1910 / 123 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 28 May 1910 18:00:01 GMT) scan diff

und die Universitäten beziehen. Es ist auch keine Frage, ß die Existenz der humanistischen Gymnasien dazu beiträgt, dle Zahl der Studenten zu vermehren. Die Frage einer Univerfität Frankfurt kann jedenfalls erst entschieden werden, wenn bestimmte Anträge an den Kultusminister vorliegen. . Herr Kirschner: Der Stadt Berlin wird im Gegensatz zu Frankfurt der Vorwurf gemacht, daß sie zu wenig für Bildungs⸗ zwecke tue; diesem Vorwurf muß ich entschieden entgegentreten. Ich glaube, daß die Herren, die diesen Vorwurf erhoben haben, nicht inrelchend informiert sind. Das ist geschehen zu einer Zeit, in der wir die Erbffnung des Botanischen . in' Dahlem erlebt haben. Die Verlegung dieses Museumß nach Dahlem hat die Wirkung gehabt, 23. bie Stadt für einen Park, der seit undenklichen . zu ihr gehörte, dem iskus 2 Millionen hat zahlen müssen. u derselben Zeit, in der der taat damit umgeht, Bibliothekenleih⸗ n einzuführen, unterhält die Stadt Berlin 28 öffentliche sbliotheken und 14 Lesehallen unentgeltlich und gibt für diesen Ri ö0 000 aus. In anderen Ländern würde man den Haupt⸗ kädten nicht solche Vorwürfe machen, wie wir sie heute gegenüber

Berlin gehört haben. . Herr Körte⸗ Königsberg: Es ist zu wünschen, daß den roblnzialmufeen stärkere Mittel zur Verfügung gestellt werden als i Namentlich der Ssten ist in Sachen der Kunst vernach⸗ Die Gemeinden haben für Mufeumsbauten sehr erhebliche Verfügung gestellt, da sollte auch der Staat mit seinen Die Kunstakademie in Königsberg müßte mehr 3 den Finanzminister, die östlichen Inter⸗

igen.

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** Tramm: E

der Berliner Musee

für die Provinzen leistet

worden, daß die Stadt B

schüsse machen. In der Kommission

man größere Summen den Provinzialmu

Gegensatz zu Herrn Kirschner glaube ich, wir sollten das Vor⸗ bils anderer Staaten nicht befolgen, sondern uns freuen, daß wir eine ganz andere Entwicklung genommen haben, als die Haupt⸗ städte Frankreichs und Ungarns, Ich will nicht untersuchen, wie der Staat sich mit Berlin und anderen Städten auseinandersetzen sollte, aber zweifellos dürfen diese Summen nicht allein nach Berlin fließen. Das Hinausschicken von Kunftfammlungen in die Provinzen, das der Ninifter in Äussicht gestellt hat, würde seinen Zweck nicht erfüllen, denn es würde sich nicht um bedeutende Kunstwerke handeln, sondern um solche, die Berlin entbehren kann. Ich bitte den Minister, die provinziellen Museen mehr mit Staatsmitteln zu berücksichtigen.

Damit schließt die Generaldiskussion über den Kultusetat.

Der Referent wendet sich gegen die Ausführungen des Ober⸗ bürgermeisters Kirschner; Berlin ppfere alles in allem für Kunst⸗ zwecke eine halbe Million; das genüge nicht, Lesehallen und Volks⸗ bibliotheken hätten andere Städte auch, z. B. Breslau, ebenso auch Reprãfentationsausgaben wie Berlin.

In der Spezialdebatte und zwar bei den Be soldungen für das Ministerium, dankt

Herr Dr. Rißmüller Osnabrück für den Erlaß vom 3. Februar, betreffend die. Neuordnung des Mittelschulwesens. Sehr erfreulich sei namentlich die Bewegungsfreiheit, die man den FRemmunen hierber eingeräumt habe. Für die Mittelschulen sei ein Reformplan erlassen worden, den er für einen sehr glücklichen Griff halte. Aber auch die Lehrpläne der höheren Lehranstalten bedürfen einer Reform. Zu einer durchgreifenden Reform habe sich die Unterrichts verwaltung bisher leider nicht alen man sage, mit unseren höheren Schulen dürfe man nichts überstürzen und nicht experimentieren. Diese Ruhe dürfe aber nicht dahin führen, daß sie einer Stagnation gleichkomme. Die letzte Reform stamme aus dem Jahre 1890. Seitdem habe man doch Erfahrungen gesammelt, und man werde sich sagen können, welche Angriffe ungerecht seien, und welchen Anregungen man folgen müffe! Das wirtschaftliche Leben müsse auch auf unsere höheren Lehranstalten einen Einfluß Faben. Vielleicht berufe man wie 1890 eine Konferenz ein, um zu prüfen, was von den Erfahrungen auf diesem Gebiete acceptabel ist und was nicht. Was noch einmal die Mittelschule betreffe, so möchte er, der Redner, darauf hinweisen, daß in den Lehrplänen der Mittel- schule viel enthalten sei wat auch bei den höheren Schulen angewandt werden könnte, nämlich die Rücksichtnahme auf den späteren Beruf des Schülers. Der Ministerialerlaß über die Mittelschulen lasse auch die Koedukation zu. Zu warnen sei davor, daß den Mittelschulen die Berechtigung zur Ausstellung des Einjaãhrig⸗ Freiwilligen⸗Zeugnisses gewährt werde; damit würde ein neues Gebieh für die Jagd nach Fem Schein eröffnet. Wie stehe es mit der, Subvention der Städte nach Einführung der Lehrpläne für die Mittelschulen? Hoffentlich falle diese Subvention möglichst reichlich aus.

Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ angelegenheiten von Trott zu Solz:

Dem Herrn Vorredner kann ich eigentlich nur außerordentlich dankbar sein für das, was ei über die neuen Lehrpläne der Mittel⸗ schulen gesagt hat. Er hat in der Tat das Ziel, das die Unterrichts⸗ verwaltung mit der Herausgabe dieser neuen Lehrpläne verfolgt, richtig erkannt und richtig gekennzeichnet. Ich hoffe, daß mit diesen reformierten Schulen einem Bedürfnis in unserer Bevölkerung Genüge geschehen wird, nämlich dem Bedürfnis gewisser Kreise unserer Bevölkerung nach einer höheren Bildung für ihre Kinder, als sie die Volksschule nach ihrer ganzen Konstruktion zu vermitteln vermag, und doch nicht einer solchen Bildung, wie sie das Ziel der höheren Schulen ist. Ich hoffe auch, daß, wenn diese Schulen zur Blüte gelangen, dann dem übertriebenen Ansturm auf die höheren Schulen von Schülern, die besser eine andere Schule besuchten, bis zu einem gewissen Grade wenigstens Abbruch getan wird. Ich glaube, daß damit ein allgemeiner Nutzen gestiftet wird. Wenn ich so der Beurteilung, die der Herr Vorredner dem Mittelschulwesen hat angedeihen lassen, im ganzen zustimmen kann, so ist es doch nicht der Fall in allen den Einzelheiten, die er hier mit Bezug auf diese Schulen ausgeführt hat. Ich möchte namentlich be⸗ tonen, daß wir zurzeit eben erst mit der Ausführung dieser Maß⸗ regel begonnen haben und daß es doch vielleicht auch auf diesem Ge⸗ biete angezeigt sein dürfte, zunächst noch eine Zeitlang zu warten, ehe mit weiteren Vorschlägen zur Verbesserung und zur Abänderung hervor⸗ getreten wird. Auch die Folgerungen, die der Herr Vorredner aus den Lehrplänen der Mittelschulen im Hinblick auf unsere höheren Lehr⸗ anstalten gezogen hat, kann ich nicht teilen. Er hat ausgeführt, daß auf den höheren Knabenschulen sich jetzt eine gewisse Stagnation be⸗ merkbar mache und daß es an der Zeit sei, ebenso wie bei den anderen Schulkategorien, auch dort die reformierrnde Hand anzulegen und neue Lehrpläne aufzustellen. Da muß ich daran erinnern, daß die Auf⸗ stellung von neuen Lehrplänen für unsere höheren Knabenschulen keineswegs so weit zurückliegt, wie der Herr Vorredner anzunehmen schien. Die neuen Lehrpläne für diese Schulen sind erst im Jahre 1901 in Kraft getreten, und neun Jahre sind für eine Ent⸗ wicklung auf diesem Gebiete doch nur eine kurze Zeit. Es ist auch auf dem Gebiete der höheren Schulen keineswegs völlige

und Medizinal⸗

die Lehrpläne von 1901 zur Ausführung zu bringen, sondern es herrscht überall rühriges Leben. Wohl keine Institution unseres Staates und unserer Kommunen wird derartig vom allgemeinen Interesse getragen wie unsere Schulen. Das muß so sein, das ist erfreulich. Aber das hat auch die Wirkung, daß immer wieder von neuem Reformvorschläge, Reformpläne hervortreten; die öffentliche Diskussion beschäftigt sich damit, die Presse beschäftigt sich damit, und es vergeht keine Woche, in der nicht ein neuer Vorschlag für eine Verbesserung unserer höheren Schulen an die Unterrichts verwaltung in irgend einer Form herantritt. Ich sage: das ist an sich durchaus kein Schaden. Aber Sie werden mir doch Recht geben, daß solchen Vorschlägen gegenüber der Unterrichtsminister allen Grund hat, sich mit gebührender Zurückhaltung zu verhalten. Es ist in der Tat unmöglich, unsere Schulen zu Experimenten zu benutzen. Wir müssen solche Vor⸗ schläge, solche Pläne erst ausreifen lassen, ehe wir sie in die Praxis um⸗ setzen können. Ich kann Sie aber versichern, daß die öffentliche Diskussion über unsere Schulen und ihre Lehrpläne von der Unterrichts verwaltung mit Aufmerksamkeit verfolgt wird und daß sie diejenigen Konsequenzen schließlich auch ziehen wird, die sich aus dieser Beobachtung für sie ergeben. Aber es bedarf reiflicher, ruhiger Ueberlegung und allmäh⸗ licher, folgerichtiger Entwicklung unserer Schulen, nicht sprungartigen Vorgehens nach liebhaberischen Vorschlägen, die von dieser oder jener Seite kommen.

Was die Einzelheiten anlangt, die von dem Herrn Vorredner über die Mittelschulen noch hervorgehoben worden sind, so möchte ich zunächst auf den Punkt eingehen, den er zuletzt erwähnte: das ist die Besoldung der Lehrer an den Mittelschulen, die ja natürlich auch für das Gedeihen dieser Schulen von Bedeutung ist. Auch auf diesem Gebiete sind wir in der Ausführung begriffen, und die Bestimmung, welche früher schon bestand, und dahin ging, daß die Mittelschullehrer um eine bestimmte Summe höher im Gehalt zu besolden seien als die Volksschullehrer, ist von neuem erlassen worden und wird auch ferner gehandhabt. Außerdem haben wir ja, wie Sie wissen, ein Gesetz erhalten, welches den Gemeinden er⸗ möglicht, sich bezüglich der Mittelschullehrer an die Alterszulage⸗ kassen anzuschließen. Auch das, hoffe ich, wird von gutem Einfluß sein. Im übrigen aber ist es nicht so bedenklich, die Frage der Be⸗ soldung der Mittelschullehrer im Wege der Gesetzgebung zu regeln. Ich glaube, daß man sich dem Gedanken doch mit großer Vorsicht gegenüberstellen muß. (Sehr richtig h Der Begriff der Mittelschule ist durchaus kein fester wir haben alle möglichen Arten von mittleren Schulen und wenn man die Verpflichtung, den Mittel⸗ schullehrern eine bestimmte Besoldung zu geben, ebenso wie es bei den Volksschullehrern ist, lediglich für die Mittelschulen im Sinne meiner neuen Verordnung aut sprechen wollte, so fürchte ich, daß dies unter Umständen einen nachteiligen Einfluß auf das Entstehen solcher Schulen hätte. Jedenfalls, glaube ich, ist es richtig, auf diesem Ge⸗ biet erst einmal abzuwarten und die Dinge sich entwickeln zu lassen. Ich denke, daß wir auf dem Verwaltungswege doch dasjenige finden können, was in bezug auf die Lehrerbesoldung für die Mittelschule notwendig und nützlich sein wird.

Wenn der Herr Vorredner sodann zu der Ansicht gekommen ist, daß die Bestimmung, welche nach den Lehrplänen für die Mittel⸗ schulen unter gewissen Voraussetzungen die gemeinsame Unterrichtung von Knaben und Mädchen zuläßt, einen Widerspruch bedeute mit der Stellung, welche ich gegenüber der gleichzeitigen Erziehung in unseren höheren. Lehranstalten eingenommen hätte, so kann ich das für zu⸗ treffend nicht anerkennen. Ich glaube, da muß man doch ganz wesent⸗ lich den Unterschied berücksichtigen, der eben zwischen unseren höheren Lehranstalten und den Mittelschulen ihrer ganzen Konstruktion, ihrer Entwicklung und ihrem Zwecke nach besteht, und dann vor allem auch demi Umstande Rechnung tragen, daß der Besuch der Mittelschulen bei Kindern in einem Alter von 15 Jahren abschließt. Was dort nachgegeben worden ist für die Mittelschulen, halte ich unter den Vo raussetzungen, unter denen die Mittelschule existiert, für unbedenk⸗ lich, während ich umgekehrt der Ansicht bin, daß wir den richtigen Weg beschritten haben, wenn wir uns bei dem Erlaß der Bestimmungen für die höheren Mädchenschulen auf den Standpunkt gestellt haben, daß es besser ist, wenn man den Mädchen eine höhrere Bildung geben will, dies in besonderen, der Individualität der Mädchen angepaßten Anstalten zu tun, als ihnen einfach die Knabenschulen zu öffnen. Mit diesen Auffassungen hat sich auch im vorigen Jahre dieses hohe Haus einverstanden erklärt, und wenn jetzt daran in der Praxis der Ver⸗ waltung festgehalten wird, so ist damit nur die Konsequenz von den Beschluͤssen gezogen, die im vorigen Jahre gefaßt worden sind.

Im übrigen hoffe ich, daß die Mittelschulen die Unterstützung der Städte finden, daß viele Städte sich entschließen, soweit sie nicht schon Mittelschulen haben, solche zu begründen, und daß dazu die neuen Lehrpläne den Anstoß und die Anregung geben werden. Ich bin gern bereit, auch pekuniär derartige Unternehmungen zu unter⸗ stützen, wozu ich ja durch die im Etat vorgesehenen Summen in den Stand gesetzt bin. Es ist die für derartige Zwecke bereitgestellte Summe, wie Sie aus dem Etat entnommen haben, um 200 000 erhöht worden, sodaß ich im ganzen 400 000 4M zur Verfügung habe. Sollte es notwendig sein und die Entwicklung sich so erfreulich gestalten, wie ich es hoffe, so würde ich daraus gern den Anlaß nehmen, an den Herrn Finanzminister mit der Bitte heranzutreten, mich noch weiter für dieses Gebiet mit Mitteln auszustatten; und ich kann sagen, daß mir die Förderung des Mittelschulwesens mit den Zwecken, wie sie gekennzeichnet worden sind, warm am Herzen liegt, weil ich glaube, daß damit einem vorhandenen Bedürfnis Rechnung getragen wird, was gute Früchte nach vielen Seiten hin bringen kann. (Leb⸗ haftes Bravo!)

Herr Dr. Borche rs⸗Aachen: Der Ministerpräsident hat bei seiner Einführungsrede für das Wahlreformgesetz im anderen Hause das Wort gesprochen, daß wir uns kulturell in einem Zustande der Stagnation befinden. Als Mitglied der evangelischen Landeskirche stehe auch ich auf dem Standpunkte, daß dem Volke die Religion erhalten werden soll; aber die Vorbildung der Geistlichen muß sich meiner Meinung nach dem Grade des Erkennens und Wissens, wie ihn die heutige Zeit erreicht hat, mehr anpassen, als es bisher ge⸗ schehen ist. Aus allen christlichen Lagern werden Stimmen laut, welche nach dieser Richtun gehen; aber auch im katholischen Lager sind dem Modernismus? Bor feier entstanden. Die alten Methoden sind, wie einer derselben ausführt, dem heutigen Bedürfnis des Volkes in bezug auf eg ler erlich Behandlung nicht mehr gewachsen. Auch die sich mehrenden Austritte aus der Landeskirche gehören in dieses Kapstel. Die Intoleranz der Geistlichkeit, das geflissent⸗ liche Identifizieren von Religion und Klerus ist vom Uebel. Das Erziehungs⸗ und Prüfungsfystem für die angehenden Geistlichen

Ruhe eingetreten. Man begnügt sich hier keineswegs damit, einfach

ist außerordentlich reformbedürftig. (Der Redner wird vom

. ersucht, nrglth wenig vorzulesen, und auf die rwiderung, daß er mehrere Sätze zitieren müsse. bemerkt der . Ident: Dann hätten Sie die Zitate vorher auswendig ernen müffen) Die klerikalen Herrschgelüste müssen, wenn ncht durchgreifend reformiert wird, mit, dem völligen Unterliegen dez Laienkums enden. Das Volk ist nicht für den Klerus, sondern der Klerus ift für das Volk da. . muß mit fester Hand zugegriffen werden. Die evangelische Orthodorie wird sich bedenken müßen wohin sie mit ihren Anklagen gegen „Irrlehrer“ wie Traub, Fischer Jacob hinsteuert. ĩ

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten von Trott zu Solz:

Ich habe nicht die Absicht, auf die soeben gehörten Ausführungen näher einzugehen, insbesondere auch nicht die Absicht, über die von dem Herrn Vorredner geäußerten Ansichten über Christentum und Religion, die von den meinigen sich sehr erheblich unterscheiden, hier in eine Erörterung einzutreten; aber ich muß doch meinem Bedauem darüber Ausdruck geben, daß hier von der Tribüne herab vor diesem interkonfessionellen Hause derartige Angriffe und Beschuldigungen gegen unsere evangelischen Landeskirchen erhoben worden sind. (Bravo) Meine Herren, ich muß das um so mehr tun weil die Angriffe, die hier erhoben worden sind, nicht die eng Begründung erfahren, die man verlangen muß, wenn solhe Angriffe erhoben werden. (Sehr richtig) Es sind allgemeine An⸗ schuldigungen gegen unsere Geistlichen erhoben; es ist behauptet worden, daß unsere Geistlichen nicht die gehörige Vorbildung erhalten hätten. Worin aber der Mangel der Vorbildung bestehen soll, das ist nicht ausgeführt worden. Im Gegenteil haben die Ausführungen gejeigt, daß der Herr Vorredner über manche der einschlägigen Bestimmungen überhaupt garnicht informiert war. Wenn man aber so weit geht, daß man schließlich zu dem Satz kommt, daß niemand dem Christen, tum ferner stehe als unsere Geistlichen', dann hat man doch wahr, haftig die Verpflichtung, eine derartige ungeheuerliche Anschuldigum gegen unsere Geistlichen eingehend zu begründen. Das hat der Hen Vorredner nicht getan, und er muß es mir schon verzeihen, wenn ich uicht umhin kann, das hier auszusprechen und der Ansicht Ausdruck zu geben, daß wenn er wirklich etwas Gutes mit seinen Ausführungen hätte erreichen wollen, er das auf eine andere Weise besser getan hätte. (Lebhaftes Bravo)

Herr von Wedel ⸗Piesdorf: . die Synoden den Er— wartungen der Liberalen, wie es der vor etzte Redner ist (Wider spruch des Herrn Dr. Borchers), nicht entsprẽchen, ist begreiflich. Die Synoden sind Vertretungskörper der Kirche; es gibt keine anderen und man tut wohl besser, fich an sie zu halten, als an das, waz irgend ein Lehrer eines naturwissen schaftlichen Instituts sagt, der noch dazu gar nicht informiert ist. Es ist geradezu unerhört, zu behaupten, da? Irrlehregesetz wäre nur dazu angetan, Denunzianten zu züchten. Wenn der Redner gesagt hat, das Hfarrerkbe old ung g mache dat Gemeindewahlrecht illusorisch, so kennt er dieses Gesetz nicht. Der Oberkirchenrat hat die Veipflichtung, eine größere Anzahl Geistlicher, im Jahre 80 bis 90, auf Pfarrftellen unterzubringen, Militãärgeistliche, Marinegeistliche ufw. Die Zahl der Stellen, uͤher die er verfügt, genügt aber nicht, um sie zu versorgen. Das Gesetz verfolgt mi den Zweck, die Stellen, über die der Oberkirchenrat zu verfügen hat, in etwas zu dermehren. Er hat die Befugnis, alternierend mit den Gemeinden die Besetzung vorzunehmen, und da tritt der Vor⸗ redner auf und sagt, dieses Gesetz mache das Gemeindewahlrecht illusorisch. Er hat dann weiter gesagt, der Hauptzweck der evan— gelischen Kirche gehe dann dahin, den Staat der Kirche unter= zuordnen, während es Aufgabe der Kirche wäre, für das Gemeinwohl zu arbeiten. Nun, ich behaupte und erwarte den Gegenbeweis, daß unsere evangelische Kirche sich nach Kräften bemüht, für daß Gemeinwohl tätig zu sein. Wenn sie nicht alles leistet, wa man von ihr wünscht, so liegt das an der Schwäche ger menschlichen Natur. 1 das Triennium zu kurz ist, ist eine An sicht, die die evangelische Kirche in vollem Maße teilt. Der Grund liegt darin, daß diejenigen, die sich dem theologischen Studium wibkmen, nicht die Mittel haben, sich einem längeren Studium widmen zu können, Schließlich hat der Vorredner gesagt, der Wahlspruch wäre: Mit Foött für Klerus und Kirche! Wir stehen fest auf dem Standpunkt: Mit Gott für König und Vaterland. Das haben wir jederzeit betätigt, und wir werden uns durch In⸗

Vorredner vorgebracht hat, nicht beirren

sinuationen, wie sie der lassen. . . Herr Dr. Rive-Halle: Der Minister hat bestritten, daz in dem höheren Schulwesen eine Stagnation herrscht, und be⸗ tont, daß eine sprunghafte Entwicklung nicht das Richtige i Ich meine, eine etwas beschleunigte Entwicklung entspräche da melt dem Zeitgeist. Der Unterricht wird heute im wesentlichen auf de höheren Schulen nech genau so erteilt, wie vor 20. 39 Jahren. MR großen ganzen besteht noch das System der Klosterschulen. der Terlia werden Tenophon und Fäsar gelesen. Was verstehen Jungen von 13, 14 Jahren vom Brückenbau usw.! Cäsars Bellun Zallicum wird in seinen ersten drei Büchern vollständig gelesen Hunderte und Taufende von Vokabeln über Gegenstände, für welche d Schüler gar kein Verstandnis hahen, müssen stumpfsinnig auswend! gelernt werden. Von Tenophon sagt der Lehrer, seine Sprah fei so süß, wie der Honig der attischen Bienen, das. bie Jungen trösten. Und nun gar erst die Lektüre des Horn An der Hand des Lehrers erfahren heutzutage unfere jungen Lan eine Menge von Dingen, die sie in 6 Alter lieber m Ich meine hier das sexuelle Gebiet. Ware nicht viel besser, eine Uuswahl der griechischen und lateinischa Schriftsteller zusammenzustellen? So könnte z. B. neben Hen auch Catull, Tibull und Properz aufgenommen werden. M Geschichtsunterricht haben wir gelernt, wann die Schlacht bi CGannge stattfand und dergleichen, aber über die inneren Zusamme hänge nichts, z. B. auch nicht, vie sich die Weltgeschichle get hätte, wenn Hannibal gesiegt hätte. Erfreulich ist, daß. in g obersten Klassen die Bürgerkunde als Unterrichtsgegenstand eingefibt ist; es war auch die höchste Zit. Man sollte aber nicht so w gehen, für einen Aufsatz zum Abiturtentencxamen das Thema stellen: Steuerzahlen ist notwendiger als Brotessen. Regierung kommissar. Geheimer Oberre ierungsrat. Dr. Renn hardt: Der Vorredner hat Grundsãtze me rochen, die bereit befolgt werden. Cäsar ist ein altes Indentarstück der Gymnasien, 4 gibt unter diesen kaum eines, wo der Cafar fo träktiert wirt, be ker Vorredner es geschildert hat. Die üinterricht e gerwah ,. ihm für nähere Angaben dankhar, damit 6 solchen Mißstin steuern kann. Alle unsere Klaffiker, griechische sowi latein n werden nur mit Auswahl gelesen. Cäsar hat eine einfa weise, die dem Verständnis des Tertianers entspricht. keinen Jugendschriftsteller aus der lateinischen Lit müssen uns an diejenigen halten, die am passendsten git. Stufe sind. Es kommen da in erster Linie die Kriegsgesch 4 in Betracht. Es sind diese ungefähr dasfelbe, wie wenn i, Afrikareisender seine Erlebnisse der Jugend erzählt. Die hora Oden, die der Vorredner andeutete, werden nicht mehr auf pr Gymnagsien gelesen. Wenn es auch vorkommen kann, einem Lehrer an Takt mangelt, so ist es doch notwendig, Schüler einen Schriftsteller wie Horaz kennen lernen, 4 fein seine Worte zu setzen versteht, daß er in jedem Augen g wo er spricht, das Rechte zu treffen weiß. Er ist dazu gelen rbiltlick. und das ist eben das Klassische. Hora hat in. eine folche Fülle von edler Lebensweisheit ausgesprachen es schade wäre, wenn die Schüler damit nicht bekanntgemacht vi

erfahren sollten.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

maßen gerecht wird; man

zum Deutschen

Mn 123.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Vir haben auch Zusammenstellungen, bon edlen Früchten, Anthologien aus der griechischen und römischen Literatur, aus Catull, Tibull und hroperz, aber den Schülern nur Chrestomathien, nur Sammlungen aus derschiedenen Werken, nie ein ganzes Werk in die Hand zu geben, ann man nichl empfehlen. Wir wollen den Schülern die Möͤ lich⸗ leit geben, ein solches Werk in seinem ganzen Zusammenhang zu ir ben. In der Geschichte sollen den Schülern die Probleme, die hervortraten, klargelegt werden und ihnen daran eilt werden, wie nenschliches Wesen und menschlicher Geist auf die Welt wirkt, und pie diese sich dadurch gestaltet hat.

Damit schließt die Debatte über das Kapitel Besoldungen.

Herr Dr. Borchers⸗Aachen stellt zur tatsächlichen Berichti⸗ gung fest, daß er die ihm vom Kultusminister in den Mund gelegten Worte nicht gesprochen hat.

Nach 61/9 Uhr wird die Fortsetzung der Etatsberatung auf Sonnabend, 1 Uhr, vertagt.

Haus der Abgeordneten. 72. Sitzung vom A. Mai 1910, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht die Beratung des vom Hherrenhause in abgeänderter Fassung zurückgelangten Gesetz⸗ entwurfs zur Abänderung der Vorschriften über die Wahlen zum Hause der Abgeordneten.

Der Präsident von Kröcher eröffnet die Generaldiskussion und erteilt das Wort zunächst dem

Präsidenten des Staatsministeriums, Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg:

Meine Herren! Es mag auffallend erscheinen, daß ich zu einigen wichtigeren der dem hohen Hause vorliegenden Anträge das Wort er⸗ greife, bevor die Herren Redner der Fraktionen die Gelegenheit gehabt haben, diese Anträge zu begründen. Nachdem indessen die Materie

dieser Anträge hier im Abgeordnetenhause und im Herrenhause wieder⸗ holt eingehend behandelt worden ist, möchte ich glauben, daß es einem Wunsch der Parteien entspricht, wenn ich die Stellung der Königlichen Staatsregierung zu diesen Anträgen ganz kurz prãzisiere.

Was zunächst den Antrag Nr. 403 des Freiherrn von Richthofen betrifft, der die Drittelung in den Wahlbezirken behandelt, so hat die Königliche Staatsregierung die darin vorgeschlagene Lösung bereits in den Verhandlungen des Herrenhauses als nicht genügend bezeichnet. Dabei bleibt die Königliche Staatsregierung stehen. (Bravo! links.)

In der Folge gilt dasselbe natürlich auch gegenüber dem An⸗ trage des Herrn Dr. Porsch auf Wiederherstellung der Beschlüsse des Abgeordnetenhauses in allen ihren Einzelheiten. Ich glaube, mich einer näheren Ausführung hierüber enthalten zu können.

Zu dem Vorschlage, die direkte und geheime Wahl gleichzeitig einzuführen, den der nationalliberale Antrag Nr. 406 wieder bringt, habe ich mich bereits am 16. März in diesem hohen Hause ablehnend geäußert.

Meine Herren, die Königliche Staatsregierung kann die Stellung, die sie zu diesen Fragen eingenommen und namentlich auch im Herrenhause mit Nachdruck vertreten hat, nicht verlassen. Wenn daher eine Mehrheit dieses Hauses außerstande sein sollte, die Herrenhausbeschlüsse zur Grundlage ihrer Entscheidungen zu machen, so sehe ich allerdings keine Aussicht, mit der Vorlage zu einem positiven Ergebnis zu gelangen. (Hört, hört! rechts und im Zentrum. Abg. Hoffmann: Hinein in die Wolfsschlucht!)

Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasga (kons): Ich will die Stellungnahme meiner Freunde zu den . kund⸗ eben. Meine Freunde sind nicht in der Lage, für den Antrag des Zentrums, die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses durchweg wieder berzustellen, zu stimmen; denn das würde in keiner Weise den Wunschen entgegenkommen, die im Herrenhause ausgesprochen sind. Wir werden alfo gegen diesen Antrag stimmen, ebenso gegen die An⸗ träge der Ie alf 6e alen! Alle diefe Anträge haben ans wiederholt beschãftigt; alle die Anträge betreffs der direkten Wahl der Maximierung, der lfte ung der Wählerzahl in den einzelnen Abteilungen sowie auch die Resolution betreffs Vermehrung der Zahl der Abgeordneten haben namens meiner Freunde bereits ihre Würdigung gefunden, unser Standpunkt hat sich absolut nicht geändert, wir werden deshalb auch heute gegen diefe Anträge stimmen. Unsere eigenen Unträge find durchweg bon der Absicht geleitet, den Wünschen det Herrenhauses entgegenzukommen. Diese Anträge beziehen sich auf die Drittelung in den Urwahlbezirken bezw. Gemeinden, auf Aenderung der Maximierung ufw. Die Frage der Dirittelung hat die höchste Bedeutung bekommen, und der Ministerprãäsident erklärt jetzt, daß, falls die Beschlußfassung des Herrenhauses hier nicht eine Mehrheit findet, er dieses Gesetz dat habe ich aus seinen Worten entnehmen können als unannehmbar bezeichnen müsse. Das Herrenhaus hat eine vollständig neue Organisation für die Drittelung eingeführt. Meine Freunde bedauern, diesem Beschlusse des an m, nicht zustimmen zu können weil dieser Beschluß die Rücksicht auf die Entwikklung vermissen läßt, die die Drittelungs. ag in ihrer ganzen Entstehung genom mh hak. Es ist bekannt, daß . Z. eine Mehrheit für die roße bedeutsame Steuerr. form nicht zu finden war, wenn nicht eine if slinmung getroffen worden wäre, die den Einfluß der ganz großen Vermögen gu! daͤs Wahlrecht neutralisierte. Auch später, 1893, als es sich darum handelte, nicht bloß die Staatẽ⸗ steuern, sondern auch die Gemeindesteuern usw. bei den einzelnen Zensiten für das Wahlrecht in Anrechnung zu bringen, wurde mit aller Ent— schiedenheit ausgesprochen, auch von der Regierung, daß Ter pluto⸗ kratische Charakter des Wahlrechts wenigstens durch die Drittelung in den Urwahlbezirken eingeschränkt werden müsse. Bei ieser Entwicklung kann man doch nicht mit einem Male diese Frage gewissermaßen von einem ganz anderen Gesichts punkt behandeln, sondern man muß mit Rücksicht auf diese, Entwicklung einen, Weg finden, der den damals gewünschten Grundlagen wenigstens einiger kann aber nicht diese ganzen Grundlagen mehr! ober weniger ausmerzen, und das tut der Beschluß des Herren, hauses. Der Beschluß des Herrenhauses ignoriert auch im wesentlichen den Zweck der Druttelung in den Urwahlbezirken, nämlich den Zweck, den Einfluß der ganz großen Vermögen aus⸗ i n oder wenigstens einzuschränken zu Gunsten des Mittel⸗ tandes. Daß unser Wahlrecht sich bis heute so erhalten und außer⸗ ordentlich bewährt hat, das perdanken wir zum großen Teil dem hnstand, daß es ein so ausgesprochenes Mitkelstandswahlrecht, ist. Wenn nun das Herrenhaus eine Bestimmung trifft, die dieses

Mittelstandswahlrecht wesentlich beeinträchtigt, ja wertlos macht, so kann man einer d ; Häittelstandes vertritt KLachen links! * 6 Sie vertreten ihn mit Worten, wir at

Komödie! verlangt, . großen ganzen die früheren Gesichtspunkte au recht erhält, und darum stellen wir unseren Antrag. enthält auch wesentliche Lücken, praxis ausgefüllt werden können. x : Geincindebehörde vorgenommen werden, fondern eine staatliche Behörde muß darüber wachen, daß die Neuordnung in wie es den wir da hinter müssen, die Erk maßen Minist erklärte geändert wichtige Frage der Drittelung noch könnte. ob ihre Stellungnahme richtig ist, wenn aus dieser Vorlage nichts werden kan nicht absprechen, daß wir bemüht . und Ideen wesentlich zurückzuste Parteien, zu stande unserem preußischen Staat eine Unser Standpunkt ist im Herrenhause es ist dort gesagt worden,

und Ruf links: Sehr richtig h Herr haben durch unsere Abstimmung wie

Zweite Beilage Reichsanzeiger

Berlin, Sonnabend, den 28. Mai

die die Interessen des

Partei wie der unserigen, haben ihn immer mitz der Tat, vertreten (Ruf links: nicht verübeln, daß sie das nicht annimmt, sondern daß die Frage in einer Weise geordnet wird, die im Vie Beschlußfassung des Herrenhauses die nicht durch die Verwaltungs Die Drittelung kann nicht von der

einer Weise geschieht, des Landes entspricht. Daß des Herrenhauses zurückbleiben bedauere, daß uns durch unkt gewisser⸗ Als der

wahren Interessen den 1 chlassgn eid,

und nur werden könnten,

Ich möchte der Regierung

unter denen wir keinen M bringen wollten, gegenübe

es sei

opfert worden. Davon kann a

Abstimmung, ganz unzweideutig ausgesprochen ü us nahmen, no

Ri

n. ich wiederhole no Ü ausdrückli

Zugeständnissen un

präjudizieren. Wir f diesem Boden

und unfere Wünsche mi ck zur Geltung ̃ wie es überhaupt möglich ist. hielt es für wichtig, dies auszusprechen. Bei einem solchen Wunsche durften wir die Doff nung hegen, bei einem früheren Stadium die Unterstützung der Mehrheit

bleiben bringen,

der bürgerlichen Parteien zu finden, um etwas zu stande zu bringen. Dlese Voraussetzung ist nun entfallen. Es liegt auch für uns ein wefentliches Interesse vor, daß wir einer Stagtsregierung, die in lsoyaler und ehrlicher Weise den Versuch macht, ihr Versprechen einzulösen, hilfreich zur Seite stehen. Wir haben das aus drücklich ausgesprochen. Wir stehen heute noch auf dem Stand⸗ punkt, aber es gibt für eine Ünterstützung der Staatsregierung

gewisse Grenzen. Diese liegen in unserer festen Ueberzeugung. Wenn

die Staatsregierung an ihrer Auffassung festhält, so müssen wir uns

bescheiden, wir haben die feste Ueberzeugung, daß wir in diesem Gefetzgebungswerk getan haben, was unsere Pflicht war. Wenn das Gesetz scheitern sollte, so tragen wir nicht die Schuld daran.

räsident des Staats ministeriums, Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg:

Meine Herren! Herr Abg. von Heydebrand hat im Laufe seiner Ausführungen bemerkt, seine Freunde hätten nicht erwarten können, daß die Staatsregierung im Herrenhause auf die Drittelungsfrage ein so bedeutendes Gewicht legen würde (Zurufe rechts: Entscheidendes ) ein entscheidendes Gewicht legen würde, und hat sich zum Beweise dessen mit auf die Erklärung berufen, die ich hier im Abgeordneten⸗ hause bei der dritten Lesung abgegeben habe. Ich möchte, damit keine Mißverständnisse für die Zukunft entstehen, hervorheben, daß ich hier im Abgeordnetenhause bei der dritten Lesung erklärt habe, die Königliche Staatsregierung sei bereit, sich mit dem Prinzip der indirekten geheimen Wahl abzufinden, wie dieses Prinzip aus den Beschlüssen der Kommission dieses hohen Hauses hervorgegangen war, daß sie sich damit aber wie von mir ausdrücklich betont wurde an die Einzelheiten der Mehrheitsbeschlüsse nicht binde. Daß unter diesen Einzelheiten neben der Frage der Kulturträger die Drittelungs⸗ frage die erste Rolle spielte, meine Herren, das konnte wohl nach den Verhandlungen, die vor und hinter den von Herrn Abg. von Heydebrand ge⸗ nannten Kulissen gespielt haben, nicht zweifelhaft sein. (Sehr richtig! links.)

Ich möchte nur wenige Bemerkungen darüber machen, weshalb für die Staatsregierung die Drittelungsfrage allerdings die Be⸗ deutung hatte und hat, die wir ihr beigelegt haben. Wir haben, meine Herren darauf ist ja im Laufe der Verhandlungen vielfach Bezug genommen worden —, eine Abänderung der Drittelungsfrage in der Regierungsvorlage nicht vorgeschlagen. Wir haben das nicht getan, weil die Unstimmigkeiten und Ungleichheiten, welche eine Folge der Drittelung in den Stimmbezirken sind, bei der von der Staatsregierung vorgeschlagenen direkten Wahl in ihrer Wirkung und Bedeutung außerordentlich abgeschwächt wurden. (Sehr richtig! links Nun ergab sich aus der Stellung dieses Hauses, daß die direkte Wahl nicht durchzusetzen war. Die Königliche Staatsregierung erklärte sich damit einverstanden, auf den Boden der indirekten Wahl zu treten. Sie hat das, wie ich das wiederholt ausgeführt habe, nur mit großem Bedenken getan; sie ist auch noch heute der Ansicht, daß die Regierungsborlage das Bessere war. Wenn aber die geschaffene Situation die Staats⸗ regierung zwang, auf den Boden der indirekten Wahl zu treten, sollte überhaupt die Aussicht auf ein Zustandekommen eines Gesetzes aufrecht erhalten bleiben, dann war es für die Staatsregierung, der es doch vor allem darauf ankommt, etwas Stabiles zu schaffen, Pflicht, sich zu überlegen, ob bei Aufrechterhal⸗ tung der indirekten Wahl das Prinzip der Abteilungsbildung noch ge⸗ nügend gesichert erschien, wenn die Bestimmungen über die Drittelung

und Königlich Preußischen Staatsanzeiger,

1910.

beibehalten wurden. Und da ist die Königliche Staatsregierung der Ansicht gewesen, daß es zur Stabilisierung des ganzen Zustandes er⸗ wünscht und notwendig sei, diejenigen Unstimmigkeiten, diejenigen An⸗ griff punkte, denen die Abteilungsbildung infolge der Drittelung in Stimmwahlbezirken ausgesetzt ist, auszumerzen, um etwas Solideres zu schaffen. (Sehr richtig! Unruhe links) Das ist der Grund, der die Staatsregierung bewogen hat, im Herrenhause in der Drittelungsfrage die Stellung einzunehmen, die sie eingenommen hat.

Der Herr Abg. von Heydebrand hat am Schluß seiner Rede gesagt, seine Partei könne mit gutem Gewissen auf die Haltung zurückblicken, die sie eingenommen hat. Ich erkenne es offen und dankbar an, daß die konservative Partei und zweifellos in gewissem Sinne auch das Zentrum (große Heiterkeit links) jawohl, meine Herren, gewiß auch das Zentrum, das haben die Herren doch selber dem Zentrum in den Verhandlungen vorgehalten und vorgeworfen Abg. Hoffmann: Die Zensur hat es verdient!), daß die Konservativen auf eine ganze Reihe von Ansichten, von Ueberzeugungen verzichtet haben, um es der Königlichen Staats⸗ regierung möglich zu machen, zu einem positiven Ergebnis zu kommen. Wie gesagt, ich erkenne das offen und loyal in jeder Beziehung an. Der Herr Abg. v. Heydebrand hat dann aber hinzugefügt: ja, es gibt doch aber für eine große Partei, die etwas auf ihre Autorität und ihr Ansehen halten muß, eine Grenze, über die hinaus ein Nach⸗ geben nicht mehr möglich ist. Meine Herren, in derselben Lage be⸗ findet sich die Königliche Staatsregierung. (Sehr richtig) Die Königliche Staatsregierung hat, indem sie sich auf den Boden Ihrer Beschlüsse stellte, auch ein großes Entgegenkommen und Nachgiebigkeit gezeigt, und wenn es nun nach ihrer Ueberzeugung not⸗ wendig ist, um das Prinzip des preußischen Wahlrechts, das abgestufte Wahlrecht, was sie unter allen Umständen aufrecht erhält, zu sichern, wenn sie es da für notwendig hält, die Frage der Drittelung anders zu regeln, wenn sie in dieser Frage eine ganz klare und feste Stellung im Herrenhause eingenommen hat, dann das wird mir auch Herr von Heydebrand zugeben gibt es auch einen Moment und eine Grenze für die Königliche Staats— regierung, wo sie sagen muß: von dieser Position können wir nicht herunter. (Sehr richtig! Zurufe bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, wenn wir im Ergebnis zu keinem positiven Ergebnis kommen sollten, so werde ich das aus den allgemein politischen Gründen, die auch der Herr Abg. von Heydebrand anführte, in demselben Sinne bedauern, wie er es getan hat. Das kann aber nicht die Königliche Staatsregierung davon entbinden, die Stellung, die sie eingenommen hat, festzuhalten, selbst auf die Gefahr hin, daß eine Majorität für ein positives Zustandekommen des Gesetzes sich in diesem hohen Hause nicht finden sollte. (Bravo! bei den Freikonservativen. Unruhe links.)

Abg. Herold (Zentr): Die Wahlrechtsvorlage ist aus dem Herren⸗

hause in einer wesentlich verwässerten Form herausgekommen. Um bestimmten Poßsitiwen Ergebnis

nach der Regierungsvorlage zu einem. an der Vorlage unbedingt

zu kommen, waren ewisse Verbesserungen

notwendig. Dazu 6 in erster Linie die geheime Wahl. Wir sind für die geheime Wahl eingetreten nicht aus parteitaktischen Gründen; denn daß wir bei der öffentlichen Wahl gerade so gut unsere Mandate erhalten? wie bei der gebeimen Wahr, das haben die Tatsachen be⸗ wiesen; das einzige Moment, für die geheime Wahl einzutreten, war das ethische Moment, daß jeder frei, ohne Nachteil zu befürchten, seine Stimme abgeben kann. Nun war von vornherein klar, daß die geheime Wahl nicht zu erreichen war in Verbindung mit der direkten Wahl. Heute haben wir das deutlich aus dem Munde des Minister⸗ präsidenten gehört, und die Erklärung ist auch schon früher abgegeben worden. Wenn wir die geheime Wahl durchsetzen wollten, war es eine Notwendigkeit fo unangenehm es uns war —, auf die direkte Wahl zu verzichten. Wir erachteten aber die ge⸗ heime Wahl für viel wichtiger, für viel mehr im Interesse der Wähler liegend, als daß dle direkte Wahl eingeführt würde. Jetzt wird aufs neue von der nationalliberalen Partei die Verbindung der geheimen Wahl mit der direkten Wahl beantragt. Ja, wenn man das jetzt wieder zu erreichen sich bemüht, dann kommt man fast zu der Vermutung, daß es mit der geheimen Wahl überhaupt kein Ernst ist, daß man mit der direkten Wahl die geheime Wahl wieder zu Fall bringen will. Die Regierung hatte zwar die direkte Wahl in ihrer Vorlage beantragt. Die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses haben die Regierungsforderung „direkte und öffentliche Wahl umgekehrt und die geheime Wahl und indirekte Wahl eingeführt. Dadurch erscheint die Abweichung von der Regierungsvorlage außerordentlich groß. Aber tatfächlich ist dadurch, daß wir uns entschlossen haben, für die indirekte Wahl einzutreten, die Annäherung an die Regierungsvorlage eine viel größere, weil die Regierung selbst erklärt, daß geheime und direkte Wahl zusammen für sie unannehmbar ist. Der Hauptstreit⸗ punkt in der ganzen Vorlage ist die Drittelung, In der Regierungs⸗ vorlage war die Drittelung in den Urwahlbezirken beibehalten; der Minifterpräsident hat eben ausgeführt, daß, nachdem die indirekte Wahl wleder eingeführt sei, um so mehr eine Veränderung in der Stellungnahme der Regierung hätte eintreten müssen. Dem⸗

gegenüber möchte ich aber doch bemerken, daß wir seit 20 Jahren katsächlich bei der indirekten Wahl die Brittelung in den Ur⸗ wahlbezirken haben, daß die Staatsregierung dieser Drittelung in den Urwahlbezirken in Verbindung 'mit der indirekten Wahl ihre Zustimmung gegehen hat, und daß diese Art der Regelung seit 20 Jahren gut funktioniert hat. Noch eins muß man sich bergegenwaͤrtigen, dat, im Jahre 1891 der, Abg. von Heydebrand hatten schon darauf hingewiesen die damalige Steuergesetzgebung zu stande gekommen ist nur unter der Bedingung, daß die Drittelung n den Urwahlbezirken eingeführt wird. Wenn demgegenüber darauf hingewiesen wird, daß ein Wechsel in den Personen stattgefunden habe, und daß die Nachfolgenden nicht mehr an derartige Abstimmungen gebunden sind, so möchte ich doch daran erinnern, daß Frhr. von Zedlitz damals den Antrag auf Drittelung in den Urwahlbezirken mitunterzeichnet hat. Wenn man die bedeutende Erhöhung der Steuern beibehalten will, dann muß man auch dieses Korrektiv bei der Drittelung beibehalten, wie es' damals beschlossen worden ist. Die Maximierung ist nun auch von dem Herrenhause ganz wer entlich herabgesetzt worden. Für ihre Wirkung ein klassisches Beispiel! Damit, überhaupt die Maximierung Anwendung findet, muß jemand ein Einkommen von 50 06 M haben, und wie wird es bei densenigen, die über 150 0000 Einkommen haben, mit der Maximierung? Bel einem Einkommen von 200 000 4 kommen 8000 4M Einkommen⸗ steuer in Betracht. Nehmen wir 200 o/o Kommunalzuschläge an, so wären das 16000 16. Bei einem solchen hohen Einkommen ist sicher auch ein erheblicher Betrag von Realsteuern zu zahlen. 20 000 ½ sind tatsächlich nicht zu hoch gegriffen. Die gesamte

Steuersumme beträgt dann 44 000 , und von diesen