1909 / 140 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 17 Jun 1909 18:00:01 GMT) scan diff

in Pamphleten erhoben worden waren. Das alles hat mich in meiner politischen Haltung nicht irre gemacht. An Verleumdungen bin ich gewöhnt. Ich verstehe jetzt, was Fürst Bismarck meinte, als er einmal zu einem ausgezeichneten Manne, der wenig Lust zeigte, ein Ministerportefeuille zu übernehmen, in der dem Fürsten Bismarck eigenen drastischen Ausdrucksweise sagte: „Eigentlich! sagte er ju ihm „begreife ich, daß Sie nicht Lust haben, in die Drecklinie einzurücken!“ (Heiterkeit) Das war vor 30 Jahren. Seitdem ist es schwerlich besser geworden.

Also, daß meine Gegner zum Teil mit recht unschönen Waffen gegen mich kämpfen, das, meine Herren, beeindruckt mich nicht. Eine solche Kampfesweise richtet sich selbst. Ich habe mich auch nicht da—⸗ durch irre machen lassen, daß dle stärlste Partei dieses Hauses die ge⸗ sellschaftlichen Besiehungen zu mir abgebrochen hat. (Bewegung.) Vielleicht trägt mein langer Aufenthalt im Auslande dazu bei, daß ich mich überhaupt nicht in eine Denkweise hineinzusetzen vermag, die die sozialen Beziehungen ausschließt, weil man politisch aneinander geraten ist oder politisch verschieden denkt. Ich hoffe, es zu erleben, daß sich bei uns in dieser Beziehung der Takt bessern wird, daß man auch bei uns dahin kommen wird, wo andere Völker schon lange sind. (Bewegung.) Namentlich in England denkt man nicht so kleinlich, politische Gegensätze auf das persönliche Gebiet zu über⸗ tragen. Ich hoffe, wir werden auch dahin kommen, daß man den anderen, weil er in einer politischen oder in einer gesellschaftlichen oder sozialen Frage anders denkt als man selbst, deshalb nicht gleich für einen Narren oder für einen Schurken hält. (Hört, hört! und Bewegung. Zurufe von den Sozialdemokraten.) Das wird dann ein schöner Fortschritt sein auf dem Wege der Be⸗ freiung von geistiger Gebundenheit, der Abstreifung von Philisternetzen. Aber vorläufig sind wir noch nicht so weit.

Also die Haltung eines Teils der Zentrumspartei mir gegenüber ändert nichts daran, daß es mir niemals eingefallen ist, diese Partei zu boykottieren.

Ich werde mich aber auch nicht bewegen lassen, die Geschäfte so zu führen, daß die Liberalen von der Mitwirkung ausgeschlossen werden. Ich habe nie daran gedacht, und denke auch heute nicht daran, mir daz liberale Programm anzueignen; aber die Mitwirkung der Liberalen bei großen gesetzgeberischen Aufgaben erscheint mir im Interesse unserer Fortentwicklung, einer ruhigen und gesunden Ent— wicklung, im hohen Grade wünschenswert. (Lebhaftes Bravo links, Lachen in der Mitte und bei den Sozialdemokraten. Meine Herren, die deutsche Einigung ist durchgeführt worden von Männern, die der konservativen Gedankenrichtung angehörten. Und der unvergleichliche Staatsmann, der diese Einheit realisierte, hat, um die Mittel für seine Pläne ju gewinnen, lange und heftige Kämpfe führen müssen mit den liberalen Parteien. Aber derselbe große Staatsmann hat nicht nur, als der Sieg seinen Ausstieg gekrönt hatte, Frieden ge—⸗ schlossen mit den liberalen Parteien, sondern er hat auch den liberalen Ideen einen großen Einfluß eingeräumt bei der Aufrichtung des Reichs und auf die Gesetzgebung aus der Zeit der Reichegründung. Fürst Bismarck hatte eben mit der genialen Intuition, die ihn aus⸗ zeichnete, nicht übersehen, daß die Einheitsidee, die nationale Idee in liberalen Kreisen geboren wurde, daß sie lange vertreten wurde von liberal gesinnten Männern gegenüber der Kurzsichtigkeit, der Eng- herzigkeit, dem Mangel an Schwung, den damals vielfach die Regierungen zeigten, daß die Märtyrer der deutschen Idee, von denen ich gisprochen habe da draußen vor dem Bismarck⸗Denkmal, aus dem liberalen Lager hervorgegangen waren. Den liberalen Geist aus unserer Gesetzgebung und unserem öffentlichen Leben auszuschalten, würde ich für ein historisches Unrecht halten und für einen politischen Fehler. (Bravol links) Was in dem alten Einheitsstaat Preußen möglich und gut ist, ist nicht auch immer möglich und gut in dem Bundetstaat Deutsches Reich. Man wird in Süddeutschland und in Mitteldeutschland lernen müssen, den Wert des konservativen Preußen für das Reich noch höher, noch viel höher zu schätzen. (Lebhaftes Bravo rechts. Zurufe links.) Man wird aber auch in dem konservativen Preußen nicht vergessen dürfen, daß die stämmeverbindende Kraft des Liberalismus mit seinem An— recht auf nationaldeutsche Gesinnung für das Deutsche Reich un⸗ entbehrlich ist.

Wenn ich mich nun frage, warum die parlamentarische Stärke der liberalen Parteien wohl nicht der Stärke und der Verbreitung

des liberalen Gedankens entspricht, so finde ich die Erklärung nicht nur in dem Emporkommen der Sozialdemokratie, auch nicht allein in der Entziehung liberaler Kräfte durch den Kulturkampf, sondern auch in einem gewissen doktrinären Zug der linksstehenden liberalen Gruppen (Große Heiterkeit), der das Prinzip überspannt und die im Flusse der Zeit wechselnden oder neu auftauchenden praktischen Be— dürfnisse unterschätzt. (Sehr richtig! rechts) Das mag sich wiederum daraus erklären, daß der Liberalismus bei uns immer nur in vorübergehenden kurzen Gpisoden in Preußen, in Bayern, im Reich maßgebenden parlamentarischen Einfluß ausgeübt hat. Auch in der gegenwärtigen Situation habe ich es gerade vom Stand⸗ punkt des Liberalismus für einen schweren Fehler der Linken gehalten, daß sie sich so lange, so unendlich lange aufgehalten hat bei dem Brennrecht, bei der Kontingentierung, bei der sogenannten Liebesgabe Lebhafte Zustimmung rechts; Heiterkeit links), daß sie sich nicht hat entschließen können ju einer zweckmäßigen und ausreichenden Be— steuerung des Tabaks, daß sie wohlerwogene, reiflich durchdachte Steuervorschläge der verbündeten Regierungen a liminèe abgelehnt hat. Ich habe es auch nicht verstanden, daß sich die Liberalen in der Kommission gegenüber einer nach ihrer Ansicht unzulässigen Hand— habung der Geschäftsordnung nicht mit einem Proteste begnügt, sondern sich selbst von der weiteren Beratung ausgeschlossen haben. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Meine Herren, ich glaube, die parlamentarische Ge⸗ schichte bietet wenige Beispiele für die Nützlichkeit eines solchen Exodus, aber recht viele für seine Unfruchtbarkeit. (Sehr richtig! rechts) Ich glaube, eine Partei tut immer besser, auf dem Posten zu bleiben und weiter zu fechten, als demonstrativ das Feld zu räumen. Und weiter glaube ich, meine Herren, Sie hätten auch in einer ganzen Reihe von steuerlichen Einzelfragen sehr wohl agrarfreundlich auftreten und dabei doch liberal bleiben können. Wenn ich in den zahlreichen ich kann wohl sagen, in den zahllosen Unterredungen und Konferenien, die ich über diesen Gegenstand, über die Finanifrage, gehabt habe, zu Vertretern Ihrer Richtung sagte: „So seien Sie doch entgegen

kemmend, lum Belspiel bei der Spiritutsteuer!' da wurde a

nicht selten erwidert: ‚Ja gewiß, Sie haben

mir

Ja, meine Herren, Programme veralten, Programme werden leicht zu Kulissen, hinter denen man stehen bleibt, statt in den Gang der Handlung auf der Bühne einzugreifen. Das haben Sie ja selbst auch erfahren und eingesehen. Wenn ich mich nicht irre, war in Ihren älteren Programmen das Bedürfnis des Schutzes unserer über⸗ seeischen Interessen nur schwach unterstrichen. Und doch haben Sie sich nicht das große Verdtenst entgehen lassen, dieses Bedürfnis erfüllen zu helfen. Aehnlich, meine Herren, liegt es mit der Bestenerung des Massenkonsumg. Man konnte noch vor 30, selbst vor 20 Jahren ein scharfer Gegner der Mehrbelastung des Verbrauchs sein. Heute, nach einer sehr glücklichen Entwicklung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse, aber nach einer sehr unglücklichen Entwicklung der Reichsfinanzen muß jeder anerkennen, daß eine Heilung der Krankheit ohne starke Dosen von Steuern auf Genußmittel einfach nicht möglich ist. (Sehr richtig! rechts) Ich erkenne es durchaus an, ich erkenne es hoch an, daß die Linke sich grundsätzlich auf diesen Standpunkt gestellt hat, und ich betrachte es nicht nur als natürlich, ich betrachte es als notwendig und gerecht, daß neben dem Verbrauch auch der Besitz zur Deckung herangezogen wird. (Bravo links.)

Damit, meine Herren, komme ich zu der Haltung der rechten Seite dieses hohen Hauseg. (Allseitige Heiterkeit In diesem Lande, meine Herren, wo keine Partei die absolute Mehrheit hat, kann auch keine Partei verlangen, daß die Regierung nur auf ihre Worte schwört. Weil ich mich hierzu gegenüber der Zentrumspartei nicht. entschließen konnte und durfte, ist es zum Bruch mit dieser Partei gekommen. Ich kann mich auch der konservativen Partei nicht unter⸗ ordnen. Wenn eg bei uns einen Minister gegeben hat, der die Bedeutung der konservativen Partei zu würdigen weiß, so bin ich es. (Sehr richtig! links und rechts.) Als ich die Geschäfte übernahm, habe ich es von Anfang an als meine Aufgabe betrachtet, die Spannung zu beseitigen, die damals jwischen der konservativen Partei und der Krone bestand. Ich habe in jahrelanger Arbeit, mit viel Mühe, mit großer Geduld die ver—⸗ fahrene Kanalfrage beigelegt, die zu einer starken Entfremdung mit der konservativen Partei geführt hatte. Ich bin vom ersten Tage, buchstäblich von der ersten Stunde meiner Kanzlerschaft an für die Wünsche, für die Bedürfnisse, für die Rechte der Landwirtschaft ein⸗ getreten. (Sehr richtig! rechts) Ich glaube, meine Herren, Sie werden lange warten, bis Sie wieder einen Kanzler bekommen (Heiterkeit, der die konservativen und agrarischen Interessen, die wirklich, die wahrhaft konservativen Interessen und die wirklichen und dauernden Bedürfnisse der Landwirtschaft so konsequent und ich füge hinzu: so erfolgreich fördert wie ich. (Sehr richtig! rechts. Zurufe von den Sozialdemokraten.) Ja! ich habe sie gefördert, aber im Rahmen des Staatsinteresses. Von der Linie, die mir die Staatsraison vorschreibt, lasse ich mich auch durch die konservative Partei nicht abdrängen. Ich bin nicht Führer der konservativen Partei und habe ihren Führern keine Ratschläge zu erteilen. Aber soweit meine historischen Kennt nisse und mein politisches Empfinden reichen, glaube ich, daß die konservative Partei sich selbst am meisten schadet, wenn sie sich be rechtigten Forderungen verschließt. (Sehr wahr) Die verbündeten Regierungen sind der Ansicht, daß ein Betrag von b00 Millionen neuer Steuern nicht lediglich durch weitere Ausgestaltung der indirekten Steuern gedeckt werden kann. Bereits in der Begründung zum Finanzgesetzentwurf haben wir gesagt:

Neben der Belastung der allgemeinen Genußmittel, neben den

Steuern auf Elektrizität, Gas und Anzeigen erweist es sich als absolut notwendig, zur Bedarfsdeckung auch solche Steuern heran zuztehen, die vornehmlich von den Besitzenden getragen werden. Es würde gegen die vornehmsten Grundsätze der deutschen Sozialpolitik verstoßen, wenn die Reform der Finanzen ausschließlich auf Ab- gaben aufgebaut würde, die trotz der Errungenschaften der Sozial polltik und ungeachtet der fortgesetzten Steigerung aller Einkommen die ärmeren Volksklassen verhältnismäßig böher belasten.“ Es helßt dann weiter in derselben Begründung:

auf dem Wege der direkten Einkommens und Vermögensbesteue⸗ rung erfolgen, da diese das unentbehrliche Fundament der einzel

„‚Dieser Ausgleich durch Heranziehung des Besitzes kann nicht

staatlichen und kommunalen Finanzwirtschaft bilden. Sie ihnen entreißen, hieße die Finanzen der Einzelstaaten verwaltunge körper in dieselbe Bedrängnis bringen, in der das Reich sich jetzt befindet. entschlossen, nachdem ihnen die Erhebung von Verbraucht⸗ und Erb—⸗ schaftssteuern bis auf geringe Reste entzogen ist, im Interesse ihrer Selbsterhaltung und Finanzhoheit die Einkommen und Vermögen⸗ steuer sich ju reservleren, und würden einer Beanspruchung dieser Steuern durch das Reich nicht zuzustimmen vermögen.“ Und weiter:

„Hiernach kann die notwendige allgemeine Heranziehung des Besitzes nur durch den Ausbau der Erbschaftzsteuer erfolgen. Diese ermöglicht wie kaum eine andere eine Belastung nach der Größe des Vermögen, entspricht daher vorzüglich den Anforderungen sozialer Gerechtigkeit.“

Die hier bekundete Auffassung haben die verbündeten Regierungen konsequent festgehalten. Sie ist auch von mir stetz zum Ausdruck ge— bracht worden. Wenn die Erbschaftssteuer vermieden werden soll, so müßte eine gleichwertige, die verschiedenen Arten des Besitzes treffende Besitzsteuer gefunden werden. Solange eine solche Steuer nicht gefunden worden ist, müssen die verbündeten Regierungen an der Erbschaftssteuer festhalten, und die verbündeten Regierungen sind der Ueberzeugung, daß eine solche Steuer mit gleichem Ertrag nicht gefunden werden kann.

Meine Herren, es mußte auffallen, daß die konservative Partei die doch über eine reiche Erfahrung in der Führung der Geschäfte verfügt, sich von Anfang an ohne Zwang mit solcher Starrheit gegen eine Ausdehnung der Erbschaftssteuer festgelegt hat. Sie hätten sich, meine Herren von der Rechten, ein Beispiel nehmen sollen an der bewährten Taktik einer Ihnen nahesitzenden Partes. Haben Sie je einen Sprecher des Zentrums einen Gesetzentwurf in erster Lesung endgültig ablehnen hören? (Sehr gut! Große Heiterkeit) Die Herren vom Zentrum haben mit einer Klugheit, die Anerkennung verdient, stets alle Bedenken hervorgehoben, aber niemals einen Gesetzentwurf, den sie abjulehnen geneigt waren, von Anfang an in Grund und Boden geredet. Es kann ein Gebot der Vorsicht und der staatsmännischen Klugheit werden, sich gegen unsympathische Gesetzentwürfe erst dann festzulegen, wenn es klar zu Tage liegt, daß sie ohne Verletzung höherer Staatsinteressen vermieden werden können.

viellelcht recht, aber das Programm!“ ((Große Helterkeit])

Man entgeht dadurch der gefährlichen Versuchung, das Interesse des

und Selbst⸗ Ihren Augen abzeichnen.

Die verbündeten Regierungen sind daher fest

Staats der Konsequenz der Parteihaltung zu opfern. Ihre Politik, meine Herren das gebe ich gern zu —, ist vielleicht sehr konsequent, aber es ist ein Irrtum, zu glauben, daß Konsequenz'auch politische Fehler rechtfertigt. Man kann in der Politik rechnen mit kurzen Fristen und mit langen Fristen, man kann Politik machen für Augenblicke und hie und da auch für Jahrzehnte und für noch längere Zelt. Man kann auch, um das Gute für eine fernere Zukunft sicher zu stellen, sich in der Gegenwart mit dem weniger Erwünschten begnügen. Der Sieg in der Gegenwart ist häufig der Vater von Niederlagen in der Zu⸗ kunft. (Sehr wahr) Dad ist, meine Herren, vielleicht eine triviale Wahr⸗ heit, aber es ist eine Wahrheit, die die Geschichte überall, in allen Ländern und zu allen Zeiten bestätigt, und, vor ihrem Urteil wird nur der Staatsmann bestehen, der sich gegen diese Wahrheit nicht versündigt.

Ich verkenne nicht das wiederhole ich —, was die Elemente, aus denen die konservative Partei vorzugsweise besteht, die das Rück⸗ grat der konservativen Partei bilden, in Jahrhunderten für Preußen geleistet haben. Ich weiß, was Preußen für das Reich bedeutet. Unter der Führung der Monarchie ist durch die Junker (Zuruf) jawohl, durch die Junker, durch die mit Unrecht geschmähten Junker, durch die mit großem Unrecht geschmähten Junker ist unter der Führung der Monarchie die preußische Macht aufgerichtet worden, und mit der preußlschen Macht das Deutsche Reich. (Lebhafte Zurufe und Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Mehr als andere Parteien haben die Konserpativen Anteil gehabt an der Regierung. (Sehr richtig! Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Aber die Regierung kann nicht zur Geschäftsführerin der konservativen Partei werden (Zurufe bei den Sonialdemokraten), ebenso⸗ wenig wie die Regierung von Ihnen verlangt, daß Sie eine Re⸗ gierungspartel sans phrase sein sollen. Die Zeiten, meine Herren, wo der alte Gerlach von der konservativen Partei sagte: mit der Re⸗ gierung voll Mut, ohne die Regierung in Wehmut, gegen die Re— gierung in Demut, die Zeiten sind vorüber. (Heiterkeit Gewiß, das sind tompi passati. Aber das glaube ich, daß, wenn ein eminenter englischer Staatsmann, Lord Burleigh, einst gesagt hat, England, das Mutterland und Vorbild aller Parlamente, werde nie fallen, es sei denn durch sein Parlament, die konservative Partei nur durch eigene Schuld bergab gehen kann. Die konservative Partei gräbt sich ihr eigenes Grab, wenn sie die Zeichen der Zeit nicht versteht, wenn sie sich berechtigten Forderungen verschließt, wenn sie unhaltbar gewordene Positionen nicht rechtzeitig räumt. Wenn die konservative Partei unter Festhaltung an ihren großen Grund⸗ sätzen sich mit den Aufgaben der Zeit erfüllt, dann wird sie ihre Stellung im öffentlichen Leben behaupten zum Segen des Landes. Wenn die konservative Partei diese Linie einhält, dann, aber nur dann wird sie ein bedeutsamer Faktor in unserem politischen Leben für alle Zeiten bleiben.

Ihr Unannehmbar, meine Herren, würde die Erbschaftssteuer vielleicht in diesem Augenblick zu Falle bringen; für die Zukunft aber nur neuen Erbschaftssteuern den Weg bahnen lsehr richtig! links), die ohne Sie und gegen Sie kommen und den Gesichts—⸗ punkten, den Wünschen der konserbativen Partei weniger Rechnung tragen werden (sehr richtig! links und bei den Nationalliberalen), als die Ihnen heute vorgeschlagene Besteuerung. (Zustimmung links. Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.)

Die Haltung der konservativen Partei in dieser großen nationalen Frage wird einen tiefen Eindruck machen auf das deutsche Volk. (Sehr richtig! links) Es könnten dadurch gesährliche Widerstände

gegen die konservative Partei hervorgerufen und gesammelt werden. Es kann dadurch einem Radikalismus der Weg geebnet werden, den ö zu begünstigen weder Sie noch ich vor der Nachwelt verantworten

können. (Sehr richtig! links.) Man hat, meine Herren, den Gedanken einer Annäherung

zwischen Konservativen und Liberalen, des Zusammenarbeitens von

Konservativen und Liberalen als einen Einfall zu taktischen Zwecken, zur Erlangung einer vorübergehenden parlamentarischen Konstellation

hingestellt. Gestern erst habe ich einen in diesem Sinne gehaltenen Artikel gelesen. diesem Gedanken mehr sehen wird. Je welter Sie sich von einem Gebirge entfernen, um so deutlicher wird sich der Grundstock vor So wird eine fernere Perspektive in der sogenannten Blockpolitik das Wesentliche erkennen.

Die Regierung hat durch eine konservativ-⸗liberale kombination nicht nur die Liberalen zu politischer zur Aneikennung staatlicher Notwendigkeiten, sondern Konservativen zu gesunder Fortentwicklung führen wollen. Sie hat Leben des zukünftigen Deutschlands schwer erschüttern können. das ein staatsmännischer Gedanke war, wird die Zukunft zeigen und wird auch die Geschichte anerkennen, gleichviel, ob der Vertreter dieses Gedankens früher oder später von seinem Platze abtreten wird. (Sehr richtig )

Meine Herren, in der Sache selbst, die heute hier zur Verhand— lung steht, will ich den Herren Ressortchefs und den übrigen berufenen Sachverständigen, insbesondere auch dem Herrn Präsidenten der Reichsbank, das Wort überlassen. Als Folgerung melner bis— herigen Ausführungen und in Konsequen der die ich bei allen Verhandlungen über die Reichsfinanzreform von

In Uebereinstimmung mit den verbündeten Regierungen betrachte ich es nach wie vor als ein nobile officium, als eine Pflicht aue— gleichender Gerechtigkeit, als eine sozialpolitische Notwendigkeit, daß

lichen Teile von den Besitzenden getragen werden. Es geht nicht an, 500 Millionen neue Steuern nur auf Verbrauchsabgaben oder andere indirekte Steuern zu legen, die die Mittelklassen und die Weniger bemittelten verhältnismäßig härter treffen als die Begüterten. wäre auch falsch und ungerechtfertigt, nur einzelne Arten des Besitzes zu belasten und andere freizulassen. Weil sie alle Arten des Besitzes gleichmäßig trifft, well sie eine Abstufung nach der Leistungsfähigkeit ermöglicht, weil sie den Anforderungen sozialer Gerechtigkeit ent⸗

an der Erbschaftssteuer fest und widerstrebe den Versuchen, nut einzelne Teile des Einkommens oder Vermögens einer Sonder—

besteuerung zu unterwerfen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Ich glaube, meine Herren, daß die Geschichte in

Partel⸗ Mitarbeit, auch die

dadurch Gegensätzen und Kämpfen vorbeugen wollen, die das politische Daß

Auffassung,

Anfang an festgehalten habe, will ich nur noch das Nachfolgende sagen.

die der Gesamtheit aufjuerlegenden neuen Steuern zu einem erheb- teilen önnen.

Es

spricht, deshalb, und nicht aus Eigensinn oder Rechthaberei, halte ich

zum Deutschen Reichsanzei

ö

M 140.

Zweite Beilage

Berlin, Donnerstag, den 17. Juni

ger und Königlich Preußischen Staatsanzeig

et. 1909.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

. .

ö.

wendige Summe in ihrem vollen Betrage ergeben.

Trotz der Schwierigkeit der politischen Situation und trotz der bedauerlichen Spannung jwischen den bürgerlichen Partelen dieses hohen Hauses halte ich noch an der Hoffnung fest, daß im Reichstage Gemeinsinn, nationales und soniales Empfinden den Sieg davontragen werden über Kleinlichkeit und Partelgejänk. Ja dieser Hoff nung werde ich bestärkt durch die Stimmung im Lande, wie sie in Aeußerungen aller Diese Stimmung ist frei Von Engherzigkeit: das Land würdigt die Größe der nationalen Aufgabe, vor der wir stehen lsehr richtig! links); das Land wird früher oder später streng mit den Parteien ins Gericht gehen, die dag große Werk

Art in die Oeffentlichkeit dringt.

der Finanzreform schädigen oder gefährden sollten. (Sehr wahr!)

Und nun, meine Herren, noch ein persönliches Wort! Seit Wochen regen sich die Zeitungen darüber auf, ob ich bleibe oder gehe. (Heiterkeit Das hängt nicht von den Zeitungen ab. Das hangt ö nicht von den Parteien ab. Das hängt auch nicht ab von den Wünschen ö meiner Gegner. Ich bleibe, solange Seine Majestät der Kaiser glaubt, . daß melne Mitarbeit in der auswärtigen und in der inneren Politik ö. für das Reich nützlich ist, und solange ich selbst glaube, nach meiner ö. eigenen polltischen Ueberzeugung und nach meiner Beurteilung der 1 Auf dem Gebiet der inneren Politik sehe ich zurzelt nichts von gleicher Wichtigkeit für die Wohlfahrt des Reichs, als den baldigen Abschluß der Finanz⸗ . Dieser großen Sache ordne ich selbst— . verständlich meine Person vollständig unter. Wenn ich die Ueber⸗ lJeugung gewinne, daß meine Person der Sache entgegensteht, daß ein Anderer leichter zum Ziele gelangen würde, oder wenn eine Entwicklung

einträte, die ich nicht mitmachen kann und will, die ich nicht mit⸗ machen werde, so wird es mir auch möglich sein, Seine Majestät den Kaiser von der Opportunität meines Rücktritts zu überzeug'n. Und . dann wird mein Wunsch, daß meinem Nachfolger Erfolg beschieden sein möge, ebenso ehrlich sein, wie es mein Bemühen im Dienste des

Sachlage, Nützliches wirken zu können.

reform. (Sehr röichtigh

ö Landes war. (Lebhafter anhaltender Beifall links und rechts)] . Staatssekretär des Reichsschatzamts Sydow:

' Meine Herren! Die verbündeten Regierungen haben es unsẽr . dem Drang der kurzen noch zu Gebote stehenden Zeit für ihre Pflicht gaiehalten, zu den bisherigen Beschlüssen des Reichstags in Sachen der

Reichefinanjreform Stellung zu nehmen, ehe sich noch das Plenum dieseß hohen Hauseg in zweiter Lesung ausgesprochen hat. ( Glocke des Präͤsidenten.) . Wir bringen Ihnen eine Reihe von ergänienden Vorlagen unter . Zugrundelegung der Ergebnisse der Kommissionsberatungen. Nicht, als ob die verbündeten Regierungen der Meinung wären, daß die Be⸗ hchhlüsse der Kommission in allen Punkten von ihnen angenommen vwoerden könnten, daß sie das letzte Wort des Reichgtags bedeuten, im ö. allgemeinen aber sind die verbündeten Regierungen davon ausgegangen, daß das Ergebnis, welches die Beratungen der Kommission zahlen⸗ mäßig in bejug auf die Konsumsteuern gezeitigt haben, nicht mehr wesentlich wird verändert werden. Ich behalte den verbündeten Re— gierungen vor, gegen einzelne Beschlüsse, ich erwähne j. B. die zuletzt eingefügte Parfümeriesteuer, Bedenken zu erheben, bei anderen Be— . schlüssen, ich gedenke der Tabaksteuer, eine Erhöhung des finanziellen Ergebnisses zu erstreben. Ich scheide ferner die Mühlenumsatzsteuer und den Kohlenausfuhrjoll aus. Aber wenn ich das alles tue, komme ich ju dem Ergebnis, daß es voraussichtlich dabei bleiben wird, daß auf dem Gebiete der Verbrauchssteuern ein Betrag von etwa 360 Millionen Mark auf der Basiz der Kommisstonsbeschlüsse wird be⸗ villigt werden. Etwas anders liegt die Sache auf dem Gebiete der Be— ssitzsteuer; hier liegen Beschlüsse vor, welche durch die Bewilligung der Kotierungssteuer, der Umsatzsteuer auf Grundstücke und der Wert⸗ juwachssteuer eine Summe ausstellen, die rechnungsmäßig recht hoch ist. Rechnungsmäßig soll die Kotlerungssteuer 8. Millionen Mark, die Umsatzsteuer auf Grundstücke das beiweifle ich weniger V Millionen Mark und die Wertzuwachssteuer nach der lctzten Annahme 20 bis 30 Millionen Mark erbringen, dat vwäre also ein Betrag von jusammen 1423 Millionen Mark, und man könnte ja fragen: ‚Warum grelfen die Regierungen nicht mit beiden Händen zu? Was wollen sie denn mehr? Wir können alle vergnügt nach Hause gehen, wir schwimmen im Golde!‘ Wenn aber irgendwo, dann gllt hler der Satz, daß nicht alles Gold ist, was glaͤntt (sehr gut! linke); und ich welß nicht, ob man den Steuern, die ich zuletzt erwähnte, auch nur das Prädikat „glänzend“ wird er—⸗ (Heiterkeit links.) Ehe ich begründe, weshalb die verbündeten Regierungen Ihnen neuen Vorlagen hier gebracht haben, glaube ich es nicht vermeiden iu können, darzulegen, aus welchen Gründen sie sich nicht mit den on. der Kommission bewilligten Besitzsteuern, insbesondere mit der Kotierungesteuer, abfinden zu können glauben; denn nur dadurch ja echtfertigen sich neue Vorlagen, daß die angenommenen nicht für usreichend erachtet werden. Gegen die Kotierungssteuer steht in rster Linie das Bedenken, daß sie eine Vermögentsteuer, und war in der unvollkommeneren Form einer Vermögenssteuer auf nen einzelnen Gegenstand des Vermögens ist. Wird sie abge⸗ wälit, so wird sie eine partielle Einkommensteuer. Nun ist es Ihnen bekannt, daß die verbündeten Regierungen mit Ausdauer und Fonsequenz den Grundsatz festgehalten haben, weder die Einkommen⸗ teuern noch die Vermögenssteuern auf das Reich übertragen zu lassen, ondern sie den Bundesstaaten vorjubeholten. Aber neben diesem

Ich lehne es ab, im Bundesrate Steuern zu vertreten, die Handel und Verkehr schwer schädigen, die Industrie unerträglich beelasten, unsere gesamtwirtschaftliche Stellung verschlechtern. (Bravo! links.) Die Finanzreform das ist die wohlbegründete Ansicht aller verbündeten Regierungen, die in voller Einmütigkeit zusammenstehen kann nur zustande kommen, wenn die Beschlüsse dieses Hauses sachlich vertretbar sind und nach sachverständiger Schätzung die unbedingt not⸗

Bedenken dleser Steuer entgegen. ungerechte Steuer. Beabsichtigt war vielleicht, die Bzrse und die Banken damit zu treffen; ste trifft aber ganz andere Kreise. Sie trifft die Inhaber der Attien, sie trifft die Inhaber der Schuld⸗ verschreibungen und trifft unter den Inhabern der Schuld⸗ verschreibungen eine Reihe kleiner und schwacher Cxlstenzen. Durch den Druck, den sie auf den Kurs augübt, wirkt sie alg partielle Kapitalgvernichtung; sie belastet gewisse Zweige unsereg wirtschaftlichen Lebens schwer, besonders schwer den Hypothekarkredit. Aus einer mir zugegangenen Nachweisung ist zu ersehen, daß gerade die Sypothekar⸗ kreditbanken besonders schwer von dieser Steuer getroffen werden. Bei der Preußischen Zentral⸗Bodenkreditbank macht diese Belastung bei⸗ nahe 14 Millionen Mark aus, bei der Bayrischen Hypothekenbank 15 Milllonen. Auch die landwirtschaftlichen Kreditanstalten müssen unter solcher Steuer leiden; und diese Steuer würde in letzter Linie dahin führen, daß alle diese Kreditinstitute genötigt wären, ihren Dar⸗ . den Zinsfuß entsprechend zu erhöhen. (Sehr richtig! nks. Und nun kommt noch dazu, daß die Zulaffungssteuer auch gejahlt werden soll, wenn keine Dividende erzielt ist Denn die Nichterhebung der Dividende für das folgende Jahr hilft den Gesellschaften nicht über das Jahr, in dem sie gerade Not gelitten haben, hinweg. Es ist bereltg in der Kom— mission darauf hingewiesen worden, daß der Norddeutsche Lloyd in diesem Jahre zu seinem übrigen Verlust noch eine Abgabe von 330 000 würde zu entrichten gehabt haben. Dabei ist es durchaus zweifelhaft, ob es überhaupt möglich ist, diese Steuer auf bereits zu⸗ gelassene aufländische Papiere, die an unsern Börsen zirkulieren, au⸗ zudehnen auf aue ländische Staatspaptere ganz gewiß nicht. Zu alledem treten noch die volkzwirtschaftlichen Bedenken, die der Steuer entgegenstehen, besonders zunäͤchst bejüglich der ausländischen Papiere. Die Steuer muß die Wirkung haben, das liegt in der besonderen Belastung, die sie in Deutschland den autländischen Papieren bereitet, die ausländischen Paplere von den deutschen Märkten fortzutreiben; und das ist kein Vorteil, das ist ein Schade. Denn Deutschland braucht einen Bestand an guten augländischen Papieren; es braucht sie, um im Krisenfalle, besonders im Kriege falle, wenn ausländische Goldguthaben jurückgezogen werden, diese ersetzen zu können durch die Abstoßung seines Besitzes an solchen Papieren. Es braucht aber auch die deutsche Industrie die Beteiligung Deutschlands an ausländischen Papleren. (Schr richtig! linka.) Es ist dies ein Faktor des wirtschaftlichen Anseheng. Sie sehen jetzt in China bei der Canton Bahn, wie die größten europäischen Staaten mit den Vereinigten Staaten wetteifern darin, ihren Anteil an der Unternehmung ju bekommen, weil das eben ein Mittel ist, die in⸗ ländische Industrie mit Aufträgen für das Ausland zu versehen, und darauf ist unsere deutsche Industrie in hohem Maße angewiesen. (Sehr richtig! links) Aber auch für die inländischen Effekten ist die Steuer in hohem Maße nachteilig. Sie wird die Kapitalsbeschaffung erschweren; duich Herabdrückung der Rente um den Steuerbetrag wird die Kapitalsbeschaffung erschwert, wird das Geld, welcheg die Unter— nehmungen aufwenden müssen, verteuert und daz können wir in Deutschland nicht vertragen. Wir sind in Deutschland im Verhältnis zu unserer Unternehmungslust doch nur ein an Betriebskapital ver⸗ hältnismäßig armes Land. (Zurufe.)

Eine weitere Folge der Steuer deutsche Kapital, welches Anlage in höher verzinslichen aus⸗ ländischen Werten sucht, nach dem Auslande hin abwandern würde. Es würde die bedauerliche Erscheinung, die wir jetzt auf dem Gebiete der Goldshares haben, sich verallgemelnern und auch auf bessere Papiere als diese ausdehnen. Niemand kann die deutschen Kapitalisten verhindern, daß sie ihre Anlagen in guten ausländischen Papleren, die in Brüssel, London, Antwerpen gehandelt werden, suchen, wenn sie keine Anlage dafür im Inlande finden

Und nun noch die besondere Besteuerung der zum Termingeschäft zugelassenen Papiere! Das steht doch direkt im Widerspruch dau, daß das Börsengesetz erst im Frühjahr vorizen Jahres den Kreis der Papiere, die im Termin gehandelt werden können, erweitert hat. (Sehr richtig! links.) Nebenbei bemerkt, wird es finanziell ein Schlag ins Wasser sein; denn es ist gar nicht anjunehmen, daß die Gesell⸗ schaften die Mehrkosten einer solchen Belastung tragen würden, lediglich um das Termingeschäft in diesen Papieren aufrecht zu erhalten.

Und nun der finanzielle Erfolg! Ich sagte vorhin, es sei von den Antragstellern errechnet worden, daß die Kotterungssteuer einen finanziellen Ertrag von 86 Millionen erbringen würde. Wenn man die Berechnung auf Seite 7 des Berichts sich ansieht, so kann man vor allem den Satz unterschreiben, daß alles auf Schätzung beruht. Diese Schätzung findet sich sowohl in bejug auf die Höhe der Umsätze als auch in bezug auf die Höhe deg umlaufenden Kapitals. Es wird z. B. auf Grund der Tatsache, daß in einer Reihe von Jahren 3,2 Milliarden augländischer Atte: in Deutschland zugelassen worden sind, geschätzt, daß ein Drittel davon im Inlande umlause. Und so findet sich in jedem Satze dieser Berechnung der Ausdruck Schätzung, manchmal mlt dem Anerkenntnis, daß dle Unterlagen schwankend sind. Selbst wenn man dabon ausginge, daß kein erheblicher Rückgang in= folge der starken Besteuerung der ausländischen Papiere eintreten werde, so würde man bei weitem nicht an den Ertrag von 50 Millionen, absolut aber nicht an einen höheren Ertrag heran⸗ reichen. Ez kommt dazu, daß elne derartige Einwirkung auf den Verkehr der Papiere an der Börse noch einen Verlust an Umsatz⸗· steuern dem Reiche bringen würde.

Nun ist allerdings die Veranlassung und dag Hauptargument zu⸗ gunsten der Steuer, daß sie sich nach der Meinung ihrer Befürworter in Frankreich bewährt hat. Nach den Erkundigungen, die wir in Frankreich eingejogen haben, ist das Gegentell der Fall.

würde sein, daß das

ehr wichtigen prinzipiellen Grunde steht auch eine Reihe sachlicher

(Hört! hört! links) Diese Meinung wird durch Vorgänge

Die Steuer ist zunächst eine

im öffentlichen Leben, im Parlamente Frankreichs unterstützt. Besonders nachteilig hat sich die Steuer, die bis zum Jahre 1898 nur fakultativ war, seit jener Zeit, wo sie obligatorisch gemacht wurde, für die ausländischen Papiere erwiesen. Sie hat das Kapital von dem französischen Markte weggedrängt. Ein Teil ist uns zugute gekommen: die soliden Neuanlagen haben den französischen Markt geflohen. Und wenn die Erscheinungen nicht größere Nachteile nach außen haben erkennen lassen, so liegt das daran, daß die franzö⸗ sische Regierung alle diejenigen Papiere, die, wenn auch nur in der Kulisse, vor dem Jahre 1898 an der Pariser Börse gehandelt wurden, von der Steuer frei gelassen hat, und daß sie bei der Zulassung neuer ausländischer Papiere an der Börse in der Berechnung des Anteils, der besteuert werden sollte, außerordentlich entgegenkommend gewesen ist. Der jetzige französische Minister Calllaux hat bereits im Jahre 1905 seine Meinung über die Wirkung der Kotierungssteuer auf die französische Börse dahin ausgesprochen, daß er in seiner Abhandlung? Une réforme n6cessaire. Les imp6ts sur des valeurs otrang res folgendes sagt:

Erträglich war das Abonnement vor 30 oder 40 Jahren, als es nur zwei große Kapitalmärkte gab, den englischen und den franzö⸗ sischen. Damals hatten wir ein tatsächliches Monopol. Seither ist es anders geworden. Die Mittel des französischen Marktes sind zweifellos noch bedeutend, sie vermehren sich so⸗ gar, nichtsdestoweniger stehen wir in heftigem Wettbewerb mit den Märkten, die sich in den Nachbarstaaten, namentlich in Deutschland, Belgien und den Niederlanden, gebildet haben. Die augländischen Schuldner, die jetzt die freie Wahl haben, ziehen sich von einem Markte zurück, an dem sie sich übertriebenen Abgaben unterwerfen müssen. Man sehe den amtlichen Kurtzettel und die Liste der fremden Werte ein! Findet man dort die Aktien der großen amerikanischen und englischen Banken, die Anleihen der großen augländischen Städte oder die Aktien der großen deutschen industriellen Unternehmungen? Die wirklich guten Gesellschaften, die an der Pariser Börse ihre Werte eingeführt haben, sind von Franzosen gegründet oder geleltet, also nur dem Namen nach autsländische Gesellschaften. Im übrigen trlfft man wohl genug ausländische Papiere; aber das sind mit wenigen Aut— nahmen Werte zweiten, dritten, zehnten Ranges. Für diese spielen die Lasten des Abonnements keine Rolle. Da sie meist keine Dividende verteilen, so ist die Abgabe nicht hoch. Die einzige Sorge der Leiter dieser Gesellschaften ist ja auch, die Wert. papiere jemandem anzuhängen. Die guten augländischen Werte streiken. Was hilft uns der große Kapitalmarkt, wenn uns die notwendige Ergänzung fehlt, ein großer Wertpaptermarkt? In den Jahren 1892 bis 1904 wurden im Jahre durchschnittlich in Wert- papicren angelegt in Großbritannien 2409 Millionen Franken, in Deutschland 2194 Millionen, in Frankreich nur 1417 Millionen. Unsere Steuergesetze sind für die ausländischen Werte ausgeklügelt worden, um den Staat gegen Hinterziehung zu sichern, den Markt gegen die Ueberschwem mung mit schlechten Papieren zu schützen und die Kapitalisten davor ju bewahren, ihr Geld in den Werten unzu—⸗ verlässiger Gesellschaften anzulegen.

(Hört, hört! links.)

Aber diese extrem protektionistischen Maßregeln haben gerade die Interessen geschädigt, die man schützen wollte. Dem Fiskus sind Einnahmen entgangen, der Pariser Markt sinkt immer mehr von seiner Bedeutung herab, die Kapitalien liegen brach oder sind ins Ausland getrieben worden.

Die Konsequen) dieser Auffassung hat dann Caillaux in seiner Eigenschaft alg Finanzminister gejogen, als er in dem Einkommen. steuergesetz, das jetzt der Beratung der parlamentarischen Körper⸗ schaften unterliegt, die Beseitigung dieses Abonnements vorschlug. In der Begründungtrede sagte er:

Endlich gestattet unser Steuersystem,

daz neue nämlich

die lästigen und zuweilen selbst prohibitiv wirkenden Voischriften hinfaͤllig zu machen, denen augenblicklich die Ausgabe, Zu⸗ lassung zur Kotierung und in allgemeiner Weise die Ein führung und der Umlauf fremder Weite in Frankreich unterworfen sind. Es ist das eine Reform, die wir für böchst wichtig capitale ansehen. Dank ihr befreien wir uns von diesen Hemmnissen und öffnen wir in weitem Maße den fran⸗ zösischen Markt, um seine beherrschende Stellung aufrecht zu er⸗ halten und zu befestigen.

Also, meine Herren, das ist die Meinung des französischen Finanz⸗ ministers. Nun weiß ich wohl, daß anderen Herren in Frankreich, z. B. der frühere Finanzminister Rouvier, der ja bekanntlich ein starker Gegner der Elnkommensteuer ist, auf einem anderen Standpunkt stehen. Aber jedenfalls hat die Mehrheit des französischen Parlamentz sich der Caillauxschen Meinung angeschlossen und im Abgeordnetenhause den Entwurf der neuen Einkommensteuer in dem Sinne angenommen, daß man das Abonnement, sowohl das, was an die Stelle der Emissiong- steuer trat, als auch das, was statt der Umsatzsteuer gezahlt wurde, durch eine Einkommensteuer von 20 o für das erstere, von 6 0 bei den inländischen und 1060 bei den ausländlschen Papieren für das zweite ersetzte und doneben die alte taxé de reévenu von 40so auf⸗- recht hielt.

Von allen Dingen ist aber die Belastung der Papiere in Frank=

reich auch mit der neuen Einkommensteuer noch erheblich geringer, als

sie jetzt in Deutschland ist ohne die Kotierungssteuer; denn in Deutsch=

land kommen als Einkommensteuer bei den Aktiengesellschaften nicht

bloß die staatlichen Steuern, bei denen in Preußen 34 oo außer

Rechnung gesetzt werden, dann die vollen Gemeindeeinkommensteuern

ohne Abzug der 39 0s0 sondern auch noch die Steuern in Betracht,

die von dem Einkommen der Aktionäre, von dem Einkommen der

Obligationäre durch Staat und Gemeinde erhoben werden. Im

großen und ganjen kann man in Deutschland, wenn man mäßlge

Steuersätze, mäßige Zinssätze in Rechnung nieht und einerseitz die