daß das Standgericht ihn freigesprochen habe. Ich habe auch schon mein Bedauern darüber ausgesprochen, daß der betreffende Gerichts⸗ herr keine Berufung eingelegt hat, damit diese Sache in einer höheren Instanz einer nochmaligen Beleuchtung hätte unterzogen werden können. Ich bedauere das nicht deshalb, weil ich das Urteil für falsch halte, sondern, weil ich es für wünschenswert halten muß, daß die Sache bis in die höchste Instanz einwandfrei beleuchtet werde. messen in der Armee nicht mit zweierlei Maß, und das wäre in der oberen Instanz noch deutlicher für die All— gemeinheit zum Ausdruck gekommen als vielleicht in der unteren In⸗ stanz. Er ist freigesprochen worden, weil das Standgericht annahm, daß es nicht erwiesen sei, daß eine gemeinschaftliche Verabredung zu dem zur Anklage stehenden gemeinschaftlichen Hausfriedensbruch vor⸗ lag, daß es nicht erwiesen sei, daß die Angeklagten die Tür gewaltsam geöffnet hätten, und daß sie die Aufforderung von Veith, das Zimmer zu verlassen, überhört hätten. Das Gericht hat weiter seinem Urteil zugrunde gelegt, daß bei den Leuten das Bewußtsein der Rechts— widrigkeit überhaupt nicht vorhanden gewesen ist. Ich darf vielleicht noch erläutern, daß auch der Staatsanwalt, dessen Befugnis ja doch der größere Teil der Exzedenten unterstand, auch nicht eingeschritten ist, weil er auch keinen schweren Hausfriedensbruch als vorliegend er⸗ achtete, und weil wegen eines einfachen Hausfriedensbruches überhaupt kein Strafantrag gestellt war.
Für die Militärverwaltung handelt es darum, ob ein militärisches Vergehen vorlag. Ein solches konnte — wie ich neulich mir erlaubte auseinanderzusetzen — nicht als vorliegend angesehen werden, weil von den Einjährigfreiwilligen nur zwei über— haupt im Zimmer waren, der eine Unteroffizier war und der andere sich an dieser Sache überhaupt nur dadurch beteiligt hatte, daß er ge⸗ sungen hat. Die andern sind überhaupt erst später dazugekommen.
Im übrigen unterliegt, wie ich nochmals betone, der ganze Fall zurzeit einer gerichtlichen Nachprüfung. Ich bin daher nicht in der Lage, über einen noch nicht ganz ausgetragenen gerichtlichen Fall hier noch weitere Auskunft zu geben, habe auch die Akten gar nicht zur Stelle.
Es ist dann die Zusammensetzung des Standgerichtes bemängelt worden. Zunächst muß ich sagen: wenn die Offiziere, die darin gesessen haben, zum Teil früher in ihrer Studentenzeit dem Korps der Borussen angehört haben, so kann das kein Grund sein, sie jetzt auszuscheiden; denn die Borussen standen eigentlich nicht als Angeklagte dort, sondern ein paar Einjährigfreiwillige (Lachen bei den Sozialdemokraten), die gelärmt und geheult haben und — wie ich ohne weiteres zugebe — sich nicht anständig benommen haben. Das Standgericht ist nicht ad hoc zusammengesetzt worden. Wenn Sie sich den § 41 des Militärstrafgesetzbuchs ansehen, so werden Sie finden, daß danach das Standgericht für alle Fälle zusammengesetzt ist, sodaß in keiner Weise eine Beeinflussung seitens des Gerichtsherrn eintreten kann.
Ich muß mich auch verwahren dagegen, wenn hier immer ein
Unterschied bei den Bestrafungen von Offizieren und von anderen Leuten des Soldatenstandes gemacht wird. Das ist wirklich nicht der Fall in unserer Rechtsprechung. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Unsere Kriegs- und Standgerichte gehen in der Beziehung von absolut unparteiischen Grundsätzen aus. (Lachen und Widerspruch bei den Sozialdemokraten. Es handelt sich lediglich darum, gerecht zu sein und die Disziplin aufrecht zu erhalten. Beides ist identisch. Es ist dann der Blankenburger Fall noch einmal gestreift worden. Der Ehrenrat hat im vorliegenden Falle keinen Ausgleich versuchen können, weil eine so schwere Beleidigung zwischen den beiden Herren stattgefunden hat, daß, wenn der Ausgleich an sie herangetreten wäre, sie das zweifellos als eine neue Beleidigung an⸗ gesehen hätten. Der Ehrenrat hat sich aber in keiner Weise eine Anstiftung zum Duelle zu schulden kommen lassen, sondern er ist im Gegenteil mit auf den Kampfplatz gegangen, um zu mildern. Es liegt also nach keiner Richtung hin eine strafbare Handlung des Ehrenrats vor. Straflos ist die Sache nicht gehalten worden. Mit Strafen kommen wir aber Duellen nicht nahe. Ich meine, das sollte Sie die Geschichte lehren. (Sehr richtig! rechts Wenn schon die brandenburgischen Kurfürsten trotz entehrender Strafen, trotz Todes⸗ strafen es nicht fertig gebracht haben, die Duelle aus der Welt zu schaffen, werden Sie es auch heute nicht fertig bringen. Duelle sind nur auf dem Wege einzuschränken, den die Allerhöchste Order von 1897 lbeschritten hat, nämlich auf einen gerechten Ausgleich hinzu⸗ wirken; und das ist — wie ich mir schon erlaubt habe auszuführen — in der Armee in vollem Maße geschehen. (Zurufe links.)
Dann waren die ehrengerichtlichen Verordnungen Gegenstand des Vortrages des Herrn Abgeordneten. Er hat darauf hingewiesen, daß sie auch auf politische Vergehen ausgedehnt würden. Ich glaube, ich braüche nach dem gestrigen Vortrag des Herrn Abg. Erzberger auf diese Frage eigentlich gar nicht einzugehen; denn ohne mein Zutun hat der Herr Abg. Erzberger Kenntnis von einer Verfügung des Chefs des Militärbinetts gehabt, die ganz klipp und klar ausspricht, daß politische Vergehen sich zum Gegenstand ehrengerichtlicher Verhandlungen über⸗ haupt nicht eignen. Das ist ein Grundsatz, der, wenn er von einem Abgeordneten hier in einwandfreier Weise erzählt wird, hoffentlich noch mehr Glauben findet, als wenn er allein vom Bundesratstische aus betont wird. (Heiterkeit)
Auch über die Offiziere, die Uniform tragen und den Ehren— gerichten unterstehen, scheint immer noch ein Zweifel zu sein. Ich darf auf unsere Gesuchslistenbestimmungen hinweisen, die schon im Jahre 1891 herausgekommen sind — also vor ziemlich geraumer Zeit — und will, um jeden Zweifel zu vermeiden, die einschlägigen Be— stimmungen wörtlich verlesen. Da heißt es auf Seite 14:
Die Erlaubnis zum Tragen von Uniform usw. kann von dem Gesuchsteller erbeten werden. Und an einer anderen Stelle heißt es: Wenn für einen ausscheidenden Offizier die Erlaubnis zum Tragen einer Uniform beantragt wird, ohne daß der Offizier selbst in seinem Gesuch darum gebeten hat, so ist anzunehmen, daß der Offizier mit dem Antrage einverstanden ist. Wenn beides nicht vorliegt, der Offizier den Antrag selbst nicht ge⸗ stellt hat und mit dem Antrage nicht einverstanden ist, bekommt er die Uniform nicht. Wenn aber unter dieser Voraussetzung die Uniform von Seiner Majestät bewilligt werden konnte, kann der Betreffende nicht sagen: ich danke! — wenn ihm etwas Unangenehmes passiert. (Sehr richtig! rechts) Dann muß er, solange er die Ehre genossen hat, die Uniform zu tragen, warten, bis die Sache gerichtlich
Mir Wir
sich aber in erster Linie
(Sehr richtig! rechts.). Einseitig auf eine solche Sache zu verzichten, würde bedeuten, das Disziplinarrecht des Allerhöchsten Kriegsherrn ignorieren. (Erneute Zustimmung rechts.)
Es ist dann wiederum das Militärkabinett gestreift, ganz besonders die Macht des Militärkabinetts betont worden. Ich weiß nicht, wie ich Ihnen das noch näher auseinandersetzen soll. Gerade der Kriegs⸗ minister befindet sich in einer außerordentlich günstigen Situation. Der Kriegsminister hat alle Woche bei Seiner Majestãt Vortrag zu halten; die Verhandlungen zwischen dem Kriegsminister und dem Allerhöchsten Kriegsherrn sind immer mündlich, so gut wie nie schrift⸗ lich. Der Kriegsminister kann also gar nicht in die Lage kommen, wenigstens in keiner wichtigen Angelegenheit, daß er von dem Militär— kabinett schriftlich ausgearbeitete Entscheidungen Seiner Majestät be⸗ kommt; ich bin tatsächlich in der Lage, Seiner Majestät das vorzu⸗ tragen, was ich für richtig erachte. Ich weiß nicht, inwieweit das Militärkabinett eine Mittelsperson zwischen dem Allerhöchsten Kriegs⸗ herrn und mir spielen sollte.
Dann ist auf die Verhältnisse zur Zeit des Generals v. Man— teuffel hingewiesen worden. Wenn Sie so weit zurückgehen müssen, um Beweismaterial für Gegenwart und Zukunft zu erhalten, dann ist doch das Beweismaterial ein recht dürftiges. (Sehr richtig rechts Ich spreche hier von der Gegenwart. Der Chef des Militärkabinetts ist gar nicht in der Lage, aus eigener Macht⸗ vollkommenheit das Schicksal der Offiziere zu entscheiden. Das ist hier schon von meinem Amtsvorgänger auseinandergesetzt worden. Der Chef des Militärkabinetts ist an die Anträge der kom⸗ mandierenden Generäle gebunden, und wie entstehen die? Auf Grund des Berichts der Vorgesetzten von den Regimentskommandeuren auf— wärts. Diese Vorgesetzten vom Regimentskommandeur aufwärts sind ältere Offiziere, ehrenwerte, gefestigte Charaktere, denen Seine Majestät das Vertrauen geschenkt hat, ein Offizierkorps zu leiten. Solche ehrenwerte charakterfeste Offiziere sollten nicht ohne weiteres in solcher Weise kritisiert werden; sie tun ihre Schuldigkeit nach bestem Wissen und Gewissen. (Bravo! rechts Das kann ich aus meiner eigenen Praxis versichern.
In- Pensionsfragen ist der Chef des Militärkabinetts auch nicht eigenmächtig. Bei einem Offizier, der den Abschied bekommt, lautet die betreffende Pensionsbestimmung: mit der gesetzlich Ihnen zustehenden Pension. Mit dieser Hinzufügung bekommt das Kriegsministerium die Kabinettsorder zugeschickt, und das Kriegsministerium entscheidet, ob und welche Pension zuständig ist. Nur derjenige bekommt die Pension zugesichert, der tatsächlich gegen den Militärfiskus ein einklag⸗ bares Recht hat. So liegen die Verhältnisse.
Wenn eine weitere Ausdehnung der Machtbefugnisse das Kriegs⸗ ministerium in bezug auf die Personalien in der Armee haben soll, dann, meine Herren, muß ich Ihnen dasselbe erwidern, was Ihnen bereits mein Amtsvorgänger ausgeführt hat: dann müßte die Ver⸗ fassung geändert werden. Seine Majestät steht nach Art. 46 dem preußischen Heere so gegenüber, daß Er die Stellen besetzt, und nach einem anderen Artikel der preußischen Verfassung, der noch in Geltung ist, führt Er den Oberbefehl. Die Reichsverfassung hat an dieser Kom mandogewalt nichts geändert. Wenn Sie das dahin andern wollen, daß auf die Personalien das Parlament durchaus einen Ein⸗ fluß ausübt, dann muß die Verfassung geändert werden. Ich für meinen Teil kann das nicht befürworten. (Bravo! rechts) Denn das persönliche Verhältnis zwischen Seiner Majestät und den Offi⸗ zieren istzeine Hauptstütze und Hauptstärke der Armee. Eebhaftes Bravo rechts.)
Damit erledigen sich auch die Bemerkungen des Herrn Ab⸗ geordneten über die Aenderung der Stellung der Offiziere zum Aller⸗ höchsten Kriegs herrn. Daß der Offizier ein ganz andere Stellung im Staatsleben einnimmt als ein Beamter, ist ohne weiteres schon aus dem- Grunde klar: der Offizier schwört nicht auf die Verfassung, sondern leistet nur den Eid seinem Allerhöchsten Kriegsherrn, und diese klare, einfache Situation ist auch zum Segen des Vaterlandes in vielen Schwierigkeiten gewesen. Daran wollen wir auch nichts ändern. (Bravo! rechts.)
Die Ergänzung des Offizierkorps ist dann Gegenstand seines Vortrags gewesen. Das Militärkabinett hat auf die Ergänzung der Offiziere im großen und ganzen gar keinen Einfluß; es verteilt lediglich die Kadetten, und wenn die Kadettenverteilung im Jahre 1909 den Wünschen des Herrn] Abgeordneten nicht so ganz entsprochen hat (Geiterkeit rechts), so liegt es einfach an folgendem: ich sprach über diese Sache mit dem Chef des Militärkabinetts selber, und der sagte mir: „Ja, was soll ich denn tun? Soll ich Leute, die sich nicht ge⸗ meldet haben, zu Regimentern nach Berlin usw. schicken, lediglich des⸗ halb, um den Ausgleich zu bewirken? soll ich Söhne von Offizieren, die stets im ersten und zweiten oder in einem sonstigen Garderegiment eingetreten sind, in ein Regiment an die Grenze schicken? — Darauf habe ich ihm erwidert: nein, das wäre unrecht. Den Wünschen der betreffenden Väter und Söhne wird, soweit es irgend möglich ist, entsprochen? — soweit als irgend möglich, sage ich, weil wir auf der anderen Seite die Fehlstellen in der Armee berücksichtigen müssen. Aber eine eigentliche Einwirkung auf die Ergänzung des Offizierkorps hat der Chef des Militärkabinetts nicht. Das ist Sache des Regimentskommandeurs, der annimmt, der die Fahnenjunker sichtet / der Seiner Majestät für die Erhaltung der Homogenität des Offizier⸗ korps seines Regiments verantwortlich ist.
Es ist dann bemängelt worden, daß die Bürgerlichen, die hier und da in sogenannte adlige Regimenter erster Klasse hineingesetzt wurden, dort nicht freundlich aufgenommen worden wären. Meine Herren, wenn es sich da, wie der Herr Abgeordnete meint, um einen Stabsoffizier handelt, so muß ich das auch sehr stark bezweifeln. Wie soll man sich das denken, daß in einem preußischen Offizierkorps ein älterer Offizier (sehr richtig! rechts), ein Stabsoffizier, in seinem Regiment nicht willkommen geheißen wird, oder daß man ihn das sogar fühlen läßt! Das ist ganz ausgeschlossen, und ich habe zufällig ein positives Beispiel in meiner nächsten Nähe, wo auch ein bürger⸗ licher Offizier in ein sogenanntes adliges Regiment versetzt worden ist, der mir selbst gesagt hat: daß die Zeit, die er in dem Regiment zugebracht hat, eine der angenehmsten seiner dienstlichen Laufbahn war. Es ist ausgeschlossen, daß in einem preußischen Offizierkorps so etwas überhaupt vorkommt (sehr richtig! rechts), und ich be zweifle es.
Wenn die Verlegung eines Regiments von einem Ort zu einem andern stattfindet, wie es vorher der Herr Abgeordnete von einem
erledigt ist und Seine Majestät auf diesen Antrag eingehen kann.
Regiment erwähnte, so kommt das lediglich daher, weil man die
Regimenter aus gewissen Gründen unter Umständen in einfachere Verhältnisse bringen will, nicht aus anderen Gründen.
Wegen der Bevorzugung des Adels muß ich bei dem bleiben, was ich gestern ausgeführt habe. Eine Bevorzugung des Adels beim Avancement in der Armee tritt nicht ein, und auch beim Generalstab nicht, und ich muß auch annehmen, daß der Chef des Generalstabz irgendeine Aenderung in den Kommandierungen zu den Abteilungen nicht hat eintreten lassen infolge der vorjährigen Anregungen dez Herrn Abg. Müller⸗Meiningen. (Große Heiterkeit.)
Ich glaube, das ist nicht der Fall.
Es ist hier ja auch die Adjutantur hervorgehoben worden. Meine Herren, wirklich, erst durch Sie werden wir dazu gezwungen, uns zu überlegen: wo stecken eigentlich die Adligen und wo die Unadligen in der Armee? Im praktischen Leben der Armee ist es wirklich nicht fühlbar und tritt nicht zutage. Wie entstehen solche Kommandierungen als Adjutanten? Darauf muß man einmal kommen! Für jeden Offizier, der eine ausnahmsweise Verwendung finden soll, wird eine Liste vom Regimentskommandeur aufgestellt; in einem bürgerlichen Regiment wird das wohl auch ein bürgerlicher Regimentskommandeur sein. Sie wird durch die Brigade, durch die Division und durch den kommandierenden General begutachtet; jeder der Vorgesetzten nimmt dazu Stellung, und so kommen diese Vorschlagslisten in das Kabinett, und nur aus diesen Vorschlagslisten, die von allen Vorgesetzten begutachtet sind und an das Militärkabinett kommen, können die Offiziere ausgewählt werden, die als Adjutanten oder sonst ausnahms— weise zur Verwendung gelangen, — nicht anders. Nicht so, daß der Chef des Militärkabinetts sich einen Offizier wohl oder übel nehmen darf, weil er ihn besonders kennt, oder weil er auf dem Konnexionswege extra auf ihn aufmerksam gemacht worden wäre, kommt eine solche Kommandierung zustande, nein, lediglich auf den Vorschlag der pflichtgemäß dazu eingesetzten Vorgesetzten. Glauben Sie mir, es wird bei uns, soweit es nach menschlichen Begriffen überhaupt möglich ist, Gerechtigkeit geübt — ich sage ausdrücklich: nach menschlichen Begriffen. Daß Fehler hier und da vorkommen, will ich nicht bestreiten; aber wir sind ehrlich bestrebt, nach dieser Richtung Wandel zu schaffen, und jeder Vorgesetzte weiß, daß gerade die Art der Beurteilung, die er seinen Untergebenen zuteil werden läßt, für die Beurteilung seiner eigenen Person maßgebend ist.
In bezug auf die Wertschätzung des Erlasses des verstorbenen Generals von Endres in Bayern stimme ich dem Herrn Abgeordneten in seinem Lobe nach jeder Richtung durchaus bei, und es wäre durch⸗ aus wünschenswert, wenn wir in dieser Beziehung auch in Preußen
schon weitergehen könnten, um die Bildung der Offiziere zu erweitern
und die Anforderungen an die Offiziere in wissenschaftlicher und in praktisch⸗dienstlicher Beziehung zu erhöhen. Bis jetzt hat uns davon abgehalten, daß wir mit einer ziemlichen Anzahl von Fehlstellen zu rechnen hatten. Wie die Verhaältnisse jetzt liegen, scheint es so, als ob die Fehlstellen eingingen. Wenn ich die Zahl recht im Kopf habe, haben wir in der ganzen Armee zurzeit nur noch 800 und einige 40 Fehlstellen, erheblich weniger als im Vorjahre. Schreitet das so fort, dann werden wir auch auf diesem Wege folgen.
Ein besonderer Schaden ist durch diese Sache nicht eingetreten. Weshalb nicht, meine Herren? Der Offizierberuf ist doch in erster Linie kein wissenschaftlicher, sondern ein praktischer. (Sehr richtig! rechts) W Es kommt bei ihm nicht in erster Linie darauf an, daß man eine ganze Masse abstraktes Wissen überhaupt hat, sondern haupt⸗ sächlich darauf, daß der Offizier Charakter hat, daß er praktisch ist und zunächst im praktischen Leben das tun kann, was von ihm ver⸗ langt wird. Kommt er später dann in Stellen, wo er wirklich ab⸗ straktes Wissen notwendig hat, dann ist es in der Regel so spät, daß das, was er in der Schule gelernt hat, zum Teil wieder vergessen ist. — Ich erläutere das nur als Grund dafür, weshalb bei uns dieses Verhältnis noch nicht als großer Schade empfunden worden ist. Ich wiederhole aber, ich gebe ohne weiteres zu, daß das ver⸗ besserungsbedürftig ist, namentlich deshalb, weil es zu ganz merk⸗ würdigen Auffassungen außerhalb der Armee führt, dann aber auch im Interesse des Offiziers selber, weil, wenn er aus einem besonderen Grunde frühzeitig ausscheiden muß, das Abiturientenexamen und seine Kenntnisse aus der Schulzeit ohne weiteres für sein Fortkommen von Nutzen sind.
Auf die Herabsetzung der Dienstzeit, sogar bei der Infanterie, einzugehen, habe ich wirklich keine Veranlassung. Ich kann nur sagen, die Armee hat sich mit der zweijährigen Dienstzeit bei den Fußtruppen abgefunden, so gut es ging, und zwar wesentlich, weil alle Vor⸗ gesetzten, Offiziere und Unteroffiziere, ehrlich bestrebt waren, bis an die Grenzen ihrer Kraft den Betrieb zusammenzudrängen und zu leisten, was notwendig ist für den Krieg. Mehr wird nicht möglich sein. Es ist ja schon von verschiedenen Seiten betont worden, daß die Nervosität in der Armee zunehme. Das ist auch zuzugeben. Aber weshalb ist die Nervosität in der Armee zum Teil so wesentlich ge⸗ wachsen? Weil die Anforderungen im modernen Kriege dauernd wachsen, und wir bestrebt sein müssen, in einem Minimum von Zeit diesen An⸗ forderungen zu genügen. Das wir das wollen, geht schon aus der Vereinfachung unserer Reglements hervor. Wir werfen nach und nach alles Ueberflüssige, Parademäßige über Bord — ich sage mit Absicht: nach und nach, weil mit Gewalt so etwas überhaupt nicht möglich ist. Zurzeit ist die Ausbildung schon derartig, daß wir auf das Parademäßige keinen übertriebenen Wert legen. Es ist das in anderem Sinne erörtert worden. Aber wann findet denn bei uns überhaupt eine Parade statt? Nehmen Sie nicht Berlin, wo be⸗ sondere Verhältnisse vorliegen; aber draußen in der Provinz in der Regel nur bei Kaisers Geburtstag, und wenn Seine Majestãt Herbst⸗ parade, die großen Manöver hat, alle sechs bis neun Jahre. Im übrigen sieht der Vorgesetzte bei Besichtigungen keine Parade. Am Schluß der Uebungen wird nur ein Parademarsch gemacht, und zwar aus dem Grunde, weil das gerade ein Moment ist, auf das militãrisch besonderer Weit gelegt werden muß, um zu beweisen, daß nach einer anstrengenden Uebung von sechs oder acht Stunden, wo einer kaum noch kann, der Mann noch in der Lage ist, sich zusammenzureißen und einen strammen Marsch ju machen. (Lebhaftes Bravo rechts.)
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
3 26.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Ahg, von Oldenburg (don): Die Herren Sozialdemokraten Eben sich darüber beschwert, daß ihnen in Mansfeld nicht zart genug tgegnet worden ist. Wenn die dortigen Streikenden die gesellschaftlichen ungangsformen besitzen wie derjenige, der sich vorhin von der äußersten nken erlaubte, der Rechten zuzurufen: Halten Sie das Maul!, so é mit ihnen noch viel zu gelinde verfahren worden. (Zuruf ks: Wer hat den Ausspruch getan: ‚Die Minister können uns sonst
87.) Sie können das alles nachher erzählen. Der Abg. Dr. Müller⸗ leiningen sprach von der Parade und dem Paradedrill. Ich d viele meiner Freunde, die mit mir bei der Armee standen haben, bedauern, wenn eine alte preußische üulitärische Tradition verloren geht, wie der Parademarsch, e militärischen Honneurs, das Frontmachen. Aber die Kriegs⸗ t ist veränderlich, und deswegen schih man sich auch als lter Soldat sehr vorsehen, über militärische Verhältnisse zu urteilen 1d zu schreiben, und je höher die Charge, desto vorsichtiger. Ich Einnere an ein Wort Bismarcks im preußischen Herrenhause, als ein snanzminister eine Finanzvorlage bekämpfte: Lassen . dadurch cht in Ihrem Urteil beeinflussen, daß Se. Exzellenz früher Finanz⸗ inister war; wenn er zu gebrauchen gewesen wäre, wäre es heute noch. Auch wir verurteilen das Politisieren der ffizerkorps aufs schärfste, weil die Korps nichts mit . zu
haben und zu tun haben sollen; und ich kann nicht umhin, mein kedauern auszudrücken, daß man die Herren sehr häufig Journale gen läßt, die selbst wir hier im Reichstage nur ungern in die Hand chmen, und wir sind doch hier an einen ziemlich starken Tabak ge⸗ öͤbnt. (Heiterkeit und Unruhe) Ich will mich Ihretwegen it meiner Stimme nicht anstrengen, das lohnt mir nicht. n letzter Zeit gipfelt die politische Erwägung der Herren in folgender chlußfolgerung: Die törichten Konservativen haben sich mit dem üücklich beseitigten Zentrum verbunden, um das Geld zu schaffen, elches für unsere Gehaltserhöhung notwendig war. Dag ist n Skandal. Es ist richtig, wenn wir als Offiziere bei der lten Gepflogenheit bleiben, uns mit den Reglements zu befassen. In sese Kategorie fällt auch die Tatsache, daß die Herren Offtziere sich selfach in militärischen Nöten an die Abgeordneten wenden. Das war meiner Zeit nicht der Fall, da wäre es keinem im Traum ein— fallen; sie wendeten sich nur an die Vorgesetzten. An mich hat sich lücklicherweise niemand gewendet, außer in einem einzigen Falle, wo berechtigt war. Bezüglich der Pensionierungen der Offiziere hat ke Kriegsminister ja schon geantwortet, warum die Theorie des Abg. t. Müller⸗Meiningen nicht ausführbar ist, weil dann ein Stagnieren mntreten würde; die Sprünge, die doch vorkommen bei Versetzungen die Adjutantur und in den Generalstab, kennen wir, und die mieren keinen. Der Abg. Dr. Müller⸗Meiningen verlangt Reform des lilitärstrafrechts. Wir haben doch erst seit wenigen Jahren eine tue Strafprezeßordnung; leider, muß ich sagen; die alten Zustände aren viel besser, das , . ist dagegen angegangen, die Ver⸗ altung hat nachgegeben, und nun klagen Sie wieder. Wir können hh nicht alle paar Jahre eine neue machen, es muß erst eine Weile ben. Der Bonner Fall ist nicht näher bekannt, scheint aber ssentlich übertrieben zu sein. Ich bedauere, da ich nicht Korps⸗ dent gewesen bin, ich habe nicht studiert. Man muß auch in niversitätsstädten solche Fälle, wenn sie selbst Ausschreitungen nrstellen, nicht so tragisch nehmen; besser, wenn die jungen erren, Korpsiers oder nicht, mal über die Stränge schlagen, als enn sie gar nichts unternehmen. Die Mißhandlungen sind ch Gott sei Dank tatsächlich auf das denkbar geringste Maß tückgegangen; sie ganz zu beseitigen, wird unmöglich sein, lange noch Rekruten und Unteroffiziere Menschen sind. Den ftieren kann auch nicht der Vorwurf gemacht werden, daß sie die Lannschaften und die Unteroffiziere nicht genügend kontrollieren; es ist ch unmöglich, die Leute jede Minute von Offizieren kontrollieren zu ken. Wenn Sie für wünschenswert halten, daß eine Disziplin, wie im erwähnten französischen Rittmeister gegenüber, der vor der Front bitte tun mußte, auch bei uns herrschen sollte, so halte ich das im nteresie des deutschen Vaterlandes nicht dafür; jeder aktive und in⸗ wide Offizier bei uns hat bei der Nachricht davon sich gesagt; Gott sei ak, daß ich in der deutschen Armee Dienst tue und nicht in der mzösischen! Wie weit die französische Armee mit dieser Diszilin mmen wird, wird die Zukunft beweisen. Im übrigen will ich mich
über nicht weiter auslassen, ich habe schon einmal mit dem newärtigen Amt Komplikationen gehabt. Bezüglich des nells schließen wir uns den Ausführungen des Kriegsministers an; m wird man es nicht verhindern können, aber die Allerhöchste Ver—= nung wegen seiner Einschränkung hat aufs segensreichste 7 ift, das muß anerkannt werden. Auch daß niemand seinen Ab⸗ tied bekommt, ehe er reine Wäsche hat, ist selbstverständlich; das kauchen wir zur Erhaltung der Ehre und des Ansehens S DOffijierstandes. Bei der Betrachtung über das Militärkabinett ellte der Abg. Müller⸗Meiningen wohl den jetzigen Chef in Gegensatz dem General von Hülsen bringen. Wer das Glück und die Ehre gehabt tt, den General von Hülsen zu kennen, kann Ihnen nur sagen, daß er ner der humansten Leute war, und daß der jetzige Chef nichts Besseres
n kann und wird, als in seinen Babnen weiter zu schreiten.
bat Ihnen ja, Herr Müller-Meiningen, nichts ferner gelegen,
das Andenken an den General von Hülsen zu trüben. Das Militär⸗
Linett und das Prävalieren des Adels in der Armee oder in ein—
zen Regimentern basieren auf. der preußischen Geschichte, die
unmen Bundeshrüdern vielleicht nicht in dem Maße zugänglich ist
6 mir. Ich erinnere Sie nur an die Episode, wie hier
kegentlich eines Disputs über die bayerischen oder preußischen ws der baverische General von Endres in ee ! herzbewegender uase seinen Dank abstattete für das, was die baverischen Korps dem Beispiel der preußischen Armee gehabt haben. Wenn Sie, ane werten Bundesbrüder, so lange denken können, denken Sie mal
Jahre weiter zurück. Als ich 3 Jahre alt war, habe ich mit vieler sibe einen Vers lernen müssen, den ich dem alten Vater hersagen lte: Und wenn der alte Fritze kommt und klopft sie auf E Hosen, dann läuft die ganze Reichsarmee, Panduren und mmiosen! Wir wollen also möglichst wenig an dem preußischen äpiel rütteln. Ist es denn ein Zufall, daß der preußische kel in so größer Zahl in den Offizierkorps sitzt? W preußische Adel ist von preußischen Königen, von nedrich Wilhelm J. und Friedrich dem Großen teilweise ge⸗ Engen worden, die Offizierskarriere einzuschlagen. Der Sohn her bei Königsberg ansaässigen Familie wollte Künstler werden da n eine Order des großen Königs: Unsinn, Sein Sohn . bei. den Husaren einzutreten! Die preußische Ge—⸗ ihte führt dahin, daß der preußische Adel in die Ofßzier⸗ P eingetreten ist; und ich glaube, daß diese preußische witien dem Offizierkorps mindestens nicht geschadet hat. Abstwerständlich pratendiert auch der Adel nicht eine bevorrechtigte llung in der Armee; nein, das entwickelt sich wieder historisch sarnf); jawohl. Wenn ein Vater seinen Sohn, gar nicht einmal a Avancement, in ein Regiment bringt, wo der Vater selbst schon nd, dann nimmt ihn doch der Oberst an und freut sich, daß der mier dies Attachement an die Truppe hat. Mancher Vater hat schon men dritten Jungen bei derselben Schwadron, wo er vor 59 Jahren nd. Ich habe überhaupt keinen Unterschied gekannt, ob adlig oder itgerlich, ob evangelisch oder katholisch; Königlich preußische Offiziere
Zweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
Berlin, Montag, den 31. Januar
waren wir alle zusammen — es ist doch natürlich daß der Komman—⸗ deur diesen jungen Leuten den Vorzug gibt vor anderen. Dasselbe gilt pon den Garderegimentern. Eine bedenkliche Wandlung in dem ganzen Ersatz unserer Offizierkorps entwickelt sich dahin, daß die Familien, adlige wie bürgerliche, nicht mehr in gleichem Umfange geneigt sind, ihre Söhne dem Heere zuzuführen. Die Gründe liegen auf der Hand. Eine lange Friedenszeit lahmt den Enthusiasmus; 15, Jahre Leutnant, 15 Jahre Kompagnie⸗ oder Schwadronschef, dann ist der Mann 50 Jahre alt, ehe er die Kompagnie oder Schwadron los wird. Dann ist doch die beste Bouillon abgeschöpft, dann kann sich kein großer Unternehmungsgeist mehr entwickeln. Ein weiterer Grund ist, daß leider Gottes die Stellung des Offiziers nicht mehr in dem Maße wie früher vor der Oeffentlichkeit geschützt ist. Wie ich Offizier war, war es mir ganz egal, was von mir in der Zeitung stand; ich fragte nur: Was * meine Vorgesetzten?“ Reichstag und Publikum ging mich nichts an. Wenn heute ein Leutnant in irgend einer Ede hustet, hat er immer die Sorge, daß es im Reichstag zur Sprache kommt. Auf das Urteil des Reichstags wird jetzt ein Gewicht gelegt, wie ich es nicht gekannt habe. Darunter leidet der Offizierstand, und er muß darunter leiden wegen seines persönlichen Zusammenhanges mit dem Allerhöchsten Kriegsherrn. Das ist auch eine preußische Traditign, und daß diese Ihnen nicht paßt, glaube ich sehr gern. Der Fönig von Preußen oder der Deutsche Kaiser muß stets im stande sein, jedem Leutnant zu sagen: Nehmen Sie 10 Mann und schließen Sie den Reichstag! (Stürmische Heiterkeit und an— haltende Erregung, in welche vereinzeltes Händeklatschen von den Tribünen hineintönt; der Redner kann sich erst nach geraumer Zeit wieder verständlich machen. Darum kann man nur den Wunsch haben, daß die Tradition in unserem Offizierkorps erhalten bleibe, auch in bezug auf die Zusammensetzung des Offizierkorps, auf dessen Homogenität, die alte königlich preußische Tradition! (Unter dem immer wieder sich erneuernden Sturm von Zwischenrufen links und demonstrativem Beifall rechts verläßt der Redner die Tribüne. Auf der Linken erschallen Rufe: Hauptmann von Köpenick! — Ohrenbetäubender Lärm auf allen Seiten des Hauses. Zwischenruf des Abg. Le de bour (Soz.): Was sagt der Praͤsident dazu? Vize⸗ präsident Erbprinz zu Hohenlohe: Ich verbitte mir eine Kritik meiner Geschäftsführung in dieser Form. Das Wort hat der Abg. Dr. Osann. — Fortgesetzter Lärm und Zurufe bei den Sozialdemo— kraten. Der Vizepräsident ruft den Abg. Ledebour zur Ord⸗ nung. Der Lärm dauert fort.) ;
Abg. Dr. Osann (nl) bleibt zunächst auf der Journalisten— tribüne unverständlich, trotzdem der Präsident wiederholt um Ruhe für den Redner bittet. Der Redner führt dann, nachdem sich der Lärm etwas gelegt hat, aus: Ich habe in meiner ersten Rede den Stand— punkt vertreten, daß man den Soldatenmißhandlungen entschieden ent— gegentreten muß. Es ist aber zu unterscheiden zwischen Soldatenschindereien und zwischen Ausschreitungen, begangen im Diensteifer. Der Abg. Noske hat die betreffenden Ausführungen vollständig mißverstanden. Wenn der Abg. Liebermann v. Sonnenberg geglaubt hat, uns eine Belehrung darüber geben zu sollen, was national ist, so lehnen wir diese Be—⸗ lehrung ab. Wir haben durch die Tat bewiesen, was wir unter national verstehen, und wir werden auch fernerhin in nationalen Fragen, besonders in Fragen der nationalen Wehrkraft, den Opfer⸗ mut zeigen, den wir bisher immer bewiesen haben. .
Abg. Schrader (fr. Vgg.): Die Aeußerungen des Abg. von Oldenburg verstießen gegen den Respekt, der von der rechten Seite bisher immer vor unserem Kaiser ausgesprochen worden ist. Das sind Aeußerungen, die aus der Armee selbst gewiß nicht hervor⸗ gegangen wären, denn unsere Armee, das nehme ich zu ihrer Ehre an, kennt unsere Verfassung und die Rechte, die dem Kaiser zustehen, und auch den Respekt, der dem Reichstage zusteht, viel zu gut. Der Abg. von Oldenburg hat diesen Respekt vor dem Reichstage aufs schwerste verletzt. Es ist eine ganz falsche Auffassung des Abg. von Oldenburg, daß den Offizier der Staat nichts angehe. Der Staat bezahlt ihn, dem Staate hat er zu dienen, dem Staate hat er seinen Treueid geleistet. Er hat den Treueid nicht geleistet dem König als Person, sondern als der Spitze des Staates. Er hat dem Staate treu zu dienen wie jeder andere Beamte, und ich habe die feste Ueberzeugung, der König wird ihm nicht etwas zumuten, was nicht mit unserer Ver— fassung im Einklang steht. Der Abg. v. Oldenburg hat also hier einen ganz rückständigen Standpunkt vertreten. Man kann doch nicht den Offizieren heute dieselbe Stellung geben wollen, die sie zur Zeit des Alten Fritzen hatten, wo man noch kein Volksheer hatte, und wo man die ungerechtesten Mittel gegen die Soldaten anwenden konnte. Heutzutage haben auch die Mann— schaften ein feines Gefühl für das, was recht und billig ist, und wenn die Offiziere es an Gerechtigkeit gegen ihre Untergebenen fehlen lassen, so verschlimmert das ihre Position. Leider ist die Trennung zwischen Offizieren und Mannschaften heute schärfer, wie sie noch vor kurzem war. Was das Militärkabinett anbetrifft, so greifen wir weder den Kriegsminister, noch sonst jemand an, sondern nur die Institutien. Wir halten es nicht für richtig, daß dem Kaiser auch in nebensächlichen Fragen eine Verantwortung aufgebürdet wird, die er nicht tragen kann, und die der Kriegsminister ihm dem Reichs— tage gegenüber ablehnen sollte. Es muß immer wieder darauf hin— gewiesen werden, daß das deutsche Volk die steigenden Militärlasten nicht tragen kann. Die Gefahr eines finanziellen Bankrotts rückt in Deutschland immer näher trotz oder wegen der Finanzreform. Später werden die direkten Steuern vielleicht in einer Weise heran— gezogen werden, die die Rechte und das Zentrum bisher von sich ab⸗ gewalzt hat. Jedenfalls geht es so nicht weiter. Wir dürfen uns nicht vollständig in Militärausgaben aufzehren. J . .
Abg. Sin ger (Soz.) zur Geschäftsordnung:; Ich stelle fest, daß der Abg. von Oldenburg dem Kaiser suppeditiert hat: Nehmen Sie zehn Mann und schließen Sie den Reichstag. Ich enthalte mich im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte, über die Niedrigkeit der Auf⸗ fassung zu sprechen, die dem Reichstage hierdurch zugemutet wird. Ich rede auch in diesem Augenblick nicht davon, daß diese Rede⸗ wendung als eine direkte Aufforderung zum Verfassungsbruch zu betrachten ist. Ich frage aber den Präsidenten, der nicht eingeschritten ist, ob er die Aeußerung gehört hat. Hat er sie gehört, dann würde es wohl eine Beleidigung für ihn sein, wenn ich annähme, daß er sich mit dem Inhalt dieser Redewendung identifiziert hat. Er würde sonst den Redner darauf hingewiesen haben, daß die Achtung, die man der Würde des Reichstags schuldig ist, verletzt wird. Hat er diese Redewendung aber nicht gehört, so nehme ich an, daß er nunmehr seines Amtes, den Reichstag vor einer Beschimpfung zu beschützen, walten wird.
Vizepräsident ien zu Hohenlohe: Ich habe die Aeußerung des Abg. von Oldenburg gehört und sie in folgender Weise aufgefaßt. Er sprach von der Disziplin im preußischen Heere, und als er die Worte sprach, die der Abg. Singer erwähnte, habe ich ge— glaubt, daß er damit nur sagen wollte, daß der preußische Soldat auch dem äußersten Ruf des obersten Kriegsherrn zu folgen hat. Hätte ich geglaubt, daß der Abg. von Oldenburg wirklich im Ernst geglaubt hätte, oder hatte aussprechen wollen, daß die preußische Armee dazu da sei, um den Reichstag auseinanderzusprengen, so würde ich ohne Zweifel eine solche Aeußerung auf das schärfste gerügt haben.
Abg. von Oldenburg (kons ); Der Herr Präsident hat voll— kommen das verstanden, was ich habe sagen wollen. Ich habe es nur als das äußerste Beispiel der Disziplin angeführt; als ein Bei⸗
dos
1910.
spiel, daß man in den äußersten Fällen die Disziplin voranstellt, daß man da nicht nach der Verfassung fragt.
Abg. Baffermann (nl. ): Ich möchte namens meiner politischen Freunde nur das eine erklären, daß auch wir in der Aeußerung des Abg. von Oldenburg eine Mißachtung des Reichstags und seiner ver⸗ fassungsmäßigen Rechte erblicken müssen, die wir tief beklagen, ebenso in der Tatsache, daß diese Aeußerung Beifall auf einigen Bänken dieses Hauses gefunden hat. ;
Abg. Gröber (Zentr.): Die Worte des Abg. von Oldenburg sind nach meiner Auffassung nicht gerade so harmlos aufzufassen gewesen, wie es der Vizeprasident getan hat, und ich möchte namens meiner politischen Freunde unserem tiefsten Bedauern darüber Ausdruck geben, daß ein Mitglied dieses Hauses sich zu einer solchen Aeußerung hat hinreißen lassen.
Abg. Müller⸗Meiningen (fr. Volksp.): Auch wir protestieren unserseits gegen die Aufreizung seitens des Abg. von Oldenburg zu einem offenbaren Verfassungshruch. Die Antwort des Abg. von Oldenburg hat uns nicht befriedigt. Er hat uns wiederhokt in demonstrativer Weise als deutsche Bundesbrüder angeredet. Es gibt keine größere Gefährdung des föderalistischen, des bundesstaat⸗ lichen Charakters des Reichs als diese Art, gegen uns aufzutreten. Auch wir Protestieren auf das schärfste gegen die Aeußerung des Abg. von Oldenburg und gegen die Nichttaätigkeit des Präsidenten. (Der Abg. Sachse ruft: Runter vom Präsidentenstuhl i
Viezepräsident Erbprinz zu Hohenlohe: Herr Abgeordneter Sachse, wenn ich recht gehört habe, so haben Sie gesagt, herunter vom Präsidentenstuhl. Ich kann einen solchen Ausdruck nicht zulassen, so lange ich hier als Ihr gewählter Präsident fungiere. Ich verbitte mir einen derartigen Ausdruck und rufe Sie zur Ordnung. (eb— hafter Beifall rechts, Zurufe bei den Sozialdemokraten: Erfüllen Sie Ihre Pflicht! Runter!)
Abg. von Oldenburg (kons.): Ich kann nur gegen die Auffassung protestieren, die der Abg. Muller mir imputlerte, als wenn in dem Ausdruck „meine Bundesbrüder“ irgend etwas Beleidigendes liegt.
Abg. Singer (Soz.): Ich muß namens meiner Freunde nach⸗ drücklich dagegen Verwahrung einlegen, daß die Acußerung des Abg. von Oldenburg durch den Präsidenten als eine nicht ernst zu nehmende, als eine harmlose bezeichnet worden ist. Es würde meinem Geschmack nicht entsprechen, wenn ich in der Weise als nicht ernst zu nehmen hingestellt würde, aber das hat der Abg. von Oldenburg mit dem Präsidenten abzumachen. Ich glaube, das ganze Haus hat die Aeußerung des Abg. von Oldenburg anders verstanden als der Präsident. Wenn der Abg. von Oldenburg die Gelegenheit benutzt hat, um seine Aeußerung jetzt abzuschwächen, so
überlasse ich es ihm, zu entscheiden, ob es mutig ist, eine Aeußerung nicht zurückzunehmen, sondern abzuschwächen. hlußerpartlamen rich würde man das kneifen“ nennen.
Abg. von Oldenburg (kons.): Ich erkläre nochmals, daß ich meine . getan habe als ein Beispiel äußerster Konsequenz der Disziplin. Es fällt mir gar nicht ein, etwas abzuschwäͤchen. Ich habe mein ganzes Leben lang das aufrechterhalten, was ich ein⸗ mal gesagt habe, und was der Abg. Singer darüber denkt, ist mir Wurscht. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Und der Präsident? Zuruf des Abg. Ledebour: Der kneift auch! Große Unruhe und lebhafte Zurufe von allen Seiten.)
Vizepräsident Erbprinz zu Hohenlohe: Ich habe gesagt, daß ich das Amt als Präsident kraft der Wahl des Hauses führe, und solange ich es nicht niederlege, bitte, ich meine Amtsführung nicht in dieser Weise zu kritisieren. (Lebhafter Beifall; Unruhe bei den Sozialdemokraten. Fortdauernde Unterbrechungen, die Erregung hält minutenlang an.) . 4
Abg. Vogt-Hall (wirtsch. Vgg.) kann sich zunächst nicht ver— ständlich machen. Er wünscht eine raschere Erledigung der Manöver— schäden, eine bessere Regelung der Vorspannleistungen und Beräck— sichtigung der kleinen Gewerbetreibenden bei den Armeelieferungen. Er führt weiter aus: Den Soldatenmißhandlungen ist mit allen Mitteln und mit äußerster Strenge entgegenzuwirken. Noch heute bleiben viele Mißhandlungen unentdeckt. Es scheint die Neigung zu bestehen, in einem rin
en Soldaten zunächst einen Simulanten zu vermuten. Die Manöver können wir trotz der Flurschäden nicht entbehren. Die Schlagfertigkeit des Heeres würde bei ihrem Fortfall beein— trächtigt werden. Leider wird in der Armee wenigstens bier und da das Wort Bauer“ als Schimpfwort gebraucht.
Preußischer Kriegsminister, General von Heeringen:
Meine Herren! Ich habe dem Herrn Vorredner zunächst zu danken für die sympathische Art, mit der er auf die Abhaltung unserer Manöver eingegangen ist. Wir sind in der Armee uns ganz darüber klar, welche bedeutenden Anforderungen an die Landwirtschaft auch durch unsere Herbstmanöver gestellt werden durch Stellung von Vorspann usw. und daß die Anforderungen auch wachsen, wenn die Manöver größer werden, wissen wir auch. Aber für die Ausbildung unserer Armee ist nun einmal die Abhaltung der Herbstübungen not⸗ wendig, ja es ist die wichtigste Uebung, die wir überhaupt im Jahre haben.
Wenn in der Armee der Ausdruck Bauer“ so gebraucht wird, als ob das ein Schimpfwort wäre, so muß ich das im höchsten Maße mißbilligen. Ich kenne den Ausdruck nur als einen Ehrennamen.
Wenn der Herr Abgeordnete dann darauf hingewiesen hat, daß zahlreiche Mißhandlungen unentdeckt blieben, so bedaure ich ibm darin widersprechen zu müssen. Gerade in der heutigen Zeit wird in der Armee nichts vertuscht, und daß der Vorgesetzte angesichts des § 117 Militär⸗Strafgesetzbuch dann noch eine Beschwerde zurückhalten will, glaube ich nicht. Es droht ihm da schon eine viel zu harte Strafe, wenn ich recht orientiert bin, zwei Jahre Freiheitsstrafe, jedenfalls Degradation oder Dienstentlassung. Ehe ein Vorgesetzter das riskiert, wird er lieber eine Beschwerde gegen sich ergeben lassen.
Betreffs der Pensionierung eines Mannes, der nicht ganz militär⸗ diensttauglich war, stehe ich auf dem Standpunkt — und das wird auch von allen Behörden so angenommen —, daß jeder, der infolge des Dienstes geschädigt ist, die ihm geseglich zustehende Pension bekommt.
Dann habe ich zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Schrader, betreffend den Eid, den die Armee Seiner Majestät dem Kaiser schwört, zu sagen, daß ein Unterschied zwischen König und Vaterland für die Armee überhaupt nicht existieren kann, und wie die Verhältnisse liegen, ganz undenkbar ist. Wenn er beklagt, daß das Wachsen des Etats so automatisch stattfindet, so will ich bei ibm be— fürworten, daß er vor allem keine Verkürzung der Dienstzeit beantragt, denn eine Verkürzung der Dienstzeit wird unbedingt ein erhebliches Wachsen des Etats zur Folge haben. Das ist schon obne weiteres an der Verkürzung der Dienstzeit der Kavallerie zu sehen. Wodurch hat man in Frankreich überhaupt die Möglichkeit, den dritten Jahr⸗ gang bei der Kavallerie notdürftig zu ersetzen? Dadurch, daß man