Vorentwurf und die Reichstagsmehrheit auch. Die Vertreter der arteien haben erklärt, sie wüßten nichts davon; die Amerikaner ollten also wieder geblufft werden, es hat nur nichts genützt. Bradley fuhr nach Washington, vergewisserte sich dort, daß die Regierung sich etwas derartiges nicht gefallen lassen würde, und zeigte sich von da ab nicht mehr entgegenkommend. Der erste Entwurf hatte wenigstens das Gute, daß er dem Entstehen neuer Werke einen Riegel vorschob; der neue wird das Gegenteil bewirken, was ja die unglaubliche im letzten Halbjahr in Schwang gekommene Agiotage beweist. (Der Redner führt in Ergänzung der Angabe des Abg. Dr. Heim noch eine lange Reihe weiterer Kurssteigerungen an.) Ein so kolossales Unglück ist es doch auch nicht, wenn ein paar Gruben oder Kuxen in amerikanischem Besitze sind; wieviel ameri⸗ kanische Werte sind nicht in deuktschem Besitz! Nun fürchtet man, der freie Wettbewerb würde dazu führen, daß die Großen die Kleinen aufkaufen, und dann eine ungeheure Vertrustung einträte. Diese Gefahr könnte bestehen, wenn nicht ein so ungeheures Quantum an Bodenschätzen vorhanden wäre. Und nun die Interessen der Landwirt⸗ schaft! Ist sie nicht durch die bisherige Preispolitik des Syndikats geradezu geschädigt worden? Sonst sind doch die Herren von der Regierung und die landwirtschaftliche Presse so besorgt für die Landwirtschaft; wie kommt es, daß diese Presse, zumal die Deutsche Tageszeitung jeden geradezu beschimpft, der für billigere Kalisalzpreise eintritt? Wir haben in Preußen immer ein Ministerium gegen den Handel gehabt, früher und jetzt. Das Ministerium setzte eine enorme Bevorzugung der landwirtschaftlichen Organisation gegenüber dem Handel durch; was dem Handel blühen wird, weiß noch niemand, selbst die Mitglieder des Syndikats haben nur durch Indiskretionen erfahren können, welche Begünstigungen ihnen eingeräumt, werden sollen. In dieser Beziehung wird allerdings die Kommissionsberatung Klarheit schaffen müssen. Wir verkennen keineswegs die großen Verdienste der Deutschen Landwirtschafts⸗Gesellschaft um die Kaligewinnung, aber sie braucht doch heute nicht mehr die große Provision, die sie vom Syndikat erhält. Was hat denn der Bund der Landwirte sich für Verdienste um die Kaliausbeutung erworben? Tatsächlich hat er nichts dafür getan. Er hat aus dem Geschäft einen Reingewinn von 2490 000 M gezogen, ein hübscher Gewinn für die Bundes— kasse. Was haben aber wir für ein Interesse, durch ein Reichs—⸗ esetz dafür zu sorgen, daß der Bund der Landwirte mit diesen Mitteln seine Agitation treibt? Der Bund der Landwirte hat selber Kaliwerke erworben unter Beteiligung von Freiherrn von Wangenheim, Roesicke usw. Ich verdenke niemand, daß er sich an Kaliwerken beteiligt, aber dann muß er auch selber feine Haut zu Markte tragen und nicht verlangen, daß ihm das Fesetz seine Spekulation schützt. Daraus erklärt es sich, warum der Bund der Landwirte jetzt taubstumm geworden ist in seiner Forderung nach billigen Kalipreisen. Ich glaube, daß der Gesetzentwurf landwirtschaftsfeindlich ist, denn die Landwirtschaft braucht billige Preife. Ich halte es für ausgeschloffen, daß nach Erlaß des Gesetzes die Kalipreise niedriger werden. Im Gegenteil, auch die Begründung spricht nur von einer Erhöhung der Preise. Wer es mit der Kalüindustrie gut meint, muß auch gegen das Gesetz sein, denn die massenhafte Gründung neuer Werke be— günstigt die Spekulation. Wir sind prinzipiell gegen einen solchen Ein— griff des Staates. Mit demselben Recht kann auch die Zement⸗ industrie ein solches Gesetz verlangen, die ebenfalls heruntergewirt« schaftet ist. Nur die freie Tätigkeit kann der Industrie helfen. Wir werden in der Kommission mitarbeiten, um so rasch wie möglich klare Verhältnisse zu schaffen, damit die Industrie weiß, woran fie ist. Mit der falschen Politik der Syndikate muß gebrochen werden.
Preußischer Minister für Handel und Gewerbe Sydow:
Meine Herren! Die starken Töne, die der Herr Vorredner den Regierungen gegenüber gebraucht hat, erinnerten mich manchmal an die schönsten Zeiten des vergangenen Jahres. (Heiterkeit rechts.) So wenig sie mir damals auf die Nerven gefallen sind, so kalt lassen sie mich auch heute (sehr gut! rechts; und ich würde manches nicht beantworten, wenn es nicht eine die Verwaltung, der ich vorgesetzt bin, treffende Spitze hätte. Ich will auch der Versuchung wider— stehen, unter Rückblick auf die letzten 20 Jahre der Tätigkeit des Herrn Vorredners, das Thema weiter auszuführen: der Herr Abge— ordnete Gothein — ein Freund der Landwirtschaft! (Heiterkeit und Beifall rechts.)
Der Herr Abgeordnete Gothein hat es ja auch für gut befunden, einige abschätzige Bemerkungen über meine Tätigkeit in meiner früheren Stellung in das Haus hineinzuwerfen. Ich kann ihm darauf nur ant⸗ worten: es gleitet an mir ab, da ich mir von dem ersten Tage an, an dem ich in meiner früheren Stellung stand, bewußt war, daß ich niemals in die Lage kommen würde, mich der Zustimmung des Herrn Gothein zu erfreuen. (Sehr gut! rechts. Oho! links.) In einer ähnlichen Lage sind meine Herren Amtsvorgänger im Handels⸗ ministerium gewesen, die er auch angegriffen hat. Mit einem gewissen Behagen hat er den alten Witz — er hält es dafür vom Minister „gegen Handel und Gewerbe“ wieder breitgetreten, einen Ausdruck, der sich in dem Falle auf einen meiner Herren Vorgänger bezog. Man sollte doch in einem Hause, wo ernste Leute mit einander sprechen, nicht derartiges sagen; das heißt doch: Männern, die nicht mehr hier sind, vorwerfen, daß sie gegen Pflicht und Gewissen gehandelt hätten! Und was ist dafür geltend gemacht worden? Daß ein preußischer Handelsminister zugestimmt habe einer Herabsetzung der Preise für die Landwirtschaft, ohne gleichzeitige Herabsetzung der Preise für die Industrie. Wie lag denn die Sache? Natürlich hat der Handels— minister, weil er auch Staatsminister ist, die allgemeiuen Interessen zu verfolgen und dafür einzutreten, daß die Interessen von Industrie, Handel und Landwirtschaft nebeneinander bestehen können. Er hat auch von seinem Standpunkte dafür zu sorgen, daß die Landwirtschaft nicht höhere Preise zu zahlen hat, als sie tragen kann; die Industrie hat niemals unerträgliche Preise für das Kali zu zahlen gehabt und hat auch nicht verlangt, daß die Preise noch weiter herabgesetzt würden; es lag also keine Veranlassung vor, dafür zu sorgen.
Der Herr Vorredner hat darüber gesprochen, daß die Minister kommen und gehen, daß sie wechseln. Gewiß; nur er selbst ist um sein Wort zu gebrauchen — der bleibende Pol! Der Herr Abg. Gothein hat hier schon vor 20 Jahren dieselben Ansichten vom freien Spiel der Kräfte, vom laisser faire, laisser aller vorgetragen, die er noch heute vertritt, mag auch alles drüber und drunter gehen. (Sehr gut! rechts. — Zurufe links.)
Nun hat der Herr Abg. Gothein der preußischen Bergverwaltung — die mein Kollege, der Herr Oberberghauptmann, wohl nachher noch weiter in Schutz nehmen wird — den Vorwurf gemacht, daß sie ihren Einfluß nicht dahin ausgeübt habe, eine Herabsetzung der Inlandpreise zu erreichen. Da frage ich: wie sollte sie das machen? Der preußische Handelsminister hat von jeher im Kali⸗— syndikat nur das Recht gehabt, einer Erhöhung zu widersprechen; und von dem Recht hat er auch Gebrauch gemacht. Eine Ermäßigung hätte er nur dadurch erzielen können, daß er das Syndikat gesprengt hätte. Das wäre möglich gewesen. Wenn aber dann der preußische Fiskus gegen die Privatwerke mit einer selbständigen Unterbietungs—
politik vorgegangen wäre, dann hätte ich mal Ihre Parteigenossen hören mögen. (Lebhafte Zustimmung rechts Sie hätten dann sicher gesagt: dazu ist der Fiskus nicht da, daß er uns die Privatindustrie ruiniert. (Erneute Zustimmung rechts. Wenn der Fiskus einen solchen Mut — so hat es der Herr Vorredner bezeichnet — gehabt hätte, so wäre das eine Courage auf Kosten anderer gewesen. Das machen wir nicht. (Lachen und Zurufe links.)
Was hilft aber nun die Erörterung darüber, ob es früher hätte anders gemacht merden können! Es kommt doch darauf an, wie die verfahrene Situation, die jetzt besteht, gebessert werden kann. (Zuruf links: sie ist also doch verfahren) — Ja, das ist ja die Grundlage aller meiner Erörterungen. Sie ist verfahren, weil das Syndikat nicht mehr zu halten ist. Das liegt vor allem an den großen Aus— landsverkäufen, die jetzt gemacht sind. Sie sind einmal da. Eine Politik, die darauf ausgeht, möglichst viel von den bestehenden Werken zu ruinieren, halte ich vom wirtschaftlichen Standpunkt aus für ver— kehrt. (Lebhafte Zustimmung rechts.)
Was wird der Effekt sein? darauf komme ich noch einmal zurück. Wenn Sie jetzt das Gesetz nicht zu Stande kommen lassen, wenn das Syndikat scheitert, dann bekommen Sie einen allgemeinen Preiskampf. Aber das Ausland ist in Sicherheit. Durch die Amerikaner⸗Verträge hat das Ausland zunächst sein Quantum. Vorübergehend gehts im Inland vielleicht auch herunter mit den Preisen. Eine Reihe von Werken bricht zusammen. Das Ausland erwirbt die erforderlichen Werke aus dem Zusammenbruch und deckt seinen Bedarf aus seinen Werken. (Sehr richtig! rechts.) Da liegt der Schwerpunkt der Sache. Dann bleibt für die übrigen Werke ausschließlich das Inlandsgeschäft. Bisher haben die hohen Auslandspreise die Möglichkeit gegeben, die Inlandspreise relativ niedrig zu halten. Entziehen Sie den anderen Werken das Auslands— geschäft, dann müssen diese die Inlandspreise hochhalten; und die mächtigen Faktoren, die dann den ausländischen Besitz an inländischen Werken halten, haben gar kein Interesse an niedrigen Inlandspreisen. Man kann sein Licht nicht zugleich an zwei Seiten anbrennen: man kann eben nicht zugleich niedrige Auslandspreise und auch niedrige Inlandspreise machen. (Zuruf rechts: Das kann nur Herr Gothein!) Das erwidere ich Herrn Gothein. Der preußische Fiskus soll nach seiner Meinung vorangehen, soll nicht nur billige Auslandspreise, sondern auch noch billige Inlandspreise machen! Wovon sollen denn die Werke leben? Bisher haben sie im wesentlichen am Auslands— geschäft verdient gehabt. Wenn das nicht gewesen wäre, wären die Inlandspreise höher gewesen, als sie waren.
Nun hat sich der Herr Abg. Gothein mit einer rührenden Liebe der Amerikanerverträge angenommen. (Zurufe rechts: Das tut er immer! Er hat gesagt und das berührt mich nun in meiner Stellung als Handelsminister im allgemeinen —, jeder würde so handeln, wie hier die beiden Kaliwerke Aschersleben und Sollstedt gehandelt haben: in dem Moment, wo sie frei wurden, nahmen sie möglichst viel ihrer Konkurrenz weg; wer das nicht mache, gehört zu den Dummen. Nein, das ist nicht die Anschauung des deutschen Handels. Es gibt auch ein Gerechtigkeitsgefühl, das anerkennt, daß der Konkurrent auch ein Recht zu leben hat. Ich bezweifle sehr, ob sich in dem ganzen deutschen Kalisyndikat noch zwei Werke gefunden hätten, die ein ähnliches Geschäft gemacht hätten, die gesagt hätten: Nun mag werden, was will; wenn wir nur unser Schäfchen ins Trockene bringen und es ordentlich scheren können, dann mögen die anderen zu Grunde gehen. Daß das der Auffassung des ordentlichen Kaufmanns entspricht, dem muß ich entschieden widersprechen. (Sehr richtig! rechts.)
Die Herren Abgg. Heim und Freiherr von Gamp sind ja bei aller Kritik der Vorlage mit ihrem Endziel einverstanden: auch sie wollen, es solle dafür gesorgt werden, daß sich nicht das Ausland auf Kosten des Inlands bereichert. Die Wege, die die Vorlage einschlägt, sind freilich von den beiden Herren Rednern kritisiert worden. Wir werden ja in der Kommission zu prüfen haben, ob es noch einen anderen als den vorgeschlagenen Weg gibt; ich bezweifle es stark.
Was die Kritik des Herrn Abg. von Gamp betrifft, so fürchtet er, daß durch die Bestimmung des 5 26, die den neuen Werken eine provisorische Beteiligung sichert, die ungefähr ihren Vorrichtungskosten entsprechen muß, ein Anreiz zur Errichtung neuer Werke geschaffen ist. Ich glaube, daß das überschätzt wird. Es kommt nicht darauf an, was die neuen Werke in den ersten Jahren provisorisch bekommen, sondern welche Beteiligungsziffer sie später definitiv erhalten. Da ist ein Schutz gegen eine übermäßige Konkurrenz dadurch gegeben, daß neue Werke nicht mehr durch Outsiderverkäufe den anderen Unbequem⸗ lichkeiten bereiten können, sondern daß sie im geordneten Verfahren das empfangen, was ihrer Bedeutung entsprechend ist. Sind die Werke von Bedeutung, haben sie große wertvolle Lager, so ist vom allgemeinen Standpunkt kein Schaden, wenn diese aufgeschlossen werden und in die Gemeinschaft hineinkommen; sind es aber schwache Werke, so wird die Beteiligungsziffer so niedrig werden, daß sicherlich jede Bank sich überlegen wird — und darauf kommt viel an —, ob sie Geld zum Abteufen neuer Schächte geben soll, ohne gewiß zu sein, daß in der Tat neue wertvolle Lager damit erschlossen werden.
Die Herren Abgg. von Gamp und Heim haben dann die Frage des Ausfuhrzolls gestreift und sich darauf berufen, daß mein Herr Amtsvorgänger im vorigen Juli die Möglichkeit eines solchen erörtert habe. Damals ist ein differentieller Ausfuhrzoll erwogen worden, der sich nach der Höhe des Verkaufspreises richten sollte. Die Frage ist auf das ernsthafteste verfolgt worden; es hat sich aber erstens er— geben, daß die Bestimmung, den Ausfuhrzoll nach der Höhe des Ver— kaufspreises zu berechnen, undurchführbar ist, weil die Verkäufer es in der Hand haben, an einen anderen im Auslande, der wirtschaftlich mit ihnen identisch ist, zu einem Scheinpreise zu verkaufen, der dem Differentialzoll ausweicht, wie man überhaupt sehr schwer dahinter⸗ kommen würde, welches der wirkliche Verkaufspreis der Werke ist.
Dazu aber kommen die Bedenken, die aus allgemeinen handels— politischen Gründen geltend gemacht sind. Schließlich hat man sich darauf schlüssig gemacht, daß wir mit Ausfuhrzöllen nicht arbeiten können, weil wir unsere gesamte handelsepolitische Situation dem Auslande gegenüber verschlechtern würden und nicht mehr stark genug wären, die Ausfuhrzölle des Auslandes gegen uns abzuwehren, wie dies z. B. bei Schweden bisher gelungen ist. Das ist der Stand— punkt, den anch mein Herr Amtsvorgänger, der jetzige Herr Staats— sekretär des Innern, einnimmt.
Nun hat Herr Dr. Heim schon darauf hingedeutet, daß es auch andere Syndikate gebe, die nach dem Auslande billiger verkaufen als nach dem Inlande, und man möge erst dagegen vorgehen. Als einen
Vorzug der Syndikate hat das niemand angesehen, und wenn etwas dagegen zu machen wäre, würde man es tun. Aber woran ist das immer gescheitert, und woran wird es immer scheitern? Bei der Kohle, bei dem Eisen handelt es sich um Objekte, die einen Welt— marktpreis haben. Die Konkurrenz der Inlandsindustrie beim Export solcher Artikel ist nur möglich, wenn sie sich nach den Preisen des Weltmarktes richten; auf diese hat sie keinen Einfluß. Dort handelt es sich um Objekte, die nicht Monopolartikel sind, deshalb steht die Industrie vor der Frage, entweder durch Vermehrung des Absatzes nach dem Auslande die Betriebs—⸗ kosten herabzusetzen und zu Preisen zu liefern, die billiger sind als die Inlandspreise, oder gar nicht nach dem Ausland zu liefern. Es besteht keine Gefahr, daß ein Vorgang, den man bei anderen Kartellen verfolgt hat, sich hier wiederholt. Kali ist ein deutscher Monopolartikel. Wenn Deutschland rechtzeitig das Zerfallen der Betriebsgemeinschaft und den Uebergang wichtiger Teile der Kali⸗— industrie an ausländische Hände verhütet, dann ist es in der Lage, auch dauernd eine Preisentwicklung, wie sie im Interesse der in— ländischen Volkswirtschaft liegt, sicherzustellen und dafür zu sorgen, daß das Ausland nicht billigere Preise erhält als das Inland.
Ich muß leider noch einmal auf den Abg. Gothein zurück— kommen. (Heiterkeit Er hat es für gut befunden, hier vertrauliche Mitteilungen, die ein verstorbener Amtsvorgänger von mir ihm gegen— über gemacht hat, auf die Tribüne zu bringen. (Hört! hört! rechts.) Ich bin etwas kritisch gegenüber der Auffassung, die der Herr Abg. Gothein von dem, was ihm gesagt ist, hat. Heute soll ich z. B. gesagt haben, daß in Hannover noch das Kali Pertinenz des Grundeigentümers wäre. Ich habe hier das unkorrigierte Stenogramm. Das Wort noch“ kommt an der betreffenden Stelle überhaupt nicht vor. Der
Satz lautet:
Endlich machten die besonderen Verhältnisse der Probinz Han— nover eine Regelung auf der ursprünglich von Preußen vor— geschlagenen Basis schwierig. Dort ist ja das Kali Pertinenz des Grundeigentums, und jeder Eingriff zur Beschränkung der Aus— nützung des Kali führt indirekt zu einer Beschränkung der Aus— nützung des Grundeigentums und findet von diesem Gesichtspunkt aus großen Widerspruch.
(Hört, hört! rechts) Genau so steht es im unkorrigierten Steno— gramm. — Also der Herr Abg. Gothein hört unter Umständen das, was er zu hören wünscht. Ich lasse dahingestellt, da der vormalige Handelsminister, welcher ihm die Mitteilung gemacht hat, nicht mehr lebt, wie weit der Abg. Gothein dessen Worte richtig verstanden hat. Jedenfalls das weiß ich: wenn der Verstorbene geahnt hätte, daß seine vertraulichen Bemerkungen hier nach seinem Ableben auf der Tribüne des Hauses ausgenutzt werden sollten, um ihn und die Regierung anzugreifen, hätte er den Herrn Gothein ganz sicher nicht zum Vertrauten gewählt! (Sehr richtig! rechts.)
Preußischer Oberberghauptmann von Vel sen: Der Abg. Gothein hat sich mit dem Tun und Lassen der preußischen Ber verwaltung und des längeren mit dem Monopolgesetz beschäftigt. Ich habe den Eindruck, daß der Abg. Gothein, der nicht dem preußischen Abgeordnetenhause, angehört, diese Gelegenheit benutzt, um fich an der preußischen Bergverwaltung zu reiben. Er sagte, der Fiskus hätte in der betreffenden Nacht versucht, die Ver— sammlung mit der Bemerkung zu bluffen, daß, wenn bis Mitternacht das Syndikat nicht zu stande käme, die preußische Ver⸗ waltung nicht mehr dem Syndikat beitreten würde. In Wirklichkeit ist gesagt worden, daß, wenn die Versuche sich wiederholten, die Verhandlungen bis 12 Uhr hinzuziehen, und keine Vereinbarung zu stande kommen würde, der Fiskus sich nicht weiter beteiligen unk selbständig mit dem Verkauf vorgehen würde. Soeben wird mir eine Karte überreicht, auf der erklärt ist, daß die Behauptung, daß Syndikatsvertreter in New Jork ausgesagt haben, daß der Bundesrat und die Mehrheit des Reichstags bereits für den preußischen Kali— gesetzentwurf gewonnen seien, eine böswillige Erfindung ist, für die der Abg. Gothein die Ehrenpflicht hätte, seine Gewährsmänner zu nennen. Im übrigen möchte ich nur bedauern, daß mein werter früherer Chef im Ministerium Brefeld dem Abg. Gothein sein Vertrauen ge⸗ schenkt hat. ;
Abg. Hausmann (nl.): Ich bin ja überzeugt, daß der Reichstag ebenso wie der Bundesrat den Angriff zurückgewiesen haben würde, der in die wohlerworbenen Rechte der hannoverschen Grundbesitzer
nach dem ersten Entwurf des Kaligesetzes beabsichtigt war, aber ich muß doch mein großes Bedauern darüber aussprechen, daß eine solche Unruhe in den betreffenden Kreisen überhaupt erregt werden konnte, wie sie sich in den Tausenden von Petitionen Luft gemacht hat, und ich hoffe, daß der Versuch, ihnen zu nehmen, was ihnen nach Recht und Gesetz gehört, zum letzten Male gemacht worden ist. Was die Vorlage betrifft, so hat man sich daran gewöhnt, sie eine lex Schmidtmann zu nennen. Bis jetzt sind ja abbauwürdige Kali— felder im Auslande nicht vorhanden. Sind nun bei uns solche Boden⸗ schätze vorhanden, so muß auch verhütet werden, daß sie verschleudert werden. Deutschland hat auch ein Interesse daran, daß die Kali— werke, die in einer günstigeren Lage sind, ihre Uebermachk nicht aus— nutzen gegenüber den kleineren Werken. Zahllose Millionen pon Werten sind verloren, die in kleineren Werken investiert sind. Es handelt sich hier um ein großes vaterländisches Interesse, und ich beantrage, die Vorlage in einer Kommission von 28 Mit- gliedern genau zu prüfen. Ich würde dafür sein, daß das Gesetz nur auß eine Dauer vgn 10 Jahren gilt. Bei der Stillegung von Zechen sollten die Gemeinden von der Zentralbehörde gehört werden. Es ist. mir auch fraglich, ob in allen Fällen die Berusungsinstanz entscheiden soll. Vielleicht könnte in manchen Fällen ein Schleds' gericht entscheiden. Wir verkennen nicht, daß es sich bei diesem Gesetzentwurf um den Schutz großer vaterländischer Interessen handelt, deshalb stehen wir dem Entwurf freundlich gegenüber. In diesem Sinne werden wir in der Kommission mitarbeiten, und wenn wir uns überzeugen, daß der Industrie nicht anders geholfen werden kann, als durch eine Vertriebsgemeinschaft, so scheuen wir auch vor einem esetlichtn Eingreifen nicht zurück. . Abg. Dr. Roesicke (dä kons.): Dies Gesetz ist allerdings ein be⸗ enderes Gesetz. Die Materie, mit der es sich beschäftigt, nimmt eine Ausnahmestellung ein. Kali ist ein Monopol für Deutschland, und deshalb muß das Gesetz auch eine besondere Gestaltung haben und kann nicht auf andere Verhältnisse übertragen werden. Seitdem man erkannt hat, daß das Kali einen besonderen Wert hat, hat man sich bemüht, zu berhindern, daß das Ausland es billiger bezieht als das Inland. Das ist eine Frage, die das ganze deutsche Volk angeht; und diese Frage will das Gesetz lösen. Die Gefahr, die hier droht, ist durch die Schmidtmann-Verträge offenbar geworden; diese Gefahr muß ab⸗ gewendet werden. Was geschehen kann, wenn keine geordneten Ver⸗ hältnisse in diesem Punkte in Deutschland vorliegen, ist, daß das ausländische Kapital sich in noch höherem Maße, als es schon ge⸗ schehen ist, in Deutschland festsetzt und so den deutschen Getreide⸗ bau und damit die Ernährung des deutschen Volkes gefährdet. Dem
hisherigen Syndikat muß zuerkannt werden, daß es den verständigen
Grundsatz verfolgte, der deutschen Landwirtschaft das. Kali—⸗ salz billiger zuzuführen als dem Auslande; seine Politik hat eine durchaus nationale Grundlage, wie sie leider dem Kohlensyndikat nicht nachgerühmt werden kann, dessen Verfahren trotz des Hinweises auf den Weltmarktpreis der Kohle nicht zu billigen ist.
(Schluß in der Zweiten Beilage)
M 39.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Bei freiem Wettbewerb werden die kleinen, die schwächeren Werke unterliegen, weil sie unterliegen müssen, die starken werden sich vertrusten, und die Verteuerung wird da sein. Beim freien Wett— bewerb würde lediglich das Faustrecht herrschen; vom Standpunkte des Landwirts möchte ich in diese Löwenhöhle nicht hineingehen. Be— kanntlich bestehen nirgends höhere Lehensmittelpreise als in dem gelobten Lande des Fleischtrusts (Zuruf links: des Schutzzolles ), des Schutzzolls und des Fleischtrusts übrigens, die Schutzzölle haben mit den Fleischpreisen nichts zu tun, die Verteuerung ist lediglich entstanden durch die Trusts. Solche Zustände wollen wir jedenfalls bei uns nicht, denn es würde dann von einer Reellität des Handels nicht mehr die Rede sein. Die 6 zu vernichten, würde ein volkswirtschaftliches Verhängnis fein; wir machen das nicht mit. Alle diese Mißstände und Schwierig- keiten würden allerdings nicht eingetreten . wenn s. Z. nach dem Antrage Kanitz rechtzeitig der Ausfuhrzoll eingeführt worden wäre. Insoweit eine gesetzliche Regelung denselben Zweck erreicht, werden wir an dem vorgelegten Entwurf mitarbeiten. Wir müssen aber verlangen, daß diejenigen Mengen, die nach dem Auslande gehen, von einer besonderen, verschieden abzustufenden Auflage betroffen werden können. Wir wollen den Anreiz zu Neugründungen nicht geben; wir wollen aber auch für die Landwirtschaft billige Preise. Wenn irgend jemand für billigere Preise eingetreten ist, so sind es stets die landwirtschaftlichen Organisationen gewesen. Aber erworbene Rechte müssen respektiert werden. Wenn wir Landwirte uns der Freundschaft der Abg. Gothein ausliefern sollten, dann wäre es mit der Landwirtschaft vorbei. Der Abg. Gothein würde die Landwirtschaft nur 4 ja. Doktor Eisenbart kurieren. Der Abg. Gothein hat den Bund der Landwirte zu verdächtigen gesucht. Wir haben immer nach einer gesetzlichen Gestaltung des Kaliabfatzes gestrebt; wenn er aber andeutet, daß der Vorsitzende des Bundes der Landwirte für die Kalisalzvermittlung 20so bezieht, so möchte ich wissen, woher er diese Wissenschaft hat. Was er sonst mitgeteilt hat, beruht auf einem gestohlenen Protokoll, an dessen Inhalt kein wahres Wort ist. Calumniare audacter, semper aliquid haeret — es bleibt immer etwas hängen. Soll es aber der Landwirtschaft verboten sein, sich bei der Produktion ihres wichtigsten Rohmaterials zu beteiligen? Wer selbst ein reines Gewissen hat, wird auch uns glauben, daß wir eine solche. Beteiligung aus uneigennützigen Gründen unternommen haben. Als es nicht gelungen war, den Ausfuhrzoll zu erreichen, haben wir diese Maßregel ergriffen. Nicht ein paar Großmoguls, sondern von Wangenheim, meine Wenigkeit und zahlreiche Landwirte haben die Millionen zusammen— gebracht, und es wäre nichts wünschenswerter, als daß jeder Land wirt direkt von uns, nicht erst durch den Handel, sein Kali erhielte; noch erwünschter natürlich, wenn der Hansabund seine reichen Kapitalien dem Bund der Landwirte zur Verfügung stellte. Von den Rabatten, die die landwirtschaftlichen Organisationen für die Vermittlung des Kalisalzes beziehen, bekommen die Mitglieder des Bundes am Jahresschluß einen großen Teil wieder heraus. So siehl das in Wahrheit aus, was uns der Abg. Gothein hier vorgeführt hat; durch seine Kritik werden wir uns in unserer Tätigkelt nicht be— einträchtigen lassen. Wir wollen uns beteiligen, um dafür zu sorgen, daß die deutsche Landwirtschaft ihr Wort bei dem Kaliabfatz in Deutschland und außerhalb Deutschlands mitspricht. Wir werden uns in der Kommission über die Einzelheiten unterhalten und sind für eine Kommission von 28 Mitgliedern.
Abg. Hue (Soz.): Wir schließen uns dem letzteren Antrage an. Die Vorlage charakterisiert sich als eine Bankrotterklärung der freien kapitalistischen Privatwirtschaftsweise. Die pale lap lt istische Aus⸗ beutung der Bodenschätze darf, das hat sich an diesem Beispiele gezeigt, nicht unbeschränkt ihren Fortgang nehmen. Die Regierung hat natuͤr— lich sich nicht entschließen können, den Nutzen der Allgemeinheit zu— zuführen, sondern sie bringt eine Vorlage, die den Nutzen nach wie vor in der Hauptsache den Privaten beläßt. Was würde der Reichstag sagen, wenn von unserer Seite ein ähnliches Gesetz ein⸗ gebracht würde, das für die Arbeiter Minimallöhne usw. ver⸗ langte? Es wäre genau dasselbe zum Schutze der Arbeiter und ihrer Arbeitskraft, was hier zum Schutze der Unternehmer verlangt wird. Das ist der große Unterschied, daß man für die Starken eine Zwangs— organisation schaffen will, daß man aber die Schwachen, die Arbeiter, an der Ausübung ihres Organisationsrechts noch hindert. So weit ist es nun gekommen, daß die Regierung einen solchen Gesetz— entwurf dem Reichstage vorlegt, wo sie weiß, wie viele direkte und indirekte Interessenten an der Kaliindustrie hier sitzen. Man will den Reichstag korrumpieren, und wir haben alle Veranlassung, das entschieden zurückzuweisen. Ich muß mitteilen, welche Herren in Betracht kommen, damit die Würde des Reichstags gewahrt bleibt, damit nicht später gesagt wird, der Reichstag sei zu einer Schacherbude herabgesunken. Als Teilnehmer an der Konferenz, der der Gesetzentwurf vorgelegt wurde, werden genannt die Abgg. Müller-Fulda, Dr. Mayer⸗Kaufbeuren, Graf Oppersdorff und von Dannenberg. Ich fordere Sie auf, mir zu erklären, ob es wahr ist, daß Sie mit dem ersten Interessenten des Kalisyndikats, Dr. Emil Sauer, eine Unterredung gehabt und mit ihm die Grundzüge dieses Gesetzes vereinbart haben. Es ist interessant, zu erfahren, wie denn eigentlich solche hochwichtigen, volkswirtschaftlichen Gesetzentwürfe zustande kommen. Wo sind denn die Vertreter der Arbeiter gewesen, die man zu der Beratung zuziehen mußte? Es ist eben r e sehrristilch, daß bei uns, wenn im Parlament ein noch so wichtiger Gesetzentwurf vor⸗ gelegt wird, die Vertreter des Kapitalismus gehört werden, daß man aber von der Arbeiterschaft keine Notiz nimmt. Wenn jemals der Klassencharakter des preußischen Staates sich unverhüllt gezeigt, dann in der Begründung dieser Vorlage, in der man, wo es sich um arme Leute handelt, alles abschlägt, aber den Sauer und Genossen, den Leuten, die nicht wissen mit dem Gelde woher und wohin, entgegenkommt. Wir werden Anträge stellen, welche die Vertriebsgemeinschaft ver— anlassen sollen, mit den Arbeitern Tarifverträge abzuschließen, die diesen anstandige Löhne garantieren. Eine Industrie wie die Kali⸗— industrie, die Riesengewinne hat, zahlt den besten Arbeitern nicht einmal 4.50 6. Die Löhne im Bergbau sind fortgesetzt herunter⸗ gesetzt worden zu einer Zeit, wo durch die Finanzreform alle Lebensmittel verteuert worden sind. Um so schärfer müssen wir der Industrie auf die Finger sehen. Das Kalisyndikat ist ein Schulbeispiel für die privatkapitalistische Ausbeutung. Die Produktion ist zugunsten einiger weniger eingeschränkt worden. Es ist sehr wunderbar: so oft wir ein Reichsberggesez für die Arbeiter verlangten, da hieß es, die Landesgesetzgebung ware zuständig, jetzt aber, wo es sich um den Schutz des Kalisyndikats handelt, soll auf einmal das Reich zuständig in. nicht die Landesgesetzgebung! Wie die Verhältnisse heute liegen, hat jedes Kaliwerk etwa 30 6 0 Reingewinn, und doch zahlen diese Werke ihren Arbeitern so schlechte Löhne. Da bersteht man, weshalb Schmidtmann nach Amerika so billig liefert und doch verdient. Wir werden in der Kommission die Vorlegung der Geschäftsbücher des Syndikats verlangen, um einen klaren Einblick in die Geschäftsgebarung zu ge— winnen und um festzustellen, was man den Arbeitern jahlen könn ke. Hier hat es sich wieder gezeigt, daß die rechte Seite nicht die Ver— treterin der kleinen Bauern ist, denn sie stellt sich auf die Seite des Syndikats, das die Kalisalzpreise hochhält. Der Abg. Roesicke kann nicht
Zweite Beilage zum Deutschen Neichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
Berlin, Dienstag, den 15. Fehruar
bestreiten, daß das Syndikat den landwirtschaftlichen Organisationen ungewöhnlich gute Lieferungsbedingungen gestellt hat, daß der preußische Landwirtschaftsminister, der das Vetorecht im Syndikat hat, Fleisch vom Fleische des Bundes der Landwirte ist und auch verwandtschaftliche Beziehungen zu dessen Spitzen hat. ird aber eine Vertriebsgemeinschaft eingeführt, ö muß auch dem Reichstage eine Kontrolle über die Ausführung des Gesetzes eingeräumt werden. Ich wundere mich, daß der Abg. Heim sich nicht in demselben Sinn geäußert hat. Der Bund der Land“ wirte hat für 45 Millionen Kalifelder erworben, die sehr minder— wertiges Salz liefern. Es liegt mir fern, irgendeinem der Herren eine böse Absicht unterzuschieben, aber auch der Abg. Roesicke kann nicht alles wissen. Jedenfalls sind wir nicht dazu da, irgendeine Gesellschaft vor einer finanziellen Schädigung zu schützen. Der Bund der Landwirte macht bei der Sache schon deshalb ein schlechtes Geschäft, weil die Betriebsart schlecht ift. Noch vor kurzem sind auf einem Kaliwerk des Bundes der Landwirte acht Arbeiter ab— estürzt, wovon vier sehr schwer . Man spricht so häufig vom Terrorismus der Sozialdemokraten, auch der Abg. Herold tat es neulich beim prentischen Wahlgesetz. Um so mehr haben wir die Phicht auf⸗ zudecken, wie unter Führung des Fiskus ein unerhörter Terrorismus geübt wird. Wenn die Arbeiter auf die Straße gehen und demonstrieren, dann verlangen wir, daß ihnen gegenüber derfelbe Maß⸗ stab angelegt wird, wie vom Fiskus gegenüber dem Kalisyndikat, das jahrelang die Outsider terrorisiert hat, daß auch uns geftattet wird, egen die Streikbrecher so vorzugehen, wie das Syndikat gegen die Outsider. Schmidtmann hat man in den letzten Wochen in einer Weise behandelt, die man Arbeitern gegenüber als eine Verrufs— erklärung bezeichnen würde. Der Abg. von Velsen hat uns heute bestätigt, daß der Kontraktbruch unter Umstaäͤnden ein legales Mittel ift. Wir werden uns das merken, wenn wieder vom Kontraktbruch der Arbeiter gesprochen wird. Welches Maß von Heuchelei gehört dazu, un Terrorismus vorzuwerfen, während nach einer Mitteilung des „Börsen⸗Courier“ das Syndikat Schmidtmann Kalifelder abgetrleben hat. Wir wollen ab— warten, ob man uns wieder Vorwürfe macht, wir werden dann noch schwereres Geschütz auffahren, wir wollen sehen, wie man es recht fertigen wird, daß man Militär gegen Wehrlose losläßt wie in Mansfeld. Daß zwischen dem Handelsministerium und den Privatkapitalisten die Fäden hin und her gehen, hat die bekannte Palasthotel-Konferenz mit Uthmann bewiesen. Auch die verwandischaftlichen Beziehungen der obersten Bergwerkverwaltung zu den Bergwerkbesitzern kommen hier in Frage. Darum ist auch in christlichen Gewerkschaftskreifen kein Vertrauen zur Bergverwaltung. Ein solches Verwandtschaftsverhäͤltnis ist mit den Interessen des Staats unvereinbar. Die Anarchie, nicht nur in der Kaliindustrie, sondern in der ganzen Montaninduftrie kann nur beseitigt werden durch eine Enteignung der Spekulanten. Andere deutsche Staaten und Oesterreich haben die Bergbaufreiheit eingeschränkt. Die Begründung des österreichischen Gesetzes ist so sozialistisch, als hätte sie einer unserer Genossen ausgearbeitet. Nach diesen Vorgängen ist es eine starke Zumutung, statt der Verstaatlichung des Bergbaues eine Bevorrechtung des Syndikats vorzuschlagen. Wir könnnen dem Gesetzentwurf, wie er vorliegt, unmöglich unsere Zustimmung erteilen. Wir fordern ein Gesetz, das die Aufsicht des Staats über die Gewinnung dieser Bodenschätze strikte durchführt. Dieser Gesetzentwurf will den Staatssozialismus für die Millionäre, wir aber wollen den Sozialismus für das Volk und hoffen, daß, wenn nicht von diesem Reichstag, so von einem anderen unsere Forderungen auf diesem Gebiete erfüllt werden.
Nach dieser mehr als zweistündigen Rede nimmt gegen 8 Uhr noch das Wort der
Preußische Oberberghauptmann von Velsen: Was die Be— hauptung des Abg. Hue betrifft, der preußische Fiskus habe erklärt, wenn das Syndikat nicht zu stande komme, werde er seinerseits mit Verkäufen vorgehen, so war jg der preußische Fiskus berechtigt, Kali— salze zu verkaufen, wenn die Verhandlungen am 390. Juni nicht ( bis um 12 Uhr Nachts zu Ende kamen. Nun hat allerdings eine Reihe von Werken tatsächlich gewisse Mengen Salze verkauft; es waren aber nur solche Quantitäten, die innerhalb ihrer Beteiligungsziffer lagen, und es handelte sich dabei — wir würden es event. auch getan haben, um einen berechtigten Zugriff zu dem Zwecke, das eigene Werk für eine gewisse Zeit vor Not zu schützen. Keines dieser Werke hat für längere Zeit verkauft und keines solche Mengen, die geeignet gewesen wären, die gesamte Kaliindustrie zum Ruin zu bringen. Was ferner die Notiz des „Berliner Börsen-Courier“ betrifft, die ich nicht ge— lesen habe, daß das Kalisyndikat eine Reihe von Entladeplätzen ge⸗ sperrt und vorzeitig mit Beschlag belegt habe, so ist der preußische Fiskus nicht für alles verantwortlich, was das Kalisyndikat tut. Er hat nur eine Stimme in dem Syndikat und damit basta. Und zweitens handelte es sich, wenn eine solche Maßregel getroffen war, um einen Akt der Notwehr. Schmidtmann und das Kalisyndikat standen im Kampf. Derjenige, der die Entladeplätze hatte, hatte sie
4 * 2 ö won farm Cx P. ⸗ — 1 3 49 per se für den anderen gesperrt. Ich kann nicht finden, daß es eine illoyale Maßregel ist — ich spreche nur hypothetisch, wir sind nicht beteiligt — wenn das Syndikat gesucht hat, die Ent— ladeplätze, die es gebraucht, sich zu sichern. Was den erwähnten Zusammenhang zwischen staatlichen und Privatbeamten betrifft, so bilden wir überhaupt unsere Bergassessoren größtenteils für die Privatindustrie aus. Diese wünscht unsere Beamten, eben weil sie von uns ausgebildet sind, und wir haben stets viel mehr Bergassessoren, als wir überhaupt im Staatsdienst be⸗ schäftigen können, deswegen gehen sie in die Privat— industrie. In übrigen werden uns allerdings auch eine ganze Reihe von Staatsbeamten von der Privatindustrie wegengagiert. Es ist aber kein einziger preußischer aktiver Beamter in der Privatindustrie tätig oder irgend einer der mit dem Staats— dienst noch irgend etwas zu tun hätte. Sollen wir in den preußischen Staatsdienst Leute deswegen nicht aufnehmen, weil sie zufälligerweise Verwandte haben, die Privatindustrielle sind? Hat, man bisher davon gehört, daß man es einem Landwirtschafts— minister zum Vorwurf gemacht hat, daß er aus landwirtschaftlichen Kreisen stammt? Woher sollen wir denn unsere Beamten nehmen? (Zuruf rechts: Aus den Sozialdemokraten. Es liegt in der Natur der Dinge, daß aus den Familien der Bergindustriellen dieser oder jener Bergfach studiert. Ich selber stamme aus bergindustriellen Kreisen; mein Vater war , . Ich hatte wiederholt Gelegenheit, in den Privatdienst überzutreten, ich bin aber im Staatsdienst geblieben, finden Sie das unrecht? Dann deutete der Abg. Hue an, als wenn ein gewisser Konnex bestände zwischen der Privatindustrie und den hohen Bergbeamten, als ob diese die Privat⸗ industrie informierten über das, was los wäre. Der . preußische Oberberghauptmann gilt in der Pr vatindustrie nicht als eine besondere Persönlichkeit. Gewiß besteht ein Zusammenhang zwischen Privatindustrie und Staatsbetrieb. Aber daß Beamte der Bergverwaltung in unzulässiger Weise mit der Privatindustrie, wie man zu sagen pflegt, unter einer Decke steckten, muß ich weit von mir weisen.
Persönlich bemerkt der
Abg. Gothein (fr. Vgg.): Ich habe gar kein Bedürfnis, mich an der preußischen Bergverwaltung zu reiben; ich habe wirklich besseres zu kun. Was die verlesene Erklärung des Justiz— rats Kempner betrifft, so habe ich meine Mitteilungen von zwei
1910.
Seiten, und zwar von Leuten, die dabei gewesen sind. Dem Handelsminister habe ich den Vorwurf, gegen Pflicht und Ge⸗ wissen gehandelt zu haben, nicht gemacht. Ich habe mich auch nicht mit rührender Liebe“ der Schmsdtmannschen Ver⸗ träge angenommen, lange noch nicht mit solchem Eifer wie Dr. Heim; ich weise diese Unterstellung als eine Ärt Verdächtigung, als ob man ausländische Interessen verträte, mit Entschiedenheit und mit einer gewissen Entrüstung zurück. Die „vertraulichen“ Mitteilungen des verstorbenen Handelsministers Brefeld an mich habe ich schon vor Jahren zum Gegenstande eines Artikels in der „Frankfurter Zeitung.“ gemacht; er hatte mich nur ersucht, zu seinen Lebzeiten keinen Gebrauch davon zu machen. Die Interessen der Landwirtschaft nehme ich so wahr, wie ich es für richtig halte; wenn man es für komisch erklärt, daß ich mich als Freund der Land— wirtschaft hinstelle, so ist das auch wieder eine Ärt Verdächtigung. Das erwähnte Protokoll habe auch ich ausdrücklich für apokryp erklärt. Den Vorwurf der Verleumdung wird der Abg. Dr. Roesicke wohl sofort zurücknehmen.
Preußischer Minister für Handel und Gewerbe Sydow:
Meine Herren, noch wenige Worte.
Erstens, der Herr Abg. Gothein hatte gesagt, der Minister Brefeld — sein Name ist ja nun genannt worden — habe als Minister gegen Handel und Verkehr gehandelt, und das habe ich be⸗ zeichnet — und, ich glaube, mit Recht — als einen Vorwurf, daß er gegen Pflicht und Gewissen gehandelt hat.
Zweitens, der Herr Abg. Gothein hat heute mitgeteilt, die Ge⸗ spräche, die der Minister Brefeld mit ihm geführt habe, seien unter der Bedingung geführt, daß bei Lebzeiten des Ministers Brefeld kein Gebrauch davon gemacht werden sollte. Ich glaube, schärfer kann man die Vertraulichkeit einer solchen Aeußerung gar nicht hervor— heben. (Sehr richtig! rechts) Die Sache ist nebenbei neu, er hat es bisher nicht gesagt, heute zum ersten Male. Und daraus zu folgern, daß er nun nach dessen Ableben das Gespräch gegen den Minister Brefeld und gegen die Regierung anwenden dürfe, das ist eine Folgerung, mit der, glaube ich, sehr wenige Mitglieder des Hauses einverstanden sind. ( Lebhaftes Sehr richtig! rechts.)
Graf Oppers dorff (Zentr.) : Der Abg. Hue hat meinen Namen und den des Abg. Müller⸗Fulda in Verbindung mit der . genannt, die wichtige Einzelheiten dieser Vorlage vereinbart haben soll. Die Herren von der Kaliindustrie haben nur uns über ihre Meinung informieren wollen, und zwar über den dem Bundesrate schon vor' gelegten Entwurf. Die Konferenz fand im Januar statt, der Bundesrat hat aher schon vor Weihnachten über die Vorlage Beschluß gefaßt. Der Abg. Müller⸗Fulda und ich stehen überhaupt vielfach auf ganz anderem Standpunkt als dieses Gesetz; wir beide sind weder direkt, noch indirekt auch nur mit einem Pfennig an der Kaliindustrie inter- essiert. Auch der Abg. Hue wird sich sicherlich von Fachleuten gern informieren lassen. ;
Die Abgg. Mayer⸗Kaufbeuren (Zentr.) und von Dannenberg (Welfe) verwahren sich in ähnlicher Weise gegen die Ausführungen des Abg. Hue.
Nach weiteren pPersönlichen Bemerkungen der Abgg. Dr. Roesicke und Dr. Fleischer (Zentr.) erklärt der
Abg. Gothein (fr. Vgg.), daß er den Minister Brefeld als Minister gegen den Handel bezeichnet habe, nachdem dieser den Handel für ein Uebel erklärt habe. Zu einer vertraulichen Behand⸗— lung jener Mitteilung auf ewig sei er nicht verpflichtet gewesen. Der Abg. Dr. Roesike habe leider nicht der gewöhnlichen Anstands⸗ pflicht genügt, den Vorwurf der Verleumdung zurückzunehmen.
Schluß 8! / Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 1 Uhr. (Fort⸗ setzung der vorhin abgebrochenen Beratung. Erste Lesungen des Arbeitskammergesetzes, des Hausarbeitsgesetzes und des Gesetzes, betreffend Aenderung der SS 114 a usw. der Gewerbe⸗ ordnung.)
Preusßischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 21. Sitzung vom 14. Februar 1910, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Auf der Tagesordnung steht zunächst die Interpellation der Abgg. Dr. Arning (nl. und Genossen:
»Ist der Königlichen Staatsregierung bekannt, daß in der Provinz Posen gegen Beamte wegen ihres Eintretens für die nationalliberale Partei amtliche Maßnahmen ergriffen worden sind? Billigt sie diese Maßnahmen?“
Auf die Frage des Vizepräsidenten Dr. Porsch erklärt der Minister des Innern von Moltke sich bereit, die Inter⸗ pellation sofort zu beantworten.
Zur Begründung derselben nimmt das Wort
Abg. Dr. Friedberg (ul.): Vor zehn Jahren wurde zwischen den nationalen Parteien der Provinz Posen ein Wahlkom—⸗ promiß abgeschlossen, von dem allein der Kreis Kolmar-CCzar—⸗ nikau⸗ Fehn ausgeschlossen wurde, weil dort die Majorität für den deutschen Kandidaten gesichert war. Dieser Wahlkreis wurde damals im Reichstage durch den freisinnigen Abg. Ernst vertreten. Bei der nächsten Wahl 1903 fiel der Wahlkreis den Konservativen zu. Es ist nicht bekannt geworden, daß die Regierungsbehörden gegen die Verdrängung des Freisinnigen . einen Konservativen irgend etwas auszusetzen gehabt hätten. Es bestehen nun in dem dortigen Wahlkreis zwei größere politische Vereine, ein liberaler Wahl verein der Freisinnigen und ein deutscher Wahlverein, der bei seiner Gründung Konservative und Nationalliberale um— heste später aber ein rein konservativer Verein geworden ist. Als nun im Sommer 1908 durch den Tod des konservativen Ab⸗ eordneten eine Neuwahl , , ,, . regten einige national⸗ iberale Abgeordnete im deutschen Wahlverein an, daß, nachdem die Nationalliberalen bisher immer treu für die konservatiwen Kandidaten eingetreten waren, doch auch von den Landtagsmandaten vielleicht eins den Natienalliberalen zufallen könnte. Dieser Versuch wurde im Laufe der Verhandlungen mehrmals gemacht, aber immer von den Konservativen abgelehnt, sodaß die National liberalen beschlossen, einen nationalliberalen Wahlverein zu gründen und einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Unter diesen national⸗ liberalen Herren befand si auch der Kreisschulinspektor Dr. Nugel, Er mußte aber sehr bald auf die Beteiligung an der Wahlbewegung verzichten, weil der Regierungspräsident in Bromberg ihm dies untersagte, da es mit . Stellung als Kreis⸗ hulinspeltor unvereinbar sei, und weil die besonderen gol g n, Verhältnisse in den Ostmarken es jedem Beamten zur in machten, mit seiner eigenen politischen Ueberzeugung zurückzuhalten. Es ist nun von he le ge een, fortlaufend der Versuch gemacht worden, die nationalliberale Kandidatur zu hintertreiben. Dem