Ministerium für Handel und Gewerbe.
Dem Lehrer der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in 1 Bernardelli ist der Charakter Professor verliehen worden.
Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegenheiten.
Der Abteilungsvorsteher am Chemischen Institut der Uni⸗ versitãt zu Breslau, Professor Dr. Jul ius Braun ist zum ö Professor in der philosophischen Fakultät der⸗ selben Universität ernannt worden.
Angekommen:
Seine Exzellenz der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten von Arnim, aus Tirol.
Abgereist:
Seine Exzellenz der Staatsminister und Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach, mit Urlaub nach
Harzburg.
Aichtamtliches.
Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 13. Mai.
Seine Majestät der Kaiser und König nahmen gestern nachmittag im hiesigen Königlichen Schlosse die Vorträge des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Infanterie Frei⸗ herrn von Lyncker und des Chefs des Generalstabs der Armee, Generals der Infanterie von Moltke entgegen.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Der König Franz Joseph empfing gestern, „W. T. B.“ zufolge, den ungarischen Ministerpräsidenten Grafen Khuen⸗ Hedervary, der über die politische Lage Bericht erstattete, in einer Sonderaudienz.
In einer Sitzung der slavischen Union teilte der Vorsitzende zu der Meldung über die deutsch⸗tschechischen Ver⸗ ständigungskonferenzen mit, daß der Klub der tschechischagrarischen Abgeordneten der Union einen Vorschlag zur Lösung der Nationalitätenfrage in ganz Oesterreich vorlegen werde.
Großbritannien und Irland. Der König von Dänemark ist, W. T. B.“ zufolge, gestern abend zu den Beisetzungsfeierlichkeiten in London ein⸗
getroffen. Rußland.
In der gestrigen Sitzung der Kommission der Reichs⸗ duma j die Finnlandvorlage gab der Szzialdemokrat Geget 5 ori, „W. T. B.“ zufolge, nachstehende CG. lärung ab:
Die Regierung und die st unterstützende Mehr der Kom⸗ mission hielten es nicht für notwendig, ihren prinzipiellen Standpunkt u verfechten, indem sie auf juridische Beweisgründe nicht eingehen, ( alle Anträge einfach durch Abstimmung zur Entscheidung bringen wollten. Seine politische Würde als Vertreter der Arbeiter⸗ klasse gestatte es ihm nicht, Zeuge der zerstörenden Arbeit der Kom⸗ mission zu sein. 5 9 r
Der Kadett Miljukow schloß sich dieser Erklärung an. Darauf verließen die Kadetten und die Sozialdemokraten den Sitzungssaal.
Italien.
In der Deputiertenkammer hat gestern, W. T. B.“ zufolge, die Wahl der Vizepräsidenten stattgefunden. Gewählt wurden Girardi mit 133 und Carmine mit 110 Stimmen.
Türkei.
Der Ministerrat beriet gestern über die Note der
Kretaschutzmächte und beschloß nach einer Meldung des „W. T. B.“, von den Botschaftern der Kretamächte Aufklärungen zu verlangen, was sie unter dem status quo verstehen, und ob auch die Eidesleistung auf den Namen des Königs der Hellenen darin begriffen sei. In mehreren Orten wurden gestern Versammlungen abgehalten, in denen gegen die Eidesleistung der Kretenser Protest eingelegt und die Wahrung der türkischen Rechte mit Waffengewalt verlangt wurde, falls diplomatische Mittel nicht ausreichen sollten.
— Der Finanzminister hat in der gestrigen Sitzung des Senats die gleiche Erklärung in der Kretafrage abgegeben wie der Minister des Aeußern in der vorgestrigen Kammer⸗ sitzung.
— Wie das „W. T. B.“ meldet, hat der Kriegs⸗ minister das Generalkommando über die Truppen in Albanien übernommen und sich gestern mit Torgut Schefket Pascha und dem Wali von Uesküb nach Stimlia begeben.
Da die orthodoxen Albanesen von Himara, Wilajet Janina, trotz Entsendung zweier Bataillone auf Grund alter Privilegien die Steuerzahlung verweigern, wurde ein Torpedo⸗ boot abgeschickt, das, falls sie binnen 30 Stunden nicht nach⸗ geben, ihre Dörfer bombardieren soll.
Afrika. Wie von „W. T. B. aus Colomb Bechar gemeldet wird, hatte eine Abteilung Spahis bei Tageurt an der Grenze des Tafileltgebietes mit einer Bande Wüstenräuber ein
Scharmützel, bei dem letztere mit beträchtlichen Verlusten in die Flucht geschlagen wurden.
Nr. 19 der Veröffentlichungendes Kaiserlichen Gesund⸗ heitsamts“ vom 11. Mai 19glo hat folgenden Inhalt; Gesund= beitsstand und Gang der Volkskrankheiten. — Zeitweilige Maßregeln
m cs. 7 Mas * s . Pest. — Desgl. gegen Cholera. — Desgl. gegen Gelbfieber esetzgebung usw. (Deutsches Reich) Rinderfinne. — (Hessen.) Hebammenschülerinnen. — (Hamburg.) Ansteckende Krankheiten. —
— (Großbritannien. Gilbert⸗ und 88 Butter. — Butter Ansteckende Krankheiten. — (Türkei. dontenegro. ) Geistige Getränke. — (Japan) Wein. — Ti sen im Deutschen Reiche, 30. April 1510. — Desgl. im ande. — Desgl. in der Schweiz, 1. Vierteljahr. — , in Großbritannien. — Desgl. in den Niederlanden. — J. in Norwegen. — Verhandlungen von gesetz⸗ ebenden Körperschaften. (Oambur 9 Institut für Schiffs⸗ und Ken n, — Vermischtes. ; eutsches Reich.) Jahresberichte der Gewerbeaufsichtsbeamten ꝛc., 1908. — (Preußen.) Taubstumme, 1909. — Selbstmorde, 1908. — (Preußen, Sachsen, Baden, Mecklen⸗ burg⸗ Schwerin, Hamburg.) Gehelmmittel. ( Oesterreich Desgl. — Belgien. Brüssel.) . r. 1908. — Geschenk⸗ liste. = Wochentabelle über die Sterbefälle in deufschen Orten mit 16 000 und mehr Einwohnern. — Desgleichen in größeren Städten des Auslandes. — Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Groß⸗ . — Desgleichen in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. — itterung.
kreich) Weinbehand e, k nn und Margarine. — ( ae ee. Weinschußz. -
Statistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Zur Lohnbewegung der Berliner Brauer er. Nr. 108 d. Bl.) berichtet die Voss. Ztg.“, daß die Tarifkommission für das Brau⸗ ewerbe nun auch die zweite Lesung des Tarifs beendet und am
onnerstag unter dem Vorsitz des Handelskammersyndikus Oskar Meyer ihre Schlußsitzung abgehalten hat. Der Friede im Braugewerbe sst nunmehr gesichert. Die Arbeiterverbände beider Richtungen stimmten den getroffenen Vereinbarungen zu, ebenso der Verein der Brauereien Berlins und der Umgegend. Gestern abend nahmen die Gewerk⸗ vereine dazu Stellung. olgende Erklärung fand einstimmige Annahme: ‚Die im Verbandhause der Deutschen Gewerkvereine (Hirsch⸗ Duncker) am 11. Mai versammelten Vertrauensmänner des Vereins der Berliner Brauergehilfen und des Gewerkvereins der Fabrik⸗ und Hand⸗ arbeiter fuͤr die Brauereihilfsarbeiter erklären, daß die Vereinbarungen der Tarifkommission sie nicht in allen Teilen befriedigen, daß sie aber mit Rücksicht auf die Gesamtlage des Braugewerbes und die erfolgten weiteren Zugeständnisse die Vertreter in der Tarifkommission er⸗ mächtigen, den Tarifvertrag auf die Dauer von vier Jahren ab⸗ zuschließen.
Die Zwangsinnung für das Dachdefkerhandwerk im Solinger Industriebezirk nahm, der Rh.⸗Westf. Ztg.“ zufolge, Stellung zu dem Kampf im Baugewerbe. Sie beschloß ein⸗ stimmig den Anschluß an den Arbeitgeberschutzrerband für das Bau⸗ gewerbe im rheinischwestfälischen Industriebezirk und erklärte sich bereit, sich dem Beschlusse zu fügen, der am Mittwoch nächster Woche in einer Verbandsversammlung der rheinisch-westfälischen Dachdecker— meister in Elberfeld gefaßt wird. Auf der Tagesordnung dieser außer⸗ ordentlichen Verbands versammlung steht nämlich der Antrag auf Aus⸗ dehnung der Arbeiteraussperrung auf das Dachdeckergewerbe, das bis heute an dem Kampfe im Baugewerbe nicht beteiligt ist.
Am 11. d. M. nahm, wie der „Köln. Ztg.“ gemeldet wird, in Marseille der zehnte Bundeskongreß der Maschinisten und Heizer der Paris-Lyon⸗Mittelmeerbahn seinen Anfang. Es nahmen daran 86 Vertreter von der P. . M. teil. Die Maschinisten und Heizer der großen Bahnen haben insgesamt sechs Vertreter zu dem Kongreß gesandt. Eine Tagesordnung wurde angenommen, die sich für den Anschluß der Maschinisten und Heizer der P. . M. an den nationalen und internationalen Eisenbahnerbund ausspricht. Die Verhandlungen der Abteilung Marseille mit den geprüften Ma⸗ schinisten der Handelsmarine sollen fortgesetzt werden. Die Hilfskasse wurde in eine Kampfkasse mit , Ziele umgewgndelt und schließlich nach heftigem Wertkampf ö einer Stimme Mehr⸗ heit der Anschluß an den Allgemeinen Arbeitsbund beschlossen.
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Kunst und Wissenschaft.
In der Aula der hiesigen Friedrich Wilhelms⸗Universität hielt gestern vormittag Theodor Roosevelt vor einer glänzenden Hörer⸗ schaft eine Rede über Weltkulturbewegung (The World Move— ment). Auf den erhöhten Sitzen an beiden Längsseiten der Aula, nahe dem Katheder hatten die ee hren im Ornat Platz genommen, Chargierte in Wichs hielten das Podium besetzt. Die vorderen Stuhl⸗ reihen waren für den Hof reserviert, weitere nahmen die geladenen Gäste ein, während die übrige Aula dicht von der Studenten⸗ schaft gefüllt war. Unter den Gästen befanden sich die Herren und Bamen der amerikanischen Botschaft, der Staatsminister Dr. von Studt, der Präsident des Reichstags Graf von Schwerin⸗ Töwitz, der Oberbürgermeister Kirschner, der Bitrgermeister Reicke u. a. Um 11 Uhr wurde unter den Klängen eines s. Z. George Washington gewidmeten Marsches Heil Columbia, glückliches Land“ Theodor Roosevelt von dem ältesten Dekan in die Aula geleitet; bald darauf erschienen, geleitet von dem zeitigen Rektor, Geheimen Regierungsrat, Professor Dr. Erich Schmidt die Kaiserlichen Majestäten, die vorher Herrn Roosevelt schon im Vorsaal be— grüßt hatten, sowie Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen und Prin⸗ zessinnen Eitel⸗Friedrich, August Wilhelm, Friedrich Leopold, der Prinz Adalbert, die Familienangehörigen Roosevelts, der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg, der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten von Trott zu Solz, der Unterstaatssekretär Wahn⸗ schaffe u. 4. Nachdem die Allerhöchsten Herrschaften Platz genommen und der Chorgesang beendet war, bestieg der Rektor das Katheder, um die Majestäten und Theodor Roosewelt zu begrüßen, auf die geit igen Bande hinzuweisen, die Amerikas wissenschaftliche Welt und Theodor Raosewelt mit der Universität verknüpften, dessen Persönlichkeit zu feiern und ihm schließlich das Wort zu der in Aussicht gestellten Rede zu erteilen.
Hierauf bestieg Theodor Roosevelt das Katheder. In seinen Einleitungsworten gedachte er des bevorstehenden Jubiläums der Universität Berlin und der eigenartigen Gefühle eines Mannes, der von einer noch im Werden begriffenen Nation in ein Land mit unvor⸗ denklicher Vergangenheit kommt, zumal wenn dieses Land mit seiner alten Geschichte dennoch voll stolzen Vertrauens in die Zukunft blickt und in der Gegenwart all die über⸗ schäumende Kraft froher Jugend zeigt, wie das mit Deutsch⸗ land der Fall ist. Roosevelt warf sodann einen flüchtigen Blick auf die wechselvolle äußere Geschichte des Jahrtausends, das vergangen ist, seit das römische Westreich tatsächlich ein deutsches Kaiserreich wurde, bis das große Haus der Hohenzollern emporstieg, das endlich Deutschland in die vorderste Front der Völker der Menschheit einrücken sah. In dieses Land einer ruhmvollen Vergangenheit und glänzenden Gegenwart, in dieses Land großer Er⸗ innerungen und starker Hoffnungen komme ich als Angehöriger eines jungen Volkes, das mit jeder der großen Nationen des mittleren und westlichen Europas blutsverwandt und doch wieder von jeder verschieden ist, welches von jeder viel ererbt oder erworben hat, aber doch jede Erbschaft und jede Erwerbung in etwas Neues und Fremdes verändert und entwickelt. Der deutsche Anteil an unserem Blut ist groß und ich selbst führe meine Abstammung auf jenen Zweig der Niederdeutschen zurück, welcher Holland aus der Nordsee empor gehoben hat. Und noch mehr, wir haben von Ihnen nicht nur einen großen Teil des Blutes, das durch unsere Adern rinnt, entnommen, sondern auch einen großen Teil der Gedankenwelt, und dank der vorausschauenden Weisheit Seiner Ma⸗ jestät des gegenwärtigen Kaisers ist das innige und freundschaftliche Verhältnis zwischen beiden Ländern jetzt in jeder Beziehung enger, als es je zuvor war“.
Sodann ging der Redner auf sein eigentliches Thema die „Welt⸗ kulturbewegung“ über. Der Gedankengang seiner Ausführungen war etwa folgender: In unendlich kleinen Stufen hat sich der Mensch durch die unteren Grade der Tierähnlichkeit vorwärts geschoben und
gekämpft. Die ersten Kulturen, von denen wir unzweideutige Zeug nisse besitzen, entstanden in 33 otamien und im Niltal etwa vor sechs bis achttausend Jahren. Soweit wir es be⸗ urteilen können, waren es fast gänzlich isolierte Mittelpunkte kultureller Entwicklung; ihre hervorragendsten Eigenschaften sind ihre Zeitdauer und ihre vergleichsweise Starrheit. Mit dem Zu— fammenbruch dieser alten Kulturen rückten die Völker in den Vorder⸗ grund, mit denen unsere eigene Kulturgeschichte gewissermaßen beginnt; die Juden, die Griechen und die Römer. Die griechisch⸗romische Welt erlebte eine bei weitem glänzendere, mannigfachere und intensivere Kustur als irgend eine ihrer Vorgängerinnen. Zum ersten Male be—⸗ * da etwaß, was wenigstens eine Weltbewegung andeutete. Diese
ultur beeinflußte direkt oder indirekt die gesamte Menschheit von der Wüfte Sahara bis zur Ostsee, vom Atlantischen Ozean bis zu den westsichsten der vom Himalaya auslaufenden Bergketten. Sie war e mn, schnellen Aenderungen unterworfen und ging nach verhältnismäßig kurzer Zeit unter. Es dauerte Jahrhunderte, bis die Bewegung von neuem begann; ein volles Jahrtausend verging, bis sie wieder in vollem Fluß war. Vor etwas über vierhundert Jahren wurde die unterbrochene Bewegung in der Richtung auf eine Welt- kultur von neuem aufgenommen, als die Erfindung der Buchdruckerkunst und die Reihe von kühnen Seeabenteuern, welche in der Entdeckung Amerikas eee ihre volle , auf das materielle und in⸗ tellektuelle Leben auszuüben begannen. Seitdem haben, Jahrhundert für Jahrhundert, die Aenderungen an Schnelligkeit und Kompliziertheit zugenommen und in dieser doppelten Hinsicht im letzten Jahrhundert ihren Höhepunkt erreicht. Heute übt die europäische Kulturart so . auf die gesamte Welt eine mehr oder minder tiefe Wirkung aus. Jetzt ist die gesamte Welt so eng miteinander verbunden wie nie zubor; das Band besteht manchmal mehr aus Haß, denn aus Liebe, aber es besteht. Ob gern oder ungern, heute muß jeder Mensch, der in der Welt der Gedanken oder auf dem Gebiet des Handels eine führende Stellung einnimmt, über die Grenzen seines engeren Vater— landes hinausblicken. Zum Guten und zum Schlimmen sind die Völker der Menschheit enger denn je zuvor miteinander verbunden, Dampf und Clektrizitãät haben unserer Rasse die Herrschaft über Land und Wasser gegeben wie nie zuvor, und zurzeit steht die Froberung der Luft unmittelbar bevor. Wie Gedanken für alle Zeiten in Büchern niedergelegt werden, so lassen Telegraph und Telephon den Raum verschwinden. Die Fortschritte des leßten Jahr. hunderts oder der letzten beiden Jahrhunderte erstrecken sich auf weitere Gebiete, als jemals vorher in der gesamten Geschichte der menschlichen Rasse erschlossen wurden. Die Fortschritte im Bereich des reinen Intellekts sind von gleicher Bedeutung gewesen, und ebenso sinnfällig ist das Spiel der neuen Krafte in der moralischen und religiösen Welt. Kraͤfte des Guten wie des Bösen treten überall hervor, jede mit hundert- oder tausendfach ver⸗ mehrter Intensität gegen die früherer Jahrhunderte wirkend, Die gesamte Weltkulturbewegung nimmt beständig an Geschwindigkeit zu. In dieser Bewegung gibt es Anzeichen von vielem, das Uebles verheißt. Die einzige frühere Kultur, mit welcher unsere heutige verglichen werden konnte, ist jene Periode der griechisch⸗römischen Kultur, die sich von dem Athen des Themistokles bis zum Rom des Marcus Aurelius erstreckt. Bildung, Luxus und Raffinement, große materielle Güter, großer Landbesitz, Zunahme in der Meisterung mechanischer Hilfsmittel und angewandter Wissenschaft — das sind alles Kennzeichen unserer Kultur, wie sie Kennzeichen der wunder— pollen Kultur waren, die vor zwanzig Jahrhunderten an den Ge— staden des Mittelmeers blühte, und sie gingen dem Zusammenbruch der älteren Kultur voraus. Doch auch die Unterschiede sind zahlreich. Die einzige Tatsache allein, daß die alte Kultur auf Sklaverei basierte, zeigt die weite Kluft, die zwischen beiden gähnt. Sodann ist eine der Hauptgefahren jener Kultur stets ihre Tendenz gewesen, einen Ver⸗ lust an männlichen Kampfeigenschaften, an Kampflust herbeizu⸗ führen. Allmählich verweigerten die Bürger den Heeresdienst oder sie wurden untauglich zu richtigem Dienst. In unseren modernen Zeiten ist das gerade Gegenteil der Fall. Heute ist im wesentlichen jede Armee eine solche aus Landeskindern, und der Söldner fast ganz verschwunden während die Armeen felbst weit stãrker find als je er, Ein dritter starker Gegensatz ist in den Beziehungen zwischen Reichtum und Politik zu finden. In den klassischen Zeiten, als sich die Kultur ihrem Höhepunkt näherte, wurde die Politik ein anerkanntes Mittel zur Erwerbung großer Reichtümer. Heute würde es buchstäblich einen Weltskandal geben, wenn einer das tun wollte, was ein römischer Prokonsul als. mäßig betrachtet haben würde und was sogar in der englischen Kolonialverwaltung vor anderthalb Jahrhunderten nicht als ungewöhnlich gegolten haben würde. Im ganzen sind die großen Staatsmänner der letzten Generation entweder Männer von geringen Mitteln oder, wenn sie reich waren, solche Männer gewesen, deren Reichtum durch ihre Teil⸗ nahme am offentlichen Leben eher vermindert als ver— mehrt worden ist. Sollen auch wir den Weg der alten Kulturen gehen? Wir dürfen nicht sicher sein, daß die Ant⸗ wort verneinend lauten wird; aber dessen können wir sicher sein, daß wir nicht untergehen werden, es sei denn, daß wir unser Ende verdienen. Ich persönlich glaube nicht, daß unsere Kultur untergehen wird. Ich glaube, daß wir im ganzen besser und nicht schlimmer geworden find. Aber sicherlich werden sich die goldenen Ruhmesträume der Zukunft nicht erfüllen, wenn wir sie nicht mit hochgemutem Herzen und mit starker Hand, . unser eigenes tat⸗ kräftiges Handeln zur Erfüllung bringen. Wir bedürfen zuerst der hausbackenen, alltãglichen Tugenden. Wenn der Durchschnittsmann nicht arbeiten will, wenn er in sich nicht den Willen und die Kraft hat,
ein guter Gatte und Vater zu sein, wenn die Durchschnittsfrau
nicht eine gute Hausfrau ist, eine gute Mutter vieler gesunder Kinder, dann wird der Staat untergehen, gleichgültig, wie glänzend seine künstlerische Entwicklung oder seine materielle Leistung ist. Dazu muß jene Organisationskraft hinzukommen, jene Fähigkeit, ge⸗ meinsam zu einem gemeinsamen Ziel hinzuarbeiten, welche das deutsche Volk im letzten halben Jahrhundert in so hervorragender Weise ge⸗ zeigt hat. Aber die Nahrung des Geistes ist noch wichtiger als die des Leibes. Unsere Dankesschuld an die Männer der Wissenschaft ist unberechenbar. Nie haben Philanthropie und Humanität eine solche Entwicklung wie heute gesehen. Ein ungerechter Krieg ist zu ver⸗ abscheuen; aber wehr der Nation, in welcher der Durch⸗ schnittsmann den Kampfesmut verliert, die Kraft, als Soldat zu dienen, wenn der Tag der Not heran⸗ kommen sollte! Man kann von einer Kultur träumen, in welcher Moralität, ethische Entwicklung und ein aufrichtiges Gefühl der Brüderlichkeit sich frei halten von falscher Sentimentalität und von den häßlichen und üblichen Leidenschaften, die so oft die Beteuerungen von sentimentaler Verehrung der Menschenrechte begleiten, einer Kultur, die eine hohe materielle Entwicklung erzielt ohne Unterordnung des Geistigen und Seelischen, aufrichtiges Verlangen nach Frieden und erechtigkei ohne Verlust jener mannlichen Eigenschaften, ohne welche keine Friedensliebe oder Gerechtigkeit einer Nation etwas nützt, die vollste Entwicklung wissenschaftlicher Forschung ohne den Wahn, daß Intelligen; je den Charakter er. seßbn = könne — denn. vom Standpunkt der Nation sowohl wie des Individuums ist Charakter das eine vitale Besitztum. Schließlich sollte diese Kulturbewegung, deren Pulsschlag jetzt in jedem Winkel der Erde gefühlt wird, die Völker der Erde zusammen⸗ bringen. Aber der gute Bürger muß zuerst ein guter Bürger seines eigenen Landes sein, ehe er mit Vorteil ein Bürger der ganzen Welt werden kann. Ich wünsche Ihnen Gutes. Ich glaube an Sie und Ihre Zukunft. Ich bewundere die außerordentliche Größe und Mannig⸗ faltigkeit Ihrer Errungenschaften auf so weiten und so vielen Ge⸗ bieten; und meine Bewunderung und meine Anteilnahme sind um so größer, weil ich so fest an die ö und an das Volk meines eigenen Vaterlandes glaube.
Nachdem Theodor Roosevelt geendet hatte, kündete der Rektor Professor Dr. E. Schmidt an, daß die Universität Roosevelt ihren Dank für die eben gehörte Rede in der Verleihung der Würde eines Ehrendoktors der philosophischen Fakultät abzu— statten, beschlossen habe.
rs Dr. von
Dekan der philosophischen Fakultät, Geheime Regierungsrgt,
For Dr. Roethe überreichte sodann mit einer die Verdienste
k .
der Rektor, Geheimer Regierungsrat, Professor Dr. E.
aidt ein Hoch auf Ihre Majestäten ausbrachte, in das die An⸗ i begeistert einstimmten. esang schloß den Festakt. ;
eum Abend folgte Theodor Roosevelk einer Einladung des Reichs⸗
Hehe, Hollweg zu einem Herrenabend.
er prähistorischen Fachsitzung der Berliner Gesellschaft , , , am 4 d. M. sprach zuerst Herr Hermann sfe iber Hocker⸗ und Brandgräber sowie Wohngruben hem ig, Reiherwerder im Tegeler See, Kreis wbarnim. Die genannte Fundstätte ist die größere von zwei n gleichen Namens am Nordwestende des Tegeler Sees, die in ter Zeit durch Aufschüttungen zu Halbinseln geworden . ren Äufschüttungsarbeiten fand man wiederholt Aschenreste, Ton⸗ Een und andereg, zu deren Besichtigung vor längerer Zeit schon Vortragende Einladung empfing. Er fand die sorgfältig nnelten Kulturreste aus Tierknochen, faustgroßen, vom Feuer ge⸗ niten Steinen, einigen kleinen Feuersteinen ohne Spuren der „tung oder Verwendung durch Menschenhand, Feine große wg Tonscherben und einen etwas ausgehöhlten Mahlstein (to auf em nebst ku eligem Reibstein (14 em im Durchmesser) bestehend. ö nteressanteste Jundstück ist die Hälfte einer hartgebrannten schwach⸗ gen, ö. n. ee er essen . 3 . ertikale Furchengruppen si r sind. Andere Urnenscherben öᷣ r . horizontale Hals- und schräge breite Bauchfurchen. ge feingeritzte Stücke scheinen von einem Becher herzurühren. seinzeitliches Ornament erinnert ein größeres Henkelstück mit aclmäßig tiefen Ritzen. Andere Scherben zeigen sch gerauht, ganz ohne Verzierung. Da auf der benachbarten Infel Scharfen⸗ zbnliche Dinge gefunden worden sind, wurde der Reiherwerder m durch Grabungen durchforscht. Der Vertragende wohnte auf dung des Besitzers diesen Arbeiten bei. Die Aufgabe wurde so ffihrt, daß immer Streifen von 1 m Breite und 2 m Tiefe äochen wurden. In der hierbei entstehenden, 2m hohen senkrechten ließen fich deutlich von dem helleren sändigen Erdboden grell tende 1 — 14 m breite schwarze Stellen erkennen; ihnen waren ie anfänglich gesammelten Kulturreste entnommen worden. Schon berflichliche Besichtigung solcher Stellen belehrte den Vortragenden ber daß es sich wahrfchelnlich um Wohngruben oder Gräber handle. on am ersten Tage der Anwesenheit des Vortragenden bei den ten konnten zwei solcher Stellen untersucht werden. Später auf Anordnung des Besitzers stets so verfahren, daß, we immer beiter größere schwarze Stellen fanden, sie diese als Erdkegel Fterer Unterfuchung durch Herrn Busse stehen lassen mußten. Befund dieser schwarzen Stellen, der Kürze halber im folgenden Ren“ genannt, bietet viel Interessantes: Grube 1, rund, mit n oberen Durchmesser von 126 em, einem unteren von 190 em, Tiefe von 210 em, zeigte unter dem oberen Graswuchs eine m mächtige hellere Sandschicht, darunter eine etwas dunkel ge⸗ e Erde mit wenigen geschwärzten faustgroßen Steinen und tren Tonscherben. Dann folgten in der Tiefe von 1 in eine nur em starke harte rötliche Schicht über einer dunkler gefärbten, scherben reichlicher enthaltenden Schicht. Unter dieser war die ganz schwarz und fühlte sich fettig an. Hier fanden sich zwei are, schräg stehende Tongefäße, an der härteren, schwarzen Erde anhaftend, die bei dem Versuch der Ablösung zerbrachen. Es e nur noch festgestellt werden, daß die Stücke des einen Gefäßes n dünnwandigen, einhenkligen Topf angehörten, Mündung etwa mn, größte Weite 23 em, Höhe 24 9m, Verzierungen nicht sichthar. 0 des Topfes bestand in sehr fester schwarzer Erde. Das ' Gefäß, etwas größer, dickwandig und gerauht, lag als Deckel das erste gestülpt. Unter den Töpfen folgte eine 15 em starke scht schwarzer Erde und darunter als Abschluß der Grube wiederum ste rote Schicht, diesmal von 5—7 em Mächtigkeit und be⸗ nd fester als die entsprechende 11 cem mächtige obere Schicht. ke 2, nur wenige Meter von der ersten entfernt, zeigte dieselbe Beschaffenheit. Es fanden sich aber zwei Feuer⸗ e, n , De lefg , a z ,. r. 64 deshalb nicht mehr feststellen. Es wurde nun der Ver⸗ gemacht, die Gefäßreste enthaltenden Bodenklumpen am öh scharf zu trocknen. Es gelang; die bröcklige Erde ließ sich dann abtrennen, und es kamen zwel kleine Henkeltassen zum Vorschein. fe wie die Scherben der größeren Tongefäße, die ebenso von der pftenden Erde befreit worden waren, zeigten vertikale, schräge und sontale Furchengruppen. Ein weiteres, wichtiges Ergebnis brachte Dfentrocknung. Die getrockneten, nun leicht auseinanderfallenden it n, n,, Mas sichere e en; paß 9 en Brandgräber darstellten. Der Vortragende hat in der en gründlichen Art im ganzen 12 Gruben sorgfältig unter⸗ Neun dabon ergaben sich als im wesentlichen mit den ben J und 2 übereinstimmend, somit als Begräbnisstätten: drei als Wohngruben anzusprechen. Auch mehrere vom Kommerzienrat Borsig und von seinem Obergärtner Quart persönlich vorgenommene rsuchungen von Gruben ergaben ähnliche Resultate, nur zwei davon n von ganz besonderer Wichtigkeit; denn sie enthielten über—⸗ end in der unteren schwarzen Erdschicht menschliche ette. Die eine derselben lag von Grube 2 nur 11 m unt. Aus ihr wurden in Tiefe von 220 em zwei Menschen⸗ kel, zwei Armknochen und mehrere kleinere Knochen zutage dert. Noch interessanter war die zweite der skeletthaltigen ben; denn sie barg ein vollständiges menschliches Skelett. In der E von 170 em wurde ein menschliches Skelett auf dem Rücken nnd in Hockerlage, gefunden, der Kopf lag abgebrochen 15 em Rumpf entfernt. Nach völliger Freilegung wurde das Skelett . Die 566 66 gekreuzt et die n be. Pen, ie Knie erührten die Schulter, er rechte lag gekrümmt an der rechten Körperseite, das t scheint einem starken Manne angehört zu haben. Bergung des Skeletts bereitete einige Schwierigkeiten, sie gelang, m man den ganzen Erdklumpen aushob. Tonscherben und Ton⸗ (chen Gielleicht Perlen? waren auch in diesem Grabe in Menge anden, die Scherben gehörten einer größeren Anzahl von Ge⸗ einem dickwandigen Topf und Tassen mit und ohne einfache sierung an. Auch einige kleine Tierknochen und Feuersteinsplitter en sich vor. Mit Genehmigung des Kommerzienrats von Borsig da Skelett dem Märkischen Provinzialmuseum überwiesen und Ann der vorgeschichtlichen Abteilung in einem Glaskasten sstellt worden. In verschiedenen schwarzen Stellen fanden dann noch viele interessante Gegenstände, vor allem saches Stück Bronze (Bruchstüch;. 5 em lang, 3 em 9 mm dick, an einer Seite geschärft, an der anderen lich abgebrochen, mit glatten Flächen ohne jede Verzierung. sschadigt ans Licht gezogen ist davon nur ganz weniges. kerrinenförmige, stark ausgebauchte Urne, deren Inhalt 23. ,, 3 , 6 6 , Schachtel halms urchwachsen, eine konische Tasse, ein . aus sehr hartem, grauem Granit mit glatt geschliffener, ö tener Schneide. Unter den zahllosen Scherben sind außer bhertretenen Furchenverzierungen einige bemerkenswert, die durch 6 angebrachte Fingerspitzeneindrücke verziert sind. Alles und 5 erte Ornament beschränkt sich aber auf die schon angeführten . Furchengruppen. Es berührt schon als ein Fortschritt, 5 ichte Motiv an gewölbten Stücken einmal konzentrisch an— * 6. die Furchen sich gitterförmig kreuzend zu finden, 6 meisten Scherben sind ganz ö. Die Gesamtzahl 99 e win er, n schwarzen Erdstellen wird Rü Fer, auf 15 — geschatzt. . * ar ig der r Funde wird zunächst die Tatsache . daß sich auf demselben Grund und Boden hart nehen⸗ echt und anscheinend unter den gleichen äußeren Verhältnissen, nahezu gleichzeitig angelegt, Brandgräber neben Gräbern
Leichen unverbrannt beerdigt wurden. Daß Bestattungen von 6. in verschiedenen Hockerlagen in fast allen Ländern der Erde vorkommen, ist. be⸗ kannt, Welche Gründe für die Beisetzung in Hockerstellung ursprünglich maßgebend gewesen sind, ist strittig,. Andree glaubt, die Absicht fei gewesen, die Leiche in dieser Stellung stark zu fesseln, um die schäͤdliche Wiederkehr des Toten aus dem Grabe zu verhindern. Jedenfalls muß bei dem Hocker vom Reiherwerder eine äußerst starke Schnürung der Gliedmaßen erfolgt sein, sonst könnte er unmöglich die oben beschriebene Lage einnehmen. Daz Nebenein⸗ andervorkommen beider Beftattungsarten, übrigens im westlichen Teile der Provinz Brandenburg aus neolithischer Zeit auch an anderer Stelle beobachtet, bildet einen Fingerzeig für die Zeit, aus der die Funde vom Reiherwerder stammen, nämlich nach Maßgahe der 1 und des vereinzelten Bronzefunds zwar aus der Bronzezeit, aber aus der frühen Bronzezeit, alfo um 1600 1406 vor Chr., in der der Ueber⸗ gang zu der für die jüngere Bronzezeit kennzeichnenden Leichen⸗ derbrennung stattfand. Daß der Hocker im Grunde des Reiher⸗ werders sich so außerordentlich gut erhalten hat, während aus dem anderen Grabe außer den Schädeln nur ganz wenige Skeletteile erhalten sind, sst wohl Zufälligkeiten oder konfervierenden Eigenschaften des umgebenden Bodens zuzuschreihen, jedenfalls ist die gute Erhaltung sehr merk= würdig; denn auch in den Brandgräbern finden sich zuweilen so wenig Lnochenreste, daß sie genau als Brandgräber festzustellen schwierig ist. Die Mahlsteine aus hartem Granit und die rundlichen . stammen gleich dem Bronzefunde nicht aus den Gruben, sondern aus den oberen Schichten, dagegen ist das Steinbeil, das sich in einer Grube vorfand, als eine BVoötivgabe an den Toten anzusehen. Aehn⸗ siches findet sich in Gruben der Mark öfters. In Ermangelung von Metall und weiteren Beigaben sind die vorgefundenen keramischen Reste sehr wichtig zur Beurteilung der Zeit nicht minder als des Volkes, dem Gräber und Wohngruben angehört haben. Dem sogenannten Lausitzet Typus gehören diese Leistungen der Töpferei nicht an, so ähnlich ihm manche Formen sind. Dagegen gleichen sie den Gefäßen von Kesselberg bei Biesenthal und der im Dorfe Tegel gefundenen, im Märkischen Museum verwahrten, namentlich im Punkte der sehr einfachen Verzierungen. Als seine ,, welchem Volks⸗ stamme die Menschen . welche allem Anscheine nach im 16. bis 10. Jahrhundert vor mie,, später nicht mehr, da sich späteres nirgends findet, den Reiherwerder bewohnten, erklärte der Vortragende, daß sie der Bevölkerung angehörten, die nördlich von der Grenzlinie saß, deren genaue . noch aussteht, die während der Bronzezelt die nördlich der Linie wohnenden Germanen von den südlich derselben wohnenden Karpodaken schied. Ganz besonders wertvoll dünken dem Redner die aufgefundenen, drei Schädel; denn sie zählen zu den ganz wenigen und jedenfalls zu den ältesten Schädeln von Bewohnern unseres Landes, die wir aus jener entlegenen Zeit besitzen. t ö
Geheimrat Virchow hat, einer an ihn gerichteten Bitte ent⸗ sprechend, die beiden Schädel einer gründlichen Prüfung unterzogen, lehnte es in der Einleitung seines Berichts jedoch ab, sich über deren etwa hervortretende Rassenreinbeit oder Rassenmischung auszusprechen, Er hat die Schädel mehrfach photographiert, gemessen, ein Modell davon gefertigt und ist dabel zu dem Ergebnis gelangt, daß beide ein⸗ ander sehr ähnlich sind, daß sie als orthokephal, also als normal, anzusprechen sind, und Eigentümlichkeiten eigentlich nur in stark, ent⸗ wickelten Brauen⸗ und Wangenbeinwülsten vorliegen. Die Stirnen sind breit, aber wenig gewölbt. 3 .
Den zweiten Vortrag des Abends hielt der Professor Dr. Kupka⸗ Stendal über eine neue neolithische Kultur in der Alt⸗ mark, nämlich über im dortigen Kreise gemachte keramische und Brandgräberfunde, die zu beweisen scheinen, daß in der an Megalith⸗ gräbern reichen Altmark schon in der Uebergangsperiode von der Stein⸗ zeit zur Bronzezeit Leichenverbrennungen statt der bis dahin aus— schließlich geübten Beerdigung der unverbrannten, in die Hockerstellung gebrachten Teichen stattgefunden haben. t :
Den dritten, von vielen Lichtbildern begleiteten Vortrag hielt v Willy han g über Die Megalithen‘. Zum ersten
ale in der Geschichte erwähnt wurden die Megalithen im fünften Jahrhundert, als in Deutschland die Kirche sie als heidnischen Ur⸗ sprungs zu zerstören befahl und durch Gesetze aufs schärfste verboten wurde, sie zu verehren und Opfer an ihnen darzubringen. Ihren Willen in diesem Punkte ganz durchzusetzen, ist der Kirche nie ge⸗ sungen; denn allzu fest haftete im Volksgemüt die Vorstellung der Ehrwürdigkeit diefer Zeugen einer fernen Vergangenheit und jahrhundertelang wird ihnen auch eine. abergläubische Verehrung gewidmet worden sein. Klüger verfuhr deshalb die Kirche in Frankreich, als sie die Megalithen zu schonen und zu erhalten ge— stattete, sofern sie nur mit dem christlichen Kreuze versehen würden. Dieser nachsichtigen Haltung der Kirche in Frankreich ist es zuzu⸗ schreiben, daß uns in der als bigott bekannten Bretagne ein so großer Bestand von Megalithen erhalten geblieben ist. Zum ersten Male mit ihnen beschäftigt hat sich die Wissenschaft an der Wende des 12. und 13. Jahrhunderts; doch kam die derzeitige Forschung über die in großer Zahl in Schleswig und Jütland vorhandenen Megalithen nicht über die Feststellung hinaus, daß einst in Dänemark ein Riesenvolk . habe, das natürlich heidnisch gewesen sei. Als erster ernstlicher *
finden, in denen die
orscher ist 1643 der Däne Ole Worm an die Frage herangetreten; er sah in den Megalithen schätzenswerte, der Untersuchung würdige Altertümer; von eingehenden Untersuchungen aber hat sich merkwürdigerweise die Wissenschaft bis 1830 vollständig zurückgehalten. Dann waren es deutsche Forscher, wie Much in seiner Urheimat der Germanen, die bewiefen, daß es sich bei den Megalithen in der Hauptsache um Gräber handle, daß es jedoch auch große Anlagen gebe, die als Mittelpunkt des der vorchristlichen Weltanschauung entsprechenden Toten⸗ kultus betrachtet werden müssen, der nur scheinbar schwer mit dem Sonnenkultus zu vereinbaren sei, von dem wir wissen, daß er allgemein verbreitet war, Galt die Sonne doch als der Hauptsitz der Götter, und Leben und Sterben auf je zu bezlehen war die natürliche Folge dieser Anschauung. Der Vortragende führte nun in einer großen Zahl von Lichtbildern Megalühen aus alle Teilen unseres Weltteils vor, um an ihnen zu erläutern, welche Kennzeichen den als Graber zu. bezeichnenden eignen, wo sie nicht sinnfällig noch als Ganggräber, Hügelgräber und durch das Vorhandensein von Skelettresten nachzuweisen seien, und welche den Kultstätten. Das am meisten herbortretende Merkzeichen der letzteren ist, wo sie nicht wie die bretonischen Menhirs oder die fkaͤndinavischen „Bautasteine“ zur Verehrung aufgerichtet Monolithe sind, die auf einem oder mehreren Füßen ruhende Stein⸗ platte. Doch hat der Forscher sich, vor Täuschungen zu hüten, da manchmal so beschaffenen Dolmen, von dem sie ursprünglich bedeckenden Erdreich im Laufe, der Jahrtausende befreit worben sind, und andererseits große Grabanlagen von Haupt- lingen und Fürsten, wie die von Stonehenge in England, auch mit Kultstätten verbunden, z. B. nach Sonnenaufgang und Sonnen untergang orientiert waren. Der Vortragende ging dann auf ein sich naturgemäß anschließendes Thema über, dem er seit Jahren ein⸗ gehendes Studium gewidmet hat, auf die sogenannten Trojaburgen. n, nennt man in Bretagne gewisse Dolmenanlagen, die aus im Kreife oder in konzentrischen Kreise um einen größeren Block in der Mitte in gleichen Abständen voneinander gelegten kleineren Steinen bestehen. Dergleichen Anlagen finden t nicht nur in der Bretagne, sondern an vielen Stellen, namentli im europäischen Norden; und zwar sehr häufig in der von der einfachen Form des Kreises oder der an verschiedenen Seiten geöffneten kon⸗ zentrischen Kreise abweichenden Form der „Spirale“, deren Gängen rechts gehend folgend, man an den Mittelblock gelangt, während die umgekehrte Richtung hingusführt. Die ältesten, noch besonders gut erhaltenen Anlagen dieser Art befinden sich auf der Insel Wier im nördlichen Eismeer und auf Gothland in der Nähe von Wisby, letztere nach der Beschaffenheit der unverrückbar im Boden wurzelnden Steine als uralt erkennubav. Man hat Grund zur Annahme, 3 alle diese Anlagen engste Beziehung zum Sonnenkultus haben und daß im besonderen ihre Herstellung als Spirale hierfür den Beweis liefert und auf den hohen Norden als die Stätte des Ur—
sprungs dieser Art der Sonnenverehrung hinweist. Denn jenseits des nördlichen Polarkreises erscheint im Höochsommer die Bahn der nicht untergehenden Sonne als eine Spirale. Die Spirale stellte somit die Sonnenbahn vor, und es ist wieder bezeichnend für die Richtigkeit dieser Erklärung, daß wo in südlicheren Gegenden, wie in Wisby, die schräg zur Erde stehende Sonne nur Halbbogen oder doch nicht vollstaͤndige Kreise von Osten über Süden nach esten beschreibt, die Spirale Abänderung — in Wisby nachweisbar genau analog der Erscheinungsform des dortigen Sonnenlaufs — bis zur Darstellung als konzentrische, in bestimmter Art stellen⸗ weise geöffnete Kreise erfuhr. Offenbar ist diese Form des Sonnenkultus in sehr früher Zeit durch die Wanderung der norzischen Völker über ganz Europa verbreitet worden und hat um so mehr An⸗ klang gefunden, als wahrscheinlich in Anknüpfung an die Zeit des hefe Sonnenstandes Jugendspiele in Verbindung mit der Spirale, die in verschiedenen Richtungen zu durchlaufen war, damit verbunden wurden. Wer denkt heute wohl daran, daß das Spiel Himmel und öllen, das wir in jedem Frühjahr auf unseren Trottoirs spielen ehen, zu den urältesten Gebräuchen gehört und noch aus der Heiden⸗ zeit stammt? (Noch im letzten Sommer sah Schreiber dieses in Danzi dasselbe Spiel mit Hilfe einer auf den Asphalt eines Platzes mi Kreide gezeichneten Spirale ausführen.) Mit großer irn besteht noch heute in Schweden der Glaube, daß man mit Hilfe der Troja⸗ 6 6 wie diese Anlagen seit alter i, auf Grund der den Spielen in der römischen Welt gegebenen Namen „ludus Troja“ heißen, Wetter machen, in verschiedenem Belaufen des Ganges der Spirale die Sonne erscheinen lassen könne. Woher die Beziehung zu Troia, ist schleierhaft. Den Namen in bezug auf die entführte, gefangen ö und schließlich wieder befreite Sonnenfrau zu 6 armoniert nicht recht mit dem Schicksale der Heleng; aber eine Tat⸗ sache ist, daß sich auf einem uralten Krug von etruskischer Arbeit, der in Tragliatella gefunden worden ist, u. a4. der aufrecht stehende Grundriß einer Trojaburg befindet und daneben das in runenähnlicher Schrift eingeritzte Wort ‚Truia“. — Der Vortragende schloß seinen mit großer Aufmerksamkeit angehörten Vortrag, nachdem er in Licht⸗ bildern viele als Trojaburgen teils anzusprechende, teils an Ort und Stelle so bezeichnete Anlagen dieser Art vorgeführt hatte. Auch das berühmte kretensische Labyrinth soll eiue Trojaburg gewesen sein.
An den Vortrag schloß sich eine angeregte Aussprache. Zunächst erfreute der als seltener und geschätzter Gast anwesende Geheime Hofrat, Professor Dr. Baeltz aus Tokis durch die Mitteilung, daß sich auch in Korea und vor allem in Japan eine große Anzahl von Gang⸗ gräbern befinde, und daß etwa um dieselbe Zeit wie in Deutschland, nämlich ums Jahr 50d, die fernere Anlage und Benutzung solcher Gräber verboten worden sei. Dagegen gebe es nichts den als Kult—⸗ stätten benutzten Dolmen oder den Trojaburgen Verwandtes in Korea und Japan. Eine Veröffentlichung über diese Dinge pon Dr. Monroe stehe bevor, dieser wolle er durch weitere Mitteilungen nicht vorgreifen. Von Direktor, Professor Dr. Schuchardt wurden dann noch verschiedene, besonders interessante Mit⸗ teilungen gemacht. Es ist eine vielen Völkern des Altertums eigentümliche Vorstellung, sich ihre Götter auf hohen Bergen thronend zu denken. Geeignete Punkte machten die Griechen z. B. zum Thron der Hera und zum Thron des Pelops. Wo ein Volk der Berge im Laufe der Entwicklung seine Wohnsitze in der Ebene nahm, da baute es sich einen Berg in Form eines hohen Turmes. Der Turm von Babylon mag in dieser Weise entstanden sein, die Götterbilder aber ver⸗ wahrten sie in Tempeln am Fuße des Berges oder Turmes, der Sitz auf dem Berg oder Turm blieb der unsichtbaren Gottheit vorbehalten. Der hochragende Block oder Monolith in Dolmenanlagen, der Irminfsul unserer germanischen Vorfahren, die häufig ein hochragender Baumstamm war, entsprechen dieser Vorstellung. In diesem Sinne sind die Trojaburgen nicht eigentlich als Heiligtümer anzusprechen; denn es fehlt ihnen meistens der hochragende Mittel⸗ punkt. Die Unterscheidung der Megalithen in Grabstätten und Kult⸗ stätten ist sehr schwer genau zu treffen. Es gibt viele Fälle, in denen ein non liquet angebracht ist, so für die Anlage zwischen Lehe und Laupe. Häufig sind die Stätten als Steinbrüche benutzt und dann von den Gemeinden, die Unheil fürchteten, wieder notdürftig her⸗ 6 worden. Mutelius trifft das Richtige, wenn er sagt, daß Megalithgräber zum Teil auf, zum Teil in Hügeln stehen. Stonehenge hält der Redner nur für ein im Laufe der Zeit von Erde entblößtes Massengrab, nicht für eine Kultstätte. Herr Baeltz machte hierzu noch die Be⸗ merkung: was der Vorredner vom babylonischen Turm gesagt, habe gleiche Geltung auch für Indo⸗China, und Herr Mielke glaubte darauf aufmerksam machen zu müͤssen, daß wir ähnliche „Göttersitze“ wie der Thron des Pelops, von den gleichen uralten Vorstellungen getragen, auch in deutschen Gebirgen hesitzen, z. B. bei Dürkheim in der Pfalz. Schließlich beklagte es der Vorsitzende, daß Chaussee⸗ und Eisenbahn⸗ bauten in Schleswig ungeheuer unter den Megalithen dieser Provinz aufgeräumt hätten. Die bei dem Landvolk nicht mehr wie früher ben. fromme Scheu vor den Megalithgräbern hat seinerzeit viel zu deren Erhaltung beigetragen, ihr Schwinden ist ihrer allmählichen Zerstörung förderlich.
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Durch seinen Ausschuß für Architektur veranstaltet der Verein für Deutfches Kunstgewerbe in Berlin eine Ausstellung von Glasmalereien und Glasmosaiken im Hause A. Wertheim in Berlin. Anmeldung bis 25. Mai an den Vorsitzenden des Ausschusses, Architekten Karl Richard Henker, Charlottenburg, Windscheidstraße 16. Die Ausstellung wird voraussichtlich vom 10. bis 30. Juni währen.
Literatur.
Das Lehrbuch der Zoologie für höhere Lehranstalten und die Hand des Lehrers sowie für alle Freunde der Natur von Professor Dr. Otto Schmeil liegt in 25. durchgesehener und er⸗ gänzter Auflage vor. (Verlag von Quelle und Meyer in Leipzig; geb. 5,40, bejw. 7 1.) Wenn von einem Buch innerhalb eines Jahr⸗ zehnts 25 Auflagen nötig werden, so spricht das allein schon für seine große Brauchbarkeit. Ber Verfasser des vorliegenden Werkes ist einer der ersten gewesen, der die Mängel des einseitigen Beschreibens und des trockenen Klaffifizierens im naturkundlichen Unterricht erkannte und zur Abhilfe den Vorschlag machte, an Stelle dieses veralteten, rein defkriptiven Unterrichts eine Betrachtungsweise treten zu lassen, die das Teben in der Natur und die in ihr liegende Kausalität gebührend und. folgerichtig berücksichtige. Diese Forderung nach einer biologischen Ausgestaltung des naturwissenschaft⸗ lichen Schulunterrichts wußte er dann auch praktisch in dem vorliegenden Buch trefflich zu erfüllen. Die in rascher Folge erscheinenden Neuauflagen brachten eine Fortführung und einen zeit⸗ gemäßen Ausbau ihrer Vorgänger. Als Grundsatz galt dabei stets, daß bei der Deutung biologischer Momente die größte Vorsicht ge⸗ boten sei und ih, bei der Auswahl des Unterrichtsstoffes in erster Linie der geistige Standpunkt des zu Unterrichtenden maßgebend sein müsse. Die Strömungen auf dem Gebiete der biologischen Forschung wurben von dem Verfasser wohl verfolgt, in dem Lehrbuch aber fanden nur erwiefene Tatfachen oder allgemein anerkannte Hypothesen Auf⸗ nahme, alles Strittige wurde mit Recht im Hinblick auf den besonderen Zweck des Buches unberücksichtigt gelassen. In der vorliegenden Auflage find in allen Teilen Korrekturen vorgenommen, völlig neu bearbeitet wurden die Abschnitte über Affen, Halbaffen und Raubtiere sowie die über Biber und das Walroß unter weitgehender Be⸗ rücksichtigung der Morphologie. Ganz besonders verdient das reich⸗ haltige AÄbbildungsmgterial hervorgehoben zu werden. Es ist in jeder Hinsicht vorzüglich; sehr dankenswert ist es namentlich, daß neben den charakteristischen Abbildungen der ganzen Tiere in ihrer natürlichen Umgebung, auch gute Einzeldarstellungen der für die betreffenden Gattungen besonders eigentümlichen Gliedmaßen beigefügt wurden. Möge die „Jubiläumsausgabe“ den zahlreichen Lesern des Buches viele neue zuführen.