ist und von ihr eine wirksame Erleichterung des einheimischen Marktes nicht zu erwarten ist, eine solche Abschwächung nicht zulässig ist.
Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, ergibt sich für die Einfuhr— möglichkeiten aus den wichtigsten Produktionsgebieten des Auslandes folgendes Bild. Ich behandle die Einfuhr von lebendem Vieh ge— sondert von der später zu erörternden Einfuhr von Fleisch.
Aus Rußland dürfen von lebendem Vieh Schweine in be⸗— grenzter Zahl, wöchentlich 2500 Stück, in sieben Schlachthäuser Oberschlesiens eingeführt werden. Bei den derzeitigen Seuchen— verhältnissen in Rußland dürfte es sich nicht empfehlen, hier weitere Erleichterungen zu gewähren, zumal das Kontingent in den letzten Jahren tatsächlich niemals vollständig geliefert worden ist. (Sehr richtig! rechtes und in der Mitte. — Zurufe links.)
Aus Desterreich⸗Ungarn dürfen Schlachtrinder ohne Einschränkung in alle dafür vorschriftsmäßig eingerichteten deutschen Schlachthäuser — es sind das mehr als hundert — Schlachtschweine unter gewissen Vorsichtsmaßregeln in begrenzter Zahl, jährlich 80 000 Stück, in die bayerischen und sächsischen Grenzschlachthäuser Rosenheim, Passau und Bodenbach eingeführt werden.
Den von verschiedenen Seiten gegebenen Anregungen, für diese Schweineeinfuhr weitere Erleichterungen herbeizuführen, glaubt der Herr Reichskanzler keine Folge geben zu können. Formell würden solche Erleichterungen eine Abänderung des Viehseuchenübereinkommens mit Oesterreich⸗ Ungarn bedingen. Ob dieses hohe Haus, von dem das Uebereinkommen seinerzeit genehmigt ist, hiermit einverstanden sein würde, muß um so zweifelhafter erscheinen, als bei der jetzigen un⸗ gemein starken Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche in Oester⸗ reich Ungarn — es sind rund 62 000 Gehöfte verseucht — (hört, hört! rechts und in der Mitte), solche Erleichterungen zurzeit erheb⸗ lichen veterinärpolizeilichen Bedenken unterliegen. Dazu kommt, daß in Oesterreich⸗Ungarn bekanntlich mindestens ebenso lebhaft über Fleischteuerung geklagt wird wie bei uns. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.)
Aus der Schweiz war die Einfuhr von Rindvieh und Ziegen wegen der dort herrschenden Maul- und Klauenseuche zeitweilig ganz verboten. Seit September d. J. ist sie für die sogenannten Fleck— viehkantone, das heißt den nördlich und westlich des Hochkammes der Alpen liegenden Teil, zu dem insbesondere das wichtige Produktionsgebiet des Simmentals gehört, wieder gestattet, weil aus diesen Kantonen die Maul- und Klauenseuche, die dort überhaupt seit Jahren nur ganz vereinzelt und vorübergehend aufgetreten war, seit Februar d. J. nicht mehr zur Meldung gelangt ist.
Gegen Frankreich bestand bis vor kurzem ein völliges Vieheinfuhr⸗ verbot, das seinerzeit aus Anlaß der Maul. und Klauenseuche erlassen worden war. Nachdem diese Seuche in Frankreich seit anderthalb Jahren vollständig erloschen ist, und da der Umfang der anderen in Frankreich herrschenden übertragbaren Viehseuchen für unseren Vieh⸗ bestand weniger bedrohlich ist, hat sich der Reichskanzler auf Antrag der süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg, Baden, Hessen und Elsaß⸗Lothringen damit einverstanden erklärt, daß eine ziffern— mäßig nach Wochenkontingenten begrenzte Zahl französischen Schlacht- viehs (Rindvieh und Schweine) zur sofortigen Abschlachtung in solche bestimmt bezeichnete Schlachthäuser dieser Staaten ein— gelassen wird, die mit den vorschriftsmäßigen Einrichtungen für Autlandsvieh, insbesondere mit besonderem Gleisanschluß, versehen sind. Die Zustimmung ist außerdem an die Voraussetzung geknüpft worden, daß die Einführung wieder verboten wird, sobald die Seuchen⸗ verhältnisse Frankreichs sich in einer für unseren Viehbestand bedroh—⸗ licheren Weise verschlechtern sollten, und daß ferner alle vom Kaiserlichen Gesundheitsamt als erforderlich bezeichneten Vorsichtsmaßregeln dabei beachtet werden. Die Reichsleitung ist mit dem Kaiserlichen Gesundheitsamt und mit den süddeutschen Regie⸗ rungen der Ansicht, daß unter den bezeichneten Voraussetzungen durch die Einlassung des französischen Schlachtviehs in dem zugelassenen Umfang eine Gefahr der Seucheneinschleppung nicht begründet ist. Aus Holland und Belgien ist die Einführung von lebendem Schlachtvieh nicht gestattet. Das Verbot gründete sich seinerzeit auf die in großer Verbreitung dort herrschende Maul⸗ und Klauenseuche. Es sind jahlreiche Anträge namentlich auch von den Städten des westdeutschen Industriebezirks an den Herrn Reichskanzler gelangt, die Aufhebung des Einfuhrverbots wenigstens Holland gegenüber zu veranlassen. Der Herr Reichskanzler hat aber in Uebereinstimmung mit dem Königlich preußischen Herrn Landwirtschaftsminister, der für die Aufhebung zunächst zuständig sein würde, und dem Kaiserlichen Gesundheits— amt Bedenken getragen, diesen Anträgen weitere Folge zu geben. Holland war in den Jahren 1907 und 1908 ungewöhnlich stark ver— seucht, und immer noch wieder treten einzelne Seuchenfälle dort auf. Man muß also annehmen, daß der Krankheitsstoff immer noch im Lande vorhanden ist und bei geeigneter Gelegenheit Neuausbrüche, die gerade unter nicht verseucht gewesenen Viehbeständen besonders ge⸗ fährlich zu werden pflegen, hervorrufen kann. Die Einlassung holländi⸗ schen Viehs erschien hiernach umsoweniger berechtigt, als frisches Fleisch von dort ohne Beschränkung eingeführt werden darf und tat— sächlich auch in nicht unerheblichem Umfang eingeführt wird. Es ist im Jahre 1909 für 11 Millionen Mark frisches Fleisch aus Holland eingeführt worden.
Aus Dänemark ist die Einfuhr von Wiederkäuern auf dem Seewege mit zehntägiger Quarantäne gestattet. Die Rinder unter⸗ liegen außerdem nach dem Bundesratsbeschluß vom 17. Februar 1898 der Tuberkulinprüfung und sie dürfen alsdann nur zu
sofortiger Abschlachtung — gleichwie die österreichischen Rinder — in bestimmte Schlachthäuser eingeführt werden. Die Bestimmungen von 1898 haben ihren Grund in der Beobachtung, daß unter den eingeführten dänischen Schlachtrindern im hohen Maße die Tuberkulose verbreitet war. Die Tuberkulinprüfung erschien damals als das ver—⸗ hältnismäßig einfachste und sicherste Mittel, diese Krankheit zu er— kennen und sich gegen ihre sanitäts⸗ wie veterinärpolizeilich gleich un⸗ erwünschte Masseneinschleppung zu schützen.
Inzwischen hat man sich leider mehr und mehr davon überzeugen müssen, daß die Tuberkulinimpfung als Schutzmaßregel in mehr— facher Beziehung nicht einwandfrei ist. Es ist deshalb in Aussicht genommen, sobald die darüber schwebenden, mit Beschleunigung ge⸗ . Erörterungen zum Abschluß gebracht sein werden, die kuberkulinimpfung durch ein anderes vollkommeneres Verfahren zu ersetzen. Der von verschiedenen Seiten angeregte Wegfall oder eine wesentliche Verkürzung der Quarantäne, die jetzt schon für dänischeg Vieh nur 10 Tage statt der sonst allgemein vor⸗
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Fall der Ersetzung der Tuberkulinimpfung durch ein anderes Verfahren nicht ermöglichen lassen, da eine genaue gesundheitliche Prüfung und Beobachtung der Rinder stets notwendig sein wird.
Die Einfuhr aus Amerika endlich ist für Nindvieh wegen des Texasfiebers verboten, für andere Wiederkäuer und Schweine mit vierwöchiger Quarantäne gestattet. Eine Aenderung dieser Einfuhr⸗ beschränkungen erscheint aus veterinärpolizeilichen Gründen nicht angängig.
Hinsichtlich der Einfuhr von frischem Fleisch ist zunächst darauf aufmerksam zu machen, daß Schweine⸗, Schaf⸗ und Ziegenfleisch aus allen Ländern, ausgenommen Rußland und die Hinterländer Oester⸗ reich⸗Ungarns (das sind die Balkanstaaten und Vorderasien), Rind⸗ fleisch gleichfalls aus allen Ländern mit Ausnahme von Rußland, den Hinterländern von Oesterreich⸗Ungarn sowie von Belgien und Amerika ohne Einschränkung frei eingeführt werden darf. Als wirtschaftlich bedeutsame weitere Erleichterung könnte hiernach nur die Zulassung der Fleischeinfuhr aus Rußland und derjenigen von Rindfleisch — in gefrorenem oder gekühltem Zuftande — aus Amerika in Frage kommen.
Die Fleischeinfuhr aus Rußland ist wegen der Rinderpestgefahr verboten, und es dürfte sich nicht empfehlen, hieran etwas zu ändern, da die Rinderpest im Kaukasus und im asiatischen Rußland noch dauernd herrscht, und auch sonst in Rußland gefährliche Vieh⸗ seuchen stark verbreitet sind.
Die Einfuhr von Rindfleisch aus Amerika ist, wie die des lebenden Rindviehs von dort, wegen des Texasfiebers verboten. Wenn nun auch die sich hieraus ergebenden veterinärpolizeilichen Bedenken dem Fleisch gegenüber geringer sein dürften als dem lebenden Vieh gegen— über, so würde eine Aufhebung des Fleischeinfuhrverbots doch praktisch voraussichtlich so lange ohne Wirkung bleiben, als für diese Einfuhr die Bestimmung des 512 des Schlachtvieh⸗ und Fleischbeschauungsgesetzes gilt, wonach sie nur in ganzen oder halben Tierkörpern im natürlichen Zusammenhange mit den inneren Organen zulässig ist. Denn dies Erfordernis in Verbindung mit der Fleischbeschau am Einfuhrorte läßt sich für überseeisches gefrorenes oder gekühltes Fleisch technisch schwer und jedenfalls nur mit so viel Risiko und Kosten erfüllen, daß dadurch eine Einfuhr in größerem Maßstabe unwahrscheinlich gemacht wird. Die Aufhebung des Einfuhrverbots würde daher nur dann einen Sinn haben, wenn gleichzeitig jener 5 12 des Fleisch⸗ beschaugesetzes aufgehoben oder geändert würde.
Einer Aufhebung oder Aenderung des § 12 dieses Gesetzes stehen aber nach der Auffassung der Reichsverwaltung, die sich auf das sach⸗ verständige Gutachten des Kaiserlichen Gesundheitsamts stützt und sich hierin auch mit der Königlich preußischen landwirtschaftlichen Ver⸗ waltung in Uebereinstimmung befindet, erhebliche Bedenken entgegen. Während das inländische Fleisch einer zweimaligen Untersuchung — vor und nach der Schlachtung — unterliegt, kommt für das ausländische Fleisch nur eine einmalige Untersuchung — nach der Schlachtung — in Betracht. Diese muß deshalb auch besonders zuverlässig und gründlich sein. Um aber ein solches Ergebnis erzielen zu können, ist es insbesondere geboten, daß die inneren Organe nur im Zusammen⸗ hang mit den Tierkörpern eingeführt werden. Denn gerade die Unter⸗ suchung dieser Organe ermöglicht erst die sichere Feststellung, ob das Fleisch von gesunden oder von kranken Tieren stammt. Würden die Tierkörper ohne die inneren Organe zur Einfuhr zugelassen, so würde die Erkennbarkeit gewisser Krankheiten, an denen die Tiere möglicher weise gelitten haben, überhaupt nicht möglich und die Erkennbarkeit anderer Krankheiten wesentlich erschwert sein. Der jetzt bestehende Schutz gegen die Einfuhr gesundheitsschädlichen Fleisches würde also eine bedenkliche Ab⸗ schwächung erfahren.
Dle inneren Organe nicht im Zusammenhange mit den Tier⸗ körpern, sondern getrennt von diesen zur Einfuhr zuzulassen, erscheint um des willen nicht tunlich, weil dann nicht mit genügender Sicherheit festgestellt werden kann, ob die inneren Organe zu den betreffenden Tierkörpern gehören. Auch durch die Anordnung einer Stempelung wird der Möglichkeit einer Verwechslung oder sonstiger Manipulationen nicht genügend vorgebeugt.
Es ist dann ferner angeregt, durch eine Ermäßigung oder Be⸗ seitigung der auf Fleisch und Viehfuttermitteln liegenden Einfuhrzölle auf eine Herabminderung der Fleischpreise hinzuwirken.
Gegenüber diesen Anregungen kann ich mich auf die Erklärung beschränken, daß der grundsätzliche Standpunkt, den die verbündeten Regierungen aus ähnlichen Anlässen hier vertreten haben, nach Auf⸗ fassung des Herrn Reichskanzlers festzuhalten ist, daß daher an den Einzelsätzen unseres wohldurchdachten, auf sorgfältiger Abwägung aller in Betracht kommenden wirtschaftlichen Interessen beruhenden Tarif— systems nicht gerüttelt werden darf. (Sehr gut! rechts.)
Was die Zölle auf Futtermittel betrifft, so darf ich noch daran er⸗ innern, daß nach dem Zolltarif von 1902 zollfrei sind: alle Grün⸗ und Raufutterarten, Futterrüben, Möhren, Wasserrüben und sonstige Feld⸗ rüben sowie fast deren sämtliche Samen. Ferner alle Kleiearten ohne Ausnahme, so auch Maiskleie (Maiskuchen), Reiskleie und Mandelkleie, endlich die mannigfachen und besonders wichtigen Rück— stände der Oelmüllerei, wie Leinkuchen, Rapskuchen, Baumwoll⸗ samen, Palmkerne und dergleichen, nicht minder die Malzkeime, Treber und schließlich sämtliche Rückstände der Stärke⸗, Branntwein⸗ und Zuckererzeugung. Zollpflichtig sind, abgesehen von einzelnen Leguminosen, zurzeit nur die Futtergerste, und zwar seit dem In⸗ krafttreten des neuen Zolltarifs, zu dem gegen früher um O70 M ermäßigten Zollsatz von 1,30 , und der Mais, der seit dem gleichen Zeitpunkt zu dem erhöhten Zollsatz von 3 „ eingeht.
Diese Zollsätze sind zurzeit für nötig befunden im Interesse der
Stärkung und Steigerung unserer einheimischen Futterproduktion; insbesondere, was den Mais betrifft, vornehmlich zum Schutze des für unsere Landwirtschaft unentbehrlichen Kartoffelbaues. Im übrigen ist trotz des Zolles die Einfuhr von Gerste gestiegen: unter dem alten Zollsatz von 2 ν von 7,8 Millionen Doppelzentner im Jahre 1900 auf 16,2 Millionen Doppelzentner im Jahre 1905 und unter dem ermäßigten Zollsatz von 1,30 von 17,21 Millionen Doppelzentner im Jahre 1907 auf 23,92 Millionen Doppelzentner im Jahre 1909. Auch hier gilt der Satz, daß der sicherste Schutz gegen die Gefahren eines Mangels an Fleisch in der Stärkung und Vermehrung der in hohem Maße erweiterungsfähigen eigenen Pro— duktionsmöglichkeiten liegt; darum kann auch auf die bestehenden Zölle zum Schutze unserer eigenen Vieh⸗ und Fleischproduktion nicht verzichtet werden.
Futtermittel in Anregung gebracht. Die Festsetzung dieser Tarife
geschriebenen S Wochen beträgt, wird sich indessen auch für den
Endlich ist eine Ermäßigung der Eisenbahntarife für Vieh und 3
steht den einzelnen Landesregierungen für den Bereich ihrer
bahnen zu. Für die preußisch-⸗hessische Eisenbahngemeinschaft kann ich nach Benehmen mit dem Königlich preußischen Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten hierzu folgendes erklären: Die Eisenbahnfrachtsätze für Tiere sind an sich niedrig. Es entfällt z. B. an Fracht auf ein Pfund Lebendgewicht bei Beförderung a. von 100 Schweinen mittleren Gewichtes in einem doppelbödigen Wagen von 18 4m Flächeninhalt auf eine Entfernung von 100 km 22 Pfennig, von 500 km 72 Pfennig, von 1000 km von 1,20 6, von 12 schweren Mastochsen in einem einbödigen Wagen von 22 qi Flächeninhalt auf eine Entfernung von 100 km 29 Pfennig, von 500 kin 94 Pfennig und von 1000 km der Betrag von 1ñ55 (.
Besonders niedrig erscheinen aber die Tiertarife im Vergleich mit den Gütertarifen, namentlich bei Berücksichtigung der eilgutmäßigen Behandlung der Tiersendungen. Zum Beispiel beträgt die Fracht für einen doppelbödigen Wagen von 18 4m Flächeninhalt, der 100 mittlere Schweine im Gesamtgewichte von 12 500 kg faßt, und für einen ein— bödigen Wagen von 22 4m Flächeninhalt mit 12 schweren Ochsen im Gesamtgewicht von 9000 kg auf eine Entfernung von 100 km für die Schweine bb, 390 , für die Ochsen 52,80 M, auf eine Ent— fernung von h00 km für die Schweine 181,B10 „, für die Ochsen 168,30 K, auf eine Entfernung 1000 Km für die Schweine 300,80 und für die Ochsen 278,30 46. Dagegen stellt sich die Fracht für 10 000 kg nach der allgemeinen Wagenladungsklasse auf eine Ent— fernung von 100 km auf 72 , auf eine Entfernung von 500 km auf 312 S, auf eine Entfernung von 1000 km auf 612 6. Nach dem Spezialtarif Jstellen sich die Sätze auf 54 A6 bei 100 km, auf 237 S6 bei h00 km, auf 462 ½ bei 1000 km, nach dem Spezial— tarif IJ1 auf 44 M bei 100 km, auf 187 S bei bo0 km, auf 362 S½ bei 1000 km und nach dem Spezialtarif 1 auf 34 4 bei 100 Km, auf 122 M bei 500 km, auf 232 6 bei 1000 km. Die Tierfracht, die auf niedrige Entfernungen etwa der Fracht für Güter des Spezialtarifs J entspricht, ermäßigt sich hiernach mit der zunehmenden Entfernung bis auf die Güterfrachten nach den Spezigltarifen IJ1 und III. Noch mehr aber fällt die billige Be— förderung von Tieren ins Gewicht, wenn der Wert von Gütern und Tieren der verschiedenen Klassen in Betracht gezogen wird. Es fallen zum Beispiel in den Spezialtarif II: Futtermittel, Dünge— mittel, Erze, Roheisen. Bei diesen niedrigen Sätzen der Tierfrachten, die im Vergleiche zu dem Werte der Sendungen wenig ins Gewicht fallen, würde eine Ermäßigung der Eisenbahntarife auf den vom Kon— sumenten zu zahlenden Marktpreis für Fleisch, wenn überhaupt, nur von äußerst geringer Wirkung sein können.
Zur. Verbilligung des Bezuges von Fleisch haben die preußischen Staatsbahnen seit der Fleischteuerung des Jahres 1906 besondere Maß— nahmen getroffen. Sie haben den Ausnahmetarif für Fleisch von frisch geschlachtetemn Vieh für die Zeit vom 1. Januar 1907 bis zum 31. Dezember 1909 eingeführt und seine Gültigkeit bis zum 31. De— zember 1912 verlängert. Der Ausnahmetarif, dem fast alle deutschen Eisenbahnen beigetreten sind, gewährt die eilgutmäßige Beförderung, und zwar bei Stückgut gegen die einfache Stückgutfracht, bei ganzen und halben Wagenladungen gegen besonders ermäßigte Frachten.
Die Beförderung der Futtermittel, z. B. Kartoffeln, Rüben, Kleie, Melasse, Oelkuchen, Schlempen, Fisch⸗ und Fleischfuttermehl, Häcksel, Heu, Stroh, Viehsalz, Viehzucker usw., erfolgt mit wenigen Ausnahmen bereits nach der niedrigen ordentlichen Tarifklasse, dem Spezialtarif II, wogegen zu den höheren Sätzen des Spezialtarifs nur Getreide und Hülfenfrüchte, Futterbrot und Eicheln befördert werden. Für wichtige Futtermittel, wie Kartoffeln, Rüben, Rüben⸗ schnitzel usw.I‚, Häcksel, Heu und Stroh, gilt auf den Strecken der preußisch-hessischen und zumeist auch der anderen deutschen Staats— bahnen der Rohstofftarif mit seinen den Spezialtarif III noch er— heblich unterbietenden Sätzen.
Bei diesen niedrigen Frachtsätzen für Futtermittel erscheint eine weitere Ermäßigung kaum tunlich.
Auch die derzeitige Lage des Futtermittelmarktes erfordert aber eine solche einschneidende Maßnahme wie Frachtermäßigungen nicht; sie ist den Konsumenten günstiger als früher und besonders als in den letzten beiden Jahren, wie dies aus folgenden Uebersichten hervor— geht: Es kostete Futtergerste, 1000 kg, südrussische, in Bremen, un— verzollt, im Oktober 1905 108,75 S, im Oktober 1906 108, — (6, im Oktober 1907 143,ů „5 ½, im Oktober 1908 121, — „6, im Oktober 1909 109,75 M und im Oktober 1910 100,75 ; sie war also billiger, als sie im Laufe der ganzen Zeit seit 1905 gewesen ist.
Es kostete Mais, 1000 kg, amerikanischer, in Breslau im Ok— tober 1904 137,5 4K, im Oktober 1905 138,5, im Oktober 1907 158, im Oktober 1908 177,5, im Oktober 1909 161,00, im Oktober 1910 140,00 6. Bei Mais liegt die Lage also so, daß er im Oktober 1910 erheblich billiger gewesen ist als in den drei vorangegangenen Jahren und nur unwesentlich teurer als in den Jahren 1904 und 1905, in denen er noch zu den niedrigen Zollsätzen einging. (Hört! hört! rechts.)
Meine Herren, ich glaube mich beiden Interpellationen gegen— über meinerseits zunächst auf diese Erklärungen beschränken zu dürfen. Im übrigen wird der Königlich preußische Herr Minister für Landwirtschaft die Interpellationen beantworten.
Schließlich möchte ich noch bemerken, daß ich heute einen Bericht des Kaiserlichen Gesundheitsamtes über den Einfluß der Fleischversorgung auf die Volksernährung habe verteilen lassen, dessen Daten auch über die heutige Debatte hinaus vielleicht nicht ohne Interesse sind.
Ob eine vergleichbare Uebersicht der Kleinhandelspreise für Fleisch in den wichtigsten Ländern Europas, wie sie die Interpellation des Herrn von Normann und seiner politischen Freunde wünscht, beschafft werden kann, erscheint mir, soweit sich das vorliegende Material übersehen läßt, sehr zweifelhaft. Ich werde diese Frage jedoch prüfen lassen. (Bravo! rechts.)
Preußischer Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Freiherr Dr. von Schorlemer:
Meine Herren! Ich kann es auch vom Standpunkte der preußischen landwirtschaftlichen Verwaltung nur mit Dank begrüßen, daß die Beantwortung der jetzt eingebrachten Interpellationen wegen der Fleischteuerung auch mir Gelegenheit gibt, im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Vertreters des Reichskanzlers noch näher auf die Gründe einzugehen, welche die Stellungnahme des Herin
Reichskanzlers und auch der preußischen Staatsregierung gegenüber den Vorschlägen zur Minderung der Fleischpreise bestimmt haben.
Wenn in einem Teil der Presse und auch in manchen die Fleisch⸗ leurung betreffenden Eingaben nicht immer ein Ton beibehalten ist, der frei von Leidenschaftlichkeit und, ich darf auch sagen, von Ueber— treibung war (sehr richtig! rechts), so fühle ich meinerseits erst recht die Verpflichtung, mich in meinen Ausführungen auf dasz durch amt— liche Erhebungen festgestellte Zahlenmaterial zu stützen und rein sachlich und gewissenhaft die tatsächlichen Verhältnisse darzustellen, auf
welche die Behauptung von dem Vorhandensein einer Fleischnot und einer die Volksgesundheit gefährdenden Unterernährung gestützt wird.
Meine Herren, ich will, trotzdem es naheliegt, nicht auf die Frage eingehen, ob denn wirklich das Fleisch unter allen Umständen das einzige und unbedingt notwendige Nahrungsmittel ist (Heiterkeit und Zurufe linké), ob es nicht noch andere Nahrungs- und Lebens⸗ mittel gibt (sehr richtig! rechts und Zurufe links), die in Zeiten der Teurung hei gleichem Nährwert und bei geringeren Preisen wenigstens einen großen Teil der Fleischnahrung ersetzen könnten. (Sehr richtig! rechts) Ich würde auch bei Bejahung dieser Frage an der Tatsache nichts ändern können, daß sich die Bevölkerung Deutschlands einmal an den Fleischkonsum gewöhnt hat, und daß man ihr auch nicht zu⸗ muten kann, auf dieses ihr lieb gewordene Nahrungsmittel zu ver— zichten. Ich gebe auch weiter gern zu, daß in machen, ja sogar in den meisten Städten Deutschlands die Fleischpreise eine bedauerliche Höhe erreicht haben. Was ich aber nicht zugeben kann, das ist die vielfach aufgestellte Behauptung, daß wir es im gegenwärtigen Augen— blicke mit einer auf dem Mangel an Zufuhr und an Viehproduktion im Inlande im wesentlichen beruhenden Fleisch not zu tun haben. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, es ist meines Erachtens überhaupt verfehlt, bei Prüfung der Frage, ob nun tatsächlich eine Fleischnot vorhanden ist und ob es auch in Zukunft notwendig werden wird, zur Beseitigung derselben einschneidende und dauernde Maßnahmen zu ergreifen, von einem einzelnen Teuerungsjahre auszugehen. Es liegt in der Natur der Dinge, daß die Viehproduktion unter der Einwirkung verschiedener wirt— schaftlicher Ursachen nicht immer die gleiche sein kann, und daß dem⸗ gemäß auch die Preise unter Umständen sich erhöhen oder verringern müssen. Wir hatten im Jahre 1904 und im Jahre 1908 besonders utterarme Jahre, und dieser Futtermangel hat, wie leicht verständlich, die Landwirte dazu geführt, so viel als möglich Vieh abzustoßen, um den Nest gut durch den Winter bringen zu können. Die Folge dleses verstärkten Viehauftriebs war selbstverständlich eine Zunahme des Fleischangebots, und diese Zunahme des Fleischangebots hat natürlich auch eine verstärkte Zunahme des Fleischkonsums auf den Kopf der Bevõollerung zur Folge gehabt. Wenn es trotzdem gelungen ist, auch im laufenden Jahre den Fleischkonsum auf einer Höhe zu erhalten, die selbst der jener Jahre nichts nachgibt, so ist damit meines Erachtens der Beweis geliefert, daß auch die gegenwärtige Fleischversorgung Deutsch⸗ lands durchaus nicht zu der Befürchtung berechtigt, daß wir einen Rückgang in der Fleischernährung der Bevölkerung zu erwarten haben. (Sehrrichtig rechts) Gestatten Sie mir, daß ich zur Begründung dieser Behauptung noch einige Zahlen anführe. Wenn man bis zum Jahre 1904 zurück, geht und für jedes Jahr in dem Zeitraum vom 1. Januar bis Ende September bloß das Ergebnis der gewerblichen Schlachtungen in Betracht zieht, so steht das Jahr 1910 mit ca. 195 Millionen Doppel- zentnern an erster Stelle. (Hört! hört! rechts) Nimmt man aus den in Betracht kommenden Zeitabschnitten nur das 3. Quartal vom Juli bis September heraus, so bleibt ebenfalls das Jahr 1910 mit 6 4900 000 dz an der Spitze. (Hört! hört! rechts Auf den Kopf der Bevölkerung stellt sich 1910 der Konsum in der Zeit vom 1. Januar bis Ende September auf 30,7 kg und in den Monaten Juli bis September auf 9,976 kg. Diese Zahlen werden nur in den Jahren 1909 und 1908 um ein Geringes übertroffen, in den übrigen Jahren bis 1904 zurück nicht erreicht. Im Jahre 1909 stellt sich für die Monate Juli bis September der Konsum auf 10,16 kg pro Kopf der Bevölkerung, im Jahre 1908 auf 10,165 kg, gegenüber diesen beiden Jahren ist der Rückgang des Jahres 1910 mit 0,189 bezw. 0, 14 kg . als ein nennenswerter nicht zu bezeichnen. Ich muß ausdrücklich Jäbei noch betonen, daß bei dieser Berechnung für die Jahre 1905—1910 eine wahrscheinlich in Wirklichkeit nicht ganz erreichte Volksvermehrung von 7,6 0½ berücksichtigt ist und daß außerdem die Hausschlachtungen in den mitgeteilten Zahlen nicht enthalten sind. (Hört! hört! rechts) Es ist aber eine ganz allgemein bekannte Tatsache, daß die Hausschlachtungen im wesentlichen Schweine betteffen, und daß nach den in Preußen stattgehabten Ermittlungen die Hausschlachtungen auch im letzten Jahre erheblich zugenommen haben. Daher glaube ich, in völlig ein⸗ wandsfreier Weise den Beweis geliefert zu haben, daß auch der Fleisch⸗ konsum im Jahre 1910 — und jedenfalls im dritten Quartal 1910 — nicht zurückgegangen ist. (Sehr richtig! rechts.)
In den Eingaben, welche die Fleischteuerung betrafen, haben ver⸗ schledene Stadtverwaltungen darauf aufmerksam gemacht, daß in ihrem Bezirke sich der Fleischkonsum erheblich vermindert habe. Soweit es möglich war, bin ich diesen Angaben nachgegangen, und es hat sich dabei — ich trete damit den städtischen Verwaltungen nicht zu nahe — im allgemeinen herausgestellt, daß diese Berechnungen aüf durchaus unsicherer Grundlage beruhten. (Hört! hört! rechts) Was z. B. die Stadt Cassel anbetraf, die einen ziemlich erheblichen Rückgang des Fleischkonsums pro Kopf der Bevölkerung verzeichnete, so war dabei nicht berücksichtigt worden, daß gerade dort eine große Fleischkonserven⸗ fabrik eingegangen war und infolgedessen die Schlachtungen in Cassel erheblich zurückgegangen waren. (Hört! Hört! rechts.) Und Düsseldorf, das sich ebenfalls über Rückgang des Fleischkonsums beklagte, hatte außer acht gelassen, daß dort neuerdings verschiedene Ortschaften ländlichen Charakters eingemeindet waren (hött! hört! rechts), und hierdurch auch die Fleischmenge für den Kopf der Be⸗ völkerung kleiner erscheinen mußte. Es ist ja von einem der Herren Vorredner schon erwähnt worden, daß statistisch nachgewiesen ist, daß in den Städten der Fleischkonsum erheblich größer ist, als auf dem Lande. Auch das läßt sich zum Beweis der von mir schon eingangs gemachten Behauptung verwerten, daß man allein vom Fleisch nicht leben kann, auch nicht zu leben braucht; denn wir sind uns ja alle darüber einig, daß der gesündere und kräftigere Teil der Bevölkerung auf dem Lande und nicht in der Stadt zu finden ist. (Sehr wahr! rechts.)
Nun hat der Herr Abg. Emmel — wenn ich ihn bei der schlechten Akustik des Hauses richtig verstanden habe — das verhältnis
Zahl der Pferdeschlachtungen zurückzuführen gesucht. Ich bin im
Augenblick nicht in der Lage, nach dieser Richtung für frühere Jahre Zahlen anzugeben; aber es war mir doch möglich, für das dritte
Vierteljahr dieses Jahres — für die Zeit vom Juli bis Oktober —
festzustellen, daß in Preußen allein die Schlachtung der Pferde gegen
denselben Zeitraum des Vorjahrs um 808 Stück zurückgegangen ist (Hört!
hört! rechts) und im Reichsgebiet um 749 Stück. Sie sehen daraus,
wie es mit solchen Mitteilungen bestellt ist, und wie jedenfalls die
Behauptung nicht begründet ist, daß der günstige Fleischkonsum des
letzten Jahres wesentlich der Zunahme der Pferdeschlachtungen zu⸗
zuschreiben ist.
Meine Herren — und das möchte ich auch dem Herrn Abg. Emmel
zur Antwort sagen —, ich kann bei dieser Sachlage nicht anders als
auf dem Standpunkt verbleiben, den ich bereits in meiner, der De⸗
putation des Deutschen Fleischerverbandes am 13. September d. J.
erteilten Antwort eingenommen und wenige Tage darauf durch ein
größeres Zahlenmaterial in der ‚Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“
belegt habe.
Mit dem günstigen Ergebnis bezüglich des Fleischkonsums
stimmen im allgemeinen auch die Ermittlungen überein, welche be⸗
züglich des Viehauftriebs an den größeren Plätzen Deutsch⸗
lands gemacht worden sind. Gegenüber dem fünfjährigen Durch⸗
schnitt der Jahre 1905 bis 1909 weist das Jahr 1910
für die Zeit vom Januar bis Oktober bei sämtlichen Tiergattungen,
Rindern, Schafen, Kälbern und Schweinen, eine zum Teil sehr er⸗
hebliche Zunahme auf. (Hört! hört! rechts Gegenüber dem Jahre
1909 ist allerdings im Zutrieb zu den Schlachthöfen der Hauptmarkt⸗
orte bei Rindern, Kälbern und Schafen ein Rückgang zu verzeichnen,
der insbesondere bei den Kälbern in der Zeit von August bis Oktober
d. J. auf über 47 000 Stück sich beziffert. Aber dieser Minderzufuhr
von Kälbern steht eine Mehrzufuhr von Schweinen in der Zahl von
über 94 000 Stück gegenüber (hört! hört! rechts), und auch bei den
Rindern ist für den Monat Oktober die erfreuliche Tatsache zu kon⸗
statieren, daß sich die Zufuhr zu den Schlachthäusern gegen den gleichen
Vormonat des Jahres 1909 um 1206 Stück gehoben hat.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Rückgang an Rindern und Kälbern sich wesentlich durch die schlechten Futterernten der beiden letztvergangenen Jahre erklärt, und daß durchaus kein Grund zu der Annahme vorhanden ist, daß in den kommenden Jahren eine weitere Verminderung des Viehbestandes eintritt. Vielleicht wird die bevor⸗ stehende Viehzählung am 1. Dezember schon ein günstigeres Resultat erbringen, weil wohl mit Bestimmtheit zu erwarten ist, daß die reich⸗ lichen Futtervorräte auch die Landwirte bewegen werden, so weit wie möglich das Vieh durchzufüttern und die Kälber vom Schlachtmarkte fernzuhalten. Wenn die Viehzählung in Bayern ein erheblich ungünstigeres Resultat ergeben hat, so wird nicht ganz außer acht zu lassen sein, daß Bayern schon seit Jahren einen nicht geringen Teil des Fleischbedarfs, was Ochsen angeht, aus Oesterreich deckt, und daß der hierdurch für das heimische Schlachtvieh herbei geführte Preisdruck, in Verbindung mit dem auch in Bayern in den letzten Jahren vorhandenen Futtermangel, schon nachteilig auf die Vieherzeugung in Bayern eingewirkt hat. Ich erwähne das deshalb, um Ihnen damit anzudeuten, wie nachteilig auf unsere heimische Vieherzeugung eine vermehrte Einfuhr fremden Viehs auf die Dauer wirken müßte. (Sehr richtig! rechts.)
Sollte aber auch, meine Herren, der Vorrat an Kälbern und Rindern in nächster Zeit sich nicht erheblich vermehren, so ist doch keineswegs die Fleischernährung in Frage gestellt, nachdem die Tat— sache feststeht, daß die Schweineproduktion in ganz erheblicher Zu⸗ nahme sich befindet. Wenn Sie dabei noch berücksichtigen, daß die Fleischeinsfuhr, und zwar Rind⸗ und Kalbfleisch, aus Däne⸗ mark und Holland ebenso wie auch die Einfuhr dänischer Rinder auch im letzten Jahre zugenommen hat, dann ist jedenfalls ein Grund zu einem besorgten Ausblick in die Zukunft, was das Vieh⸗ und Fleischangebot betrifft, nicht vorhanden.
Ich möchte zur Begründung dieser Ansicht, was die Verhältnisse speziell auf dem Markt in Berlin angeht, auch noch Bezug nehmen auf einen Bericht des hiesigen Polizeipräsidenten, der mir unterm 10. November dieses Jahres, also ganz kürzlich, zugegangen ist, und der auf die vermehrte Zufuhr von frischem Rind⸗ und Kalbfleisch aus Schweden und Dänemark im Oktober dieses Jahres am Berliner Markte hinweist. (Hört! hört! rechts) Die letzten Sätze dieses Berichts lauten folgendermaßen:
Wenn auch das aus dem Auslande stammende Fleisch auf dem Berliner Markt von jeher einen geringeren Preis als das inländische erzielt hat, so ist doch zu berücksichtigen, daß die Markt⸗ lage für den Verkauf von Fleisch sich im ganzen Monat Oktober für den Großhandel sehr ungünstig gestaltet hat. Bei andauernd starken Zufuhren in der Zentralmarkthalle ist das Geschäft meist schleppend bei nachgebenden Preisen. (Hört! hört! rechts) In dem von der städtischen Markthallendirektion herausgegebenen amt⸗ lichen Markthallenbericht werden allerdings die weichenden Preise noch wenig zum Ausdruck gebracht. In den letzten Tagen des Oktober ist ein noch weiterer Rückgang der Preise eingetreten. Vorderviertel von Kühen haben z. B. nur noch 48 bis 50 M pro bo kg erzielt. (Hört! hört! rechts.)
Aus dieser Mitteilung und aus den Zahlen, die ich vorher schon aufgeführt habe, geht zur Genüge herbor, daß der Auftrieb an Schlacht- vieh, trotzdem er in den letzten Monaten seit September dieses Jahres unter der herrschenden Maul⸗ und Klauenseuche selbstverständlich an vielen Marktplätzen gelitten hat, im großen und ganzen ein befriedigender geblieben ist, und daß jedenfalls in den Viehmarktverhältnissen die alleinige und ausschlaggebende Ursache der Verteuerung des Fleisches nicht erblickt werden kann. (Sehr wahr! rechts.)
Gestatten Sie mir nun, daß ich noch mit wenigen Worten auf die Gestaltung der Vieh- und Fleischpreise eingehe! Ich will Sie nicht mit weiteren Zahlen behelligen; ich möchte nur zunächst bezüglich der Viehpreise feststellen, daß der Monat Oktober allein noch bei Kälbern eine weitere Preissteigerung gebracht hat. Die Preise für Ochsen, Rinder, Schafe und Schweine zeigen an einzelnen Marktorten gegenüber den Vormonaten schon eine weichende Tendenz. Das ist bei Schweinen um so bedeutungsvoller, als wir bekanntlich ca. 50 o des ganzen Fleischkonsums mit Schweinen decken und als sonst regelmäßig im Monat Oktober bei Beginn der Dauerwaren⸗ fabrikation der Preis für Schweinefleisch sich höher zu stellen pflegt.
In diesem Jahre stellt sich im Oktober in Berlin der Preis pro Doppel⸗
einzelnen
Monate des Vorjahres, welches bekanntlich nicht als Teuerungs jahr betrachtet wird, 1581. (6. betragen hat. (Hört! hört! rechts) Es darf auch nicht unerwähnt bleiben, daß die Preise für Wild, Ge⸗ flügel und Fische in diesem Herbste keine Steigerung aufweisen; würde ein erheblicher Fleischmangel vorhanden sein, so hätte sich der Konsum diesen Ersatznahrungsmitteln in verstärktem Maße zuwenden und dadurch eine Preissteigerung herbeiführen müssen. (Sehr wahr! rechts.)
Was nun die Fleischpreise betrifft, so zeigen sie schon seit dem Jahre 1904 eine erheblich wechselnde, aber allgemein steigende Ten⸗ denz. Wir haben im Oktober 1910 beim Rind, Kalb⸗ und Hammel⸗ fleisch in Berlin den Höchststand sämtlicher Jahre seit 1901 erreicht. Benn Schweinefleisch ist der Preis im Oktober 1909 und auch im Oktober 1906 höher gewesen.
Aus einer in meinen Händen befindlichen Aufstellung, welche die Höchstpreise im Oktober 1910 mit den Höchstpreisen der Jahre von 1900 bis 1809 am Marktorte, Berlin vergleicht, ist es gewiß von Interesse, zu entnehmen, daß für das Pfund Rindfleisch, und zwar für Brustfleisch, der Preis im Oktober 1910 0,87 „ betragen hat, während er zB. im Jahre 1907 0, 95 und im Jahre 1909 O, 0 M betragen hat. (Hört! hört! rechts.)
Ich führe das an, meine Herren, um Ihnen zu beweisen — ich bemerke ausdrücklich, daß ich dieses Material noch ergänzen könnte — daß, wenn auch die Fleischpreise hoch sind, sie doch nicht außergewöhn⸗ lich hoch sind, und jedenfalls auch hier das Sprichwort Platz greift: es ist alles schon einmal dagewesen! (Sehr richtig! rechte). Eine Ausnahme macht nur das Kalbfleisch, während die Preise der übrigen Fleischsorten auch in anderen Jahren schon erreicht sind.
Nun kommt aber noch hinzu, daß bei den Preisen sämtlicher Fleischgattungen sich die sehr beachtenswerte Tatsache zeigt, daß die Fleischpreise sich durchaus nicht überall im Einklange mit den Viehpreisen befinden (hört! hört! rechts), daß die Fleischpreise nur sehr verspätet und langsam den sinkenden Viehpreisen zu folgen pflegen (sehr wahr! rechts), und daß sie ge⸗ wöhnlich noch sehr lange sich auf ihrer Höhe halten, wenn schon die Viehpreise eine entsprechende Reduktion erfahren haben. (Erneute Zustimmung rechts) Zu beachten sind ferner noch die erheblichen Preisunterschiede nicht allein in den einzelnen größeren Städten, sondern auch sogar in der Stadt Berlin in den einzelnen Markthallen. Das gibt zu denken und ist ein Beweis dafür, daß die Gestaltung der Viehpreise nicht allein von dem Viehangebot und der Vieh⸗ produktion im Inlande, sondern auch von einer ganzen Reihe anderer Faktoren abhängig ist, für welche jedenfalls die deutsche Landwirt⸗ schaft nicht verantwortlich gemacht werden kann. (Sehr richtig! rechts.) Vor einigen Tagen war im, Württembergischen Staatsanzeiger“ zu lesen, daß im ganzen Lande die Schweinepreise erheblich zurück⸗ gingen, daß aber leider die Metzger bisher dieser Preisminderung noch keine Folge gegeben hätten. (Hört, hört! rechts.)
Meine Herren, auch in anderen Gegenden Deutschlands zeigen sich Spannungen der Preise innerhalb der einzelnen Fleischsorten, zwischen den höchsten und den niedrigsten Preisen, die jedenfalls auf die besonderen örtlichen Verhältnisse und auch auf die Transportkosten allein nicht zurückzuführen sind.
Dies vorausgeschickt, glaube ich aber auch die allgemeine Be⸗ merkung nicht unterdrücken zu dürfen, daß mit Recht nicht erwartet werden kann, daß bei der Steigerung aller anderen Preise für Lebens⸗ und Nahrungsmittel allein die Vieh- und Fleischpreise denselben Stand behalten können! (Sehr richtig! rechts) Auch die fleisch- verzehrende Bevölkerung in den besser und in den weniger bemittelten Kreisen wird sich mit der Tatsache abzufinden haben, daß im Laufe der Jahre auch die Fleischpreise und die Viehpreise naturgemäß die Steigerung mitmachen, die sich bei den anderen Lebens- und Nahrungsmitteln und überhaupt in der ganzen Lebenshaltung bemerk— bar macht. (Sehr richtig! rechts) Es ist das auch ganz erklärlich“ weil auch dem Landwirt die Viehproduktion verteuert wird, nicht allein durch die höheren Steuern, durch die höheren Löhne (sehr richtig! rechts), sondern auch durch die Ansprüche, welche in bezug auf die Einrichtung der Stallungen, die Qualität des Viehes und auch in veterinärpolizeilicher Hinsicht gestellt werden. (Sehr richtig! rechts.)
Für die Steigerung der Fleischpreise kommen aber auch noch eine ganze Reihe von Umständen in Betracht, die ich hier nur kurz und andeutungsweise erwähnen möchte. Wenn Sie den Zwischen⸗ handel berücksichtigen, den Einfluß des Kommissionärs auf die Be⸗ schickung der Märkte (sehr richtig! rechts), die finanzielle Abhängigkeit des größten Teiles der Metzger und Fleischer von den großen Import⸗ und Kommissionsgeschäften (sehr richtig! rechts), wenn Sie dann weiter in Betracht ziehen, daß auch an den Schlachter heutigentags erheblich größere Ansprüche gestellt werden in bezug auf die Aus— stattung des Ladens, die Ausstellung des Fleisches, die Vermehrung seines Personals und die Ansprüche des Publikums insbesondere an die Zusendung und Versorgung mit Fleisch, dann ist es leicht er⸗ klärlich und begreiflich, daß auch der Schlachter, um zu seinem Gelde zu kommen, genötigt ist, einen entsprechenden weiteren Ausschlag gegenüber den Viehpreisen zu machen.
Wie, meine Herren, diesen Uebelständen abgeholfen werden lann und ob es überhaupt möglich ist, eine raschere und billigere Be⸗ förderung des Fleisches vom Produzenten zum Konsumenten herbeizu⸗ führen, das ist ein Problem, welches schon seit Jahren die Volks- wirtschaftler beschäftigt hat, welches ich aber auch heute noch als ungelöst betrachten muß. Aber ich kann trotzdem nicht unterlassen den Landwirten den Rat zu geben, soweit als möglich durch genossen schaftlichen Zusammenschluß die Beschickung einzelner größerer Schlacht ⸗ viehmärkte zu sichern (sehr richtig! rechts und damit auch zu dem beizutragen, was uns vor allem, vor allem auch der Landwirtschaft nottut, daß wir nicht schwankende, sondern möglichst stabile Preise haben (sehr richtig! rechts, Preise, mit denen der Konsumeut und mit denen vor allen Dingen auch der Produzent in seiner Erzeugung rechnen kann. (Lebhaftes sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, ich komme zum Schluß! Wenn ich gegenüber der Deputation des Fleischerverbandes der Ansicht Ausdruck gegeben habe, daß eine weitere Steigerung der Fleischpreise notwendigerweise auch zu Erwägungen führen müsse, wie der Fleischteuerung abzuhelfen sein würde, so kann ich diese Ansicht auch heute aufrechterhalten und trotz dem die Meinung vertreten, daß die gegenwärtige Lage des Fleisch⸗ und Viehmarkts einen Anlaß zu besonderen Maßnahmen nicht gibt. (Sehr richtig! rechts) Ich befinde mich im wesentlichen in Ueber.
mäßig günstige Resultat des Fleischkonsums auf die vermehrte
zentner Schlachtgewicht für Schweine auf 137 M, während er im gleichen
einstimmung mit einer Körperschaft, der man auch eine Kenntnis dez