1910 / 59 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 10 Mar 1910 18:00:01 GMT) scan diff

seine Bemühungen fortsetzt, um mit der preußischen Unterrichts⸗ verwaltung darüber eine Verständigung herbeizuführen. Wir wünschen also, daß das Kolonialrecht in Verbindung mit den wirtschaftlichen Bestrebungen in unseren Kolonien und mit der Kolonialpolitik auf eigenen Lehrstühlen von ordentlichen Lehrern vorgetragen wird, und ö. ihnen Seminarien und Bibliotheken zu diesem Zwecke zu Gebote stehen. Die Jugend muß die Möglichkeit haben, sich auf den Uni— bersitäten selbständig vorzubereiten. Vergleichen wir die vorliegende Denkschrift mit der ersten, so ergeben fich daraus nicht unwesentliche Unterschiede. Damals wurde mit Nachdruck absolute Handelsfreiheit und Gewerbefreiheit und möglichst schnelle Einführung der Selbst⸗ verwaltung empfohlen, ferner das Selbstbesteuerungsrecht der Ge— meinden, um sich selbständig zu machen und die Aufgaben der Kolonie selbst zu übernehmen. Freihandel und Gewerbefreiheit ist vorhanden, aber von einer Selbstverwaltung ist leider noch wenig die Rede. Damals war man der Meinung, daß man den Betrieb in erster Linie an Privatinteressenten vergeben müsse. Der Staat sollte nur die Kais und Molen bauen, den Hafenschutz, Beleuchtung usw. sollten Privat— unternehmer übernehmen. Hierin ist man nun allmählich anderer Meinung geworden, man ist allmählich zum Staatsbetrieb übergegangen. Die Nettoeinnahmen sind allerdings verhältnismäßig gering. Wenn man die Betriebseinnahmen von den eigentlichen Nettoeinnahmen abzieht und noch die Wohnungsgelder und Unterstützungen abzieht, so kommt eigentlich kein ech ener chi heraus. Wir wollen hoffen, daß es gelingen wird, diese Betriebseinnahmen besser zu ge⸗— stalten, aus dem Werftbetrieb, den Lösch- und Ladeeinrichtungen größere Summen herauszuholen. Im übrigen aber muß noch spar— samer gewirtschaftet werden als bisher. Für Beamte allein geben wir dort auf einem Terrain von 64 9000 ha, auf der Fläche eines preußischen Landratskreises, nahezu Million an Gehältern aus. Früher hatten wir neben dem Gouverneur noch zwei Kommissare; jetzt sind diese verschwunden, und es geht auch so. Das Elektrizitätswerk würde in den Händen einer städtischen deutschen Kommune mit zwei oder drei Beamten auskommen; hier in Kiautschou finden wir einen unglaublichen Luxus von Beamten, die 37 000 Gehalt beziehen. Das gleiche sehen wir bei der Verwaltung des kleinen Wasser⸗ und Kanalisationswerks, das an Gehältern 5h 900 verschlingt. Für Hochbauten wird kein Pfennig ausgegeben, aber die oberen, mittleren und unteren Beamten für diesen Verwaltungszweig be⸗ ziehen 49 000 S Gehälter. Nachdem die Bauten fertiggestellt sind, muß mit diesem überflüssigen Beamtenheer aufgeräumt werden. Ich kann nicht verstehen, wie der Staatssekretär dazu kommt, davon abzuraten. Es sind nicht weniger als einige 70 Bureaubeamte vorhanden für ein solch kleines Gebiet, für einen landrätlichen Kreis; das können wir auf Kosten des Reichs nicht verantworten, zumal kein einziger dieser Beamten weniger als 4000 bezieht, auch wenn er nicht etatsmäßig ist. Für gute sanitäre Verhältnisse ist ia dort gesorgt; aber auch in dem Titel „Medizinalwesen werden noch jetzt für eine Garnison von 3400 Menschen, eine Zivil⸗ bevölkerung von 1500 Menschen und für die n . Bevölkerung nicht weniger als 450 009 S verlangt. Beim Schlachthof finden wir zwei Trichinenschauer mit je 4000 Gehalt. Die Forstkulturen kosten ein ungeheures Geld; für 80 000 4 hat man im vorigen Jahr ganze 4 Hektar angeforstet! Einen solchen Luxus können wir auf die Dauer nicht dulden; wir müssen Ein— nahmen und Ausgaben mindestens ins Gleichgewicht bringen. Meine Fraktion will diesen Stützpunkt deutscher Kultur auch weiter erhalten, aber es muß eine verständige Wirtschaft und Sparsamkeit eingeführt werden.

Abg. Dr. Dröscher (dkons.): Der Vorredner hat in besonders glänzender Darstellung die Entwicklung dieser Kolonie und die un— weifelbaren Verdienste des Reichsmarineamts darum geschildert. Wir sprechen dem Staatssekretär unsere volle und unbedingte An— erkennung für seine und seiner Mitarbeiter Verdienste um diese Kolonie aus. Wenn auch aus der Flotten- und Kohlenstation nichts ge⸗ worden ist, wenn auch über die militärische Unwichtigkeit des Gebiets niemand mehr im Zweifel ist, so kann uns doch gerade der Wandel, der sich in dieser Beziehung nach der Seite der wirtschaftlichen und Kulturinteressen vollzogen hat, erfreuen. Wir legen das größte Gewicht darauf, daß hier in dem Wettbewerb um den chinesischen Markt eine mustergültige Stätte deutscher Kultur geschaffen wird, die den Chinesen als Vorbild dienen kann. Kiautschou muß eine Musterkolonie in jeder Beziehung werden, und da haben wir auch Opfer zu bringen. Unbestritten ist das Verdienst des Reichsmarineamts um die Bodenpolitik, um die Besteuerung des Wertzuwachses; sie hat eine sinngemäße Ergänzung gefunden durch die Hypothekenpolitik. Hoch anerkennenswert ist ferner die vorzügliche Schulpolitik, die die Marineverwaltung dort ein— geschlagen hat; die deutsche Hochschule in Tsingtau ist die erste in Ching, die mit voller Gleichberechtigung aller Nationen ausgestattet ist. Den unbedingten Wunsch aber muß ich hier zum Ausdruck bringen, daß die Christen volle Gleichberechtigung mit den Konfutseanern an dieser Schule genießen. Ueber die luxuriöse Wirtschaft bei den Bauten ist doch wohl die Kritik zu weit gegangen; selbst das Palais des Gouverneurs bleibt hinter analogen Bauten anderer Nationen, namentlich der Amerikaner, auf chinesischem Gebiet noch weit zurück. Wir sollen für die Ausstattung unserer Vertreter im Auslande in dieser Richtung offene Hand haben. Bahnbrechend und sehr erfolg reich ist die Marineverwaltung auch auf dem Gebiete der Justizpflege gewesen. Wir wünschen ebenfalls, daß eine ordentliche Professur für Kolonialrecht und Kolonialpolitik möglichst bald geschaffen werde, und werden auch unserseits auf Preußen und seinen Kultusminister in dieser Richtung einzuwirken helfen. Unbeeinträchtigt durch die heutige Kritik, die geübt wurde und geübt werden mußte, mag der Staatssekretär und seine Mitarbeiter in dem Werke fortfahren, hier eine deutsche Musteranstalt zu schaffen.

Staatssekretär des Reichsmarineamts, Admiral von Tirpitz:

Meine Herren! Es ist besonders erfreulich für mich gewesen, die anerkennenden Worte des Herrn Abg. Dröscher zu hören nach der schärferen Kritik, die vorher der Herr Abg. Paasche an uns geübt hat. Ich bin besonders dankbar, daß er auch unser gesamtes prinzipielles Vorgehen, das natürlich nicht ganz ohne Fehler und Unebenheiten ab⸗ gehen konnte, anerkannt hat: die Bodenpolitik, die Schul— organisation, die Rechtspflege und unser Bestreben, die Kolonialrechtswissenschaft zu fördern. Wenn ich den Herrn Abg. Dröscher recht verstanden habe, so hat er dem Gedanken Ausdruck gegeben, daß im deutschen Publikum jetzt stärker der Gedanke zum Durchbruch gekommen ist, daß neben der militärischen Bedeutung, die Tsingtau hat, es auch eine wirtschaftliche Wichtigkeit bekommen hat. Ich würde mich dußer— ordentlich freuen, wenn dieser Gedanke durchgedrungen ist. Nur möchte ich dabei bemerken, um nach der Richtung jedes mögliche Mißverständnis zu beseitigen, daß die Marineperwaltung von vorn⸗ herein den wirtschaftlichen Gesichtspunkt an die Spitze gestellt hat. Wenn ich nicht sehr irre, enthält bereits die erste Denkschrift über Tsingtau diese Grundgedanken.

Meine Herren, ich komme zu den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Paasche. Ich möchte zunächst berichtigen, daß die Einnahmen von Tsingtau nicht, wie der Herr Abg. Paasche gesagt hat, 260 000 KA betragen, sondern die Nettoeinnahmen belaufen sich nach Abzug aller Unkosten auf etwa zwei Millionen Mark.

Wenn er ferner von einem ganz kleinen Dorf spricht, meine Herren, es sind erheblich über 109 000 Menschen in unserem Schutz⸗ geblet, und die Stadt selbst, um die es sich handelt, hat rund 40 000 Einwohner für den Betrieb der Stadt kommt nicht die Zahl der Europäer, wie Herr Abg. Paasche meint, sondern die Gesamtzahl in Betracht.

Er hat dann speziell einzelne Betriebe bemängelt. Er hat z. B. hervorgehoben, mit welchem Aufwand und Ueberfluß an Beamten das Elektrizitätswerk versorgt sei, das doch ein kleines Werk für einen kleinen Betrieb darstelle. Wenn der Herr Abg. Paasche draußen ge⸗ wesen wäre, ich würde mich außerordentlich freuen, wenn er nicht bloß nach Ostafrika sondern auch mal nach Tsingtau reiste würde er sich überzeugt haben, daß es sich um eine umfangreiche Anlage handelt. Dieses Elektrizitätswerk muß nicht nur die ganze Stadt versorgen, sondern alle Betriebe, die Werft, den Hafen mit Licht und Kraft versehen, sodaß es sich hier um ein sehr bedeutendes Leitungsnetz handelt. Ferner sind die Nettoeinnahmen dieses Elektri⸗ zitätswerks 70 000 M, und das Anlagekapital erzielt schon jetzt eine Verzinsung von etwa 5Ho/so. Schon an dem Ertrage von 70 000 „, den dieser Erwerbsbetrieb abwirft, ersehen Sie, meine Herren, daß die Beamten, die in dem Betriebe tätig sind, nicht zum größten Teile überflüssig sein können.

Auch das Wasserwerk ist eine recht ausgedehnte Anlage. Wir waren genötigt, das Wasser aus weiten Entfernungen herzuholen, und deshalb ist die Leitungsanlage eben verhältnismäßig groß geworden. Wir kamen mit den Brunnen an Ort und Stelle nicht aus, weil wir dann den Typhus nicht los wurden. Wenn wir nun ein Wasserwerk anlegten, mußten wir es auch so anlegen, daß es selbst bei einem wachsenden Bedarf ausreicht. Schon jetzt ist zu dem Wasserbedürfnis der 40 000 Menschen die Versorgung der Hafenanlagen und der Schiffe hinzugekommen. Von einem ganz kleinen Betriebe kann also wohl kaum die Rede sein.

Ferner hat der Herr Abg. Paasche den umfangreichen Beamten⸗ apparat angegriffen, besonders beim Hochbau. Wir können die Ver— hältnisse draußen nicht einfach mit unseren heimischen Verhält— nissen vergleichen; denn wir haben dort eine ganze Anzahl von Persönlichkeiten, die hier bloß Arbeiter sind, die aber in unserem Etat als Beamte figurieren müssen. Ich kann Ihnen das an den Hochbauten sofort nachweisen. Wir haben bei den Hochbauten, die einen Wert von über 9 Millionen Mark repräsentieren, 11 Beamte, davon 1 Töpfer, 1 Tischler und 2 Lohnschreiber. Chinesen können wir für die Dienste, die diese Leute leisten müssen, noch nicht gebrauchen. Es bleiben also nur 7 Beamte im ganzen übrig. Dadurch schrumpft ja die gewaltige Zahl außerordentlich zusammen, und es bleibt nach der Ansicht des früheren Baudirektors nur die wirklich notwendige Zahl von Beamten zur Erhaltung dieser Gebäude übrig. Man muß immer bedenken, meine Herren, daß bei den chinesischen Arbeitern, die ja nicht in unserem Sinne gelernte Hand— werker sind, ein ganz anderes Maß von Beaussichtigung erforderlich ist als bei uns. Ich glaube also, der Herr Abg. Paasche wird den Vorwurf einer übermäßigen Anzahl an Beamten bei den Hochbauten nicht wohl aufrechterhalten können. Wir haben die Zahl so weit be— schränkt, wie es rationeller Weise überhaupt möglich ist.

Der Herr Abg. Paasche hat dann die große Zahl von Aerzten in Tsingtau bemängelt. Meine Herren, für dieselbe Anzahl von Truppen, die wir in Tsingtau haben, und für ein Lazarett mit 250 Betten haben wir in der Marine 19 Aerzte und in der Armee etwa 12 nötig. Damit allein schon ist der Vorwurf einer über⸗ mäßigen Dotierung mit Aerzten widerlegt. Nun bitte ich doch aber weiter zu bedenken, daß wir dort ein Lazarett haben, das im allgemeinen den doppelten Krankenbestand hat als bei uns in der Heimat, daß ferner die Aerzte selber vielfach krank werden, wir als dann einen Ersatz nicht schaffen können, daß ferner die Schiffe ihre Kranken nach dem Lazarett in Tsingtau abgeben, daß ferner dieses Lazarett auch für die Zivilbevölkerung da ist. Es stellt sich also der Dienst der Aerzte doch erheblich umfangreicher, als es nach den Dar— legungen des Herrn Abg. Paasche den Anschein gewinnt. Ich möchte ferner bemerken, daß einer von diesen Aerzten ja in Litsun ist wir haben dort ein Poliklinikum für die Chinesen und ein anderer von diesen Aerzten sich in Peking befindet, daß vorläufig ein Arzt an der Hochschule Unterricht gibt, daß wir sie nach dieser Richtung hin so weit wie möglich ausnutzen wollen, und schließlich, daß wir alles tun, um durch unsere Aerzte eine Propaganda für unsere medizinische Wissenschaft zu treiben. Das können wir besser, wenn wir Marineärzte nehmen; denn wir können die Marineärzte erstens nach Spezialgebieten aussuchen, und zweitens können wir sie dahin kommandieren, wo wir sie am nötigsten gebrauchen. Wir können sie kommandieren, wenn sich, wie dies z. B. vor kurzem der Fall war, eine fremde, in diesem Fall die amerikanische Regierung an uns wendet, um eine Autorität auf dem Gebiete der Bakteriologie vorübergehend nach Manila zu bekommen. Wir haben hier ein Kapital, das für Deutschland ausgezeichnet angelegt ist. Ich möchte im Gegenteil der Ansicht sein, daß es eher zu knapp ist, namentlich nachdem wir jetzt noch zwel Aerzte gestrichen haben. Jedenfalls ist der Vorwurf, daß wir in Tsingtau zu viel Aerzte hätten, nach meiner Auffassung nicht gerechtfertigt.

Der Herr Abgeordnete hat dann die Aufforstung kritisiert. Meine Herren, man kann diese Aufforstung nicht vergleichen mit einer Auf— forstung bei uns. Das möchte ich vorausschicken. Wir hatten ein Terrain vor uns, wo der Humus heruntergewaschen war mit tiefen Ravinen, wir mußten zum großen Teil den Humus erst schaffen, wir mußten Dämme bauen, wir mußten Terrassen anlegen, um über— haupt Boden zu schaffen. Deshalb kann man die verschiedenen Aus— gaben hier und in Tsingtau nicht einfach vergleichen. Soweit ich das in der Kürze der Zeit feststellen konnte, hat der Morgen Aufforstung 220 46 gekostet. Ich glaube es wird ja Forstverständige in diesem Hause geben, die das besser beurteilen können, ob diese Summe für die dortigen Verhältnisse angemessen ist. Jedenfalls hat niemand ge— glaubt, daß wir das fertig bringen können, und wir sind vielfach ge⸗ beten, Rat und Hilfe bei Aufforstungen zu leisten. Daß der Herr Abg. Dr. Paasche gern bei dieser Materie scharfe Kritik übt, bei einer Arbeit, welche eines unserer besten Kulturwerke ist und welche wir als eine der Pluskonten betrachten, hat mich das muß ich ge— stehen in Erstaunen gesetzt.

Ich möchte aber auch die finanzielle Frage erwähnen. Wir werden jetzt schon aus den Forstanlagen eine Einnahme von 45 000 beziehen. Ich weiß nicht, wie lange man in Deutschland rechnet, ehe sich ein Forst rentiert. Ich glaube, unter 40 Jahren wird man da im allgemeinen nicht rechnen können. Diese Forst— anlage ist aber noch nicht 1 Jahre alt und in nicht allzu langer Zeit wird sie sich rentieren.

Ich habe die einzelnen Angaben des Herrn Abg. Dr. Paasche nicht so vollständig verfolgen können, wie ich es wohl gewünscht hätte.

Ich glaube, meine Herren, wenn man die lokalen Verhältnisse und Schwierigkeiten berücksichtigt, so wird man die von Herrn Abg. Dr. Paasche geäußerte Anschauung, es würde ein übermäßiger Aufwand an Personal und sonstigen Ausgaben getrieben, doch nicht zustimmen können. Im übrigen werde ich mich weiter bemühen, das Beamten— personal und den ganzen Betrieb möglichst zu verbilligen, aber nur soweit, als es wirklich rationell ist. (Bravo! rechts.)

Abg. Storz (fortschr. Volksp.): Namens der fortschrittlichen Volkspartei gebe ich meiner Freude darüber Ausdruck, daß eine alle mähliche Besserung der wirtschaftlichen Lage Kiautschous zu verzeichnen ist. Die Entwicklung gerade dieses Gebietes liegt uns besonders am Herzen, weil Eugen Richter seinerzeit die Besitzergreifung Kiautschous begrüßt hat. Freilich dachten wir es uns weniger als militärischen Stützpunkt, sondern erwarteten eine Belebung der deutschen Volkswirtschaft in Ehina und eine Hebung der dortigen Kultur. Die Entwicklung des Bahnsystems im Hinterland von Kiautschou kann von uns nur teilweise begrüßt werden, insofern als sich um Bahnen handelt, die dem Ostwestverkehr dienen. Eine Nordfüdbahn würde dem Verkehr unserer Kolonie nützlicher sein; vielleicht haben wir in der Richtung einen kleinen Fehler gemacht. Man liest jetzt auch von bedeutendem Erzvorkommen. Die Frank⸗ furter Zeitung? hat berichtet, daß die Ausbeutung an Japaner ver— pachtet fei oder verpachtet werden solle. Vielleicht äußert sich die Verwaltung dazu. Durch die Pfandbriefbank wird das Kapital, das bisher sehr teuer ist, eine wesentliche Verbilligung erfahren. Es ist zu hoffen, daß der heimische Geldmarkt mit größerer Bereit— willigkeit als bisher Kredite nach Kiautschou gibt. Wie behauptet wird, haben sich konfessionelle Schwierigkeiten ergeben zwischen christlichen Chinesen und den Konfutseanern. Es wird der ganzen Klugheit der Verwaltung bedürfen, um über diese Schwierigkeiten hinwegzukommen. Die beiderfeitigen Regierungen werden aber wohl die richtigen Maßnahmen, dle sich von hier aus nicht beurteilen lassen, finden. Ich habe mich gefreut, daß der amtliche Regiexungsanzeiger in Peking neben dem Unterricht im Englischen die deutsche Sprache als ganz besonders wichtig bezeichnet hat; denn wenn die chinesische Kaufmannschaft und. Beamtenschaft die deutsche Sprache beherrscht, so wird das ohne weiteres zu einer Be— fruchtung der deutschen Industrie und des deutschen Handels beitragen. Es wird behauptet, daß die guten Beziehungen zwischen China und Deutschland darauf zurückzuführen sind, daß wir im Gegensatz zu den anderen Konkurrenten von den Chinesen wenig gefürchtet werden. Man kann dies von hier aus nicht für richtig oder unrichtig erklären, es können auch Ueberraschungen eintreten, und ich sehe deshalb davon ab, den Wunsch nach einer Verminderung unserer Truppenstärke hier erneut auszusprechen. Aber die Regierung möge erhöhte Sparsamkeit hinsichtlich der Truppenmacht im Auge behalten; denn daß in der Beziehung aus dem vollen gewirtschaftet ist, darüber kann kein Zweifel bestehen. Auch hinsichtlich der Zivilverwaltung haben wir den Eindruck, daß mit weniger Perfonal und geringeren Mitkeln dasselbe erreicht werden könnte. Wir sind aber andererseits weit davon entfernt, die Aufwendungen für die Anforstung für überflüssig zu erklären, denn diese Kulturtat ist gewiß dem deutschen Ansehen nur förderlich. Dagegen wünschen auch wir die Dotierung des Gouverneurs um 16000 herabzusetzen, wir können uns der rein materialistischen Auffassung des Abg. Dröscher nicht n. Die Abstriche bewegen sich in durchaus mäßigem Rahmen. Die Kaufkraft des Geldes ist wesentlich gestiegen; das hat die Regierung bei der Vorlage der Besoldungs— ordnung vollständig außer acht gelassen. Die Wirksamkeit der Hypothekenbank wird auch dahin sich geltend machen, daß das Brot billiger wird und die Mieten herabgehen. Von einer hohen Wohnungs entschädigung haben die Beamten nach alter Erfahrung keinen Vorteil. Wenn die Selbstverwaltung erst der Selbsterhaltung folgen soll, so wird sie durch eine allzu kostspielige bauliche Entwicklung, die den Gemeinden hohe Kosten aufbürdet, hinausgeschoben. Hinsichtlich der Besteuerung hoffen wir im nächsten Jahre auf positive Vor— schläge der Verwaltung. Zunächst wird letztere sich allerdings darauf beschränken müssen, der mannigfachen Unzufriedenheit in der Bürgerschaft von Tsingtau Konzessionen zu machen. Für eine Renkabilltät der Erwerbsbetriebe, des Elektrizitäts- und. Wasser werks wird es notwendig sein, alle überflüssigen Sinekuren zu beseitigen. Wir entnehmen der Denkschrift, daß uns ein Gesetzentwurf über die Rechtsberhältnisse und die Einführung eines obersten Kolonialgerichtes in Äussicht stehe. Nach meiner Meinung muß das Kolonialrecht vom Konfularrecht getrennt werden. Die Julassung der Rechtsanwälte

„darf nicht von der Zustimmung der Bezirksgerichte abhängig gemacht

werden; das ist eine Benachteiligung der Rechtsanwälte. Die Er⸗ richtung von eigenen Lehrstühlen für Kolonialrecht kann auch ich nur dringend empfehlen. Die Rechtsprechung in Tsingtau findet volles Vertrauen der Chinesen und Deutschen. Die Einführung von Laien— gerichten in Zivil- und Strafsachen hat sich ungemein bewährt. Ich freue mich, daß die deutsche Kultur in Kiautschou überall Anerkennung findet.

Staatssekretär des Reichsmarineamts, Admiral von Tirpitz:

Meine Herren! Der Herr Abg. Storz hat gefragt, ob wir Nachrichten darüber hätten, ob die Bahn Kiautschou Itsch ou fu gebaut würde. Nach den Berichten, die wir darüber haben, liegt das Projekt der betreffenden Provinzialregierung vor. Es ist also alle Aussicht vorhanden, daß diese Bahn in absehbarer Zeit in Angriff genommen wird. Was die Bahn Tschifu— Weihsien anbetrifft, so steht die vorläufig noch in der Zukunft. Ich glaube, selbst wenn sie später einmal gebaut würde, wir brauchen diese Bahn als Konkurrenz- bahn nicht sehr zu fürchten; denn das, was Tsingtau hat, hat Tschifu nicht, nämlich: einen erstklassigen, sicheren Hafen, wo die Dampfer bei jedem Wetter löschen und laden können. Das bleibt der springende Punkt.

Bezüglich der Trennung des kolonialen Rechts von dem Konsularrecht bin ich durchaus der Auffassung, die der Herr Abg. Storz hier zum Ausdruck gebracht hat. Es ist gerade das langjährige Bestreben der Marineverwaltung gewesen, diese Trennung herbei— zuführen, weil das Konsularrecht unter ganz anderen Bedingungen, für ganz andere Verhältnisse geschaffen worden ist, als sie in den Kolonien vorliegen. (Sehr richtig! in der Mitte.)

Bei dieser Gelegenheit wird auch die weitere Frage, die der Herr Abg. Storz hier angeregt hat, nämlich die Rechtsstellung der Rechtsanwälte, geregelt werden müssen. Sie wird mit den er— forderlichen gesetzlichen Garantien auch in den Kolonien zu versehen sein. Die jetzige Rechtsstellung der Rechtsanwälte in den Schutz⸗ gebieten geht letzten Endes gleichfalls zurück auf das Konsularrecht. Daran krankt die Rechtslage. (Sehr richtig) Ich kann nur noch— mals betonen, daß die Marineverwaltung alles tun wird, um auf dem Gebiete des kolonialen Rechts eine umfassende Reform, eine über— sichtliche und den besonderen Bedürfnissen des kolonialen Wirtschaftslebens sich anpassende Neuregelung schaffen zu helfen. (Bravo h

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

M 59.

Zweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger

Berlin, Donnerstag, den 10. März

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abg. Noske (Soz.): In diesem Jahre ist an der Kolonie Kiaulschou viel mehr als früher Kritik geübt worden, Ich erblicke darin einen Ausfluß des Gefühls des Unbehagens über die Entwicklung der sogenannten Pachtung von Kiautschou. Eine Ausnahme machte nur der Abg. Dröscher, der mit einer wahren Ueberschwenglichkeit das Lob der Kokonie und des Marineamts sang. Trotz aller Sparsamkeit ist auch in diesem Jahre noch der Reichszuschuß recht unangenehm hoch; immer noch sind 8 Millionen dazu erforderlich. An die Selbst⸗ perwaltung will man erst gehen, wenn die dortige Bürgerschaft die Kosten dafür bezahlen kann und will. Noch heute istz der allgemeine Pensionsfonds belastet mit 4 Millionen aus der ostasiatischen Ex⸗ pedition, die uns über 250 Millionen gekostet hat, und diese Summe ist nicht im Sinken, sondern im Steigen begriffen, weil zahlreiche Offiziere, wenn sie aus dem Heere scheiden, höhere Pensionsansprüche erheben, aus Anlaß eines Schadens, den. sie sich bei ihrer Teilnahme an der Expedition zugezogen haben. Von der Absicht oder auch nur der Möglichkeit, von Kiautschou aus im fernen Osten auf chinesischem Boden neue Gebietserwerbungen zu betreiben, sst es jetzt ganz still geworden; jetzt heißt es, wir hätten dort nur wirtschaftliche und Kultureroberungen zu machen. Aber auf die Art, wie wir diese neue Politik betreihen, mit kleinen Liebes⸗ gaben, wie der deutschen Hochschule, wird es auf die Dauer nicht gelingen, die Sympathie der Chinesen und den chinesischen Markt für Deutschland zu gewinnen. Der deutsche Warenabsatz über Fiautschou nach China ist nicht nennenswert; man hofft auf die Zukunft. In der Kommission sprach der Staatssekretär von Tirpitz davon, daß es durchaus unklar sei, ob die europäische Nation wirklich Ehancen für die Eroberung des chinesischen Marktes habe. Die Abstriche an dem Etat durch die Kommission sind minimal; das Reich muß, wie gesagt, noch immer 8 Millionen zuschießen. Mit“ den Riesensummen, die die Anforstung. verschlingt, könnte ich auf dem Brocken, der Schneekoppe oder auf. dem Fichtelgebirge Spargelkulturen anlegen. Noch vor 2 Jahren stieß der Abg. Paasche den Stoßseufzer aus, daß heute kein anderer Mensch daran denken würde, nach Kiautschou zu gehen, aber man würde uns auslachen, wenn wir jetzt hingusgingen. Das Vers nüglichste an der ganzen Kolonie sind die Jahr für Jahr uns zugesandten Denkschriften; sie sind nach dem Rezept zusammengestellt, daß dem deutschen Volke die Dinge dort gefälliger erscheinen sollen, als sie sind. Die Ausfuhr aus Deutschland nach Kiautschou ist sehr bescheiden, Die eigenen Einnahmen des Schutzgebietes sind minimal; die zwei Millionen, die sie betragen sollen, werden doch nur dadurch erzielt, Faß wir Dutzende von Millionen ausgeben. Den Beamten und Offizieren werden riesige Gehälter und hohe Wohnunggeldzuschüsse gezahlt, während sie zu Steuern so gut wie gar nicht herangezogen werden. Würde die Garnison und die Beamtenschaft erheblich reduziert, so würde, gerade wie in Südwestafrika, ein völliger Zusammenbruch eintreten. Die deutschen Reedereien sind bisher nicht der Meinung gewesen, daß in Tsingtau etwas zu holen ist, sie schicken ihre Dampfer nicht dahin; auch sonst haban sich bis jetzt deutsche Fapitalisten dort nicht in Unkosten gestürzt. Mit. der Ausgabe kleiner Aktien will man doch nur das Risiko fauler, Gründungen auf die kleinen Leute abschieben. Ich hoffe, daß die Regierung die Vorlage zurückzieht, damit wir sie nicht abzulehnen brauchen. Alles Unangenehme verschweigt der Bericht. Ich denke nicht daran, gegen den Staatsfekretär den Vorwurf der Hinterhältigkeit zu erheben. ber z. B. von dem scharfen Boykott, den die chinesische Kaufmann⸗ schaft wochenlang gegen Tsingtau unterhielt, ist in dem letzten Be⸗ richt nichts zu finden; dieser Boykott zwang die Regierung zu einer raschen Aenderung der von den Kaufleuten angefeindeten Kajen ordnung. Die Hoffnungen auf eine beträchtliche Steigerung der Be⸗ deutung des Hafens durch den Bau von Eisenbahnen, die Hoffnungen, die Warentransporte, die jetzt ihren Weg auf dem Kaiserkanal nach dem Jangtse nehmen, nach Tsingtau zu dirigieren, schweben durchaus in der Luft, denn niemand weiß, ob China die Bahnen derart anlegen wird, daß sie Tsingtau direkt zugute kommen. Ge⸗ schieht das nicht, dann ist Tsingtau auf die Dauer kaltgestellt. Ob bei der Revision Kiautschous durch den Kollegen Görcke oder einen anderen irgend etwas herauskommen, wird, ist ebenso ungewiß. Interessant war, daß gegen den bezüglichen Vorschlag des Abg. Erzberger kein Widerstand bemerkbar wurde, während man sich gestern nicht damit einverstanden erklären wollte, den Kollegen Sepering nach Danzig zu entsenden. Kiautschou wird uns deswegen so teuer, weil wir für die militärische Sicherheit dieses winzigen Stückchens Land, für eine Besatzung von 2200 Mann 64 Millionen ausgeben müssen. Gegen einen ernsthaften Angriff ist Kiautschou jn doch unmöglich zu halten, das gibt die Verwaltung selbst zu. Die. Besatzung soll notwendig sein gegen einen Ueberfall; aber auch in dieser Beziehung bemüht fich China aufs ernstlichste, für Ordnung zu sorgen, und wir könnten gar nicht mit größerer Wirkung moralische Erfolge dort zu erzielen suchen, als wenn wir sofort diese Besatzung ganz erheh⸗ lich reduzierten. Daß wir den Chinesen eine deutsche Hochschule mit großen Kosten zur Verfügung. stellen, ist mehr als Jsenderbar in einer Zeit, wo in Deutschland vielfach noch das größte Schulelend herrscht. Dankbar werden uns die Chinesen dafür auch nicht sein. In Rord-Schantung herrscht eine direkt deutschfeindliche Stimmung. Das kann auch gar nicht anders sein. Die Chinesen müssen die deutschen Festsetzungen als einen Pfahl im Fleische betrachten, den sie fo bald wie möglich loszuwerden suchen werden. Bei den Anwachsen des chinesischen Nationalgefühls und der chinesischen Militärmacht werden wir uns eines schönen Tages überlegen müssen, wie wir uns aus Kiautschou zurückziehen 3 Wir werden die Mittel für diese

) zerfehlten Unternehmen versagen,

total 6 Görcke (nl. : Die Ansichten über derartige Unter⸗ nehmungen werden sich naturgemäß entgegenstehen. Die T arstellung des Stkaatssekretärs über das Clektrizitäts werk ist doch mit Vorsicht aufzunehmen. Bei den 0 000 , . ist doch zu bedenken, daß. Verzinsung des Anlagekapitals und Amortisation in Abzug zu bringen sind, ganz abgesehen von den Pensionen. Daß die Anforstung große Erfolge erzielt hat, erkennen wir an. Der Staatssekretär meinte, daß wir mit weniger Beamten nicht aus kommen und daß unter den Beamten auch Arbeiter mitgezählt seien. Es ist aber nicht zu bestreiten, daß wir nicht weiker kommen, wenn nicht nach kaufmännischen Grundsätzen verfahren wird. Es ist davon die Rede gewesen, daß ich nach Kiautschou reisen. solle. Wenn mir das Vertrauen geschenkt werden sollte, so erkläre ich mich bereit, die Reise dorthin zu machen und, mich zu informieren, damit wenigstens einer aus der Budgetkommission sich aus eigen fr Anschauung von den Verhältnissen überzeugen kann. Mein Wahl kreis ist allerdings ein heiß umstrittener, aber man weiß ja niemals, was aus den Wahlen herauskommt, warten wir also ab, was in 116 Jahren geschieht. Der Personenverkehr auf den Eisenhahnen in Kiautschou ist allerdings. zurückgegangen, dafür ist aber der Güter verkehr, nf den es hauptsächsich ankommt, nicht unerheblich gestiegen. Die Gehaltsvorlage haben wir als eine organische begrüßt; auch die Folonialzulagen sind organisch aufgebaut. Vielleicht sind auch nach

bleibt doch immer noch ein Zuschuß von 803! 009 M übrig, Es ist von der chinesischen Hochschule gesprochen. Es ist unbedingt nötig, daß gänzliche Neutralität beobachtet und das Verbot einer größeren Propaganda auf dieser Schule aufrecht erhalten wird; Trotz her beruhflgenden Erklärungen des Stgatssekretärs müssen wir betonen, daß wir keine Benachteiligung der christlichen Schüler wünschen, sie sollen als vollwertig behandelt werden. Die Industriellen sollten nach amerikanischem Muster Geld für kulturelle Zwecke, für die deutschen Schulen, geben. Die deutschen Schulen haben sich zweifellos gut ent— wickelt; es bleibt nur die Schwierigkeit, daß sie mit dem Einjährigen abschlleßen. Eine neue Klasse gufzusetzen, würde sich allerdings nicht empfehlen, aber man könnte vielleicht och die Schüler in der jetzigen Organisation um 1 Jahr weiter fördern. Da die Chinesen gute Fandelsleute sind, so werden sie sehr wohl den Vorzug unserer Nieder⸗ laffung anerkennen. Daß sie ihn schon erkannt haben, dafür ist der beste Beweis, daß sie dabei sind, westländische Einrichtungen in E hina einzufsihren. Wir wünschen, daß die Marineverwaltung jedenfalls alles kun nige, um die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern.

Abg. Nacken (Zentr.) : Wenn man in Staat, Provinzen und Kom⸗ muneh sinmer mehr dazu übergeht, kaufmännische Betriebe zu über— nehmen, fo wird man sich auch dazu bequemen müssen, kaufmännischen Ideen sich anzupassen. Das gilt auch für Kiautschou. Wenn man aber einen kaufmännischen Maßstab anlegt, so kann man von einem Ueber⸗ schuß der dortigen werbenden Anlagen nicht sprechen. Der Preis von 80 R für die Kilowattstunde bei dem Elektrizitätswerk ist viel zu hoch und macht eine Steigerung des Betriebes unmöglich. Auch über den hohen Wafferzins von 20 3 für das Kubikmeter klagt die Bürgerschaft. Der Staatssekretär erklärte, Kigutschou habe den dringenden Wunsch, vom Reichstage loszukommen. Ich glaube, das beruht auf Gegenseitigkeit. Was der Abg. Dr. Paasche von den Beamten gesagt hat, ist schon in früheren Jahren von meinen Fraktionskollegen ausgeführt worden. Die Ausgäben dafür sind außerordentlich hoch. Man muß eine kauf— männische Gewinn⸗ und Verlustrechnung aufstellen. Heute stehen im Etat nur provisorische Zahlen. Gewiß ist die Verwaltung, an kameralistische Grundsaͤtze gebunden. Aber die Erwerbsbetriebe müssen durch und ' durch kaufmännisch gestaltet werden. Damitz müssen allerdings Freiheiten verbunden sein, aber ich schrecke nicht bavor zurück, der Verwaltung diese Freiheiten zu gewähren. Man möge ihr für jeden Erwerbsbetrieb ein Pauschguantum zur Verfügung stellen und im nächsten Jahre eine genaue kaufmännische Bilanz aufstellen. Wir begrüßen es, daß der Staatssekretär den Wunsch nach einer größeren lieber icht l ichteit des Etats als berechtigt anerkannt hat, und daß er auf dem Boden der Selbstverwaltung steht. Wenn man für diese die Selbsterhaltung zur Voraussetzung macht, fo muß man aber nicht die militärischen Ausgaben für die Gemeinden mit in Betracht ziehen.

Staatssekretär des Reichsmarineamts, Admiral von Tirpitz:

Meine Herren! Nur ein paar Worte, um die Frage der Ein— nahmen klar zu stellen. Die Bruttoeinnahmen setzen sich doch zu— sammen aus dem Reichszuschuß und den eigenen Einnahmen des Schutzgebiets; die eigenen Einnahmen sind mit 46 Millionen Mark als Bruttoeinnahmen im Etat veranschlagt. Wir haben das bisher

nach den etatsrechtlichen Bestimmungen gar nicht anders machen

können. An den Nettoeinnahmen sind die Erwerbsbetriebe nur ver— hältnismäßig gering beteiligt, nämlich mit nur einer halben Million, die Hauptsache sind die Zölle ꝛc., die reine Einnahmen sind.

Im übrigen, meine Herren, wird sich die Marineverwaltung bemühen, den Anregungen Folge zu geben, die sie in die Budgetkommission ja reichlich bekommen hat, bezüglich eines kauf⸗ männischen Betriebs der Erwerbsbetriebe, wie das eben auch der Herr Abg. Nacken ausgeführt hat. Man muß aber immerhin bedenken, daß das Zeit braucht, daß das nicht mit einem Male kommen kann. Wir müssen auch etwas überführen von der früheren Form, in der wir tatsächlich gezwungen worden sind. Die Herren brauchen sich ja nur daran zu erinnern jeder Kaufmann wird das ja ohne weiteres zugeben daß unsere Abrechnung am 31. März in der Mitternacht balanzieren soll. Bezüglich aller dieser Fragen, bezüglich der Nicht— deckungsfähigkeit der einzelnen Etatstitel, bezüglich der Revisionen un Her kameralistischen Buchführung sind wir ja gezwungen, wir kämpfen eben gegen den Bureaukratismus; das wird nur immer ver— gessen. Aber ich freue mich, daß wir in dieser Beziehung eine reich⸗ liche Unterstützung von diesem hohen Hause bekommen werden.

Meine Herren, bezüglich der elektrischen Anlagen ist, wenn ich das in der Kürze der Zeit recht verstanden habe, doch ein kleiner Zahlenirrtum untergelaufen. Es werden nicht 80 3 für die Kilowattstunde gefordert, sondern nach der mir vor⸗ liegenden Aufstellunß 55 4. (Abg. Erzberger: seit wann?) 55 , ich glaube, das ist auch in der Kommission gesagt worden und für diejenigen, die größere Mengen nehmen, tritt noch eine Verbilligung dieser Summe ein.

Dann möchte ich weiter bemerken, daß ja 20 Cents für den Kubik⸗ meter Wasser nicht gerade wenig ist, aber dafür werden auch keine Kanalisationsgebühren und. nichts für die Straßenunterhaltung ge— fordert, und nur deshalb erscheinen die Wassergebühren verhältnismäßig hoch. Ferner möchte ich noch anführen, daß das Personal für das Wasserwerk gleichzeitig Personal für die Kanalisation und für den Straßenbau ist. Die Kanalisation ist eben deshalb so reichlich gemacht, wie das auch der Hafenbaudirektor schon ausgeführt hat, damit sie auch für die großen tropischen Massenregengüsse ausreicht. Wir haben eben auf das Maximum des Wasserabflusses sehen müssen und konnten nicht nur mit dem Durchschnitt rechnen, und deshalb erscheint die An— lage auf den ersten Blick verhältnismäßig groß. Ich kann nur wieder holen, daß wir den Anregungen, die wir so reichlich bekommen haben, nach Möglichkeit Folge leisten werden. (Bravo! in der Mitte.)

Damit schließt die Debatte.

Die Besoldungsordnungen und die Wohnungsordnung werden nach den Anträgen der Kommission genehmigt,.

Zur Annahme gelangt serner die Resolution betreffend die Aufstellung einheitlicher Grundsätze für die Unterhaltung der Gebäude, unter Berücksichtigung möglichster Sparsamkeit im Etat für 1911. . .

Zu den Ausgaben für die Lazarettverwaltung und Kranken⸗ pflege gelangt eine fernere Resolution der Budgetkommissien zur Annahme: „Den Reichskanzler zu ersuchen, im Etat für 1911 die Zahl der Sanitätsoffiziere zu vermindern und für

259 h . 6 66 3595 3 J 3 9 . w. ner 2 den Abftrichen, die wir in der Kommission gemacht haben, die Kolonial⸗—= Zivilarzte entsprechende Zuschüsse einzusetzen.“

zulagen noch zu hoch. Bei Festsetzung der . haben ö nicht int Auge gefaßt, daß die Beamten draußen keine Steuern zahlen. Wenn

Der Etat für das Schutzgebiet Kiautschou wird im Ordi narium, Extraordinarium und in der Einnahme ohne weitere

nit' söoschen Abstrichen und den 120 9090 6, die künftig wegfallen ne. 6. 33e hh 6 bei den Gehältern gespart werden, so

Debatte durchweg nach den Kommissionsvorschlägen bewilligt.

und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

1910.

Darauf wird der Gesetzentwurf, betreffend die Feststellung des Haushaltsetats für die Schutzgebiete auf das Rechnungs⸗ jahr 1910 in zweiter Lesung ohne Diskussion, vorbehaltlich der kalkulatorischen Feststellung der Ziffern, angenommen.

Um 6 Uhr geht das Haus trotz wiederholter lebhafter Rufe: „Vertagung!“ über zur Spezialbergtung des Etats der Reichspost- und Telegraphenverwaltung.

Referenten sind die Abgg. Beck (nl) und Eickhoff (fortschr. Volksp.).

Beim Gehalt des Staatssekretärs bemerkt der

Abg. Kaempf (fortschr. Volksp.): Die Paketbeförderung hat schon seit Jahren zu Beschwerden Anlaß gegeben. Man beschwert sich namentlich in Berlin über die späte Bestellung der Pakete. Ebenso klagen die Ge schäftsleute über die Abschaffung des Ankunftsstempels bei Brief⸗ schaften. Für den Geschäftsverkehr ist diese Abschaffung von außer⸗ ordentlichem Nachteil. Die Postpverwaltung hat sich geneigt erklärt, für Eilbriefe und Einschreibbriefe den Ankunftsstempel wieder ein⸗ zuführen, verhält sich aber ablehnend gegen die Wiedereinführung des Ankunftsstempels bei Briefen und Postkarten. Aber guch bei diesen ist der Ankunftsstempel von größter Wichtigkeit. Nur bei Drucksachen ist der Ankunftsstempel zu entbehren; wenn jemand eine Neujahrsgratulation einen halben oder ganzen Tag zu spät erhält, fo wird das auf sein Allgemeinbefinden keinen schädlichen Einfluß üben. Die Geschäftswelt beschwert sich über die Maßnahmen der Postverwaltung um so mehr, als ihre Vertretung bisher nicht gehört worden ist. Die Wiedereinführung des Ankunftsstempels auf den Eilbriefen und Einschreibbriefen ist viel weniger not⸗ wendig als bei den gewöhnlichen Briefen, denn es kommt auf die Kontrolle der Ankunft an sowohl für den Geschäfts- wie für den Privatverkehr. Das führt auf die Einführung des Postbeirats, die durch eine Resolution des Abg. Bassermann zur Einführung empfohlen ist. Ob ein solcher Postbeirat ein ständiger sein soll oder ad hoc einberufen werden soll, lasse ich dahingestellt. Das Postscheck⸗ wesen hat schon im ersten Jahre eine außerordentlich erfreuliche Ent wicklung gezeigt. Es ist uns darüber eine Denkschrift zugegangen. Die dort angestellten Berechnungen scheinen mir aber nicht ganz ein⸗ wandfrei zu fein; der Ueberschuß aus dem Scheckverkehr beträgt nicht S060 600 S, sondern 2 bis 3 Millionen Mark. Die Reichspostverwaltung sollte aus diefem Verkehr keine Ueberschüsse für die Reichskasse heraus wirtschaften, sondern eine Verbesserung und Modernisierung des Bar⸗ verkehrs anftreben mit dem Ziele, daß weniger Bargeld im Verkehr ist. Bis jetzt ist der Postscheckberkehr noch nicht genügend in alle Schichten der Bevölkerung eingedrungen. Das liegt auch daran, daß der Formulare und des Schreibwerks zuviel ist, noch auch der Verkehr nicht mit der erforderlichen Raschheit sich voll⸗ zieht, sodaß viele Geschäftsleute noch immer an der alten Ver⸗ mittlung durch die Banken festhalten. Es muß auch die Beziehung, in' die' das Postscheckkonto zum Reichsbankgirokonto gebracht werden kann, noch weiter erleichtert werden; alle Postscheck⸗ ämter müssen dem Abrechnungsverkehr mit der Reichsbank und ihren Haupt- und Nebenstellen beitreten. In kurzer Zeit ist immerhin eine vorzügliche Organisation geschaffen und auch bereits der Erleichterung des internationalen Geldausgleichs dienstbar gemacht; worden. Dringend wünscht man im Publikum auch die Wiedereinführung der billigeren Ortspostkarte, wenn nicht zu 2, so doch zu 3 Pfennigen. Bis jetzt hat sich leider das Reichspostamt dagegen gesträubt; durch elne folche Maßregel würde es sich den Dank des ganzen Gewerbestandes verdienen. Den Bestrebungen auf Einführung eines Weltpostportos ist wenigstens teilweise, im Verkehr mit Nordamerika, entgegengekommen worden; aber das ist nur ein sehr kleiner Schritt. Im Wege steht hauptfächlich die Höhe der Transitgebühren, die die⸗ senigen Staaten erheben, welche nicht das Endziel der Korrespondenz sind; so erhebt z. B. Belgien als Transitland für die deutschen Briefe nach England eine beträchtliche Gebühr. Mindestens aber sollte der Verkehr mit den Nachbarländern verbilligt werden. Wäre es nicht für unser politisches Verhältnis zu Frankreich von außer⸗ ordentlichem Nutzen, wenn ein ähnliches Verhältnis eingeführt würde, wie wir es seit mehr als 30 Jahren mit Oesterreich haben? Ich lege diese Frage dem Staatssekretär dringend ans Herz. ö

Abg. Lattm ann (wirtsch. Vgg.): Mehr kaufmännischer Geist! So wird überall gerufen. Heute tönt dieser Ruf, auch dem Staats sekretär entgegen. Wir sind gewiß die letzten, die an verknöchertem Bureaukratismus Freude haben; wir sind deshalb auch für die Re⸗ solution, die einen Postbeirat verlangt, dem auch die Vertreter des Handelsftandes angehören. Aber wir können doch nicht der Handels⸗ kammer zu Mannheim zustimmen, die in diesem Beirat für Handel und Industrie die Mehrheit verlangt, gegen welche Gewerbe und Landwirtschaft zurückzutreten hätten. Ob ein so zusammengesetzter Beirat nicht allzusehr dem kaufmännischen Geist in der Verwaltung doch zweifelhaft. Möglichste

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zum Durchbruch verhelfen wird, ist Vereinfachung und Verbilligung Betriebes würde dem kauf⸗ männischen Geiste entsprechen, ebenso aber auch die möglichste Ver meidung unrentabler Geschäfte; und gegen einen solchen Geist in der Postverwaltung würde man sich doch mit Recht zu sträuben haben. Die AÄufhebung des Postankunftsstempels war sicher nicht ein Ausfluß der Bequemlichkeit der Verwaltung, sondern eine Maßregel zur Vereinfachung und Verbilligung des Betriebes. Vom Standpunkt des Verkehrs aus sind die dagegen erhobenen Ein⸗ wendungen durchaus berechtigt; aber vom kaufmännischen Standpunkte aus würden fie sich nicht rechtfertigen. Aehnlich liegen die Verhält nisse beim Postzeitungstarif. Die Kommission hat einstimmig eine Resolution angenommen, die die Erleichterung der Herstellung von Fernfprechnebenstellen für die Industrie fordert; auch das wäre vom kaufmännischen Standpunkt nicht zu empfehlen. Das gleiche gilt von dem unrentablen Postnachnahmen⸗ und Postauftragsdienst. Den Vorwurf, daß die deutsche Postverwaltung teuerer wirtschafte als die britische, kann ich nicht anerkennen. Sobald man die einzelnen Zahlen miteinander vergleicht, merkt man, daß die Verhältnisse zu derfchieden liegen, und daß man sehr bald ins Ungewisse hinein⸗ kommt. Deukschland hat ebensoviel Fernsprechstellen wie Eng⸗ land, Frankreich und Oesterreich zusammen. Wie steht es mit dem mehrfach erhobenen Vorwurf der Materialverschwendung? Und was hat die Postverwaltung darauf zu erwidern, daß in Siegen bei der Verlegung eines Telephonkabels, an der 5 Arbeiter 14 Tage lang ge⸗ arbeitet haben, zur Beaufsichtigung anwesend waren ein Direktor, ein Sberfekretär, ein Sekretär, ein Bauführer, zwei Aufseher und (in Vorarbeiter? Der Etat ist sehr vorsichtig aufgestellt, was nach den bösen Erfahrungen, die man in früheren Jahren mit den Einnahmen gemacht hat, auch, notwendig war. Aber wie mag der Etat ausgesehen haben, als die Postverwaltung hn dem' Reichsschatzamt einreichte. Da die Besoldungsreform ab— geschlossen ist, so sollten wir dafür sorgen, daß die Unstimmigkeiten, kiÜ' verbleiben mußten, ausgeglichen werden. Die Persongl, verhältnisse sind ganz ungew hnlich. Es ist eine so große Anzahl hon höheten und mitkleren Beamten vorhanden, daß die Aufrückungs= fristen über Gebühr ausgedehnt sind. Dieser Nachteil pflanzt fich nach unten hin fort. Die Assistenten müssen entgegen dem allseitigen Wunsche dadurch noch immer verrichten. Zur Erschwerung

Unterbeamtendienste weiblichen Hilfskräften, deren Leistungsfähigkeit man überschätzt hat,

der Verhältnisse hatte auch die Einstellung von beigetragen. Angesichts dieser mißlichen Zustände sollte der