Auträge auf Einführung des Menopolt und der Ersatᷣmittelsteuer mit verdrvreltem Gifer verfolgt.
Durch die Interpellation kommt nun die Zünd bolzindustrie in eine ganz eigenartige Situation. (Sebr richtig! in der Mitte und rechts.) Nun steht sie da inmitten zwei diametral auseinandergebender Zugkräfte. Daß dadurch ihre Lage nicht verbessert wird, das siebt sie selbst ein, und sie erläßt deshalb in ihrer offiziellen Zeitschrift einen wahren Notschrei gegen die Interpellation und gegen die Auf⸗ bebung der Zündwarensteuer. (Hört! hört! in der Mitte und rechts)
Ich muß Ihnen aus der betreffenden Nummer der Zeitschrift fär Zündwarenfabrikatien wenigstens eine der schwächsten Stellen dotlesen:
Die jetzige Wiederaufhebung der Steuer sagt die Zündholzindustrie selbst, würde also alle die schwer schädigen, derer die Interpellation ge⸗ denkt; die Industrie würde wirtschaftlich völlig ruiniert, der Zünd⸗ boljhandel ausgeschaltet und die Arbeiterschaft — gleich den Fa⸗ brikanten — ihr Brot verlieren. (Hört! hört! rechts und in der Mitte.)
Meine Herten, ich will nicht dazu beitragen, diese Situalion zu erschweren; ich beschränke mich deshalb darauf, die vositiwen Anträge der Zũndwarenindustrie noch kurz durchzugeben. Sie ist der Meinung, daß neben der Vowversorgung bauptsächlich der Vertrieb von Taschen⸗ feuerjeugen, Gasanzündern und anderen Ersatzmitteln den Absatz der Zündhölzer schädigt. Sie schätzt die Verdrängung der Zũndbõl jer Durch solche Ersagzmittel auf 10 bis 18590. Sie weist darauf hin, daß der Wettbewerb befördert sei durch die Erfindung des Cereisens und seine Verwendung als Zündmittel, und hebt bervor, daß neuer dings in den Ländern, die das Monopol oder die Steuer baben, auch gegen die Ersatzmittel vorgegangen werde. In der Tat bat Italien am t. März 1910 diese Ersatzmittel mit 15 Lire und Frankreich sie nech vor wenigen Tagen, am 29. Dezember 1910, mit einer Steuer von 2 bis 40 Franken, je nach dem Metall, aus dem sie besteben, und je nach ibren Dimensionen belegt.
Ich habe mir natürlich angelegen sein laffen, auch die Fabri⸗ kanten der Grsatzmittel selbst über diese Anregungen ju bören. Diese bestreiten, daß die Befürchtungen der Zündbolzindustriellen in so bobhem Maße zutreffen. Sie schätzen die Konkurten der Grsatzmittel nur auf etwa 24 90 des gesamten Absatzes an Zündhölsern. Sie berufen sich darauf, daß die Ersatzmittel be⸗ Teitzs vor dem Erlaß des Zündwarensteuergesetzes gelegentlich eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hätten; das sei Sache der Mode und vielfach Spielerei. Das Zündbolz werde sich durch die Ersatzmittel nicht verdrängen lassen; dazu seien diese selbst, soweit sie besser sind, zu teuer, namentlich mit Rücksicht auf die Kosten der Reparatur und der Instandhaltung, die schlechten Ersatzmittel aber so minderwertig, daß sie überhaupt dem Zündholz dauernd einen Wettbewerb nicht be⸗ reiten könnten.
Ich glaube nun allerdings, damit schätzen die Etsatzmittel· fabrikanten den Wert dieser Artikel zu niedrig ein. Ich babe den Eindruck, als ob vorläufig — und das bestätigt ia auch der Herr Vorredner — der Absaã des Ersatzmittels keineswegs im Rückgang begriffen sei. Im Gegenteil scheint das Weihnachts geschãft darin ein ungewobnlich lebhaftes gewesen zu sein. Die Bundesregierungen, die ich vor einiger Zeit befragt batte, waren jwar auch überwiegend der Meinung, daß diese Erscheinung eine vorübergehende sein werde; in- dessen wird man angesichts der neuen Erfahrungen an den Be⸗ hauptungen und Anregungen der Zundbolzindustriellen nicht vollständig vorübergeben dürfen, sie vielmehr einer eingehenden Prüfung unter⸗ jieben müssen. Man muß freilich bei jedem Vorgeben berũcksichtigen, daß die Ersatzmittelindustrie stark für die Ausfubr arbeitet. Ueber das Zũndhelzmonopol kann ich bier natürlich im Rahmen der Inter- pellation nicht gründlich sprechen. Gestreift ist die Frage schon im Sommer 1909 aus der Mitte dieses bohen Hauses. Im Auslande bestebt das Zündbolimonopol teilweise (so in Frankreich) in der Form des reinen Staatsmonopels sowobl für die Herstellung wie für den Vertrieb, andersmo mit Verpachtung an eine Vertriebsgesellschaft. Auch unsere Zündholzindustriellen baben sich bis ber nicht ein reines Staatsmoncpol, sondern die Ausübung durch eine Betriebsgesellschaft oder, wie sie sich ausdrücken, eine Aktiengesellschaft unter der Moncpol⸗ garantie des Staats vorgestellt, also wobl eine Art von Zwangs syndikat. Die Gesellschaft soll dem Reich eine Abgabe von 18 Millionen Mark im Anfang bis zu 384 Millionen Mark im Be⸗ harrungszustande jablen. Das ist nicht unerheblich mehr als die Steuer. Aber es läßt sich füglich bemweifeln, ob bei Zugrundelegung der bieberigen Prelse und mit Rücksicht darauf, daß der Gesellschaft doch durch ihre Betriebsform und durch die der Industrie zu zablenden Abfindungen bedeutende Unkosten erwachsen würden, ein derartiger Preis ausreichen könnte.
Dies, meine Herren, führt mich schließlich auf die Entwicklung und die gegenwärtige Gestaltung der Preise. Ich babe darüber ein- gebende Grbebungen veranstaltet, deren Ergebnisse im einzelnen ich Ihnen vielleicht in der Budgetkommission werde vorlegen dürfen, wenn, wie ich nach einer Aeußerung in der ersten Lesung des Etats annehme, die Sache dort noch einmal zur Sprache kommen soll. Hier kann ich nur das Endergebnis mitteilen.
Zunächst die Großhandelspreise für die Kisten ju tausend Paketen. Im April und Mai 18909 betrug der Grundpreis der damaligen Ken⸗ dention 73 bis 75 4 für die Kiste, der Nettoerlõs für die Fabriken nach Abzug der Rabatte 66 416. Die Preise des nach Eintritt der Steuer gegründeten Syndilats betrugen ohne Steuer 5 bis 97 4, der Nettopreis 91 bis 82 1, im Durchschnitt etwa S8 . Jetzt schwanken die Preise zwischen 4 und 80 , im Durchschnitt mögen sie 60 bis 65 4 betragen. Daraus geht bervor, daß nach Eintritt der Steuer die Preise nicht nur um den Betrag der Steuer, sondern außerdem noch um ctwa 20 bis 28 4 für die Kiste emporgeschnellt sind, und zwar — nach Angabe der Industrie — damit sie einen Ausgleich für das erhöhte Risiko und die vermehrten Unkosten er⸗ bielten. Diese Preise waren aber nicht haltbar. Sie wurden unter⸗ boten bon den Außenstehenden und sind jetzt wieder gesunken, und zwar, wie ich Grund babe anzunehmen, tellweise unter das Niveau, das vor Eintritt der Steuer in Geltung war.
Wa die Ginzelverkaufgpreise anlangt, so hatte das Syndikat den Prei von 30 für daß Paket ju 10 Schachteln festgesetzt. Der Kleinbandel ist bünßher dem Sinken des Großhandeltpreises nicht lberall gefolgt. Rur in den Warenhänsern wird vielfach weniger, und near in Berlin 25 und im Reiche durchschnittlich 26 4 ge⸗
nommen, an den anderen Verkaufsstellen Preise, die 2 bis 3 mehr betragen, beim Verkauf mehrerer Pakete aber wieder etwas weniger. Wat geht darauz Ferber? Daß die Preise neuerdings ganz er⸗
beblich gesunken sind, und zwar so weit, daß die Industrie selbst dieses
Sinken für gefahrdrohend hält. Aber eine Aufhebung der Steuer kommt doch auch aus diesem Gesichtspunkte nicht in Frage, am aller⸗ wenlgsten mit Rücksicht auf die kleinen Fabriken, die dadurch auch noch des Vorteils des Kontingents verlustig gehen würden. Wenn sich eine Krisig in der Zundholsindustrie entwickeln würde, so würde sie sich unzweifelhaft dahin vollziehen, daß ein Teil der kleinen Fabriken ein oder in größere Fabriken aufgehen würde. Es scheint das die Ent⸗ wicklung der Dinge in Italien gewesen zu sein, wo seit Einführung der Steuer im Jahre 1895 der Vertrieb der Zündhõlzer ganz außerordentlich zugenommen, dagegen die Zahl der Fabriken erheblich abgenommen hat. Wir müssen uns also besonders angelegen sein lassen, auf die Ver⸗ hältnisse der kleinen Fabriken zu achten. Deshalb ist es doch wobl auch für die Herren Intervellanten von besonderem Interesse, daß mir von kleineren Fabriken eine Anzahl von Zuschriften zugegangen ist, in welchen diese sich auf das dringendste gegen die Aufhebung der Steuer erklären. (Hört! bört! rechts und in der Mitte) Eine dieser Zuschriften enthält folgende Stelle:
Ob die Aufhebung der Zündholisteuer vom wirtschaftlichen und sinanzpolitischem Gesichtspunkte aus angebracht ist, will ich hier nicht untersuchen. Jedenfalls würde sie nur den Großbetrieben Vorteil bringen. Der Konsum würde unter Umständen annähernd die alte Höhe errelchen. In dem Konkurrenzkampf aber, der nach den bisherigen Erfahrungen in derselben unsinnigen Weise fortgesetzt werden würde, müßten die kleineren Fabriken, die schon jetzt in den letzten Atemzügen liegen, unterliegen.
Meine Herren, ich glaube, auch diese Stelle zeigt, daß die Inter pellation nicht auf dem richtigen Wege ist. (Sehr richtig! rechts.)
Ich gebe bereitwilligst zu, daß das Reich auch über seine Pflicht zur Fürsorge fär jeden Industriezweig hinaus hier zur besonderen Wachsamkeit verpflichtet ist, nicht nur aus eigenem Interesse, weil unter Umständen die Erträgnisse der Steuer in Mitleidenschaft kommen, sondern auch aus Rücksicht auf die mit der Steuer neuer⸗ dings belastete Industrie. Nur werden wir uns hüten müssen, auf vorübergehende Erscheinungen dauernde Entschließungen zu gründen. Wir werden somit den Angaben der Zündholzindustriellen sorgfältig nachgehen, aber freilich können wir das nicht an der Hand einer An⸗ regung, die sich gerade in der entgegengesetzten Richtung bewegt. (Lebhaftes Bravo rechts und in der Mitte.)
Auf Antrag des Abg. Dr. Müller- Meiningen fortschr. Volksp.) tritt das Haus in die Besprechung der Interpellation ein.
Abg. Graf von Opp ert dorff Zentr.): Ich stimme dem Kollegen Enders darin ju, daß es sich nicht um eine vorübergebende Er— scheinung dandest, und daß der Notftand ein schreiender ist. Die Sinh bo er sagmitielbestenerung ist auch nach meiner Meinung eine descheidene Ferderung der Inzustrie. Widersprechen muß ich aber der Auffaffung, daß die Beseitigung der Steuer das wirkt. famste Abbilfemittel sei; eine Begrundung für diese Auffassung habe ich nicht gehört. Der Abg. Roesicke ist nicht der Vater dieser Steuer. ir befinden uns gegenüber dieser Steuer noch mitten in der Uebergangsieit; wie kann man da, namentlich angesichts einer so ungebeuren Voreinfuhr von 6509 Doppelwaggons, mit solcher Sicherheit don einem Pauernden Netstande vrecken? Die Aus fübrungen über die Acheitszeit und über die Kontingentsũhertragung von einer Fabrik auf die andere schien mir dem politischen Programm kes Begründerg der Interpellatign nicht nm entsprechen. Die Be. steuerung der ündwaren und selbst das Monoxol sind gerade von den Liberalen, so von Dr. Osann und der Kälnischen Zeitung ge⸗ fordert worden; im Bülowschen Block wurde zuerst vom Monopol ge⸗ sprochen, der spätere Block wollte ursprünglich an diese Steuer gar nicht berangeben. Die Zändhol;isteuer ist ein. Kind Ter Linken, mindestens ein Adoptivkind; Tie nachträgliche Ver= leugnung ändert an dem Verwandtschafts verhältnis nichts, Der natienalliberale Hannoversche Courier. legte sich am, 19. Mat 109 aufs kraäftigste für die Zündholibesteuerung ins Zeug, und zwar mit einer durchschnittlichen jãhrlichen Belastung von 40 bis 50 3 für den Fopf der Bevölkerung. Eine gleiche Aus- lassung fand sich am 5. Juni 1909 in dem freisinnigen Berliner „Börsen⸗Courieri.! Am 6. Juli 1999 trat im Plenum Dr. Osann bedingt für das Staatsmonopol ein, und auch die Freisinnige Zeitung! meinte, mit der Verteuerung der Zündhölzer würde es nicht so schlimm werden. Jett aber stellt man es so dar, als ob die ZJändbolzsteuer das Lieblingsind der Finanzreformmehrheit des Reichstags sei. Der Kollege Mommsen bat in derselben Sitzung, in der der Kollege Ssann vom Monopol syrach und eine Steuer von 1 3 statt 17 * für die Schachtel befürwortete, sich gegen die Heraufsetzung des Schußzosleg ausgesprochen. Das hätte uns doch die freieste Kon- kurrenz des Auslandes ins Land gebracht, und diese Konkurrenz würde noch beute hesteken. Der Abg. Mommösen sprach sich aber auch gegen die Kontingentierung aus, und damit bätten wir neben der freiesten Kon⸗ kurrenz des Auslandes auch diejenige des Inlandes gehabt, unter der die kleineren Fabriken längst hätten verbluten müssen. Wäre man dem Abg. Mommsen gefolgt, so würde er heute vielleicht als der Er⸗= würger dieser Industrie angesprechen werden. Der Kollege Schwartz verwies schon damals auf die erbebliche Rolle, welche die Taschenfeuer= zeuge spielen; diese Rolle wird angesichts der weitgebenden Wünsche, die die Industrie geäußert bat, aufs genaueste zu untersuchen sein. Der bedrängten Industrie muß nicht mit schikanoösen Ueber⸗ wachungsbestimmungen, sondern mit wirksamen Erleichterungs maß regeln zu Hilfe gekommen werden, um ibre Notlage zu beseitigen; dazu gebert auch staatliche Kreditgewährung, wie sie . B. von, der meiningenschen Regierung geübt wird. Die Schuld an der Notlage ift auch einer Reibe von Unterlassungssünden beizumessen; eine der schlimmsten davon war neben der Freilassung der Feuerzeuge die Hinausschiebung des Inkrafttretens der Steuer, wie zablreiche Aeuße⸗ rungen aus der Branche feĩbst und in Dandelskammerberichten bezeugen. Auch die Rẽlnische 1 hat das neuerdings anerkannt; sie hebt dabei
i
herpor, daß auch Röniglich vreußische Behörden sich ausgiebig vor- verforgt hatten, sodaß für 6-5 Monate der Bedarf gedeckt war. Bellänñig bemerkt, hat die Zündholzindustrig über eine sehr schlechte Preffe verfügt. Die Cisenbahbndirektien Erfurt joll, wie mir be⸗ richtet wird, bedeutende Einschränkungen im Konsum von Streich- köefzern eingeführt haben; eine andere Direftion soll direkt vor dem Zändholzverbrauch gemarnt haben. Ich halte es nicht, für, über- Füffig, unfere Aufmerksamkeit bierauf zu lenken. Die Fabrikanten ollen enorm borderdient haben, meinte der Staatssekretär. Das scheint mir zu generell behauptet zu sein. In Frankreich ift der Kopf der Bevölkerung durch die Steuer mit 89 3 belastet; bei ung wird die Belastung in voller Wirksam⸗ keit der Steuer 35 3 betragen. Die Rentabilität der In⸗ duftrie ist dabei im Durchschnitt nur eine sebr geringe. In der Zeit der Hochkonjunktur haben die Händler die alten Ab⸗ schlüsse in unerhörten Mengen abgerufen und so die Fabrikanten eiwungen, zu den alten Preisen zu liefern, während die Händler elbft den ganzen Profit von den neuen höheren Preisen zogen. Die . konnten sich dieses Ansturms zum Teil nur durch Androhung von Prozesfen erwehren, die unter Umständen ebenfalls durch ibren Auzgang für die Fabriken ruinss. werden konnten. Das „PVorverdienen / ist also nicht etwa den abriken besonderz aeg, zckommen. Wag die Wänsche der Linken betrifft, so müßte munachst einmal festgestellt werden, ob die Aufhebung sofort oder nach einer
gewissen Frist eintreten soll. Das ist weder in Xr Intt⸗ pellatien selbst nech in ibrer Begründung gesagt. Vor allen müßten Uebergangsbeftimmungen ausgearbeitet werden, die nicht ner Schãdigungen hervorrufen. *. würde eine große Verwirrung m der Protultion wie im Handel und im Kredit angerichtet werden. Die Zeitschrift für Zuündwarenfabrikanten, das amtliche Organ des ganzen Berufes, sagt zu dieser Angelegenheit folgendes: Wir . uns der Hoffnung hin, daß die e, e,. Volkspartei ihre Interpellation zurückzieben wird, weil der Antrag auf Aufhebung der Steuer, wenn er angenommen würde, unserer in schwerster Notlage befindlichen In- dustrie, dem Handel wie den Arbeitern, nachdem die Steuer andert⸗ halb Jahre bestanden hat, ganz empfindliche Nachteile zufügen würde.. Wir bitten aus diesem Grunde, bei Behandlung der Aündhol frage die Politik ausschalten und die wirkliche Notlage der Industrie ins Auge fasfen zu wollen. Die Frage wird am besten noch einmal gründlich in der Budgetkommissien erörtert. Vor allem ist ez äͤberaus wichtig, daß man die Meinungen und Ansichten der In. duftrie sorgfältlg beachtet. Wir boffen aber, daß zur Beseitiqung der vorübergehenden Mißstände eine gesetzgeberische Maßnahme bald ergriffen wird. —ᷣ
Abg. Dfann (nl): Ich hätte nicht geglaubt, daß die Frage der Finanzreform beute noch einmal aufgerollt werden würde. Wir haben seinerzeit die Jingn reform im ganzen abgelebnt, aber eine Mit. wirkung zur Verbesserung der einzelnen Vorjchläge nicht versagt. Wir kaben damit einen, durchaus loralen Standpunkt vertreten. Auf diesem Standpunkt stehen wir auch gegenüber dem Zündholzsteuer⸗ gesetz. Wir können uns dem Begründer der Interpellation nicht an⸗ schließen, wenn er gemeint bat, daß die auf diesem Gebiete hervor⸗ getretenen Mißstände nicht anders beseitigt werden kõnnen als dur eine Aufhebung Tes Zändbolzwarengesetzes. Die Zündholiwaren. industrie hat ja selbst erklärt, daß sie ruiniert werden würde, wenn das Gefetz aufgehoben würde. Namentlich der arme Teil der Be pölkerung, der in der Zändwarenindustrie beschäftigt ist, würde schwerlich eine andere Unterkunft finden und würde sich schwer ent= schließen, in einer anderen Gegend eine de,, , , . zu suchen. Bon allen Steuern hat die Jundwarensteuer alle Kreise des Volkes am meisten erbittert Rich nur Private, auch staatliche Bebörden baben ihren Bedarf auf lange Zeit binaus vor der Ausführung de Gefetzes gedeckt. Eine weitere Folge des Gesetzes war die ahm der Ersatzmittel. Infolgedessen ist eine Einschrãnkung der Produktion der Zändwaren eingetreten. Dazu kommt, daß das Gesetz selbst an ver. schiedenen Mängeln leidet, in bezug auf die Stundung der Steuer, die Kontingentierung usw. die kleineren Fabriken vor den großen be⸗ nachteiligt. Gine Folge des Gesetzes war die K der Air tend! und die Verschlechkerung der Lohnverhältnisse. Von S606 Arbeitern wurden 2000 entlassen. Auf Tiesem Gebien⸗ haben die Arbeitgeber dieselben Interessen wie die Arbeiter. Die eigen bestebenden Mißstände beruhen nicht etwa auf der wirtschant, ficken Entwicklung, fondern sie sind begründet durch das Geseßz selbst. Gs ist deskalb notwendig eine Aenderung der gesetzlichen Be⸗ stimmungen auf gesetzlichem Wege. Auch meine Freunde wären berein, die Zündholzsteuer durch die Erbschaftssteuer zu ersetzen allein es ist aussichtslos, für diesen Gedanken jetzt bier eine Mehrheit zu finden. Von eiten der Fabrikanten wird desbalb ein anderer Weg der Ab— filfe vorgeschlagen. Sie wünschen, daß eine Aktien esellschaft ge⸗ bildet werde von sämtlichen Fabrikanten, und 3 die Ablieferung der Steuer an das Reich garantiert werden soll. Meine Freunde konnen diesen Weg nicht betreten, weil keine genügende Sicherheit für dat Reich gegeben ist. Die Banken haben i geweigert, diese Sicherheit:, leistung zu übernebmen. Wir haben seinerzeit das Reichsmonopel vorgeschlagen, leider fehlte es an der Zeit, diesen Gedanken zu ver⸗ wirklichen. Wir möchten diesen Gedanken jeßt wieder aufnebmen, und wir sind der Üüeberzeugung, daß eine derartige Monopelisierum in der Zündholjindustrie stetige und ruhige Verhaltnisse herbeifũhren wärde. Auf eine Reihe anderer Vorschläge, 3. B. die Zwangs. kontingentierung 2c. Honnten wir in der Budgetkommissien oder in einer anderen Kommission eingehen. Jedenfalls halten wir uns ver. in der Zändholzindustrie so weit ju helfen, wie dies nur mög⸗ ich ist.
Abg. Dr. Ha bn (Bkons.): Auch meine politischen Freunde ver kennen nicht, daß die Lage der Zündholzindustrie eine überaus mißliche ist. Die Ursachen des Mißstan zes liegen in der Vorversorgung des Publikums, in der Spvarsamkeit der Verbraucher und in der Nichtverzollung der Zündwarenersatzmittel. Tin anderes Moment ist der Umstand, daß ein Zusammenschluß der Fabrikanten nicht erzielt worden ist. Ich babe beute vor der Sißung mit dem erweiterten Vorstande des Verbandes der Fabrikanten darüber Rückfprache genommen und zu meiner Ueberraschung er. fahren, daß leider 17 0,0 der Fabrikanten außerhalb des Verbandet geblieben sind. Die dem Syndikat angehörigen Fabrikanten haben 52d Kisten in den Verkehr gebracht, die Außenstebenden 5600. Diese Außenstebenden haben das Kontingent voll ausgenutzt, die anderen nicht. Wäre es möglich gewesen, eine volle Einmütigkeit der Fabri⸗ kanten suftande zu bringen, so wäre die Lage der Industrie eine wefentlich günstigere gewesen. Die Mehrzahl der Interessenten stebt nun auf dem Standpunkt, daß es ein Vorteil für die kleineren Fabt, kanten wäre, wenn es ihnen ermöglicht würde, ihr Kontingent auf die größeren Fabrikanten zu übertragen. Auch von einer Ueberschreibung des nicht in Anspruch genommenen Kontingents auf andere Jahre ver fpricht man fich auf mancher Seite einen Erfolg. So sehr man aher auch die Notlage beklagt, so ist man doch in der Industrie einbelliz der Meinung, daß es nicht recht möglich fein würde, die Besteuerun der Zündwaren wieder aus der Welt zu schaffen. Dieses wird mir au ven einer der sächsischen Fabriken bestätigt. Deshalb kann ich es nn billigen, wenn der Staatẽsekretär darauf verzichtet, auch nur in Er⸗ wägungen darüber einzutreten, ob das Gesetz wieder heseitigt werden sel Abkilfe würde zu erreichen sein, indem man dieselben Bedingunzen und dieselbe Belastung für die Ersatzmittel schafft, unter denen jent die Zuündwarenindustrie zu leiden hat; an der Kontingentierung win festgebalten werden müssen. Mit besonderer Befriedigung habe in bernommen, daß auch der Abg. Osann das Gesetz nicht aufheben un auch nicht an die Stelle der Zündwarensteuer etwa die Erbanfal⸗ steuer setzen will. Es wird den Nationalliberalen über⸗ kaupt noch sehr oft leid tun, daß sie 1999 nicht an de Finanzreform mitgewirkt baben; ich habe die Ueberzeugung, da die gleiche Erklärung, wie sie beute der Abg. Osann bezüglich der Zůnd⸗ warensteuer abgegeben hat, von seinen Treunden auch bei jeder anderen 1565 beschlossenen neuen oder höheren Steuer abgegeben werden würde, wenn wir sie einer neuerlichen Diskussion unterzögen. Die Be, lastung des Konsumenten mit 231 3 für den Kopf erscheint keines esl sbermäͤßig; die effektive Besastung bat für das erste Jahr des Se stebens der Steuer segar nur 16 4 betragen, Wir haben angesichts der riesigen Voreinfubr von 36 bis 40 Milliarden Streich bölzern eben mit einem Ausnahmezustande zu tun, der erst allmãhl normalen Verhältniffen Plaz, machen wird. Dr. Roesicke lam tatsachlich nicht die Vaterschaft für die Steuer beanspruchen er bat vielleicht das Kind in diesen Saal geführt, aber sein Vater ift er nicht. Die Forderung war schon viel früher erhoben worden; in einer Petition um Beseitigung der verkehrsfeindlichen Fabi kartenfteuer wurde sie bereits vorgeschlagen, und die Petitien kat der Reichstag dem Reichskanzler als Material überwiesen. Der gesamte Reichstag mit Ausnahme der Sozialdemokraten bat de⸗ mals diefer Petitien und dem Antrage der Petitionskommission , gestimmt. Das Verlangen der Aufhebung der Steuer charakterisien fich danach bei sämtlichen Parteien einschlieÿlich der Freisinnigen a eine böchst auffällige Inkonsequenz. Ich kann auch die Zitate au tem Sannoberschen Fourier nur unterstreichen; hoffentlich besiß! dieses Blatt die Tovalitat, sich an seinen Artikel vom 18. Ma 19095 erinnern zu lassen und die Angriffe auf die Urheber der Steue einzustellen. Das gleiche gilt von den freisinnigen Blättern, „Vörfen Courier? und der Freisinnigen Zeitung?. Also auch die meli den jüdischen Kreisen angebsrigen Böorsenbesucher, die den Bõrsty⸗ Tou ier een. rab rend die riftiichen Bekenngnisfen Ange bort gen melt die Börsenzjeitung ! lesen, mögen sich auf diese Tatsache hinweisen lasse·
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Der Kollege Osann hat sich als Freund des Monopols bekannt, aber
Ausdehnung Besteuerung nichts
angeführt; wird damit Der Abg. Os mit ihm noch verhandeln kann. sollte, wenn er im Lande gege vergessen, daß auch seine eigen ; willigen wollten, was die Mehrheit nachher bewilligt bat; ich wãrde ; . Genauigkeit ndholzsteuer ist also von liberaler Seite gänstig beurteilt und teil⸗ sn worden. Schuld an ihrem Zustandekommen baben allein diejenigen Parteien, die die anderen indirekten die die Regierung vorgeschlagen bat. ö , me. . und de n wir e Zündholzsteuer zurückzugreifen brauchen. Von dem Va chlag der Besteuerung der Inserate s. Reklamen 22 r gesamte kittelstand entzückt, weil dadurch die großen Geschäfte und Warenhäuser betroffen worden wären. lt an dem Teezoll und an der Zündholzsteuer sind also nur die Parteien schuld, die alle diese anderen indirekten Steuern ab⸗ gelehnt haben. Ein Mitglied der Volkspartei, damals im Tag“ geschlagen, wovon er Besteuerung des
; x r gut machen. sann steht so weit auf dem rechten Flügel, daß man Auch der Abg. Wachhorst de Wente n die Zündbolzsteuer spricht, nicht en politischen Freunde zu *
eise empfohlen
Steuern abgelehnt haben, Aus diesen Vorschläg
e orschlägen wären 83 dann hätten wir nicht auf die 3
An der Erhöhung des Kaffee⸗
; ö der Abg. Hormann, bat sogar eine Besteuerung der Kaffeesurrogate vor- er 80 Millionen erwartete. affees war auch der Abg. Müller⸗Saga
; , . Ad e uher⸗- Sagan.
he n, Kaffeep rei sind lediglich durch künstliche Preistreibereien in 2 tafilien veranlaßt worden, zu welchem Zwecke dort Anleiben aus—⸗ gegeber ö e 2 mittie si ö Fi n gehen nden, an deren Emittierung sich auch deutsche Firmen an den eutschen Börjsen beteiligt haben, die also dazu beigetragen haben, en deutschen Konsumenten den Kaffee zu verteuern; das sind dieselben abund sind der bekanntlich die Interessen des Bürgen Mittelstandes, s dings sogar der Landwirtschaft vertritt. bund nech, nicht über diese Preistreiberei im Kaffee geäußert? Er bat gute Gründe, das bleiben zu lassen. . als Ersaßz wieder die Erbanfallsteuer, wir müssen aber daran fest⸗ balten, daß indirekte Steuern an die Stelle von anderen indirekten 1. 91 9 * 8 2 . — f
Steuern, die abgelebnt werden, und direkte Steuern an die Stelle abgelehnter
Ein Befürworter der
Firmen, die im Hans rstandes und Konsumenten
Warum bat sich der Hansa⸗
und neuer⸗
Der Abg. Enders empfahl
Kapitalverkebr abgelehnten beruntergesetzten Wir wissen ja auch gar nicht, wie die Fortschrittlich einer neuen Vorlage für die Besteuerung des Erbes der Kinder und der Ehegatten sich rerbalten würde. ; ge bat 19968 in einem langen Aufsaßz in der Vossischen Zeitung“ diese Steuer als einen Eingriff in das Familienleben verurteilt. Nehmen Sie doch wenigstens so viel Rücksicht auf Ihren eigenen l Müller ⸗Meiningen, . Lande dessen ausgezeichnete Darlegungen unseren Wähler vortragen, ur ; Familiensinn machen. bitte Sie, auch nicht den Abg. Dr. Wiemer zu e,, sich mit scharfen Worten gegen dessen Argumente n. Er 10. Januar 1906 im es lasse sich nicht verkennen, daß die Deszendentenbesteuerung einen Eingriff in die Familieneinheit enthalte, und späterbin hat er ge⸗
daß sie nicht der deutschen Rechtsauffassung vom Familien⸗ e ed setzgeberische Grundgedanke aber ist bei. der Nachlaß tener und der Erbanfallsteuer Wir werden im Wablkampf nicht verschweigen, daß wir unsere Argu⸗ mente Mitgliedern der Fortschrittlichen Volkzpartei J auf die Wandelbaikeit ibrer Gesinnun age nach, digung der letzten Reichsfinanzreform hat eine gewisse Aebnlichkeit mit derjenigen nach Erledigung der Finanzreform von 1906. Als letztere zum Abschluß gekommen war, erhob sich im national. liberalen Lager, speziell bei den Jungliberalen, ein Sturm der Ent⸗ rũst gegen die nationalliberale Fraktion insbesondere wegen der Fabrkartensteuer und des Ortsportos. Hierüber wurde am 6. Dftober 1906 in Goslar verbandelt. Damals offenbarten die Fũbrer der National- liberalen ein Jo bohes Maß volitischer Weisbeit und staatsmännischer Ein⸗ sicht, daß ich ihre Ausführungen in unser aller Gedächtnis zurückrufen muß. Die ed rdnungeparteien können von ihnen lernen. Dr. Hieber fübrte aus, die Reform als Ganzes sei Notwendigkeit gewesen, und die Steuern zu decken,
lkspartei bei
Der Abg. Müller⸗Meiningen
wenn wir
genau derselbe.
verdanken, und
Lage nach
als Ganzes ine unbedingte Kunst, 209 Millionen durch populär auch der klügste Steuerfinder
ebe ĩ die Worte, die damals Wir mußten zugreifen bei der Reform; trotz allem bleibt sie j n ein Verdienst; wir batten die verfluchte Pflicht zu dem äußeren Konflikt nicht noch einen inner . J stürmischen Beifall, der hier in dem Bericht verzeichnet ist, würden wir alle eingestimmt haben. Der Abg. Bassermann sagte bei derselben Gelegenheit: Wie leicht ist es, Kritik Mu üben und für ein vaar Schlagworte Beifall zu finden. Heute richtet sich der Abg. Bassermann danach nicht mehr. Maß balten gegenüber den Abgeordneten, Lie jahraus, jabrein ihre Resolution der Jungliberalen erböhe die Parlamentarier
und unsere
Aber die Kritik muß
Arbeits freudigkeit Als der Redner noch weiter aus einem großen Folianten, dem ein⸗ gebundenen Jahrgang der Kölnischen Zeitung“ vorlesen will, unter⸗ bricht ibn der Präsident Graf von Schwerin-⸗Löwiß mit den * Verlesungen nicht brochen, aber Sie wollen doch wohl das umfangreiche Werk nicht e Ich babe das Wichtigste verlejen und stebe nech auf dem Standpunkt, den damals die Abgg. Dr. Bassermann von 1909 kommt f
z votlesen!)
von ł auf dasselbe hinaus wie die von 18065. beiden Fällen befand sich kein einziger Abgeordneter in der an⸗ Steuern zu bewilligen, die seiner Ueber⸗
genehmen Lage, nur die entsprochen hätten.
. oder den Interessen Deute üben die Nationalliberalen dieselbe Kritik wie die Jungliberalen : Das deutsche Volk macht den Unterschied, den die nationalliberale Fraktion zwischen der früheren und jetzigen — Uns leitete die harte pvolitische Not⸗ eit, dem Vaterlande die nötigen Mittel zu bewilligen.
Hierauf wird Vertagung beschlossen.
Persönlich stellt der Ab Drversdorff gegenüber den Arbeitszeit in den JZündbolfabriken, noch einmal fest und verwabrt sich gegen die Verdrehung‘, die Graf Dppersdorff mit seinen Aeußerungen räsident rügt den Ausdruck Ver⸗
seiner Wähler an der Reform von 1906.
Reform gemacht bat, nicht.
Enders einer Bemerku rtlaut seiner Aeußerung,
des Grafen etreffend die
vorgenommen habe.
29 36 * Graf Oppersdorff verwabrt sich dagegen, daß er die Aeußerungen des Abg. Ender verdreht habe.
Nach weiteren persõnlichen Bemerkungen der Abgg. F Bach horst de Wente, Müller⸗-Meiningen und Dr. schlägt der Präsident vor, die nächste Sitzung abzuhalten
Zweite Beilage
antrages.
Yi ö . 23 ; 2 g . J ͤ Die Anordnung des Präsidenten komme tatsachlich auf eine Ver
—
N 1 * 7 1 Wahlen würden darauf die Antwort geben.
werden müßten, zunächst erledigt würden.
der Interpellation fortzusetzen.
Präsidenten Akt, aber sie ändern an der Sache nichts. Um ein Un
. 2
werft o Be 8 5 berstebe der Abe — 2
Me 375 5 5 8 Der Präsident stellt fest; daß er den Rexner der Sozial—= demekraten ausdrücklich habe fragen lassen, ob er noch heute zu sprechen wüũnsche, und auf seine Erwiderung, daß er lieber morgen sprechen wolle, sich hereit erklärt habe, auf Antrag des Hauses die Besprechung morgę⸗ fortsetzen zu lassen. 3
T3 — 6. ze fs 2 ;
9. bg. Scher slin (Soꝛ ) erklärt, diese Antwort nur unter der goraue seß ung gegeben zu haben, daß vorher hächstens belanglose Gegenstände zur Verhandlung kämen.
Schluß gegen 71 Uhr.
Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr (Rest der heutigen Tagesordnung, Fortsetzung der Beratung des Mittelstands⸗ antrages von Normann u. Gen.).
Preußischer Landtag. Herrenhaus. 1. Sitzung vom 10. Januar 1911, Nachmittags 3 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Freiherr von Manteuffel eröffnet die Sitzung mit folgenden Worten: 35 Als Präsident der vorangegangenen Session eröffne i und eröffne sie, wie dies alljabrlich gescheben ist, mit teuren Ruf: Seine Masestãt unser llergnãd ig ster ] und Herr lebe hech! (Das Haus stimmt dreimal begeistert in den Ruf ein.) . . Mi Provisorischen Schrijtführern ernennt der Präsident die Herren Dr. von Burgsdorff, Dr. Johansen, von Klitzing und Graf von Hutten⸗Czapski. Sodann teilt der Präsident mit, daß er am Neujahrstage Seiner Majestät dem Kaiser und König und Ihrer Majestãt der Kaiserin und Königin die Gückwünsche des Herrenhauses übermittelt habe. Der Präsident stellt weiter unter Verzicht auf den üblichen Namensaufruf die Beschlußfähigkeit des Hauses fest. Auf der Tagesordnung steht die Wahl des Präsi⸗ denten, der beiden Vizepräsidenten und der Schriftführer. Auf Vorschlag des Herzogs zu Trachenberg wird der bisherige Präsidend Freiherr von Manteuffel durch Akkla⸗ mation wich agen hkl Freiberr von Manteuffel: Ich nehme dankend die Wabl an und hoffe, daß mir der liebe Gott Gesundbeit genug gebe, das Amt das Sie auf meine Schultern gelegt haben, zu erfüllen. Auf Vorschlag des Grafen zu Eulenburg wird der bis⸗ herige Erste Vizepräsident Becker gleichfalls durch Akklamation wiedergewählt. Der Gewählte ist nicht anwesend, hat aber dem Präsidenten mitgeteilt, daß er eine Wahl annehmen würde. Auf Vorschlag des Herzogs zu Trachenberg wird auch der bisherige Zweite Vizepräsident Dr. Freiherr von Lands berg⸗Ste in furt ,. Akklamation wiedergewählt. Er er⸗ klärt, daß er die Wahl mit Dank annehme. Sodann werden die bisherigen Schriftführer Graf von Arnim⸗Boitzenburg, Dr. von Burgsdorff, Graf von Hutten⸗ Czapskti, Dr. Johansen, ven Klitzing, Graf von Seidlitz⸗ Sandreczki, Veltman und Dr. Graf von Wedel Gödens auf Varschlag des Herzogs zu Trachenberg ebenfalls durch Akklamgtion wiedergewählt: sie erklären die Annahme der Wahl. Schluß R Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch, 121 Uhr (geschäftliche Mitteilungen: Vereidigung neu eingetretener Mit⸗ glieder; Wahl von vier Mitgliedern für die Matrikelkommissionj.
Haus der Abgeordneten. 1. Sitzung vom 10. Januar 1911, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) Der Präsident der vorigen Session von Krächer eröffnet die Sitzung mit folgenden Worten: ð J Als Präsident der vorigen Sessien eröffne ich die Sitzung und
bitte Sie, mit mir einjustimmen in den Ruf: Sein jes . * 5 . mer Seine Majestat der Kaiser, unser Allergnädigster König und Herr, lebe bech! (Das Haus
Mittwoch 1 Uhr mit der Tagesordnung: Rechnungssachen
stimmt dreimal begeistert in den Ruf Lin. Die Sozial ö 2 Die Sozialdemokraten betreten erst nach dem Hoch den Sitzungesaal.)
und Fortsetzung der Beratung des konservativen Handwerker—
. 8 (Soz.) vrotestiert dagegen, daß der zweitgrößten Harig des Reichstags durch den Vorschlag des Präsidenten die Möglichkeit genommen werden solle, sich zur Interpellation zu außern.
schiebung der Besprechung ad calendas graecas hinaus. Die nächsten
‚Präsident Graf Schwerin ⸗-Löwitz verwahrt sich gegen den Vor⸗ wurf einer tendenziösen Feststellung der Rednerliste. Obwohl ibm nach der Geschäftsordnung allein das Recht zustehe, die Reihenfolge der Nedner festzustellen, hae er, durchaus in Uebereinstimmung mt den Absichten des Seniorenkonvents, unter Berücksichtigung des Stärke— verhältnisses der Fraktionen abwechselnd den Rednern für und wider Rs Wort gegeben. Sollte es voꝛn Hause gewünscht werden, daß die Interpellation morgen weiter besprochen werde, so werde er sich einem solchen Vorschlage nicht widerseßzen. Nur möchte er dann bitten, daß zunächst die Rechnungssachen, die der Budgetkommission überwiesen
. — — 122 . * , Abg. Dr. Müller Meiningen (fortschr. Volley): Da zwei Rechnung sachen eine längere Debatte herworrufen werden, und die Angriffe des Abg. Dahn weit über den Rabmen der Interpellation binausgehen, so erfordert die Gerechtigkeit, zunächst die Besprechung
Abg. Singer (Soß): Ich nehme von den Erklärungen des
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
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Darauf nimmt zur Einbringung des Entwurfs des Staatshaushaltsetats für das Etatsjahr 1911 der Finanzminister Dr. Lentze das Wort: Meine Herren! Zum ersten Male habe ich die Ehre, Hause zu erscheinen und den Etat zu vertreten. Herr Amtsvorgänger mir die preußischen Finanzen in einem wohl⸗ or durchaus gesunden Zustande überliefert gt, sie in diesem Zustande zu erhalten und weit zugestalten. Ich möchte Sie aber bitten, meine Ibre Unterstützung
wird es mir unmöglich sein, dieses Mit Allerhöchster Ermächtig babe ich die Ehre, Ihnen zu Rechnung über den Staats haush Uebersicht von den Staatseinnabmen 1909, drittens den Gesetzentwurf, die Feststel baltsetats für das Jahr 1911 betreffend. Ich erlaube mir, bi drei Vorlagen zu überreichen. Um Ihne as Studi Etats zu erleichtern, ist dieses Mal ein besonder lick über die wesentlichsten Veränderungen des Etats mit bei⸗ ĩ Außerdem werden Sie in den nächsten Tagen ein Inbaltsverzeichnis zu erhalten, dessen Druck
ig stehenden Zeit bisher nicht
wie ibn der Etat des In der Wirklichkeit ist also der Fehlbetrag um 132,4 Millionen ge⸗ ringer als im Etat. Dieses Rechnungsergebnis ist ein überaus günstiges und geht weit über das hinaus, Aufstellung des Etats noch im Verlaufe konnte.
Bekanntlich trat ganz vlötz lich im Jahre 1907 i
ein starker wirtschaftlicher Niedergang ein, dessen Folgen si Staatsfinanzen ganz empfindlich geltend machten, und v r Jahre hindurch andauerte. Zu gleicher Zeit war aber auch eine um⸗ fassende Erhöhung sämtlicher Besoldungen, Pensions⸗ und Relikten⸗ bezüge ganz unvermeidlich. Die Lebens haltur —r in einer solchen Weise gestiegen, daß die Königliche Staateregieruug die Be⸗ soldungsregulierung nicht weiter aufschieben konnte. Dadurch wurden 200 Millionen neue Ausgaben erforderlich, und zwar dauernde Aus⸗ gaben. Während also auf der einen Seite die Ausgaben ganz ge⸗
ia ftiener s5eolg uf de ar 28 ; ; waltig stiegen, fielen auf der anderen Seite die Einnabmen ebenso
; 2882 * Y;eses ere 3880 z 63 bedeutend. Diese schweren Erschütterungen konnten auch die preußi⸗
schen Staatsfinanzen nicht aushalten, es traten erbebliche Feblbeträg
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ein, und zwar schloß das J einem Fehlbetrage von rund
72 Millionen Mark und das Jahr 1908 mit einem Feblbetrage von
rund 202 Millionen Mar g 7
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Es fanden eingehende Untersuchungen darüber statt, welche Fehlbeträge sich ibrer Natur nach als eine astung, also als dauernde Fehlbeträge darsiellten ogenannte Konjunkturdefizits, also als vorübergebende anzusprechen seien, um darnach die zu ergreifenden Maßnabmen ein; ten. Eine dauernde Ueberlastung, ein sogenanntes chronisches Definit, kann nur durch die Erböhung der Einnabmequellen oder durch eine Zurück⸗ haltung und Beschränkung in den Ausgaben beseitigt werden, während das Konjunkturdefizit mit der Besserung der wirtschaftlichen Lage von selbst wieder verschwindet.
Leider siellte Heraus, daß tẽ baus halt erheblich über⸗ lastet war, und daß sowohl ein starkes chronisches wie auch ein starkes Konjunkturdefizit vo en war. Zur Abbilfe für das erstere ent⸗ schloß sich die Königl! taatsregierung im Einvernebmen mit dem Landtage, beide ihr zur Verfügung stehenden Wege zu beschreiten. Si sah davon ab, das chronische Deñzit vollständig durch eine erhöhung zu beseitigen, weil die Reichsfinanzreform zeitig neue Steuern brachte und man das Land ni wollte; sie begnügte sich damit, nur ei neue Steuern zu decken und im übrigen in durch pfleglichste Bebandlung der Einnabmen und Zurückbaltung bei den Aufgaben das Defizit allmäblich zubringen.
Man stand daher bei der Ausstellun
1909 unter dem Eindruck einrr nich
allem, was man damals annebmen un
man mit einem Defizit von 155 Millione Glüͤcklicherweise bat sich die Wirklichkeit erfreuli wirtschaftliche Niedergang hielt nicht zu la ̃ allmãblich
begann sich eine Besserung anzubahnen; die Erträgnisse der Staats- eisenbabhnverwaltung und der Forstverwaltung gingen so in die Höhe, daß trotz beträchtlicher Mindereinnahmen bei den Domänen und bei der Bergverwaltung dennoch 132 Millionen mehr beraus gewirtschaftet werden konnten und die Rechnung entsprechend besser abschloß.
Wenn man nun dieses Rechnungäjabr mit den Rechnungè—⸗ abschlüssen der früheren und späteren Jabre in Vergleich setzen will, bedarf es doch nech einer Korrektur; von der Verbesserung müssen diejenigen Positionen in Abgang gebracht werden, welche nur zufällig darin entbalten sind und daber ein falsches Bild von der Finanzlage
geben. Bekanntlich bat das Reich bei der Reichsfinanzreform die ge⸗ stundeten Matrikularbeiträge endgültig übernommen; dadurch wurden die in Preußen für diesen Zweck angesammelten Mittel im Betrage von 42 8 Millionen frei und konnten zu den allgemeinen Staatsausgaben des Jahres 1909 mit verwendet werden. Außerdem waren in der Verbesserung des Rechnungsergebnisses noch 47 Millionen enthalten, welche bei den binterlegten Geldern mehr eingezablt als abgeboben
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worden sind; auch diese 47 Millionen müssen in Abzug gebracht
l um den gleichen Betrag die Schuld verbindlichkeiten des
dadurch wesentlich erleichtert, daß bochverehrter