1910 / 43 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 19 Feb 1910 18:00:01 GMT) scan diff

Deutscher Reichstag. 39. Sitzung vom 18. Februar 1910, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Nach der namentlichen Abstimmung über den Antrag des Zentrums, betreffend Beseitigung der Beschränkungen der religiösen Freiheit, und die dazu von den Sozialdemokraten be⸗ antragten Zusätze, worüber in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, tritt das Haus in die Spezialberatung des Etats des Reichsamts des Innern ein.

Die in den letzten Tagen bei den einzelnen Gesetzen erörterten sowie in der Reichsversicherungsordnung enthaltenen Stoffe werden in den Verhandlungen nicht berührt werden.

Die Debatte wird eröffnet über den ersten Ordingriums der Ausgaben „Staatssekretär“. Zu Titel sind nicht weniger als 33 Resolutionen eingebracht.

Abg. Dr. Mayer-Kaufbeuren (Zentr.: Die Entwicklung der Stellung Deutschlands auf dem Weltmarkt zeugt von einer . lichen Produktions- und Konsumkraft des Deutschen Reichs. Unsere Gesamthandelsbilanz ist stark und steigend passiv; trotzdem hat unsere Zahlungsbilanz sich in den letzten Jahren weiter gebessert. Auch unsere Landwirtschaft hat 1909 weitere Fortschritte gemacht in dem Bestreben, den Inlandskonsum auch durch die Inlandsproduktion zu decken. Sehr bedauerlich bleibt unfere Abhängigkeit vom Aus⸗ lande in bezug auf Baumwolle. Ein ganz gefährliches Kapitel ist auch die Abhängigkeit vom amerikanischen Petroleum; die neuesten Machinationen des Petroleumwelttrusts gehen dahin, auch die letzte freie Petroleumproduktion, nämlich die österreichisch⸗galizische, sich untertaͤnig zu machen. Auch die Eisenproduktion reicht noch nicht aus, uns vom Auslande unabhängig zu machen, im Gegenteil steigert sich mit jedem Jahr der Bezug Deutschlands an Eisenerzen vom Aus land, und wir werden in zunehmendem Maße von Schweden abhängig. Die schwedische Regierung hat die sogenannten A⸗-Erze, also die besten, von der Ausfuhr ausgeschlossen; wie deckt sich diese Maß— nahme mit dem schwedischen Handelsvertrag? Es scheint, als ob man in Schweden auf Ausfuhrzölle hinsteuert. In Oberschlesien wird die Schleuderpolitik der deutschen Rohstoff⸗ und Halbzeugkartelle nach dem Auslande ruhig fortbetrieben, was eine Benachteiligung der inländischen verbrauchenden Industrien und eine Verschärfung der ausländischen Konkurrenz zur Folge hat. In Frankreich, wo man jetzt mit der Revision des Zolltarifs beschaäͤftigt ist, geht man damit um, die Länder, die eine solche Schleuder politik zulassen, durch Zollverschärfungen noch extra zu bestrafen. Deutschland besitzt im Auslande wenig Handelssachverständige, ab⸗ gesehen von den Konsuln. Es sollten deren mehr angestellt und ent sendet werden; jedenfalls muß man auf diesem Wege rascher weiter gehen. Das Jahr 1910 steht wieder im Zeichen aufsteigender wirt schaftlicher Entwicklung nach zweijähriger Depression. Im allgemeinen ist der Fortschritt in Deutschland ein langsamer, stetiger und gesunder, mit einziger Ausnahme der Börse, die wieder der überheizte Dampf kessel geworden ist, als welchen sie Ballin vor drei Jahren bezeichnete. Die Bedenken, die wir gegen das neue Börsengesetz gehabt und ge äußert haben, sind durch die Erfahrungen nur bestätigt worden. Immerhin konnte die Plazierung der neuen großen Anleihe des Reiches und Preußens zu günstigeren Bedingungen als früher erfolgen; aber dazu war notwendig, daß in den Reichs finanzen Ordnung geschaffen wurde. Die Industrie hat sich gleichfalls in vorsichtiger Reserve vorwärts bewegt, mit Ausnahme Oberschlesiens, wo die Kohlenproduktion übermäßig ausgedehnt wurde. Wir haben schon vor 2 Jahren eine informaktorische Reichsaufsicht über die Kartelle und Trusts verlangt; unser An trag ist damals angenommen worden und liegt heute in Form einer Resolution wieder vor. In Oesterreich ist ein ganz ähn licher Antrag 1908 zur Annahme gelangt; der frühere Präsident Roosevelt hat sich etwa auf denselben Standpunkt gestellt, und Taft ist ihm darin nachgefolgt. Manches ist ja seitdem geschehen, was im Geiste unseres damaligen Beschlusses liegt; die preußische Regierung hat im Oktober 1908 die Ausnahmetarife für Kohlen nach dem Westen aufgehoben, was dem Kohlensyndikat sehr unangenehm war. In dieselbe Kerbe hat die Marineverwaltung gehauen, indem sie das Kohlensyndikat zu einer Ermäßigung der Preise zwang. Dadurch ist dem Reichsfiskus und dem Steuerzahler im Reiche ein hübsches Sümmchen gespart. Bisher war der Fiskus in seiner Kohlen politik sehr unglücklich, jetzt hat er endlich eine richtige Kohlenpolitik eingeschlagen, und ich möchte nur wünschen, daß er zukünftig noch früher vorgeht. Es hat im vorigen Jahre eine Konferenz in Düsseldorf stattgefunden, die sich mit den Verhältnissen der Siegener und Sauerländer Eisenindustrie beschäftigte. Vielleicht ist der Staatssekretär in der Lage, uns darüber eine Auskunft zu geben. Die Standard-Oil⸗Company schließt mit den Detaillisten Verträge ab, die auch gegen die gute Sitte verstoßen. Das ist doch im höchsten Grade bedenklich. Ich möchte die Aufmerksamkeit der Regierung auch auf das Hefesyndikat hinlenken, das durch seine Preis bildung in der Lage ist, die Brotpreise zu beeinflussen. Auf die Frage der Schiffahrtsabgaben gehe ich nicht näher ein. Ich will nur sagen, daß der größte Teil meiner Freunde lebhaft wünscht, daß der Bundesrat nicht durch Ueberstimmung der übrigen Bundesstaaten, sondern durch eine Einigung möglichst bald eine Lösung dieser Frage herbeiführt. Leider hat die Regierung die von uns vorgeschlagene Mühlenumsatzsteuer abgelehnt. Vielleicht könnte sie durch eine Differenzierung von Mehl und Getreide eine Besserung herbeiführen. Der neue Hansabund hat Statuten aufgestellt, mit denen eigentlich jeder einverstanden sein kann, sie enthalten aber nichts über die Zollpolitik, die Sozialpolitik, den Schutz des Hand werks usw. Da muß man sich fragen, welche Existenzberechtigung er neben den anderen Verbänden hat. Niemand wird etwas Unbilliges darin finden, wenn Handel und Industrie in unparteiischer Weise sich zusammenfinden. Aber zwischen dem kaufmännischen Mittel— stand und dem Großhandel, bestehen Interessengegensätze. Handwerker und kleine Kaufleute gehören nicht in eine Interessenvertretung von Großkaufleuten. Deshalb haben auch zahlreiche Vertretungen von Handwerkern und kleinen Kauf leuten ihre Mitglieder vor dem Beitritt zum Hansabund gewarnt. Unsere Stellung zum Hansabund ist eine zum Teil ablehnende, zum Teil abwartende. Neuerdings hat der Hansabund ein Flugblatt über die wirtschaftlichen Ziele des Zentrums erlassen. Unsere Wirtschafts politik haben wir zugunsten aller Erwerbsstände getrieben, bevor es einen Hansabund gab. Diese Politik werden wir weiter treiben, neben oder gegen den Hansabund.

Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern Delbrück:

Meine Herren! Der verehrte Herr Vorredner hat an mich eine Reihe von einzelnen Fragen gerichtet. Ich habe nicht die Absicht, diese Fragen jetzt zu beantworten; ich hoffe, daß es mir gelingen wird, das im Zusammenhang mit verwandten Materien zu tun, die wahr⸗ . scheinlich hier im Laufe der Debatte zum Gegenstand der Erörterung werden gemacht werden. Aber ich werde bei der Beantwortung dieser Detailfragen in diesem Jahre Ihre Nachsicht in gewissen Grenzen in Anspruch nehmen müssen. Die Zeit meiner Amtsführung ist zu kurz, und das Maß der wichtigen Geschäfte, das mich in den letzten Monaten in Anspruch genommen hat, ist zu groß gewesen, als daß ich alle Einzelfragen so hätte durcharbeiten können, daß ich sie in diesem Jahre so beantworten könnte, wie ich sie hoffe im nächsten Jahre beantworten zu können. Um so mehr aber, meine Herren, möchte ich Sie bitten, mir einige allgemeine Bemerkungen über die Aufgaben meiner Ressorts und über die Ziele der Politik zu gestatten, die ich hier zu vertreten habe.

Titel des diesem

Meine Herren, es liegt nicht in meiner Absicht, ein Programm zu entwickeln, eines solchen bedarf es nicht. Aus einem sehr einfachen Grunde: die Ziele, die das Reichsamt des Innern in jahrzehntelanger Konsequenz verfolgt hat und weiter verfolgen muß, liegen für jeder— mann klar zu Tage, und die Bahnen, auf denen zu diesen Zielen ge— strebt werden muß, sind im allgemeinen so fest abgesteckt, daß kein Staatsmann, er möchte einer Partei angehören, welcher er wolle, von dieser Stelle aus ungestraft den Versuch machen könnte, aus diesen Bahnen auszubrechen.

Aber, meine Herren, trotzdem ist es vielleicht nicht unzweckmäßig, wenn in dem Augenblicke, wo ein neuer Mann an dieser Stelle zum ersten Male seinen Etat zu vertreten hat, kurz die Frage: woher und wohin der Fahrt? mit wenigen Sätzen erörtert wird.

Vielleicht ist es auch zweckmäßig, einige allgemeine Betrachtungen in unsere Debatte einzuknüpfen, weil es in der Natur der Sache liegt, daß bei der Fülle politischer und gesetzgeberischer Details, die uns belastet, in den Kämpfen über diese Einzelheiten leicht der Blick von den allgemeinen Zielen abgelenkt wird, die uns alle, die verbündeten Regierungen und die Mehrzahl dieses hohen Hauses, nicht trennen, sondern verbinden.

Meine Herren, ich bitte bei der Frage: „woher der Fahrt?“ mit wenigen Worten etwas weiter ausholen zu dürfen. Mit der Er richtung des Deutschen Reichs hat für Deutschland eine Periode ihren Abschluß gefunden, die ausgefüllt war mit Kämpfen um politische Ideale, und ihr ist eine Periode wirtschaftlicher Kämpfe gefolgt. An die Stelle eines hochgespannten politischen und wirtschaftlichen Individualismus ist ein ausgeprägt sozialistischer Zug, ein Zug zur Konzentration aller wirtschaftlichen Kräfte, ein Streben nach Konzentration der Massen zur gemeinschaftlichen Verfolgung ihrer wirtschaftlichen Ziele getreten. Und der sozialistische Zug unserer Zeit ist so stark gewesen, daß er nicht nur unserer politischen und unserer wirtschaftlichen Ent wicklung innerhalb der letzten Jahrzehnte, sondern auch unserer wissen— schaftlichen, ethischen und ästhetischen Entwicklung das charakteristische Gepräge gegeben hat.

Meine Herren, man wird, wenn man dem Grunde der Dinge nachgeht, sagen können, daß zwei Momente für die Orientierung unserer inneren Politik innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte be— stimmend gewesen sind: die extensive Entwicklung von Handel und Industrie sowie die völlige Veränderung unserer internationalen und nationalen Verkehrsverhältnisse. Die Umwälzungen, die sich auf diesen Gebieten vollzogen haben und noch vollziehen, sind so tiefgreifend, daß beinahe kein Gebiet unseres Volkslebens, kein Gebiet unseres Wirt— schaftslebens davon unberührt geblieben ist. Und die Wirkungen auf den anderen Gebieten sind so stark gewesen, daß in der Gesetzgebung nicht Handel und Industrie, sondern ganz andere Fragen durch Jahr

zehnte hindurch dominiert haben.

Zuerst meldete sich als industriellen Entwicklung die soziale Frage. Die Kämpfe zwischen

Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die Sorge für die wirtschaftliche und soziale Selbständigkeit, für die Hebung unseres Arbeiterstandes haben in weitem Umfange durch Jahrzehnte die Gesetzgebung des Reichs beherrscht. Die Erfolge, die wir auf diesem Gebiete zu ver— zeichnen haben, mögen groß sein, abgeschlossen ist diese Entwicklung noch nicht.

Die zunehmende Industrialisierung mit ihren tiefgreifenden Folgen für die Entwicklung des Arbeitsmarktes ist aber auch an anderen Zweigen unseres Volkslebens nicht spurlos vorübergegangen, und sie hat besonders stark in die Verhältnisse unseres zweiten großen Er werbsstandes, in die Verhältnisse der Landwirte, eingegriffen. Die Dinge, die sich dort vollzogen haben, sind nicht allein veranlaßt durch Arbeits- und Lohnfragen; die Lohn- und Arbeitsschwierigkeiten auf dem Gebiete der Landwirtschaft sind nur ein Inzidenzpunkt unserer landwirtschaftlichen Entwicklung gewesen. Die Schwierig keiten nahmen dort ihren Anfang in der völligen Veränderung unserer Marktverhältnisse, infolge der Entwicklung unseres einheimischen und auswärtigen Eisenbahnwesens und in der gewaltigen Entwicklung der Schiffahrt, die in der Preisbildung unserer landwirtschaftlichen Produkte eine so starke Verschiebung brachte, daß viele landwirt schaftliche Existenzen, große kleine, allein dadurch an den Rand des Verderbens gebracht (Sehr richtig! rechts. Diese aus der Weltkonjunktur sich ergebenden Schwierigkeiten wurden noch weiter verschärft dadurch, daß einen großen Teil unserer Land wirtschaft, und zwar unser östlichen Landwirtschaft, in einem Augenblick trafen wo zt die Naturalwirtschaft mit der Geldwirtschaft noch im Kampfe lag richtig! rechts), und infolgedessen das kaufmännische Rüstzeug, das der Landwirt heute braucht und über das verfügt, den Wenigsten zu Gebote stand. Auch die Landwirtschaft hat reichlich und nach haltig die Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte, und wir können wohl sagen, nicht ohne Erfolg ausgefüllt.

Konsequenz unserer zunehmenden

ssehr Sorge für

Am verderblichsten und für den Volkswirt und Gesetzgeber am unbequemsten hat aber die Industrialisierung und Entwicklung unseres Handels zum Großen eingewirkt auf diejenigen Schichten, die von rechts und links angegriffen wurden, auf den sogenannten Mittelstand. Ich verstehe darunter den selbständigen, gewerblichen Mittelstand, an dessen Erhaltung jedem Staate und jedem ernsten Politiker viel gelegen sein muß. (Lebhaftes sehr richtig Infolgedessen hat die Mittelstandspolitik uns bisher in diesem Hause ebenso wie in den Parlamenten der Einzelstaaten ernsthaft beschäftigt, und sie wird uns noch manche, ich bin mir darüber klar, schwierige und schwer lösbare Aufgaben bieten, weil wir hier nicht in der glücklichen Lage sind, kraftvollen Entwicklung die Bahn frei zu machen, sondern weil wir hier genötigt sind, einem bestehenden Berufsstand, der von rechts und links in seiner Existenz bedroht ist, den Uebergang in neue Verhältnisse zu ermöglichen. In dieser Sprödigkeit der Materie liegen die Schwierigkeiten, die speziell die Mittelstandspolitik Ihnen und den verbündeten Regierungen ge— boten hat und auch weiterhin bieten wird.

einer neuer

Daneben haben uns naturgemäß unsere wachsende Industrie, die handelspolitischen Bedürfnisse unserer Industrie bestimmte Richtlinien unserer Zoll- und Handelspolitik gegeben, und ich möchte das jetzt schon betonen, wir wollen nicht vergessen, daß für die Handelspolitik, auf deren Höhepunkt wir jetzt stehen, nicht in erster Linie die Interessen der Landwirtschaft, sondern die Interessen der Industrie den Anstoß und die Richtlinien gegeben haben. (Sehr wahr! rechts.)

Nun, meine Herren, 25 Jahre lang beschäftigt sich das deutsche Volk, beschäftigt sich der Reichstag, und beschäftigen sich die ver—

bündeten Regierungen mit diesen Fragen. Man wäre wohl berechtigt, die Frage aufzuwerfen, sind denn nun auf diesem Gebiete die Auf— gaben nicht abgeschlossen, sind nicht neue, wichtigere und größere Auf⸗ gaben aus den Verhältnissen heraus hervorgewachsen, die uns in nächster Zeit in Anspruch nehmen werden? Gewiß, meine Herren, 25 Jahre sind eine lange Zeit, und in 25 Jahren intensiver und steter Arbeit verschiebt sich vieles in den Aufgaben, die ein großes Volk beschäftigen, aber so wie die Dinge heute liegen, kann man nicht sagen, daß auf irgend einem dieser Ge⸗ biete wir in der Lage wären, die Waffen niederzulegen und zu sagen, wir haben genug getan. Wohl liegen schon in der Entwicklung, welche die Dinge genommen haben, die Ansätze zu neuen Problemen, die uns im Laufe der Jahre mit wachsendem Druck in Anspruch nehmen werden, aber ich habe die Ueberzeugung, die Aufgaben, wie ich sie eben charakterisiert habe, werden jedem Staatsmann, der an meiner Stelle steht, im Laufe der nächsten Zeit mit unwiderstehlicher Gewalt festhalten und nötigen, an ihnen zu arbeiten. .

Meine Herren, von all den Problemen, die ich hier eben be— sprochen habe, hat keines eine so gewaltige Stoßkraft entwickelt als das, was wir gemeinhin in dem Worte „Sozialpolitik“ zusammen— fassen. Das hat seinen Grund nicht allein darin, daß die un— mittelbar beteiligten Klassen, die Arbeiter, es verstanden haben, sich innerhalb und außerhalb diefes Hauses eine entschlossene und wirkungsvolle Vertretung zu schaffen; das liegt nicht allein darin, daß über die Kreise der Arbeiter hinaus große Parteien dieses Hauses jenen Fragen ein besonderes und andauerndes Interesse entgegengebracht haben; sondern das liegt darin, daß das deutsche Volk in diese sozialen Fragen eigentlich die Summe seines ganzen Idealismus hineingelegt hat. Nicht allein der Gesetzgeber, nicht allein der Politiker be— schäftigt sich augenblicklich in Deutschland mit sozialen Fragen; sondern der soziale Zug, von dem ich vorhin gesprochen habe, er geht durch unsere Wissenschaft, er geht durch unsere Literatur, er geht durch unsere schöne Literatur, und selbst die Werke unserer bildenden Kunst sind nicht frei von einem gewissen sozialen Zug. Dieser soziale Zug durchdringt unser ganzes bürgerliches Leben, bis zu der etwas bizarren Form, in der wir heutzutage gewöhnt sind, unsere Wohl— tätigkeit zu üben: überall finden wir denselben Drang, sich wie man es etwas trivial auszudrücken pflegt sozial zu be tätigen. So lange diese Grundauffassung das deutsche Volk bewegt, so lange das deutsche Volk seinen Idealismus in diesen Fragen konzentriert, wird niemand daran denken können, unserer Sozialpolitik andere Richtlinien und ein wesentlich anderes Gepräge zu geben, als sie es heute hat. Allerdings wird man sich fragen müssen: haben die Mittel, die wir aufgewandt haben, denn überall die Erfolge gezeitigt, die wir uns wünschen konnten? Werden wir nicht im Laufe der Zeit auch diese Fragen von anderen Gesichts punkten auffassen müssen?

Nun, meine Herren, wir haben viel darüber gesprochen und auf sozialpolitischem Gebiete viel erreicht. Das, was wir allein auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung geschaffen haben und demnächst zu schaffen entschlossen sind, geht weit hinaus über das, was andere Länder zu leisten imstande gewesen sind (sehr richtig! rechts zu leisten imstande gewesen sind nicht bloß in bezug auf ihre gesetz geberische Technik, sondern zu leisten imstande gewesen sind mit Rück sicht auf die Opferwilligkeit des Volkes, auf die Opferwilligkeit aller beteiligten produzierenden Stände, und zu leisten imstande gewesen sind mit Rücksicht auf den warmen Zug des Idealismus, der bei allen diesen Dingen durchdringt. Aber, meine Herren, wir wollen uns über eins nicht täuschen. Alle diese Erfolge namentlich nach einem materiellen Maßstab gemessen, groß sind haben eine Aufgabe nicht gelöst: es ist uns nicht ge lungen, die tiefe Kluft zu überbrücken, welche die wirtschaftlichen Kämpfe der letzten Jahrzehnte gerissen haben, und die das deutsche Volk zu seinem Schaden in zwei Teile teilt. (Sehr richtig! rechts.) Wir werden bei allen sozialpolitischen Aufgaben, die wir in die Hand nehmen, bei allen neuen Versuchen, sozialpolitische Probleme zu lösen, uns stets bewußt sein müssen, daß unsere Handlungen und unsere Entschlüsse geleitet sein müssen von der Tendenz, zusammen zuführen und nicht zu trennen, zu versöhnen nicht zu ver zürnen. (Zustimmung in der Mitte und rechts.! Trennung, welche die sozialpolitischen Kämpfe uns gebracht haben, ist ein Schaden den unser Volksleben erleidet, den vielleicht erst eine spätere Zeit einmal voll wird ermessen können.

die gewiß

außerordentlich

Viese

Wir dürfen bei der Behandlung der vergessen, daß es

was ein großes Volk

sozialpolitischen Fragen nicht nicht die Sorge für das materielle Wohl allein ist,

zu beschäftigen hat, sondern wir müssen uns gegenwärtig halten, daß ein großes Kulturvolk ein unvergängliches Besitztum hat, das zu wahren und zu mehren seine Aufgabe ist (sehr richtig! rechts und in der Mitte), daß aber diese unvergänglichen Besitztümer eines Volkes nur gewahrt und vermehrt werden können wenn es gelingt, das ganze Volk in allen seinen Kreisen um diese unvergänglichen Besitztümer zu scharen und zu vereinen. (Brapo! rechts.

Nun, meine Herren, die Mittelstandspolitik. Ich habe vorhin schön angedeutet: das ist die schwierigste, die sprödeste Materie: eine Materie, an die ich ich mache daraus keinen Hehl stets mit einem gewissen Herzklopfen herangehe, nicht weil mir das Herz und das Urteil für die Bedeutung dieser Fragen fehlt, sondern weil ich mir der außerordentlichen Schwierigkeiten bewußt bin, die sich gerade der Lösung dieser Frage in den Weg stellen. Es kommt dazu, daß es sich hier um Dinge handelt, die weniger die Technik des Gesetzgebers ergreifen kann als die Verwaltung der Einzelstaaten. Ich glaube, ich tue diesem Dause und dem Reiche kein Unrecht, wenn ich sage, daß das, was auf dem Gebiet der Mittelstandsförderung geschehen ist, in aller erster Linie der Fürsorge der Bundesstaaten zu verdanken ist. Wir haben in unserer Handwerkergesetzgebung, in den Bestimmungen über die Fortbildungsschulen und durch gewisse wirtschaftspolitische Maß nahmen zu helfen versucht. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt hier

wie auf vielen anderen Gebieten nicht im Reich, sondern bei den Bundesstaaten. Immerhin werden wir zusammen bestrebt sein müssen, auch auf diesen Wegen weiterzugehen, und uns immer klar vor Augen halten müssen, daß der Bestand eines großen Staats wesentlich davon abhängt, daß es gelingt, in diesem Staat einen leistungsfähigen, wirtschaftlich selbständigen Mittelstand zu erhalten, nicht bloß auf dem engeren Gebiet von Handel und Gewerbe, sondern vor allen Dingen auch auf dem großen Gebiet der Landwirtschaft. (Sehr richtig! rechts.)

ssein müssen, auf allen Gebieten,

im einzelnen für diese Fragen interessieren, in der Lage

Was nun unsere Tandwirtschaft betrifft, so liegt auch hier ein Sllicher Teil de Erfolge, auf die wir zurückblicken dürfen, nicht ö in der Tätigkeit des Reichs, sondern zu einem erheblichen lie in der Fürsorge der Bundesstaaten. Aber auch das Reich hat f seiner Zollpolitit und mit seinen sonstigen wirtschaftlichen Maß⸗ hmen stets mit vollem Verständnis für die dandwirtschaft gearbeitet; wenn wir heute sagen dürfen, daß diese 25 Jahre des Kampfes ] gandwirtschaft und für die Landwirtschaft zu einem gewissen Ab⸗ [luß geführt haben, so müssen wir uns dabei folgendes gegenwärtig

zlten. Wir müssen uns gegenwärtig halten, daß am meisten zu ien Erfolgen beigetragen hat die entschlossene Arbeit der Landwirte, ) Landwirte im einzelnen und der Landwirte im großen, in ihren und wir dürfen nicht vergessen, daß wir dieser Arbeit unserer Landwirtschaft und der stützenden

Tätigkeit der Bundesstaaten und des Reichs ne Summe von materiellen und sittlichen Werten verdanken, ö preiszugeben wir nicht in der Lage ind, ohne unser olklleben schweren Gefahren auszusetzen. (Sehr wahr! rechts.)

Bir werden also, selbst wenn wir anerkennen müssen, daß die Sorge, se wir vor 15 und 20 Jahren um die Zukunft unserer Landwirtschaft htten, heute nicht mehr auf uns lastet, doch niemals vergessen dürfen, ß hier Werte liegen, die zu verderben das deutsche Volk sich nicht ffihnen soll. (Bravo! rechts und in der Mitte. Lachen bei den vialdemokraten.)

Und nun komme ich zur Industrie und zum Handel. In dem ugenblic, als Ende der 70er Jahre unsere Eisen- und unsere Textil⸗ mnustrie als schwer notleidend die Hilfe des Reichs in Anspruch lahmen und den Anstoß zu der Zoll- und Wirtschaftspolitik gaben, wir heute noch folgen, hat man nicht geahnt, daß sich unsere In— tre in so kurzer Zeit zu einer Weltmacht entwickeln würde, wie ir sie heute vor uns sehen. Aber ich habe den Eindruck, daß diese linjende Entwicklung bis auf einen gewissen Punkt uns allen den Blick getrübt hat für die Schwierigkeiten, mit denen unsere Industrie hon seit langem zu kämpfen gehabt hat, und den Blick getrübt hat kir die Gefahren, die aus der Eigenart unserer Entwicklung für die

zerttetungen; utschlossenen z helfenden

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Hukunft unserer Industrie und des damit unmittelbar zusammenhängenden Handels entstehen. Hier liegen die Ansätze zu einer ganzen Reihe Heuer Probleme. Ich halte es nicht für einen Zufall, nicht lediglich Fir eine Folge der augenblicklichen geschäftlichen Dispositionen dieses Hohen Hauses, wenn der verehrte Redner aus der Mitte dieses hauses, der vor mir gesprochen hat, mit einer großen handels boltischen Rede die Debatte zum Etat des Reichtsamts des Innern sröffnet hat. Wir werden uns darüber im klaren sein müssen, daß unsere Industrie und und unser Handel zwar auch gewaltige Werte heschaffen haben und sich eines finanziellen Glanzes ihrer Entwicklung enen können, daß aber gerade hier ein sorgendes Auge darüber frachen muß, daß diese stolze Entwicklung, welche die Grundlage zum Reil für unsere Kriegsbereitschaft auf wirtschaftlichem und auf militärischem Gebiete ist, und von deren Aufrechterhaltung und sFrrtführung das Leben von Millionen von Arbeitern abhängt, keinen gut.) Es wird also unser aller Bestreben die wir hier zu bearbeiten haben, unsere Entschlüsse auf die (Sehr gut!)

Schaden leidet. (Sehr ernstlich zu fragen, welche Einwirkung Zukunft unserer Industrie haben werden. Nun, meine Herren, werden Sie mir sagen: ja, das ist sehr daß vom Vertreter des Reichsamts des Innern alle diese Aus—⸗

ssichten hier eröffnet sind, jeder hat etwas bekommen (sehr richtig! bei

den Sozialdemokraten), aber in Wirklichkeit schneiden sich diese Auf und sie werden nebeneinander von einem einzelnen nicht gelöst

n können. Das ist zweifellos richtig; aber Sie dürfen auch nicht tgessen, daß keine von den Parteien dieses hohen Hauses, die sich ss sein würde,

allein auf diesem Gebiete etwas durchzusetzen oder allein auf diesem verhindern. Sie werden auch, wenn Sie darum bitten unbefangen die Tätigkeit Regierungen und speziell meiner Vorgänger im Amte betrachten, mir zugeben, daß hier auf allen diesen Gebieten gewisse Stetigkeit des Fortschreitens festzustellen gewesen ist.

es ist dem Umstande zu verdanken, daß die verbündeten Regierungen

Gebiet eblete . ; ch kant ich tann R

verbündeten

sich ihrer verfassungsmäßigen Stellung und der damit gegebenen Pflicht

stets bewußt gewesen sind, die Gesamtheit der dem Reiche gegebenen f zusammen zu lösen und in ernster, ruhiger d häufig divergierenden Wünsche und Neigungen zusammenzufassen auf das eine Ziel einer gesunden, mund gleichmäßigen Entwicklung derwirtschaftlichen und inner— Verhältnisse des deutschen Vaterlandes. (Bravo! rechts.)

leine Herren, ich werde bestrebt sein, diese Wege, die meine Amtsvor ich werde bemüht sein, auf Kräfte aus allen

mit Ihnen ie bei Ihnen

immer wieder

zanger gewandelt sind, weiter zu wandeln; den Gebieten, die ich hier gestreift habe, die des Hauses zu gemeinschaftlicher Arbeit zusammen suführen. Ich kann das freilich nur, wenn auch von Ihrer Seite nicht verkannt wird, daß die Stetigkeit unseres gesamten politischen Kurses zu einem guten Teil abhängt von der Stärke der Regierung, und daß jeder, der an einer konstanten und sicheren Entwicklung unserer Verhältnisse interessiert ist, nicht an den verfassungsmäßigen Grundlagen rühren sollte, auf denen diese Stärke beruht. Ich kann das nur, wenn von allen Seiten den verbündeten Regierungen überall da die Mithilfe nicht versagt wird, wo sie sich entschlossen haben, Neuerungen zu fordern, die sie für notwendig halten, nicht um politische Theorien in die Praxis umzusetzen, sondern um unserer inneren politischen Entwicklung diejenige Stetigkeit zu geben, die uns den Weg zu Neuem führt, ohne materielle und ideelle Werte zu zer sͤren, die wir von der Vergangenheit überkommen haben und ver pflichtet sind, lebendig zu erhalten, solange sie am Leben zu halten iind. ECebhafter Beifall rechts und in der Mitte.)

Abg. Pauli ⸗-Potsdam (8kons.: Für die Darlegung seines Stand punktes können wir dem Staatssekretär nur Dank sagen, besonders 1 das Interesse, das er dem Mittelstande entgegenbringt. Die Mäittelstandsfragen sind darum am schwierigsten zu lösen, weil dadurch ndere Erwerbsgruppen, oben und unten, berührt werden; aber wir ursen uns des guten Willens der Regierung freuen und glauben, ÄUß sich auch der Weg zur Lösung dieser Fragen finden wird. In der Sozialpolitik haben wir Deutsche ja viel erreicht; wir Deutsche binn stolz sein, daß wir hier mehr erreicht haben wie jedes andere

urland, und wir haben es erreicht in dem Staate mit mon archischer Spitze, während andere, demokratisch reglerte Länder weit wutückstehen. Daß die Kluft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer lacberhhi en nicht gelungen ist, hat nicht an den Unten nehmen ge een uf das handels holitische Gebiet folge ic dem. Abg. Mayer

en nicht. Der Hansabund vertritt die Interessen des Hand

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2

werks nicht. Von ihm können wir die rettende Hand nicht annehmen. Der will uns nicht retten, er will uns einschläfern. Das Geld hat er ia, aber nicht die Leute; die Handwerker werden ihm nicht die Armee verschaffen, die er gern kommandieren möchte. Ein Teil der Wünsche des Handwerks ist erfüllt worden, aber nur ein kleiner. Die Interessenvertretung des Handwerks muß gekräftigt werden; das Handwerkerrecht muß gefördert werden durch die allerdings schwierige scharfe Scheidung der Begriffe Fabrik und Handwerk, die trotz

des Drängens des Hauses noch immer nicht zu erreichen gewesen ist.

Die Innungen und die Handwerkskammern können ihre Aufgabe, erzieherisch auf das Handwerk zu wirken, nicht erfüllen, solange die Gefahr besteht, daß die einigermaßen erstarkten Handwerks— betriebe dem Handwerk entzogen und als Fabriken behandelt werden. Die Scheidungslinie muß möglichst nach oben gezogen werden, damit auch die größeren Betriebe, die sich als Handwerk charakterisieren, dem Handwerk verbleiben. Ein Kriterium für den handwerks— mäßigen Betrieb ist das, daß die Arbeit von Anfang bis zu Ende in dem Betriebe, gleichviel ob er mit maschinellen Hilfsmitteln arbeitet oder nicht, fertig gestellt wird, daß keine Halbfabrikate geschaffen werden. Die Regierung hat uns in einer Denkschrift gesagt, die Frage könne nicht generell, sondern müsse von Fall zu Fall gelöst werden; aber auch dafür müssen doch den unteren Verwaltungs behörden gewisse generelle Merkmale an die Hand gegeben werden. Die Handwerker müssen in das Handelsregister eingetragen werden können, soweit sie nebenbei auch kaufmännisch sich betätigen und dadurch handelskammerbeitragspflichtig werden, aber auch nur dann; zurzeit besteht hier eine sehr unangenehme Rechtsunsicher— heit. Die Tarifverträge zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmer— Organisationen halte ich für gut und segensreich. Leider hat sich die Tarifgemeinschaft sehr ausgedehnt und auch Auswüchse gezeitigt, indem in den meisten Fällen bei Ablauf der Tarife sie gekündigt werden, und zwar fast immer seitens der Arbeitnehmer. Das bringk sehr viel Ungelegenheiten mit sich; für die langwierigen, unendlichen Ver— handlungen, wie sie jetzt seit November in der Holzindustrie schweben, hat der Unternehmer schon gar nicht die Zeit. Schließlich kommt man doch zu der Erkenntnis, daß auf die Dauer es doch nicht möglich sein wird, mit den Arbeiterorganisationen Tarif verträge abzuschließen. Ruhe soll für die Dauer des Ver trages eintreten, also im Durchschnitt für drei Jahre; aber ein halbes Jahr vorher fängt doch

schon die Bewegung wieder an, und so ist in Wahrheit doch von Ruhe nicht recht die Rede. Bei den Verhandlungen kommt es den Arbeitern und ihren Vertretern auch nicht so sehr auf den Lohn, als auf die Verkürzung der Arbeitszeit an. Mit aller Gewalt wird auf die Ermäßigung der Arbeitszeit hin— gedrängt. Die Arbeitgeberorganisationen halten in den nicht gesund heitsschädlichen Betrieben eine Arbeitszeit von 9 Stunden in den größeren Städten für nicht zu lang und werden und müssen sich gegen deren Verkürzung wehren, weil sie sonst nicht mehr konkurrenzfähig bleiben würden. Im Gebiete der Arbeitsnachweise sind ja Miß stände vorhanden; aber mit dem paritätischen Arbeitsnachweis ist die Frage nicht gelöst. In der Holzindustrie haben wir mit den paritätischen Arbeitsnachweisen

e die trübsten Erfahrungen gemacht; auch hier liegt die Schwierigkeit meistens darin, daß der Arbeitgeber keine Zeit hat. In manchen paritätischen Arbeitsnachweisen wird die Arbeit nicht nach der Reihenfolge der Meldungen, sondern nach der Zugehörigkeit zur Organisation oder zur Partei vergeben. Besser wird es erst werden, wenn man die Kommunen ermächtigt oder verpflichtet, Arbeitsnachweise ein zurichten. In Potsdam haben wir solchen Nachweis, den boykottieren aber die Arbeiter, ohne zu bedenken, daß da auch die Arbeitgeber nichts drein zu reden haben. Der Abg. Naumann sollte einmal ein Jahr hindurch einen Betrieb von 20 Mann auf sein Risiko und seine Rechnung führen, dann würde ihm die rauhe Praxis ein anderes Bild von den Verhältnissen beibringen, als seine graue Theorie über den Arbeitsnachweis; aber leider wird er sich hüten, diese Probe

6 dann

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aufs Exempel zu machen. Die Handwerkskammern haben sich durchaus bewährt. Natürlich kommen auch in diesem neuen Institut Reibungen und Unstimmigkeiten vor. In Wiesbaden hat ein Hand werkskammersekretär gegen den Vorsitzenden agitiert und dabei leider auch die Unterstützung des Staatskommissars erfahren; das dürfte nicht vorkommen. Den Wunsch des Handwerks und der Berufs genossenschaften in bezug auf die Abänderung des 5 34 des Gewerbe unfallversicherungsgesetzes⸗ wegen des Reservefonds kann ich nur wiederum unterstreichen. Auf dem Gebiete der Gefängnisarbeit sollte die Regierung doch endlich einmal ernstlich einschreiten, um die Schäden zu beseitigen, die dem Handwerk daraus erwachsen.

Abg. Fischer-Berlin (Soz.): Die Rede des Staatssekretärs zeigt eine gewisse Homogenität mit dem Reichskanzler, namentlich in seinen philosophischen Ausführungen. Er hätte diese Rede ebenso gut bei einem Festessen halten können, nur nicht beim Hansabund. Vielleicht war es die erste Strafe, die ihn traf, daß der Abg. Pauli sagte, wenn er an der Stelle des Staatssekretärs stünde, so hätte er genau so gesprochen. Die Rede des Staatssekretärs kam im Grunde darauf hinaus: es bleibt alles beim alten. Was er sozialistisch genannt hat, ist etwas, was wir kapitalistisch nennen. Er sprach von der zunehmenden Industrialisierung. Ganz richtig. Aber wenn Deutschland auf dem Wege ist, aus einem Agrarstaat Industrie staat zu werden, wie kann der Staatssekretär sagen, daß ieselben Grundlinien für uns maßgebend sind, die zu der Zeit

es Agrarstaats maßgebend waren? Er e, das kleine Handwerk, er wichtigste Stand, werde zerrieben. Diese Entwicklung ist unvermeidlich, das liegt im Wesen Industrie. Der Staats sekretär sprach auch von der Industrie. A scheint Entschuldigung vor der Landwirtschaft zu sein. Der

wird wohl genötigt sein, seinen philosophischen

mentieren, wie es der Reichskanzler gegenüber

Staaten getan hat. Von der Arbeiterklasse hat der

kein Wort gesprochen, und von der Stellung, die die neue R gegenüber den Forderungen der Arbeiterklasse einnimmt. Gewiß, sprach von der tiefen Kluft, die sich zwischen den verschiedenen Klassen aufgetan hat. Hat die preußische Regierung nicht Schuld daran? Maßgebend war für die Regierung ihr Verhältnis zum verband deutscher Industrieller. War dessen Verhalten ein gutes ein Stillstand in der sozialen Reform ein, und umgekehrt. letzten Zeit hat der Zentralverband einen Dr. Bartels in Reichsversicherungsamt, in die Firma, wie es heißt, hineingebracht. Die Regierung treibt jetzt in der Sozialpolitik eine gewisse Weiße⸗Salben Politik. Als Staatssekretär sprach der Reichskanzler von Bethmann bei einem Festessen des Zentralverbandes nicht, wie auf dem Arbeiter kongreß 1907 von Gottesfurcht usw., sondern er bekannte sich als einen Kameraden. Als der Graf Posadowsky sein Amt antrat so weltfremd, wie der Staatssekretär Delbrück; aber er meinte mit seinem Amt und trieb eine ernste Sozialreform, darum mußte er de Drucke des Zentralverbandes weichen Er stellte sich auf einen patriarchalischen Standpunkt den Arbeitern gegenüber, sein Nachfolger auf einen militärischen. Ruhe soll herrschen, das ist die jetzig Parole. Darum wird auch ein Reichsberggesetz nicht vorgelegt, und ebensowenig die geheim! Wahl bei der Wahl der Knappschafts ältesten. Der Zentralverband will das nicht. Dabei hatte der Handelsminister im preußischen Abgeordnetenhause diese geheime Wahl selber empfohlen. Ohne Begründung ist auch die Zuziehung der Arbeiterkontrolleure und Gewerbeinspektoren abgelehnt worden in den Entschließungen des Bundesrats zu den Beschlüssen des Reichstages. Warum ist die Zuziehung von Aerzten und Gewerbeinspektoren ab gelehnt worden? Auch hier ist Preußen das Hemmnis: man hat sich auf Zuständigkeitsbedenken zurückgezogen. Von einem solchen Staate kann man allerdings politische Kultur und Erziehung nicht verlangen. Es sind auch lediglich fadenscheinige Gründe, die man gegen die Arbeiterkontrolle erhebt. Weniger Vertrauen sollen die Arbeiter kontrolleure genießen als die akademisch gebildeten Beamten! Dies fordert geradezu den Spott heraus, den Protest aber, wenn gesagt wird, man könne Sozialdemokraten nicht zulassen; denn vor dem Gesetz sind alle Bürger gleich, auch vor der Regierung in einem Kultuͤrstaat, und Preußen will doch ein Kulturstaat sein. Die Regie rung biegt und beugt sich ja vor dem Zentrum. Ich mache ihr daraus

keinen Vorwurf und hoffe, daß die Zeit kommen wird, wo wir dieselbe herrschende Stellung einnehmen. Warum übt das Zentrum nicht seinen Einfluß zugunsten dieser Forderung aus? Wir unserseits wollen die Welt so gestalten, daß Sie es im Himmel gar nicht besser finden. Für so kurzsichtig und verblendet halte ich die preußische Regierung nicht, daß sie jene Gründe für die Ablehnung der Arbeiterkontrolleure für richtig hält. Sie könnten ja gar keinen Krieg führen, wenn wir wirklich die vaterlandslosen Gesellen wären, als welche man uns beschimpft. Ohne uns können Sie überhaupt keine Politik machen. Auch die Parteien werden in dieser Beziehung umlernen und sich daran gewöhnen müssen, in den Sozialdemokraten die gleichberech tigten Mitbürger anzuerkennen. Wir sitzen in den Landtagen und in Tausenden von Stadtparlamenten, und da wollen Sie uns mit so kleinlichen Quisquilien von der Kontrolle bei der Gwerbeeaufsicht fernhalten. Das Zentrum hat im bayerischen Landtage dem Minister von Podewils vorgeworfen, er begünstige die Sozialdemokratie, weil er gesagt hat, sie habe auf sozialem Gebiete manche dankens— werte Anregung gegeben. Der Zentrumsabgeordnete Professor Reel hatte früher der Sozialdemokratie Gerechtigkeit widerfahren lassen, insofern sie das Zentrum auf den Weg der Sozialreform ge drängt habe. In bezug auf die Zulassung von Sozialdemokraten zur Arbeiterkontrolle und anderen Aufgaben ist die bayerische Regierung nicht so engherzig, wie die preußische, und doch hat man nie gehört, daß dadurch die Existenz des Staates gefährdet werden würde. Die Gewerbeinspektoren sind schon so gezogen, daß die Arbeitgeber von ihnen nicht viel zu befürchten . Das genugt aber den Unternehmern nicht. Der bekannte Agitator des Scharfmacher verbandes Bueck hat in einer Eingabe an den Handelsminister die Stirn gehabt, dem Reichstag unterzulegen, daß er die Verkürzung der Arbeitszeit in den Hüttenwerken nicht aus sachlichen Gründen, sondern nur aus Spekulation auf die Gunst der Massen unterstützt

zu fördern

habe. Der Handelsminister hat dieser niedrigen Verdächtigung und Verleumdung nicht die Antwort gegeben, die der Reichskanzler der be kannten Eingabe des Alldeutschen Verbandes hat zu teil werden lassen. Bueck bekommt es auch fertig, den Arbeitern unterzuschieben, sie ver langten nur die Verlängerung der Mittagspause, um sie zur Agitation zu benutzen! In den Berichten der Gewerbeinspektoren, und sogar der sächsi schen, überwiegen die kleinlichen, nörgelnden, gehässigen Bemerkungen gegen die Arbeiter. Charakteristisch für den Geist preußischen Berichte ist die eine Tatsache, daß in dem Genera register des Reichsamts des Innern unter dem Stichwort „bemerke werte Einwirkung der Organisationen zwischen Arbeitern Arbeitgebern“ nur ein einziger Fall, von dem Gewerbeinspektor in Merseburg, verzeichnet ist. Alle Bemerkungen haben einen Stich ins Gehässige, aus allen spricht die Absicht, den Arbeiterorganisationen eins auszuwischen. Die Gewerbeinspektoren fassen ihren Beruf dahin auf, als wären sie die Agitatoren für die nichtorganisierten Arbeiter. Wir müssen gegen diese Art tendenziöser Berichterstattung Protest einlegen. Die Kaiserlichen Erlasse sind heute vermodert und ver schimmelt, kein Mensch spricht mehr von ihnen. Der Zentralverband der Industriellen sendet seine Vertreter in das Reichsamt des Innern, über dessen Tür kann man schreiben: „Laßt alle Hoffnung hinter euch, die ihr hier eintretet. Die Arbeiter müssen sich organisieren und ihre Organisationen immer weiter ausbauen, damit auch für sie eine Regierung vorhanden ist und nicht nur für den Zentral verband der Industriellen.

Abg. Linz (Rp.): Der taatssekretär ist in seinem jetzigen Amt erst so kurze Zeit, daß man nicht ein abschließendes Urteil fällen und eine solche Kritik wie bei seinem Vorgänger üben kann. Wenn er gute Beziehungen zu der Industrie unterhält, so sollte man ihm dafür dankbar sein. Es ist selbstverständlich, daß ein Staatssekretär zu sämtlichen Erwerbsgruppen eine freundliche Stellung einnehmen muß, und daß er dabei auch die Industriellen nicht aus schließen kann. Es gibt keinen Interessentenkreis, der im Hause so schwach vertreten wäre, als gerade die Industriellen. Bei einer ganzen Reihe von Verhandlungen, und erst kürzlich beim portugiesischen Handelsvertrag, hat sich wieder gezeigt, daß die Industriellen, die in derartigen Fragen am besten versiert sind, nicht zum Worte gekommen sind. Es wäre sehr erfreulich, wenn eine größere Reihe von sozial empfindenden und arbeiter freundlichen Arbeitgebern hier im Hause wäre. Der Vorredner hat sogar angedeutet, als sei der Staatssekretär ein Werkzeug in der Hand des Zentralverbandes der Industriellen; ein derartiger Vorwurf ist durch nichts begründet. Die Verhandlungen hier und besonders im Abgeordnetenhause haben das gerade Gegenteil erwiesen. Der Staats sekretär hat erst vor kurzem hier erklärt, daß er eine große Zahl sozialpolitischer Maßnahmen im Widerspruch zu Industriellen durchgesetzt hat. Der Vorredner hätte auch anerkennen müssen, daß uns in den letzten Tagen gerade eine Reihe wichtiger sozial politischer Vor zugegangen sind, und daß uns die Reichs versicherungsordnung und die Pensions⸗ und Hinterbliebenenver sicherung der Privatbeamten in Aussicht gestellt sind. Ich habe im Gegensatz zum Vorredner das Vertrauen, daß der Staatssekretär, soweit es die Stetigkeit und Sicherheit unserer Industrie ihre Konkurrenzfähigkeit im Auslande gestatten, die Interessen

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