Großhandelspreise von. Getreide an deutschen und fremden Börsenplãtzen für die Woch es vom 24. bis 30. Januar 1910 nebst entsprechenden Angaben für die Vorwoche. 1000 kg in Mark. ; (Preise für greifbare Ware, soweit nicht etwas anderes bemerkt.)
Woche Da⸗
24. / 30. gegen
Januar Vor⸗ 1910 w o che
166,67 167,58 227, 17 236,58 I66 42
Berlin. Roggen, guter, gesunder, mindestens 712 g das 1. Wel zen, . ( 755 g das 1. Hafer, , t 450 g das ]
Mannheim. Roggen, Pfälzer, russischer, mittel ..
Weizen, Pfälzer, russischer, amerik. rumän., mittel Hafer, bahlscher, J Gerste i , ; 1 , nie,
Wien.
172,50 244,06
Roggen, Pester Boden Weljen, Theiß⸗ ... Haff ungarischer 1... erste, slovakische . ... Mais, ungarischer. ö Budapest. .
. 8 28 .
164,95 165,37
33 248,65 136, 82 119, 99 119,99 104, 10 104,10
Roggen, Weizen,
. erste, Futter⸗
Mais, w Odessa. Roggen, 71 bis 72 kg das hl.. 12700 Welzjen, Ulka, 75 bis 76 kg das hl. 16 6h Riga. P
Roggen, 71 bis 72 kg das hl. 138,04 136,10 Weizen, 78 bis 79 kg das hl 168,93
Paris.
5 ; ö i lieferbare Ware des laufenden Monats —
134,98 195,59 Antwerpen. Hong, mittel . 187,98 187,24 DJ . Kansas Nr. 2. 190, 24 189, 10 ,, J Hdd 5 187,98 186,02 2 w k Australier ; 187,81 184,65 Am sterdam. ö J ,
Weizen
z . 3 Roggen . St. Petersburger. . 136,53
ss J . 179,19 126,49 127,33
. amerikanischer Winter⸗ amerikanischer bunt. wii
London. engl. weiß (Mark Lane)... 3
ö. englisches Getreide, Mittelpreis aus 196 Marktorten (Gazette averages)
Liverpool. 2 roter Winter Nr. 2 Manitoba Nr. 2.
La Plata . Kurrachee . Australier Hafer, englischer weißer
; Schwarze Meer⸗. Gerste, Futter⸗ amerikanische DOdessa Jö Mais amerikan,, bunt. La Plata, gelber.
Weizen Mais
167,89 16739 iz 5. 16 aj 197, 83 158,65 125, 36 126 56 11102 1460.55
Weizen
l 64. 1
afer erste
188,98 186,16 190,86 192,74 188,51 187,57
Wenen 155, 5
Chieago.
s Main. Weizen, Lieferungsware I Juli .
September Mais Mai.
Neu York. roter Winter Nr. 2. 200,92 11 O4 181,39 Lieferungsware r 8 13 16827 Mais ö Mai 127,68 Buenos Aires. Weizen ; a. Du nittsware Mars Durchsch c i) Angaben liegen nicht vor.
Bemerkungen.
1 Imperial Quarter ist für die Weizenngtiz an der Londoner . — 5h04 Pfund engl. gerechnet; für die aus den Um⸗ ätzen an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Dur schnitts⸗ Freise für einheimisches Getreide (Gazette averages) ist Imperial Quarter Weizen — 459, Hafer — 312, Gerste — 400 Pfund engl. angesetzt; 1 Bushel Weizen — 690, 1 Bushel Mais — 56 Pfund englisch, 1 Pfund englisch — 453,5 g; 1 Last Roggen 2100, Weizen — 2490, Mais — 2009 Kg. ;
Bei der , , der Preise in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tagesangaben im „Reichsanzeiger ermittelten wöchent— lichen Durchschnittswechselkurse an der Berliner Börse, zugrunde gelegt, und zwar für Wien und Budapest die Kurse auf Wien, für London und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago und Neu Jork die Kurse auf Neu Jork, für Odessa und Riga die Kurse auf. St. Peters⸗ burg, für Paris, Antwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese Plätze. Preise in Buenos Aires unter Berücksichtigung der Goldprämie.
Berlin, den 2. Februar 1910. Kaiserliches Statistisches Amt. van der Borght.
169,66 156,31 155,92 149,88 149,75 110,79 112,59
167,49 114,93.
Deutscher Reichstag. 28. Sitzung vom 1. Februar 1910, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau)
Nach Ablehnung der Einsprache des Abg. Ledebour gegen den ihm am 29. Januar von ö Vizepräsidenten Erbprinzen zu Hohenlohe⸗-Langenburg erteilten Ordnungsruf setzt das Haus die zweite Beratung des Handels- und ö vertrages , dem Deutschen Reiche und Portugal nebst einem Schlußprotokoll, einem Notenwechsel, betreffend den portugiesischen Zuckerzoll, und einem Notenwechfel, betreffend Verkehrsverbote für Monopolartikel, fort.
Nach dem Referenten Abg. Horm ann (fr. Volksp.) und dem Abg. Herold (Zentr.), deren Reden in der gestrigen Nummer d. Bl. mitgeteilt worden sind, ergreift das Wort der
Abg. Kaem pf (fr. Volksp.): Auch in der Kommission hat ein ge— wisser Unmut über den Verlauf der Verhandlungen der beiden Kon. trahenten über den Vertrag mitgesprochen. Dieser Unmut ist berechtigt sowohl hinsichtlich der formellen Behandlung wie des materiellen Resultates derselben. Einmal ist der Vertrag nicht frühzeitig genug zur Kenntnis der Interessenten gelangt. Man hat das mit diplomgtischen Gepflogenheiten entschuldigt; diese sollten aber doch nicht schwerer wiegen als das Interesse der Beteiligten selbst. Es ist auch betont worden, daß der Bundesrat solche Verträge nicht zu veröffentlichen gewöhnt fi. Aber es wird doch sehr oft anders verfahren; zahlreich sind die Fälle, in denen das Reichsjustizamt Gesetzentwürfe publiziert und so der Kritik preisgegeben hat. Der Deutsche Handelstag hat 1906 auf eine bezügliche Umfrage an die Handelskammern allerdings nur 52 Antworken erhalten; daraus kann aber ein Vorwurf für die Interessenten nicht her— geleitet werden, denn die Handelskammern, in deren Bezirk Export— interessenten nach Portugal nicht vorhanden sind, hatten keinen An— laß, sich auf, die Ümfrage einzulassen. Der Wirtschaftliche Ausschuß hat hinsichtlich seiner Zusammensetzung eine volle Gewähr für die richtige Würdigung der deutschen Handelsinteressen in „Portugal auch nicht . können; es sollten auch direkte Informationen bel den Industriellen eingefordert werden. Was daz materielle Resultat der Verhandlungen über den Handelsz— vertrag betrifft, so sind weite Kreise der Industrie bitter enttäuscht worden. Sie hatten auf eine Verminderung, nicht auf eine Erhöhung der pPortugiesischen Tarife gerechnet. Sie erinnern sich sehr wohl, was ihnen der Zollkrieg mit Canada gebracht hat, und welche Ge fahren ihnen von Zollerhöhungen in anderen Staaten bevorstehen. Aber so berechtigt der Unmut dieser Industrien ist, so dürfen sie nicht übersehen, daß das Unmögliche von unseren Unterhändlern nicht gefordert werden konnte. Wir hatten unser Zolltarifgesetz von 1902 gemacht; Portugal gegenüber befanden wir uns in einem bevorzugten Zustand. Wir differenzierten Portugal, Portugal uns nicht. Es war also vorauszusehen, daß es einen erhöhten Zolltarif vorlegte und sich die Möglichkeit schuf, auch uns zu differenzieren. Ist man nun in der Zwangslage, dem fremden Staate gegenüber zu retten, was zu retten ist, so ist man zu Konzessionen gezwungen. Nicht unsere Unter händler trifft die Hauptschuld, sondern sie liegt an unserem ganzen Zollsystem. Unsere Unterhändler haben vielfach Konzessionen machen müssen, die weit über das hinausgingen, was einige Zweige unserer Industrie tragen können. Eines kann aber nicht verkannk werden, daß ein Zollkrieg vermieden worden und die Meistbegünstigung für unsere Industrie gewährt ist. Die überwiegende Mehrheit meiner politischen Freunde wird deshalb für die Annahme des Vertrages stimmen.
Abg. Graf Schwerin-Löwitz (dkons.): Der vorliegende Vertrag hat, wieder Gelegenheit gegeben, die ganze Handels- und Zoll politik Deutschlands aufzurollen. Der gegenwärtige Moment läßt aber solche Erörterungen nicht für geeignet erkennen. Es empfiehlt sich, solche Fragen dem Auslande gegenüber nicht in voller Oeffentlichkeit zu erörkern, sondern in der Kommission. Es wäre besser gewesen, eine nochmalige Besprechung des Vertrages hier zu vermeiden. Nachdem dies nicht geschehen ist, muß ich kurz unfere Stellung darlegen. Wir werden den Vertrag einstimmig annehmen, obgleich auch wir die großen Mängel dieses Vertrages durchaus nicht verkennen und bedauern, daß es leider :nserem Auswärtigen Amt und unseren Unterhändlern nicht gelungen ist, für unsere Textilindustrie günstigere Bedingungen zu erzielen. Der Schaden einer auch nur vorübergehenden Störung unserer Handelsbeziehungen würde aber größer sein als der Nutzen, den wir nach Ablehnung des Vertrages etwa erwarten könnten. Der Vertrag bietet uns mehr als eine Relhe von Verträgen, die wir in der letzten Zeit ohne Gegenleistung ab geschlossen haben. Wir glauben nicht, daß mehr zu erlangen sein wird. Wir nehmen den Vertrag aber nur an mit der entschiedensten Verwahrung dagegen, daß aus unserer Zustimmung irgendwelche Schlüsse gezogen werden könnten auf unsere Bereitwilligkeit zur Nach giebigkeit gegen England.
Abg. Dr. Stresemann (nl): Der Abg. Kaempf, der Präsident des Deutschen Handelstages, sprach von dem Unmut, der in weiten Kreisen des Handels und der Industrie über diesen Vertrag herrscht. Ich halte diese Erregung für berechtigt. Wenn wir unsere Ausfuhr nach Portugal verlören, so würde vielleicht eine kleine Zuckung im Wirtschaftsleben hervorgerufen werden, der Verlust aber nicht von aus— schlaggebender Bedeutung sein. Das Votum des Deutschen Handelstages ist als ein Sieg der Freunde des Vertrages angesehen worden. Ich habe aber gefunden, daß die Gegnerschaft im Deutschen Handelstag nicht weniger groß war als im Reichstag. Den Interessenten ist der Vertrag so spät zugegangen, daß sie sich nicht früh genug mit ihren Geschäftsfreunden in Portugal verständigen konnten. Die Interessenten hätten gern einen sachverständigen Bekrat zur Ver fügung gestellt. Der Deutsche Handelstag hat 87 Monate lang auf, eine Eingabe wegen Veröffentlichung des Vertrages keine Antwort erhalten. Wir halten die Vorwürfe durchaus aufrecht, die wir bei der ersten Lesung erhoben haben. Wir glauben ein mütig, daß der Vertrag nicht das bietet, was hätte erreicht werden können. Es bildet sich mehr und mehr die Neigung heraus, diejenigen Zollpositionen zu erhöhen, bei denen eine Einfuhr aus Deutschland stattfindet, und diejenigen zu ermäßigen, bei denen eine Einfuhr aus anderen Staaten stattfindet. Die Sicherung der Meistbegünsti gung schützt uns also nicht, von anderen Ländern überflügelt zu werden. Nach Auffassung meiner politischen Freunde gehen unsere Konzessionen an Portugal ganz außerordentlich weit, auch bezüglich des Madeira und Portweins. Wir geben den Portugiesen eine Ausdehnung ihrer Produkte in Deutschland, die es mir zweifelhaft erscheinen läßt, ob nicht ein vertragloser Zustand vorzuziehen wäre, und die Portugiesen haben diesen vertraglosen Zustand mehr zu fürchten als wir. Der Deutsche Handelsvertragsverein steht auf demselben Stand punkt. Ich und der überwiegende Teil meiner Freunde wird gegen den Vertrag stimmen. Ein kleiner Teil meiner Freunde wird aus den von dem Abg. Herold angeführten Gründen für den Vertrag stimmen. Im übxigen hoffen wir, daß die sachliche Kritik, die dieser Vertrag gefunden hat, die Regierung dazu veranlassen wird, bei der Vorbereitung künftiger Verträge Sachverständige mehr als bisher zu hören und Konzessionen zu vermeiden, die über das Maß dessen hinausgehen, was im allgemeinen für unseren Handel und für unsere Industrie zuträglich ist. .
Abg. Molkenbuhr (Soz.): Es ist interessant, wie die Anhänger des Schutzzollsystems hier über die Schutzzöllnerei urteilen, wenn ein anderer Staat die hohen, Schutzzölle hat. Wir wären dafür, wenn völkerrechtlich bei solchen Verträgen jedes Land die Pofitionen ändern könnte, die ihm nicht gefallen, dann würde sehr bald, wenn wir Handelsverschläge abschließen, unser Zolltarif so erträglich werden, wie wir es wünschen. Als hier der Zolltarif beraten wurde, konnte man dessen wungertätige Wirkung vom Regierungstisch gar nicht genug loben hören, von Posadowsky bis herunter zum Fürsten Bülow, und Fürst Bülow war doch, als die 5jährigen Verhand— lungen mit Portugal zu Ende geführt wurden, noch Reichs⸗
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kanzler. Da hätte er doch einmal mit dem Vertrage vor das Haus treten sollen und sagen: Seht, was habe ich für eine Großtat errungen, das haben wir unserem Zolltarif zu verdanken. Nationalliberale und Zentrumsmitglieder können sich jetzt nicht beklagen, denn sie haben diesen Zustand mit herbeiführen helfen. Wenn gesagt ist, der Verlust der, portugiesischen Einfuhr würde nur eine kleine Zuckung unseres Wirtschaftskörpers bewirken, während Portugal darunter litte, so sind die Portugiesen allerdings nur ein kleines Volk von „5 Millionen armen Leuten, die wenig kaufen können, aber unfere Ausfuhr nach Portugal wird im Verhältnis zur Einfuhr immer größer. Auch wenn man die Kolonien einbezieht, so bleibt noch immer ein Aktipnum. Wir sind Gegner eines Zollkriegs, uns kommt es in erster Linie nicht darauf an, welche Zölle in irgend einem anderen Land erhoben werden, sondern nur, daß unsere Waren keine höheren Zölle zu bezahlen haben als diejenigen irgend eines anderen Landes. Wir stimmen für den Vertrag, weil auch bei Ablehnung die verrückt hohen Zölle, über die unsere Industrie sich be= klagt, eingeführt würden, weil die Möglichkeit vorhanden wäre, daß andere Staaten möglichst günstige Handelsverträge mit Portugal abschließen, und weil wir verlangen, daß Deutschland möglichst überall die Meistbegünstigung erhält. Diefer Weg aber wäre bei Ablehnung des Handesvertrages verschloffen. Wenn, erst einmal die Deutschen empfinden werden, daß die Hoch— schutzzöllnerei eine Verrücktheit ist, und erst ein Land den Anfang macht, werden andere bald folgen.
Abg. Linz (Rp.): Ein Artikel der „Kreuzzeitung“ „Caprivi redi- vivus,, der nach der ersten Lesung des Vertrages erschien, hat sich auszuführen bemüht, daß die Generaldiskussion schon gezeigt habe, daß eine reinliche Scheidung zwischen der neuen Reichstagsmehrheit und der liberal⸗sozialistischen Minderheit sich vorbereite. Richts kann falscher sein. Lediglich sachlichen Gründen ist der weit verbreitete Widerspruch gegen den Vertrag entsprungen. Ich persön— lich bedanke mich dafür, jener so charakterisierten Minderheit anzugehören, anderseits hat in der ersten Lesung auch der Zentrums— abgeordnete Dr. Pieper wie sein Fraktionskollege Pauly-Cochem die triftigsten Argumente für die Ablehnung des Vertrages an— geführt. Mir persönlich sind aus den verschiedensten Kreisen der rheinischen Industrie die dringendsten Aufforderungen mit aus— führlichen sachlichen Begründungen zugegangen, für die Ablehnung des unheilvollen Vertrages zu plaͤdieren Und zu stimmen. Auch die Handelskammern des Wuppertaler und Bergischen Bezirks haben sich durchweg gegen den Vertrag ausgesprochen. In der Kommission glaubten alle absoluten oder bedingten Befürworter des Vertrages, sich wegen dieser ihrer Haltung entschuldigen zu müssen! Die Re— gierungen werden jedenfalls den Eindruck gehabt haben, daß ihre Handelsvertragsverhandlungen in Zukunft viel mehr als bisher unter dem Gesichtspunkt der allseitigen Wahrung deutscher Interessen zu er— folgen haben werden. Sehr erwünscht wäre mir eine Dementierung der Behauptung, daß der deutsche Konsul in Lissabon über den Vertrag überhaupt nicht befragt und durch ihn vollkommen überrascht worden ist. In jedem Falle bleibt es bedauerlich, daß wir unsere Zölle festlegen, den anderen Staaten aber die Erhöhung der Zölle zugestehen. Wir teilen den Optimismus der verbündeten Regierungen nicht, daß Portugal die Tabelle A nach Abschluß des Vertrages nicht in Kraft setzen wird; es ist ja nicht einmal zu erreichen gewesen, daß die Ab
sicht der Erhöhung uns auch nur einige Monate vorher mitgeteilt wird, wir sind also keinen Augenblick vor Ueberraschungen und Üeber rumpelungen sicher. Namens eines Teiles der Reichspartei erkläre ich, daß wir gegen den Vertrag stimmen werden, da wir auch be fürchten müssen, daß einige blühende Exportindustrien, wie die Textil⸗ und die Kleineisenindustrie, durch den prohibitiven Charakter der portugiesischen Zölle vom dortigen Markt hinfort aus schlossen werden. Es wird eine ganz heilsame pädagogische Wirkung haben, wenn wir einmal zeigen, daß wir trotz der uns angeborenen Gutmütigkeit uns vom Auslande nicht alles gefallen lassen. Nicht verschweigen darf ich, daß die Mehrheit meiner Partei trotz der allerschwersten Bedenken sich zu einem ab— lehnenden Votum nicht entschließen kann. Für diese Mehrheit ist vor allem maßgebend die Rücksicht auf die aktive Handelsbilanz und auf die Sicherung der Meistbegünstigung; der Ausgang eines etwaigen Zollkrieges aber wäre zweifelhaft und der Rückschlag davon von ver— hängnisvoller Wirkung auf spätere Handelsbertragsverhandlungen. Auch namens dieser Mehrheit aber kann ich erklären, daß wir keine Zweifel darüber lassen, daß wir in Zukunft eine tatkräftigere und nachdrücklichere Vertretung unserer Interessen durch unfere Unter händler verlangen.
Amts Freiherr von
Staatssekretär des Auswärtigen
Schoen:
Meine Herren! Ich möchte nur ganz kurz die Frage beantworten, welche der Herr Vorredner an mich gerichtet hat, ob es richtig ist, daß unser Konsul in Lissabon zu den Verhandlungen über den Handelsvertrag nicht zugezogen worden wäre. Der Herr Vorredner hat selbst seinem Zweifel in die Zuverlässigkeit dieser ihm zugegangenen Nachricht Ausdruck gegeben. Ich kann ihn in diesem Zweifel nur bestärken und ihm sagen, daß unser Konsul in Lissabon nicht etwa nur in einem gewissen Moment zu den Verhandlungen zugezogen worden ist, sondern von Anfang bis zu Ende einen sehr regen und verdienstvollen Anteil an denselben genommen hat.
Ich füge hinzu, daß unser Konsul in Lissabon nicht ein Berufe konsul, sondern ein Wahlkonsul ist; er ist Kaufmann und steht an der
Spitze eines bedeutenden Handelshauses, er ist in Lissabon geboren
und dort aufgewachsen und mit den dortigen Verhältnissen auf das genaueste ebenso vertraut wie mit den Bedürfnissen der deutschen Exporteure und Importeure. Er hat also mit seiner Sachkenntnis dem Gesandten, der die Verhandlungen geführt hat, zur Seite ge⸗ standen und sich überaus nützlich erwiesen. Wenn auch der Vertrag auf manchen Seiten nicht gefällt, so ist es doch nicht angebracht, unserem Konsul irgendeinen Vorwurf daraus zu machen. Im Gegen teil, ich benutze die Gelegenheit, um ihm unseren Dank für seine Mithilfe auszusprechen.
„Abg. Hanisch (wirtsch. Vgg.): Der Handelsvertrag ist ungünstig für das Deutsche Reich, die deutsche Industrie und den deutschen Handel. Wenn auch aus der Ablehnung des Vertrages ein Zollkrieg sich entspinnen sollte, so können Sie doch nicht annehmen, daß die hieraus entspringenden Nachteile so groß sind wie die Nachteile, die wir bei Annahme des Vertrages in Kauf nehmen müssen. Der Vor behalt des Art. 5 widerspricht den Grundbedingungen, denen ein Dandelsvertrag gerecht werden soll, daß er nämlich für einen be stimmten Zeitraum eine Stetigkeit der Handelsbeziehungen bringt. Wir werden den Vertrag ablehnen. ;
Ahg. Pauly⸗Cochem GZentr.): Ich muß Protest erheben gegen die Deraufbeschwörung solcher Schwierigkeiten, wie sie sich aus dem Ver 6 ergeben würden, nicht nur im Namen des Weinbaues, sondern auch weiter Gebiete von Industrie und Landwirtschaft. Die Rentabilität
S Sor 1 . 1 9 CO 5 des Weinbaues ist immer weiter zurückgegangen. Der Import fremder Weine hat immer mehr zugenommen. Wenn zie deutschen Regimenter sich 187057! nicht mit Moselwein gestärkt hätten, so würden wahrscheinlich die Franzosen gesiegt haben, aber als sie den tranken, haben sie erst gesehen, was ihr Vaterland ihnen bietet. Eine große Zahl von Weinhändlern hat bisher an Stelle von Port— wein sogenannten Ersatzwein vertrieben. Diese werden einen ungeheuren Schaden erleiden, und sie sind noch dazu in der un angenehmen Lage, versichern zu müssen, daß sie bisher keinen Port⸗ wein, sondern Ersatzwein verkauft haben. Man hat die Interessen des deutschen Weinhaues im allgemeinen überhaupt rücksichtslos über gangen. Schaffen Sie doch die Bestimmung aus dem 87 des Wein— gesetzes über die Mischung von Wein hinweg und schaffen Sie eine ( h . Kontrolle außerhalb, der Weinbaugebiete. Selbst die Freunde des
Vertrages geben zu, daß der Weinbau eine enorme Schädigung er— fährt. Ich werde gegen den Vertrag stimmen.
Abg. Ahlhorn (fr. ö Kann man Portugal übelnehmen, daß es auch zum Hochschutzzoll übergeht? Es macht doch nur nach, was ihm Deutschland und andere Nationen vorgemacht haben, es sucht durch ein Schutzzollsystem, das teilweise prohibitiv wirkt, feine Industrie zu heben. Wir haben also keine Ursache, uns über die hohen portugiesischen Schutzzölle zu entrüsten. Der augenblick— liche Unwille über den erhöhten Tarif darf uns bei unserer Stellung— ö. nicht leiten. Ein Zollkrieg ist ein sehr zweischneidiges Schwert. Einreißen ist leicht, aber aufbauen sehr schwer. Wird der Vertrag abgelehnt, so geht ein wenn auch nicht großes, so doch für den AÄAbsatz unserer Industrie wertvolles und für den Schiffsverkehr wichtiges Gebiet verloren, und der Gewinn würde mühelos den Engländern zufallen, Seit 1902 importiert Portugal von Deutschland mehr, als es dahin exportiert, und dieser Ueberschuß seines Imports ist seitdem stetig gestiegen. Es ist mir geradezu unverständlich, wie man an ein Nachgeben Portugals glauben kann; Portugal ist nicht von uns, sondern von England und Frankreich wirtschaftlich abhängig, und es wird kaum Lust haben, mit uns einen neuen Vertrag zu schließen, wenn der vorliegende abgelehnt wird. Auf, alle Fälle werden die neuen Verhandlungen sich unendlich lange hinziehen, und schließlich müßten wir wieder von vorn anfangen. Die Gegner des Vertrages nehmen mit der Ablehnung eine Ver— antwortung auf sich, die wir nicht tragen wollen; wir werden daher dafür stimmen.
Staatssekretär des Innern Delbrück:
Meine Herren! Einige der Herren Redner sind zurückgekommen auf die Vorwürfe, die sie glauben erheben zu müssen gegen die Vor— bereitung des Ihnen vorliegenden Handelsvertrags und das Verhalten sowohl der bei der Bearbeitung dieser Angelegenheit beschäftigten Instanzen des Reichsamts des Innern, als auch des Auswärtigen Amts. Meine Herren, ich glaube, es ist nicht an der Zeit, daß ich auf diese Vorwürfe noch einmal zurückkomme; wir würden uns wahr— scheinlich auch nicht vollkommen darüber einigen. Ich möchte nur eins sagen. Ich bin mit allen Herren Rednern, die zu dieser Seite der Frage gesprochen haben, darüber einig, daß die Interessenten sobald und so zahlreich, wie irgend möglich, in die Lage versetzt werden müssen, sich über derartige wichtige wirtschaftspolitische Fragen zu äußern. Ich werde meinerseits in Zukunft alles daransetzen, daß es mir gelinge, eine solche rechtzeitige Information der Interessenten zu ermöglichen. Ich bin auch der Ansicht, daß es naturgemäß nicht nur die Aufgabe des wirtschaftlichen Ausschusses, sondern auch die Aufgabe speziell des mir anvertrauten Ressorts ist, in derartigen Fragen so viel Sachverständige, wie irgend tunlich, zu hören. Es ist das — das möchte ich wiederholen — auch früher schon ausgiebiger geschehen, als die Herren geneigt sind, anzunehmen; ich werde aber bemüht sein, auch in Zukunft nach dieser Richtung hin eine verstärke Tätigkeit ein treten zu lassen — soweit das möglich ist.
Meine Herren, das gilt für beide Forderungen. Sie dürfen eins nicht vergessen: daß die Schwierigkeiten der Ver— handlungen mit auswärtigen Staaten zum Teil in der außerordentlich kurzen Zeit liegen, in denen diesseits Entschlüsse gefaßt werden müssen, sodaß es häufig unmöglich ist, eine Anhörung und Besprechung der diesseitigen Interessenten in dem Umfange eintreten zu lassen, wie ich es selbst für wünschenswert halte, und wie es zweifellos auch der Ent— wicklung der Dinge sachdienlich sein würde.
Meine Herren, ich komme auf den Vertrag selbst. Alles, was für, und alles, was gegen seine Annahme spricht, ist heute von den verschiedenen Seiten dieses Hauses mit so viel Ruhe und Gründlichkeit erörtert worden, daß ich eigentlich kaum in der Lage bin, etwas Neues hinzuzufügen. Ich möchte vor allen Dingen vermeiden, die Debatte heute noch mit Zahlenmaterial irgendwelcher Art zu belasten; es würde bei der vorgerückten Stunde wahrscheinlich, wenn nicht un— gehört, so doch ohne Wirkung an Ihren Ohren vorüberrauschen. Aber ich möchte doch vom Standpunkt der verbündeten Regierungen noch einmal die Frage prüfen und nur die ist augenblicklich eigentlich zu erörtern — was wird, wenn der Vertrag angenommen wird, und was geschieht, wenn er abgelehnt wird?
Meine Herren, was die Ablehnung des Vertrages betrifft, so müssen Sie sich folgende Situation vergegenwärtigen: wird der Ver— trag abgelehnt, so bleibt es Portugal gegenüber bei der auf unseren gesetzlichen Bestimmungen beruhenden Anwendung unseres General— tarifß. Diese Anwendung unseres Generaltarifs ermächtigt oder zwingt gewissermaßen Portugal, seinerseits die Surtaxe uns gegenüber anzuwenden, d. h. also — abgesehen von einer Reihe anderer Er— schwerungen unseres Handels mit Portugal unsere Einfuhr dorthin mit Zollsätzen zu belegen, die so hoch sein werden, daß sie tatsächlich absolut prohibitiv wirken. Wir würden also, wenn wir den Vertrag jetzt ablehnen, tatsächlich zu einem Zustand kommen, der für kürzere oder längere Zeit unseren Handel mit Portugal unterbinden würde.
Nun hat einer der Herren Redner darauf hingewiesen, schließlich sei das ganze portugiesische Geschäft sehr gering im Verhältnis zu der gesamten deutschen Warenproduktion und Waren-Aus- und Einfuhr, sodaß ein Zollkrieg mit Portugal spurlos oder nach nur geringen Zuckungen unseres wirtschaftlichen Organismus an uns vorübergehen würde. Ja, meine Herren, demgegenüber möchte ich auf eins aufmerksam machen. 30 Millionen sind 30 Millionen; und wenn wir viele solche Positionen verlieren, werden es mehr. Man kann hier nur mit dem etwas trivialen Sprichwort sagen: wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert. Wer sich nicht die Mühe gibt, alle diejenigen Positionen zu halten, die die Intelligenz und die Zähigkeit des deutschen Kaufmanns mühsam erworben haben, der kann unter Umständen allmählich in die Lage kommen, daß er vor einem Defizit steht, das ihm höchst bedenklich erscheint.
Und was geben wir nun in Portugal auf? Wir geben eine Einfuhr, einen Handel auf, der sich im Laufe weniger Jahrzehnte beinahe verdoppelt hat. Wir verzichten Portugal gegenüber in gewissen Grenzen auf die Weiterführung unserer Schiffahrtsbeziehungen, die sich in Portugal günstiger entwickelt haben als bei irgend einem andern Lande, mit dem Portugal in Schiffahrtsbeziehungen steht. Während sich beispielsweise die Schiffahrtsbeziehungen Englands im Verhältnis zum Gesamtverkehr in Portugal kaum verändert haben, hat sich die Beteiligung des Deutschen Reiches an der Schiffahrt in Portugal außerordentlich vermehrt. Der Anteil der mit Ladung in Portugal eingegangenen deutschen Schiffe ist seit dem Jahre 1889 von 120 ½ auf 27,8 o gestiegen.
Das alles läßt erkennen, daß wir in Portugal in der Lage sind, mit Erfolg zu arbeiten, so lange wir nicht anderen Staaten gegenüber differenziert werden. Ob es uns aber gelingt, das wiederzugewinnen, was wir jetzt für den Fall der Ablehnung des Vertrages preisgeben,
das ist eine im hohen Maße zweifelhafte Frage; denn wir wissen alle: ein einmal verlorener Markt ist so leicht nicht wiederzugewinnen.
Nun kommt dazu, daß nicht nur Portugal in der Lage sein würde, unsere Schiffahrt durch eine differentielle Behandlung schwer zu treffen, sondern es würde der Rückgang unseres Exports nach Portugal auch die Frachten unserer Schiffe nach Portugal verringern. Das würde die Wirkung haben, daß die günstigen Seetarife nach den portu— giesischen Häfen, die wir jetzt erstellen können, zurückgehen würden und nicht aufrecht erhalten werden könnten. Diese gesteigerten See⸗ tarife würden auch schädlich auf denjenigen Teil unseres Schiff⸗ handels einwirken, der über Portugal nach anderen Ländern, ins— besondere nach Afrika und nach Südamerika, geht.
Nun bringt aber der Handelsvertrag, dessen Annahme ich Ihnen immer erneut empfehle, nicht lediglich die Meistbegünstigung, nicht allein die nicht zu unterschätzende Bindung des ganzen Tarifes für 5 bezw. 8 Jahre, sondern er bringt auch eine Bindung der Waren— bezeichnungen des Tarifes. Er bietet damit zum ersten Male einem auswärtigen Staate die Möglichkeit, bei der Festsetzung der Zollsätze und der Zolltarifierung in Portugal ein Wort mitzureden; und mir ist von Kennern der portugiesischen Verhältnisse versichert, das sei ein größerer Erfolg als ein etwas höheres oder geringeres Maß bon Zollsätzen, das man bei dieser Gelegenheit Portugal gegen⸗ über hätte erreichen können. Der Vertrag bringt außerdem aber die Gleichstellung der mittelbaren Einfuhr mit der unmittel— baren, er bringt Bestimmungen für die Umladungen von Waren, er bringt günstige Bestimmungen für die Postsendungen, für die Aus— stellung von Ursprungszeugnissen, für Zollrückerstattung bei Waren— mustern, für die Behandlung von Handlungsreisenden, für die Küsten schiffahrt und Schiedsgerichte, kurz, eine Fülle von Abmachungen, die nicht ohne Bedeutung für die mit Portugal handelnden Firmen sind, und die in ihrer Gesamtheit eine erhebliche Verbesserung unserer Handelsbeziehungen zu Portugal in den eben erörterten Richtungen bedeuten.
Nun möchte ich noch mit wenigen Worten auf die Frage ein— gehen, was denn die Ablehnung des Vertrages und die Einführung von Kampftarifen auf beiden Seiten für Portugal für Konsequenzen haben würde? Der Herr Abg. Stresemann, glaube ich, ist es ge— wesen, der ausgeführt hat, die Sache würde an Portugal ziemlich spurlos vorübergehen. Oder habe ich Sie mißverstanden, Herr Abg. Stresemann? Dann bitte ich um Entschuldigung. (Abg. Strese— mann: Umgekehrt — Jawohl, Herr Abg. Stresemann, ich habe mich im Augenblick versprochen. — Der Herr Abg. Stresemann war es, der darauf aufmerksam gemacht hat, daß wir durch tarifarische Maßnahmen unsererseits in der Lage wären, Portugal gegenüber sehr wirksam und erfolgreich aufzutreten. Ich möchte dem— gegenüber nur erneut daran erinnern, daß in der portugiesischen Ein— fuhr bei uns, die im ganzen auf 13,6 Millionen Mark berechnet wird, 8,5 Millionen oder 63 0. Rohstoffe enthalten sind, darunter allein Korkholz und Schwefelkies für 6,1 Millionen Mark. Das sind Stoffe, die wir wohl nicht mit Strafzöllen belegen können (sehr richtig), weil sie unsere Industrie braucht, und das sind Stoffe, die wir um so weniger mit Strafzöllen belegen dürfen, weil sie im Falle eines Zollkrieges wahrscheinlich auch durch erhöhte Seefrachten belastet werden würden. Es bleibt also von der portugiesischen Einfuhr zu uns ein verhältnismäßig kleiner Teil übrig, die wir eventuell mit Strafzöllen treffen können. Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, daß darunter für 1,7 Millionen Mark Ananas sind. Ob diese Ananas von Portugal zu uns kommen, oder ob sie nach England gehen, ist vom Standpunkt des portugiesischen Handels ziemlich belanglos.
Es bleibt dann — und das wird immer als die empfindlichste Seite der portugiesischen Einfuhr bezeichnet — der portugiesische Wein. Soweit ich unterrichtet bin, geht von der gesamten portugiesischen Weinausfuhr nur ein Bruchteil von 2 bis 3 00½ nach Deutschland. (Hört, hört! rechts Ich habe also den Eindruck, daß scharfe Maßregeln gegen die Einfuhr dieses Weines, namentlich, wenn es sich um den vorüber gehenden Zustand eines Zollkrieges handelt, auf die Portugiesen einen überwältigenden Eindruck nicht machen würden.
Nun, meine Herren, ist wiederholt, auch schon in der ersten Lesung, darauf hingewiesen worden, daß man bei der Abwägung unserer handelspolitischen Kampfmittel gegenüber Portugal und bei der Be— urteilung der Wirkung eines Zollkrieges auch das portugiesische Kolonialgebiet mit in Rechnung nehmen müsse. Demgegenüber möchte ich wiederholt darauf aufmerksam machen, daß die portugiesischen Kolonien selbständige Zollgebiete sind, in denen wir zurzeit dritten Ländern gegenüber nicht differentiell behandelt werden, deren Erzeugnisse wir also nicht in der Lage sind, ohne weiteres unsererseits mit Kampf— zöllen zu belegen für den Fall eines Zollkrieges mit dem Mutterlande, wenn wir nicht riskieren wollen, daß auch unsere Einfuhr in diese Kolonien mit Kampfzöllen belegt wird. Wir würden also lediglich den an sich schon unerwünschten Kriegsschauplatz in einer für unseren Handel in hohem Maße unerwünschten Weise noch vergrößern und auf weitere Gebiete ausdehnen. Aber auch die gesamte Einfuhr aus den Kolonien mit 12,? Millionen Mark umfaßt wieder 4,5 Millionen Rohstoffe, die wir im Interesse unserer Industrie nicht belasten können, und den Rest macht mit 8,1 Millionen überwiegend Roh kakao aus. Ob aber der Kakao aus den portugiesischen Kolonien zu uns kommt oder nicht, spielt für den portugiesischen Handel um des willen keine so große Rolle, weil die in Betracht kommende Menge überhaupt kaum 5c des gesamten Kakaobedarfs der hauptsächlichsten kakaoverbrauchenden Länder beträgt und der deutsche Ausfall mit im ganzen 8500 t von den portugiesischen Kolonien naturgemäß leicht auf einen anderen Markt geworfen werden kann.
Meine Herren, ich will mich auf diese Ausführungen beschränken. Ich kann nur wiederholen: mögen Sie diesen Vertrag so, wie er Ihnen vorliegt, für einen günstigen oder für einen ungünstigen halten: ich bin unter allen Umständen der Ueberzeugung, daß dieser Vertrag besser ist als die zollpolitischen Verwicklungen mit Portugal, denen wir unabwendbar entgegengehen, wenn Ihre Mehrheit sich zur Ab lehnung des Vertrages entschließen sollte. (Bravo!)
Die Diskussion wird geschlossen.
Zur Geschäftsordnung bedauert der
Abg. Wallenborn (Jentr.), durch den Schluß der Debatte verhindert zu sein, die Interessen der deutschen Weinproduzenten zu vertreten.
Zu Art. 25 bemängelt der
Abg. Prinz zu Schönaich-Cgrolath (nl) die deutsche Ueber— aun des französischen Textes. Wenn der Vertrag mit „Seiner A ung rislichlte Majestät“ abgeschlossen ist, so ist das ein Titel, der
gar nicht existiert, der nur dem König von Frankreich gebührte. Dies zeigt, wie notwendig es ist, die deutsche Uebersetzung dem Urtext anzupassen. Hoffentlich ist der übrige Text besser.
Staatssekretär des Auswärtigen Amts Freiherr von Schoen:
Meine Herren! Es läßt sich ja darüber streiten, ob die Ueber⸗ setzung, welche hier von dem französischen Urtext in deutscher Sprache gegeben ist, ganz genau ist. (Lebhafter Widerspruch links.) Ich sage ja, es läßt sich bestreiten. (Heiterkeit; Ich mache nur darauf aufmerksam, daß diese Note, welche von unserem Gesandten an den portugiesischen Minister gerichtet worden ist, nicht, wie der Herr Vor⸗ redner soeben hervorgehoben hat, in deutscher Sprache gehalten ist, etwa mit dem Ausdruck „Allerchristlichste Majestät“, sondern in französischer Sprache, sodaß es also in bezug auf die Sache selbst ziemlich belanglos ist, ob die deutsche Uebersetzung dieses Ausdrucks „tros fidèle“ ganz korrekt ist oder nicht. Im übrigen kann ich nur sagen, daß der Ausdruck „tres fidéle“ nicht etwa zu übersetzen ist mit „sehr getreu“ in bezug auf Freundschaft, sondern in bezug auf christliche Glaubenstreue, und ich glaube, daß unter diesem Gesichtspunkt gegen die Uebersetzung „allerchristlichst“ nichts einzuwenden ist.
Nach Aufruf der sämtlichen Artikel läßt der Präsident über die Ueberschrift des Handelsvertrags abstimmen. Es er⸗ heben sich für den Vertrag die Deutschkonservativen, die Sozial⸗ demokraten, die Freisinnigen, die Mehrheit der Reichspartei, ein Teil des Zentrums und vereinzelte Nationalliberale. Nach Vornahme der Gegenprobe wird der Vertrag für angenommen erklärt.
Ohne Debatte wird auch das Schlußprotokoll angenommen.
Darauf setzt das Haus die Spezialberatung des Kolonial⸗ etats fort und nimmt die gestern begonnene allgemeine Debatte wieder auf.
Abg. von Liebert (Rp.) wendet sich gegen die Ausführungen des Abg. Noske, ist aber zunächst wegen der im Hause eintretenden großen Unruhe nicht zu verstehen. Der Redner führt aus: Die 63 Millionen des direkten Handelsverkehrs der Kolonien mit dem Reiche sind doch keine Kleinigkeit, die man übersehen kann. Mit großer Emphase wurde auf die in Ostafrika gegen die Neger ins Feld geführten Maschinengewehre hingewiesen, wo Tausende von Eingeborenen weggemäht worden seien. Die Denkschrift stellt schon von vornherein diese Uebertreibungen richtig. Ich glaube, daß, wer die Entwicklung Ostafrikas verfolgt hat, nur seine Freude haben kann über das Tempo dieser Entwicklung. Dabei spielt der Bahnbau eine große Rolle, und diesen wieder verdanken wir dem jetzigen Staats⸗ sekretär. Ich hoffe, daß wir recht bald zu einer Regulierung der Grenze mit dem Congogebiet kommen; seit zehn Jahren besteht ein latenter Streit; es muß eine natürliche Grenze für das Sultanat und uns geschaffen werden. Wenn wir Beamten und Offiziere für unsere Kolonien gewinnen wollen, so müssen wir sie ausreichend sicherstellen. Die Arbeiterverhältnisse in Ostafrika sind befriedigend und haben auch von seiten der Plantagenbesitzer zu Klagen keinen Anlaß gegeben. In der Denkschrift wird mit Recht auf die Notwendigkeit einer praktischen Erziehung zur Arbeit hingewiesen. Auf diesem Gebiete muß aber individualisiert werden. Mit Recht weist die Denkschrift darauf hin, daß die christliche Kirche wohl daran tue, die⸗ jenigen Neger, die sich mehrere Weiber nehmen, nicht ohne weiteres auszustoßen; es muß ein MUebergangsstadium zugelassen werden. Gegen den Islam kann das Christentum nicht aufkommen, wenn es ihm nicht gelingt, dem Alkohol wirksamer entgegenzutreten. Die ganze Frage des Islams sollte mit den Missionaren usw. vom Kolonialamt einmal gründlich untersucht werden. Für die fünf deutschen Schulen in Ostafrika sind wir dem Staatssekretär besonders dankbar. Sehr erfreulich ist ferner die Zunahme der Hüttensteuer Was Südwestafrika betrifft, so hoffe ich, daß die Bastardkinder als Farbige behandelt, abgesondert und nicht in die Kreise der Deutschen aufgenommen werden. Mit der Selbstverwaltung muß vorsichtig und langsam vorgegangen werden, da es sich um viele Fremde handelt. In Kamerun hat sich die wirtschaftliche Entwicklung biel langsamer voll⸗ zogen als in anderen Gebieten. Das liegt an der geographischen Lage. Jetzt erst wird eine Kopf- und Hüttensteuer eingeführt, und es zeigen sich jetzt sehr erfreuliche Resultate. Es sind gleich im ersten Jahre 542 900 M erzielt worden. Hand in Hand mit der Hüttensteuer geht die Kopfzählung. Diese hat eine Eingeborenenzahl von 1 300 6000 Seelen ergeben, abgesehen von den inneren Residenturen, wo auch noch 13 Millionen anzunehmen sind. Den Bau einer Südbahn sollte der Stgatssekretär auch wenigstens im Auge behalten, um die kostspieligen Trägertransporte überflüssig zu machen und diese Leute dem Ackerbau zu erhalten. Togo ist ja unsere Musterkolonie. Erst in der letzten Zeit ist die Steuerarbeit in Steuerzahlung umgewandelt worden. Die Volkszählung hat dabei eine Bevölkerung von ungefähr ' Million ergeben. Im Namen meiner Freunde habe ich dem Staatssekretär unseren Dank auszusprechen für die fleißige und sorg⸗ same Arbeit, die er den Kolonien hat angedeihen lassen; wir sprechen aber die Hoffnung aus, daß es ihm gelingen wird, die Baumwoll⸗ produktion stärker zu fördern.
Abg. Dr. Goller (fr. Volksp.): In der Beurteilung der Kolonial beamtengehälter stehen sich zwei Meinungen gegenüber. Die einen meinen, daß man die Kolonialbeamten durch ausreichende Zulagen an die Kolonien fesseln müsse; die anderen weisen darauf hin, daß namentlich die, unverheirateten Beamten viel zu hohe Zulagen bekommen. Vielleicht könnte man einen Ausgleich zwischen beiden Beamtenkategorien herbeiführen dadurch, daß man mit der Zulage für die unverheirateten Beamten etwas zurückhaltender ist und den verheirateten Beamten mehr gibt. Dem kauf⸗ männischen Geist hat man in den letzten Wochen wahre Hekatomben von Anerkennungen geopfert; dieser kaufmännische Geist ist auch in die Reichsboten gefahren. Wo sind die Zeiten hin, wo dem jetzigen Kolonialsekretaͤr das Wort „Börsenjobber“ entgegen geschleudert worden ist! Heute wird man sich allgemein freuen, daß es diesem kaufmännischen Geist gelungen ist, sich durchzusetzen und der etwas geringschätzigen Aufnahme, die er in der Beamtenschaft fand, durch die errungenen Erfolge die Antwort zu geben. Auch das schöne Zusammenwirken zwischen Reichsverwaltung und Parlament ist dadurch sehr gefördert worden, und es wäre sehr zu wunschen, wenn wir dieses Zusammenwirken auch auf anderen Gebieten fänden, wenn wir nicht mehr erleben müßten, daß der Kriegsminister stets den starren Standpunkt herauskehrt: Hier stehe ich, das ist meine Meinung! In Kamerun haben wir keine Nahrungsmittel für den Schwarzen; daher die Reiseinfuhr von 1 Million, wovon drei Viertel aus Deutschland, ein Viertel aus England stammt. Warum bemüht man sich nicht, den Reis aus Togo nach Kamerun einzuführen? Bei Südwest stoßen wir auf eine Maiseinfuhr von 125 000 S, wovon 70 000 S6 aus Kapstadt stammen, während das ganze Quantum billig von Togo beschafft werden könnte, wie ich mich dort persönlich überzeugt habe. Die Reedereien haben natürlich an solchen direkten Transporten kein Interesse; sie verladen ihn lieber bon Togo nach Hamburg und von da nach Südwestafrika. Hier hätte der Staatssekretär eine sehr passende Gelegenheit, einzugreifen. Die Missionen nehmen manchmal gegenüber dem Zweck und dem Wesen der Kolonisation einen anderen Standpunkt ein als die Ver⸗ waltung. Solange die Missionen das Ora et Labora unter Vor⸗ anstellung des Labora praktisch machen, wird die Verwaltung ihre Unterstützung gern annehmen. Wenn aber die Missionen sich der Schule bemächtigen wollen, so kann es für die Verwaltung ihnen gegenüber nur ein bis hierher und nicht weiter“ geben. Der Islam ist da, er hat eine mehrhundertjährige Geschichte; wir müssen ihn ertragen lernen, und ich wüßte . nicht, was das Deutsche Reich in seinen Kolonien dabon ju befürchten