ju bringen. Wir können doch nicht in zweiter und diitter Lesung einfach die Kommissions⸗ beschlüsse abstempeln, sondern die zweite Lesung ist vor allem dazu da, weltere Anregungen aus dem Hause zu machen. Das Zentrum sollte doch bier einmal wirkliche Toleranz bewelsen und zeigen, daß es die Gewissengfreibeit anderer ebenso achtet wie die eigene. Warum bringt der Abg. Kirsch kein Amendement? Alle die religiösen Bedenken ließen sich vielleicht beseitigen, wenn man statt der Worte „Ich schwörer setzte: Ich gelobe“. Die Haltung der Regierung ist ebenso merkwürdig. Die Reichsgesetze sind nicht dazu da, die höchsten staatsbürgerlichen Rechte auf Gewissensfreiheit einfach ju ignorieren. Alle Bedenken, die vom religiösen Standpunkte er⸗ hoben sind, könnten beseitigt werden, wenn die ganze Materie in die Kommission zurückverwlesen und dort gründlich geprüft würde. Wir wollen neben Tie religiös-dogmatische Glaubensformel eine fakultativ dogmenlose Formel setzen. Die Wucht des religiösen Eides unterschätzen wir kelnegwegs. Wir wollen bloß diejenigen, die in dem Cid eine reine Formel sehen, nicht zwingen, eine Blasphemie zu begehen. Es handelt sich auch um streng religisse gläubige Kreise, deren Empfinden es widerstrebt, wenn sie um elnen kleinen Betrag von 2 oder 3 6 Gott anrufen müssen. Diese Kreise haben dasselbe Recht auf Toleranz wie die anerkannten Religionsgemein haften. Die ganze Tendenz der Reform der Zivil. und Strasprojeßordnung geht aus- gesprochenermaßen dahin, die Eidesleistung einzuschränken. In dieser Richtung liegt auch unser Antrag. Nehmen Sle ihn entweder ohne weiteres an, oder verweisen Sie die Materie in die Kommission zu neuerlicher Prüfung zurück. . ;

Abg. Schultz Bromberg (Rp.): Wir würden in Zukunft jweierlel Eide haben: die Möglichkeit eines nichtreligiösen Eides bei den Amtsgerichten, im Strafprojeß aber nur den religissen Eid. Eine Rechtspflege ist unmöglich ohne genaue gewissen hafte Er⸗ sorschung der Wahrhelt, und deshalb muß den Zeugen gegenüber der stärkste Gewissensjzwang' ausgeübt werden. Diesen haben wir aber nur hon der Anrufung Gotteg ju eiwarten. Manchem mag es auf ein oder jwei Jahre Zuchthautz nicht ankommen, aber mit dem lieben Gott möchte er et nicht verderben. Dieses Mittel zur Erforschung der Wahrheit will man dem Staat um einer verschwindenden Minder⸗ heit willen rauben. Ich habe in einer hjäbrigen Prax s noch nicht die geringsten Beschwerden wegen der Autzübung eines unzulãässigen Gewissenzjwanges durch den Cid bekommen. t. ;

Abg. Dr. Ablaß (fr. Vollgp.): Die Gründe deg Staatssekretärs sind fadenscheinig, es soll nur eine andere Formel für diejenigen gewährt werden, die aus religiösen Gilüinden die Anmufung deßs Namens Gotteg verweigern. Hat der Staatssekretär nicht oft auch zu Gunsten einer Minderheit Stellung genommen? Sehr inkereffant ist die Stellung des Zentrums. Bie Urheber des Toleranjantrages sollten doch mit allen zehn Fingern lugt g fen, wenn man ihnen die Möglichkeit gewährt, Toleranz jum Ausdruck zu bringen.

Berichterstatter Abg. Dr. Heine (l.): Der Beschluß der Kom. misston ist wohl erwogen, er bedeutet eine ganz außerordentliche Verein⸗ sachung der Cidegabgabe. Ich bitte dringend, den Anttag Kirsch abzu⸗ lehnen. Der Gegenstand Dez Antrags Ablaß ist in der Kommission nicht gestellt gewesen, ich biite jedoch, ibn nicht r n , da

er der Jweckbestimmung der Nobellesich nicht einpaßt. ILäKäüeer!

Das ist nun einmal

Es erhebt sich eine langwierige Geschäftsordnungsdebatte über die Zurückverweisung und über die Frage, ob der Berichterstalter Dr. Heinze mit seinem Widerspruch gegen

diese nicht über seine Befugnisse als Berichterstatter hinaus— gegangen ist.

Der Antrag Müller Meiningen auf Zurückverweisung des Antrags Ablaß wird abgelehnt, ebenfalls der Antrag Firsch gegen vereinzelte Stimmen. Der Antrag Ablaß wird ab⸗ gelehnt gegen die Sozialdemokraten, Freisinnigen und ver⸗ einzelte Nastonalliberale.

Zum S8 S6, dessen dritter Absatz nach der Vorlage und nach den Beschlüssen der Kommission gestrichen werden soll, befürwortet der

Abg. Schultz⸗Bromberg (Rp.) folgenden Antrag:

Der Reichstag wolle beschließen: dem § 866 der Zivilprozeß⸗ ordnung folgenden dritten Absatz hinzuzufügen:

„Auf Grund eines vollstreckbaren Schuldtitels darf eine Sicherungshypothek nur für eine den Betrag von dreihundert Mark übersteigende Forderung eingetragen werden. Die Vorschriften der Fs§ 4 und 5. finden entsprechende Anwendung.“

Gegen diesen Antrag wendet sich der Berichterstatter Abg. Dr. Heine (nl. und der Geh. Oberregzierungsrat Delb rück.

Großherzoglich badischer Geh. Oberregierungsrat Dr. Nieser führt aus, daß etz das beste für Baden wäre, wenn der gegenwärtige Zustand, wonach die Eintragung einer Sicherungshypothek auf Grund eines Vollstreckungsbefehls nicht stattfindet, im übrigen aber nur für Beträge, die 300 M übersteigen, beibehalten werde.

Der Antrag Schultz wird angenommen.

Im übrigen werden die Kommissionsvorschläge zur Zivil⸗ prozeßordnung unverändert ohne Debatte angenommen.

Art. III des Entwurfs enthält die Abänderung des Gerichts kostengesetzes.

Ein Antrag des Abg. von Dziem bowski (Pole), 5 8; Abs. 2 zu streichen, wird von dem Geh. Oberjustizrat Mügel als nicht mit der Vorlage in innerem Zusammenhang ftehend bekämpft, vom Abg. Dove (fr. Vgg.) empfohlen und gegen die Stimmen der Rechten angenommen. Im übrigen rritt das Haus den Kommissionsvorschlägen zu Art. II bei.

Art. IV betrifft die zur Rechtsanwaltsgebühren⸗ ordnung vorgeschlagenen Aenderungen. Die Kommission beantragt hierzu folgende Resolutionen:

a. den Reichzkanzler um die Vorlegung einer Gesetzesnovelle zu ersuchen, durch welche das Gesetz einer Revision unterzogen wird, welche unter Berücksichtigung der Forderungen der sozialen Ge⸗ rechtigkeit einerseltz und der gesteigerten Teuerung aller Lebens verhältnisse anderselts, den Vorschlägen der Vorstände der Anwalts— kammern entsprechend eine angemessene Erhöhung der Gebühren für Rechts anwälte vorsieht;

b. den Reichskanzler zu ersuchen, einen Gesetzentwurf vor— zulegen, durch den die Verjährungsfrist für Forderungen gegen , ,n aus der Besorgung von Rechtsangelegenheiten ver⸗

ürzt wird.

Eine Diskussion entsteht nur über einen Antrag Storz zu 876, betreffend die Verteilung der Pauschalgebühr zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Substituten.

Der Antrag wird, nachdem der Geheime Oherjustizrat Mügel sich dafür, der Abg. Dr. Frank (Soz.) sich dagegen ausgesprochen hat, angenommen, im übrigen die Kommissions⸗ vorschläge gutgeheißen ;

Nach Art. VII soll das Gesetz am 1. April 1910 in Kraft treten.

Nach Art. VIII sollte bei notwendiger Einziehung von Richterstellen die Versetzung von Richtern gegen ihren Willen während 3 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zulässig sein. Die Kommission hat diese Befugnis nur auf 1 Jahr und nur mit der Maßgabe zulassen wollen, daß Richter innerhalb des Oberlandesgerichtsbezirks versetzt werden können. Die Abgg. de Witt (Jentr ), Frank (Soz), Dr. Gör ck und Heinze (nl), Graef (wirtsch. Vgg.) und ln e r beantragen, den Art. VII zu streichen. Die Abgg. Freiherr von i , Kalkhof, Hebel und Sir (JZentr,) endlich wollen die Be⸗ fugnis nur in dem Umfange gewähren, daß Mitglieder eines Landgerichts an das am Sitze des Landgerichts befindliche Amtsgericht versetzt werden können.

Abg. Freiherr von Freyberg (Zentr.) befürwortet den Antrag mit Rücksicht spezlell auf die süddeutschen Verhaͤltnisse.

Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Der Ihnen von der Kommission vorgeschlagene Artikel VIII scheint im Hause wenig Beifall gefunden zu haben. Denn nach den Unterschriften, die sich unter dem Antrag de Witt und Genossen befinden, muß ich annehmen, daß ein großer Teil des Hauses von vornherein geneigt ist, diesen Artikel VIII zu streichen. Ich würde mir unter solchen Umständen gar nicht das Wort zu dieser Bestimmung erbeten haben, wenn es sich darum handelte, besondere Verhältnisse aus dem Bereich der preußischen Juslijverwaltung in das Feld zu führen. Ich kann aber sagen, daß die preußische Justijverwaltung an diesem Artikel so gut wie garnicht beteiligt ist. Der Herr Abgeordnete Frei⸗ herr von Freyberg hat schon darauf hingedeutet: die preußische Justij⸗ verwaltung ist vermöge der Größe ihres Ressortz immer in der Lage, Schwierigkeiten, die sich beim Uebergang in die neuen Rechtszustände ergeben könnten, zum Ausgleich ju bringen. Aber ich habe die Pflicht und ich betrachte das alt ein nobile offieium —, in diesem Falle auch ein Wort einzulegen für diejenigen kleineren Staaten, die durch die Kompetenzverschiebung zwischen Amt. und Landgericht aller⸗ dings in schwierige Verhaltnisse kommen können, mehr alg das bei Preußen der Fall ist.

Die Dinge liegen ja etwa folgendermaßen. Ein Landgericht ver⸗ liert infolge der Kompetenzverschiebung erheblich an Prozeßsachen. Infolge dieser Verklelnerung des Geschäftskreiseg können einige Mit- glieder des Landgerichts nicht mehr voll, vielleicht überhaupt garnicht mehr beschäftigt werden. Zu gleicher Zeit, wo dleser Fall eintritt, ist die Justizverwaltung genöligt, einige Amtsgerichte stärker als bisher zu besetzen. Das würde sich sehr leicht bewerkstelligen lassen, wenn eine Bestimmung, wie sie Ihnen von der Kommission in Artikel VIII vorgeschlagen worden ist, in das Gesetz Aufnahme fände. Denn dann würde die Landesjustizverwaltung in der Lage sein, den Richter, der bis dahin am Landgericht tätig war und fortan dort keine Beschäfti⸗ gung mehr findet, dort wegzunehmen und ihn in eine neu gegründete Stelle am Amtsgericht zu versetzen. Nach meinem Gefühl würde das dem Interesse und dem Ansehen der Justizpflege entsprechen. Denn es ist doch nicht schön, wenn an einem Landgericht ein Richter entbehrlich wird und das Volk es ansehen muß, wie dieser

Richter nun beschäftigungsloses Mitglied des Gerichts bleibt, sein

Gehalt weiter bezleht, für seine bisherigen Obliegenheiten keine Betätigung mehr findet. Auf der anderen Selte ist es finanziell und da wird gerade in der jetzigen Zeit doch auch eine Rolle spielen

immerhin von einiger Bedeutung für die kleineren Staaten für Preußen nicht «, wenn sie in der Lage sind, einen entbehrlich gewordenen Richter in eine neue Amtsrichterstelle zu Ferufen, und wenn sie dadurch der Notwendlgkeit enthoben werden, zwel Richter zu besolden, von denen der eine an dem einen Gericht nichts zu tun hat und der andere an einem anderen Gericht neu angestellt werden müßte, weil der erstere Richter nicht verfügbar ist.

Ich glaube also, daß sich Rückfichten der Finanzpflege und der Justijpflege, ingbesondere aber auch Rücksichten auf das Ansehen der Gerichte, dafür geltend machen lassen, wenn man in solchen Fällen die Möglichkeit schafft, eine Stelle ohne weitereg ein⸗ zuziehen und den dadurch entbehrlich werdenden Richter an eine andere neue Stelle zu versetzen. Ich will zugeben, daß eine solche Versetzung vielleicht in gewissem Umfange auch auf seiten des Einzelrichters ein Opfer darstellen könnte. Ich glaube aber, daß diese Fälle verhältnigmäßig selten sein werden, und daß das Opfer, was da verlangt wird, verhältnismäßig so zurücktritt, daß wir wohl darauf rechnen können, willige Männer zu finden, die die Justijverwaltung bei der Durchführung der neuen Kompetenzgestaltung unterstützen. Indessen wir müssen sicher gehen, da es in der jetzigen Zeit für die kleinen Staaten doch nicht gleichgültig ist, ob sie das Gehalt für eine entbehrlich gewordene Stelle noch längere Zeit aus werfen und zur Verfügung eines nicht mehr beschäftigten Richters halten müssen. In diesen kleinen Staaten kann daraus eine lang jährige Beanspruchung der Staatskasse sich ergeben, wodurch der Bevölkerung des kleinen Landeg ein immerhin nicht unbeträchtliches Opfer auferlegt würde.

Ich glaube deshalb, von allen Gesichtspunkten aus empfehlen zu dürfen die Annahme des Kommissionsbeschlusses zu Art. 8. Die gute Tendenz dieses Vorschlags wird in allen Krielsen des Landes richtig verstanden werden.

Nun hat der Herr Abg. Freiherr von Freyberg sich wohl im wesentlichen dieser von mir vertretenen Anschauung angeschlossen, er will aber den Kommissionsvorschlag in einer Weise beschränken, daß, soweit ich die Verhältnisse übersehe, er vielleicht in seinem Heimatg⸗ staat befriedigen, aber schwerlich in den andern, noch kleineren Staaten besondere Wickungen äußern dürfte. Ich glaube: wir müssen auf die kleinen Staaten in diesem Punkte noch mehr Gewicht legen als auf Bayern. Wollen Sie die Verwaltungsverhältnisse dieser kleinen Staaten durch Annahme des Kommissionsbeschlusses, meinet⸗ wegen in der Fassung Kirsch gegen die haben wir vorbehaltlich kleinerer redaktioneller Verbesserungen, für die in dritter Lesung noch der Platz sein würde, nichts zu erinnern —, wollen Sie diese nicht fördern, so wie wir wünschen, dann würde ich das im Interesse dieser Staaten und ihrer Justizverwaltungen lebhaft bedauern. Eg kann mich das aber nicht abhalten, für diesen Fall dann doch auch noch das Weniger von Ihnen ju erbitten, also die Annahme des Antrages Freiherr voa Freyberg zu befürworten. Es wird dann zwar nicht das Ganze erreicht, was durch den Kommissionsbeschluß erreicht würde, aber es geschieht doch etwag zur Erleichterung des Uebergangez innerhalb der kleinstaatlichen Justt⸗ verwaltungen.

Meine Herren, ich erlaube mir, daran zu erinnern, wie peinlich und streng Sie gewesen sind bei Prüfung der einzelnen Etat positionen im diesmaligen Budget. Während Sie dort bei jeder Position, wo es möglich war, zum Teil gegen den Protest der Re⸗ gierungsvertreter Abstriche gemacht haben, gehen hler die Anträge auf Streichung des Art. 8 gerade in entgegengesetzter Richtung. Während Sie beim Etat gegen den Wunsch der Regierungen Ausgaben gestrichen haben, die diese für notwendig hielten, wollen Sie hier gegen den Wunsch der Regierungen entbehrliche Ausgaben weiter bewilligen. Ich kann in dlesem verschiedenen Vorgehen einen einbeitlichen Gedanken nicht er= blicken und möchte Sie bitten, schon um in den Finanzbeschlüssen des Reichstags Einheltlichkeit zu wahren, in erster Stelle beim Kommisstong⸗ antrag zu verbleiben, falls Sie das aber nicht wollen, wenigstens den Antrag Freiherr von Freyberg anzunehmen.

Baverischer Bundegzratgbevollmächtigter, Ministerialrat von Treutlein⸗Moerdes spricht sich in demselben Sinne aus; Bayern werde veranlaßt sein, an einigen Landgerichten Stellen einzuziehen und sie an Amtsgerichte zu übertragen.

Abg. Dr. Görck-Holstein (nl) erklärt sich gegen den Antrag Freyberg und widerspricht auch der abgeschwächten n. des Antrags. Er erklaͤrt scch für den Antrag de Witt auf Streichung, des ganzen Artikels. Eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die Unabhängig⸗ keit der Richter sei ihre Unversetzbarkeit.

Abg. de Witt (Zentr.): Auch bei uns bestehen die prinzipiellen Bedenken gegen Artikel VIII unverändert fort. Der Antrag Freyberg bedeutet den ersten Vorstoß gegen das bisher hoch⸗ gehaltene Prinzip der Unversetzbarkeit, die das Palladium für eine unabhängige, unparteiische e n . bildet. Es ist besser, daß ein halbes Dutzend Richter in Bayern einen Nachmittag spaßieren gehen, als daß das Damoklesschwert der Versetzbarkeit der Richter über ganz Deutschland schwebt. Ich für meine Person werde aber für den Antrag Freyberg stimmen. Bei ihm handelt es sich darum, daß ein Landrichter event. als Amtsrlchter übernommen werden muß, wag durchaus im Rahmen dieses Gesetzes liegt.

Abg. Dr. Wagner⸗Sachsen (kons.): er Vorredner hat mit

Kanonen nach Spatzen geschossen. Eg handelt sich nicht um einen r eff ein Palladium; die Unabhängigkeit der Richter ist nicht n Gefahr. Abg. Dr. Gyßling (fr. Volkep.): Wir stimmen in erster Linie für den Antrag de Witt, eventuell für den Antrag von Freyberg. Da die verbündeten Regierungen selbst den Artikel VII vorgeschlagen haben, scheinen sie übrigens doch von der Ansicht ausgegangen ju sein, daß hier ohne weiteres der 5 8 des Gerichtsverfassungsgesetzes e dm der Richter auch gegen ihren Willen) nicht Anwendung ndet.

Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding:

Die Auffassung der verbündeten Regierungen stimmt mit der Auffassung des Herrn Abg. Gyßling vollständig überein. Die Tatsache allein, daß wir es für nötig befunden haben, eine besondere Be⸗ stimmung ju treffen, welche die Justijverwaltung ermächtigt, aus- nahm weise Versetzungen vornehmen, ist ja nur daraus ju erklären, daß die Regierungen davon autgegangen sind, daß der Artikel 8 dez Gerichtsverfassungsgesetzes hier nicht Anwendung findet, und jwar des« halb nicht, weil es eben keine Organisatione veränderung ist, was die Vorlage will. Wir sehen eine Verschiebung der Kompetenz an sich nicht als eine Organisatione veränderung an und können ihretwegen obne gesetzliche Ermächtigung Versetzungen gegen den Willen der Richter nicht vorzunehmen. Aus diesem Grunde halte ich auch die Dar- stellung in den Ausführungen des Herrn Abg. de Witt für unrichtig; der das Haus warnend darauf hinswieg, daß dies der erste Vorstoß gegen die Stellung der Richter sei, und nächstens werde bei der