1909 / 286 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 04 Dec 1909 18:00:01 GMT) scan diff

; Deutscher Reichstag. 3. Sitzung vom 3. Dezember 1909, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Nach der Wahl des Zweiten Vizepräsidenten, worüber in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, wählt das aus in einem Wahlgang die 8 Schriftführer. Das esultat der Wahl wird durch das prövisorische Bureau er⸗ mittelt und im Laufe der Sitzung dem Hause mitgeteilt werden. Damit ist der Reichstag konstituiert. Der Präsident wird Seiner Majestät dem Kaiser die vor— geschriebene Anzeige alsbald erstatten. . ü Quästoren ernennt der Präsident die Abgg. Basserm ann (nl) und Schmidt⸗Warburg (Zentr.). Das Haus tritt hierauf in seine materiellen Geschäfte ein. Auf der Tagesordnung steht als zweiter Gegenstand die erste und event. zweite Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Handelsbeziehungen zum Britischen Reiche.

Staatssekretär des Innern Delbrück:

Meine Herren! Durch das Gesetz vom 16. Dezember 190 ist der Bundesrat bevollmächtigt, unsere handelspolitischen Beziehungen zum Britischen Reiche auf der Grundlage der Meistbegünstigung autonom zu regeln. Diese wiederholt erneuerte Vollmacht läuft mit dem 31. Dezember d. J. ab. Die verbündeten Regierungen bitten Sie, die Vollmacht um zwei weitere Jahre zu verlängern. Da seit dem Gesetz von 1907 sich in unseren handelspolitischen Beziehungen zum Britischen Reiche nichts geändert hat, glaube ich, ohne eine nähere Begründung der Vorlage Sie bitten zu dürfen, derselben die Zu⸗ stimmung zu erteilen. (Bravo! rechts.)

Das Wort wird nicht weiter gewünscht.

Damit schließt die erste Beratung.

In der zweiten Beratung wird die Vorlage darauf ohne Debatte angenommen.

Es folgt die erste und eventuell zweite Beratung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Abänderung des § 15 des Zoll⸗ tarifgesetzes vom 25. Dezember 1902, und des § T des Gesetzes, betreffend den Hinterbliebenen versicherungs— fonds und den Reichsinvalidenfonds, voms. April 1907.

Staatssekretär des Innern Delbrück:

Meine Herren! Der § 15 des Zolltarifgesetzes vom 25. De zember 1902 bestimmt:

Der auf den Kopf der Bevölkerung des Deutschen Reichs ent⸗ fallende Nettozollertrag der nach den Tarifstellen 1, 2, 102, 103, 105, 107, 1072 und 160 des Zolltarifs (5 1) zu perzollenden Waren, welcher den nach dem Durchschnitte der Rechnungsjahre 1898 bis 1903 auf den Kopf der Bevölkerung entfallenden Nettozollertrag derselben Waren übersteigt, ist zur Erleichterung der Durchführung einer Witwen- und Waisenversorgung zu verwenden.

Ueber diese Versicherung ist durch ein besonderes Gesetz Be⸗ stimmung zu treffen. Bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes sind diese Mehrerträge für Rechnung des Reichs anzusammeln und ver— zinslich anzulegen.

Tritt dieses Gesetz bis zum 1. Januar 1910 nicht in Kraft, so sind von da ab die Zinsen der angesammelten Mehrerträge sowie die eingehenden Mehrerträge selbst den einzelnen Invalidenversicherungs⸗ anstalten nach Maßgabe der von ihnen im vorhergehenden Jahre auf⸗ gebrachten Versicherungsbeiträge zum Zwecke der Witwen und Waisen⸗ versorgung der bei ihnen Versicherten zu überweisen.

Die Unterstützung erfolgt auf Grund eines vom Reichsversicherungs⸗ amt zu genehmigenden Statuts.

Meine Herren, diese Bestimmungen verdanken ihre Entstehung einer Anregung des Reichstags. Als die verbündeten Regierungen ihnen zustimmten, erklärten sie sich zunächst grundsätzlich bereit, eine Versorgung der Witwen und Waisen der Arbeiter auf reichsgesetzlicher Grundlage eintreten zu lassen; sie übernahmen aber gleichzeitig die Verpflichtung, die Art, wie diese Witwen- und Waisenversorgung zu regeln sei, durch ein bis zum 1. Januar künftigen Jahres zu ver— abschiedendes Gesetz festzulegen oder aber Vorsorge zu treffen, daß die auf Grund des § 15 des Zolltarifgesetzes angesammelten Zinsen und aufkommenden Mehrerträge durch die Landesversicherungsanstalten für die Zwecke einer Witwen- und Waisenversicherung verwandt werden.

Meine beiden Herren Amtsvorgänger sind von Anfang an bemüht gewesen, die ihnen durch 15 des Zolltarifgesetzes auferlegten Auf— gaben zu lösen und die seitens der verbündeten Regierungen bei der Verabschiedung dieses Gesetzes eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen. Das war aber nur unter der Voraussetzung möglich, daß die für die Finanzierung der Witwen- und Waisenversicherung zur Verfügung gestellten Einnahmequellen mit einer gewissen Stetig⸗ keit und in einem Umfange flossen, daß man damit eine auf festen gesetzlichen Grundlagen aufzubauende Versorgung der Witwen und Waisen einführen konnte.

Diese Voraussetzung hat sich aber nicht erfüllt. Aus den Mitteln des 5 15 des Zolltarifgesetzes ist im Jahre 1906 für die Zwecke der Hinterbliebenenversorgung nichts und im Jahre 1908 ebenfalls nichts geflossen, während das Jahr 1907 42 382 4927 ½ 32 3 gebracht hat, sodaß also zurzeit 2 453 465 S6 an Zinsen zur Verfügung stehen. Es liegt klar auf der Hand, daß mit dieser Summe von noch nicht 25 Millionen die Versicherungsanstalten außerstande sein würden, eine irgendwie geartete Hinterbliebenenversorgung nach festen Grundsätzen durchzuführen. Auf eine Heranziehung der Versicherungsanstalten war also von vornherein zu verzichten. Die verbündeten Regierungen mußten vielmehr darauf Bedacht nehmen, durch reichsgesetzliche Bestimmungen eine einwandfreie finanzielle Grundlage für die Hinterbliebenenversicherung zu schaffen. Man war sich auch bald darüber schlüssig, daß das Ziel nur erreicht werden könne, wenn ähnlich der Invalidenversicherung die Hinter— bliebenenversicherung aufgebaut wird auf festen Reichszuschüssen und auf Beiträgen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)

War man sich aber darüber klar, so durfte man nicht vergessen, daß außer der Hinterbliebenenversicherung andere, sozialpolitisch nicht minder wichtige Aufgaben auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung noch der Löfung harren, vor allem die Ausdehnung der Krankenversiche⸗ rung auf das Gesinde, die Hau sarbeiter und die land- und forstwirtschaft⸗ lichen Arbeiter. Es liegt auf der Hand, daß es nicht wohl möglich war, diese beiden, unsere gesamte Produktion, das Reich, die Arbeit⸗ geber und die Arbeitnehmer schwer belastenden Versicherungszweige unabhängig voneinander Gesetz werden zu lassen; es ist notwendig,

um die finanzielle Tragweite für das Land und für den Reichssäckel übersehen zu können, diese beiden Materien gleichzeitig zu ordnen. Man mußte sich aber weiter auch noch die Frage vorlegen, ob es tunlich ist, diesen neuen Versicherungszweig bearbeiten zu lassen auf der Grundlage der bisherigen Behördenorganisation. Die zu diesem Zweck angestellten Untersuchungen haben ergeben, daß es sehr erwünscht ist, in diesen Richtungen gewisse auch vom Reichstage dringend ver⸗ ergab sich von verbündeten Regierungen,

Aenderungen vorzunehmen.

selbst das berechtigte

bestehenden Versicherungsgesetze lautgewordenen berücksichtigen. ere gesamten Versicherungs—

Abänderung beherzigenswert Aus alle dem folgt die Notwendigkeit, uns gesetze zusammen umzuarbeiten zu einem Gesetze und darin die neu einzuführende Krankenversicherung der landwirtschaftlichen Arbeiter, der Hausarbeiter und des Gesindes sowie die Hinterbliebenenversiche⸗ rung zu regeln.

Das Ergebnis dieser Arbeiten, meine Herren, ist gewesen der vorläufige Entwurf einer Reichsversicherungs ordnung, der ja der Oeffentlichkeit übergeben und auch Ihnen bekannt geworden ist.

Mein Herr Amtsvorgänger hatte zunächst gehofft, daß es ihm gelingen würde, diesen Entwurf so rechtzeitig durch den Bundesrat an den Reichstag und hier zu einem Zeitpunkt zur Verabschiedung zu bringen, daß die Hinterbliebe nenversicherung mit dem 1. Januar 1910 in Kraft treten könnte. Die Masse der Arbeit aber und die Menge der zu dem vorläufig veröffentlichten Entwurf gestellten Anträge und Verbesserungsvorschläge, die zu prüfen waren und zu einem erheblichen Teil Berücksichtigung finden werden, haben es unmöglich gemacht, die Versicherungsordnung Ihnen rechtzeitig vorzulegen.

Unter diesen Umständen sind die verbündeten Regierungen ge⸗ nötigt, Sie zu bitten, den Termin für das Inkrafttreten der Hinter⸗ bliebenenversicherung angemessen zu verschieben. Die verbündeten Re— gierungen haben nunmehr als Termin für das Inkrafttreten den 1. April 1911 gewählt. Sie sind dabei von der Voraussetzung aus⸗ gegangen, daß, wenn es ihnen gelingen würde, den Entwurf der sicherungs ordnung, wie sie hoffen, im Laufe des Februar an den Reichstag zu bringen, es möglich sein würde zum 1. April 1911 zu verabschieden, und sie glauben, an diesem Termin umsomehr festhalten zu müssen, als s dem Reichstag daran liegen würde, dieses wichtige Gesetz noch in er Legislaturperiode zu verabschieden.

Das sind die Gründe, die ich in Ergänzung der Begründung zu dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf Ihnen vorzutragen habe. Namens der verbündeten Regierungen habe ich die Ehre, um Annahme zu bitten.

den Gesetzentwurf bis

ie angenommen haben,

sich überzeugt, daß

r. Junck (ul.): Meine Freunde haben es § 15 des Zolltarifgesetzes eine

für die Ausführung der Vorschrift Hinausschiebung J. April 1911 durchaus korrekt. daran gedacht haben, daß es Fonds den einzelnen Landes bersicherungsanstalten z hat damit wohl seinerzeit seitens der Väter der

auf Regierung und Reichstag au man aber auch den finanziellen n muß, so kann man aus ihm do Zölle einen so ge as auch von uns ver— dwirtschaft berechtigt war. Die Zoll⸗ e Landwirtschaft zu stützen, voll erreicht. und Waisenversicherung nach wie vor rsicherungsgesetzgebung, ir werden entschieden gewerblichen zukommen, der der Fürsorge (Sehr richtig ) die Hinterbliebenenversicherung ngsordnung durchgeführt werden verabschiedet

des Termins nd ö In Wirklichkeit wird

auch niemand dazu kommen werde,

die angesammelten u überweisen. lex Trimborn nur ein sanfter Druck osgeübt werden ch auch eine wohl—

Trimborn beklage : ringen Er⸗

tuende Lehre herauslesen, denn wenn die trag geliefert haben, so zeigt sich folgte Ziel einer Stärkung der Lan tarifgesetzgebung hat ihren Zweck, di Wir betrachten die Witwen als die Krönung

damit, daß d

des stolzen Gebäudes der Ve vielleicht als den wichtigsten Schritt, und darauf dringen, daß diese Segnungen auch und landwirtschaftlichen Mittelstand manchmal noch mehr bedarf als der Darüber kann kein Zweifel sein, da nur im Rahmen der Reichsversicheru Ob diese jedoch bis zum kann, ist mir zweifelhaft; hindurch daran arbeitet. brauchen wir uns den Kopf no veröffentlichten Entw friedigt, die Verfasser werden sich Kritik im Volke nicht neigung besteht namentlich

dem kleinen

Arbeiterstand.

J. April 1911 selbst wenn eine Kommission bie Sur die Reichsversicherungsordnung se ch nicht zu zerbrechen, aber der Geist, der deutschen Volke wenig be doch keiner Täuschung darüber hingeben, günstig gewesen ist. gegen das Hineintragen von theoretischen Erhöhung der Ausgaben nur für Zwecke der s dem bureaukratischen Zug ige Kritik richtete sich namentlich gegen zsollen etwa 800 Versicherungs⸗ amten geschaffen werden. Ein solches achen nicht richtiger und schneller er

Das deutsche Volk hat die Ueber staatlichen Beamtenkörpers beunruhigend Selbstverwaltung der Berufs iese am empfindlichsten Punkt treffen. serner in dem Entwurf die wenig wohlwollende Be ssen und Ersatzkassen. daß dieses große Versicherungs

urf durchzieht, hat im

Eine tiefe Ab

Organisation. Diese Gesetzgebung muß por bewahrt werden. ̃ ins das Institut der Versicherungs ämter mit einem Heer von Staatsbe Heer von Beamten wird die S ledigen als die Privatbeamten. zeugung, daß das Anwachsen des ist. Die Versicherungsämt genossenschaften eingreifen und somit d

Die ungünst

er werden in die

Wir bedauern der Betriebskrankenka aber mit aller Energie werk wirklich Gesetzgebung nicht länger vorentl

dahin wirken,

zalten wird, die unbedingt nötig ist. htho fen⸗Damsdorf (dkons.): Es ist uns Staatssekretärs gesagt worden, daß die Reichspersicherungsordnung beibehalten werden sollen, Entwurf uns nicht vorgelegt ist, habe ich er Einzelheiten zu äußern.

Abg. Freiherr von Rie zwar in den einleitenden Worten des Grundzüge dieser; solange aber der r keine Veranlassung, mich üb sagen, wir werden daran mitarbeiten, daß Was der Vorredner lichen Gesetzgebung, agt hat, kann ich nur unterschreiben. anbetrifft, so ist es einfach technisch unmöglich, zuhalten, der ursprünglich für das und Waisenversicherung in Aussicht genommen war. wir für die Vorlage stimmen.

Abg. Dr. Mug dan (fr. Volksp.): sekretär den Vorwurf nicht ersparen, daß die Reichsversicherungsordnung nicht v anz unmöglich, die Folgen des y Ich kann auch nicht wie die schlage im Namen einer Kommission Wieso denn?) Ich muß übrigens auf die Ge

Ich kann nur das Gesetz zustande kommt. Nutzen unserer wirtschaft Landwirtschaft ge vorliegende Gesetz

in bezug auf den insbesondere in bezug auf die

Arbeiterwitwen Deshalb werden

Inkrafttreten der

Ich kann dem

heutigen Tag

denn es ist so g zu übersehen.

ohne weiteres annehmen, sondern Fraktionsgenossenschaft vor, ihn gliedern zu überweisen. Begründung nicht ausreicht.

orliegenden Entwurfs er den Entwurf der freisinnigen

(Rufe rechts: ich wundere

e Debatte eröffnet htung ausgesprochen,

mag Ihnen unbequem sein; weshalb der Abg. Trimborn nicht di Noch vor zwei der Block könnte an gestapelte Geld für Mir scheint jetzt, als ob der Abg. gar nicht so große Eile hätten, zu f ie Reichskasse

Jahren wurde die Befüre dieser lex Trimborn des Heeres und der Marine Trimborn und seine Freunde verhindern, daß dieses Geld

die Zwecke

Summen, die auf Grund der ex Trimborn

und Waisenversorgung disponibel sind?

Staatssekretär schloß bet dem . 1909, Zeitungsnachrichten zufolge sollen 1909 und 1910 40 Millionen einkymmen, es würden also S9. Millionen disponibel sein. Was geschieht mit den neuen Millionen der nächsten Jahre? Wenn bie Versprechungen irgend eine Bedeutung haben sollen, so müssen die i ,, Klassen entlastet werden, solange der Zolltarif dauert. Den Aus— führungen des Abg. Junck Über die segensreichen Wirkungen des Zolltarifs kann ich nicht zustimmen. Wenn man unter der Landwirtschaft einzig und allein den Großgrundbesitz versteht, dann hat allerdings dieser Zolltarif segensreich gewirkt. Der frühere Reichs kan * Fürst Hohenlohe 6 ja selbst seinerzeit darauf hingewiesen, daß an hohen Getreidezöllen nur ein verschwindender Teil der Landwirtschaft ein . habe. Was geschieht denn mit diesen Summen, die durch die lx Trimborn geschaffen wurden? Die lex Trimborn war medizinisch gesprochen, eine Sturzgeburt; sie kam nämlich zu einer Zeit, als es ganz sicher war, daß die dem Zentrum angehörenden Arbeiter in hohem Grade erbittert waren. Sie können darüber nicht im Zweifel sein, daß es noch größere Entrüstung hervorrufen muß, wenn das Gesetz nun auf anderthalb Jahre hinausgeschoben wird.“ Eine Kommissionsberatung ist auch deswegen schon geboten, weil den Aermsten des Volkes nicht wieder Versprechungen gegeben werden dürfen, die hinterher nicht ein— gehalten werden können. Man kann aber annehmen, 33. der Reichszuschuß für die Hinterbliebenen höchstens 10 Millionen jährlich ausmachen wird. Der Ueberschuß der Getreidezölle hat jetzt jedenfalls im Durchschnitt mehr als 16 . für das Jahr betragen. Warum ist denn aber der Ueberschuß so gering? Doch nur, weil das Exportprämiensystem vollständig verfehlt ist, und das Reich so nach meiner Berechnung 1908 bei den Getreidezöllen noch zugesetzt hat. Der Abg. Trimborn hat es so hingestellt, als ob er fest überzeugt sei, daß eine Inanspruchnahme der Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die Hinterbliebenenversicherung unvermeidlich sei, daß aber seine politischen Freunde * die allerstärksten Bedenken hätten, den kleinen Handwerker usw. mit Beiträgen zu be— lasten. Hätten Sie doch lieber an den kleinen Handwerker ge— dacht als sie ihm durch die Beleuchtungssteuer Opfer auferlegten! Damals freilich hat der Abg. Trimborn gesagt, feine Vor—= schläge sollten nur für eine Versicherung der erwerbsunfähigen Witwen gelten. Nach außen hin hat man immer nur pon einer Witwen- und Waisenversicherung gesprochen, als ob es sich um solche für alle Witwen und Waifen handelte. Die vielen Millionen, die man dem Volke zu seiner Entlastung für die Verteuerung durch die Zölle versprochen hat, wollen Sie ihm mit einem Federstrich wieder fortnehmen und wollen dafür in einer Zeit, wo Sie natür lich vor Mittelstandsfreundlichkeit überfließen, nachdem Sie dem Mittelstand schwere Wunden geschlagen haben, ihm neue Lasten auferlegen, die man auf 20 Millionen jährlich für die Ver sicherten und etwa ebenfovpiel für die Arbeitgeber beziffern kann. Man hätte nun erwarten müffen, daß das, was die Witwen und Waisen erhalten sollen, einigermaßen das Aussehen einer wirklichen Versicherung hätte. Gewiß ist es nicht möglich, daß die Staats versicherung eine für den vollstälndigen Unterhalt ausreichende Summe gewähren kann. Späterhin aber wird sich eine Mutter mft zwei Kindern bei der Armenunterstützung besser stehen als bei der Ver sicherung. Die höchste Witwenrente würde kaum 409 täglich aus machen. Ich halte alle Bestrebungen, den Kinderreichtum in Deutsch⸗ land zu vermindern, für verwerflich. Aus diesem Grunde sollte man auch, wenn man wirklich die erwerbsfähigen kinderlosen Witwen ausschließt, wenigstens denjenigen, die, wie es beim Proletariat häufig der Fall ist, für mehrere Kinder zu sorgen haben, durch ausreichende Renten die Möglichkeit schaffen, sich der Erziehung der Kinder zu widmen. Wenn man aber einen großen Teil der Witwen von jeder staatlichen Fürsorge ausschließt, so entzieht man sie ihren mütterlichen Pflichten und beeinträchtigt die Erziehung der Kinder. Meine Freunde können solche Bestimmungen nicht annehmen, und wir bitten daher, unserem Vorschlage auf Kommissionsberatung zuzustimmen.

Staatssekretär des Innern Delbrück:

Meine Herren! Die beiden letzten Herren Vorredner haben zwar anerkannt, daß man in diesem Hause einen Entwurf, der noch garnicht vorliegt, eigentlich nicht gut diskutieren kann. (Sehr gut! in der Mitte.) Sie haben aber trotzdem mit der Einleitung „ich will nicht davon sprechenꝰ die Möglichkeit gefunden, den Entwurf der Ver sicherungsordnung, wie er der Oeffentlichkeit übergeben ist, in einer ganzen Menge von Einzelheiten zu kritisieren. Dadurch kommt der Vertreter der Verbündeten Regierungen in eine überaus schwierige Situation. Ich bin nicht in der Lage, einen Entwurf zu vertreten, der den Bundesrat noch nicht endgültig passiert hat und diesem Hause noch nicht vorliegt. (Sehr richtig! in der Mitte.) In derselben Lage bin ich, wenn ich genötigt werden sollte, in der Kommission über eine Reihe von Bestimmungen dieses Entwurfs Auskunft zu geben: ich würde diese Auskunft ablehnen müssen, weil ich unmöglich irgendwelche verbindlichen Erklärungen zu diesem Entwurf abgeben kann, solange sich der Bundesrat darüber noch nicht schlüssig gemacht hat.

Ich bin aber auch der Meinung, daß es für die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs gleichgültig ist, wie der Entwurf der Ver sicherungsordnung aussieht. Wir werden darüber, welche Konsequenzen aus dem Gesetz von 1902 zu ziehen sind, erst beschließen können, wenn wir wissen, in welcher Form die Versicherungsordnung und mit ihr die Hinterbliebenenversicher ng überhaupt das Licht der Welt erblickt.

Nur in einem Punkte möchte ich auf die Ausführungen des letzten Herrn Vorredners eingehen. Der Herr Abg. Trimborn hat im Jahre 1902 meines Wissens angenommen, daß die Erträge aus den Ueberschüssen der Zölle auf etwa 80 Millionen Mark zu be— bemessen sein würden. (Zuruf: 91 Millionen ) Sagen wir also: 91 Millionen. Mit diesen 91 Millionen wäre es möglich gewesen, rein aus Reichsmitteln ohne eine Heranziehung der Arbeit geber und der Arbeitnehmer für die Hinterbliebenen das zu tun, was in dem Entwurf der Versicherungsordnung, wie er der Oeffentlichkeit übergeben ist, vorgesehen war. Die Versicherungsordnung bringt also das, was mit den damals in Aussicht genommenen Mitteln geleistet werden konnte. Dafür, daß die Mittel diese Höhe nicht erreicht haben, können die verbündeten Regierungen nicht verantwortlich gemacht werden. (Abg. Trimborn: Ich doch auch nichth Nein, Herr Trimborn, ich habe Sie dafür auch nicht verantwortlich machen wollen, ich möchte mich nur meiner eigenen Haut wehren. (Heiter keit.) Also, die verbündeten Regierungen können nicht dafür ver⸗ antwortlich gemacht werden, daß die Erträge aus dem F165 des Zoll⸗ tarifgesetzes so ungleichmäßig und in so geringer Menge geflossen sind, daß größere feste Leistungen darauf nicht basiert werden können. Wir sind aber der Meinung gewesen, daß wir in den Leistungen, die eventuell zu machen wären, nicht über das hinausgehen durften, was damals in Aussicht genommen war.

Im übrigen will ich noch bemerken, daß sich die Zuschüsse des Reichs, wenn diejenigen Bestimmungen Gesetz würden, die in dem vorläufigen Entwurf gestanden haben, durchschnittlich auf 273 Millionen das Jahr berechnen würden, also den bisherigen durchschnittlichen Ertrag aus § 15 des Zolltarifgesetzes beinahe um das Doppelte über⸗ steigen.

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Ich glaube, mich auf diese Ausführungen beschränken zu müssen. Ich würde, ohne in die Einzelheiten einzugehen, auch in der Kom— mission nicht in der Lage sein, mehr zu sagen, als ich heute gesagt habe.

Wenn der letzte Herr Redner der Ansicht gewesen ist, daß dem Staatssekretär des Innern unter allen Umständen ein Vorwurf daraus gemacht werden müßte, daß der Entwurf der Versicherungsordnung nicht heute auf dem Tisch des Hauses liegt, so habe ich darauf nur zu erwidern, daß wir, die wir seit Jahren berufen gewesen sind, an diesem Entwurf zu arbeiten, nicht in der Lage waren, ihn rechtzeitig fertigzustellen. Daß der Herr Abg. Dr. Mugdan an meiner Stelle es vermocht hätte, ziehe ich selbstverständlich nicht in Frage. (Heiterkeit Ist das aber der Fall, dann verstehe ich nicht den Zweifel des Herrn Abg. Dr. Mugdan, daß es uns mit seiner Mit— hilfe in diesem Hause nicht möglich sein sollte, den Entwurf bis zum 1. April 1911 fertigzustellen. (Heiterkeit. Sehr gut! rechts und in der Mitte.)

Abg. Molkenbuhr (Soz.): Wenn die Möglichkeit nicht ge— geben war, das 1902 versprochene Gefetz bis zum 1. Januar 1910 zu erlassen, so müßten nach dem Wortlaut des Zolltarifgesetzes die bis dahin angesammelten Fonds den Versicherungsanstalten zugeführt werden. Was haben die verbündeten Regierungen getan, um nach dieser Richtung dem Gesetz gerecht zu werden? Haben sie die Ver⸗ sicherungsanstalten zur Ausarbeitung eines entsprechenden Statuts an— geregt? Was wollen die verbündeten Regierungen machen, wenn der Reichstag den Entwurf rundweg ablehnt? Und nach unserer Meinung muß der Entwurf rundweg abgelehnt werden, dann haben die Witwen vom . Janugr 1910 ab ein klagbares Recht auf die Witwen- und Waisen rente. Nun stehen wir ja neuen Leuten in der Regierung gegenüber, die sich dem Erbe der Bülowschen Sozialpolitik gegenüber 66 die nämlich darin bestand, daß er gar nichts auf diesem Gebiete getan hat. Sämtliche Agrarzölle sollten für die Witwen und Waisen hergegeben werden, das hat der Abg. Herold, das haben die anderen Zentrumsführer hier feierlich verkündet; aber dieses feierliche Versprechen wurde schon in demselben Augenblick gebrochen, als Die Herren daran gingen, ihren Gedanken in die gesetzgeberische Form zu bringen. Eine große Menge Agrarzölle kam schon in ber Kommission nicht in das Gesetz hinein; in der weiteren Beratung stellte der Abg. Trimborn für die Witwen- und Waisenversorgung Sätze in Aussicht, so kläglich, wie sie kaum eine Armenverwaltung zahlt, nämlich 100 46 für die Witwe und 335 ½ für eine Waise; dazu gehörten aber immer noch 91 Mill. Mark jährlich, die zur Hälfte aus den Erträgen der angesammelten Fonds, zur Hälfte aus Beiträgen der Arbeitgeber und der Versicherten aufgebracht werden soollten. Also damals, als der Abg. Trimborn noch an diesen Ueberschuß glaubte, nahm er schon Beiträge., der Versicherten in Ausficht. Jetzt, wo diese 91 Millionen nicht da sind, ruft der Abg. Trimborn, auch er sei nicht schuld daran, daß sie nicht eingegangen sind: jawohl. Herr Trimborn, Sie sind doch schuld daran, denn Sie haben selbst Ihren Antrag so verschlechtert! Im Plenum wurde nämlich noch eine weitere Reihe von Agrarzöllen fallen gelassen, so daß eigentlich nur noch 4! Millionen übrig blieben, während die Kommssston doch noch 72 Millionen übrig gelassen hatte; und mit diesen 72 Millionen operierten die Zentrumsagitatoren ruhig weiter und logen weiter die Bevölkerung an. Aber nicht nur die Hälfte der Zölle wurde preis gegeben, auch die Beitragspflicht, die der Abg. Trimborn selbst in Aus sicht genommen hatte, ließ er schließlich wieder fallen, und was übrig blieb, hat sich ja jetzt als ein reines Phantasieprodukt erwiesen. Von 19096 bis Ende 1909 sollten 22, 48, 53, 30 Millionen aufkommen; tatsächlich haben nur 1907 42 Millionen festgelegt werden können; Ist der Abg. Trimborn etwa nicht schuld an diesem Ergebnis? Hat er nicht den 5 1 des Zolltarifgesetzes mit der Aufhebung des Identitätsnachweises mit angenommen, der es durch das System der Einfuhrscheine ermöglicht, daß nicht nur nichts herauskommt, sondern event. das Reich noch drauflegen muß? Und welche Preissteigerung aller notwendigsten Lebensmittel ift in zwischen eingetreten, beim Fleisch, beim Mehl! Teures Brot hat man den Witwen und Waisen geliefert, die versprochene Hinter bliebenenversicherung wird ihnen aber vorenthalten. Warum macht man nicht mit dem vorhandenen Gelde wenigstens einen Anfang? Nimmt man die Zahl der zu unterstützenden Witwen und Waisen auf 21. und 3 Millionen, zusammen auf 5 Millionen an, so könnte jeder Witwe und jeder Waise eine Jahresrente bon 5 gegeben werden. Der Staatssekretär meint, die Versicherung könnte nicht auf so un sichere Basen gestellt werden. Aber er wird doch selbst nicht ernstlich auf die Erträge rechnen; dieselbe Mehrheit, die die Besitzfteuern ab gelehnt hat, wird auch die Beiträge der Arbeitgeber ablehnen, denn daß die Herren jetzt weniger habgierig geworden sind, wie im Frühjahr, das werden Sie doch felbst nicht glauben. Daß wir 1902 diesen Teil des Zolltarifgesetzes angenommen haben, hat man uns auf liberaler Seite verdacht; ich erkläre, wir haben sehr klug daran ge handelt; jetzt haben Sie das Gesetz, jetzt muß das Zentrum Farbe bekennen. Für den Großgrundbesitzer sind Hunderttausende aus den Millionen der Allgemeinheit abgegeben worden; für die Witwen haben Sie eine Jahresrente von 3 7 übrig.

Abg. Trim born (Zentr.):: Nach den Ausführungen der Herren don der Linken erscheine ich hier gewissermaßen vor Ihnen als der Angeklagte. Es ist, doch mein Verdienst, daß 40 Millionen für den Zweck zur Verfügung stehen; daß es nicht mehr sind, ist doch wahrhaftig nicht meine Schuld. (Lebhafter Widerspruch links. Bei den Rednern der Linken scheint jede ruhige, objektive Kritik verschwunden zu sein. Wir werden der Vorlage zustimmen, denn die Hinausschiebung der Inkraftsetzung des 5 15 erscheint unabwendbar. Wir behalten uns vor, diejenigen Personen, die vom 1. Januar 1919 ab Witwen und Waisen werden, in dem Gesetze nachträglich in die Rentenberechnung einzubeziehen. Eine Kommissionsberatung halten wir für absolut entbehrlich, denn es handelt sich hier nicht um materielle Bestimmungen, sondern nur um eine Terminsverlegung. X15. des Zolltarifgesetzes muß der Kußersten Linken und auch der Freisinnigen Partei außerordentlich unbeguem sein. Ich verstehe über⸗ haupt nicht, wie man einen so harmlofen und gutmütigen Mann wie mich mit einer solchen Berserkerwut angreift. Das bringt mich aber nicht aus der Fassung, denn ich sage mir: wer sich so erregt, fühlt sich im Unrecht. Die Gründe, weshalb die Ausführung des S 15 so lange hinausgeschoben wurde, hat der Staatssekretär dar gelegt. Die Vorarbeiten dazu waren auch nicht unsere Sache. In der Zwischenzeit haben meine Freunde eifersüchtig darüber gewacht, daß die Zollerträge, die für die Witwen und Walsen bestimmk waren, nicht anders angelegt wurden. Es waren Eingaben an uns heran getröten, diese Erträge für die Zwecke des Heeres und der Marine festzulegen. Der Abg. Erzberger ist diesem Versuche mit großer Ent schiedenheit entgegengetreten. Wenn hier jemand verantwortlich ist, so ist es der Block. Der Abg. Mugdan rühmte sich, praktische Sozialpolitik zu treiben; tatsächlich haben er und feine Freunde nichts geleistet. Es ist auch unrichtig, daß wir den 8 I5 nur geschaffen hätten, um ein Agitationsmittel zu bekommen. Wir haben nicht etwa hinterher, sondern von Anfang an durch den Abg. Herold erklären lassen: ohne Witwen- und Waisenpersorgung kein Zolltarif. Wir sind offen und klar vorgegangen, nicht wie hinterlistige In triganten, die Nebenabsichten gehabt hätten. Was ich über die Beitragsleistung seinerzeit gesagt habe, war sehr vernünftig, denn damals war die ganze Hꝛate nn noch vollständig ungeklärt, und es wäre sehr unrichtig gewesen, in dem damaligen Stadium schon ein fest ausgearbeitetes Projekt zu bringen. Das Weitere wollte ich der Zukunft überlassen; bis dahin war es klug und weise, sich nach keiner Seite festzulegen. Allerdings habe ich den Kreis der Iölle, der für die Witwen und Waisen in Frage kam, nach und nach enger gezogen. Aber dies geschah nur, um das Schiff des 8 15 in den Hafen zu retten. Das Schiff war dem Untergange nahe, und ich mußte den Gerstenfack und noch einige andere Säcke in die Flut werfen. Die

Sozialdemokraten haben doch für den Paragraphen gestimmt. Wäre er so kläglich und erbärmlich, warum haben sie sich nicht damals ent⸗ rüstet? Aus Ihren Kreisen ist auch dat häßliche Wort von der Witwen- und Waisenverhöhnung gefallen. Man hat sich sogar so weit berstiegen, von einer politischen Hochstapelei zu sprechen. Ich weiß nicht, ob es der Abg. Stadthagen war, aber er könnte es gewesen sein. Der Abg. Mugdan sprach heute mit großer Entrüstung von einer künftigen Belastung des Mittelstandes und der armen Erwerbs kreise. Er sollte mit dieser Entrüstung sehr vorsichtig sein, denn er könnte in, die Lage kommen, für das Hesetz stimmen zu müffen. Sich über die geringen Erträge der Zölle für die Witwen und Walsen hinterher lustig zu machen, ist billig. Sie haben doch damals von mir eine ein e e Begründung und zahlenmäßige Angaben verlangt. Wenn ich nachher durch Tatsachen desavouiert werde, so begreife ich nicht, wie man mich deshalb als Verbrecher behandeln will. Das ist nicht bloß töricht, das ist einfach lächerlich. Daß der Abg. Junck die gute Wirkung der Zölle für die Landwirtschaft anerkennen würde, habe ich, von seiner Loyalität nicht anders erwartet. Der Linken ist diese Wirkung unbequem, weil sie nicht in ihr System und in ihre Doktrinen paßt. Hätten wir den § 15 Damals nicht geschaffen, so würden wir niemals eine Witwen- und Waisen⸗ bersicherung erleben. Es kam damals nicht auf die Einzelheiten an, sondern auf die gesetzliche Unterlage, damit endlich mit diefer Reform begonnen werden' konnte! Der 6g; Ledebour sagte am 21. November 1902, wie die Verhältnisse bei uns in Deutschland liegen, ist die gegenwärtige Gelegenheit wohl die einzige, die sich vielleicht auf Jahre hinaus bieten wird, um überhaupt die Witwen— und Waisen— versicherung zu regeln. Noch vor kurzem hat ein sozialdemokratischer Schriftsteller in den „Sozialisticchen Monatsheften“ die Witwen. und Waisenversicherung für eine soziale Notwendigkeit allererften Ranges erklärt. Alle kleinlichen Rekrlminatlonen der Abgg. Mugdan und Molkenbuhr werden vergessen werden, der Erfolg aber, daß durch §z 15 überhaupt eine Witwen- und Waisenversicherung möglich ist, der wird bleiben; das genügt meinen Freunden und mir.

Staatssekretär des Innern Delbrück:

Meine Herren! Wenige Worte im Anschluß an die Ausführungen der beiden Herren Vorredner. Der Herr Abg. Molkenbuhr hat zu wissen gewünscht, was die verbündeten Regierungen getan hätten, um die Landesversicherungsanstalten zu veranlassen, ihrerseits mit den Mitteln des § 15 des Zolltarifgesetzes eine Witwen- und Waisenver⸗ sorgung ins Leben zu rufen. Ich glaube, in einem kurzen Satze in meinen Einleitungsworten eine Antwort darauf bereits gegeben zu haben. Ich habe darauf hingewiesen, daß ebensowenig wie das Reich oder die verbündeten Regierungen eine Versicherungsanstalt ohne eine feste finanzielle Unterlage imstande ist, Witwen- und Waisenrenten, durch die lebenslängliche Rechtsansprüche begründet werden, zu be⸗ willigen. Das ist auch der Grund gewesen, warum die Ver— sicherungsanstalten, mit denen selbstverständlich meine Herren Amts vorgänger sich bei den Vorbereitungen der Gesetzgebung in lebhafter Fühlung gehalten haben, dringend gebeten haben, man möge sie mit der Lösung der Aufgabe der Hinterbliebenenversicherung an der Hand der Ersatzmaßnahme des 15 des Zolltarifgesetzes verschonen.

Nun, meine Herren, hat der Herr Abg. Molkenbuhr aus dem Umstande, daß wir mangels hinreichender Mittel genötigt gewesen sind, zurzeit das Inkrafttreten der Hinterbliebenenversicherung hinauszuschieben, geglaubt, den Schluß ziehen zu müssen, das Gesetz abzulehnen. Meine Herren, ich möchte im Interesse der in Betracht kommenden Witwen und Waisen dringend davor warnen, das zu tun. Wenn sie dem Rat des Herrn Abg. Molkenbuhr folgen, dann haben die einzelnen Witwen äußerstenfalls, wie er, glaube ich, richtig ausgerechnet hat, einen Anspruch auf 5 606 jährlich; ob er klagbar ist, steht dahin. Wenn Sie dem Vorschlage der ver— bündeten Regierungen folgen, besteht Aussicht, daß wir in nicht allzu langer Zeit einen Gesetzentwurf verabschieden, der den in Betracht kommenden Witwen und Waisen eine, wenn nicht hohe, so doch immerhin ansehnliche und durch einen Rechtsanspruch festgelegte Rente sichert; und das, meine ich, meine Herren, sollte doch sozialpolitisch die wertvollere Tat sein. (Sehr richtig! in der Mitte.)

Der Herr Abg. Trimborn hat aus der Situation, in der wir uns befinden, eine weit praktischere Konsequenz gezogen. Er hat, indem er das Bedauern, darüber ausgesprochen hat, das auch die verbündeten Regierungen erfüllt, daß wir das Gesetz über die Hinterbliebenen versicherung nicht rechtzeitig haben verabschieden können, bemerkt, es sei zu prüfen, ob man nicht dem in Zukunft zu verabschiedenden Gesetze rück⸗ wirkende Kraft geben könne, indem man alle nach dem 1. Januar 1910 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes praktisch werdenden Fälle in die Wirksamkeit des Gesetzes einbeziehe.

Meine Herren, ich habe mich zu dieser Frage, ob und inwieweit der Hinterbliebenenversicherung rückwirkende Kraft gegeben werden kann, nicht geäußert, weil sie nicht ganz einfach ist, und jedenfalls ich glaube, darin stimmt der Abg. Trimborn auch mit mir überein erst gelöst werden kann, wenn feststeht, in welcher Form die gesetz⸗ lichen Bestimmungen über die Hinterbliebenenversicherung zur Ver abschiedung gelangen. Ich werde für meine Person gern bereit sein, im gegebenen Zeitpunkt mit Ihnen über etwaige diesbezügliche Vor schläge in Beratnng zu treten, und ich hoffe dazu des Einverständnisses der verbündeten Regierungen sicher zu sein. (Bravo! in der Mitte und rechts.)

Abg. Linz (Rp.): Wir haben es außerordentlich bedauert, daß es nicht möglich geworden ist, den Entwurf der Reichsversicherungs ordnung so frühzeitig einzubringen, daß, er mit Ablauf des gegen wärtigen Kalenzerjahres verabschiedet sein konnte. Aber an der Tatsache ist nichts zu ändern, und die Erörterung der Schuldfrage erübrigt sich. Es erscheint uns nicht richtig, die Hinterbliebenen? versicherung selbständig zu regeln, sie muß vielmehr einen grganischen, Bestandteil der Reichsversicherungsordnung bilden. Nachdem die verbündeten Regierungen im Interesse einer Verbesserung und ausgedehnteren Fürsorge für die arbeitenden Klassen dem § 15 zugestimmt hatten, erschienen und mehrten sich bald die offiziösen Stimmen, daß es der Neichsregierung nicht möglich sein würde, ein solches Gesetz auf der Grundlage schwankender Einnahmen aus dem Zollgesetz durchzuführen. Sie suchten deshalb mit Recht bei der Neu— regelung der großen Versicherungsgesetze nach einer anderen finanziellen Grundlage. Auch wir halten es in Uebereinstimmung mit dem vorläufigen Entwurf der Reichsversicherungs ordnung für richtig, die Gewährung von Rentenansprüchen auf beftimmte, von vorn; herein feststehende Leistungen durch einen sfesten jährlichen Zu— schuß des Reiches für die Vinterbliebenen, der alljährlich im Etat einzustellen ist, begründet werden muß. Die Unterstellung, es habe sich bei den damaligen Beschlüssen des Reichstages nur um eine taktische und agitatorische Maßnahme gehandelt, müssen wir, gleichviel von welcher Seite sie kommt, murüchdeffen Wir er⸗ blicken vielmehr in jenen Beschlüssen ein weiteres Glied in der Reihe der vielen sozialen Maßnahmen, die im Laufe der letzten Jahrzehnte im Interesse des Arbeiterstandes getroffen worden sind. Wir be— dauern die Dinausschiebung im Interesse der Witwen und Waisen der Arbeiter, werden uns aber wohl oder übel in die unabänderliche Lage fügen müssen. Aber wenn die Witwen- und Waisenversorgung 1951 in Kraft treten soll, so ist eine außerordentlich ernste und intensive

7 2 ö 4 jo Mer Kano] 2 21 a z 9 Vorarbeit erforderlich. Die Reichsversicherungsordnung wird mit Rück

sicht auf Umfang und den Widerstreit der P anzunehmen

Schwierigkeit der Mate

8. ; rie und den zu erwarten— keinungen erheblich sp

digung finden, als

verbündeten beschleunigen, zögerung durchzuberaten. nicht in den Kreis ch diese Legislaturperiode wird Werk der Witwen⸗ chiedung gelangt, und Notgesetz zu.

Abg. Molkenbuhr (Soz.): Wie haben niemals born behauptet, ung gegen den § 15 erk genommen, nichts anderes, Zentrum den Arbeitern gege Verwendung der Mehrerkr Waisenversorgung steht nich seinem Schiff über B Zentrum in dem Augenblick, die Getreidezölle abgelehnt hätte, des § 15 angenommen als auf die

Regierungen und für die Parte Ein weiteres. der Betrachtunge nicht zu Ende

Hinausschieben darf gezogen werden. 5 gehen, ohne daß zaisenversicherung z oraussetzung stimmen wir dem

das wichtige in dieser V

wie der Abg Trim⸗ ser S 15 ist, genau Versprechens, das das versprochenen

lärt. Aber die als ein Bruch des Denn von age der Agrarzölle für die ts darin. Der Abg. Trimborn hätte nichts aus wo die Rechte den § 15 ablehnen w dechte auch die e Waisen gegeben, Auch im Zentrum gab auch Jahre 8 den Zöllen vor⸗ gesagt. Der Abg. Trim⸗ jaupt keine Witwen- und ch gar nicht, wir haben n den F 15 noch und Waisenversicherung und Waisenversicherung sondern vom Freiherrn von atonische Liebe dafür hatte, über platonische Erklärungen

und lieber den Wit heren Getreidezölle verzichtet. es Leute, die den § 15 nicht gern annah kommen können, wo ü zanden sind, das hat man der born meint, ohne den Waisenversicherung. V nur teueres Brot und teueres 100 Jahre bekommen. stammt überhaupt nicht Aber wie die

t keine Ueberschüsse au Wählern niemals Sz 15 hätten wir überk zir haben sie aber no Fleisch, und keine Witwen⸗

vom Zentrum, ser nur eine pl

Abg. Mug dan fr. Volksp.): Der 2 selbst, wenn er gegen die hält; wenn er Vizepräsidenten

lbg. Trimborn verspottet sich dieser Reden eine Philippika tte, wen man zum zweiten zätten wir einen ganzen Arbeits zte des § 15 sollte den Abg. htiger machen;

die Zeitverschwendung vorgestern schon gewußt wählen sollte, sol Gerade die Geschick in seinen Versprechungen vorsie gesprochen, und er ist nicht klüger vom

sichtiger Mann hätte er mi scheidener sein sollen, aber das paßte tischen Verhältnisse hinein. gesetz hineingekommen, wenn das Zent falen so viele Wähler hätte. (Sho im Abg. Trimborn das Hohelied der tischen Verhältnisse sst nichts

sein heutige Rede war, Verbrechen, Rathaus heruntergekommen. damaligen Berechnungen eben nicht in die damaligen poli⸗ 15 wäre niemals in das Zolltarif⸗ rum nicht in Rheinland und West⸗ Zentrum.) Ich freue mich, daß der denn für unsere poli⸗ als daß eine reinliche Schei⸗ Landwirtschaft Landwirtschaft. st mehr nutzen.

Zölle singt,

hohen Zölle für ein Unglück für die einmal selbst dem Großgrundbesitz nick wo wegen der hohen Brot

Denn es wird die Zeit kommen, und Fleischpreise keine kommende Generation, Zöllen übernommen hat, schw nicht klug und weise, er Ruhmestitel für ihn sein allezeit Sozialpolitik treib Abg. Beckez⸗Arnsberg (Zentr.) : Daß der hätte, die Zentrumsarbeiter mit dem Zolltarif sehr großer Irrtum. Zollpolitik im Rheinland⸗Westfalen eine Notwendigkeit für das die Getreidezölle die Sozialdemokraten Wahlen 1907 so schlecht abgeschnitten hät den deutschen Inlandsmarkt bedeutend gekr der Verlauf der letzen Krise, die ferngehalten worden ist, jedenfalls in England bemerkbar gemacht hat. zeugung für falsch halten, uns nicht niedrige Motive einzigen Tage untersch

die Güter nach dem Werte er geschädigt sein. Der Abg. gat sich selbst betrogen sondern beweisen, wie schlecht seine

Trimborn ist

§ 15 den Zweck gehabt zu versöhnen, ist ein der Ueberzeugung, daß die jetzige Interesse des Ganzen falsch wäre, . ihr nicht zugestimmt; wir halten Auch Kautsky hat zugegeben, bloß den Großgrundbesitzern auf dem Lande Daß die Zollpolitik äftigt hat, das lehrt doch fast vollständig

sie aber für Vaterlan d.

von Deutschland zei uns nicht so stark Sie (links) können unsere Ueber— ist Ihr gutes Recht, aber Sie dürfen nterschieben. das geht auf keine Kuhhaut. flugblatt; 5 bis 6 Jahre hat man den sen 30 000 ½ auf dem Kollegen Bruft wußten, daß daran nichts Wahres war. Was das kann gar nicht mehr übertrieben werden ... nach den Sozialdemokraten, wir uns entscheiden

Ich verweise

Vorwurf der Bestechung mit d sitzen lassen, obwohl Sie Sie leisten, halb des Hauses natürlich. hätten heute noch zeiterversicherung. Zufallsmehrheiten, ü Erbschaftssteuer ) der Abg. Stadthagen bei der nicht anwesend war,

er auf dem Berliner Rathause den wirklichen Grund hat man auf der Münch Also empfehlen Sie dem „Vorwärts“

sunden Menschenverstand. Erbschaftssteuer? Da fällt mir ein, Abstimmung über die Erbschaftssteue nach dem „Vorwärts“ jener Versamm⸗ lung der Genossen mitgeteilt. Wahrheitsliebe! nationalen Arbeiterschaft zur Finanzreform schaden kann, fürchten wir nicht. frei für Zentrumskandidaten, auch wenn die Ihre Versuche, zu verhetze: Linke sehr unliebsame

Abg. Ledebour (Soz.):

uns bei den Wahlen viel Leute stimmen frank und Zechenherren mund aufzustacheln, könnten einmal für die Folgen zeitigen.

abei stehen.

as von dem Abg. Trimborn geg

zerschlechterungsantrag in dieser Rede t großem Geschick einen Satz heraus, den er Es handelt sich um einen An Witwen- und Waisenversicherung um ich habe in meiner Rede den Abg. ann kam das Zitat, das be ich gegen die beantragte Ver direkter Mißbrauch, atz herauszerrt und alles übrige

Antrag Trimborn gehalten habe; gegen einen wollten wir Verwahrung findet der Abg. Trimborn mi für sich verwerten zu könne den Betrag für die 20. Millionen verringern wollte: Trimborn ironisch behandelt. ist; aber in der schärfften Weise ung protestiert. E Abg. Trimborn diesen

ganz richtig

Abg. Trimborn (gentr.): und richtig

; Zusammenhang vollständig im Rechte sei. Bestreiten daß er sein Kind, die Witwen daß er den eigentlichen Vater des Gedankens Man habe ihm mancher

müsse er dem Abg. Mugdan,

Freiherrn von Stumm, vorgeworfen, aber daß man

verleugnet habe. würde, das hätte er nie gedacht.

ihn zum Vatermörder Hierauf wird Vertagung beschlossen.

merkungen der Abgg. Erz Volksp., Stadthagen Soz.. unwahre Behauptung zurück, daß er für sein . sschaftssteuer verschiedene Gründe

Es folgen persön zerger (Zentr.), Mugdan (fr. Fehlen bei der Ab— angegeben habe. geradezu ungeheuerlich, wie (Präsident Graf

stimmung über die Erk

Abg. Le debour (Soz.): der Abg. Trimborn mit der Wal zu Stolberg rügt diesen folgen weitere Sachse (Soz.), Erzbe

srheit umspringt.

persönliche Bemerkungen der rger, Becker⸗Arnsberg, Stadthagen und Ledebour.

Der Präsident gibt das Resultat der bekannt: Von 317 gültigen Stimmen habe Rimpau (nl.) 277, Abg. Freiherr Abg. Engelen (gentr. 249

Trimborn,

Schriftführerwahl n erhalten: von Thünefeld (Zentr.) Abg. von Bieberstein (dk.)