1910 / 14 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 17 Jan 1910 18:00:01 GMT) scan diff

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Bemerkungen. Die verkaufte Menge wird auf v Ein liegender Strich (=) in den Spalten für Preis

Berlin, den 17. Januar 1910.

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e hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, daß entsprechender Beri cht fehlt.

Kalserliches Statistisches Amt. J. V.: Dr. Zach

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Deutscher Reichstag. 17. Sitzung vom 15. Januar 1910, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Das Haus setzt die erste Beratung der Entwürfe eines Gesetzes, betreffend Aenderungen des Gerichts ver⸗ fassungsgesetzes, einer Strafprozeßordnung und eines zu beiden Gesetzen gehörenden Einführungsgefetzes fort.

Nach dem Abg. Stadthagen (Soz.), dessen Rede in der vorgestrigen Nummer des Blattes mitgeteilt worden ist, ergreift das Wort der

Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco:

Der preußische Herr Justizminister bedauert lebhaft, an den Be= ratungen des hohen Hauses heute nicht teilnehmen zu können, weil er genötigt ist, im preußischen Abgeordnetenhause den Beratungen des Staatshaushaltsetats beizuwohnen. Er würde, wie ich annehme, in jwei Punkten dem Herrn Abg. Stadthagen entgegengetreten sein, und ich glaube dies in seinem Namen tun zu sollen.

Der Herr Abg. Stadthagen hat behauptet, der Herr Justiz⸗ minister hätte gestern ausgeführt, daß das Vertrauen in die Straffustiz geschwunden sei. (Sehr richtig! bei den Sozial⸗ demokraten. Meine Herren, eine derartige Ausführung hat ich glaube, die Herren werden mir das bestätigen der Herr Justizminister nicht gemacht. ( Sehr richtig! rechts.) Er kann auch so etwas nicht gesagt haben. Er hat, wie ich es vor⸗ gestern selbst getan habe, ausgeführt, es sei eine Tatsache, daß in einigen Kreisen ein gewisses Mißtrauen gegen die Urteile der Strafkammern eingetreten sei, ein Mißtrauen, das tatsächlich absolut unbegründet sei und das sich legen werde, wenn man in die Strafkammern Laien hereinzöge. Also von einer Aeußerung des Herrn Justizministers, es wäre das Vertrauen in die Strafjustiz geschwunden, das heißt, es wäre überhaupt nicht mehr vorhanden, kann keine Rede sein.

Meine Herren, der Herr Abg. Stadthagen hat weiter einen Fall erwähnt, in dem angeblich ein längst verstorbener Präsident eines Oberlandesgerichts einen Amtsrichter durch einen Landrat und durch einen Gendarmen habe überwachen lassen. Davon kann natürlicherweise gar nicht die Rede sein. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Hat er selbst im Herrenhause erzählt) Der Herr hat im Herrenhause, soweit ich mich entsinne es ist wohl nahezu 20 Jahre her erzählt, er sei eines Tages in eine Stadt seines Bezirks gekommen und hätte dort vernommen, daß der dort amtierende Amtsrichter sich außerdienstlich unwürdig ich weiß

nicht, in welcher Weise benommen hätte; er der Präsident

hätte daraufhin den Landrat aufgesucht, um bei diesem über die in der Vergangenheit und jenem Gerücht zu Grunde liegenden Tatsachen Grkundigungen einzuziehen. Ob das sehr geschickt war, ist eine andere Sache. (Na also! bei den Sozialdemokraten.) Aber von einer Ueber⸗ wachung des Richters durch den Landrat und durch einen Gendarmen kann selbstverständlich nicht die Rede sein, und ich möchte wohl den Justizminister sehen, der erführe, daß ein Oberlandesgerichtspräsident derartiges einem Richter gegenüber täte, und der dann nicht mit diesen Präsidenten ein ernstes Wort spräche. Was freilich der Herr Abg. Stadthagen zu dem Justizminister sagen würde, wenn dieser gegen einen unabhängigen Richter, wie es doch auch der Oberlandesgerichts⸗ prisident ist, vorginge, das weiß ich nicht.

Meine Herren, auf die sämtlichen Ausführungen des Herrn Abg. Stadthagen vermag ich selbstredend nicht einzugehen. Soweit sie sach⸗ liche Vorschläge enthalten, werden sie in der Kommission beraten werden. Ich kann nur meiner Verwunderung Ausdruck geben, daß kr hier ausgeführt hat, dieser Entwurf sei gerichtet gegen die Arbeiter sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), er sei gerechtigkeitsfeindlich und ebene weiter die Wege zur Klassenjustiz. Kein unbefangener Leser dieses trefflichen Entwurf ich kann ihn wohl leben, denn ich habe ihn nicht gemacht —, kein unbefangener Leser dieses treff lichen Entwurfs wird wohl in diesen Verwurf einstimmen. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen und echt.)

Interessant ist es mir gewesen, meine Herren, daß der Abg. tadthagen für die Einschränkung des Legalitätsprinzips, die der 163 vorsieht, eingetreten ist. (Widerspruch bei den Sozialdemo⸗ aten Wenn er dabei meint, es würde richtig sein, die Straf⸗ etimmungen über Arbeiterschutzgesetze von der Einschränkung aus⸗ nehmen, so läßt sich auch daruber in der Kommission reden. Man ißte dann die Verhandlungen über die Vergehen gegen die Arbeiter⸗ thuzzesetze nicht vor den Einzelrichter, sondern vor das Schöffengericht lingen. Ich glaube, das war auch die Absicht des Herrn Abg. adthagen.

Was die Auswahl der Laien anbetrifft, meine Herren, so bin ich bltderständlich es existieren über die Berücksichtigung einzelner srdölkerungsklassen gar keine Vorschriften sehr dafür, daß 6 allen Berufsschichten unserer Bevölkerung Laien entnommen eiden, also auch aus den Arbeiterkreisen. Ich glaube, es wird das erttauen in die Justizpflege steigen, wenn auch Arbeiter in die Laien⸗ ichte als Schöffen hineinkommen. Selbstverständlich müssen das kerlissige Leute sein, d. h. zuverlässig nicht in dem Sinne, wie ihn lb. Stadthagen der Aeußerung des preußischen Herrn Justiz— misters offenbar nichtverständlich untergelegt hat, sondera es müssen ubhngige Leute sein, Männer, die sich der Verantwortlichkeit ihrer tigkeit als Richter bewußt sind und die natürlicherweise auch die zu her Tätigkeit nötige Intelligenz besitzen müssen. (Sehr richtig! bei

nationalliberalen.

eine Herren, damit verlasse ich die Ausführungen des Herrn ö Stadthagen. Ich benutze aber gleichzeitig noch die Gelegenheit, ( einige wenige Punkte einzugehen, die ich gestern abend schon

iin haben würde, wenn nicht Schluß der Sitzung eingetreten wäre.

Junächst hat der Herr Abg. Dr. von Dziembowski⸗Pomian von

t Terminspolitit᷑ gesprochen, die in der Propinz Posen seitens r Richter getrieben würde, einer Terminspolitik in dem Sinne,

gi! nichtigen, 3. B. politischen Angelegenheiten, die Termine ab⸗

ich stets auf solche Tage angesetzt würden, an denen deutsche hiffen im Schöffengericht mitwirkten. Meine Herren, wenn das lichter in der Provinz Posen täte, so würde er durchaus pflicht⸗

* handeln. (Sehr richtig! rechts) Aber ich bestreite, daß das

I. vorgekommen ist. Ich kenne die Verhältnisse in der Provinz

n no ich zfter aus dienstlicher Veranlassung gewesen bin, recht genau,

ig bestreite, daß es dort einen einzigen Richter gibt, der sich

derartiges zu schulden kommen läßt; auch dort sind die Richter

durchaus objektiv und pflichtgetreu. Solange nicht einzelne Fälle in dieser Beziehung angeführt werden, muß ich diese Behauptung als unrichtig entschieden zurückweisen. (Sehr richtig! rechts.)

In einer anderen Beziehung trete ich allerdings den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. von Dʒiembowski⸗Pomian bei. Er hat es als wünschenswert bezeichnet, daß die Richtee der Landgerichte zwischen den Zivil⸗ und Strafkammern wechselten, und hat von einer vor mehr als 20 Jahren ergangenen Verfügung des preußischen Herrn Justiz— ministers gesprochen, in der auf den Nutzen eines solchen Wechsels hingewiesen sei. Er hat dann erzählt, daß er in einer Stadt, in der er vor 22 Jahren gewesen, bei seiner Rückkehr immer noch denselben Richter in der Strafkammer vorgefunden habe. Ja, meine Herren, ob dieser Richter nicht inzwischen in der Zivilkammer war, wissen wir nicht. Ich halte es aber allerdings nicht für unmöglich, soweit ich die Gepflogenheiten der Gerichte kenne, daß einmal ein Richter sehr, sehr lange und viel länger als gut ist, in einer Strafkammer verbleibt. Der Austausch der Herren in den Zivil⸗ und Strafkammern ist überaus wünschenswert und liegt im dienstlichen Interesse. (Sehr richtig Aber, meine Herren, nun kommt die Frage: kann denn die Justizverwaltung das bewirken? Das kann sie nicht, das ist Sache des Präsidiums, und wenn die Justizverwaltung auf das Präsidium einwirken wollte, dann möchte ich einmal die Herren Redner hier hören, die sagen würden: die Justizberwaltung soll dem Präsidium gegenüber genau so handeln, wie es dem Gesetz entspricht, sie darf keinerlei Einwirkung auf das Präsidium ausüben!“ (Sehr richtig! rechts.)

An den Ausführungen des Herrn Abg. Heinze hat mich etwas verwundert. Er hat nämlich ausgeführt, daß von jetzt ab der Schwerpunkt der Strafjustiz in den Berufungssenaten liegen werde, und er hat damit die Forderung begründet, die Berufungssenate auch mit Laien zu besetzen. Meine Herren, wenn ich voraussehen müßte, daß der Schwerpunkt der Strafjustiz durch diese Strasproʒeß⸗ ordnung in die Berufungssenate und überhauvt in die Berufungs⸗ gerichte gelegt würde, so würde ich doch sehr zweifelhaft sein, ob es wünschenswert ist, die Berufung gegen die Urteile der Strafkammer einzuführen. In sämtlichen Zweigen der richterlichen Tätigkeit hat jede Instanz ihre besondere Aufgabe; aber wenn ich die verschiedenen Instanzen einmal in bezug auf ihre Wichtigkeit mit einander ver— gleichen und von einem Schwergewicht sprechen will, dann kann das Schwergewicht immer nur in die erste Instanz fallen. (Sehr richtig! rechts Es muß also die erste Instanz gerade in Strafsachen ich wünschte, es wäre auch in Zivilsachen der Fall die volle Aufklärung in tatsãchlicher Beziehung bringen. Dazu gerade wird in dem Entwurf das Vorverfahren so verbessert, wie es nötig war gegenũbre dem jetzt bestehenden, leider weniger guten Vorverfahren. Also, meine Herren, volle Aufklärung der Tatsachen im Vorverfahren, volle Auf⸗ klärung in der ersten Instanz wenn das geschieht, dann werden die Berufungen sich verringern; denn der Angeklagte wird dann sehen, daß er zu recht verurteilt ist, oder der Staatsanwalt wird einsehen, daß der Angeklagte zu recht freigesprochen ist; dann werden beide Teile von der Berufung absehen. Ich kann also in keiner Weise zugeben, daß das Schwergewicht der Strafjustiz fortan in der zweiten Instanz beruhen werde.

Meine Herren, der Herr Abg. Dr. Müller ⸗Meiningen sagte, es müsse ein Gesetz geschaffen werden, welches verhindere, daß in den Gefängnissen Jugendliche mit Zuhältern und Dirnen zusammenkämen. Das sieht denn doch so aus, als ob jetzt eine derartige Möglichkeit bestände, und daß es tatsächlich zu solchen Zusammenlegungen käme. Meine Herren, die preußischen Justiz. und Gefängnisverhältnisse kenne ich ganz genau. Ich bin in den letzten Jahren sehr oft bei Gelegenheit von Revisionsreisen sowohl in kleineren als auch in größeren Gefängnissen gewesen, und ich versichere Ihnen, daß es niemals und nirgend vorkommt, daß ein derartiges Zusammentreffen von Jugendlichen mit erwachsenen Dirnen und Zuhältern oder mit anderen Verbrechern in den Gefängnissen stattfindet. Es gibt strenge Anweisungen darüber, wie die Jugendlichen zu behandeln sind, und diese Anweisungen werden durchaus beachtet. Was den Entwurf be⸗ trifft, so verweise ich auf den 5 371 Abs. 3, den der Herr Abg. Dr. Müller-Meiningen wohl nicht ganz richtig aufgefaßt hat. Es heißt dort:

Jugendliche in Untersuchungshaft sollen in demselben Raume mit erwachsenen Gefangenen nur vorübergehend und nur dann unter⸗ gebracht werden, wenn es ihr körperlicher oder geistiger Zustand er⸗ fordert.

Lesen Sie hierzu die Motive, und Sie werden sehen, daß es als Regel absolut verboten ist, Jugendliche mit erwachsenen Strafgefangenen zusammenzubringen, und daß das nur ganz vorübergehend und nur dann geschehen kann, wenn bei den betreffenden Jugendlichen eine körperliche oder geistige Ver⸗ anlassung, d. h. Krankheit oder krankhafte Anlage, vorliegt. Mit Rücksicht auf diese krankhafte Anlage kann unter Umständen eine Notwendigkeit vorliegen, den Jugendlichen nicht in Einzelhaft zu lassen. Verhältnisse, die unter solchen Umständen die Zusammen⸗ legung mit einem Erwachsenen nötig machen, kommen in kleinen Ge⸗ fängnissen vor, und deswegen ist diese Ausnahme und war „vorüber⸗ gehend“ zugelassen. Daß es aber möglich wäre, daß ein Jugendlicher mit Zuhältern oder ähnlichen Verbrechern zusammengebracht wird, muß ich für die Gegenwart wie für die Zukunft nach den ergangenen Verwaltungsvorschriften entschieden bestreiten.

Was das Strafvollzugsgesetz anbetrifft, so werden Sie wohl kaum annehmen, daß es gleich diesem Gesetze wird folgen können. Zuerst wird das materielle Strafrecht erledigt werden müssen, aber sobald dies geschehen ist, wird auch der Zeitpunkt für den Erlaß eines Strafvollzugsgesetzes gekommen sein.

Abg. Graef (wirtsch. Vgg.): In die vorbereitende Kommission waren nicht nur keine Arbeiter, sondern auch keine Vertreter der Kaufleute und Handwerker zugezogen, worden; ihre Arbeiten wären

dann auch wohl nicht entfernt so gefördert worden, daß wir jetzt schon in der Beratung einer an den Reichstag gelangten Vorlage ständen. Der Abg. Stadthagen hat außerdem Sozialdemokratie und Arbeiterschaft in ganz unzulässiger Weise verquickt; die Vertreter der bürgerlichen Parteien in' der Kommission haben die Interessen der Arbeiterschaft ebenfo gut wahrgenommen, wie es die Sozialdemokraten getan haben würden. Der Abg. Stadthagen hat an der Hand einer Zusammenstellung von kleinen Einzelfällen die preußische Justiz schlecht zu machen ngk Das ist ihm nicht gelungen, wie er ja in seiner eigenen Partei wohl nicht ganz ernst genommen wird. Durch die Ausfü hrungen des Abg. Müller ⸗Meiningen ging als Leit- motiv die Behauptung, daß ein großes Mißtrauen gegen die Staats⸗ anwälte und Richter borhanden * Ja, nd denn die Angeklagten und die Verteidiger durchweg die reinen Engel? Auch sonst hat ' der

weise vorgehen, so wäre es unzweifelhaft logisch, wenn man sie zunächst bei den Jugendgerichtshöfen beteiligte, denn da sollen ja auch nach den Motten Personen ausgewählt werden, die auf dem Gebiete der Jugenderziehung besondere Erfahrungen besitzen, und da stellen doch gerade die Frauen die Elite dar. Bedenken habe ich, ob es richtig ist, bei Verfahren gegen Jugendliche die Oeffent— lichkeit absolut und grundsätzlich auszuschließen. Es spricht manches dafür, aber ich möchte die Erwägung nicht außer acht lassen, daß ung solche Verhandlungen Einblick verschaffen in das Milieu, in welchem bestimmte Kresse unseres Volkes sich bewegen, und daß man die hbreiteste, Oeffentlichkeit auf diese Mißstände hinweisen muß. Zweifelhaft ist mir auch, ob man bei Beleidigungen auf den Antrag eines Beteiligten ohne weiteres nichtöffentlich verhandeln soll. Freilich haben gewisse Sensationsprozesse zu Mißständen geführt, aben wenn wir in das Palladium unferen deutschen Rechtspflege, die Oeffent⸗ lichkeit des Verfahrens, einmal Bresche legen, fo wird es nicht lange dauern, bis man den Verfuch ausdehnt, und das wäre das schlimmste Danaergeschenk, das uns beschert werden könnte. Wäre es vielleicht ein Vorzug für die Rechtspflege gewesen, wenn sich der Dahsel⸗ Prozeß hinter verschlossenen Türen abgespielt hätte? Die Möglichkeit, daß wir zu derartigen Zuständen kommen, besteht; pringipiis obsta. Wie oft geht jemand aus einem Beleidigungs⸗ verfahren als Sieger hervor, ist aber in der öffentlichen Meinung gerichtet. Wie oft wird jemand aus formalen Gründen bestraft, die Oeffentlichkeit aber nimmt den Makel der Ehrenrührigkeit von ihm, Gegen die Befugnis der Staatsanwaltschaft, zu bestimmen, welche Fälle der Verfolgung entzogen werden sollen, müssen Rechtsgarantien gestellt werden. Man foltte die Verfolgung dem Ermessen der ordent.

Abg. Dr. Müller⸗Meiningen anscheinend keinen Blick für die zahl⸗ . Verbesserungen, die der Entwurf für die Wahrung der Rechte des Angeklagten bringt. Daß er für die Schwurgerichte gerade mit Bezugnahme auf die Simplicissimus Prozesse eingetreten ist, dafür haben wir in Nord- und Mitteldeutschland kein Verständnis; hier spielen gerade unherechtigterweife bei den zahlreichen Freisprüchen politische Motive mit hinein. Uns wäre es ganz recht, wenn der Simplicissimus für seine Ausschreitungen auch einmal eine Gefängnis⸗ oder Geldstrafe erhielte. Wir find daher durchaus dagegen, daß die Kompetenz der Schwurgerichte auf die Preßvergehen allgemein ausgedehnt wird. Das Volk will, daß Laien mitwirken bei der Rechtsprechung, es will aber keineswegs die befondere Form der Schwurgerichte. Wenn politische Prozesse der Oeffentlichkeit hier und da einmal entrückt werden sollen, ist das wirklich ein so großer Schade? Die Oeffentlichkeit ist ja gewiß ein heilsames Korrcktip, aber doch kein Dogma, wenn auch von Hause aus eine politische Errungenschaft, so doch heute mehr und mehr eine Zweckmaäßigkeitsfrage, in der man nicht so ängstlich sein sollte. Recht haben die Abgg. Stadthagen und Müller⸗Meiningen darin, daß die geltenden Vorschriften über die Hauptverhandlungen nicht irgendwie eingeschränkt werden dũrfen. Die Frage der Laienbeteiligung ist ja grundsätzlich bereits ent- schieden; ob auch in der zweilen Instanz Laien zuzuziehen sind, diese Frage bejahen wir und werden mit aller Energie versuchen, diese Bekeiligung durchzusetzen. Durch die Nichtbeteiligung von Laien wird ein wachsendes Mißtrauen gegen die Justiz groß ge—⸗ zogen; es muß dem Volke gezeigt werden, daß die Justizpflege nichts zu vertuschen hat. Die Rechtsprechung durch Laien ist urgermanisches Recht. Der preußische Justizminister berwies darauf, daß kein Kultur⸗ land der Welt eine solche Einrichtung in .der Berufungsinstanz hat.

Ja, müssen wir denn immer hinter anderen Ländern herhinken, können wir nicht auch einmal vorbildlich wirken? Die Freiheit des Staats anwalts, ein freisprechendes Urteil durch Einlegung der Berufung an ein Kollegium pon reinen Berufsrichtern“ zu bringen, kann in der vorgelegten Konstruktion nicht befleben bleiben, sie führt uns direkt zu der alten preußischen Strafkammer zurück, um deren Beseitigung so lange gekampft worden ist. Die Lockerung des Legalitätsprinzips in Ansehung von Uebertretungen kann sehr großen Schaden herbeiführen, sie kann die auch gegen christliche Arbeiterbereine geübte Nadelftichpolitik noch verschaͤrfen. Die Berufung gegen die Straffammerurteile muß, das erwartet das Volk, an ein übergeordnetes Gericht, also an das Oberlandesgericht gelegt werden, nicht aber an die beabsichtigten Berufungssenate an den Landgerichten, die lediglich in verkapptèr Form dieselbe Instanz darstellen. Vom Standpunkt des Richters aus muß man auch unbedingt die Ersetzung des Schwurgerichts durch das große Schöffen⸗ gericht für das Richtige halten? win wollen es aber bei dem Be— stehenden belassen unter der Voraussetzung, daß die Kompetenz der Schwurgericht nicht erweitert wird.

Abg. Dr. Br un sterm ann (Rp.): Ich möchte die Zusammensetzung der Strafkammern einer näheren Betrachtung unterziehen. Mit der Neuerung der Zuziehung der Laien erklären wir uns völlig einver— standen, wir müssen es aber als eine Inkonsequen; erklären, daß bei den mittleren Gerichten die Laien fehlen und weiter fehlen follen. Von großer Bedeutung ist die ziffermäßige Zusammensetzung, das Verhältnis der Laien zu den gelehrten Richtern. Nach dem Ent⸗ wurfe sollen 2 Juristen mit 3 Laien zusammensißzen. Damit können wir uns nicht einverstanden erklären; in sehr vielen Fällen wird da— durch ein höchst unerfreuliches Ergebnis herauskommen. Viel besser wäre eine Zusammensetzung aus Richter und 4 Schöffen. Für die kleineren Bundesstagten, die über ein großes Richterpersfonal nicht verfügen, wäre eine solche Einrichtung sehr vorteilhaft. Die ent— stehenden Schwierigkeiten könnten vielleicht durch eine Vereinfachung der Urteilsabfassung vermindert werden: jetzt hat ein Richter oft 46 und mehr Urteile in der Woche abzufassen, die in der Hauptsache nutzlose Schreiberei sind. Eine weitere Ausgestaltung des Urteils braucht erst stattzufinden, wenn der Angeklagte Berufung einlegt. Ich hoffe in der Kommission bei den verbündeten Regierungen Ent⸗ gegenkommen und bei den anderen Parteien Zustimmung für meine Anregyng zu finden.

Abg. Dr. Ablaß ffrs. Volksp.): Der Staatssekretär hat der Auf⸗ fassung meines Freundes Müller ⸗Meiningen zugestimmt, daß der Wortlaut des Gesetzes es zuläßt, Untersuchungsgefangene mit Zu hältern und Dirnen zusammenzubringen. Wenn diese Deutung möglich ist, so müssen wir in der Kommission den Versuch machen, diese Möglichkeit zu beseitigen. Daß Dr. Müller⸗Meiningen den Richterstand angegriffen hätte, trifft nicht zu, er hat sich im wesentlichen dagegen gewendet, daß der Staatsanwaltschaft ein größeres diskretionäres Ermesfen eingeräumt werden soll. Konflikte werden durchaus nicht immer durch die Verteidiger verursacht, sondern vielfach durch die Animositãt und Impulsivität der Staats⸗ anwaltschaft. Eine günstigere Lage der Staatsanwaltschaft der Verteidigung gegenüber ist daher nicht gerechtfertigt. Der Ent— wurf enthält unzweiselbaft viele Verbesserungen. Wenn ein großer Teil unseres Volkes gegen die bisherige Rechtsprechung der Straf⸗ kammern kein uneingeschränktes Vertrauen jeigt, so sollten wir doch darauf hinarbeiten, daß die Justiz wieder eine überragende Stellung im Staatsleben erhält. Aber ich besitze nicht ganz den

Optimismus des Staatssekretãrs, der behauptet hat, das Mißtrauen

würde mit einem Schlage verschwinden, wenn man erst die Laien⸗ richter in die Strafkammern eingeführt hätte. Exzellen; sprechen ein großes Wort gelassen aus. Diese Ausführungen des Staatssekretãrs muß ich mit dem nicht gerade schönen Ausdruck „abwegig“ bezeichnen.

Er hat es so dargestellt, als habe die zweite Instanz immer im wesent⸗

lichen die Rechtsfragen zu prüfen. Es werden aber im Gegenteil meist Tatfragen sein, die eine erneute Verhandlung notwendig machen. Die Vorlage selbst steht unzweifelhaft auf diesem Standpunkt. Das Schöffenmaterial würde auch in zureichendem Umfange zur Ver fügung stehen. Die Bevölkerung ist nicht zu sehr mit Ehrenãamtern überlastet. Man hat bisher die Schöffen und Geschworenen viel zu sehr den sozial bevorrechtigten Kreisen entnommen und die Hand—

werker und Gewerbetreibenden systematisch von diesen Aemtern aus

geschlossen. Die Schwierigkeit wird ja zu einem Teile be— hoben durch die Reisekosten und Tagegelder. Der Richter stand muß in einen möglichst intimen Konnex mit diesen Ständen gebracht werden, damit er ihre soziale Anschauungen besser kennen lernt als bisher. Ich persönlich würde es auch für angebracht halten, Frauen zum Schöffenamt hinzuzuziehen. Will man erst versuchs