1911 / 15 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 18 Jan 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Der Senatspräsident beim Kammergericht Pellen gahr ist zum Mitglied des Gerichtshofs zur Entscheidung der Kom⸗ petenzkonflikte ernannt worden.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Luchs“ vorgestern in Canton eingetroffen und geht am 21. d. M. von dort wieder in See.

S. M. S. „Scharnhorst“ ist gestern von Singap ore in See gegangen.

Desterreich⸗Ungarn.

Der Kaiser Franz Joseph hat an den Statthalter von Böhmen Grafen Coudenhove ein Handschreiben gerichtet, in dem er, „W. T. B.“ zufolge, der Bitte des Grafen um Enthebung vom Amte entspricht und seiner hervorragenden Verdienste während einer fünfzehnjährigen Amtsführung ge— denkt. Ferner richtete der Kaiser ein Handschreiben an den Grafen Franz Thun, durch welches dieser zum Statthalter im Königreich Böhmen ernannt wird.

Das österreichische Abgeordnetenhaus ist gestern nach den Ferien zum ersten Male zusammengetreten, um die Vorstellung der neuen Regierung entgegenzunehmen. In seiner Programm rede, die zunächst durch lärmende Zurufe der Tschechisch⸗Radikalen gestört wurde, erbat der Minifterpräsident Freiherr von Bienerth die Unterstützung des Hauses und er— klärte laut Bericht des W. T. B.“:

Die neue Regierung werde eine den Interessen der Bevölkerung in jeder Hinsicht entsprechende Politik der gewissenhaftesten OSbjek tivität führen, die niemand abstoße und es insbesondere unterlasse, einseitig in die Gestaltung der nationalen Verhältnisse einzugreifen. Sie werde vielmehr die vorhandenen Kräfte möglichst für die gemein samen Ziele zu sammeln suchen. Die wichtigste Voraussetzung hierfür sei die Milderung der bestehenden politischen Gegensätze in den gemischtsprachlichen Previnzen. Insbesondere halte die Re— gierung unerschütterlich an dem Ausgleichsgedanken in Böhmen fest. Die Verständigungsversuche sollen nach Ansicht der Regierung baldigst erneuert werden. Der Ministerpräsident betonte, daß eine sachlich geführte, allen anderen Erwägungen und Einflüsfen entrückte Verwaltung die erste Bedingung für eine gesunde Entwicklung auf allen Gebieten der Kultur und Volkswirtschaft sei. Die Regierung werde allen Erwerbszweigen, Industrie und Landwirt— schaft, aber auch den Konsumenten, die weitestgehende Förderung angedeihen lassen., das System der Handelsverträge auszugestalten suchen und auf die finanzielle Leistung der Bevolkerung Bedacht nehmen insbesondere auch dann, wenn im Interesse der Er— haltung der Großmachtstellung und der Wehrfähigkest der Monarchie an den patriotischen Sinn und die Opferwilligkeit der Vol Svertretung appelliert werden müßte. Der Ministerpräsident skizzierte sodann die wichtigsten Aufgaben des Parlaments, hob insbesondere auch die Not— wendigkeit der Erledigung der italienischen Fakultätsfrage hervor, die nicht nur als ein Gebot der Billigkeit, sondern auch als eine der Voraussetzungen für die Klärung der parlamentarischen Ver— hältnisse betrachtet werden müsse, und verwies auf die Notwendigkeit einer Reform des Staatseisenbahnbetriebs und einer zeitgemãßen Re⸗ vision des Wasserstraßengesetzes vom Jahre 1901, insoweit es aus finanziellen oder technischen Gründen sich als undurchführbar erwiesen habe, sowie auf die Aufstellung eines einheitlichen Programms für die Sicherstellung einer rationellen Wasserwirtschaft in allen Ländern.

Das Haus begann sodann die erste Lesung des Budgets.

Der Abg. Wolf Ceutsch⸗radikal) erklärte, seine Partei habe im Kabinett Bienerth niemals eine Stütze erblickt; durch die Re— lonstruktion des Kabinetts aber, durch die den Slawen dafür, daß fie den Artzgleich zum Scheitern gebracht hätten, zwei der wichtigsten Refferts eingeräumt worden seien, sowie durch die Ernennung des Grafen Thun zum Statthalter von Böhmen sei eine Verschiebung der Kräfte zu Ungunsten der Deutschen eingetreten, die seine Partei zwinge, sich voll—⸗ ständig freie Hand gegenüber der neuen Regierung vorzubebalten. Sie werde bei ibrem Verhalten gegenüber der Regierung der durch den Minister⸗

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prãsidenten ührten Entfremdung gebührend Rechnung

ielo hlawek erklärte, die Christlich Sozialen ei eine Arbeitspartei, und würden ch das Volkshaus den Bedürfnissen eit Rechnung trage. Der Redner begründet Proj der angeblichen Verlänge Krankenanstalten und erklärte, es handle sich absolut nich Eingriff in die Wissenschaft oder um eine Beschränkung fessoren oder Kliniken, sondern lediglich um ein nahme zur endlichen Sanierung des kenanstaltenfonds. Nachdem der tschechische Sozialdemokrat Wint oppositionelle Haltung der Sozialdemokraten begründet hatte, wurde die Sitzung geschlossen.

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Der deutsche Nationalverband hat gestern nach mehrstünd iger Debatte den Antrag des Abg. Sylvester an— genommen, in dem es, obiger Quelle zufolge, unter anderem heißt, daß es von der Haltung der Gesamt— regierung abhängen werde, wie sich der deutsche

Nationalverband fünftighin zu ihr stelle. Der Antrag des Abg. Wolf, der Regierung mitzuteilen, daß die Beibehaltung des bisherigen Verhältnisses zu der Regierung unmöglich ge⸗ worden sei angesichts der bei der Neubildung des Kabinetts zu— ungunsten der Deutschen eingetretenen Kräfteverschiebung, wurde mit 41 gegen 15 Stimmen abgelehnt.

Dem ungarischen Abgeordnetenhause ist vom Justizminister eine auf Grund der Pariser internationalen Konvention entworfene Gesetzesvorlage über die Un terdrückun g des Mädchenhandels und die Unterdrückung des Handels mit unsittlichen Publikationen unterbreitet worden.

Frankreich.

Im Verlauf der gestrigen Sitzung der Deputierten— kamm er wurden von der Zuschauertribüne zwei Revolver— schüsse auf den Ministerpräsidenten Briand ab— gefeuert. Wie „W. T. B.“ meldet, blieb Briand unverletzt, jedoch wurde Mirman, der Direktor des Armenwesens, am rechten Bein verwundet. Der Angreifer, ein anscheinend geistes⸗ kranker, ehemaliger Gerichtsschreiber aus Bayonne, wurde fest⸗ genommen. Nach der Wiederaufnahme der Verhandlungen gab der Präsident Brisson, während Briand ruhig auf seinem Platze saß, dem einmütigen Wunsche der Kammer Ausdruck, Mirman rasch wiederhergestellt zu sehen.

Im Senat wurde auf Vorschlag des Präsidenten ein

Antrag angenommen, durch den dem Ministerpräsidenten und

Mirman die Sympathien des Senats ausgesprochen werden.

Darauf nahm der Senat mit 137 gegen 122 Stimmen das

ganze Gesetz über Einschränkung der Schankstätten an. Rußland.

Der Ministerrat hatte gestern eine Besprechung über die Pestgefahr in der Mandschurei. Das Finanzministerium wurde, wie „W. T. B.“ meldet, angewiesen, alle Maßregeln . Bekämpfung der Epidemie zu ergreifen und insbesondere

gelegenen chinesischen Ortschaften entgegenzuwirken. Da über die Fortschritte der Epidemie im Innern Chinas nur unsichere Nachrichten einlaufen und somit für Rußland und die übrigen europäischen Staaten die Gefahr der Einschleppung besteht, hat der Ministerrat den Minister des Aeußern beauftragt, die chinesische wie die übrigen interessierten Regierungen zu ersuchen, zur wissenschaftlichen Erforschung der Krankheit und zur Ueber— mittlung richtiger Mitteilungen eine Expedition nach der Mandschurei zu entsenden.

Im Handelsministerium ist eine Kommission gebildet worden, die sich mit der Frage des Ankaufs russischer Kohlen an Stelle ausländischer durch die Behörden be— schäftigen soll. Das Handelsministerium hat im Ministerrat ein Projekt zur Hebung des russischen Schiffbaues ein— gebracht. Die zollfreie Einfuhr von Schiffen soll abgeschafft

werden. Für die Erbauung von Seeschiffen auf russischen Werften und aus russischem Material sollen 75 Rubel für die Tonne und 35 Rubel für die indizierte Pferdekraft als Prämie ausgezahlt werden. Die Durchführung des Projekts würde zwei Millionen Rubel jährlich erfordern.

Portugal.

Wie „W. T. B.“ meldet, herrscht nach amtlichen und privaten Nachrichten in der Provinz völlige Ruhe. Der Ministerrat wird heute die Beratung des Wahlgesetz— entwurfs, der amtlich veröffentlicht werden soll, beginnen.

Niederlande.

Der Minister des Aeußern von Marees van Swinderen hat den holländischen Gesandten in Paris angewiesen, ihm den genauen Wortlaut der Stelle aus Pichons Rede, die sich auf Hollands Küstenverteidigung bezieht, zu übermitteln. Die Regierung vertritt,, W. T. Y. zufolge, die Ansicht, daß keinerlei Zusammenhang zwischen diesem Verteidigungsplan und der international geregelten Stellung Belgiens besteht und daß dieser Plan nicht der offiziellen Billigung seitens irgend einer Macht bedarf.

Türkei.

Der Ministerrat hat, einer Meldung des W. T. B.“ zufolge, beschlossen, 30 Infanteriebataillone mit M trai lleusenabteilungen nach dem Jem en zu entsenden.

Schweden.

Der Reichstag ist gestern vom König mit einer Thronrede eröffnet worden, in der, W. T. B.“ zufolge, WUnächst auf die schwebenden Handelsvertragsverhandlungen mit Deutschland hingewiesen wird. Die Thronrede betont fodann, daß die Beziehungen Schwedens zu allen Mächten gut sind, und hebt den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes im ver gangenen Jahre hervor. Der Gesetzentwurf über das Ver— hältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitern, der vom letzten Reichstage abgelehnt worden ist, wird dem Reichstage in der bevorstehenden Session in abgeänderter Form wieder zugehen. Ferner kündigt die Thronrede Gesetzentwürfe über bedeutende öffentliche Arbeiten an.

Der Budget⸗Voranschlag für 1912 schließt in Ein— nahmen und Ausgaben mit 257 Millionen Kronen ab. In den Einnahmen ist eine Anleihe von 44 Millionen Kronen vor— gesehen. Dank der zune sharnden Besserung des Wirtschafts— lebens sind neue Steuerr denüe eine Eihöhnng der alten nicht nötig gewesen. Die Aus aben! für das Heer übersteigen mit 57 Millionen Kronen die vorjährigen um 2 Millionen. Die Ausgaben für die Marine sind gegen das Vorjahr um 3 Millionen auf 27 Millionen gestiegen. Im Voranschlag ist der Bau eines Panzerschiffes vom F⸗-Typ für den Gesamt? betrag von 12 Millionen Kronen vorgesehen, von denen 4 Millionen für 1912 gefordert werden.

Amerika. Nach einer Meldung des „W. T. B.“ wird amtlich bekannt

gegeben, daß die Schwierigkeiten, die zwischen Haiti und San Domin go bestanden haben, nunmehr beseitigt sind und daß die Truppen von der Grenze zurückgezogen werden.

Asien. Nach Meldungen des „Reuterschen Bureaus“ aus Delhi besuchte der deutsche Kronprinz gestern das Jamamassid— Fort und begab sich dann im Automobil nach der berühmten Kutab Minar⸗Säule. Hierauf besichtigte er das 11. Ulanen— regiment, wobei er besonders dem System der Pferdebeschaffung durch die Mannschaften selber seine Aufmerksamkeit schenkte, und trat danach in Begleitung des Gouverneurs der United Provinces die Fahrt nach dem Schießübungsplatz bei Mirza—

pore an. Afrika.

Nach einer Meldung des „Matin“ aus Casablanca ist der Rittmeister Nancy, der aus dem Lager von Boucheron mit zwanzig eingeborenen Reitern und einer Schwadron Goumiers (eingeborene Kameelreiter) aufgebrochen war, um einen Streit zwischen den Stämmen der Medakra und der Zaër zu schlichten, am 14. d. Mts. von Wüstenräubern überfallen worden. Auf französischer Seite fielen ein Leutnant und ein Wachtmeister, ferner wurden drei eingeborene Soldaten getötet und fünf verwundet. Zwei andere Stämme kamen der französischen Kolonne zu Hilfe.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗ tags und der Bericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Die heutige (110) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Neichsschatzamts Wermuth beiwohnte, eröffnete der Präsident Graf von Schwerin-Löwitz mit folgender Ansprache:

Meine Herren! Zunächst gestatten Sie mir, erinnern (die Mitglieder des Haufes und des Bundesrats haben sich ven den Plätzen erhoben, daß keute vor 40 Jahren im Schlosse zu Versailles die Gründung des neuen Deutschen Reichs erfelgte. Leider habe ich gerade an diesem Tage Ihnen zu⸗ gleich eine traurige Mitteilung zu machen. Wie Sie wohl bereits gestern erfahren haben werden, ist in der Kieler Bucht das Unser— seeboot U 3‘ von einem Unfall betroffen worden. Trotz der sofort mit der größten Energie eingesetzten Rettungsversuche sind bei

daran zu

scheinen, dem Reich tage übermitteln lassen. Ich gestatte mir, dieses Telegramm zu verlesen.

»Bei eier am gestrigen Tage gegen 10 Uhr Vormittags in dem äußeren Kieler Hafen bei Heifendorf staltgefundenen Tauchübung des Unterseebootes „U z3* fank das Boot, ohne sich selbst wieder mit seinen Hilfemitteln an die Ober-

fläche bringen zu können. Durch die von dem Beglein be ot sofort herbeigerufenen Kriegsschiffe und Werftfahrzeuge gelang es, Verbindung mit dem gesunfenen Boote herzustellen. Aus dem Bocte wurde durch das Telephon gemeldet: ‚Waffer dringt achtern ein.. Schon um 11 Uhr Vormittags war der große Schwimmtran der Kaiserlichen Werft zur Stelle, und es gelang, das Boot, das sich inzwischen durch Ausblasen der vorderen Ballasttanks vorn aus dem Wasser gehoben hatte, mit Hilfe des Krans soweit zu beben, daß die Mündung des Torpedoausstoßrohres aus dem Wasser kam. Durch dieses Rohr wurden gegen 3 Uhr Nachmittags 28 Personen aus dem Boot geholt. gieihẽ zeichneten sich Oberleutnant zur See Valentin er, Bootsmannsmaat Heinrich und Torpero— heizer Gieß ner besonders aus, indem sie Durch das Lanzierrohr in das Boot he neingingen und ihre Kameraden unter schwie rigen Umständen aus dem sehr engen Raume retteten. Es zeigte sich, daß die Rettung der in dem Kommandoturm eingeschlossenen 3 Personen (Komman⸗ dant, Wachoffizier und Rudergast) nur nach Heben des Bootes durch das Bergungsschiff „Vulkan! möglich war. Erst nach Bergung der Leute aus den venderen Schiffsräumen konnte S. M. S. Vulkan an die Hebung des Beotes und somit an die Rettung der im Kommando— turm eingeschlossenen Leute gehen. Hierzu mußte das Unterseeboot erst wieder vern auf den Grund gesenlt werden. Treötz der früh ein setzenden Dunkelheit und des frischen Windes gelang es dem Vulkan“, um 4 Uhr Morgens das Boot zu heben und die im Turm Befindlichen heute zu bergen. Diese gaben nech einzelne schwache Lebene jeichen

ron sich. Die schon vorher vorbereiteten und fofort mit allen Mitteln engestellten Wiederbelebungsversuche blieben leider er— folgles. Die Namen der Verunglückten sind: Kapitänleutnant Fischer (Ludwig) aus Darmstadt. Leutnant zur See Kalbe aus Berlin und Toipedematrtose Dieper aus Samburg. Das Unterseebeot wird im Laufe des heutigen Vormittags in ein Teck der Kaiserlichen Werft eingedeckt werden. Die Ur— soche des Eindringens ven Wosser in die hinteren Schfffsräume

wird die eingeleitete Untersuchung ergeben. Die gefamten Bergunge⸗ . . , , ,. ; - . ; arbeiten sind von allen Beteiligten mit großer Umsicht, Gneigie und aufopferungevollster Arbeit durchgefübrt worden. Konteradmiral Lans.“

Ich Lenke, der Deutsche Reickstag wird ebenso wie das gesamte deutsche Volk diesen drei braven Männein, die in treuester Pflicht⸗ erfüllung für das Vaterland ihr Leben eingebüßt haben, ein ebren— volles Andenken bewahren, gerade so gut, als wenn fie vor dem Feinde gefallen wären. Sie haben sich zum Jeichen Ihrer Teilnahme von den Sitzen erhoben; ich stelle dies fest.

(Schluß des Blattes.)

Die heutige (6.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Justizminister Dr. Beseler, der Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach, der Minister für Handel und Gewerbe Sydow, der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten von Trott zu Solz, der Minister für Landwirtschaft 2c. Dr. Freiherr von Schorlemer, der Minister des Innern von Dallwitz und der Finanzminister Dr. Lentze beiwohnten, eröffnete der Präsident von Kröcher mit folgenden Worten:

Meine Herren! Ich glaube, daran erinnern zu sollen, doß heute der Tag ist (die Mitglieder des Hauses erbeben sick), an dem per 40 Jahren des Deutjche Reich im Körigsschloß zu Versailles ge⸗ gründet worden ist (lebhafter Beifall). Ich habe geglaubt, daran er⸗ innern zu sollen, und freue mich, daß Sie diese Erinnerung so kei⸗ stimmend aufnehmen (Beifall). Dann, meine Herren, habe ich ein trauriges Ereignis zu Ihrer Kenntnis zu bringen. Nach mir ju— gegangenen Nechrichten, die allerdings nech nickt ganz sicher sind, sind von dem Unterserbeot, das gesunken ist, leider dech ein Offizier und zwei Mann verunglöckt; sie follen tot sein. Des Haus wird mit nir für diese braven Männer, die dort im Dienst des Reichs gefallen sind, sein Beileid bekunden. (Lebhafte Zustimmung.)

Das Haus setzt darauf die erste Beratung des Entwurfs

des Staatshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1911 und des Entwurfs eines Anleihegesetzes fort. Abg. von Dewitz ffreikens.). Ich kann mich denjenigen Herren nicht anschließen, welche glauben, daß es dech noch möglich sein würde, das Defizit des neuen Etats von 29 Millionen wenigslens in der Zulunft durch laufende Einnahmen zu keseitigen. Die juͤbrlichen Ausgaben des Etats in Preußen steigen um etwa 25 Millionen

Mark. Die einzige Einnak mequelle, die kestebt, um diefe Mebr— ausgaben zu decken, ist die Einkommen- und Vermẽgenssteuer. Nachdem die Ueberschüsse aus dem Eisenbahnetat imitiert worden sind, glaube ich kaum, daß in absehbarer Zeit die Einnahmen so er— heblich gesteigert werden können, um aus den laufenden Einnabmen auch noch das Defizit von 29 Millionen zu decken. Dieses efizit aber durch eine Erhöhung der Einkommen- und Vermögen ssteuer auf bringen, erscheint mir doch als kedenklich, und zwar namentlich mit Rückicht auf die Kommunalsteuern. Gerade die Gemeindesteuern sind es, die für den Einwohner so druckend sind. Wir müssen uns gegenwärtig halten, daß, wenn wir die Einkemmensteuer erhöhen, die Kommunal? steuer um den zwei, drei, vierfachen Betrag zu gleicher Zeit in, die Höhe gebracht werden, denn wir haben cine größere Aniah kleinerer Städte, die 200 bis 400 0 Kommunalsteuern zablen. Wenn man also die Einkommensteuer um 10 M erhöht, so erböbt man die Kommunalsteuer jugleich um 40 6. Man ist sich in weitesten

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Kreisen nicht klat genug darüber, in welchem Umfange bei dem gesamten Mittelstande der größeren und mittleren Städte ein Notstand durch die heutigen Verhältnisse herbeigeführt ist, und ich halte es desbalb für außerordentlich bedenklich, diesen Teil des Bürgertums mit höberen Einkommensteuern zu belasten.

Andererseits nimmt die Vermehrung der Vermögen in Deutschland, in Preußen in einer ganz exorbitanten Weise zu. Zwischen diefen beiden Gegensätzen ist vielleicht ein Ausgleich möglich. Der Finanzminifter hat selbst eine Vermehrung des Vermögens für die nächsten drei Jahre um jährlich 3 Millarden in Preußen angenammen. In den Jahren vor⸗ her lagen die Verhältnisse ähnlich. In 14 Jahren hat die Zunahme der on 390 000 4 und mehr 67 o betragen. Pro Kopf der

belief sich die jährliche Zuname in den Vermögens— steuerstufen von 6( 00 bis 100 600 S auf 6560 M, in den Steuer stufen ven 100 000 bis 509 00 AM auf 61d0 S, in den Vermůgens⸗ steuerstufen über 500 000 M auf 70480 „6. Bedenken wir, daß von 6 Millionen Zensiten nur anderthalb Million ver— mägenssteuerpflichtig ist, so liegt es auf der Hand, in welcher Weise das Einkommen zu Vermögensanlagen verwendet wird. Findet dieser enerme Vermögenszuwachs in unserem Steuersyssem ge⸗ nägende Berücksichtigung? Wir haben eine Ergänzungtsteuer von gleichmãßig etwa 05 pro Mille; sie ist im Gegensatz zur Einkommen- steuer nicht progressiv; sie geht davon aus, daß das fundierte Ver— mögen im wesentlichen das Einkommen erleichtert, berücksichtigt aber in keiner Weise den Erfolg der Ursache. Die Rente der ver schiedenen Arten des Vermögens ist durckaus verschieden. 1808 be— trug die Rente aus Kapitalrermögen von etwa 38 Milliarden 4,47 0/6, die Rente aus Grundbesitz von 35 Milliarden Mark 350 o,, und die Rente aus dem Betriebs und Anlagekapital in Handel und Gewerke von 12 Milliarden Mark 15, 15 09. Eine gerechte Besteuerung müßte alse die Steuer für das Kapital mit geringerer Rente herabsetzen. Auch die Wirkung der Ergänzungssteuer auf das Einkommen ist der.

** L Menz un Ded tterung

diesem Unfall 3 Menschenleben zu beklagen, wie sich aus einem heute morgen hier eingegangenen Telegramm der Torpedoinspektion Kiel, ergibt. Dieses Telegramm hat der Herr Sligatssekretär des

er Einschleppung der Pest aus den außerhalb der Bahnzone

Reichsmarineamts, da er leider perfonlich verhindert ist, hier zu er.

schieden. Professor Gerlach Königsberg berechnete für 1999 die Wirkung bei Kapital auf 119 0,½, beim Grundbefsitz auf 143 , und beim Betriebe und das Anlagekapital auf 0,32 o, 9. Um einen richtigen Ausgleich zu finden, scheint mir eine Vermögenszuwachssteuer wichtig zu sein.

Das spekulative Cinkommer, das nicht aus Gewerhe kommt, wird 2 nicht steuerpflichtig, solange es sich nicht in e f, umgesetzt hat. Wenn man bedenkt, daß unser ö, , . ö ; sich zu einem Sammelpunkt der disponiblen Sf lber umgeftg ie . die Depositen immer mehr steigen und daß die Besitzer der Depositen vorzugsweise spekulatives Einkommen haben, so kann nn,, . welche großen Beträge der Steuer vollstndig verloren g im .

Deutsche Bank hat z. B schon die enorme Summe von 11 ö Depostten. Die Reichswertzuwachssteuer ist an sich ein richtiger ,. wenn auch die rückwirkende Kraft auf 40 Jahre ungehenerlich ig sie schneidet eine Steuerguelle an, die von größter Bedeutung, . ann. Wenn bel unserem Vermögenszuwachs pon sährlich z Ye lliar den nur Toö /g Steuer erhoben wird, so macht dies jährlich 9 Millionen aus, also den Betrag, der heute. von den phwysischen , . durch Zuschläge aufgebracht wird. Allerdings ⸗ist 66 ö en Zuwachs nur ein Teil liquid. Der Finanzminister von * . Fat den Einwurf gemacht, daß man damit die Sparer treffen Hr e; es kommt aber bei der Sleuer darauf an, nicht den Sparer, sondern das Ersparte zu treffen. Wer Rücklagen machen und Vermögen neu bilden kann, dem kann man eine wesentliche Etenererbs bung zn, muten gegenüber demjenigen, der eine kleine Gistenz , Kontroverse wird nur falsch gestellt; es handelt sich darum: . die Einkommensteuer für die Bevölkerung erhöhen, , . Gristenz ringt, oder diese Härte lieber denen auferlegen, die Zermgen bilden können? Ich kann mich nur für die zweite Alternative

ster ir die Staatsanlei entscheiden. Die Frage der Kurssteigerung für die Staatsanleihen muß vom neuen Finanzminister energisch in die Hand genommen

werden. Ganz analog dem System der See hand lung die 2 seits anstrebt, den Kurs ihrer Papiere, wenn er zurückgeht, dur . kauf zu halten, muß auch der Staat zum Ankauf von e , eihen übergehen. Auch die Banken müssen bei dem Einfluß den die ante banque bei uns hat, für die Staatspapiere interessiert weiden. Das Vermögen Deutschlands wächst ja lic um ? , eine Milliarde etwa flüssig wird. Nun wendet sich das Pu ikum latsächlich den Renten zu angesichts des Kurses einiger Industrie⸗

papiere. Wenn wir diese Vermögen für die , , , üuss dir zu früheren Fo zurückkehren un wollen, müssen wir zu der früheren Form zur zen z ö

namentlich den Pariauswurf der Staate papiere n ieder ö ; Staat darf das nicht machen, was auch der Vater von seinem Sobn nicht wünscht, daß er 109 schreibt und 93 dafär bekemmt. Schwer schädigend für den Staat sind die sogenannten Industrie⸗ obligationen. Die Industricobligationen sind ngch den geses lichen Bestimmungen tatsächlich verboten. Nach dem ö ürgerlichen SGesetz buch dürfen Inhaberpapiere ohne Zustimmung der Jandesrghierung nicht ausgegeben werden. In Deutschland machen nur Barer * remen und verschie dene mitteldeut che Staaten von dieser . Infolgedessen beläuft sich die Zahl. der Industrieobligaticnen be reits auf 3 Milliarden. Die Obligationen gehen als Inhaber papiere an die Bötse und werden wie jedes Börsenpapier gehandelt.

Das Publikum nimmt an, daß eine reale Sicherheit dahinter⸗ steht, obwohl, wie zahlreiche Beispiele keweisen, Lon einer wöklichen Deckung der Obligationen nicht die Rede ist.

Im Publikum meint man, daß wenigstens der Bor senvorstande das unternehmen einer Prüfung unterwirft, ehe das apier an der Börse zugelassen wird; aber auch diese Annahme ist im allgemeinen irrtum. lich. Sollte da nicht wenigstens für die Zukunft vorgebeugt. die Zulassung von Industrieobligationen von der Genehmigung des Staats abhängig gemacht werden? Wenn der Staat Obligationen nicht ohne Genehmigung des Landtags, die Gemeinde nicht ohne Zustimmung der Aufsichtsbeborde ausgeben darf, dann ist es nicht n versteben, wie z Milliarden ungenehmigter Industrieobligationen auf den Markt ge—⸗ worfen werden können, womit den Staatspapieren eine böchst drückende Konkurrenz gemacht wird. Träfe man die zur Erwägung gestellte Maßregel, dann ließen sich auch energischere Schritte tun, um die Anlegung von Spargeldern in Staatspapieren in größerem Umfange als bisher obligatorisch zu machen. Bei den Sparkassen sind über 60 der Einlagen hypotheftarisch festgelegt, das ist ein durchaus zweckwidriges Verhältnis. Gewiß wird eine Sxrarkasse nicht mehr 4 0 für Geld geben können, wenn sie einen größeren Prozentsatz ihrer Mittel in Staatsgeldern anlegen muß; aber das kann dem gesunden Kreditwesen nur förderlich sein. Je hoher die Devositen, um so größer die Gefahr. Wenn die Deutsche Bank bei 200 Millionen Aktienkapital 1095 Millionen Neserven hat, so will das gegenüber anderthalb Milliarde Depositen doch wenig besagen. Die Reserven sind ja auch nicht liguid, wenn sig gebraucht werden; sie arbeiten mit wie das Aktienkapital. Mindestens müßte die gesetzliche Resewwe von 100 für sich gesondert in Staatspapieren angelegt werden. Außer den Banken kommen die Lebensversicherungen in Betracht, die in Deatschlanz 43 Milliarden investiert haben und sich aufs äußerste dagegen sträuben, von einer solchen Maßregel in Mitleidenschaft gezegen zu werden. Auch sie baben 820, ihrer Bestände in Hypotheken investiert, nur 1 90 in Staatsanleiben, die französischen dagegen in Staatsrenten über 50 ((. Der jährliche Zuwachs von Investitionen belãuft sich auf 309 Mil. lioren, davon sollten mindestens 25 00. obligate iich in. Staats papieren anzulegen sein; de

Einfluß , f be e, n einen Einfluß auf den Geschäftsbetrieb würde 1 dies nicht ausüben.

Es würde eine äußerst dankbare Aufgabe für den neuen Finanzminister sein, die Hebung des Kurses der Stagtspapiere und die Beseitigung seiner Schwankungen konzentrisch in Angriff zu nehmen. Kleine Mittel helfen hier nichts. ;

Hierauf nimmt der Finanzminister Dr. Lentze das Wort, dessen Rede morgen im Wortlaut wiedergegeben werden wird.

(Schluß des Blattes.)

Statistik und Volkswirtschaft. s s 8 . er Die deutsche überseeische Auswanderung im Dezember 1910 und in dem gleichen Zeitraume des Vorjahrs. Es wurden befördert deutsche Auswanderer im Monat Dezember

über 1910 1909 Bremen. w 560 460 29 Vamburgz . 21 deutsche Häfen zusammen . 933 784 7 837 ö. 57 ö fremde Hafen (soweit ermittelt) 127 456 überhaupt. . 1064 Tm Aug deutschen Häfen wurden im Qezenber. 1910 neben den 937 deutschen Auswanderern noch 14510 Angehörige fremder

. 6 Mrorm er 736 ber Sam Staaten befördert, davon gingen über Bremen 7364, über Ham burg 7146.

Nach vorläufiger Feststellung des Ergebnisses der letzten Volks⸗ zäblung für das Königreich Sachsen hatte dieses am 4, Dezember 1916, wie W. T. B.“ aus Dresden berichtet, rund 472 06 Ein- wohner gegen 4608 5090 am 1. Dezember 19505. Dies bedeutet eine Vermehrung um 6,41 Oso.

Zur Arbeiterbewegung. . Der Streik der Fensterputzer der, Berliner,. Glaser. innung (vgl. Nr. 3 d. Bl.) ist, wie die Voss. Ztg. mitteilt. noch immer nicht beendet. Die in den Ausstand getretenen Putzer, besteken auf Bewilligung ihrer Forderung und wellen sich auf einen Vergleich nicht einlassen. Dank den verstärkten Schutz maßregeln seitens der olizei sind bisher weitere Ausschreitungen nicht vor kommen Die ensterreinigungsanstalt hält ihren Betrieb mit 12 Mann aufrecht. Die Bergleute im Lütticher Koblenrevier beben, W. T. B. zufolge, beschlossen, die Arbeit wieder aufzu—⸗ nehmen. (Vgl. Nr. 14 d. Bl.)

Wohlfahrtspflege. Die Krankenpflege im Kriege betitelt sich der Joꝛtrag, den vorgestern abend der Stabe arzt Dr. Georg Schmidt im Auftage des Kriegeministeriums im Reichstagspräsidialgebäude gehalten hat. Der Redner gab zunächst an Hand zweier großer Skizzen einen Ueberblick über die Verteilung des Sanitätedienstes während eines Krieges in der Heimat, bei den Etappen und in Feindesland und ließ während seines Vortrags zahlreiche photographische Auf⸗ nahmen von Krankentransportwagen, Tragbahren, Eanitãts tornistern, Feldflaschen u. a. m. herumgehen. Er führte dann etwa aus: Für die Bildungshöhe eines Landes bietet u. g. auch zie Vollkommen— heit der Krankenpflege im Kriege einen sicheren Maßstab. Dem⸗ gem] stellt dieses Gebiet einen großen und wichtigen Teil der Arbeitsaufgaben des Kriegsministeriums und insbesondere seiner Medizinalabteilung dar. Nachdem der Redner die Eigenheiten des Kriegssanitätswesens beleuchtet hatte, besbrach er die Sonder⸗ frage; An welcher Stelle und in welcher Art hat die Deeres= verwaltung für weibliche Krankenpflege Sorge getragen Während des Altertums, im Mittelalter, ja noch während des Siebenjaͤhrigen Krieges trat die weibliche Krankenpflege im Kriege kaum hervor. Erst von jenem Feuer der Läuterung, das den preußischen Staat neu eutstehen ließ, gingen auch die ersten wärmenden Strahlen der Frauenpflege im Kriege aus: am 23. März 1813 riefen Königliche Prinzessinnen Vaterlandsfreunde zu freiwilliger Kranken⸗ pflege auf. Die damals entstandenen Frauenvereine blieben wãhrend der Befreiungskriege der Mittelpunkt der gesamten reiwilligen Hilfs⸗ tätigkeit. Aehnliches ereignete sich bei den späteren Feldzügen dieses Jahrhunderts, doch bewegte sich die Krankenpflege z. B. im Krimkriege, im italienischen Feldzuge, im nordameri lanischen Seze ssions⸗ kriege noch in ungeordneten Bahnen. 1864 war Preußen der Genfer Konvention beigetreten; aber erst das Kriegsjahr 1866 brachte vorzugs- weise durch das leuchtende Beispiel der Königin Augusta die Gründung von vaterlandetreuen Frauenvereinen in vorher ungeahnten Fluß. Während des Feldzuges gründete der Frauenlazarettverein zu Berlin das AugustaHospital, und am 11. November 1866 schuf die Landesherrin den Vaterländischen Frauenverein, der sich 1871 bedeutend erweiterte In dem Feldzuge 1870 waren nicht weniger als 20 000 weibliche Pflegekräfte, davon 1700 Pflegerinnen auf dem Kriegsschauplatze, tätig. Aber so Großes auch geleistet wurde, es traten doch auch wesentliche Mißstände hervor, die zu der Ueberzeugung führten, daß für Frauen in dem wechselvollen, strapazenreichen Kriege kein Platz ist. Erst in den geordneten Betrieben des Etappengebietes, vor allem aber im Heimategebiete ist die Frau eine willkommen ja unentbehr⸗ liche Helferin am Werke der Nächstenliebe, Um einheit— lich zu arbeiten, sind zum. Kriegssanitätsdienste, nur ge— schlossene Vereinigungen zugelassen, wie beit ielsweise das Zentralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz. Zurzeit stehen nicht weniger als 2850 Berufsschwestern und 118 Hilfsschwestern für das Etappengebiet, 2871 Berufsschwestern, 637 Hilfsschwestern und 3329 Helferinnen für das Heimatgebiet zur Verfügung. Dazu kommen noch zahlreiche Diakontssen, Ordensschwestern, Pflegerinnen und Armeeschwestern. Auch in unseren Kolonien, in Kamerun, Deutsch⸗-Südwestafrika und Deutsch⸗Ostafrika haben die Schwestern

allgemeine Anerkennung gefunden. So waren während des letzten Aufstandes in Sädwest 1904 vom Frauenverein 37 Schwestern dem Kaiserlichen Kommissar und Militärinspekteur der frei⸗

willigen Krankenpflege unterstellt. Jedenfalls ist die Heeres verwaltung fort und fort bestreht, den Kriegssanitätsdienst zu einem lückenlosen festen Netze auszugestalten, in dem sich passend Glied zu Glied reibt. Die Maschen dieses Netzes füllt die freiwillige Krankenpflege, ins— besondere auch die weibliche Hilfe, aus mit den Gaben der barm⸗ herzigen Menschenliebe und mit jenen Kräften, die kein Befehl, wohl aber die Begeisterung und das Gefühl der Freiwilligkeit zu lösen im— stande ist. Und so entsteht das kunstvolle und doch sichere Gewebe, das wie eine schützende und wärmende Hülle den Krieger decken wird,

der für Kaiser und Reich geblutet hat.

Vorgestern ist, . W. T. B.‘ zufolge, das Komitee zum Zweck der Gründung eines Schutz nus erb ofungsbheims in Berlin ver— sammelt gewesen, und die notarielle Gründung des Vereins ist damit erfolgt. Das Protektorat über 283 Verein hat Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz übernommen. Zum Ehrenprãsidenten wurde der Wirkliche Geheime Rat Freiherr von Manteuffel gewählt. Die Anstalt wird auf einem von der Gemeinde Rahnsdorf zur zerfů stellten Gelände errichtet werden. Es soll ein Gebäude

Kunst und Wissenschast.

A. F. Die erste allgemeine Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde im neuen Jahre fand ausnahmsweise in der Aula der Technischen Hochschule zu Charlottenburg statt, weil sich an den Dauptvortrag eine besondere Lichtbilzervorfübrung schließen sellte, die aus bestimmten Gründen an diesen Raum gebunden war. Geheimrat, Professor Dr. Penck eröffnete die Sitzung mit einem Nachruf auf

einige in den letzten Tagen des alten Jahres verstorbene Mitglieder der Gesellschaft, hierbei mit großer Wärme des um die geographische Wissenschaft und im besonderen um unsere Kolonien in der Sädsee der

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3 * in PFaa Mar 2 183 * Profess dienten von Schleinitz gedenkend. Das Wort ergriff dann Professor D

E. von Drygals ki aus München über: Die Zeppelin-Studien⸗ fahrt nach Spitzbergen und ins Nördliche Eismeer im Sommer 1910, an der er teilgenommen hatte.

Der Gedanke, das Luftschiff zur Erforschung des Polarmeeres zu benutzen, ist bereits zweimal verwirklicht worden: das erstemal unter Anwendung des Luftballons durch den schwedischen Gelehrten Andree vor 15 und 14 Jahren mit tief tragischem Ausgang, denn Lie kühnen Unternehmer blieben spurlos verschollen; das zweitemal gleichfalls in einem Versuch, dem ein Jahr früher ein erster Anlauf vorhergegangen war, durch den Amerikaner Wellmann, welcher unter Anwendung eines von ibm eigens für den Zweck gebauten Luftschiffes den Aufstieg vornahm, aber nur wenige Kilometer vom Aufstiegsort ent⸗ fernt unter Umständen landete, die den Glauben an den Ernst des Unternebmens zerstörten. Er glich in Anlage und Durchführung auffällig der im letzten Spätsommer von demselben Manne unter—⸗ nommenen, ausschließlich auf Sensation beruhenden Expedition in den nördlichen Ozean. Nach diesen mißglückten Versuchen wurde die Welt einigermaßen überrascht durch die Nachricht, daß ein Mann, dessen Ernst, dessen Scharfsinn und Besonnenbeit so wenig in Zweifel zu ziehen war, wie dies von dem Grafen von Zeppelin unbestritten sein dürfte, sich mit dem Plan trug, sein erfolgreiches Luftschiff der Polarforschung dienstbar zu machen. Er dürfte zu diesem Entschluß unter folgenden Erwägungen gelangt sein: 1) versprach das Unternehmen eine wesentliche Weiterbildung seines Luftschiffes, 2) war es geeignet, das auf langen Fahrten über Land wohlbewährte Fahrzeug auch auf solchen über Meere zu erproben, 3) bot es Gelegenheit, dem anerkannten, militärischen und wirtschaft ichen Wert der Erfindung durch die Zuweisung und Erfüllung wissenschaftlicher Aufgaben er— böbten Wert zu verleihen. Der dritte Punkt dürfte für den Grafen Zerpelin der entscheidende gewesen sein. Aber gab es nicht Näher⸗ iegendes hierfür als gerade die Polarforschung? Gewiß ist es Gegenstand sorgfältiger Erwägung gewesen, ob das Luftschiff nicht jur Eiforschung mancher noch ganz, unbekannter Gebiete unseres Planeten geeigneter zu, verwenden sei, des Innern Arabiens, z. B., der Unwaldgebiete Südamerikas, Afrikas, Neu— guineas? Sie werden sicher einst noch mit Hilfe des Luftschiffes ekannter werden, als sie es heute sind; allein zurzeit ist das Luftschiff der Unbill und den Wechselfällen tropischer Klimata noch erst un⸗ genügend gewachsen, nicht zu gedenken der langen Nächte und der starken Luftwärmeunterschiede zwischen Tag und Nacht. Ganz anders stellt sich gerade in diefen Punkten der arktische Sommer. Es ist für jedes Unternehmen dort zunächst doch ein Gewinn, daß die Sonne 4 bis 5 Monate nicht untergebt, die an den Wechsel von Tag und Nacht sich knüpfenden Temperaturschwankungen und Luftbewegungen ganz

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Sommers in den hohen Breiten ebenso ausgeschlossen find wie starke Niederschläge, die in Form von Schnee ein Lustschiff schwer belasten und herunterdrücken könnten. (Während des fast sechswöchigen Verweilens der Expedition im Polarmeer hat man nur einen Tag mit mäßigem Wind und Niederschlagen erlebt, wogegen allerdings Nebel häufig war.) Zu diesen Ueberlegungen gesellte sich zugunsten gerade des arktischen Gebiets, im Gegensatz z. B. zu dem antaiktischen von bewohnten Küsten ungleich weitẽr entfernten, die Nähe von Norwegen und die Belebtheit des Nordmeeres im Sommer durch auf Walfang und Robbenschlag ausgehende Schiffe, somit die verhältnismäßige Sicher beit eines auf Erkundung des Nordmeeres mit Hilfe, des Luft- schiffes gerichteten Unternehmens. Fraglich für den Erfolg blieb zuvorderst nur, inwieweit bei Ueberschreitung der jenseits 80 Grad liegenden Grenze des Polareises gegebenenfalls eine schnelle und sichere Verankerung im Eise möglich sein würde und welche besonderen Hemmnisse etwa der Nebel biete, dessen Höhenerstreckung z. 3. ziemlich unbekannt ist. Es lag nahe, ehe Enischeidung für eine Expedition

getroffen werden konnte, erst an Ort und Stelle diese Ver— hältnisse zu studieren. So entstand unter Beratung durch

Geheimrat Hergesell der Plan dieser Studienreise, ö Die ihr ge⸗

aus nur als eine Vorexpedition gedacht wan. . gebene Organisation hatte keinerlei staatliche Mittel zur Vor⸗

aussetzung, vielmehr nur die freigebige Unterstützung hochherziger Gönner. Aus ihrer Zahl seien genannt der Geheime Kommerzienrat Freiherr von Friedländer Fould und die Direktion de orddenischen yd, letztere durch sachgemäße, überaus zweckdienliche Ausrüstung und kostenlose Stellung des ausgezeichneten Dampfers, Mainz“. Zur Expedition gehörte außer diesem großen Schiff noch ein nut etwa 560 t haltendes norwegisches Fangschiff, der Eis dampfer * bönix;, und für die Verbindung mit der Kulturwelt die flinke Jacht, Carmen“, welche während der Dauer der Expedition zweimal die Postverbindung mit Kiel herstellte, endlich Motorboote, die nach Erfordern vom Deck des Dampfers Mainz“ aus in See gelassen wurden. Als Gäste des Grafen Zeppelin nahmen wenigstens am ersten Teil der Eryedition auch Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich von Preußen

Lloyd

mit seinen beiden Adjutanten, den Cor bettenkapitanen Deren und von dem Knesebeck, Geheimrat von Friedländer Fould und Direkter im Reichsamt des Innern Dr. Lewald teil, während die Herren Hergesell, Miethe (mit seinem Assistenten Dr. Segert),

Graf Zedlitz Trützschler und der Vortragende als vin enschatlicher Stab bis zum Schluß der vom 13. Juli (dem Tage der Abfahrt von Bergen) bis Ende August dauernden Exppedition dem Grafen Zeppelin zur Seite standen. Außer ihnen waren noch einige Ingenieure für die praktischen Arbeiten des auf dem Schiff befindlichen Laboratoriums, des geplanten Aufstiegs eines Fesselballons und dessen Wasterstoffullurg an Bord, auch Professor Dr. Ruch als Arzt. Die wissenschaftliche Arbeit war unter den genannten Herren entsprechend verteilt: Geheim- rat Miethe war mit photographischen Aufnahmen, namentlich solchen nach dem optischen Dreifarbenspstem, und außerdem mit gewissen physikalischen Beobachtungen betraut und vollauf beschäftigt, Pro⸗ fessor von Divgaleki ebenso mit geographischen und ozeanegraphischen und Graf Zedlitz, er Besitzer eines überaus reichhaltigen Vogel⸗ museums, batte Fie Beobachtung der Fauna, insbesondere der Vogelwelt übernommen. Eine besondere Rolle war einem von Tremsö mit genommenen sogenannten „Eislotsen“, einem bejahrten Mann, zu— gedacht. Er versagte jedoch in allen schwierigen Lagen, sei es, daß feine Vorschläge ais unpraktisch erlannt wurden, oder daß er über— haupt keinen Rat wußte. Jedenfalls war es ein Glück, daß in dem

1 ö ö . 6 e, . [8 grfaBrene Kapitän des Phönix“ Zwenz ein ebenso energischer als erfahrener

Seemann für das Unternehmen gewonnen war. Auch war es dem Vortragenden in Tromkẽö gelungen, seinen Gefährten von der Süd⸗ polarerpedition, den Norneger Julius Berwick, zur Teilnahme zu bestimmen, dessen besonnener Rat und Sachkunde als sehr

wertvoll erkannt wurden. Der Vortragende schilderte nunmehr die Reise in fesselnder Weise, die Fahrt von Bergen an der noꝛwegi⸗ schen Felsenküste entlang nach Tromtö und Hammerfest, dann hin⸗ ͤ 39 nördlicher gelegenen öden und unwirtlichen Bären— insel und nach einer ersten Begegnung mit Treibeis den ersten An— blick des Wunderlandes Spitzbergen, das seiner phantastisch spitzen Berge halber diesen Namen mit Recht empfangen hat. Die merk würdige geologische Mannigfaltigkeit und Vielgestaltigkeit des Landes,

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die am Meere endenden mächtigen Gletscher, die Eis⸗ mauer längs des Strandes, dann wieder die bunte, wech— selnde Tundra⸗Vegetation, die Be de dandschaft durch nach vielen Dunderttausenden el, . großen Teil der Gattung ‚Lumme ane erließen bei allen Teilnehmern der Fahrt unausloöschlicke Dazu die malerischen Buchten des Eisfjord, der nd der landschaft⸗ lich schönsten aller, der nördlichsten M Von bier aus

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Bel diesen letzten Teilnehmer an der Expedition, bis herunter zun a zur dauernden Erinnerung einmal mitaufstieg. Die Beobachtungen über Gletscher⸗ und Eieverhältnisse

Au zeppelin darauf, daß jeder meinfachen Schiffsjungen, interessantesten

wurden auf der

** 9 ** ö. 4 vr; nm 5. nordwestlich vorgelagerten, besonders schönen Insel „Prinz Karls Vorland“ angestellt. Es ergab sich aus ihnen, daß abweichend

von Grönland die Gletscher zwar bis ans Meer vordringen, aber nicht ins Meer abstürzen, daß also keine eigentlichen 8 , von einen

bier abschwimmen. Die Eisbildung erfolgt vielmehr in . Banken. Die Bewegung der Gletscher ist ziemlich langsam. Am

Lande auf kurzen Wanderungen ins Innere angestellte Beobachtungen belehrten auch darüber, daß Spitzbergen niemals vollständig vereist

gewesen ist und deshalb das Inlandeis in der., von Grönland her dem Vortragenden bekannten Gestalt feblt. Professor von Diygalski schloß seinen mit großem Beifall aufgenommenen Vortrag mit der Versicherung, daß, als die Teilnehmer an der Expe—

dition sich Ende August in Kiel getrennt, alle unter den güngtigsten Eindrücken gestanden hätten. Man war an einer überaus interessanten Fahrt beteiligt gewesen, hatte Wochen in schönster Matur, , . und stärkender Luft und fast beständigem Sonnenschein verlebi, viel gesehen, viel gelernt, viel gesammelt und vor allem die Zwecke erreicht, derentwegen das Unternehmen geplant norden war. Zwar sind noch nicht alle Bedenken an der Ausführbar keit einer erfolgreichen Erkundung der arktischen. Meere durch das Motorluftschiff geschwunden, und es wird dazu. noch der technischen Vervollkommnung, namentlich der völligen Zuverlässigkeit der Motoren, bedürfen; aber in wichtigen Punkten sind doch zie be⸗ friedigendsten, Erfolg verheißenden Erfahrungen gexonnen werden, Ven zweiten Vortrag des Abends hielt Geheimrat, Profe ssor Dr. Miethe in Begleitung und zur Erläuterung der wunzervo len, von ihm während der Fahrt der Mainz“ und auf zahlreichen Aug—⸗ flügen ans Land aufgenommenen Photegraphien. Es waren dieselben schwarz · weiße Wandelbilder und überaus zahlreich⸗ Drei arben., photographlen nach dem vom Vortragenden so genial ausgebildeten bptischen Verfahren, über welche im Anschluß an die Verbandlungen der Schiffbautechnischen Gesellschaft in Nr. 272 vom 2. Neovemher v. J. an dieser Stelle bereits ausführlich berichtet worden ist. Wie damals, fanden auch diese als Illustration zu dem soeben zeböͤrten Vortrage sehr willkommenen, mit bewundern nerter Genaũlgkeit vor⸗ geführten Lichtbilder den größten Beifall der Versammlung.

(Weitere Statistische Nachrichten“ s. i. d. Zweiten Beilage.)

in Wegfall kommen, und daß Stürme während des arktischen