1909 / 289 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 08 Dec 1909 18:00:01 GMT) scan diff

Glück für die Marineverwaltung; denn natürlich ist das Inventar so knapp als möglich, und ich habe deshalb angeordnet, daß wir jährlich die Inventarien durchgehen und alles herausstreichen, was durch die Entwicklung der Materie unnötig geworden ist. Das wird alles herausgestrichen, und ich halte absichtlich die Inventarien so knapp als irgend möglich. Meine Herren, warum? Weil es das Sparsam⸗ keitsprinzip ist! Ich setze die Etats noch weiter herab, und wenn die Schiffe nicht mehr in erster Linie stehen, dann wird eben noch mehr vom Inventar heruntergestrichen. Der Luxus zu vieler In⸗ ventar⸗ und zu vieler Reservestücke ist es gerade, den ich zu be⸗ schneiden bemüht bin. Ich hätte also geglaubt, ich würde nach dieser Richtung vom Herrn Abg. Struve auch einmal ein Lob empfangen haben.

Der Herr Abg. Struve hat dann von der sogenannten Bojenangst gesprochen, die Kommandanten hätten Angst, an der Boje zu liegen, weil dann die Vorgesetzten sagten, sie arbeiteten nicht. An sich liegt ja darin, daß die Vorgesetzten aufpassen, daß die Kommandanten ihre Schuldigkeit tun, und das ist doch ganz richtig. Nun gebe ich dem Herrn Abg. Struve zu, daß die Versuchung naheliegt, mit den Kohlen etwas üppig umzugehen. Es ist ganz natürlich, wenn die Schiffe, die draußen gewesen sind und ihre Uebungen gemacht haben, bei hereinbrechender Dunkelheit schnell heimkommen möchten und rascher hineingehen, als es sich mit einem sparsamen Kohlenverbrauch vereinbaren läßt. Das ist mensch lich, aber es ist nicht richtig. Wie soll man dem nun entgegentreten? Der Staatssekretär kann doch den Posten nicht einfach streichen; denn es würden dadurch die Uebungen, es würde die notwendige Ausbildung darunter leiden, gerade bei unseren allgemeinen Wehrpflichtsverhält nissen. Oder sollen zu wenig Kohlen gegeben werden, sodaß die Schiffe ihre Uebungen nicht machen können? Und da habe ich das scheint Herr Dr Struve nicht zu wissen, sonst würde er den Vorwurf nicht erhoben haben den Kohlenverbrauch pro Jahr limitiert: mehr Kohlen dürfen nicht gebraucht werden pro Schiff (Zuruf) seit Jahr und Tag! —, und nun müssen die Schiffe mit dem Material, das sie bekommen haben, auskommen.

Dann hat Herr Dr. Struve gesagt: „Was nützt denn der ganze Etat? Es kann ja alles überetatsmäßig an Bord gegeben werden. Der Etat ist gewissermaßen nur eine schöne Form.“ Meine Herren, er wäre eine schöne Form, wenn nicht jede einzelne über— etatsmäßige Anbordgabe eines Inventarienstücks durch den Staats sekretär selbst genehmigt werden müßte, und daß der Staatssekretär nach der Richtung hin nicht zu freigebig ist, das klang ja sogar aus den Worten des Herrn Dr. Struve heraus, der mir gewissermaßen die Klagen der Front brachte, wir hielten sie mit dem Inventar zu knapp.

Herr Dr. Struve hat mir vorgeworfen, ich sei doch mit meinen Zahlenangaben sehr unvorsichtig gewesen, es hätte doch wohl von mir verlangt werden können, daß ich dem hohen Hause hier richtige Zahlen gebe. Ich bezweifle ja gar nicht, daß der Herr Abg. Dr. Struve gewiß die beste Absicht gehabt hat, selbst zuverlässige Zahlen zu, geben; aber es ist ihm nicht ganz geglückt, und das möchte ich doch an den Hauptpunkten, die er hier angeführt hat, nachweisen. Der Herr Abg. Dr. Struve hat ausgeführt: wir wollen nicht wünschen, daß unsere blauen Jungen auf dem „Eber“ in See ,, der gänzlich seeuntüchtig ist. Meine Herren, ich hoffe, daß S. M. Kanonenboot „Eber“ im nächsten Jahre in Dienst gestellt werden wird, um den „Panther“ abzulösen. Es war nämlich das Reserveschiff für die Kanonenboote, und das ist das beste Kanonen— boot, das wir überhaupt besitzen. (Hört, hört! und Heiterkeit rechts.) Der Herr Abgeordnete hat dann ausgeführt, daß eine ungeheure Summe die Zahl ist mir entfallen für die Baden-Klasse aus gegeben worden ist, daß die Schiffe nachher gar nicht in Dienst ge kommen seien. Den Umbau der Baden-Klasse habe ich persönlich nicht veranlaßt, der ist von meinem Herrn Amtsvorgänger seinerzeit in die Wege geleitet worden. Aber auch darin irrt der Abg. Struve: die Baden⸗-Klasse ist nach ihrem Umbau noch jahrelang dienstfähig ge— wesen, ist verwendet worden und befindet sich noch jetzt im Reserve⸗ verhältnis.

Nun hat schließlich Herr Dr. Struve gesagt, wie ungeheuer mangelhaft die Marineverwaltung verführe, indem sie Schiffe umbaute, reparierte und nachher zum Alteisen würfe, und da hat er dann auch ein schlagendes Beispiel angeführt, welches ja den Beifall zum Teil auf der äußersten Linken gefunden hat; er hat angeführt, daß

M. S. „Marie“ repariert worden wäre für 800 000 „ÆM, und , . wäre sie überhaupt nicht in Betrieb gekommen und wäre nicht gebraucht worden, das wäre charakteristisch für die Marine— verwaltung. Meine Herren, die Frage, ob wir mit einem alten Kriegsschiffe, wie S. M. S. Marie“, als Artillerieschulschiff auskommen könnten oder nicht, war Ende der neunziger Jahre zweifelhaft, und wir hatten allerdings die Absicht gehabt, die „Marie“ umzubauen. Diese Absicht ist aber nicht ausgeführt worden (Heiterkeit rechts), son dern in der Haushaltsübersicht für 1902, Kap. Tit. 23, wenn der Herr Abg. Struve so gütig sein will und nachzulesen, sind diese 800 000 Æ wieder abgesetzt. (Hört, hört! rechts) Das ist die Ge— nauigkeit, mit der der Herr Abg. Struve seine Zahlen vorher aus— geführt hat.

Abg. Se vering (Soz.): Daß der Staatssekretär die Unterschleife ausschied, weil das Gericht freigesprochen hat, war nicht nur eine hilflose Ausflucht, sondern ist guch unbegründet. Wenn der Staatssekretär die Herren Wannowski und Brumme nach Danzig, Wilhelmshaven usw. schicken würde, Jo würden sie auch dort ein ge⸗ rüttelt Maß von Schutt finden. Der Staa tssekretär rechnet bei einem Umsatz von 3090 000 4 mit etwa 10 0 Unterschlagungen. Es kommen für 20 Jahre also immerhin schon bo0 000 in Betracht. Im Kankowski Prozeß ist zudem festgestellt, daß Unterschlagungen nicht nur beim Alteisen, sondern auch bei , Dingen vor⸗ gekommen sind. Das amtliche Stenogramm des Prozesses ist von einfachen Lohnschreibern der Werft aufgenommen, und da fragt sich doch, ob der Wortlaut der Aeußerung des Assessors Frerichs nicht vielleicht nachher korrigiert ist. Schon vor 1905 hat die Denkschrift des Metallarbeiterverbandes auf solche Dinge auf der Kieler Werft hingewiesen. Der Staatssekretär wollte aber nicht darauf eingehen, weil es in der Denkschrift immer nur hieße: Man munkelt, es be⸗ steht das Gerücht usw. Die Denkschrift enthält aber keineswegs nur allgemeine Redewendungen, sondern stellt klipp und klar Be⸗ hauptungen auf, daß die Marineverwaltung den Einzelheiten hätte nachgehen können. Der Staatssekretär charakterisierte aber damals die Leute, die uns Material bringen, als Vögel, die ihr eigenes Nest heschmutzen. Er brauchte aber selber Vögel, die das Kieler Nest be—⸗ schmutzten, die Wannowski und Brumme, die die üinterschlagung fest⸗ stellen sollten. Der Staatssekretär beabsichtigte damals eine Irre⸗

führung der öffentlichen Meinung, wenn er sagte, daß die Denk⸗ schrift nur jzusammengetragenen Klatsch enthielte. In ver

Denkschrift befinden sich genaue Angaben, . B. über die Arbeiten auf dem Kreuzer ‚Roon“, dem Kreuzer „Kaiserin Augusta! und anderen. Von einer Verfolgung einer FRieler Zeitung, die auch solche Angaben enthielt, hat man aus guten Gründen Abstand genommen. Bei uns kommt 1 Beamter auf 8 Arbeiter, auf den englischen Werften auf 11, auf den Howaldtswerken auf 12 und in , , erst auf 17 Arbeiter Der Abg Erzberger meinte, wir verlangten selbst Vermehrung der Beamten, . der Gewerberate und Lohnlisten⸗ führer. Die Werften unterstehen aber nicht der Gewerbeinspektion, des halb mii sen wir besondere . dafür verlangen. Bei der Führung der Lohnlisten könnten Beamte gespart werden wenn der Alkordl ohn durch Wochenlohn ersetzt würde. Der Staatssekretär hat den Oberwerftdirektor weniger verteidigt als geredet ern Jeder , Schlossergeselle hätte den ö Mast zerschneiden lonnen, aber warum hatte denn die Werft noch nicht das autogene

Sägeverfahren und andere technif che? . Einfach weil der . Leiter kein technischer . sondern ein Offizier ist. Be schmutz te . Leinwand wurd für 30 verkauft und dann Fr 2385 als Putzzeug wieder mull gear. Gibt es denn auf der Werft . Seife? Einen modernen Großbetrieb muß ein In genieur und ein Kaufmann leiten, das militärische System ist falsch. Durch dieses System hat in Irledriche er eine Konsumanstalt bei eine m Umsatz von 360 000 S ein Defizit von 14000 S è gehabt. Daß der Werft n beiterstand viele intelligente Elemente aufzuweisen hat, hat in der Vossischen Zeitung“ noch kürzlich ein Marine— oberingenieur n n,, aber bei Be forderung spricht diese Intelligenz nicht nät, sondern nur die Fähigkeit, sich den Vorgesetz in anzuschmiegen und sich nach oben beliebt zu machen. Anderseits ist ,, daß man mit Zuchthaus bestrafte Leute zu Beamten ge macht hat. Der Schriftführer des Nationalen Arbeitervereins übt geradezu einen . unerhörtester Art aus; seine Genehmigung ist er forderlich, wenn ein außerhalb der gelben Organisation stehender Arbeiter auf der Werft ingestelst werden soll! Notorischen Spitzbuben und De— fraudanten stärkt man das Rückgrat. Ist es da zu verwundern, wenn Zu⸗ stände eintreten, wie sie jetzt der Prozeß enthüllt hat? Schon 0g hat der Abg. Zubeil ganz ahnliche Klagen über Vorkommnisse auf der Danziger Werft erhoben; der Arbeiterausschuß, der sich die Aufdeckung dieser ,,,, angelegen sein ließ, wurde dafür von dem Korvettenkapitän Simon drangsaliert. Dieser Herr Simon hat neuerdings eine Leistung zustande gebracht, die, wenn sie allgemein üblich wäre, an TUussische Zustände erinnert; er hat ein uneheliches Kind, das ein Offizier vom 128. Regiment mit der Tochter eines Werftarbeiters hatte, in das Säuglingsheim der Werftarbeitzr betriebskrankenkasse auf deren Kosten aufnehmen lassen, und der Ar beiter, der die Entlastung der Kassenrechnung nicht . lassen wollte, bis der Korvettenkapitän Simon die zugesagte Zurückzahlung der Kosten bewirkt habe, erhielt die beschleunigte Kündigung! Der Mann wandte sich mit einer Beschwerde an den Staatssekretär; er wartet bis heute vergeblich auf Antwort. Das ist der Korvettenkapitän Simon, den der Geheimrat Harms nachher natürlich wieder als einen sehr tüchtigen Seeoffizier hinstellen wird; ja wohl, er paßt vortrefflich in das System Tirpitz! Ein Obermeister hieß einen mehrere Zentner schweren Propeller mit gehen; er wurde mit Gefängnis bestraft, ist aber jetzt in einer guten Stellung in Friedrichsort. Vielfach Aer r Werffoscblf tähle nicht verfolgt, weil die gestohlenen Gegenstände nicht den Werftstempel tragen. In Kiel hat ch ein Beamter eine Gartenlaube für seinen Privatgebrauch gebaut, Das Holz dafür wurde bei dem Bau des Kreuzers „Prinz Adalbert“ verrechnet. Zöge man die Arbeiter bei der Kontrolle hinzu so würde man bald erkennen, daß die Arbeiter die besten und vielleicht die einzigen Hüter des be teme sind. In dem Prozeß gegen Kankowski wurde die Zeugenaussage gemacht, daß einem Arbeiter, der eine von ihm bemerkte Unregelmäßigkeit seinen Vorgesetzten mit— teilte, von diesen mit der Entlassung bedroht wurde. Jetzt soll eine wirksamere Kontrolle Platz . Die Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Das sind Versuche mit untauglichen Mitteln am untauglichen Objekt. Erst wenn man mit dem mili— taristischen und bureaukratischen System bricht, schafft man Zustände, die das Eindringen der russischen Wirtschaft verhindern.

Wirklicher Geheimer Admiralitätsrat Harms: Meine Herren, ich werde dem Wunsche des Herrn Vorredners Folge leisten und den von ihm angegriffenen Offizier verteidigen, obwohl diese Angelegenheit mit dem, was uns im übrigen heute beschäftigt, nach meiner Auf fassung wenigstens, ganz außerordentlich wenig zu tun hat. Bei der Angelegenheit mit dem Böttcher Gerloff sind zwei Dinge zu unter— scheiden: einmal die Kündigung, die er bekommen hat. Diese Kündigung ist erfolgt, weil von zuständiger Stelle festgestellt worden war, daß dieser Mann ein sozialdemokratischer Agitator war. S 16 der Arbeitsordnung auf den e gn, Werften lautet: „Sie, d. h. die Arbeiter, dürfen nicht sozialdemokratische Agitatoren oder sonstige Personen sein, von denen voraugg etzt werden darf, daß sie den Frieden zwischen der Behörde und den Arbeitern, oder der Arbeiter untereinander stören wollen.“ Zu diesen Leuten gehörte der Mann, als solcher wurde er uns von zan en Stelle bezeichnet; deshalb wurde ihm von uns gekündigt, er wurde aber nicht gleich entlassen. Das i ah weil er schon so lange dagewesen war. Nun hat in einer Gerichtsverhandlung, die etwas später erfolgte, der frühere Böttcher Gerloff selbst zugegeben, daß er sozialdemokratisch agitatorisch tätig gewesen ist. Damit wurde also an Gerichtestelle erwiesen, daß die Entfernung von der Arbeitsstelle mit Recht erfolgt war. Die zweite Angelegenheit betrifft die von dem Vorredner vorgebrachte An— gelegenheit mit der Betriebskrankenkasse, die mit der Entlassung ganz und gar nichts zu tun hat, sondern nur zufällig zeitlich ziemlich zu— sammenfiel. Die Sache lag so. Ein Werftarbeiter kam zu dem Kapitän Simon und bat ihn, er möge dafür Sorge tragen, daß ein Enkel— kind von ihm in das Säuglingsheim aufgenommen würde, weil es an einer schweren Augenerkrankung leide; wenn 36. Kind nicht auf genommen werden würde, würde es voraussichtlich das Augenlicht ver lieren. Auf Grund dieser Darstellung hat der Kapitän Simon allerdings irrtümlicherweise mit dem Mann vereinbart, daß er ein Darlehn aus der Betriebskrankenkasse bekommen solle er hatte den Wohlfahrtsfonds nehmen müssen —, und am 1. April sollte dieses Darlehn zurückgezahlt sein. Nun wurde bei der Revision am 21. März 1909 festgestellt, daß dieses Darlehn irrtümlich aus der Betriebskrankenkasse geleistet worden war, und es wurde deshalb das Monitum am 24. März dahin beantwortet, daß die Rückgabe am 1. April 1909 stattfinden werde; davon erhielten die Rechnungsprüfer am 25. März Kenntnis. Die Generalversammlung fand nun zufällig bereits am 30. März statt, und infolgedessen war an diesem Tage der Fon gßausgleich noch nicht erfolgt, sondern erfolgte erst am 31. März. Das ist der einfache Hergang. Es bleibt also von der ganzen Sache gar nichts weiter, als daß der Kapitän Simon in seiner Gutmütigkeit (Zuruf von den Sozialdemokraten: Gutmütig⸗ keit ?7? ja, Gutmütigkeit, dem Manne helfen wollte, und er hat den Vorschuß gewährt aus der Betriebskrankenkasse, was er eigentlich nicht hätte tun dürfen, anstatt aus dem ebenfalls ihm zur Verfügung stehenden Wohlfahrtsfonds, und wenn man dem Kapitän Simon irgend einen Vorwurf machen wollte, könnte es nur der sein, daß seine Gutmütigkeit und Herzensgüte gegen alle Leute, mit denen er so vielfach zu tun hat, ihn unter Umständen einmal verleiten kann, etwas zu weit zu gehen.

Abg. Leon hart (fr. Volksp.): Der Staatssekretär hat gestern ver⸗ sucht, mich in einer Weise abzukanzeln, als hätte ich auch Alteisen von der Werft abgefahren. Ich habe gestern so ruhig und objektiv über den Prozeß gesprochen, daß ich nicht erwartet hätte, daß meine Behauptungen so persönlich aufgenommen werden würden. Ich bin absicht . auf den Prozeß sehr wenig eingegangen, weil mir die Prozeßbeteiligten bekannt sind. Auf die Anfrage, weshalb den Sachverständigen die Aussage im Prozeß verboten wurde, ist der Staatssekretär bisher die Antwort schuldig ge⸗ blieben. Ich soll die technischen Betriebe schlecht gemacht haben. Ich bin aber nur . eingetreten, daß die technischen Betriebe selb⸗ ständiger gestellt werden. Warum hat uns heute nicht hier ein Techniker aus dem Reichs marineamt eantwortet? Diese selb⸗ ständige Stellung der Ressorts 3 namentlich bei An⸗

und Verkaufen notwendig. Meine gestrigen Behauptungen in

bezug auf den Nickelstahl sind mir inzwischen von zu⸗ ständiger Seite als zutreffend bestätigt worden. Mit Erweiterung der Kontrollbefugnisse des Verwaltungsdirektors ist wenig geholfen. Ich habe mich gewundert, daß der Staatssekretär den Kapitän zur See Persius, der ganz sachlich und objektiv über die Vorkommnisse auf der Werft geschrieben hat, als „Herrn Persius“ abgetan hat. Von unseren Unterseebooten sollten! wir nicht reden, sondern wel sche bauen, denn wir sind gegen andere Länder damit weit zurück. Ich habe meine Informationen selbstverständlich mir nicht aus den Fingern gesogen, sondern von sachkundigen und gewissenhaften Leuten. Auf die Ausführungen des Abg. Struve ist der Stadt sekretr nur in wenigen Punkten eingegangen. Das Gewicht der unterschlagenen Gegenstände hat man nur deswegen nicht seststelle können, weil während des Prozesses die Wiege⸗ zettel bon der Werft verschwunden sind. Der Admiral Breusing hat in der Budgetkommission selbst von Millionenunterschlagungen gesprochen. Es ist bekannt, daß Frankenthal oft nur 11 pCt. des Wertes bezahlt hat. Unregelmäßigteiten kommen nicht nur auf dem Altmaterialienhof in Kiel vor, wie der Prozeß in Danzig beweist, in dem ein Oberingenieur zu 4 Gefängnis verurteilt ist, weil er für seinen Privatgehrauch, Sachen aus den Werft tbeständen verwendet hat. Der Staatssekretär beklagt den geringen Ih beim Verkauf der alten Schiffe. Ich empfehle Ihnen, sich bei der Hamburg⸗ Amerika Linie und dem Norddeutschen Lloyd zu erkundigen, die doc andere Preise erzielen. Es mag sein, daß die Bestimmungen im Wege sind, wonach nur im Inland verkauft werden soll. Dann aber soll man derartige Bestimmungen aufhehrn,/ wenn die Schiffe nachher doch gleich weiter ins Ausland gehen. Die r ,. er staefe hürden ganz gern einmal ein altes Kriegsschiff von uns kaufen. Nach der Mitteilung des Staatssekretärs hat die Reparatur des Kieler Schwimmdocks allerdings nicht, wie der Abg. Dr. Struve be hauptete, 1 Million, sandern 500 000 S gekostet. Das ist aber immerhin noch das Zehnfache des Voranschlags, und ich bezweifle, di bei diesem Techniker in ausreichender Zahl mitgewirkt haben. Es ist erfreulich, daß das Kanonenboot „Eber“ nun schwimmen kann; fünf Jahre hat es jedenfalls erst auf der Werft liegen müssen, bis es dienstfähig zeworden ist. Auf einen Punkt ist der Staatssekretär gar . eingegangen, der zu dem großen Kapitel der Sparsamkeit ge hörte, nämlich auf den Anstrich unserer Schulschiffe, kurz bevor sie auf Nimmerwiederse chen verschwinden, lediglich damit sie bei der Parade gut aussehen. Darin kann doch sicher gespart werden. Der Geheimrat Harms erklärte, daß ein Arbeiter der Danziger Werft entlassen sei, weil er Sozialdemokrat wa] Meine politischen Freunde mißbilligen das in schärfster Weise. Ohne Sozialdemokraten können Sie, meine Herren vom Reichsmarincamt, heutzutage überhaupt kein Kriegsschiff mehr bauen. Man beschranke die Arbeiter nicht in ihren politischen Rechten, sondern sorge dafür, daß sie nicht durch das gegenwärtige Verwaltungssystem systematisch zur Unzufriedenheit erzogen werden.

Staatssekretär des Reichsmarineamts, Admiral von Tirpitz:

Meine Herren! Ich muß doch das berichtigen, was der Herr Abg. Leonhart bezüglich der Entlassung des Arbeiters in Danzig eben gesagt hat. Was für eine politische Gesinnung die Arbeiter haben, das hat uns nie berührt, wir haben nie etwas dagegen getan, und wir haben es auch nicht nötig gehabt. Was wir aber nicht dulden, und das geschieht in meinem Auftrage, ist die agitatorische Betätigung eines Arbeiters (Zustimmung rechts und bei den Nationalliberalen), weil das Unzufriedenheit auf unseren Betrieben erzeugt. Das ist doch etwas sehr Verschiedenes.

Dann, meine Herren, hat der Herr Abg. Leonhart mich daran erinnert, ich hätte gestern nicht ausgeführt, weshalb wir iwei Beamte in Kiel nicht als Sachverständige zugelassen hätten. Ich habe das gestern bei der Beantwortung der sehr vielen Fragen, die an mich gestellt worden sind, übersehen. Das ist geschehen, weil erstens diese beiden Beamten diejenigen waren, in deren Betrieben Unterschleife vorgekommen sein sollten, und welche eine Art Voruntersuchung geführt hatten, und weil wir daher zweiten von vornherein annahmen, daß die Staatsanwaltschaft diese beiden Per⸗ sonen als Sachverständige nicht akzeptieren würde. Dies ist nachher seitens des Staatsanwalts auch ausdrücklich ausgesprochen worden. Um ihre Ablehnung seitens der Staatsanwaltschaft zu vermeiden, haben wir die Genehmigung zur Heranziehung der beiden Beamten als Sachverständige nicht erteilt. Im übrigen aber ist weder diesen beiden Beamten noch irgend einem anderen Beamten der leiseste Zwang auferlegt worden. Sie konnten als Zeugen aussagen, was sie wollten; nur als Sachverständige aufzutreten, haben wir ihnen unsere Zustimmung versagt.

Dann bin ich gestern von dem Herrn Abg. Leonhart falsch ver standen worden. Ich habe mein Stenogramm zwar nicht hier, aber ich weiß, daß ich nicht gesagt habe, daß der Herr Abg. 2, mn. die technischen Betriebe schlecht gemacht hat; er hat nur allgemein von den Betrieben der Werft gesprochen, die nicht funktioniert hätten. Er hat das aber in einer Verbindung gesagt, die eine andere Bedeutung hat; er hat das in Verbindung damit gebracht, ich wollte die technischen Betriebe der Werften dahin ändern, daß dieselben in Zukunft eine geringere Selbständigkeit als bisher hätten, und wollte von neuem der Verwaltung in den technischen Betrieben ein größeres Recht ein— räumen. Gegen diese Auffassung habe ich mich gewendet, und zwar gerade deshalb, weil ich derjenige gewesen bin, der alles getan hat, um die technischen Betriebe so selbständig wie nur möglich zu machen.

Meine Herren, ich habe auch gestern des näheren ausgeführt: ohne Verwaltung überhaupt geht es nicht ab, und es wird ja immer ein gewisser Zwiespalt zwischen der Technik und der Verwaltung sein. Das hat ja auch bei der Erörterung dieser Fragen in der Oeffentlichkeit eine gewisse Rolle gespielt. Wenn der Herr Abg. Dr. Leon— hart gesagt hat, daß gerade die Verwaltung in Kiel nicht überall gut funktioniert hätte, so trifft das zu. Sie hat mangelhaft funktioniert und das habe ich glatt zugegeben in bezug auf den Altmaterialienhof in Kiel. Was ich nicht zugebe, das ist die Verallgemeinerung auf die übrigen Verwaltungsbeamten. Wenn in Kiel ein Verwaltungsbeamter viel⸗ leicht in einem zu großen Vertrauen die Kontrolle nicht entsprechend geübt hat und deshalb ein bestimmter Einzelbetrieb nicht voll funktio niert hat, so trifft das nicht zu für die übrigen Werften und für alle übrigen Betriebe der Werft Kiel, in welchen Verwaltungsbeamte an erster Stelle stehen. Ich muß ausdrücklich ebenso gut, wie ich gestern Gelegenheit genommen habe, für unsere Techniker einzutreten, an dieser Stelle auch für unsere tüchtigen Verwaltungsbeamten ein treten.

Meine Herren, der Herr Abgeordnete Leonhart hat dann gestern gesagt, der Versuch, daß die technischen Ressorts ihre Einkäufe selber machten, hätte sich bewährt; der Versuch nämlich, die freihändige Beschaffung innerhalb 3000 M dem einzelnen Ressort zu überlassen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

289.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Nach meinem Studium der Sache hat sich gerade dieser Versuch nicht bewährt, es ist vielmehr richtig, die Beschaffung in einer Hand zu konzentrieren. Ich stehe im Begriff, diese freihändige Beschaffung innerhalb von 3000 S in den technischen Ressorts wieder zu be— schränken. Ein bindender Entschluß darüber ist von mir noch nicht gefaßt worden, weil ich ja auch den anderen Teil erst noch darüber ausreichend hören will.

Meine Herren, es ist möglich ich habe das nicht im Kopf —, daß ich gestern den Herrn Kapitän zur See Persius mit „Herrn Persius“ bezeichnet habe. (Zuruf links: Ein Herr Persius ) Dann korrigiere ich das und sage: der Herr Kapitän zur See a. D. Persius. Der Herr P rasident ist vorher so gütig gewesen, darauf aufmerksam zu machen, daß ich auch nicht bloß „Herr Tirpitz“ wäre; ich habe den Herrn Präsidenten gebeten, er solle nicht darauf auf— merksam machen, es wäre mir das ganz gleichgültig.

Der Herr Abg. Leonhart hat ferner angeführt, daß die Schul— schiffe sich neu anstrichen, wenn sie in den Hafen kämen, bald nachher aber auf die Werft gingen, sodaß der Anstrich also umsonst wäre. Ich weiß nicht, ob ich den Herrn Abg. Leonhart richtig verstanden habe. Nun liegt die Sache so: erstens stehen im allgemeinen die Schulschiffe nicht außer Dienst, sondern sie bleiben im Dienst; sie gehen nur auf die Werft, wenn sie die Kadetten abgegeben haben, überholen sich dann und nehmen die neuen Kadetten und Schiffs— jungen an Bord. Also im allgemeinen kann das nicht passiert sein. Nun wäre es ja möglich, daß einmal ein Schulschisf in solchem Falle nicht in Dienst geblieben ist, sondern außer Dienst gekommen wäre; das kann ich e . nicht wissen, es muß aber schon Jahre her sein. Nun haben die Schiffe einen bestimmten Etat an Farbe, der sehr knapp ist, und es ist menschlich, daß sie sich dafür einen gewissen Spartopf pro Jahr an— legen, den sie dann anwenden, wenn die Vorgesetzten zu Besichtigungen an Bord kommen. Es ist sehr natürlich, daß der Erste Offizier wünscht, daß von seinem Schiffe gesagt wird: das Schiff sah gut aus. Soll ich in diese Details des Betriebes, die ja einer guten Absicht an sich entsprechen, eingreifen und den Schiffen vorschreiben, wann sie streichen lassen sollen, wenn sie nur mit der etatsmäßigen Farbe auskommen? Ich glaube, das wird der Herr Abgeordnete Leonhart auch nicht von mir verlangen; jedenfalls würde ich ein solches Eingreifen in die Selbständigkeit der unteren Organe für meine Person nicht für richtig halten.

Der Herr Abgeordnete Leonhart hat ferner empfohlen, wir sollten alte Kriegsschiffe ins Ausland verkaufen. Das klingt ja sehr verlockend, und Anerbietungen in der Beziehung sind auch an mich herangekommen. Aber diese Frage, ob wir die alten Schiffe ins Ausland verkaufen und so etwas mehr Geld machen sollen, als wenn wir sie hier im Inland aufbrauchen, kann das Reichsmarineamt allein nicht entscheiden, sondern das ist eine politische Frage, die lediglich in Vereinbarung mit meinen Herren Kollegen vom Auswärtigen Amt als eine politische Frage zu behandeln ist. Die Herren werden mir zugeben, daß, selbst wenn wir einige tausend Mark mehr für ein altes Schiff bekommen würden, das gar keine Rolle spielt gegenüber der Tatsache, daß aus einem Verkauf an das Ausland Folgerungen gezogen werden könnten, die uns unbequem sind für unsere auswärtige Politik.

Der Herr Abg. Leonhart ist nachher auch auf sein Liebling thema, das Unterseeboot, gekommen. Ich habe den Herrn Abg. Leon hart wiederholt gebeten, er möchte doch mal mitfahren (Heiterkeit) und sich von den Herren, die in den Unterseebootsangelegenheiten be ortrag halten lassen. (Zuruf von den National— iin, der Herr Abg. Leonhart hat es eben seinerzeit

wandert sind, V liberalen.) N nicht getan!

( Ich habe gerade gewünscht, daß der Herr Abg. Leon hart in das Unterseeboot hinuntersteigen möchte es ist mir leider

nicht geglückt , damit er mal die Herren an Ort und Stelle auf dem Grunde des Meeres beobachten könnte. Nun möchte ich

verzeihen Sie, wenn ich weitergehen muß; aber er hat den Punkt doch angeschnitten wenn England an Stelle seiner Minensperren Unterseebote nimmt, so folgt daraus nicht, daß wir bei unseren Nordseeküsten richtig tun, an Stelle unserer Minensperren auch Unterseeboote zu nehmen. Wir haben das eben nicht für richtig befunden, sondern erst an der Stelle eingesetzt, wo die Unterseeboote eine über die ganz lokale Fluß mündungsverteidigung hinausgehende Bedeutung bekommen hatten, und so die Dinge betrachtet, sind wir nicht einen Tag zu spät ge— kommen. Das ist vielmehr gerade eine der großen Sparsamkeits⸗ maßregeln, die ich mir auf mein Konto schreibe.

Was im übrigen das Flottengesetz und die Grundlagen des Flottengesetzes betrifft, so, glaube ich, gibt es keinen höheren See— offizier und känen Seeoffizier in unserer Marine, der ein Urteil hat, der nicht mit nir auf der Grundlage steht, die das Flottengesetz so, wie es ist, gescheffen hat. (Bravo! rechts.)

aber bemerken

Abg. Erzbeiger (Zentr.): Nach den Ausführungen des Geheimen Admiralitätsrats Jarms ist ein Arbeiter entlassen worden, weil er Sozialdemokrat ist. Der Staatssekretär sagte dagegen, es sei geschehen, weil er von zustäwiger Seite als sozialdemokratischer Agitator be zeichnet ist. Wer ist die zuständige Seite? Etwa ein Polizist? Wenn ein Arbeiter sch im Betriebe selbst Uebergriffe erlaubt, so ist gegen die Entlassung nichts einzuwenden, wohl aber dagegen, daß die Verwaltung Rechercher nach der Gesinnung anstellt. Wer hat den Arbeiter als Agitator beeichnet? (Staatssekretär von Tirpitz: Der Polizeipräsident.) Auch ein vol di äsident ist nicht berufen, über die Gesinnung eines Arbeiters Auskunft zu geben. Darum hat sich die Werftverwaltung nicht zu kümmern, wenn ein Arbeiter außer⸗ hal lb des Betriebes für ine Partei agitiert, und ich nehme an, daß der Staat s6sekretär nur dann eingreift, wenn im Betriebe selbst sich Uebergriffe zeigen. Bei den Ausgaben für die Unterseeboote haben wir mit ein paar Nillionen angefangen dann wurden es fünf und schließlich zehn Mllionen. Das ist keine Kleinigkeit, und wir sollten die Marileyerwaltung nicht noch zur Ausgabenbermehrung drängen. Der Erläh aus Altmaterialien wurde beim Etat mit 600 0600 ½ beziffert, stzt sollen es nur 300 000 sein. Was ist richtig?

Berlin, Mittwoch, den 8. Dezember

1909.

Re

Die Grundtendenz der Darlegungen des Staatssekretärs ist: Es bleibt alles beim alten. Er follte aber die Anregungen aus diesem Hause nicht so leicht von der Hand weisen. J beau! auch, daß der Vorschlag, ein besonderes Offizierloi h fur die Werft verwaltung heranzunschen, wie es sich bei den militärtechnischen Instituten bewährt hat, abgelehnt wird. Daß die Marineverwaltung der Neuordnung . ie, , ng. gen die größte Aufmerlsamkeit s schenken . darunter kann man alles , . Seit Jahren hat der Handel besondere Wünsche dafür, insbesondere daß die tatsächlich gezahlten Vreise veröffentlicht werden, damit der Handel sich für das nächste Jahr 9 die Submissionen! vorbereiten kann. Selt 1901 ist doch dieser Modus beim Verkauf der Altmaterialien in Wilhelmshaven durch geführt die Kieler Werft verfährt aber nach dem alten System. Der Staatssekretär sollte sich über alle bureaukratischen Bedenken hinwesssetzen und diesen Wunsch des Handels erfüllen. Für das Beschaffungswesen wünscht der Staatssekretär anscheinent ein eigenes Reichsbeschaffungsamt. Ein solches könnte der Industrie, dem Handelsstand sehr nützliche Dienste leisten, wenn es auf alle 7 ausgedehnt würde. Daß dem Staatssekretär unbekannt ist, daß tatsächlich die Schiffe, wenn sie sich ) heimkehrend dem Hafen nähern, nicht verbrauchtes Material über Bord werfen, will ich schon glauben. Ein Freund von mir ist bereit, dem Staatsekref är das Material zu liefern, auch der Abg. Severing hat solches in Aussicht ge—⸗ stellt, auch von Beamten. Daß die Namen nicht genannt werden, wird er begreiflich finden nach den Erfahrungen, die wir so oft machen mußten, daß dann nicht gegen die Schuldigen, sondern gen denjenigen vorgegangen wird, der die Angaben gemacht hat. Dieses System muß erst geändert werden, dann wird die Verwaltung auch um Beweise nicht verlegen sein.

Staatssekretär des Reichsmarineamts, Admiral von Tirpitz:

Ic habe eigentlich nicht ganz verstanden, ob es ein Lob oder ein Tadel für mich sein soll, daß ich auf die Ausführungen des Herrn Abg. Erzberger nicht so eingehend geantwortet habe. (Heiter— keit,; Das ist aus seinen Darlegungen eben nicht klar heraus— geklungen. Uebrigens möchte ich das hohe Haus zum Zeugen auf— rufen, daß ich mir wirklich die größte Mühe gegeben habe, von den vielen Fragen, die von allen Seiten auf mich eingestürmt sind, jede einzelne ohne jede Ausnahme, und namentlich auch die Fragen der Herren Interpellanten, so gut ich es aus dem Stegreif konnte, »zu beantworten. Ich habe mir jede Frage sofort aufgeschrieben, und wenn die Herren die Güte haben wollen, meine Ausführungen von gestern nachzulesen, von denen mir gesagt worden ist, daß sie etwas zu lang geworden wären, so werden sie finden, daß bei mir durchaus das Be— streben bestanden hat, nicht nur Herrn Erzberger gegenüber, sondern auch den Herren von den anderen Parteien gegenüber Rede und Antwort zu stehen.

Ich würde dem Herrn Abg. Erzberger sehr dankbar sein, wenn er seinen Kollegen veranlaßte, mir das Material zu übergeben, auf Grund dessen ich die Frage weiter untersuchen kann. Daß Material über Bord geworfen ist, nur um es nicht abzugeben, kann ich mir nicht vorstellen. Daß einmal irgend etwas über Bord geworfen ist, natürlich, aber daß das Usus sein soll, kann ich mir nicht vorstellen, das verstehe ich einfach nicht. Meine Herrren, etwas weiß ich und will es anführen, um Ihnen zu sagen, wie ich die Sache auffasse, das ist folgendes: Es gibt gewisse Materialien und dazu gehören speziell die Farben die sehr geschätzt werden, denn die Schiffe haben einen sehr kleinen Etat darin. Nun habe ich vorhin schon

sgeführt, daß ein Spartopf eingerichtet wird für die Gelegenheit höherer Vorgesetzter kommt. Wenn nun Schiffe außer kommen, und dieser Spartopf ist nicht verbraucht, s vorgekommen, daß der Bootsmann seinem einem anderen Schiff den Spartopf über 1 vorkommen, es ist zwar inkorrekt, und ich habe auch versucht, dagegen anzugehen, aber es kann vorkommen. Daß aber Materialien, wie Farbe oder wirklich wertvolle Materialien, glatt über Bord geworfen werden, das kann ich einfach nicht glauben, und da muß ich Beweise haben, sonst kann ich nichts machen.

Dann hat der Herr Abg. Erzberger einen Gegensatz konstruiert zwischen den Darstellungen des Herrn Geheimrats K. und meinen Dar stellungen bezüglich der Behandlung der sozialdemokratischen Agitatoren. Ich konstatiere noch einmal, daß wir uns , um die politische Gesinnung unserer Arbeiter nicht kümmern, sie mögen eine Gesinnung haben, wie sie wollen, wie sie sie für richtig halten. Aber wir haben einen Passus in Arbeitsordnung, der in den Arbeits ordnungen aller Betriebe von Reichs⸗ und Staatsbetrieben zurzeit steht; danach dürfen die Arbeiter nicht sozialdemokratische Agitatoren oder sonstige Personen sein, von denen vorausgesetzt werden darf, daß sie den Frieden zwischen der Behörde und den Arbeitern oder zwischen den Arbeitern untereinander stören wollen. (Unruhe bei den Sozial⸗ demokraten.) Nach diesem Standpunkt, der seinerzeit, wenn ich mich nicht irre, von dem früheren Minister Freiherrn von Berlepsch nieder gelegt worden ist, verfährt die Reichsmarineverwaltung, verfahren alle Staatsverwaltungen, und danach wird die Reichsmarineverwaltung auch in Zukunft verfahren. (Bravo! rechts.)

Herr Abg. Erzberger hätte doch gerecht sein und mir nicht vorwerfen sollen, daß ich alle Anregungen und Fragen aus dem hohen Hause hätte unter den Tisch fallen lassen, daß ich die ganze An— gelegenheit leicht genommen hätte. Das ist ganz gewiß nicht zutreffend Ich habe allerdings nicht alle Fragen beantworten können es ist mir ja so schon vorgeworfen worden, daß ich viel zu viel gesprochen hätte faber daß ich Fragen unter den Tisch hätte fallen lassen, das, glaube ich, wird man mir nicht vorwerfen können.

Herr Abg. Erzberger hat ferner gesagt, ich sollte mich mehr an die Organisation der technischen Institute der Armee halten. Ich habe gestern schon ausgeführt, welche prinzipiellen großen Unterschiede da bestehen. Wir werden uns darüber noch in der Budgetkommission unterhalten können. Ich möchte das hohe Haus mit einer so großen Materie jetzt nicht noch einmal befassen. Wenn ich meine An— schauungen und meinen Standpunkt klarlegen wollte, könnte ich stundenlang reden. Nur eine kurze Bemerkung möchte ich mir noch erlauben. Das, was der Herr Abg. Erzberger wünscht, haben wir in gewisser Beziehung schon. In vielen Ressorts, in der Artillerie, in der Navigation, im Torpedowesen haben wir technische Offiziere, Spezialistenoffiziere, die immer in diesen Sachen gearbeitet haben.

Nur an der Spitze des Ganzen steht ein Offizier, der vor allen Dingen die Generalaufsicht über den Betrieb der Werft hat. Hierbei kommt es in erster Linie immer auf die Qualität der Person an. Es ist allerdings wichtig, wie ich schon ausgeführt habe, daß an dieser Stelle ein Seeoffizier stehen muß, damit er die Interessen der Werft gegenüber den großen Frontbehörden wahrzunehmen voll imstande ist.

Dann möchte ich Herrn Abg. Erzberger gegenüber noch bemerken, daß ich nur solche Mißverständnisse klargestellt habe, die Herr Erz— berger aus meinen Ausführungen, die ich noch einmal im Wortlaut vorgelesen habe, herausgehört hat.

Im übrigen freue ich mich, mit Herrn Abg. Erzberger darin übereinzustimmen, daß er eine Konzentration des Beschaffungswesens für richtig hält. Das ist ja der Unterschied, der mich von dem Herrn Abg. Dr. Leonhart und seinen ja sehr interessanten Ausführungen trennt. (Hört, hört! links.) Gerade in bezug auf diese kaufmännische Behandlung des Beschaffungswesens teile ich den Standpunkt des Herrn Abg. Erzberger, obwohl oder weil Herr Erzberger der Zentrumspartei angehört. (Heiterkeit. Zuruf links: Weil?)

Oder obwohl (Erneute Heiterkeit) ich überlasse Ihnen, zu bestimmen, welches Wort Sie gebrauchen wollen. Wenn wir das Beschaffungswesen konzentrieren wollen über das ganze Reich, so ist das natürlich eine Frage, die weit über das Reichsmarineamt hinausgeht, aber der Gedanke hat unter allen Um— ständen einen sehr brauchbaren Kern. Wie weit er sich durchführen läßt, wie weit er sich entwickeln läßt, kann ich nicht so ganz über⸗ sehen. Ich werde aber dieser Auffassung des Herrn Erzberger bezüg⸗ lich des Beschaffungswesens in der Marine nachgehen, für manche An⸗ gelegenheit habe ich schon die Beschaffung konzentriert. Ich erinnere nur an die Kohlenbeschaffung, die früher die Werften gehabt haben, und die ich konzentriert habe. Die Schwierigkeit liegt darin, daß ich um Gottes willen verhüten will, alles in der Zentralbehörde zusammen⸗ zufassen, weil ich im Gegenteil im großen und ganzen das Bestreben habe, die Zentralbehörde zu entlasten und zu dezentralisieren.

Wenn man vorwärts kommen will, und die Marine will und muß vorwärts kommen, dann kann der Staatssekretär nicht in jede Einzelheit hereingehen, er muß selbständige Unterorgane schaffen, so⸗ weit es möglich ist nach unseren Bestimmungen, nach unserem Gesetz und nach den Anforderungen, die auch das hohe Haus stellt. Das Be⸗ streben von meiner Seite muß in der Richtung gehen, daß ich möglichst selbst⸗ tändige Organe schaffe. Wenn der Staatssekretär die Marine vorwärts bringen will, muß er die Courage haben, zu riskieren, eventuell auch mal vorbei zu hauen. Das ist nicht anders möglich; wenn er diese Courage nicht hat, dann wird er in Kleinlich⸗ keit, Pedanterie und Aengstlichkeit nur an Einzelfragen haften. Wie ich gestern schon sagte, für den Staatssekretär, für die Zentral⸗ verwaltung kommt es bei einer solchen Entwicklung vor allen Dingen darauf an, daß sie die Nase über Wasser behalten und die Richtung innehalten, die vorwärts weist.

Abg. Legien 89 Früher hat der Staatssekretär gesagt: „Obwohl der Abg. Erzberger der Zentrumspartei angehört“; heute ist er schon so weit zu sagen: „Weil der Abg. Erzberger der Zentrumspartei angehört. Das ist immerhin ein Fortschritt auf dem Wege zur Klärung. Die Vorwürfe, die der Abg. Erzberger uns gemacht hat, treffen nicht zu. Wir haben bei zahlreichen Gelegen⸗ heiten Beschwerden über die i,, auf den Werften vor⸗ gebracht. Die bürgerl ö . Parteien haben uns dabei nicht unter⸗ stützt, sonst wäre verhindert i e, a ß es zu solchen Zuständen kam, wie der Kieler Prozeß sie enthüllte. Fassen wir die vielen Reden des Staatssekretärs usahnmen, so ergibt sich, was wir gestern voraussagten: Es ist alles im Lot, es handelt sich bloß um Schönheitsfehler, um Kinderkrankheiten, wie Masern und a,. die auch die Marineverwaltung habe durch 3 müssen; ja, wenn man ihn hört, sind eigentlich wir, die e ,,, die Schuldigen. Tatsächlich arbeitet die Marine⸗ verw 3 mit Pauschquanten, wenn es der Staatssekretär auch nicht weiß; seit 9 Jahren steht jährlich dic elbe Summe von 220 000 für den Verkauf von Schiffen und Altmaterial im Etat. Daß das nicht ein Arbeiten mit Pauschquanten sei, können Sie einem anderen vorreden. Im letzten Jahre erhöhte die Budgetkommission den Posten um nicht . ger als 720 000 ! Hier steckt ein Krebsschaden, hier ist eine eir zehende Aufdeckung durch eine parlamentarische , notwendig. Der erwähnte Danziger Werftarbeiter war 10 Jahre lang auf der Werft beschäftigt. Ist die Verwaltung dort so liederlich, daß sie in den ganzen zehn Jahren nicht erf uhr, daß er ein sozialdemokratischer Agitator war? Aber als er einen Mißstand aufdeckte, der dem Korvettenkapitän Simon zur Last fiel, da wurde er gemaßregelt! Wer ist die zu⸗ ständige Stelle? (Zurufe links.) Auf Zwischenrufe vom Bundesrats ische lasse ich mich nicht ein, da kann alles mögliche gerufen werden. Ich behaupte die zuständige Stelle war der Korvettenkapitän Simon. Und bei solchem Vorgehen wundern Sie sich, daß Sie auf den Werften nur noch Spitzbuben behalten. Den gänzlich veralteten Passus aus der Werftarbeiterordnung sollte man uns doch nicht mehr entgegen⸗ halten, er sollte beseitigt werden. Die Staatsbetriebe in Württem⸗ berg kennen 4 einen solchen Passus nicht. er besteht nur in Preußen und ist genau so hoch einzuschätzen, wie die ganze Verwaltung in Preußen, Der Staatssekret r sprach auch von Organisationen des Abg. Legien“. Was meint er damit Die rund 2 Millionen Arbeiter, die in unseren gewerkschaftlichen Organisationen stehen, sind mit ihren Familien die größten . in Deutschland, und sie haben ein Recht zu verlangen, daß die Schlamperei in dies en Marinebetrieben aufgehoben wird, daß ihre Steuergroschen nicht in dieser schlampigen Weise verpulvert werden. Auch die Kieler Werft rbe er sind Steuer⸗ zahler, die die Mittel aufbringen, damit das Reichsmgrineamt arbeiten kann, denen darf man nicht so einfach sagen: Ihr habt überhaupt nichts mitzureden! Das indirekte Steuersystem be— lastet in der Hauptsache die ärmeren Klassen, die die Mittel aufbringen, auch das Gehalt des Staatssekretärs. Nicht im Auf⸗ trage einer Organisation, sondern als Abgeordneter für Kiel habe ich meine Beschwerde dem Staatssekretär unterbreitet. Und der Staatssekretär hat die Verpflichtung, wenn nicht den einzelnen Abgeordneten, aber dem Reie hotaze Rede und Antwort zu stehen. Die Zeit wird kommen, wo man auf die Wünsche und den Willen der Arbeiterschaft größeres Gewicht legen wird. Sie werden dann viel⸗ leicht nicht mehr am Platze sein, es wird Ihnen dann vielleicht so ergangen sein wie dem Dan igen Werft tarbeitẽr.

Abg. Jr. Struve (fr. Vgg.):: Der Staatssekretär hat eine Reihe von Berichtigungen gegen meine Ausführungen eintreten lassen die . hinfällig sind. Nur in dem Falle der „Marie“ habe ö mich geirrt, ich habe aber meine Informationen von einem Eingeweihten