Der Kampf bleibt auch dann nicht aus, wenn die Grubenherren ihren Arbeitsnachweis, wie sie sagen, loyal handhaben würden.
(Dört, hört Wenn die Nachricht von der Unterredung, die der Bergmann und Arbeitersekretär Effert nach der Rheinisch⸗Westfälischen Zeitung mit einem Vertreter dieser Zeitung gehabt hat, richtig ist, so hat er weiter gesagt, man werde einen günstigen Zeitpunkt abwarten, die auswärtige Konkurrenz und die Konjunktur des Inlandes werde den Ausschlag geben, und dann werde der Streik kommen. Ich halte es für sehr gefährlich, wenn sich allgemein die Meinung verbreitet, als ob nun der Streik, ich möchte sagen mit der Notwendigkeit eines Naturereignisses über Arbeiter und Unternehmer hereinbrechen müßte. Dadurch entsteht allerdings eine Situation, bei welcher ein kleiner Funke genügt, um eine schwere Entladung herbeizuführen. Ein solcher Streik würde nicht bloß unser ganzes Wirtschafts⸗ leben schwer schädigen, er würde auch den Sieger nicht ohne brennende Narben aus dem Kampf ziehen lassen. (Sehr richtig h Die Aussicht auf den Sieg wird, nebenbei bemerkt, für die Arbeiter um so geringer, je weiter der Streik sich ausdehnt. Das hat man in Crimmitschau, das hat man in Schweden gesehen. Je weitere Kreise der Bevölkerung von den Belastungen, die mit einem solchen Streik verbunden sind, ergriffen werden, desto mehr wendet sich die öffentliche Meinung gegen die Streikenden, und gegen eine starke öffentliche Meinung ist kein großer Streik durchzuführen. (Sehr gut! bei den Nationalliberalen) Ich bin fest überzeugt und glaube das auch bewiesen zu haben, daß, wenn der Arbeitsnachweis so durchgeführt wird, wie es gedacht und mir zugesichert ist, in ihm keine Veranlassung zum Streik gegeben ist. Ob andere Veranlassungen kommen, können wir alle nicht wissen. Was aber geschehen mag, die Staatsregierung wird nichts unversucht lassen, einen solchen Streik zu verhüten, ihm vorzubeugen. Sie wird sich dabei nur von der unparteilichen Wahr— nehmung ihres Amtes leiten lassen, von den Grundsätzen der Ge— rechtigkeit und Billigkeit sowohl gegenüber den Arbeitern als gegen— über den Unternehmern. (Lebhafter Beifall.)
Auf Antrag des Abg. Herold (Zentr.) findet Besprechung der Interpellation statt.
Abg. von Gescher (kons.): Wir meinen, der Minister hat keine andere Erklärung abgeben können, als er abgegeben hat. Wir billigen diese Erklärung, soweit sie sich auf die Stellung des Fiskus zu dem Arbeitgebernachweis bezieht; sie ergibt sich aus der Rechtslage mit zwingender Notwendigkeit. Der Zechenverband hat eine Maßnahme getroffen, welche schon eine Anzahl Arbeitgeberverbände in ihren Be— trieben eingeführt haben. Der Mißstand des Zechenlaufens wird durch den Arbeitsnachweis abgestellt werden, und insoweit ist der neue Nachweis jedenfalls eine nützliche Einrichtung. Nun wird ihm aber schon allerlei Böses nachgesagt: er soll die 6 und das Koalitionsrecht i ,, . wollen. Die Zechenverwaltungen bestreiten solche Nebenabsichten durchaus und verweisen auf das Statut. Liest man dieses unbefangen und zieht man die Erklärung der Zechenverwaltungen gegenüber dem Minister heran, so erscheinen solche Nebenabsichten absolut ausgeschlossen, es sei denn, daß man hier nicht auslegt“, sondern unterlegt“. Bis jetzt sind tatsächlich Uebelstände der bezeichneten Art nicht hervorgetreten; der einzige bisher angeführte Fall wird lebhaft bestritten. Sollten sich wirklich die Arbeitgeber nur jetzt anfangs zurückhalten, um später desto willkürlicher zu verfahren, so wird dies abzuwarten sein. Die Aufregung, die im Ruhrkohlengebiet herrscht, könnte, so wird weiter argumentiert, zu einer Explosion und damit zu einer noch nicht erlebten Erschütterung führen. Gewiß herrscht eine große Aufregung, die von den—⸗ selben Leuten geschürt worden ist, die jetzt folche Kassandrarufe ausstoßen. Zwischen dem angekündigten Streik und dem Arbeitsnachweis besteht ein Kausalnexus nicht. Erscheint ein Streik auf Grund der Konjunktur aussichtsvoll, so wird die Sozialdemokratie alles tun, ihn in die Wege zu leiten, und um einen Grund wird man dann nicht verlegen sein. Erringen die Arbeiter Vorteile, dann wird es heißen: Seht, das haben wir für Euch durchgesetzt; kommt unter unsere schützenden Fittiche, da seid Ihr gut argent Geht der Streik schief, so bleibt ein starker Niederschlag von Unmut und Erbitterung bei den Streikenden zurück, und es ist leicht, diese Erbitterung und diesen Unmut gegen die Bergperwaltung und gegen die besitzenden Klassen überhaupt zu kehren. Von den 334 000 Arbeitern des Rubrkohlen—⸗ reviers sind schon jetzt 152 000 organisiert; wie ist es möglich, solchen Massen gegenüber zu w,, daß sie von 3 Toalitionsrecht Gebrauch machen? Auch die Freizügigkeit der Arbeiter wird durch den Zechenverbands-Arbeitsnachweis nicht berührt, nachdem auf Intervention des Ministers aus dem 5 6 des Satuts die Klausel so weit als möglich“ beseitigt, also die freie Wahl der Arbeitsstätte durchaus sichergestellt ist. Ebenso ist die Befürchtung der Boykottierung und Stigmatisierung einzelner Arbeiter auf dem Wege des Zechenverbandsnachweises nach meiner Ansicht hinfällig. Nach den Qualitäten eines Dienstboten, eines Beamten, erkundigt man sich doch auch vor dem Engagement oder vor der Anstellung; so muß auch der Werksbesitzer sich bei dem letzten Arbeitgeber nach den Qualitäten des sich anbietenden Arbeiters erkundigen. Das kann gewiß zu Härten und Unbilligkeiten führen, aber wie soll es anders gemacht werden? Auch der paritätische Nachweis würde davon Gebrguch zu machen gezwungen sein. Im großen ganzen wird die Maßnahme nicht schaädlich sein, denn bisher hat noch immer im Kohlengebiet Arbeitermangel geherrscht. Wenn der Arbeitsnachweis noch so loyal und sachlich gehandhabt wird, wenn er noch so sehr sich als Wohltat für beide Teile herausstellt, er wird von gewisser Seite bis aufs Blut bekämpft werden, solange er ein einseitiger Nachweis der Arbeitgeber bleibt, und solange nicht die Arbeiterorganisationen dabei mitgewirkt und damit ihre Anerkennung als legitime Vertreter der Arbeiter erreicht haben. Von der christlichen Organisation will ich das nicht behaupten, aber ich behaupte es von dem sozialdemokratischen Verband. Wir unserseits stehen in diesem Streite auf dem einzig gegebenen Boden, auf dem Rechtsstandpunkte. 5 152 der Gewerbe ordnung gibt klar und deutlich auch den Arbeitgebern das Recht, sich zu organisieren; will man ihnen dieses Recht versagen, so sündigt man gegen den Gedanken der Rechtsgleichheit, und man hat von dem Minister im Reichstag einfach eine der schwersten Pflichtverletzungen, eine Beugung des Rechts verlangt, als man forderte, er solle den Arbeitgebern in den Arm fallen. Schon 1895 hat der Frankfurter Gewerkschaftskongreß jede gemeinsame Organisation des Arbeits⸗ nachweises absolut verworfen, und daran hat man bis zum vorigen Jahre festgehalten; jetzt hat man die Schwenkung zu Gunsten der paritätischen Arbeitsnachweise gemacht. Bei so wechselnden flüssigen Anschauungen wäre es doppelt unangebracht, der neuen Forderung nachzugeben und die Gesetzgebung entsprechend zu ändern. Ich will boffen, daß die Arbeitgeber ihren Nachweis so gestalten, daß er zu einer wahren Wohlfahrtseinrichtung wird. Dann werden auch die Arbeiter schließlich dazu eine freundlichere Stellung einnehmen.
Abg. Hir sch⸗Essen (nl. : Der Abg. Trimborn, dessen Objektivität ich ja nicht zu nahe treten will, hätte doch die im Ruhrrevier hervor⸗ getretenen Mißstände des Zechenlaufens, des Agentenunwesens usw. etwas schärfer geißeln können, denn diese Mißstände haben auch auf das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitern in der schlimmsten Weise eingewirkt, indem sie eine Spannung zwischen beiden Teilen hervorgerufen haben. Im Jahre 1908 betrug bei einer Gesamtbeleg⸗ schaft von 325 000 Mann der Zugang 216 000, der Abgang über 190 060 Mann. Berücksichtigt man ferner die große Zahl der Stellenwechsel, die sich unter Kontraktbruch vollziehen, und welche Unruhe durch diesen Wechsel in die Belegschaften hineingetragen wird, dann kann man sich denken, wie dadurch auch die Unsicherheit auf den Gruben he—
fördert wird. Der Abg. Trimborn meinte, daß Kontraktbrüche viel⸗ leicht 5 oo aller Er erer n seien; nach meinen Feststellunge handelt es sich um 10 005. Die Leute, die ihren Platz . begnügen sich nicht damit, von einer bestimmten Stelle zur anderen zu gehen, sondern sie melden sich vielfach bei 3, 4, 5 Wiel zugleich zu einem bestimmten Termin, um dann vielleicht an der 6. Stelle wirklich anzutreten, ohne davon den anderen Stellen Mitteilung zu machen. Die Gewerkschaften brauchen ja so unruhige Elemente. Mit Vorliebe wird behauptet, daß dieser Wechsel durch die Lohnverhältnisse bedingt sei. Nach der Statistik der Knappschaftskassen betrug aber der Arbeitsverdienst im dortigen Revier 5 (M und mehr. Handelte es sich dort etwa um Hungerlöhne, so würden die Leute aus dem Osten nicht nach dem Westen wandern. Die Zechenverwaltungen sahen sich nun veranlaßt, den Mißständen in mehr spystematischer Weise entgegenzutreten, in einer Weise, die weniger Anlaß zum Widerspruch böte, als die Führung der n angegriffenen Kontraktbruchlisten. Sie haben einen spystematischen Arbeits⸗ nachweis geschaffen nach dem Muster des bestehenden Ham— burger Systems, aber in einer etwas milderen Form. Dieses System ermöglicht, daß der Arbeiter ohne Zeitverlust Arbeit gewinnt, ohne daß er von politischen Drahtziehern abhängig ist. Die Behauptung, beim Hamburger Arbeitsnachweis würden Personal⸗ listen geführt, in denen irgendwelche unzulässige Bemerkungen gemacht würden, die dem Arbeiter schadeten, ist von seiten des Hamburger Arbeitsnachweises energisch bestritten worden. Herr Trimborn hätte seinen Gewährsmann auffordern sollen, die Unterlagen für eine solche Behauptung zu liefern. Im übrigen kann ich nur wünschen, Herr Trimborn möge sich die kleine Mühe geben, nach Hamburg zu fahren und sich die dortige Einrichtung anzusehen; es wird ihm das ja durch seine Reichstagsfreikarte wesentlich erleichtert. Oeffentlich und privatim ist die Zusicherung gegeben worden, daß die neue Einrichtung im Ruhrrevier durchaus objektiv gehandhabt werden wird. Aber bei dem ersten Bekanntwerden der Absichten des Kohlen— bergbaues im Ruhrrevier erhob sich ein unglaublicher Sturm. Die Zechen haben doch nichts anderes getan, . was von gewerkschaft⸗ licher Seite in Dutzenden von Fällen geschehen ist, ohne daß sich irgend jemand darüber aufgeregt hätte. Der Abg. Trimborn hat dem Bedauern Ausdruck gegeben, daß man sich bei der Einführung dieser Einrichtung ö an die Arbeiterorganisationen gewandt habe. Die bisherigen Erfahrungen mit den Gewerkschaften boten keine Aussicht, zu einer friedlichen Lösung zu kommen. Die Befürchtung, daß die Freizügigkeit beschränkt werden würde, ist unbegründet. Die Wünsche der Leute wegen einer bestimmten Arbeits⸗ stelle sollen möglichst berücksichtigt werden, und sie sollen nicht gegen ihren Willen einer Arbeitsstelle zugewiesen werden, die ihnen nicht zusagt. Nach dem Urteil objektiv denkender Leute ist der Arbeits⸗— nachweis dadurch ein Vorteil, daß die Arbeiter nicht mehr von einer Zeche zur anderen laufen müssen, um um Arbeit anzuklopfen. Auch die Befürchtung, daß die Koalitionsfreiheit beschränkt werde, daß es ein Verstoß gegen die Arbeiterorganisationen sei, ist als unbegründet nachgewiesen worden. In einem Revier, wo von 340 000 Arbeitern 150 509 organisiert sind, läßt sich ein Arbeitsnachweis nicht mehr gegen die Gewerkschaften handhaben. Ferner haben sich die Zechen im eigenen Interesse das Recht vorbehalten, durch höhere Löhne sich gegebenenfalls einen starken Zuzug von Arbeitern zu sichern. Die Bestimmung, daß die Zechen auch Arbeiter aus dem Ausland an— werben könnten, war unbedingt notwendig; denn wenn einmal der Arbeits⸗ nachweis ihr Bedürfnis nach Arbeitskräften nicht befriedigen kann, müssen sie auf eigene Faust im Ausland Arbeiter anwerben können. In Zeiten der Hochkonjunktur kann kein Arbeitsnachweis den Zechen garantieren, daß sie genügend Arbeiter bekommen. Alle solche Be⸗ fürchtungen sind für objektiv denkende Leute einwandsfrei widerlegt worden. Aber eine Beruhigung der Gemüter ist nicht eingetreten; man hätte es am liebsten gesehen, wenn die Regierung den neuen Arbeitsnachweis zwangsweise in einen paritätischen umgewandelt hätte. Die Regierung hat das wohlweislich nicht getan, denn bei aller Sympathie, die die Regierung für paritätische Organisationen hat — ob mit Recht, lasse ich dahingestellt — hat die Regierung doch im Reichstag zugegeben, daß das in die Koalitionsfreihelt eingreifen würde. Der Handelsminister, an den sich die sämtlichen Bergarbeiter⸗ organisationen gewandt haben, hat sich ebenfalls ablehnend verhalten. Ein paritätischer Arbeitsnachweis kann eben nicht gut funktionieren, wenn er nicht das Vertrauen beider Teile hat. Was sollte denn werden, wenn Konflikte entstehen, und die Arbeitgeberbeisitzer und Arbeiterbeisitzer nicht einig sind, und ein Teil die Geschäfte niederlegt? Denken Sie nur an eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob Arbeiter außerhalb des Reviers heranzuziehen seien. Die Arbeitervertreter würden in einem paritätischen Nachweis natürlich gegen die Heranziehung ausländischer Arbeiter sein, sie sind anderseits aber immer gegen Ueber— schichten und Nebenschichten und halten die Arbeiter davon zurück. Wenn übrigens die Gewerkschaften den Arbeitern bei der Uebernahme von Neben- und NUeberschichten mehr freie Hand ließen, und wenn die Arbeiter selbst nicht so viele willkürliche Feierschichten einlegen würden, würde das gegenseitige Verhältnis viel besser sein. Bei den Streiks haben in mehr als 90 o aller Fälle die paritätischen Arbeitsnachweise mehr oder minder Partei für die Arbeiter und gegen die Arbeitgeber genommen. Der Arbeitsnachweis ist aber dazu da, Arbeit zu vermitteln, und nicht dazu, Streiks zu fördern. Daß Mißbräuche auch beim paritätischen Arbeitsnachweis vorkommen, ist nicht nur möglich, sondern auch nachgewiesen. Ich erinnere nur an die Behandlung des christlichen Buchdruckerverbandes durch den paritätischen Nachweis der Buchdrucker. Die Frage, ob es angezeigt ist, den Arbeitsnachweis des Zechenverbandes seines Charakters als Unternehmerorganisation zu entkleiden, ist nach Ansicht meiner politischen Freunde durchaus zu verneinen. Wir sind der Meinung, daß das Koalitionsrecht auf beiden Seiten, bei Arbeitgebern wie Arbeit nehmern, respektiert werden muß, und daß es gänzlich unzulässig und nach der Lage im Ruhrrevier auch unzweckmäßig wäre, in die Rechte des Unternehmertums von seiten des Staates einzugreifen. Es ist ja von den verschiedensten Seiten anerkannt, daß es als ein großer Segen für die Arbeiter angesehen werden müsse, wenn es gelänge, den mancherlei Mißständen, die das Verhältnis zwischen Arbeit⸗ nehmern und Arbeitgebern verschlechtern, zu steuern. Wenn der ge— schaffene Arbeitsnachweis loyal und objektiv arbeitet, so ist er ge— eignet, diesen Zweck zu erreichen, was auch von dem Abg. Trimborn zugegeben worden ist. Wir haben aber in Uebereinstimmung mit unseren Parteifreunden im Reichstage die Ueberzeugung, daß kein Grund vor— liegt, an einer solchen lovalen und objektiven Handhabung zu zweifeln. Unsere Fraktion ist der Ansicht, daß alles in Wort und Schrift ver— mieden werden sollte, was dazu dient, Oel ins Feuer zu gießen. Auch von der Presse der christlichen wie der sozialdemokratischen Gewerk— schaften sollte ein objektiver Standpunkt eingenommen werden. An der Erregung sind nicht zum wenigsten die verhetzenden Aufrufe der christlichen Gewerkschaften schuld. Dort wären die Mahnungen des Abg. Trimborn am Platze gewesen. Wir schließen uns besonders den Schlußworten des Handelsministers an.
Abg. Gyßling (fr. Volksp.: Wir können uns in der Be— sprechung um so kürzer fassen, als unserseits ein Antrag, betreffend die Arbeitsnachweise, eingebracht ist, der eine Kommissionsberatung erfordert, da er eine Geldbewilligung nötig macht und in der Kommission wohl eine gründliche Erörterung erfahren wird. Wir sind prinzipiell der Ansicht, daß das Bergrecht reichs— gesetzlich zu regeln ist. Was die heutige Beantwortung der Inter⸗ pellation durch den Handelsminister betrifft, so wird sie weithin Zustimmung finden, denn sie hat Licht und Schatten gleich⸗ maß verteilt. Der Arbeitsnachweis ist die wirksamste Waffe zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die erste Voraussetzung für eine gute Arbeitslosenversicherung. Er muß, wenn er seinen Zweck anz erfüllen soll, paritätisch sein. Das Eingreifen der Staats⸗ kehr den hat ja auch bei diesem Zechenverbandsarbeitsnachweis gute Früchte getragen. Das Arbeitskammergesetz soll dem Reichstag wieder vorgelegt werden; wir begrüßen das mit Freuden, denn wir glauben, die Arbeitskammern werden ein geeignetes Instrument fein für die Förderung der Arbeitsnachweise. Ein indirektes Mittel zum
6 Zweck wird ein gutes Stellenpermittlungesgesetz sein. Fine Abänderung der S5 1525153 G.-O. ist unerläßlich, wenn wir auf diesem Gebiete weiterkommen sollen; es wird notwendig, sie dahin zu erweitern, daß die Koalition nicht nur zum Zweck der Er— langung e Arbeitsbedingungen, sondern auch zum Zweck der Er⸗ haltung bestehender unter den Schutz des Gesetzes gestellt wird. Die fe welche Organisation den Arbeitsnachweis in die Hand nehmen oll, ist zurzeit noch nicht geklärt; es läßt sich hier nicht schabloni⸗ sieren, schematisieren; vielleicht werden die fachlichen Organisationen . leisten als die kommunalen. Alles in allem ist die Frage des Arbeitsnachweises eines der schwierigsten Probleme, und es müssen alle ö darangesetzt werden, zu einer gedeihlichen Lösung desselben zu ommen.
Abg. Korfanty (Pole): Man hat sich hier weitläufig über das Zechenlaufen der Bergarbeiter ausgelassen und so getan, als ob es aus reinem U&ebermut 36 Die Grunde dafür, daß ein Bergarbeiter, event. unter Kontraktbruch, von Zeche zu Zeche läuft und nach Arbeit nachfragt, werden wohl tiefer liegen. Ueberhaupt hört man hier nur von schuld⸗ haftem Verhalten der Arbeiter reden; daß auch die Unternehmer und ihre Beamten Schuld haben können, kommt vielen der Herren hier nicht in den Sinn. Hier spielt namentlich das verwerfliche Prämien- system eine Rolle. Sehr oft wird seitens der Zechen und ihrer Beamten das Gedinge plötzlich geändert, heruntergesetzt, und die Aussicht auf die Prämien veranlaßt die Beamten dazu, den Arbeitern diese Herab⸗— seßung ihrer Einnahmen manchmal mitten im Monat zu diktieren. Hier hat man einen der Gründe für das e en w n zu suchen. Der Kollege Hirsch⸗Essen hat auch heute aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht; mit dankenswerter Offenheit hat er alle Arbeiterorganisationen, auch die christlichen, samt und sonders in Grund und Boden verdammt. Selbstverständlich sind den Berg⸗ herren alle Organisgtionen unbequem; sie mögen von ihnen so wenig wie von den Sicherheitsmännern und sonstigen Vertretern der Berg⸗ arbeiterschaft irgend etwas wissen. Wie das heutige Verhältnis von Arbeitern und Arbeitgebern im Bergbau zu beurteilen ist, das hat im Reichstage mit treffenden Worten der Abg. Naumann gezeigt. Der Handelsminister hat die Gefährlichkeit des 3 nachweises offenbar nicht erkannt.
Abg. Krause⸗Waldenburg (freikons.): Namens meiner Freunde spreche ich die volle Uebereinstimmung mit den Ausführungen des Handeltz⸗ ministers, sowohl als Vertreters der Staatsregierung wie als . des fiskalischen Bergbaues, aus. Die Zechenbesitzer werden, diese Ueberzeugung haben wir, sich durchaus bemühen, ihren Arbeitsnachweis so einzurichten und durchzuführen, wie es das öffentliche Interesse erfordert; und dann werden immer weitere Kreise und auch die Arbeiterschaft einsehen, daß es sich um eine Institution handelt, die auch ihre Interessen voll wahrnimmt. Für die ruhige und sachliche Begründung der Interpellation durch Herrn Trimborn kann ich ihm mit dem Kollegen von Gescher nur Anerkennung zollen; wir würden ihm sehr dankbar sein, wenn er sich der Mühe unterziehen wollte, auf den Teil der Bergarbeiterschaft, der ihm näher steht, in ähnlichem beruhigenden Sinne einzuwirken. Daß über jeden Arbeiter Personalakten geführt werden, ist ein Mythus, der nur im Kopfe des Herrn Korfanty existiert. Woher die Wandlung in der Anschauung der Gewerkschaften bezüg⸗ lich der einseitigen und der paritätischen Arbeitsnachweise? * 1895 wurde in Frankfurt der paritätische ganz unbedingt von der Hand gewiesen; es galt, durch Schaffung von Arbeitnehmernach⸗ weisen die Arbeitgeber zu guälen. Daher heute das Mißtrauen der Gewerkschaften gegen den einseitigen Unternehmernachweis; man sucht eben niemand hinter der Tür, hinter der man nicht selbst gesessen hat. Herr Giesberts und Herr Trimborn erklären lediglich, die Arbeiter seien allmählich dahin gekommen, dem paritätischen Nachweis den Vorzug zu geben. Ja, sie sind dahinter ge⸗ kommen, daß es auf diesem Wege besser gelingen könnte, den Unternehmern ihre Bedingungen zu diktieren. Im paritäti⸗ schen Arbeitsnachweise für die Holzbranche werden fortwährend Arbeitgẽber boykottiert; noch im Oktober 1909 hat dieser Arbeitsnachweis über die Parkettbodenfabrik zu Hannover den Boykott verhängt. (Abg. Le inert (Soz.): Wegen Tarifbruchs) Die Ent⸗ wicklung, welche die öffentlichen paritätischen Arbeitsnachweise in der Richtung der Einwirkung auf die Gestaltung des Arbeitsvertrages selbst und Festsetzung von Mindestlöhnen genommen haben, und wie sie der Regierungsrat Dominicus in Straßburg propagiert, die Ent— wicklung in der Richtung der Ausgestaltung zu völligen Arbeitsämtern muß nach unserer Auffassung unsere Industrie aufs schwerste bedrohen. Mag der Handelsminister dafür sorgen, daß die Industrie mit solchen Dingen verschont bleibt. Kein industrielles Werk kann es vertragen, daß ihm von dritter Seite die Bedingungen auferlegt werden, unter denen es arbeiten soll. Mit solchen Bestrebungen richtet man die Industrie zugrunde und schädigt gleichzeitig die Arbeiter.
Abg. Lei nert (Soz.): Nach den Ausführungen des Abg. Hirsch⸗ Essen könnte es scheinen, als wäre der Arbeitsnachweis im Ruhrrevier aus reiner Liebe zu den Arbeitern eingeführt worden, als ob die Arbeitgeber einen Akt der Selbstentäußerung vollzogen haben. Die Unternehmer wollen aber keine Verständigung mit den Arbeitern herbeiführen, sie wollen den Kampf, der es ihnen ermöglicht, die Arbeiterorganisationen tot zu machen, und ein Mittel in diesem Kampf ist ihnen der Arbeitsnachweis in Mannheim und das Hamburger System, das die Arbeiter an der Durchführung von Streiks hindern soll. Der Hamburger Arbeitsnachweis hat Personalkarten von mehr als 200 000 Arbeitern. Diese Karten stellen die eigentliche Polizei des Unternehmertums dar, es fehlt nur die Verbindung mit der geheimen politischen Polizei des preußischen Ministeriums des Innern. Die fiskalischen Betriebe des Saarreviers haben mit Privatwerken die Verabredung getroffen, auf diesen Werken abgelehnte Arbeiter nicht anzunehmen. Der Arbeiter wird an die Scholle gefesselt und dadurch die Freizügigkeit beschränkt. Der Geheime Kommerzienrat Kirdorf hat die Absichten des Unternehmertums schon lange vorher enthüllt. Der Handelsminister ist mit dem Zechenverband in Verbindung ge⸗ treten, nicht infolge der Eingabe der Arbeiterverbände, sondern infolge der Anregung der ret Die fremden Agenten werden allerdings künftig fortfallen, aber die Agenten der Arbeitsnachweise werden künftig im Lande herumreisen. Man sagt, § 152 G.⸗O. gebe Arbeitern und Arbeitgebern gleiche Rechte, man dürfe den Arbeitgebern ihr Recht nicht schmälern. Sie (rechts) haben doch nicht etwas dagegen, wenn die Rechte der Arbeiter bei Streiks mit Füßen getreten werden. Die Arbeitgeber haben bis auf wenige Ausnahmen den Arbeitern gleiche Rechte auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet fast nie eingeräumt. Beim vorjährigen Berggesetz ging das Handelsministerium darauf aus, die Seelen der Bergarbeiter einzufangen, jetzt tritt es vollständig auf die Seite der Arbeitgeber, des Großkapitals im Ruhrrevier. Die Arbeiter wissen nun, woran sie sind, nachdem jede Zweideutigkeit beseitigt ist. Durch den Erlaß, daß die Innungen zwangsweise den Arbeitgeber⸗ verbänden beitreten müssen, hat es weiteren Kämpfen den Boden be⸗ reitet. Es ist für diese Kämpfe verantwortlich. Im vorigen Jahre bestritt der Abg. Beumer, daß der Geschäftsführer Bueck in einer Versammlung des Zentralverbandes deutscher Industriellen gesagt habe, angesichts der Selbstkosten könne die deutsche Industrie die Konkurrenz auf dem Weltmarkte nur bestehen, wenn die Löhne herabgesetzt würden. Ich berief mich auf einen Bericht der Post?; Herr Beumer meinte, die „Post“ gehe ihn nichts an—. Nun habe ich das Protokoll jener Versammlung nachgelesen, und dieser Bericht bestätigt lediglich das, was ich gesagt habe. Dieser Lohnherabsetzung, die die Industriellen planen, sollen die Arbeitsnachweise dienstbar gemacht werden. Das ist in der Ver⸗ sammlung der westfälischen Arbeitgeberverbände bereits 1908 zugegeben worden. Man könnte sagen, hiervon stehe nichts in den Statuten.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
Mr 20.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
ern nicht, in den Erläuterungen stehen aber Bemerkungen, die harauf hindeuten, daß es so gemeint ist. Welche Empörung herrscht nicht, wenn im Kriege auf Frauen und. Kinder geschossen pid! Im wirtschaftlichen Kampfe ruft dies keine Entrüstung hervor, wenn nur die kapitalistische Witwe geschützt wird. In das Statut des Zechenverbandes, das geheim gehalten wird, ist die Er— schtung und. Unterhaltung des Arbeitsnachweises neu hineingekommen; ie Mitglieder haben sich den neuen Anordnungen über diesen zrbeitsnachweis zu fügen. Während eines Ausstandes und frei Monate nach Beendigung des Ausstandes dürfen die zechen keinen Arbeiter des vom Streik betroffenen Werks an— jchmen. Diese Bestimmung des Statuts kennt der Minister offen⸗ har nicht. Ich möchte einmal sehen, was man sagen würde, wenn nie Arbeiter sich das erlaubten. Terrorismus wäre das mindeste, waz man den Arbeitern vorwerfen würde. Den Arbeitgebern dagegen soll eine Schreckensherrschaft gestattet sein, wie sie durch die Arbeits⸗ nachweise angerichtet wird. Der Abg. Hirsch⸗Essen nannte einen Aufruf des christlichen Verbandes aufhetzend, Ja, die Arbeiter limpfen doch um ihr Selbstbestimmungsrecht. Der Streik wird schließ⸗ lich auch kommen trotz des Arbeitsnachweises, er kann auch kommen wegen des Arbeitsnachweises. Im Ruhrrevier ist so viel Zündstoff an⸗ gchäuft, daß es nur eines Funkens bedarf, um einen Brand zu entfachen. Fz ist durchaus falsch, zu behaupten, daß wir die paritätischen Irbeitsnachweise nur als ein wirksameres Kampfmittel betreiben. Rein, dies geschieht nur aus Notwehr gegenüber den Uebergriffen der ünternehmer. Wir wollen, daß die gemeinschädlichen Arbeits⸗ nachweise der Arbeitgeber nicht weiter bestehen zum Schaden der Arbeiter, 83 sie ersetzt werden durch die paritätischen Arbeits nachweise. Der Minister hätte dazu seine Hand bieten sollen, er hat es aber abgelehnt, weil die Unternehmer es nicht wollen. Allerdings wird auch bei den Beamten nach den Qualifikations⸗ nachweisen gefragt, aber wohin hat das geführt? Man sollte den Beamten wenigstens Einblick in ihre Personalakten gestatten, damit sie sich gegen unrichtige Angaben wehren können. Der Arbeits⸗ nachweis des 9 hat das Gute gehabt, daß er die vier Bergarbeiterorganisationen zu gemeinsamem Handeln zusammengeführt hat. Wir werden jetzt nicht nur gegen die wirtschaftliche, sondern auch gegen die politische Rechtlosigkeit der Arbeiter kämpfen. Es gibt eine Grenze für Tyrannenmacht, man ist nahe daran, sie im Ruhr⸗ rebier zu überschreiten.
Minister für Handel und Gewerbe Sydow:
Meine Herren! Die Rede des Herrn Vorredners würde mir im allgemeinen keine Veranlassung zu einer Erwiderung geben (Bravo! rechts), sie enthält nichts, was ich nicht seit Monaten in sozialdemo⸗ kratischen Zeitungen gelesen habe. Diese Einwendungen habe ich aber jum großen Teile bereits in meiner Beantwortung der Interpellation berücksichtigt. Nur zwei Punkte sind hier neu vorgebracht worden, die will ich kurz streifen.
Einmal die Ausführungen zum 5§ 38 der Satzungen des Zechen⸗ verbandes. Neu war mir, daß diese Satzungen geheim sein sollen. Der Herr Vorredner hat sie besessen, und ich habe sie seit längerer Zeit, und nie habe ich davon gehört, daß diese Satzungen als Ge⸗ heimnis behandelt würden. Allerdings steht in den Satzungen eine Vorschrift, daß im Falle eines Ausstandes unter den Mitgliedern des Zechenverbandes gewisse Fristen verabredet sind, innerhalb deren sie ausständische Arbeiter nicht mehr anlegen. Aber mit dem Arbeits⸗ nachweis hat das nichts zu tun; das ist eine Frage der Annahme von Arbeitern, und ich habe bereits vorhin darauf hingewiesen, daß die Frage für sich geht, und daß darin den Arbeitgebern natürlich ihr volles Verfügungsrecht innerhalb der Grenzen, die man allgemein für julässig hält und die der 5 826 B. G.⸗B. vorgezeichnet hat, gewährt bleiben muß.
Nun enthält 5 6 noch eine Bestimmung, durch welche der Vor— stand die Befugnis bekommen hat, der Arbeitsnachweisstelle An⸗ weisungen zu erteilen. Ich konstatiere, daß durch diese Bestimmung nicht bloß nach meiner Auffassung, sondern auch nach der Auffassung des Zechenverbandes dieser in keiner Weise von der Verpflichtung frei wird, die Versprechungen, die er mir gegenüber eingegangen ist, iu halten. (Bravo!)
Dann hat der Herr Vorredner noch die Verfügung erwähnt, durch die ich den Innungen den Zutritt zu den Arbeitgeberverbänden gestattet habe. Nach meinem unmaßgeblichen Dafürhalten gehört das nicht jur Tagesordnung. Wir sprechen über die Organisation des Arbeitsnachweises im Ruhrkohlengebiet, und ich habe bisher nicht gehört, daß dort Innungen dem beigetreten sind. Infolgedessen gehe
Zweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
1910.
Berlin, Montag, den 24. Januar
—
ich nicht darauf ein; dazu wird sich bei der zweiten Beratung des Etats noch Gelegenheit bieten.
Nun noch etwas Persönliches! Der Herr Vorredner hat gemeint, ich sei entweder harmlos oder ein Scharfmacher. Ob ich harmlos bin, wird er mit der Zeit merken. (Bravo! rechts.)
Jedenfalls bin ich nicht harmlos genug, um nicht zu erkennen, daß sich unter dem Mantel der Arbeiterfreundlichkeit, den der Herr Vorredner trägt, die Absicht verbirgt, in erster Linie die politischen Zwecke der Sozialdemokratie zu fördern. (Bravo
Wenn er mich einen Scharfmacher nennt, so ist das in dem Deutsch seiner Partei ein Mensch, der einseitig die Interessen der Arbeitgeber verfolgt ohne Rücksicht auf die Interessen der Arbeiter. Ich kann es, glaube ich, ruhig dem Urteil dieses hohen Hauses über— lassen, ob diese Meinung nach den Ausführungen begründet ist, die ich in Beantwortung der Interpellation gemacht habe. (Beifall rechts.)
Abg. Imbusch Gentr.): Soeben ist die Nachricht verbreitet worden, daß die Rettungsarbeiten auf der Zeche Holland von Erfolg gekrönt sind. Ich möchte den Arbeitern, die die Bergung vollzogen 3. unseren Dank und den Arbeitern, die so lange in dunkler Nacht ausharren mußten, unser Mitgefühl aussprechen. Beifall im ganzen Hause.) Ueber die Ausführungen des I sind meine Partei freunde nicht der Ansicht des Vorredners, aber manche Klage müssen wir doch als berechtigt anerkennen. Der Minister bezeichnete als Vorbedingung für die Einführung von paritätischen Arbeitsnachweisen ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arbeitern und Unternehmern. Wenn dieser Grundsatz richtig ist, dann wird der Arbeitsnachweis im Ruhrkohlenrevier in seiner jetzigen Gestaltung nicht gut funktionieren. Die Grubenbesitzer haben mehr als einmal ihr den Arbeitern gegebenes Wort nicht gehalten und haben dadurch wie durch die Betonung ihres Herrenstandpunktes dazu beigetragen, daß die Arbeiter ihren Versprechungen mißtrauisch gegenüberstehen. Der Ton in der Arbeitgeberpresse gegen die Staatsregierung und die Abgeord— neten, die anderer Meinung sind, ist nicht besser als der der christ⸗ lichen Arbeiterpresse. In der radikalen Presse wird häufig auf diese Schreibweise hingewiesen. Und dabei ist zu bedenken, daß die Arbeiter⸗ artikel von nicht akademisch gebildeten Leuten geschrieben sind, denen ein unpassendes Wort viel eher nachzusehen ist. Es ist ganz un— zweifelhaft, daß man mit dem Arbeitgebernachweis Einfluß auf die Lohnfrage ausüben und ihn zu allen möglichen Dingen benutzen will, nur nicht dazu, wofür er da ist. Während die Arbeiterorganisationen offen anerkannt haben, daß die Arbeitgeberorganisationen, wie das Kohlensyndikat, auch wohltätige Wirkungen gehabt haben, findet man umgekehrt ein solches Anerkenntnis nicht. as die Internationalität anbetrifft, so hat die „Rheinisch⸗Westfälische Zeitung“ in ihrer Abend⸗ ausgabe vom 30. Oktober offen erklärt, daß auf dem letzten Kongreß des Mitteleuropäischen Wirtschaftsvereins ein internationaler Arbeits⸗ nachweis angestrebt und eine dahingehende Entschließung gefaßt sei. Dann muß man auch den Arbeitern eine solche internationale Organisation zugestehen. Man hat hier Ausführungen des christlichen Gewerkschaftsführers Effert angegriffen. Herr Effert ist nicht die ganze Organisation, er ist nur ein Teil davon; er hat mit dem erwähnten Artikel auch keineswegs program⸗ matische Ausführungen im Namen der DOrganisation gegeben. Ich gebe meinerseits diese Erklärung im Namen der christlichen Arbeikerorganisationen ab. Daß das Jentrum bezüglich der Regelung der Berggesetzgebung im Reiche seine Weinung geändert habe, bestreite ich, ebenso weise ich die Meinung des Abg. Hirsch-Essen zurück, als hätte sich das Zentrum der christlichen Arbeiterorganisationen be⸗ mächtigt oder bemächtigen wollen. Diese Organisationen sind durch⸗ aus selbständig. Es ist ganz unangebracht, lediglich über den Kontrakt— bruch seitens der Arbeiter zu klagen; es gibt auch Zechenverwaltungen, welche sich desselben Vergehens schuldig machen. Der Kampf der Arbeiterorganisationen ist ein Abwehrkampf gegen die ungerecht⸗ fertigte Einschränkung der Willensfreiheit der Arbeiter. Das „Zechen⸗ laufen“ ist ein nur ganz vereinzelt zu konstatierender Vorgang, der wahrhaftig nicht einen Zwangsarbeitsnachweis nötig macht. Daß es mit dem Nachweis so ganz harmlos nicht steht, ergibt ja schon die Zuschrift, worin ersucht wird, das Material des Zechenverbandes ver⸗ traulich zu behandeln. Wir wünschen auch, daß dieser Zwangs⸗ arbeitsnachweis nicht zum Streik im Ruhrkohlenbecken führt, daß bei Beschwerden die Staatsregierung auf Remedur dringt, und daß man den Arbeiterorganisationen keine Schwierigkeiten macht.
Abg. Dr. Beumer (nl.): Der Abg. Leinert hat heute die Aeuße⸗ rungen des Herrn Bueck im Zentralverband deutscher Industriellen über die Notwendigkeit der Herabsetzung der Löhne wiederum zitiert. Herr Bueck hat dort in ganz anderem Zusammenhange von den Mitteln gesprochen, welche die deutsche Industrie nur noch habe, um sich auf dem Weltmarkt zu behaupten: Herabsetzung der Frachten, Ausbau der Wasserstraßen und, wenn diese beiden Mittel nicht angewendet würden, als letztes dann bedauer— licherweise Herabsetzung der Löhne. Ich komme jetzt zu meinem
rheinischen Landsmanne Trimborn. Wie schon früher, kann ich ihn auch heute als die delphische Pythia bezeichnen. Er sagte estern, es kann so kommen, es kann aber auch so kommen. Fr soll, wie heute bemerkt wurde, objektiv gesprochen haben. Nach meinem Eindruck war seine Rede weniger objektiv als vorsichtig. Wie wenig aber diese Vorsicht auf gewerkschaftliche Kreise zu wirken eeignet ist, zeigt, daß, als mein Freund Hirsch den Aufruf des Vorstandes des Gesamtverbandes christlicher Gewerkschaften gegen die Zechenarbeitsnachweise vorlas, der Abg. Imbusch bei den Worten: „Dieser Arbeitsnachweis ist eine Arbeiterentrechtung und eine Arbeiter⸗— knebelung im schlimmsten Sinne des Wortes“ usw. „Sehr richtig!“ und „Das ist völlig zutreffend!“ rief. Diese Zustimmung sticht sehr wesentlich ab von seiner heutigen Rede, wo er davon sprach, man dürfe doch den Arbeitern nicht eine kleine Wortentgleisung übelnehmen, und wo er den Vorstand der christlichen Gewerkschaft von aller Schuld zu erkulpieren suchte. Er sprach auch von Arbeitgeberblättern, in denen Angriffe gegen die Regie— rung erfolgt seien. Meine politischen Freunde tragen dafür gar keine Verantwortung. Ich habe mich aber in erster Linie zum Worte gemeldet, um dem Abg. Trimborn gegenüber fest zustellen, daß die Anklagen, die ihm gegen den Hamburger Arbeits nachweis zugegangen sind, und von denen er loyalerweise gesagt hat, daß andere Leute anderer Ansicht über diesen Verband sind, völlig aus der Luft gegriffen sind. Ich habe mich persönlich nach Hamburg begeben, und ich kann auf Grund des vorliegenden Statuts und der Praxis dieses Verbandes feststellen, daß eine Frage nach der Zugehörigkeit des Arbeiters zu einer Organisation dort nicht gestellt und ein Vermerk darüber nicht gemacht wird, ob er organisiert ist oder nicht. Mit den Bestimmungen über den Kontraktbruch nimmt der Hamburger Arbeitsnachweis sowohl das Interesse der Arbeitgeber als auch das des Arbeitnehmers wahr, denn durch den Kontraktbruch werden die übrigen Arbeiter geschädigt. Durch diese Nichterfüllung des eingegangenen Kontraktes werden auch die Arbeiter getroffen, welche an die Stelle hätten treten können, wenn nicht der betreffende Kontraktbrüchige sich gemeldet hätte. Diese Maßregel, um Ordnung in den Arbeitsmarkt hineinzubringen, sollten wir begrüßen, nicht allein im Interesse der Industrie und der Landwirtschaft, die beide auf die Regelung des Arbeits marktes den allergrößten Wert legen müssen, sondern namentlich auch im Interesse der Arbeitsuchenden. Wer im praktischen Leben steht, wird beobachtet haben, daß in dem bisherigen System der Arbeitslosenunterstützung in den Städten doch hier und da ein grober Unfug insofern liegt, als in die Städte zurzeit die Arbeiter dringen und Arbeitslose beschäftigt oder unterstuͤtzt werden, während es in der Landwirtschaft an Arbeitern fehlt. Auch hier soll der Arbeitsnachweis eine Regelung in den Arbeits markt bringen. Im Königlichen Bergbau besteht die schöne Ein⸗ richtung, daß jeder, der in eine andere Belegschaft will einen Ersatzmann stellen muß. Diese Maßregel können wir
im Ruhrgebiet leider nicht anwenden. Daß der paritätische
Arbeitsnachweis in den Ruhrbergbau nicht hineinpaßt, haben schon die Vorredner nachgewiesen. Ich will nur noch hinzufügen, daß die effektiven Leistungen der Arbeitgebernachweise viel großer sind, als die der paritätischen Arbeitsnachweise. Daß plötzlich auch die Gewerkschaften nach paritätischen Arbeits— nachweisen rufen, ist äußerst bezeichnend. Bisher war alles in schönster Ordnung, und die einseitigen Arbeitsnachweise der Gewerkschaften bedurften keiner Kontrolle. Jetzt, wo die Arbeit geber von ihrem Rechte Gebrauch machen, auch einen Arbeits⸗ nachweis einzurichten, ist es etwas anderes. Warum hat man früher nicht, wo unter der Tyrannei gewisser gewerkschaftlicher Arbeits⸗ nachweise in manchen Gegenden unseres deutschen Vaterlandes die Arbeitgeber sehr schlimme Zeiten durchmachten, nach einer öffentlichen Regelung gerufen? Fragen Sie nur das delphische Orakel! Man hat in Deutschland jahrelang versäumt, sich recht— zeitig zu einer Abwehr der Gewerkschaftsbewegung zu rüsten. Man war in Arbeitgeberkreisen teilweise so mürbe geworden, daß man durch die fortgesetzten Angriffe auf die Arbeitgeber zu der Meinung kam, man dürfe sich über nichts wundern. Jetzt wollen sich nicht allein die Kreise der Großindustrie von diesem Zwange frei machen, sondern auch die Kreise des Kleingewerbes, die Installateure, die Schreiner usw. sind der Tyrannei der Gewerkschaften müde geworden. Und man wird eines Tages Herrn Trimborn angesichts seiner großen Freundschaft für die Gewerkschaften das Wort zurufen: „Der Knabe Karl fängt an, mir fürchterlich zu werden!“ Ein Arbeits— nachweis auf dem Boden des Rechts fördert dagegen die Arbeit. Das und nichts anderes will auch der Zechennachweis des Ruhr⸗ reviers. Dafür wird er den Beweis erbringen, und so wollen wir ihm eine glückliche, für die Arbeit gesegnete Zukunft wünschen unter dem Wahlspruch: Gleiches Recht für alle und Arbeit im deutschen Vaterlande.
Ein Antrag auf Schluß der Besprechung wird ange⸗ nommen. .
Um 51 Uhr vertagt sich das Haus auf Montag 11 Uhr. (Kleinere Vorlagen; Landwirtschaftsetat.) .
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungsmaßtregeln.
1910.
Tier seuchen im Auslande.
Nr. 4.
(Nach den neuesten im Kaiserlichen Gesundheitsamt eingegangenen amtlichen Nachweisungen.)
Vorbemerkungen: 1) Ein Punkt in einer Spalte der Uebersicht bedeutet, daß in der betreffenden Nachweisung eine Angabe für diese Spalte nicht enthalten ist; ein Strich bedeutet, daß Fälle der betreffenden Art
nach den vorliegenden Angaben nicht vorgekommen sind, . . 2) Die Bezeichnung Gehöfte“ schließt ein: Ausbrüche (Großbritannien),
est, Rauschbrand, Wild, und Rinderseuche, Tollwut, Lungenseuche, Schafpocken, Geflügelcholera, Hühnerpest. Büffel⸗
(Norwegen,) Bestände (Dänemark).
3) Die in der Uebersicht nicht , , wichtigeren Seuchen, wie Rinderp ind in der Fußnote nachgewiesen.
seuche, Hämoglobinurie usw.,
Ställe, Weiden, Herden (Schweiz und Frankreich,, Besitzer (Luxemburg und Niederlande), Ställe
Milzbrand
Zeitangabe. meinden
ahl der vorhandenen rke (Provinzen, Departe⸗ Sperrgebiete ꝛc.)
über⸗ haupt neu
Se Gehöfte Bezirke
Maul. Rotz und Klauenseuche
Ge⸗ ? Ge⸗
meinden meinden
Gehöfte
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Ge⸗ 3 . meinden Gehöfte Bezirke
8 ; Schweineseuche?) Rotlauf der Schweinen) (einschlleßlich Schweincpesth
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ments, Gouvernements,
19. 1. 10
15. 1. 16
13. 1. 16 18. 17. 24. 12. 09g 25. 17. 51. 17. 99 . 31. Iz. 253. 17. 0) pi] 9. 17. G .I. 16 76. 17. 26. 2.09 16. 1. -= 165. 1.10 9. 1. - 15. i. 16
desterreich . KJ sroatien⸗Slavonien
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Wöchentliche, bezw. viermal im Monat erscheinende Nachweisungen.
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z ; 2 418 ; 369 . — 22 ö 32 : ᷓ ö
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y Schweiz: Staͤbchenrotlauf und Schweineseuche. —) Bosnien u. Herzegowina: Schweinepest; Großbritannien: Schweinefieber; Italien: Schweineseuchen (allgemein)
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