1910 / 139 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 16 Jun 1910 18:00:01 GMT) scan diff

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Großhandelspreise von Getreide an deutschen und fremden . ö Börsenplãͤtzen für den Monat Mai 1910 nebst entsprechenden Angaben für den Vormonat. 1000 kg in Mark. (Preise für greifbare Ware, soweit nicht etwas anderes bemerkt.)

Monat Mai 1910

gegen im or⸗ monat

166,16 218 2s 154 39 135 Ho

Königsberg. Roggen, guter, gesunder 714 g das 1.4 . guter, . 749 bis 754 g das 1 gef guter, gesunder, 447 g das 1... erste, Brenn-, 647 bis 662 g das 1 .. Breslau. Roggen, Mittelware . ö ö er, ü . K Gerste, = andere (Futter⸗ usw.) ... ; russischer . ö. Mais amerikanischer

Berlin. Roggen, guter, gesunder, mindestens 712 g das 1. Weizen, ö ö 755 g das 1. Safer, = 46560 g das 1. Mannheim. Roggen, Pfälzer, russischer, bulgarischer, mittel .. Welzen, Pfälzer, russischer, amerik., rumän., mittel. Hafer, badischer, russischer, mittel . Gerst badische, Pfälzer, mittel erste rufsische, Futter, mittel München.

Roggen, bayerischer, gut mittel. elzen, ö e .

Hafer, . 2 n, ö *. 1 , 1 3 . Gerst ungarische, mährische, mittel,. erste J payerische, gut mittel

Wien.

146,70 202,90 147,00 130, 00

132,30 151,56 140560 143356 136 36 166.56 166, 56

139, 8 209,40 143,70 142, 00 135,50 160, 00 160, 00

148,83 215,31 149,53

155,58 225,21 157,48

168,12 238,33 170,00 168,B 75 130,94

62, 25 223,49 167,67 166,87 123, 33

153,50 214.560 153,00

146,50

156,00 231,50 155, 00

148,33 22, 0) 13g, 55 I34 62 159, 1460 1359.47 ib 8 1 iz s

Budapest. Roggen, Mittelware ; ö Weizen, ö

3 ö. erste, ö Mais, ö

156,81 240, 83

rste, slovakische Mais, ungarischer

14474 219335 129 36 169, 57 1062.94

Futter⸗

Odessa.

Roggen, 71 bis 72 kg das hl

Weljen, Ulka, 75 bis 76 kg das hl.... Riga.

Roggen, 71 bis 72 kg das hl

Weizen, 78 bis 79 kg das hl

Paris.

n . 9 . , ; Wel nen lieferbare Ware des laufenden Monats Antwerpen.

Donau, mittel

,. w. Kansas Nr. 2.5. Weizen (S La Plata ....

1432 169.45

130, h 164,03

157,09 168,79 164,69 115,28 131,60 152,54 159,59 106,65 123,58

Kurrachee ... Kalkutta Nr. 2 Australier

Am sterdam.

. St. Petersburger. e amerjkanischer Winter⸗ ... amerikanischer bunt La Plata...

London.

Produktenbörse.

engl. weiß (Mark Lane) .

Roggen Weizen Mais

. z La Plata an der Küste „Hai Australier s (Baltic).

englisches Getreide, Mittelpreis aus 196 Marktorten (Gazette averages)

Weizen 181,16 157,24 131,51 130, 34

n

8j te

Liverpool. ,, Manitoba Nr. 2. . Kurrachee ... tmn en,

Hafer, englischer weißer... Schwarze Meer⸗ Gerste, dutter.· Kurrachee

, Mais amerikan., bunt

La Plata, gelber.

Weizen

Chicago. 169,67 156,88 153,70

gd, 12

159,68 156, 15 96,79

Weizen, Lieferungsware :

Mais . Neu York.

roter Winter⸗ Nr. 2 Nord Frühjahrs⸗ Nr. 1 .. ,, Lieferungsware Juli September Mais ö Mai

1 Buenos Aires.

. , Mais Durchschnittsware

176,79 182,54 176,64 166, 34 163,43 114,62

184,40 185,02 181,38 172,29 167,38 112,85

Weizen

148 44 161,70 16,17 10h, 4.

Bemerkungen.

1 Imperial Quarter ist für die Weizennotiz bon engl. Weiß und Rotweizen 594, für La Plata und Australier (Häͤltich 480 Pfund engl. gerechnet; für die aus den Umsätzen an 196 Markt- orten des Königreichs ermittelten Durchschnittspresse für einheimisches Getreide (Gazette averages) ist 1 Imperial. Quarter Weizen 480, Hafer 312, Gerste 400 Pfund englisch angesetzt. 1 Bushel

X.

60, 1 Bushel Mais 56 Pfund englisch; 1 Pfund * 4553.6 3 s Last Roggen 2100, Weizen 2400, 2000 kg. . .

Bei der Umrechnung der Preise in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tagesangaben ini „Reichsanzeigen ermittelten monat—= lichen Durchschnittöwechselkurse an der Berliner VBörse zugrunde gelegt, und zwar flir Wien und Budapest die Kurse auf Wien, für London und Liverpool die Kurse auf London für Chicago und Neu Mor! die Kurse guf Neu Jork, für Sdessa und. Riga die Kurse auf St. Peterkz= burg, für Paris, Antwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese, Plätze. Preise in Buenos Aires unter Berücksichtigung der Goldprämie.

Berlin, den 16. Juni 1910. Kaiserliches Statistisches Amt. V ö

Dr. Zacher.

Preußischer Landtag. Herrenh aus. 15. Sitzung vom 15. Juni 1910, Nachmittags 121½ Uhr. « (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau) '

Ueber eine Reihe von Finanzvorlagen referiert namens der Finanzkommission Graf von Keyserlingk-Neustadt. Der Gesetzentwurf, nach dem das Defizit von 1908 im Betrage von 202 Millionen Mark 3. dem Wege der Anleihe nachträglich gedeckt werden soll, wird unverändert angenommen. Bezüglich der allgemeinen Rechnung über den Staatshaushalt des Jahres 1906 tritt das Haus den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses' ohne Debatte bel; es genehmigt nachträglich die Etatsüberschreitungen und außeretatsmäßigen Ausgaben und spricht für die Staats⸗ regierung die Entlastung aus. Ebenso wird in Ueberein⸗ stimmung mit dem anderen Hause die Uebersicht der Staatseinnahmen und ausgaben für das Etats jahr 1908 erledigt und die vorläufige Genehmigung der Etats⸗ überschreitungen und außeretatsmäßigen Ausgaben im Gesamt— betrage von 160 Millionen ausgesprochen. Für die Rechnung der Kasse der Oberrechnungskammer für 1908 wird gleichfalls Entlastung erteilt.

Dann folgt die einmalige Beratung des Gesetz— entwurfs, betreffend die Erhöhung der Krondotation, und des dazu gehörigen Nachtragsetats für 1910.

Der Referent Herr von Buch-Carmzow hebt hervor, daß die bisherige Rente des Kronfideikommisses nebst dem, bisherigen Zuschuß dazu als ungenügend sich herausgestellt habe, insonderheit wegen der allgemeln gesteigerten Kosten der Lebenshaltung. Die Krondotation solle um 2 Millionen erhöht und außerdem ein Betrag von 13 Million für die Unterhaltung der Königlichen Theater auf den Staatshaushaltsetat übernommen werden. Das andere Haus habe bei Einmütigkeit aller staatserhaltenden Parteien gegen die Stimmen der Sozialdemokraten die Vorlage angenommen. Es könne ja zweifelhaft sein, ob es nicht richtiger gewesen wäre, die gesamten 3 Millionen als Zuschuß zur Kronfideikommißrente zu be⸗ willigen; indessen müsse er die für den gewählten anderweiten Modus gegebene Begründung als ausreichend anerkennen.

Ohne Debatte wird die Vorlage einstimmig angenommen.

Ueber die Gesetzentwürfe wegen Abänderung des preußischen Gerichtskostengesetzes und wegen Abände⸗ rung der Gebührenordnung für Notare liegt ein Be— richt der Justizkommission vor, welche beiden Entwürfen die Zustimmung in der vom anderen Hause beschlossenen Fassung zu erteilen empfiehlt.

Der Referent Herr Dr. Hamm gibt eine sehr ausführliche Dar⸗ stellung des durch die Vorlage und die Beschlüsse des anderen Hauses bedingten neuen Rechtszustandes.

Justizminister Dr. Beseler:

Meine Herren! Als wir im vorigen Jahre die Novelle zur Zivilprozeßordnung verabschiedeten, ergab sich erwünschte Gelegenheit, auch das Reichsgerichtskostengesetz in einem Punkte zu ändern. Das war der, daß man nicht, wie das bisher Rechtens war, für alle Neben— ausgaben besondere Rechnungen aufstellte, sondern daß eine Gesamt summe für jeden einzelnen Prozeß berechnet wurde. Namentlich war das geboten zur Vereinfachung des Geschäftsganges, denn es war ein mißlicher Zustand, jede Schreibseite und jeden Groschen Porto be⸗ sonders in Rechnung stellen zu müssen. Daneben ergab sich die günstige Folge, daß die kleinen Prozesse in Zukunft nicht mehr so hoch durch Nebenkosten belastet wurden, wie das früher der Fall war und zu Klagen geführt hat. Als wir diese erwünschte Neuerung im Reiche durchgesetzt hatten, ergab sich für Preußen die zwingende Folge, diesen Weg ebenfalls zu beschreiten, so weit es das preußische Gerichtskostengesetz betraf, das die freiwillige Gerichtsbärkeit regelt. Es ist auch hier derselbe Uebelstand vorhanden, daß alle die kleinen Kosten berechnet werden müssen, und wollte man es dabei belassen, so würde sich die Schwierigkeit ergeben, daß wir zwei verschiedene Kostenberechnungen bei der Verwaltung hätten, für die streitige Ge⸗ richtsbarkeit und für die freiwillige Gerichtsbarkeit. Das ist nicht angängig. Wir haben zwar seit dem 1. April diesen Zustand; dem soll aber jetzt ein Ende gemacht werden, und diesen Zweck hat die jetzige Vorlage.

Gleichzeitig ergab sich die Gelegenheit, einige Unstimmigkeiten des preußischen Gerichtskostengesetzes zu beseitigen und Verbesse— rungen anzubringen. Der Herr Berichterstatter hat dies im einzelnen schon angeführt, ich will es nicht wiederholen. Diese Neuerungen werden auch in der Praxis und im Geschäftsleben wohl als wesent, liche Verbesserungen empfunden werden. Endlich handelt es sich um eine Erhöhung der Gebühren, die ihre Berechtigung darin hat, daß auch für den Fiskus die Kosten der Bearbeitung der freiwilligen Gerichtsbarkeit dauernd wuchsen, und daß überhaupt alle Einrichtungen des Lebens teuerer geworden sind, sodaß eine einigermaßen angemessene Erhöhung in dieser Hinsicht durchaus sachlich begründet erscheint. Nun steht die Königliche Staatsregierung durchaus auf dem Stand— punkt, daß die Gebühren für die freiwillige Gerichtsbarkeit nicht dazu dienen sollen, andere Zweige der Rechtspflege in bezug auf die Kosten— last zu erleichtern, also daß namentlich nicht etwa die Kosten der Strafrechtspflege durch die höheren Einnahmen bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgeglichen werden sollen. Das ist aber auch leines— wegs der Fall, denn selbst wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, werden noch erhebliche Zuschüsse zur freiwilligen Gerichtsbarkeit für den Staat bleiben.

Ich glaube mich auf diese kurzen Bemerkungen beschränken zu können und möchte nur noch hinzufügen, daß ich das, was der Herr Berichterstatter bezüglich der Notare gesagt hat, im wesentlichen durch die von ihm gemachten Bemerkungen als erledigt ansehe, ich kann

auch nichts anderes sagen. Für die Notare haben wir versucht, die Gesamteinnahmen zu berechnen; die sind natürlich gestiegen, weil alle Lebensverhältnisse sich weiter entwickelt haben, aber andererseits sind auch die Stellen der Notare weiter vermehrt worden, sodaß die höheren Einnahmen sich wieder auf mehrere verteilen. Die Notare müssen den Gerichten gleich gestellt werden, da ihre amtliche Tätigkeit dieselbe ist wie die der Gerichte, und darum glaubt die Staatg, regierung, daß die Vorschriften hinsichtlich der Notare be gründet und gerechtfertigt sind, und daß die Mehreinnahmen, welche sie haben werden, nicht übermäßig genannt werden können, zumal wenn man berücksichtigt, daß die Notare höhere Löhne zahlen und auch mehr Gehilfen haben müssen als früher. Das ganze Gesetz ist vom Standpunkte der Regierung deshalb empfehlenswert, weil es eine abgerundete gleichmäßige Gesetzgebung zwischen Reich und Staat und zwischen Staat und Notaren schafft, und ich empfehlt deshalb dem hohen Hause die Annahme.

Herr von Puttkamer: Abänderungsanträge zu stellen, sind wir in der gegenwärtigen Situation nicht in der Lage. Doch möchte ich der Meinung Ausdruck geben, daß die Höhe der Gerichtskosten im Lande schon jetzt vielfach als drückend empfunden wird, während den Notaren zumal bei ganz hohen Objekten, außerordentlich hohe Einnahmen er wachsen werden. Aus dem einen Grunde, daß einige Notare kein ge— nügendes Einkommen haben, hätte man doch nicht mit einer so starken Erhöhung vorgehen sollen. Es muß der Gedanke verfolgt werden, ob nicht in Zukunft die Notare gehalten sein sollen, eventuell einen prozentualen Anteil an die Staatskasse abzuführen.

Auf Antrag des Herrn Dr. Lentze-Magdeburg werden die Vorlagen en blos angenommen.

Herr Dr. Hamm erstattet sodann namens der Justiz— kommission, mündlichen Bericht über den Gesetz entwurf wegen Abänderung der Landgerichts bezirke Crefeld, Kleve und München⸗-Gladbach. Die Kommission hat die Zustimmung zu den Beschlüssen des anderen Hauses empfohlen.

Graf von und zu Hoensbroech hat hierzu die im anderen Hause gefaßte Resolution als Antrag auf—

genommen:

„die Staatsregierung zu ersuchen,

a. die Exrichtung eines Amtsgerichtsbezirks Süchteln, bestehend entweder aus der Stadtgemeinde Süchteln allein oder unter Zuziehung anderer zu der Angliederung geneigter Nachhar— gemeinden herbeizuführen, sobald sich genügend Arbeitsstoff für ein eingliedriges Amtsgericht ergibt; der neu zu bildende Amtsgerichtsbezirk ist dem Crefeld zuzuteilen; die Amtsgerichtsbezirke Emmerich und Rees unter Abtren⸗ nung vom Landgerichtsbezirke Duisburg dem Landgerichte Kleve tunlichst bald zuzuteilen.“

Herr Dr. Oehler-Crefeld: Die Gestaltung, welche die Vorlage erhalten hat, entspricht den Wünschen der Stadt Crefeld nicht ganz. Es hat zwar 1966 ein Landgericht erhalten, aber mit nur zwei Amtsgerichtsbezirken; es soll jetzt zwei weitere bekommen, aber Viersen 1913 verlieren. Unserem Wunsche hätte es mehr entsprochen, wenn über Viersen jetzt noch kein Beschluß gefaßt worden wäre. Bei der Geschäftslage unterlasse ich, Amendements zu stellen; ich empfehle aber die Resolution des Grafen Hoensbroech. Dem Justizminister danken wir für seine Erklärung, daß Crefeld ein größeres Landgericht verdient.

Justizminister Dr. Beseler:

Meine Herren! Ein Blick auf die Karte zeigt, daß der Bezirk des Amtsgerichts Viersen nach München⸗Gladbach gehört; er liegt unmittelbar vor den Toren dieser Stadt und muß nach allgemeinen Grundsätzen dort auch sein Justizzentrum finden. Man hätte unzweifelhaft schon das Gericht Viersen mit Gladbach verbunden, als diese Organisation 1906 vor sich ging, es war das damals aber nicht möglich, weil sich sonst ein angemessener Landgerichtsbezirk für Crefeld nicht finden ließ. Kleve, welches einen Teil des Bezirks für Crefeld hergeben muß, war damals noch nicht so entwickelt, daß es noch lebensfähig geblieben wäre, wenn man ihm etwas entzog. Das konnte der Staat unter keinen Umständen tun. Nun aber ist der Zeitpunkt gekommen, daß man die Abgrenzung richtig machen kann. Der Land⸗ gerichtsbezirk Kleve ist seiner Arbeitsmenge nach nun so weit entwickelt, daß ihm einige Teile entnommen werden können, ohne daß Kleve beeinträchtigt würde. Deshalb können die Bezirke Lobberich und Kempen jetzt ruhig zu Crefeld kommen, was auch an sich richtig ist, denn sie liegen un— mittelbar vor den Toren der Stadt Crefeld. Diese beiden Bezirke sind in ihrem Geschäftsumfang größer als Viersen allein, und so kommt das Landgericht Crefeld durchaus nicht zu Schaden, wenn das Gesetz jetzt verabschiedet wird. Es wird ihm Ersatz. Außerdem tritt die Abtrennung von Viersen nicht gleich, sonden erst nach drei Jahren ein.

Weiter habe ich schon im Abgeordnetenhause erklärt, die Re⸗ gierung stehe auf dem Standpunkt, daß eine weitere Ausdehnung Crefelds durchaus erwünscht sei, und ich habe hinzugefügt, daß die Regierung den Weg betreten würde, der in der Resolution angedeutet ist, daß ein Amtsgericht in Süchteln geschaffen wird. Selbst— verständlich können wir aber an die Errichtung dieses Amts— gerichts erst gehen, wenn die nötige Arbeit für einen Richter dort vorhanden ist. Das ist zurzeit nicht der Fall. Wie die Verhältnisse liegen, läßt sich auch durch Zulegung anderer Ortschaften Abhilfe noch nicht schaffen. Wir müssen die Entwicklung der Ver— hältnisse abwarten, ehe wir an die Bildung des Bezirks von Süchteln herantreten, der dann Crefeld zugeteilt wird und wodurch der Arbeits⸗ umfang Crefelds dann entsprechend vergrößert wird. Die Resolution kann so die Zustimmung der Staatsregierung finden; sie enthält die

Landgerichte

Gedanken, welche, wie ich schon erwähnt habe, die Regierung selbstœ

schon erwogen hat, und, soweit sie sich auf Rees und Emmerich be⸗ zieht, sind es Gesichtspunkte, die die Regierung gleichfalls schon langst verfolgt. Es ist auch der Wunsch der Regierung, diese beiden Bezirle zu Kleve zu legen, um dieser Stadt einen Ersatz zu bieten. Ob dafür in einem andern Teil von Kleve wieder eine Ausscheidung stattfinden muß, wird davon abhängen, wie sich die Geschäfte entwickeln. Denn unter keinen Umständen darf Kleve benachteiligt werden zu⸗ gunsten von Crefeld. Es wird sich aber eine solche Ausgleichung der Interessen hoffentlich erreichen lassen; was die Regierung dazu tun kann, soll geschehen. Von diesem Standpunkt aus kann die Regierung also der Resolution auch im zweiten Punkte zustimmen. Im übrigen wird wohl das Gesetz keinen Widerspruch finden, und ich beantrage seine Annahme.

Die Vorlage und die Resolution werden ohne Debatte an— genommen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

M 139.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Es folgt der mündliche Bericht der Finanzkommission über den Gesetzentwurf zur Abänderung der Vorschriften über die ,,, und Miets⸗ entschädigungen: ;

Referent Herr Dr. Wachler: Die ö beantragt den Beitritt zu den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses und die Ueber⸗— weisung der eingegangenen Petitionen an die Regierung als Material. Sodann beantragt sie in Uebereinstimmung mit dem anderen Hause folgende Resolution: .

„die Regierung zu ersuchen, durch entschiedenes Eintreten im Bundesrat dahin zu wirken, daß unter Anwendung der im Reichs besoldungsgesetz von 1909 dem Bundesrat gegebenen Ermächtigung, nämlich die Einreihung einzelner Orte und Ortsteile in eine andere Ortsklasse anzuordnen, tunlichst bald die erheblichen Mißstände be—

tig werden, welche in einzelnen Fällen die Ortsklasseneinteilung

des Reiches bei der jetzigen Regelung des Wohnungsgeldzuschusses , hat, und dem Landtage bis zur nächsten Session eine Uebersicht über das Ergebnis dieser Prüfung aller Petitionen über . in die Ortzsklassen vorzulegen.“

Graf Finck von Finckenstein: Es wird uns schwer, dem Ge— setze zuzustimmen, denn eine Reihe von Orten wird deklassiert, und eine Reihe von Beamten erhält nicht den Wohnungsgeldzuschuß, den sie verdienen. Wir stimmen für das Gesetz, weil die Aufrecht⸗ erhaltung des Provisoriums für die Beamten noch ungünstiger sein würde, und mit Rücksicht auf die Erklärung des , im Abgeordnetenhause, 9 er im Sinne der Resolution wirken wird. Ich bedauere, daß die Liberalen im Abgeordnetenhause die Gelegenheit benutzt haben, um uns etwas am Zeuge zu flicken. Es ist sehr leicht für andere Parteien zu sagen: wenn die Konservativen fest geblieben wären, dann hätte die Regierung nachgegeben. Wir stimmen nur mit schwerem Herzen für die Vorlage, . aber, daß es unter den gegebenen Umständen das Richtige ist.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Nur wenige Worte im Anschluß an das, was der Herr Graf soeben die Güte hatte auszuführen.

Die Staatsregierung hat alle Veranlassung, dankbar zu sein für die Unterstützung, die die konservative Partei der Staatsregierung im Abgeordnetenhause hat angedeihen lassen. Die sachlichen Gründe, die für die Staatsregierung sprachen, waren aber entscheidend und beruhen hauptsächlich auf zwei Momenten. Wir würden, wenn den früheren Beschlüssen des Abgeordnetenhauses stattgegeben worden wäre, eine vollkommene Disparität zwischen den jetzt amtierenden und den später eintretenden preußischen Beamten geschaffen haben, und kein Beamter würde es nach zwei oder drei Jahren begreifen, warum er einen geringeren Wohnungsgeldzuschuß beziehen soll als derjenige Beamte, der gegenwärtig in Funktion sich befindet. Denn wir haben in puncto Wohnungsgeldzuschuß immer den Grundsatz vertreten und müssen ihn aus sachlichen Rück— sichten vertreten, daß der Wohnungsgeldzuschuß im Reiche und in Preußen gleichmäßig geregelt wird. So wollten wir auch im Vor— jahre vorgehen, und rein aus dem zufälligen Umstande, daß die Ver— handlungen im Reichstage bei der Reichsfinanzreform sich solange hinzogen, daß der Wohnungsgeldzuschuß erst im letzten Momente zur Beratung kam, ergab sich für uns die Notwendigkeit, ein Provisorium zu schaffen, auf das die Beamten von vornherein eingerichtet waren. Wie sich nun nach den früheren Beschlüssen des Abgeordnetenhauses eine solche Disparität zwischen den einzelnen preußischen Beamten ergeben hätte, so würde dieselbe Disparität zwischen preußi⸗ schen Beamten und Reichsbeamten hervortreten. Nun denke man sich die Situation, wenn preußische Beamte promiscus und preußische und Reichsbeamte einen verschiedenen Wohnungs— geldzuschuß bekommen hätten, obwohl sie die gleiche Vor— bildung und eine ganz ähnliche Tätigkeit haben und obwohl bei allen das Wohnungsbedürfnis ganz dasselbe ist. Deswegen ist es, glaube ich, richtig, uns auf den Boden zu stellen, auf dem wir stets gestanden haben, daß die Regelung des Wohnungsgeldzuschusses, wie sie im Reiche getroffen worden ist, auch für Preußen maßgebend sein muß.

Diesem Grundsatz entspricht die Vorlage, und deshalb bitte ich Sie, der Vorlage Ihre Zustimmung zu erteilen.

Herr von Buch: Für die Beamten zu sorgen, ist Aufgabe der Regierung. Ich freue mich, daß sie diesmal einen festen Standpunkt eingenommen und ihre Stellung nicht abhängig gemacht hat von der Rücksicht auf die Popularität bei den Parteien.

Auf Antrag des Grafen Finck von Finckenstein wird die Vorlage en bloc mit großer Mehrheit angenommen, ebenso die Resolution.

Es folgt der mündliche Bericht der Finanzkommission über den vom Abeordnetenhaus unverändert angenommenen Gesetz— entwurf, betreffend die Bewilligung weiterer Staats—⸗ mittel zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse von Arbeitern, die in staatlichen Betrieben beschäftigt sind, und von gering besoldeten Staatsbeamten.

Referent Herr Tram m-⸗Hannover beantragt unveränderte ,, des Gesetzentwurfs in der Fassung des Abgeordneten⸗

auses. . Das Haus beschließt nach diesem Antrage.

Ueber eine Petition von Landmesser Frenzel in Kottbus um Ueber⸗ nahme in den Staatsdienst bei Verstaatlichung des Landmesser⸗ 1 geht das Haus nach dem Antrage der Finanzkommission zur Tagesordnung über.

Es folgt die Beratung über den im anderen Hause auf Antrag der Abgg. Schmedding, Schulze⸗Pelkum und Wester⸗ mann angenommenen Gesetzentwurf wegen Abände⸗ rung des Gesetzes, betreffend Einführung der Pro⸗ vinzialordnung vom 29. Juni 1875 in der Provinz Westfalen. .

Herr Dr. Lentze beantragt Absetzung des Gegenstandes von der Tagesordnung, der gründlicherer Beratung bedürfe, als in ein⸗ maliger Schlußberatung möglich sei.

Freiherr von Landsberg sieht eigentlich keinen Grund für die Absetzung, richtet aber event. an die Regierung die dringende Bitte, wenigstens in der nächsten Session dem Wunsche der Provinz West— falen in der Richtung dieser Vorlage entgegenzukommen.

Herr Dr. Lentze hält seinen Antrag aufrecht und wird von

Herrn Dr. Loening unterstützt, der entgegen dem Freiherrn von Landsberg auch die im Abgeordnetenhause erfolgte Beratung für unzulänglich erklärt. Der Gegenstand habe auch keine Eile.

Berlin, Donnerstag, den 16. Juni

Nachdem Freiherr von Landsberg sich nochmals für die sofortige Heratun des Gegenstandes ausgesprochen hat, wird dem Antrage Lentze gemäß der Gegenstand von der Tagesordnung abgesetzt.

Es folgen Kommissionsberichte über Petitionen.

Der Vorstand des Deutschen Fleischerverbandes petitioniert um Abänderung des die Erhebung unverhältnismäßig hoher Schlachthofbenutzungsgebühren ermöglichenden F 11 des Kommunalabgabengesetzes.

Die Kommunalkommission beantragt durch ihren Bericht⸗ . Herrn Dr. von Dziembowski Üüebergang zur Tages— ordnung. ö

hne Diskussion beschließt das Haus nach diesem Antrage.

Herr Dr. Hillebrandt referiert namens der Finanzkommission über eine lange Reihe von Petitionen um Erhöhung der Pens ionen der vor dem Inkrafttreten der Besoldungsgesetze von 1909 pensionierten Beamten. Der . der . geht auf Uebergang zur Tagesordnung. Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß die Wünsche der Petenten aus einer wirklichen Notlage herbor— gegangen seien, bei der die Steigerung aller Preise und die Ver— teuerung der Lebenshaltung nicht durch Zulagen wie bei den aktiven Beamten ausgeglichen werben könne. Dennoch habe die Kommission, den Vorstellungen der Vertreter der Regierung folgend, Uebergang zur Tagesordnung empfohlen. Die Finanzlage sei noch zu ungünstig; es werde aber auf Hilfsfonds für diesen Zweck zurückzugreifen sein. Die Petenten legten allerdings großen Wert darauf, daß die eventuelle Zuwendung nicht als Armenunterstützung gegeben werde.

Der Kommissionsantrag wird angenommen.

Ueber Petitionen um Erhöhung der Pensionen der vor dem Inkrafttreten des . , von 1909 pensionierten Volks⸗ schullehrer und Lehrerinnen geht das Haus nach dem AÄntrage desselben Berichterstatters ebenfalls zur Tagesordnung über, desgleichen über eine Petition des Vorstandes des Neuen Preußischen Lehrervereins um Aenderung der Beitragsweise zur Alterszulagekasse der Lehrer, Erhöhung der Alterszulagen unter Abschaffung der Ortszulagen und Maßregeln gegen die Verwendung der Einkünfte aus Kirchen— vermögen usw. zur Lehrerbesoldung, nachdem

Graf von Hoh enthal-Dölkau den Neuen Preußischen Lehrer— verein ehen den Vorwurf verwahrt hat, daß er etwa aus einem gewissen Gefühl der Undankbarkeit gegen die Regierung heraus seine Petition eingereicht hahe; es seien darin nur die Ziele des neugegründeten, , , christliche Stellung einnehmenden Vereins gekennzeichnet worden.

Herr Dr. Rive Halle berichtet für die Unterrichtskommission über eine Petition des Direktors Horn in Elbing und über 500 Anschlußpetitionen um Abstandnahme von der in der Neu— ordnung des höheren Ning er e e. verfügten Gleichstellung der Frauen und Männer im öffentlichen Schuldienst, insbesondere in bezug auf die Leitung. Die Kommission beantrage, über die Petitionen zur Tagesordnung überzugehen; sie sehe keine Ver— anlassung, von dem bisherigen Verfahren, das Nachteile nicht gezeitigt habe, abzuweichen; sie könne . anerkennen, daß es dem Volks⸗ empfinden widerspreche. wenn Mann und Frau auf gleichem Gebiet, wo sie gleiche Tätigkeit und Arbeit mit gleichen Zielen verfolgen, auch gleichgestellt sind. Es fehle auch durchaus nicht an männlichen Bewerbern für Stellen an are fang, deren Leitung in weib⸗ lichen Händen liege. Auf die angebliche Schwächung der Wehrkraft des deutschen Volkes, die die Petenten befürchten, lohne es sich nicht, n,, ;

as Haus entscheidet nach dem Kommissionsantrage.

Ebenso wird über das Gegenstück dieser Petition, die Petition des Verbandes akademisch gebildeter und studierender Lehrerinnen, die 66 die Petition des Direktors Horn gerichtet ist und um Bei⸗ ehaltung der Gleichstellung der Frauen und Männer im öffentlichen Schuldienst, namentlich in bezug auf die Leitung, vorstellig wird, zur Tagesordnung übergegangen.

Herr von Sydow referiert namens der Kommunalkommission über die Petition des Magistrats zu Breslau um Ab— änderung des Gesetzes vom 11. März 1850 (Aufruhr— gesetz), betreffend die Verpflichtung der Gemeinden zum Fifa des bei öffentlichen Aufläufen verursachten Schadens. Es handelt sich um den bekannten Fall Biewald, in welchem die Stadt Breslau zum Sch nd nersh für die dem Biewald durch einen unermittelt gebliebenen Schutzmann ab— gehauene Hand verurteilt worden ist. Die Kommission hat Ueber— ang zur Tagesordnung beantragt. Das Prinzipalverlangen des Breslauer Magistrats, in den Städten mit Königlicher Folgt die Haftbarkeit dem Staate zuzuweisen, sei unerfüllbar, denn es würde zweierlei Recht schaffen, ebenso gehe es nicht an, dem zweiten Ver— langen des Magistrats gemäß die Haftung für den Schaden dann dem Staate aufzuerlegen, wenn der Schaden durch schuldhaftes Verhalten von Staatsbeamten entstanden sei. Für Ausnahmefälle wie den Breslauer könnten keine besonderen Gesetze gegeben werden.

Herr Dr. Bender-Breslau: Ich beantrage, die Petition der Staatsregierung als Material zu überweisen. Wenn in der Kommission die Ansicht vertreten worden ist, daß diese ganze Materie jetzt gut geordnet sei, so wird es mir gestattet sein, zu be— haupten, daß dieser Fall das Gegenteil beweist. Ueber die Tatsache selbst will ich nicht sprechen, sondern nur hervorheben, daß der ge⸗ schädigte Mann kein Sozialdemokrat ist und an den Vorgängen ganz unbeteiligt war. Daß ein Erjeß vorliegt, ist nicht bestritten worden. Das Gesetz von 1850 will den Bürgern Sicherheit verschaffen. Aber dieses Motiv, für die Sicherheit der Stadt zu sorgen, fällt voll—⸗ ständig weg bei gef Städten mit Königlicher Polizeiverwaltung; wer das bestreiten wollte, müßte die Augen den . verschließen. Der Polizeipräsident würde es gar nicht leiden, ohne seine Auf⸗ forderung ist es überhaupt 2 daß die Bürger selbst für ihre Sicherheit sorgen sollen. Was die Stadtverwaltungen auf dem Ge— biete tun sollen, ist mir völlig unerfindlich. Das mag in kleinen Orten möglich sein, die ihre eigene Polizeiverwaltung haben, aber in den Orten, die eine Königliche Polizeiverwaltung haben, ist es ihnen ganz unmöglich, für den Schutz der Bürger zu sorgen. Gleichwohl ellen sie für entstandenen Schaden haften. Wenn die Sache so liegt, so müssen wir uns fragen: Wie ist es moglich, daß die Ge— meinde für einen Schaden, der nicht durch einen Auflauf entstanden ist, sondern durch einen Exzeß, durch ein schuldhaftes Verhalten eines Beamten, haften soll, bei einem Exzeß, den ein Polizeibeamter abseits vom Schauplatz des Tumults in Ueberschreitung seiner amt— lichen Befugnisse ausgeübt hat? Wenn es nicht ein Königlicher Polizeibeamter wäre, dann wäre der Mann ermittelt worden, davon bin ich überzeugt, ich habe daran auch nicht den geringsten Zweifel. Wenn die Dinge so liegen, wenn die Verpflichtung der Stadt, Schadenersatz zu leisten, zur Karikatur wird, dann darf man nicht sagen, daß es sich um den Ausnahmefall einer Gemeinde handelt, daß eine Aenderung des Gesetzes nicht nötig sei, sondern man muß sagen, hier ist augenscheinlich eine schwache Stelle im Gesetz, und wir wollen der Staatsregierung anheimgeben, zu erwägen, ob eine Aenderung des Gesetzes nötig ist. Das neue Gesetz, wonach der Staat für die Schuld seiner Beamten haftet, bewegt c auf einem ganz anderen Gebiet; der vorliegende Fall wird dadurch nicht berührt. Ich will auf den Fall nicht weiter eingehen; ich bitte nur, erkennen Sie an, daß dieses Gesetz von 18650 zu unsinnigen Konsequenzen geführt hat. Wenn wir

. 1910.

das anerkennen müssen, dann müssen wir es gie für gerechtfertigt halten, die Sache als Material der Königlichen Staatsregierung zu üherweisen. Es würde dem Herrenhause nicht gut anstehen, zu sagen: alles ist in schönster Ordnung, gehen wir zur Tagesordnung über. Graf von Hutten-⸗CGzapski: Ich bitte, dem Antrage nicht zu ent⸗ sprechen. Dieses Gesetz ist der französischen Gesetzgebung entnommen und hat sich sowohl in seinem Ursprungslande Frankreich wie bei uns sehr bewährt. Es hat den Zweck, derartige Enischädigungen auf breitere Schultern abzuwälzen, und es mag dahingestellt fein, ob die Kommunen oder ein anderer Verband dafür die richtige Stelle sein sollen. Jedenfalls wäre es eine ungewöhnliche Härke, wenn ein einzelner Mann, der bei einem solchen Aufruhr heschadigt wird, sich an niemand halten und durch seinen Schaden vielleicht ruiniert werden könnte. Soviel ich im vorliegenden Fall die Sache beurteilen kann, glaube ich, daß, wenn das Gesetz Über die Haftpflicht der Beamten schon da— mals bestanden hätte, der Staat haftbar gewesen wäre und nicht die

Stadt Breslau. Ich glaube, daß der borliegende Fall am wenigsten dazu

.

. ist, eine . des Gesetzes herbeizuführen. Dieser Fall gehört zu den traurigsten, die sich denken lassen. Ein Schutz⸗ mann, der einem Mann die Hand abgehauen hat, und zwei seiner Kollegen haben die Feigheit gehabt, diesen Fall zu verschweigen. Ich glaube, daß diese drei Leute entschieden unwürdig sind, die Uniform zu tragen, und daß, wenn sie nachher ermittelt werden sollten, man ihnen die Uniform abnehmen sollte, nicht wegen des Falles selbst, sondern weil sie ihn verschwiegen haben. Wenn Sie das Gesetz ändern wollten, so müßten Sie einen anderen verantwort— lichen Verband finden; das ist aber leichter gewünscht als getan. Es wäre jedenfalls notwendig, daß in dieser Petition gesagt wäre, wer dafür verantwortlich sein oll

Herr Dr. Bender: Der Vorredner hat die Petition miß⸗ verstanden. Es steht ja gar nicht in Faß daß wir den Fall niemals praktisch geltend . wollen, der Zweck des Petitums ist nur, die Regierung auf die großen Mißstände, die auf diesem Gebiete zutage getreten sind, aufmerksam zu machen und, zu erwägen, ob nicht eine Aenderung des Gesetzes möglich ist. Weiter ist nichts verlangt; in der Würdigung des nnn Biewald haben wir uns die größte Zurückhaltung k

Herr Dr. Hamm; Der Gedanke des aus Frankreich stammenden Tumultgesetzes ist nicht bloß, die Haftbarkeit auf breitere Schultern zu legen, sondern auch das Verantwortlichkeitsgefühl des einzelnen Bürgers zu schärfen.

Herr Dr. Rive: Wie soll diese letztere Forderung durchgeführt werden in einer Stadt mit Königlicher Polizeiverwaltung? Mit diesem Verantwortlichkeitsgefühl wird ein ganz bedenkliches Prinzip aufgestellt. In den Her Jahren ist in den meisten preußischen Städten noch keine Königliche Polizeiberwaltung gewesen, da war Stadtregiment und Polizeiregiment identisch, da war es richtig, den Bürgern zu sagen: . ihr selbst durch euere Einrichtungen für Ordnung, sonst bt ihr die Folgen zu tragen. Inzwischen haben sich aber die Verhältnisse kolossal geändert; in den großen Städten sind die städtischen Polizeiberwaltungen durch Köni lich ab⸗ elöst worden, und da darf sich der Bürger gar nicht mehr in das ö einmischen. ie kann man da noch dieses veraltete

esetz in ,, bringen? Hier hat das Abgeordnetenhaus sichM geirrt, wenn es gleichfalls zur Tagesordnung überging. Die Verhält⸗ nisse haben sich geändert, das Recht ff ich danach auch ändern. In einer Stadt mit Königlicher Polizei ist der Ersatzpflichtige nach den heutigen tatsächlichen Zuständen der Staat. Wir können also nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Herr Dr. . Im zweiten Teil der Petition liegt unzweifel⸗ haft ein berechtigter Kern; deshalb kann jedes Mitglied des Hauses für meinen Antrag . Wir wünschen ja weiter nichts als das Minimum, daß die Regierung die Frage der Reformbedürftigkeit des Gesetzes überhaupt einer Erwägung unterzieht.

Der Kommissionsantrag wird abgelehnt.

Herr von Buch spricht den Wunsch aus, daß über Petitionen von solcher prinzipiellen Bedeutung doch künftig tunlichst schriftlicher Be⸗ richt . werden möchte.

Graf Botho zu Eulenburg tritt dieser Anregung bei, hält es aber auch für notwendig, sofort ihre praktische Konsequenz zu ziehen, und beantragt die Zurückverweisung der Petition an die Kommission zur schriftlichen Berichterstattung.

Herr Dr. Bender weist darauf hin, daß es doch ohne Vorgang sei, mitten in der Abstimmung eine Geschäftsordnungsdebatte zu führen, und erinnert daran, daß uber seinen Antrag noch nicht abgestimmt sei.

. Freiherr von Manteuffel erklärt sich bereit, den Wünschen der Herren von Buch und Graf zu Eulenburg dadurch erecht zu werden, daß er künftig auf schriftliche Berichterstattung in . Fällen hinwirken will.

Der Antrag Bender, die Petition der Regierung als Material zu überweisen, wird darauf mit erheblicher Mehrheit angenommen.

Gemäß dem Antrage der Kommunalkommission, Referent Ober⸗ bürgermeister Oertel Liegnitz, geht das Haus über eine Petition des Qberbürgermeisters Költze⸗Spandau namens des Vorstandes des Brandenburgischen Städtetages um a. uneingeschränkte Ausdehnung der persönlichen Steuerbefrelung nach 5 5 des Stempelsteuergesetzes auf die Gemeinden, b. Gewährung von Entschädigung für die im Reichs- oder Staatsinteresse zu übernehmende Erfüllung öffentlich⸗ rechtlicher Aufgaben an die Gemeinden zur Tagesordnung über.

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Schluß 44 Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag, 10 Uhr. (Petitionen; Eisenbahnanleihegesetz. Vorlage wegen der Feuer⸗ ingen: Gesetz, betreffend den Nogatabschluß; kleinere Vor⸗ lagen.

Haus der Abgeordneten. 87. Sitzung vom 15. Juni 1910, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung, in der zunächst Peti⸗ tionen beraten werden, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Es folgt eine Reihe Petitionen um Anrechnung von Hilfslehrerdienstzeit bezw. Wartezeit der Ober⸗ lehrer auf ihr Besoldungsdienstalter und um Nach⸗ zahlung von Gehalt. Die Kommission hat beschlossen, die Petitionen von Professor Grützner in Breslau, Professor Schwarz in Breslau und Professor Dr. Doofe und Genossen in Berlin der Regierung zur Berücksichtigung, die Petitionen von Professor Dr. Cadura in Breslau, Professor Schmidt in Breslau, Professor Schlitt-Dittrich in Fulda und Dr. Kirsten in Strehlen (Schlesien) zur Erwägung zu überweisen. Die Petition von Professor Hofrichter in Memel soll durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt werden.

Regierungsassessor Dr. von Hülsen wendet sich gegen den Kommissionsbeschluß über die r . von Professor Hoofe. Es handle sich hier um die Anrechnung von Wartezeit für diejenigen Oberlehrer, die als Kandidaten noch nicht der Kandidatenordnung vom 15. Mai 1905 unterstanden hätten. Der Normaletat vom 4. Mai 1892 habe aber nur die Anrechnung remunerierter Hilfslehrertätigkeit in Aussicht gestellt, nicht die Anrechnung der Wartezeit schlechthin.